Wattenmeer
Wattenmeer
Wattenmeer
Öffentliche Konsultationsversion
Juli 2007
www.waddensea-secretariat.org
Auf der Trilateralen Wattenmeerkonferenz vom November 2005 auf der Insel Schiermonnikoog wurde
vereinbart, mit der Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als
Weltnaturerbe zu beginnen (Erklärung von Schiermonnikoog, §8). In dem seitherigen Zeitraum hat die
gemeinsame deutsch-niederländische Projektgruppe einen gemeinsamen Anmeldungsentwurf zur
Eintragung des deutsch-niederländischen Wattenmeers in die Liste des Erbes der Welt erarbeitet.
Dieser ist auf der Grundlage der UNESCO-Richtlinie und den Ausführungsbestimmungen in dem
geforderten Format verfasst. Eine Anzahl von Organisationen und Einzelpersonen aus den
Niederlanden und Deutschland haben die Projektgruppe mit wertvollen Beiträgen unterstützt.
Der Anmeldungsentwurf wird ins Niederländische und Deutsche übersetzt und von August bis
November auf verschiedenen öffentlichen Versammlungen und Konsultationsveranstaltungen in der
niederländischen und deutschen Wattenmeerregion besprochen. Für deren Organisation sind die in
den betreffenden Ländern jeweils zuständigen Stellen verantwortlich.
Inhalt Seite
Gesamtüberblick 1
2. Beschreibung 13
2.a Beschreibung des Gebietes
2.b Geschichte und Entwicklung
6. Monitoring 138
6.a Schlüsselfaktoren für die Bewertung des Erhaltungszustands
6.b Administrative Regelungen für das Monitoring des Gebietes
6.c Ergebnisse früherer Berichterstattungen
7. Dokumentation 146
7.a Fotografien, Dias, Verzeichnis der Bilder und Genehmigung von fotografischem und sonstigem
audiovisuellem Material
7.b Texte zur Schutzgebietsausweisung, Kopien der Verwaltungspläne oder Unterlagen zum
Verwaltungssystem und Auszüge aus anderen Plänen, die das Gut betreffen
7.c Form und Datum der neuesten Unterlagen oder Bestandsverzeichnisses zum Gebiet
7.d Anschriften der Stellen, bei denen Bestandsverzeichnisse, Unterlagen und Archive geführt werden
7.e Bibliographie
Der Wattenmeerplan, der auch den Managementplan für das angemeldete Gebiet darstellt, gilt für das
gesamte trilaterale Wattenmeer-Kooperationsgebiet, kurz Wattenmeergebiet genannt. Das
Wattenmeergebiet beinhaltet das angemeldete Gebiet. Das Wattenmeergebiet wird begrenzt durch
eine Offshore-Zone von 3 Seemeilen seewärts mit Ausnahme von Gebieten vor den Ostfriesischen
Inseln und vor den Inseln Sylt und Amrum, wo die Grenze jenseits dieser 3 Seemeilen bis zu 12
Seemeilen seewärts verläuft, die Hauptdeiche auf dem Festland bzw. bei fehlendem Hauptdeich das
Gebiet seewärts der Springtiden-Hochwasserlinie sowie in den Flüssen Ems, Weser und Elbe das
Gebiet seewärts der Brackwassergrenze sowie Ramsar-Binnenlandgebiete und NATURA-2000-
Gebiete.
Mit einer Pufferzone wird laut Ziffer 104 der UNESCO-Richtlinien für Welterbestätten ein zusätzlicher
Schutz im Umfeld der Welterbestätte bezweckt. Die Größe des angemeldeten Wattenmeeres, der
Umfang und Geltungsbereich des vorhandenen Schutzes sowie internationale Abkommen und
Regelungen stellen jedoch sowohl räumlich als auch nach ihrer Geltung die Integrität des
angemeldeten Guts sicher und entsprechen den Intentionen der genannten Ziffer 104 der Richtlinien
in vollem Umfang. Die Einrichtung einer Pufferzone ist deswegen weder beabsichtigt noch
geplant
1
Hängt von der Entscheidung im Kreistag Nordfriesland am 21. 09.07 ab
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 6
Karte im Format DIN A4 (oder „Letter“) mit Angabe der Grenzen des angemeldeten Gebietes
und der Pufferzone, sofern vorhanden
Das Wattenmeer (auch als hochwertige Karte im Format DIN A3 beigefügt, The Wadden Sea map.pdf)
Es stellt ein überragendes Beispiel der anhaltenden holozänen Entwicklung einer Sandküste unter
den Bedingungen eines steigenden Meeresspiegels dar und ist insofern einzigartig, als es sich
weltweit um das größte Watten- und Barriereinsel-Ablagerungssystem dieser Ausdehnung handelt.
Seine geologischen und geomorphologischen Merkmale sind eng mit biophysikalischen Prozessen
verflochten und sind ein Beleg von unschätzbaren Wert für die laufende dynamische Anpassung von
Küstenbiotopen an globale Veränderungen. Die biogeomorphologischen Interaktionen sind auf allen
Ebenen dabei bemerkenswert stark und geradezu einmalig.
Wegen der hohen Primär- und Sekundärproduktion im Wattenmeer kommt eine Vielzahl von Vogel-,
Fisch-. und Krebstierarten sowie von Robben auch weit über seine Grenzen hinaus vor. Die
reichhaltigen und vielfältigen Habitate sind von außergewöhnlicher internationaler Bedeutung als
wesentlicher Lebensraum für ziehende Wasservogelarten, die den ostatlantischen Zugweg zwischen
Südafrika, Nordostkanada und Nordsibirien benutzen. Es ist eines der wenigen Flachseegebiete in der
nördlichen Hemisphäre mit hoher Fischproduktion und stellt für Arten, die zwischen Süß- und
Salzwasser wandern, zum Laichen und zur Nahrungssuche sowie für heranwachsende Jungtiere ein
unabdingbares Gebiet dar.
Das Mosaik aus Naturerscheinungen mit komplexen geomorphologischen Merkmalen und biologisch
vielgestaltigen und reichen Lebensräumen, der beispiellosen ungeheuren räumlichen Ausdehnung
und der Millionen von Zugvögeln, die im Frühjahr und Herbst durchziehen, bildet in seiner Gesamtheit
eines der außergewöhnlichsten, schönsten und ehrfurchtgebietendsten Landschaften und
Meerespanoramen weltweit.
Das angemeldete Gebiet umfasst alle biophysikalischen und ökosystembezogenen Prozesse, die für
ein natürliches und sich selbst erhaltendes Wattensystem kennzeichnend sind. Die für den Schutz,
das Management einschließlich der Maßnahmen des Küstenschutzes und das Monitoring
[Umweltbeobachtung] geltenden Standards stellen sicher, dass sich das natürliche Ökosystem der
Watten mit allen Bestandteilen auch in Zukunft natürlich entwickeln kann und auf absehbare Zeit auch
menschliche Nutzungen ermöglicht. Eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen durch den
Menschen einschließlich der in kleinem Maßstab erfolgenden traditionellen Ressourcennutzung ist der
Schlüssel zur Gewährleistung seiner Unversehrtheit auch für kommende Generationen.
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Kriterium viii: „außergewöhnliche Beispiele der Hauptstufen der Erdgeschichte darstellen, darunter
der Entwicklung des Lebens, wesentlicher im Gang befindlicher geologischer Prozesse bei der
Entwicklung von Bodenformen oder wesentlicher geomorphologischer oder physiographischer
Merkmale“
Kriterium ix: „außergewöhnliche Beispiele bedeutender im Gang befindlicher ökologischer und
biologischer Prozesse in der Evolution und Entwicklung von Ökosystemen sowie Pflanzen- und
Tiergemeinschaften an Land, in Binnengewässern, an der Küste und im Meer darstellen“
Kriterium x: „die für die In-situ-Erhaltung der biologischen Vielfalt bedeutendsten und typischsten
natürlichen Lebensräume enthalten, einschließlich solcher, die bedrohte Arten enthalten, welche aus
wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert
sind.
Niederlande
Regional Board of the Wadden Sea Region Hamburg
P.O. Box 2724 Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt
NL-8901 AE Leeuwarden Nationalparkverwaltung Hamburgisches
Tel.: +31 (0)58 2339010 Wattenmeer
Fax: +31 (0)58 2339011 Billstraße 84
[email protected] D-20539 Hamburg
Deutschland Niedersachsen
Niedersächsisches Umweltministerium
Schleswig-Holstein Ref. 52 - Natura 2000, Nationalparke,
Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Biosphärenreservate -
ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein Archivstraße 2
Ref. 43 Meeresschutz, Nationalpark D -30169 Hannover
Mercatorstr. 3 Tel.: +49 (0)511 1203382
D-24106 Kiel Fax: +49 (0)511 120993382
Tel.: +49 (0)431 988 7196 [email protected]
Fax: +49 (0)431 988 615 7196
[email protected] Nationalparkverwaltung Niedersächsisches
Wattenmeer
Landesamt für den Nationalpark Schleswig- Hubert Farke
Holsteinisches Wattenmeer Virchowstr.1
Klaus Koßmagk-Stephan D-26382 Wilhelmshaven
Schlossgarten 1 Tel.: +49 (0)4421 911281
D-25832 Tönning Fax: +49 (0)4421 911280
Tel.: +49 (0)4861 61640 [email protected]
Fax: +49 (0)4861 61651
[email protected]
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Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 9
WATTENMEER
1.e Karten und Pläne mit Angabe der Grenzen des angemeldeten Gebietes (und ggfs. der
Pufferzone)
ERLÄUTERUNGEN LAUT RICHTLINIEN: Anlage zur Anmeldung; zusätzlich ist unter Angabe von Maßstäben
und Daten Folgendes aufzuführen:
(i) Originalexemplar einer topografischen Karte mit Angabe des angemeldeten Gebietes im größten verfügbaren
Maßstab,
Geografische Informationen in digitaler Form, die sich für eine Einbeziehung in ein GIS (Geografisches
Informationssystem) eignen, sind nach Möglichkeit vorzuziehen.
Ist keine Pufferzone vorgesehen, muss in der Anmeldung eine Aussage zu der Frage enthalten sein,
warum für den angemessenen Schutz des angemeldeten Guts keine Pufferzone erforderlich ist.
Abbildung 1.2: Das Wattenmeer (auch als hochwertige Karte im Format DIN A3 beigefügt, The Wadden
Sea map.pdf)
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Abbildung 1.3: Das Wattenmeergebiet und -Schutzgebiet/angemeldetes Gebiet mit dem „Gebiet der
beiderseitigen Bewirtschaftung/strittigen Gebiet“
Der Wattenmeerplan, der den Managementplan für das angemeldete Gebiet darstellt, gilt für das
trilaterale Wattenmeer-Kooperationsgebiet, kurz Wattenmeergebiet genannt. Das Wattenmeergebiet
beinhaltet das angemeldete Welterbegebiet und wird begrenzt durch eine Offshore-Zone von 3
Seemeilen seewärts mit Ausnahme von Bereichen vor den Ostfriesischen Inseln und vor den Inseln
Sylt und Amrum, wo die Grenze seewärts jenseits der 3 Seemeilen bis zu 12 Seemeilen verläuft, die
Hauptdeiche auf dem Festland bzw. bei fehlendem Hauptdeich das Gebiet seewärts der Springtiden-
Hochwasserlinie sowie in den Flüssen Ems, Weser und Elbe das Gebiet seewärts der
Brackwassergrenze, einschließlich der im Rahmen des Ramsar-Übereinkommens ausgewiesenen
Binnenlandgebiete bzw. NATURA-2000-Gebiete.
Mit einer Pufferzone wird laut Ziffer 104 der UNESCO-Richtlinien für Welterbestätten ein zusätzlicher
Schutz im Umfeld der Welterbestätte bezweckt. Die Größe des angemeldeten Wattenmeeres, der
Umfang und Geltungsbereich des vorhandenen Schutzes sowie internationale Abkommen und
Regelungen stellen jedoch sowohl räumlich als auch nach ihrer Geltung die Integrität des
angemeldeten Guts sicher und entsprechen den Intentionen der genannten Ziffer 104 der Richtlinien
in vollem Umfang. Die Einrichtung einer Pufferzone ist deswegen weder beabsichtigt noch
geplant.
Tabelle 1.1: Größe und Verteilung des angemeldeten „Wattenmeer“ in Deutschland und den
Niederlanden
Gebiet ha ha km2
1 Nationalpark Schleswig-Holsteinisches 441.000 4.410,0
Wattenmeer
Abschnitt Nordfriesland 323.000
Abschnitt Dithmarschen 118.000
2 Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer 13.750 137,5
3 Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer 277.700 2.777,0
4 Niederländisches PKB-Gebiet Wattenmeer 257.000 2.570,0
GESAMTFLÄCHE WATTENMEER 989.450 9.894,5
Seit dem Mittelalter haben Deutschland und die Niederlande unterschiedliche Auffassungen über den
exakten Verlauf der Grenze zwischen den beiden Ländern im Ems-Dollart-Mündungsgebiet. Der Ems-
Dollart-Vertrag (1960) regelt die bilaterale Zusammenarbeit bei öffentlichen Arbeiten und Fragen der
Wasserbewirtschaftung in diesem sog. „Gebiet beiderseitiger Bewirtschaftung“. Dieser Vertrag legt
auch die Zuständigkeiten und Rechte der Polizei, des Lotsendienstes und der Fischereiwirtschaft in
dem Gebiet fest. Darüber hinaus ist im Ems-Dollart-Umweltprotokoll (1996) die bilaterale
Zusammenarbeit im Bereich Wasserqualität und Naturschutz geregelt. Die Vogelschutz-, FFH- und
Wasserrahmenrichtlinie werden in enger Zusammenarbeit umgesetzt.
Das angemeldete Gut erstreckt sich nicht auf den dänischen Teil des Wattenmeer-Schutzgebiets. Der
dänische Teil des Schutzgebiets ist 1.250 km2 groß, was einem Anteil von 11,2% an der
Gesamtfläche des Wattenmeer-Schutzgebiets entspricht.
In der Folge der 2000-01 durchgeführten regionalen Konsultationen über eine Anmeldung des
dänischen Teils des Wattenmeer-Schutzgebiets zur Eintragung in die Welterbeliste in Vorbereitung
der 9. Wattenmeerkonferenz am 31. Oktober 2001 in Esbjerg stimmten die betroffenen
Amtskommunen gegen eine Anmeldung. Daher wurde im Rahmen der trilateralen Wattenmeer-
Kooperation auf der Konferenz von 2001 vereinbart, den Abschluss der Konsultationen in allen Teilen
der Wattenmeerregion abzuwarten. 2003 wurde das dänische Wattenmeer als eines von sieben
nationalen Pilotprojekten der möglichen Einrichtung von Nationalparks in Dänemark ausgewählt. Die
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Beratungen über die Frage, ob der dänische Teil des Wattenmeer-Schutzgebiets oder ein darüber
hinausgehendes Gebiet als Nationalpark ausgewiesen werden soll, sind noch nicht abgeschlossen.
Weitere Überlegungen zu einer Welterbeanmeldung sind deswegen bis zur Verabschiedung
entsprechender Gesetze im dänischen Parlament und der darauffolgenden Entscheidung über die
Ausweisung des dänischen Wattenmeeres als Nationalpark zurückgestellt worden.
Unbestreitbar entfällt auf den dänischen Teil des Schutzgebiets – wie oben angegeben – ein Anteil
von 11,2% an der Gesamtfläche des Wattenmeer-Schutzgebiets. Alle Merkmale, die dem Ökosystem
Wattenmeer zuzurechnen sind, sind im angemeldeten Gebiet vertreten. Dänemark ist zudem nach wie
vor Partner der trilateralen Wattenmeer-Kooperation und hat den Wattenmeerplan unterzeichnet,
welcher für den dänischen Teil des Wattenmeeres dasselbe Maß an Schutz und Regelungen vorsieht
wie für das angemeldete Welterbegebiet „Wattenmeer“.
2 Beschreibung
Das Wattenmeer stellt ein Küstenfeuchtgebiet von außergewöhnlicher Größe und großer Schönheit
dar und ist reich an einzigartigen Naturschätzen. Es ist eines der größten Küstenfeuchtgebiete der
Welt. All dies ist das Ergebnis eines postglazialen Meeresspiegelanstiegs um mehr als 100 m. Seither
haben sich diese Übergangszonen zwischen Land und Meer in ihrer Größe, Form und Lage in den
letzten 16.000 Jahren ständig verändert, was bis heute anhält. Auch wenn die Struktur und Funktion
dieser Feuchtgebiete denen alter Küsten ähneln, sind sie in Wirklichkeit relativ neue und hochgradig
dynamische Merkmale des Systems Erde. Daher stellen heutige Küstenfeuchtgebiete keine Wiege
von Endemismen oder Rückzugsgebiete für Relikte der Vergangenheit dar.
Ihre Biota weisen eine lange Evolutionsgeschichte von Anpassungen an die Küstendynamik, an
häufige natürliche Gefährdungen und an die Umweltextreme der Küstenzone auf. Die physische
Umgebung von Küstenfeuchtgebieten stellt das Leben vor große Herausforderungen. Im Vorteil sind
dabei entweder flexible Organismen oder spezialisierte Arten mit großer Verbreitung. Letzteres ist
notwendig, damit ein Gegengewicht zum häufigen Verschwinden ihres speziellen
Küstenlebensraumtyps und dessen Neuentstehung an anderer Stelle geschaffen wird. Das
Nettoergebnis dieser Evolutionsgeschichte ist eine relativ kleine Gruppe der weltweiten Arten, die in
Küstenfeuchtgebieten gedeihen können. Allerdings sind die Spezies, die hierzu in der Lage sind, von
ganz besonderer Art.
Der Reichtum und die außergewöhnliche Produktivität der Biota in Küstenfeuchtgebieten haben den
Menschen schon in frühester Zeit trotz der abweisenden Umwelt angezogen. Mit dem Voranschreiten
der Technik wurden dem Meer immer mehr Gebiete abgerungen und trockengelegt. Auch das
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Wattenmeer wurde im gewissen Umfang umgestaltet. Es ist jedoch nach wie vor das größte
zusammenhängende Tidegebiet der Welt. Bei Ebbe erscheint es als nasses Land und bei Flut als
flaches Meer. Das Wattenmeer ist ein Küstenmeer, das flach genug ist, um es zu durchwaten. Der
einzigartige Charakter und die enorme Ausdehnung dieser Tideflächen mit angrenzenden Salzwiesen,
Stränden, Düneninseln und Sandbänken, wo ein spektakulärer Tierreichtum anzutreffen ist, ist
Gegenstand dieser vorgeschlagenen Welterbestätte.
Vor drei Jahrzehnten haben Wissenschaftler aus den Niederlanden, Deutschland und Dänemark
umfassend den Wissensstand über die natürlichen Prozesse und die menschlichen Einflüsse im
Wattenmeer zusammengetragen2. Damit wurde eine solide Basis für die Umweltpolitik und das
Umweltmanagement geschaffen. Der Wissenstand wurde seitdem etwa alle drei Jahre in
Tagungsberichten wissenschaftlicher Symposien zum Zustand des Wattenmeeres aktualisiert3. Der
ökologische Qualitätzustand wird seit 1991 in Berichten regelmäßig aktualisiert, die überwiegend auf
den Ergebnissen des in Kapitel 6 näher beschriebenen trilateralen Monitoring- und
Bewertungsprogramms (Trilateral Monitoring and Assessment Programme – TMAP) beruhen4.
Zusammen mit Workshops zu ausgewählten Themen wie nachhaltiger Küstenschutz, Salzwiesen oder
Trends bei Vogelbeständen bietet diese intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit dem
Wattenmeer eine breite und solide Grundlage für die nachstehende Beschreibung.
In diesem Kapitel ist unter der Bezeichnung „Wattenmeer“ sowohl das angemeldete Gebiet als auch
das Ökosystem in seinem weitesten Sinne zu verstehen. In einigen wenigen Fällen kann man sich in
der Beschreibung der Geomorphologie, der Hydrodynamik und der Lebensräume wegen natürlicher
Prozesse, insbesondere deswegen, weil sich wandernde Organismen nicht an Verwaltungsgrenzen
halten, nicht auf die Grenzen des angemeldeten Gebietes beschränken.
Das Wattenmeer enthält das größte zusammenhängende Tidegebiet der Welt. Es zieht sich am
südlichen Rand eines stürmischen Schelfmeeres entlang. Landseitig strömen große Flüsse zu, die
kontinentale Landmassen der kühl-feuchten gemäßigten Klimazone in der Nordhemisphäre
entwässern. Diese Übergangszone ist extrem flach, deren tiefst- und höchstgelegenen Teile sich
ausnahmslos innerhalb von 50 m unter und über dem mittleren Meeresspiegel befinden. Das
Wattenmeer hat sich nach einer raschen postglazialen Transgression gebildet und unterliegt seither in
seiner Größe und Form wegen Meeresspiegelschwankungen, der Gezeiten, der Brandung und starker
Winde einer hohen Dynamik. Es besteht aus einem dynamischen Mosaik von Lebensräumen mit
angrenzenden Brackwasser und Salzmarschen,, Wattflächen in Mündungsgebieten und an offenen
Küsten, Stränden, Dünen, Sandbänken und Barriereinseln, Gezeitenströmen, seichten
Binnengewässern und dem offenen Meer. Diese bilden die gemeinsame Voraussetzung für eine
spezielle und vielfältige Küstenflora und -fauna.
Beim Wattenmeer handelt es sich um einen gigantischen Küstenfilter sowie eine ökologische
Drehscheibe für die biotische Produktion und für wandernde Tiere. Der Mensch lebt schon seit den
ersten Anfängen dieser amphibischen und dynamischen Landschaft im Wattenmeergebiet. Bei der
ersten Besiedlung der feuchten Wiesen errichtete er Hügelkuppen (Terpen, Wierden, Wurten,
Warften), um darauf zu leben. In späteren Phasen gewann er Land, indem er die Sümpfe durch
Erdwällen (Deichen) vom Meer trennte. Durch die Umgestaltung von Lebensräumen, den Abbau
verschiedener Materialien sowie Jagd und Fischerei beeinflusste er die Flora und Fauna. Diese
einzigartige Küstenlandschaft und Meeresumwelt ist dennoch weitestgehend intakt geblieben, wobei
die außergewöhnlichen Ansammlungen von Küstenvögeln und die reichhaltigen Robbenbestände ein
Zeichen dafür sind, dass dieses Küstenökosystem blüht und gedeiht.
Physische Umwelt
Das angemeldete Gebiet ist eine extrem flache und langgestreckte Küstenrandzone ohne klare
Trennlinie zwischen Land und Meer. Land liegt im Wasser, und das Meer überflutet das Land. Dieses
Land wurde durch das Meer geformt, und dieses Meer ist in ewiger Gezeitenbewegung und wird
2
Wolff W.J. (Hrsg.) 1983 Ecology of the Wadden Sea. Balkema, Rotterdam, Niederlande
3
Wolff W.J. 2003 Ten international scientific Wadden Sea symposia in 25 years: what did we achieve?
In: Wolff W.J. et al. (Hrsg.) Challenges to the Wadden Sea. Univ. Groningen, NL: 27-30
4
Essink K. et al. (Hrsg.) 2005 Wadden Sea Quality Status Report 2004. Wadden Sea Ecosystem No.19.
Gemeinsames Wattenmeersekretariat, Wilhelmshaven, Deutschland
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zuweilen durch heftige Stürme aufgewühlt. Das Küstenklima wird im Wesentlichen durch die
gewaltigen Wassermassen des Meeres bestimmt.
Geografie
Die nördlichen Ozeane der Erde werden durch ausgedehnte Schelfmeere begrenzt. Am Atlantikschelf
Westeuropas ist die Nordsee mit 520.000 km² das größte Schelfgebiet (Abb. 2.1). Im Westen ist sie
mit dem Atlantikschelf über den Ärmelkanal verbunden und vom Nordatlantikbecken durch die
Britischen Inseln abgeschirmt. Im Osten führt der Skagerrak in die ganz vom Land umschlossene
Ostsee. Im Norden geht sie auf breiter Front in das tiefe Nordmeer über. Im Süden stößt die Nordsee
auf den europäischen Kontinent, und hier bildet das flache Wattenmeer größtenteils die Küstenlinie.
Es ist demnach mit dem Ozean verbunden, befindet sich jedoch im innersten Teil eines seiner
Randmeere.
Beim Nordseeschelf handelt es sich um eine alte Kontinentaldriftsenke, die mit Sedimentablagerungen
von mehreren Kilometern Dicke aufgefüllt ist. Diese stammen von den umgebenden Landmassen,
wobei deren Schichten teilweise große Mengen flüssiger und gasförmiger Kohlenwasserstoffe
enthalten, die vom Menschen intensiv abgebaut werden. Die Tiefe der Nordsee nimmt zum Atlantik
hin auf etwa 200 m am Rande des Kontinentalschelfs zu. In der Mitte der Nordsee liegt das
Flachwassergebiet der Doggerbank, wo die Wassertiefe weniger als 20 m betragen kann. Diese Bank
übt auf die Wasserzirkulation in der südlichen Nordsee einen wesentlichen Einfluss aus und stellt ein
bedeutendes Fischfanggebiet dar.
Die Südhälfte der Nordsee ist mit einer Wassertiefe von zumeist unter 50 m Tiefe sehr flach, und hier
münden mehrere große Flüsse ein: Humber, Themse, Schelde, Maas, Rhein, Ems, Weser und Elbe
(Abb. 2.2). Diese Flüsse verursachen einen geringfügig niedrigeren Salzgehalt der Küstengewässer
sowie höhere Nährstoffkonzentrationen. Ein Großteil dieser Flüsse hat ein Binnendelta sowie äußere
Mündungstrichter mit ausgedehnten Süß- und Brackwassersümpfen ausgebildet, die an der
Außenküste auf Salzwiesen marinen Ursprungs stoßen.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 16
Die flache südliche Nordsee trifft auf extrem flaches Marschland, das nur gelegentlich durch mäßige
Erhebungen glazialen Ursprungs oder von Dünen auf Barriereinseln unterbrochen wird. Die Höhe
dieser Erhebungen bleibt generell unter 50 m. In den Seegatten mit stark abtragend wirkenden
Strömungen überschreitet das Wasser nur selten eine Tiefe von mehr als 50 m. Somit bleibt das
Geländeprofil auf einer Länge von 1000 km Küstenlinie und einer durchschnittlichen Breite von 250
km innerhalb der engen vertikalen Grenzen von rund 100 m. Der zentrale Teil dieses
Küstenflachlandes und Flachmeeres erhielt den Namen Wattenmeer, weil hier das Watt – das man
durchwaten kann – seine größte Ausdehnung aufweist.
Als seeseitige Begrenzung des Wattenmeers hat man die Tiefenlinie von 15 m unter dem
Meeresspiegel vorgeschlagen, die parallel, jedoch meist etwas außerhalb der administrativen Grenze
des Wattenmeers verläuft. Die Wahl dieser Tiefenlinie ist zwar etwas willkürlich, entspricht jedoch grob
der Begrenzung eines angenommenen Küstensedimentaustauschsystems und fällt auch mit dem
seeseitigen Vorkommen einiger bedeutender, saisonal wandernder aquatischer Organismen der
Gezeitenzone zusammen. Auch Küstenvögel überschreiten diese Grenze zur Nahrungssuche
seeseitig nur selten. Die landseitige Begrenzung des Wattenmeeres hängt ebenfalls mit den bereits
angesprochenen Aspekten zusammen. Geomorphologisch sind alle flachen Marschen bis höchstens 5
m oberhalb der mittleren Meeresspiegelhöhe dem System zuzuordnen. Dies entspricht grob dem
weitesten Vordringen des Meeres in ferner Vergangenheit und damit der Ablagerung mariner und
fluviatiler Sedimente.
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Tabelle 2.1: Geomorphologische Regionen des Wattenmeergebiets mit größeren Unterteilungen von
land- und seeseitigen Übergangszonen (in km²).
Küstenlängsseitig erstreckt sich das Wattenmeer von der Halbinsel Skallingen in Dänemark bis zur
Halbinsel Den Helder in den Niederlanden. Die Küstenlinie zwischen diesen beiden Punkten hat eine
Länge von etwa 500 km. Die geomorphologische Breite zwischen der see- und landseitigen
Begrenzung kann in den Ästuaren bis zu 150 km betragen, ist durchschnittlich jedoch nur halb so
groß. Die Fläche des (gesamten) Wattenmeers vom maritimen Tiefland über Flachwasserbereiche bis
zu den Offshore-Bereichen beläuft sich auf rund 14.700 km² (Tabelle 2.1).
Die Gezeitenzone ist kleiner. Die Länge ist identisch, als seeseitige Begrenzung wird jedoch die Linie
genommen, die alle Barriereinseln und Sandbänke verbindet, während die landseitige Begrenzung
von der Deichlinie bzw. in einigen wenigen Fällen von Pleistozän-Klippen, die eine Barriere für das
Meer darstellen, gebildet wird. Dieses Gebiet hat eine Fläche von rund 8.400 km², wovon auf
gezeitenabhängige Wattflächen nahezu die Hälfte entfällt.
Dieses Gebiet des (gesamten) Wattenmeers lässt sich in drei Teilregionen unterteilen:
• Das südliche Wattenmeer erstreckt sich vom Seegatt von Marsdiep im Westen bis zum
Jadebusen im Osten. Zwölf Hauptinseln bilden eine seeseitige Sandbarriere in etwa 5 bis 15
km Entfernung vor der Festlandsküstenlinie und schirmen die Gezeitenzone gegen die von
Nordwest- und Nordwinden verursachte Brandung ab. Eine große Einbuchtung, die ehemals
salzwasserhaltige Zuiderzee (3.600 km²), war einst Bestandteil des südlichen Wattenmeers,
wurde jedoch 1932 durch einen Damm abgetrennt und in einen Süßwassersee sowie
Agrarland umgewandelt. Eine weitere Einbuchtung, der Dollart im Mündungsgebiet der Ems,
ist noch vorhanden.
• Das mittlere Wattenmeer erstreckt sich vom Jadebusen bis zur Halbinsel Eiderstedt und weist
drei große Flussmündungsgebiete auf, nämlich von Weser, Elbe und Eider. Vor der Eider-
Mündung wurde eine Sturmflutbarriere errichtet. Der Salzgehalt ist in dieser Teilregion
geringer und stärkeren Schwankungen unterworfen, während der Tidenhub höher ist. Eine
seeseitige Kette von Barriereinseln fehlt. Mit dem Jadebusen erstreckt sich eine große
Einbuchtung tief in das Marschland.
• Das nördliche Wattenmeer erstreckt sich von der Halbinsel Eiderstedt im Süden bis zur
Halbinsel Skallingen im Norden. Acht Inseln und hohe Sandbänke bilden eine seeseitige
Barriere in etwa 5 bis 25 km Entfernung vor der Festlandsküstenlinie und schützen vor der
Brandung, die von den vorherrschenden Westwinden verursacht wird. In der Gezeitenzone
sind mehrere Marschinseln verstreut, die Überreste eines zusammenhängenden
Marschlandes darstellen, welches im Mittelalter überflutet wurde. Nur hier kommen auch
einige Pleistozän-Klippen vor. Große Flussmündungsgebiete fehlen.
Hydrologie
Eines der wichtigsten hydrologischen Merkmale der Nordsee-Südküsten ist ein beständiger Strom
entlang der Küste von Südwest nach Nordost (Abb. 2.3). Gespeist wird dieser Strom von
Atlantikwasser, das südwärts die britische Ostküste entlang und ostwärts durch den Ärmelkanal
strömt. Diese Wassermassen vereinigen sich westlich des Wattenmeers, fließen als kontinentaler
Küstenstrom entlang der Küstenlinie knapp vor der Gezeitenzone und ergänzen schließlich den den
Rückfluss des Norwegengrabens in den Atlantik. Dieser Küstenparallelstrom nimmt den Abfluss des
Rheins und der Elbe sowie mehrerer kleinerer Flüsse auf. Es ist dieser Mischwasserkörper, der die
Gezeitenzone des Wattenmeers versorgt, bei dem es sich hydrologisch um einen integralen
Bestandteil des Küstenparallelstroms handelt.
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[Beschriftung der Karte, von oben nach unten und von links nach rechts:]
Atlantikwasser, Atlantikwasser (West), Insel-Fair-Strom, Wasser der nördlichen Nordsee, Norwegisches Küstenwasser,
Schottisches Küstenwasser, Dooley-Strom, Wasser der mittleren Nordsee, Jütland-Küstenwasser, Ostseewasser, Wasser der
südlichen Nordsee, Kontinentales Küstenwasser, Ärmelkanalwasser
[im Kasten:]
Die Dicke der Pfeile zeigt das Transportvolumen an. Rote Pfeile bezeichnen relativ reines Atlantikwasser.
Abbildung 2.3: Schematische Darstellung der allgemeinen Zirkulation in der Nordsee (Quelle: OSPAR-
Kommission)
Alle direkt in das Wattenmeer entwässernden Flüsse kommen aus einem Einzugsgebiet mit einer
Fläche von 230.000 km² und führen eine jährliche Abflussmenge von 60 km³ zu. Nimmt man den
Rhein und einige andere Flüsse hinzu, die in unmittelbar benachbarte Meeresgebiete entwässern,
gelten für den Einzugsbereich und Süßwasserzufluss etwa doppelt so hohe Werte. Diese Flüsse sind
die Ursache von Schwankungen des Salzgehalts. So treten im Winter und Frühling zumeist
geringfügig niedrigere Durchschnittswerte auf, im Sommer dagegen höhere Werte. Hierin spiegelt sich
die Niederschlagsverteilung Nordwesteuropas wider. Allerdings reicht der Flusswassereinfluss nicht
aus, um das gesamte Wattenmeer als großes Ästuar zu charakterisieren. Ebenso wenig handelt es
sich um eine Küste zum offenen Ozean. Vielmehr nimmt das Wattenmeer eine hydrologisch
einzigartige Zwischenposition mit drei großen hydrologischen Merkmalen ein.:
• Der Salzgehalt bewegt sich zumeist zwischen 20 und 30 psu, was unter dem Wert für
ozeanische Gewässer (34) liegt, jedoch höher ist – bei geringerer Schwankungsbreite – als
bei den meisten Ästuaren (0-20);
• die Brandung wird durch eine Barriere von Sandinseln und Sandbänken gemildert,
wohingegen die Gezeiten sowie häufige Stürme das Wasser unablässig in Bewegung halten;
• meso- bis makrotidale Bedingungen (mittlerer Tidenhub 1,4 bis 4,0 m) in Kombination mit
einer extrem sanften Neigung vom Land zum Meer setzen den Meeresboden auf einer
Durchschnittsbreite von 15 km (Schwankungsbreite 5 bis 25 km) und einer Fläche von 4000
km² den Gezeiten aus.
diesen unterscheiden sie sich allerdings dadurch, dass sie mit den Gezeiten wechselnde
Strömungsrichtungen aufweisen (Abb. 2.4). Das Vorhandensein von Tidebecken hängt von der
Existenz von Barriereinseln oder hoher Sandbänke ab. Zwischen benachbarten Inseln wird der
Gezeitenstrom gepresst, wodurch sich bis zu 50 m tiefe Seegatte bilden, die durch starke Strömungen
ausgespült werden. Hinter den Barriereinseln verzweigen sich die meisten Meeresarme nach einem
wiederkehrenden Aufteilungsmuster in größere Rinnen (Kanäle) und diese wiederum in immer
kleinere Priele mit ihren Verästelungen. In diesem Bereich treffen die Flutwasser benachbarter
Seegatte an Gezeitenwasserscheiden aufeinander. Auf der Seeseite von Seegatten bilden sich Ebbe-
Deltas mit starken Wasserturbulenzen. Hier interferieren Ebbströmungen mit den Wellen und dem
Küstenparallelstrom. Infolgedessen wird mitgeführter Sand in Form von hochgradig dynamischen
Sandbänken angehäuft.
[Beschriftung der Karte, von links nach rechts und von oben nach unten:]
Nordsee, Uferzone, Barriereinsel, Salzwiesen, Trockengelegtes Küstentiefland, Wattenmeer“, Gezeitenrinnen, Watt, Ebbe-
Gezeitendelta, Seegatt
Abbildung 2.4: Geormorphologische Elemente der Wattenmeer-Küste (J. Hofstede) (Quelle: Wadden
Sea Ecosystem No.21)
Insgesamt wurde eine Serie von 33 derartigen Seegatten mit ihren barriererückseitigen Becken und
ihren Ebbe-Deltas als wiederkehrende Merkmale der Hydrografie des Wattenmeers bestimmt (Abb.
2.5). Diese sind durch einige Überlaufverbindungen über die Wasserscheiden im barriererückseitigen
Watt sowie die Gezeitenströmung und den Küstenparallelstrom auf der Seeseite der Inseln
miteinander verbunden. Wegen ihrer seitlichen Querverbindungen unterscheiden sich diese
Tidebecken von Küstenlagunen, die an vielen Küsten der Welt vorkommen. Unterbrochen wird die
regelmäßige Aneinanderreihung von Tidebecken durch vier große Flussmündungen, nämlich von
Ems, Weser, Elbe und Eider. Hier kommen zu dem ablaufenden Wasser bei Ebbe noch die fluvialen
Abflussmengen hinzu (Abb. 2.6). Wegen der sich hieraus ergebenden starken Strömungen sind an
Stelle von Ebbe-Deltas breite offene Trichter vorhanden. Diese Ästuare stellen Lebensräume mit stark
schwankendem, geringem Salzgehalt dar, in seltenen Fällen sogar Süßwasser-Gezeitenzonen.
Die Gezeiten treten zweimal täglich auf (zwei Ebb- und zwei Flutphasen pro Tag). Der mittlere
Tidenhub reicht von 1,4 m im Südwesten bis zu nahezu 4 m im mittleren Wattenmeer und nimmt von
dort wieder bis auf 1,5 m im Norden ab. Zweimal täglich bewegen die Gezeiten eine durchschnittliche
Menge von 15 km³ Meerwasser in die barriererückseitige Gezeitenzone, wo ungefähr dieselbe Menge
in der subtidalen Zone verblieben ist, wodurch die Gesamtmenge bei Flut auf rund 30 km³ anschwillt.
Diese hohe Austauschrate von Gezeitenwassermassen sorgt für die Dominanz mariner Bedingungen
in der barriererückseitigen Zone. Die Hochwasserstände schreiten im Wattenmeer innerhalb von
sechs Stunden gegen den Uhrzeigersinn voran: Ist im Südwesten Flut, so ist im Nordosten Ebbe.
Demnach können mit einem einzelnen Luftbild trocken fallende Flächen niemals in ihrer gesamten
Ausdehnung gezeigt werden. Hierzu müssen mehrere Bilder zusammengefügt werden (Abb. 2.5).
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 20
Abbildung 2.5: Mosaik von Satellitenbildern des Zeitraums 2000-2002 (Quelle: Gemeinsames
Wattenmeersekretariat sowie Brockmann Consult) (Abbildung S.11 im QSR 2004)
Die Wirkung von Voll- und Neumondphasen auf den Tidenhub beträgt im Wattenmeer nur rund 20%.
Demgegenüber können starke auflandige Winde die Hochwasserpegel um bis zu 4 m über den
mittleren Hochwasserpegel ansteigen lassen. Starke ablandige Winde können die Niedrigwasserpegel
um bis zu 1,5 m unter den mittleren Niedrigwasserpegel drücken. Mit dieser asymmetrischen
Modifizierung der Gezeitenpegelstände vergleichbar ist auch, dass starke auflandige Winde weit
häufiger auftreten als starke ablandige Winde. Daher bleibt das Watt wegen starker Westwinde häufig
mehrere Tage lang überflutet, wohingegen es nur selten vorkommt, dass es infolge von Süd- oder
Ostwinden über mehrere Gezeitenzyklen hinweg ununterbrochen trocken liegt. Aus diesem Grunde
können sich marine Organismen in der Gezeitenzone des Wattenmeers besser halten als
Landorganismen.
Klima
Angesichts einer Lage zwischen 53° und 55° nördlicher Breite wäre zu erwarten, dass das Klima des
Wattenmeers dem der Hudson Bay, der Bering-See oder dem Ochotskischen Meer in Sibirien ähnelt,
gäbe es nicht die warmen Wassermassen des Golfstroms, die Nordwesteuropa streifen und auch in
die Nordsee vordringen. Klimatisch ähnelt die Wattenmeerregion eher dem Golf von Maine,
Vancouver Island, dem Japanischen Meer oder dem Gelben Meer, die alle zwischen 40° und 50° Nord
liegen. Die klimatischen Bedingungen sind gekennzeichnet durch das Zusammenspiel zwischen
feuchten Meeresluftmassen aus westlichen Richtungen und trockenen Festlandsluftmassen aus dem
Osten. Vorherrschend sind dabei die im Nordatlantik entstehenden und ostwärts ziehenden
Tiefdruckgebiete mit ihren Westwinden. Dies erklärt die relativ milden Winter und eher kühlen
Sommer. Die mittlere jährliche Lufttemperatur beträgt rund 8,5°C. Die Jahresmitteltemperatur des
Wassers beläuft sich auf etwa 9°C, bei einem sommerlichen Durchschnitt von 15°C und einem
winterlichen Durchschnitt von 4°C. Als Extreme der letzten sechzig Jahre wurden in der Gezeitenzone
Wassertemperaturen von +23°C und -2.3°C gemessen.
Reproduktion und das Wachstum von Organismen der Gezeitenzone. Umgekehrt lösen Kälteperioden
zu Beginn des Winters Wanderungen von küstennahen in küstenfernere Gewässer aus.
Trotz der feuchten Meeresluft sind die Niederschläge in der Wattenmeerregion mit etwa 700 bis 800
mm jährlich oder rund 2 mm pro Tag als mäßig zu bezeichnen. Die Bewölkung zieht häufig über das
Wattenmeer hinweg, wobei Regen erst weiter im Binnenland fällt, wo das Gelände ansteigt.
Regenwasser übt auf den Salzgehalt in der Gezeitenzone nur eine geringe direkte Wirkung aus. Der
indirekte Effekt infolge der Abflussmengen von Flüssen ist stärker.
Von großer Bedeutung für Klimaschwankungen im Wattenmeer ist das Gefälle zwischen tiefem
Luftdruck im Norden (bei Island) und hohem Luftdruck im Süden (bei den Azoren). Dieses Gefälle ist
zumeist stark ausgeprägt und bringt starke Westwinde, kühle Sommer und milde Winter an der
Nordseeküste mit sich. Allerdings weist dieses Druckgefälle bisher eine rund zehnjährige Periodizität
auf. Dabei folgen auf Perioden mit starkem Druckgefälle und somit häufigen Sturmfluten, nassen und
milden Wintern gegenteilige Perioden mit schwachem Druckgefälle und damit einem Kontinentalklima
mit Ostwind und strengen Wintern. Diese Periodizitäten wirken sich nachweislich auf die Bestände von
Meeresorganismen und auf den Vogelzug aus.
Die Gesamtfolge ist ein eher veränderliches, gemäßigtes Klima. Der mäßigende Einfluss des Meeres
herrscht vor, während kontinentale Extreme selten sind. In Szenarien zum Klimawandel wird
prognostiziert, dass sich der maritime Einfluss im Winter eher noch verstärkt, wohingegen die Sommer
stärker kontinental geprägt sein könnten. Somit werden Stürme und Regen im Winter möglicherweise
zunehmen, während Dauerfrost zunehmend seltener zu erwarten ist. Die Erwärmung im Frühjahr wird
u.U. frühzeitiger einsetzen, wobei das Wasser im Sommer höhere Temperaturen erreichen könnte, die
länger in den Herbst hinein andauern würden. Es wird erwaretet, dass der Anstieg des
Meeresspiegels zeitlich verzögert zur atmosphärischen Erwärmung einsetzt. Er wird für das flache
Wattenmeer jedoch schwerwiegendere Konsequenzen haben. Bei einem Anstieg des Meeresspiegels
um mehr als einen halben Meter bis zum Ende dieses Jahrhunderts könnten die Wattflächen um 15%
abnehmen und die Tidebecken den Charakter von Gezeitenlagunen annehmen, wenn keine
Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Geologie
Beim Wattenmeer handelt es sich um eine Sedimentationsregion. Tektonische Aktivitäten stellen für
diese Küste keine Bedrohung dar. Weder mit Vulkanausbrüchen noch mit schweren Erdbeben ist zu
rechnen. Seit dem Tertiär gehört die Region zu einem sich absenkenden Becken, das allmählich
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durch Quartärsedimente mit einer Mächtigkeit von 1000 m oder mehr angefüllt wird. Diese Struktur
wird nur sporadisch durch sich hebende Kuppen aus Permsalz unterbrochen. Dieses Phänomen hat
neben dem Wattenmeer triassisches Gestein zutage treten lassen, nämlich die Felsinsel Helgoland.
Ähnlich wurden auf der im nördlichen Wattenmeer gelegenen Insel Sylt tertiäre Schichten angehoben.
Ansonsten besteht die gesamte Region des Wattenmeers aus Ablagerungen der quartären Eiszeiten.
Dabei haben skandinavische Gletscher für die Veränderung und Beförderung vielfältiger Materialien
aus der gesamten Erdgeschichte gesorgt und diese gemischten Sande und Steine im Wattenmeer
abgelagert. Das Gebiet wurde mehrfach von Gletschern überfahren, die Täler ausgeschürft und
Moränen als Hügel in der Landschaft hinterlassen haben, gelegentlich mit großen, vom Eis
glattgeschliffenen Findlingen. Fluss-Sedimente aus Skandinavien wurden ebenfalls im Gebiet
abgelagert.
Die heutige Landschaft und die Gestalt des Meeresbodens sind nahezu vollständig das Ergebnis der
drei letzten Eiszeiten und ihrer Interglazialphasen einschließlich der heutigen Zwischeneiszeit. Die
Interglazialen der Vergangenheit haben mutmaßlich eine Küstenumwelt ähnlich dem heutigen
Wattenmeer entstehen lassen. Jedenfalls lässt sich aus Fossilienfunden auf eine Meeresfauna
schließen, die der heutigen Tierwelt ähnelte, während alte Kliffs und marine Sedimente zeigen, wie
weit das Meer in den Zwischeneiszeiten in das Land vorgedrungen ist.
Die Glazialfront der letzten Vergletscherung, die vor 18.000 Jahren ihr Maximum erreichte, kam
unmittelbar östlich der heutigen Wattenmeerregion zum Stehen, die damals vermutlich von
Tundravegetation bedeckt war. Der Meeresspiegel lag etwa 120 m unter dem heutigen Niveau. Mit
beginnender Erwärmung ist der Meeresspiegel relativ schnell angestiegen und hat die heutige
Wattenmeergegend vor etwa 8.000 Jahren erreicht. Danach hat sich der Meeresspiegelanstieg
verlangsamt, woraufhin sich die Geomorphologie des Wattenmeers zu entwickeln begann.
Morphodynamik
Die charakteristische Geomorphologie des Wattenmeers mit Marschen auf dem Festland,
ausgedehnten Wattflächen und einer langen Kette von Barriereinseln hat sich in den letzten 8.000
Jahren allmählich entwickelt und dauert auch heute noch an. Diese einzigartige Geomorphologie ist
das Produkt einer Kombination von fünf großen und fortlaufenden Prozessen: (1) Die
Vergletscherungen haben ein sanftes Relief sanfter Täler und Hügel hinterlassen, wo Flüsse ihren
Lauf gefunden haben, und mit einem Knick in der Küstenlinie von west-östlicher in süd-nördlicher
Richtung an der Elbmündung die allgemeine Form bestimmt. (2) Der postglaziale
Meeresspiegelanstieg hat zu einem zunehmend größeren Tidenhub geführt und die Gezeitenzone
allmählich vergrößert. (3) Aus dem südlichen Nordseebecken wurden Sedimente in der Region des
Wattenmeers abgelagert, die durch küstenparallele Strömungen, die Gezeiten und die Brandung
herangeführt wurden. (4) Starke auflandige Winde haben gelegentlich zu Sturmfluten mit bis zu 4 m
über dem mittleren Hochwasserpegel liegenden Wasserständen geführt. Diese Sturmfluten haben
auffällige und dauerhafte Spuren in der Landschaft hinterlassen. Die starken auflandigen Winde
haben auf den Barriereinseln zudem gewaltige Dünen entstehen lassen. (5) Große Flüsse, die neben
dem Wattenmeer in die See oder direkt in das Wattenmeer münden, haben Feinsedimente an die
Küste geführt.
Gemeinsam haben diese Prozesse eine dynamische und amphibische Küstenlandschaft und
Meeresbodengestalt mit Wattflächen in einer Ausdehnung geschaffen, wie sie nirgendwo sonst auf
der Welt zu finden ist. In den vergangenen tausend Jahren wurden die vorübergehend überfluteten
höheren Teile dieser Küstenlandschaft durch den Menschen mehr und mehr umgestaltet, während die
Gezeitenzone weitestgehend das Produkt eines natürlichen Zusammenspiels zwischen einer seichten
See und einem flachen Land ist.
Die von den Gletschern geformten Täler und Furchen bestimmten den Verlauf der Flüsse Ijssel, Ems,
Weser, Elbe und Eider sowie die Lage der auffälligen Ästuare. Gletschermoränen bilden den Kern der
Inseln Texel, Föhr, Amrum und Sylt. Vermutlich hatte es seeseitig vom heutigen Wattenmeer einige
glaziale Reliktinseln gegeben. Deren Erosion im Verlauf des Meeresspiegelanstiegs dürfte als
bedeutende Sedimentquelle gedient haben. Landeinwärts der Marschen dominieren sanfte Moränen
die Landschaft. Als Überreste von Transgressionen der Vergangenheit weisen einige davon
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ehemalige Klippen auf, die großartige Plattformen für die Aussicht auf die Marschen, Wattflächen und
Inseln darstellen.
Meeresspiegelveränderungen haben in der Vergangenheit den größten Einfluss ausgeübt, was auch
für die Zukunft gelten wird. Man nimmt an, dass sich mit der Verlangsamung des postglazialen
Meeresspiegelanstiegs vor 8.000 Jahren eine seeseitige Barriere von Sandinseln und langgestreckten
Landzungen entwickelt hat. Zwischen dieser Barriere und den Gletschermoränen entstand eine
barriererückseitige Fläche mit Lagunen und Marschen. Am Fuße der Moränen entwickelten sich
Hochmoore. Entlang der Flüsse wuchsen Galeriewälder heran, wohingegen die Landschaft ansonsten
wegen der gelegentlichen Sturmfluten baumlos blieb.
Mit dem zunehmenden Tidenhub löste sich die äußere Sandbarriere in eine Kette von Barriereinseln
auf. Gleichzeitig vergrößerten sich die Wattflächen auf Kosten der Marschen. Die Abfolge früherer der
Sedimentschichten lässt darauf schließen, dass sich das prozentuale Verhältnis zwischen Marschen
und Wattflächen infolge der Schwankungen beim Meeresspiegel und bei der Sedimentablagerung
ständig verändert hat. Der Gesamttrend jedoch lief auf einen Anstieg des Meeresspiegels hinaus. Die
Kette der Barriereinseln bewegte sich allmählich landwärts, während die Seegatte ihren Querschnitt
an die sich ändernden Mengen des Tidenwassers anpassten. Diese Dynamik hält weiter an und dürfte
sich mit dem Meeresspiegelanstieg im Zuge der globalen Erwärmung noch beschleunigen.
Langgestreckte Landzungen sind an Ablagerungsküsten häufig zu finden. Sie entstehen, wenn der
durchschnittliche Tidenhub unter 1,5 m bleibt. Dies ist der Fall in den dem Wattenmeer benachbarten
Meeresregionen entlang der holländischen Küste und in Nordjütland. Die typische Kette der
Barriereinseln im südlichen und nördlichen Wattenmeer ist die Folge eines Tidenhubs zwischen 1,5
und 3 m. Bei mehr als 3 m haben Barriereinseln keinen Bestand. Die Strömungsgeschwindigkeiten in
Seegatten erreichen bei Springflut einen Wert von maximal ca. 1,5 m/s. Diese Strömungen reichen
aus, um die Kanäle trotz der Sedimentablagerungen offen zu halten. In das mittlere Wattenmeer
münden große Flüsse ein; gleichzeitig liegt der Tidenhub dort meist bei über 3 m. Daher fehlen
Barriereinseln im zentralen Teil. Lediglich kleine, kurzlebige Inseln auf mittlerer Meeresspiegelhöhe
kommen vor, die von ausgedehnten Wattflächen umgeben sind.
Als Überreste von einst ausgedehnteren Marschen sind in der barriererückseitigen Gezeitenzone im
nördlichen Wattenmeer einige von Marschen bedeckte Inseln eingestreut. Insgesamt sind etwa fünfzig
Inseln und hohe Sandbänke vorhanden, die bei Sturmflut teilweise überschwemmt werden. Bei
Sturmflut überschwemmte Marschen-Inseln nennt man Halligen.. Deren Vegetation besteht aus
Salzwiesen, die mit jeder neuen Flutablagerung Schicht um Schicht nach oben wachsen. Häufig
wachsen die umgebenden Wattflächen nicht im selben Tempo mit. Dann entstehen
Kanteninstabilitäten, weshalb die Halligen erodieren, soweit dem nicht durch Gehölzbuhnen oder
Steinwälle entgegengewirkt wird. Die Häuser auf den Halligen wurden auf Hügeln errichtet. Diese sind
die einzigen Inselteile, die bei Sturmfluten über Wasser bleiben. Diese Halligen mit ihren Warften sind
ein einmaliges Kennzeichen des nördlichen Wattenmeers und haben weltweit keine Parallele.
Durch die Seegatte werden Sedimente von der äußeren Küste in die Gezeitenzone und wieder zurück
geführt. Die Mengenbilanz dieses Sandaustauschsystems variiert mit der Form und Größe der
Tidebecken. Große barriererückseitige Tidebecken weisen ausgedehnte Ebb-Deltas und tiefe
Seegatte auf. Zumeist ist weniger als die Hälfte dieser Tidebecken von Watt bedeckt. Kleine Becken
haben kleine Ebb-Deltas, seichte Mündungen und einen Wattanteil von mehr als 50% der
Gesamtfläche.
Ein flaches Meer stößt auch an anderen Küsten der Erde auf flaches Land; das Wattenmeer hat
jedoch mit seiner spezifischen Kombination aus physikalischen Faktoren und deren Wechselwirkung
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mit den typischen Biota eine einmalige Geomorphologie entwickelt. Dies wird im folgenden Abschnitt
sowie in dem Kapitel über Lebensräume weiter ausgeführt.
Natürliche Felsformationen kommen im Wattenmeer nicht vor. In der gesamten Region herrschen
Sedimente vor; lediglich örtlich trifft man gelegentlich auf Kieselsteine und einige Findlinge. Der Sand
ist fluviatilen und glazialen Ursprungs und wird durch Strömungen und Wellen in der südlichen
Nordsee verteilt. Die Feinfraktion in den Sedimenten wird in erster Linie auf fluviale Quellen
zurückgeführt und dürfte jüngeren Datums sein.
Die Sedimente weisen in Richtung Küste ein Gefälle zu immer kleineren Korngrößen auf. Dieses
Gefälle beginnt bei Sandbänken und Sandflächen in seewärtigen Abschnitten, gefolgt von gemischten
Flächen und schließlich von Schlickflächen an der Festlandsküste und gelegentlich an
Gezeitenwasserscheiden.. Die barriererückseitige Gezeitenzone besteht zu 75% aus Sandwatt, zu
18% aus Mischwatt und zu 7% aus Schlickwatt. Subtidale Sedimente sind nahezu ausnahmslos
sandig. Diese Dominanz von Sand wird damit erklärt, dass das Wattenmeer in erster Linie durch
relativ starke Kräfte des Meeres geformt wurde, während Flüsse nur einen schwachen Beitrag
geleistet haben.
Die supratidalen Marschen setzen sich größtenteils aus Lehm und Torf hauptsächlich festländischen
Ursprungs zusammen. Je feiner die Sedimente sind, desto höher ist der biogene Anteil ihrer
Entstehung. Auf den Salzwiesen ist die Rückhaltefähigkeit der Vegetation für Feinpartikel
ausgesprochen hoch. Auf Schlickflächen werden Feinablagerungen durch einen Biofilm aus
Mikroalgen zurückgehalten. Auch Seegraswiesen halten Feinsedimente zurück, zumindest saisonal.
Biogene Riffstrukturen aus Mollusken mit filtrierender Ernährungsweise bessern örtlich den
Schlickanteil von Sedimenten mit ihren Ausscheidungen auf. Umgekehrt kommt es zur Bioturbation
des Sediments durch die auf den Wattflächen des Wattenmeers reichlich vorhandenen Wattwürmer,
die so die Zusammenballung von Feinpartikeln verhindern.. Diese marinen Würmer tragen zudem zur
Dominanz sandiger Wattflächen bei. Ähnlich der schon von Darwin beschriebenen Rolle von
Regenwürmern bei der Gestaltung der Landschaft in England formen Wattwürmer das
Erscheinungsbild von Wattflächen und beeinflussen das Flächenverhältnis zwischen Schlick- und
Sandwatt im Wattenmeer (siehe auch unter Watt).
Einen weiteren biogenen Beitrag leisten ausgedehnte Schalenfelder von Muscheln entlang der
Gezeitenkanäle. Diese Schalen sind ein Zeichen der hohen benthischen Filtrierer-Produktion im
Wattenmeer. Zusammen mit einigen Steinen und Findlingen stellen diese Schalenfelder das einzige
natürliche harte Substrat in einer ansonsten weichen Sedimentumgebung dar.
Die Humusbildung auf sandigen Barriereinseln stellt einen langsamen Prozess dar, da die Vegetation
auf den trockenen Dünen spärlich ist und häufig von sehr langsam wachsendem Trockengras oder
von Heide dominiert wird. Der sich gerade erst entwickelnde Humus wird häufig nach kurzer Zeit von
Sand begraben, der vom Wind herangeweht wird. In Dünentälern kommen hochgradig saure Böden
mit beginnender Torfbildung vor. Insgesamt bleibt dies wegen der kurzlebigen Natur der meisten
Dünentäler jedoch unbedeutend.
Ablagerungen werden mit der Brandung vom Meer herangeführt. Die seeseitigen Ränder von
Salzwiesen wachsen zumeist schneller und höher als landseitige Teile, weil sich grobkörnige
Sedimente schneller als alluviale Schlammpartikel ablagern. Dieser Prozess erzeugt häufig
Salzwiesenprofile in der Form eines umgekehrten Keils. In Salzwiesensenken werden die Böden unter
Stauwasserbedingungen häufig anoxisch, woraufhin die Vegetation wieder absterben kann. Dabei
entstehen Salzwiesentümpel. Zwischen diesen können sich Querverbindungen in Form von Prielen
bilden, die sich zu den Wattflächen hin allmählich vertiefen und verbreitern. Wo sich benachbarte
Wattflächen nicht im selben Maß wie die Salzwiesen mit ihrer Sedimentaggregation erhöhen, können
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die Wellen den Rand der Salzwiesen angreifen und zu Erosion führen. Dies hat einen Rückzug der
Salzwiesen sowie ein mögliches Vordringen des Watts zur Folge. Unter geschützten Bedingungen
dagegen wird der umgekehrte Prozess durch Pionierpflanzen eingeleitet, welche die obere
Gezeitenzone besiedeln und dabei Sedimente einschließen.
Diese fossilen Torfschichten wurden im Mittelalter in großem Stil abgebaut. Der Torf wurde getrocknet
und als Brennmaterial verwendet, während die salzhaltige Asche kommerziell exportiert wurde. Dies
stellte eine wesentliche Einkommensquelle dar, gleichzeitig wurde dadurch jedoch auch das
Geländeniveau erheblich abgesenkt. Bei Sturmfluten wurden diese Torfabbaugebiete großenteils
überflutet und anschließend wieder von marinen Ablagerungen bedeckt. Insbesondere rund um die
Halligen sind die Spuren des früheren Torfabbaus immer noch sichtbar und befinden sich jetzt in der
Gezeitenzone.
Langfristig wurde ein Großteil des angesammelten Lehms und Torfs wieder dem natürlichen Kreislauf
zugeführt. Zurückzuführen ist dies auf das dynamische Wechselspiel zwischen dem Vorrücken von
Salzwiesen in Wattflächen durch vordringende Salzwiesen-Pionierpflanzen und dem Zurückweichen
der Salzwiesen infolge von Brandungserosion. Dieses Gleichgewicht reagiert empfindlich auf den
Meeresspiegel, die Wellenhöhe und die Sedimentablagerung. Somit ist ein ständiges Vor und Zurück
der Küstenlinien im Laufe der Jahrhunderte charakteristisch für geschützte Küstenbereiche im
Wattenmeer. An den stärker den Elementen ausgesetzten Küsten werden Verlagerungen der
Küstenlinien ausschließlich durch physische Kräfte verursacht. Dies gilt besonders für die seewärtigen
Strände der Barriereinseln. Hier erscheint allerdings der Salzwiesenlehm, der sich auf der geschützten
Leeseite der Inseln entwickelt hatte und anschließend unter Wanderdünen begraben worden war,
wieder an den erodierenden seewärtigen Stränden und belegt damit die Landschaftsdynamik im
Wattenmeer.
Lebensräume
In der Übergangszone zwischen Land und Meer gelegene Lebensräume sind das Produkt hoch
komplexer Interaktionen zwischen physikalischen Eigenschaften und biologischen Vorgängen. Die
spektakulären Dünen auf den Barriereinseln legen Zeugnis ab von dem andauernden Kampf zwischen
der äolischen Beförderung von Sand und dessen biotischer Stabilisierung. Salzwiesen entstehen aus
dem Meer, indem eine dichte Vegetation bei Überflutungen Ablagerungen zurückhält, wobei die
Ränder gleichzeitig durch die Wellen erodiert werden. Muscheln ballen sich zusammen, sammeln im
Laufe der Jahre Sedimente an und bieten für immer mehr Arten nach und nach einen Lebensraum,
bis bei einem schweren Sturm oder in einem Winter mit Eisschollenbildung alles wieder weggespült
wird. Weniger offenkundig sind die lebensraumerhaltenden Aktivitäten der Wattwürmer, die mit ihrer
ständigen Verwertung von Oberflächensedimenten ein Sandwatt sandig halten und verhindern, dass
es zum Schlickwatt wird. Ohne diese geheime Tätigkeit von Würmern wäre eine Fläche von etwa
3000 km² aus geriffeltem Sand glatt und glitschig..
Die Lebensräume des Wattenmeeres zeigen auf faszinierende Weise, wie in der Biosphäre durch das
Zusammenspiel zwischen physikalischen Kräften und biologischen Vorgängen die Bedingungen für
das Leben geschaffen und in einem fragilen Gleichgewicht gehalten werden. Dem Menschen kann
dies nur in einer derartigen natürlichen Landschaft begreiflich werden, in der die physikalischen Kräfte
stark, die biologische Aktivität hoch und die Grundmaterialien aus weichen Sedimenten bestehen,
deren Konfiguration sich schnell verändern lässt. Dies wird im Wattenmeer in einem Gebiet mit
schwachem Gefälle vom Ufer bis ins offene Meer und vom tiefen Wasser bis zu den höchsten Dünen
eindrucksvoll veranschaulicht (Abb. 2.7). Das Wattenmeer bietet mit Prielen, Sandinseln,
Seegraswiesen, Muschelbänken, Sandbänken, Schlickflächen, Salzwiesen, Ästuaren, Stränden und
Dünen eine Vielzahl von Übergangslebensräumen. Im vorliegenden Kapitel über Lebensräume wird
die Struktur des Wattenmeerplans (vgl. Kapitel 5) übernommen. Demzufolge ist der „Offshore-Bereich“
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als solcher kein Lebensraum. Dennoch weist er Merkmale auf, welche rechtfertigen, ihn in diesem
Kapitel als solchen zu betrachten.
Offshore-Gürtel
Der Übergang zwischen dem Wattenmeer und der Nordsee kann in Bezug auf den betrachteten
Aspekt variieren. In der Tat gehen die Merkmale des Inshore- und Offshore-Bereichs allmählich
ineinander über, weshalb der Offshore-Teil des Wattenmeeres hier operativ definiert wird als die
seewärtige Zone zwischen einer Linie, welche die Barriereinseln und hohen Sandbänke miteinander
verbindet, und der Tiefenlinie von -15 m. Dieser Gürtel weist keine Wattflächen auf und fällt recht sanft
zur offenen Nordsee ab, entspricht letzterer jedoch hinsichtlich der vorkommenden Biota nicht ganz.
Dieser Offshore-Gürtel umfasst grob 6.000 km², wobei sich die durchschnittliche Wassertiefe auf rund
10 m beläuft. Im südlichen Wattenmeer schwankt die Breite dieser Zone zwischen 10 und 25 km. Im
mittleren und nördlichen Wattenmeer ist der Offshore-Gürtel breiter und variiert zwischen 20 und 50
km Breite. Diese Übergangszone ist im angemeldeten Gebiet nur teilweise inbegriffen und erstreckt
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sich besonders weit seewärts vor dem Mündungstrichter der Ems und vor den Inseln Sylt und Amrum
(Abbildung 2.7). Der Offshore-Gürtel muss ohne Rücksicht auf Begrenzungslinien berücksichtigt
werden, weil letztere durch physikalische Prozesse und wandernde Organismen überschritten werden.
Die Offshore-Zone liegt zu einem großen Teil innerhalb des Wattenmeergebietes und unterliegt damit
auch dem Schutz und Management im Rahmen der trilateralen Wattenmeer-Kooperation. Des
Weiteren wird die Offshore-Zone größtenteils nach der Habitat- und Vogelschutzrichtlinie der EU
sowie anderen internationalen Übereinkommen wie dem Ramsar-Übereinkommen geschützt.
Hydrologisch ist der Offshore-Gürtel Teil des Küstenparallelstroms und nicht als eigener Wasserkörper
zu betrachten. Wegen der Gezeiten tauscht er mit der Tidezone zweimal täglich ein durchschnittliches
Volumen von 15 km³ Wasser aus. Dieser Austausch ist mutmaßlich um ein Mehrfaches intensiver als
der Austausch mit der offenen Nordsee und mit benachbarten Küstengebieten im Westen und
Norden. Auch sedimentmäßig ist der Offshore-Gürtel Bestandteil eines Sandaustauschsystems mit
den Barriereinseln und der Tidezone. Man geht davon aus, dass jenseits der Tiefenlinie -15 m bis -20
m in der Regel nahezu kein Sand mehr in das Wattenmeer transportiert wird. Hierzu kann es trotzdem
bei außergewöhnlich schweren Stürmen kommen, bei denen sich die Wellen bis zu einer Tiefe von bis
zu -50 m auf den Meeresboden auswirken können. Das System des regelmäßigen Sandaustauschs
zwischen dem Offshore-Gürtel und den Inseln, den äußeren Sandbänken und dem Watt ist eine
entscheidende Vorbedingung für die Flexibilität des Küstensystems bei der Reaktion auf
Veränderungen der Tidezone und des Meeresspiegels sowie auf Störungen, die durch schwere
Sturmfluten verursacht werden.
Die Ökologie der Tidezone und die der offenen Nordsee sind durch den Offshore-Gütel ebenfalls eng
miteinander verknüpft. Phytoplankton-Blüten beginnen oftmals in diesem Gürtel. Hier ist die Trübung
ausreichend gering, damit in der Wassersäule genügend Licht verfügbar ist und die
Nährstoffkonzentrationen für deren rasche Aufnahme ausreichen. Beides zusammen bietet optimale
Bedingungen für die Entwicklung von Mikroalgen in der oberen Wasserschicht. Durch die Seegatten
versorgt diese Offshore-Primärproduktion die in der flachen Inshore-Zone vorhandenen benthischen
Organismen, die sich von Schwebstoffen und Ablagerungen ernähren. Mit anderen Worten, offshore
geborenes Phytoplankton ernährt das Inshore-Zoobenthos.
Das Benthos des Offshore-Gürtels unterscheidet sich von dem der offenen Nordsee dadurch, dass es
an die Instabilität des Substrats und die gelegentlichen Störungen durch einen sich bis zum
Meeresgrund bemerkbar machenden Seegang besonders gut angepasst ist. Makroalgen fehlen,
soweit durch Felsbrocken nicht vereinzelt ein festes Substrat geboten wird. Die überwiegende
Mehrzahl der Wirbellosen ist hochgradig beweglich, um Sandverlagerungen bewältigen zu können.
Trotzdem nutzen auch röhrenbauende Würmer wie der Bäumchenröhrenwurm Lanice conchilega die
Chance zwischenzeitlicher Stabilität, siedeln sich in dichten Gruppen an und können anschließend
den Sand stabilisieren.. Dies bietet einen Lebensraum für anderes Benthos, wobei unterschiedliche
Strukturen entstehen, bis nach einem Jahr oder mehr dieser auf Würmern basierende Lebensraum
durch besonders heftige Wellen zerstört wird.
Insbesondere die Ebbe-Deltas vor den Seegatten stellen einen Lebensraum mit ständigen
Sandverlagerungen dar. Nur wenige Organismen sind an ein Leben dort angepasst, sind dann
allerdings hoch spezialisiert, z.B. kräftige kleine Würmer (Gattung Ophelia), die sich bei Störungen
aufrollen. Dabei bleiben Sandkörner an ihrer Haut hängen und beschweren sie dadurch so, dass sie
bei starken Wasserturbulenzen schnell wieder an den Grund zurückkehren können. Winzige
Amphipoden (Haustoriidae) haben schaufelähnliche Beine entwickelt, mit denen sie sich nicht nur
durch den Sand graben, sondern auch schnell durch das Wasser paddeln können.
Ökologisch besteht die wichtigste Funktion des Offshore-Gürtels für die Tidezone möglicherweise
darin, dass er als Eiablage für Organismen dient, deren Larven in die Tidezone transportiert werden,
wo sie unter nährstoffreichen und wärmeren Bedingungen im Frühling und Sommer heranwachsen.
Dies trifft für die Nordseegarnele Crangon crangon in besonderem Maße zu. Sie kommt nirgendwo so
häufig vor wie im Wattenmeer und ist der Hauptfeind für kleine benthische Wirbellose (vgl. auch
Abschnitt über die Population von Leitarten). Die Krabbenfischerei konzentriert sich auf den Offshore-
Gürtel, weil sich hier die großen ausgewachsenen Tiere aufhalten, wohingegen die kleineren
Garnelen die Gezeitenzone bevölkern. Früher war die Krabbenfischerei wegen der rauen Brandung im
Offshore-Bereich auf die Baumkurrenfischerei im geschützteren Bereich hinter den Inseln beschränkt,
diese Einschränkung wurde jedoch durch größere und besser motorisierte Schiffe überwunden.
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Was am Beispiel der Nordseegarnele veranschaulicht wurde, gilt auch für mehrere Arten von
Plattfischen, mit der häufig vorkommenden Scholle Pleuronectes platessa und der Seezunge Solea
solea (vgl. Abschnitt über Populationen von Leitarten). Mit Ausnahme der Flunder Platichtys flesus
bleiben adulte Plattfische überwiegend im Offshore-Bereich, wohingegen ihre Larven in den Inshore-
Bereich treiben, metamorphisieren und sich dann von benthischen Beutetieren im Schlickwatt
ernähren. Vor Wintereinbruch kehren die Jungtiere in den Offshore-Bereich zurück.
Für viele andere Fische und Wirbellose dient der Offshore-Gürtel als Rückzugsgebiet im Winter, wenn
die Temperaturen in der Tidezone zu niedrig werden. Insbesondere in außergewöhnlich strengen
Wintern kommt dieser Rückzugsfunktion für die Überlebensfähigkeit von Populationen entscheidende
Bedeutung zu. Teilweise wird das Überleben durch Satellitenpopulationen im Offshore-Gürtel
gesichert, während der größere Teil der Population in der Tidezone anzutreffen ist. Dies ist der Fall bei
der Herzmuschel Cerastoderma edule, die gegenüber Frost hochgradig empfindlich ist. Nach einem
strengen Winter können Offshore-Satellitenpopulationen die Larven zur Wiederbesiedlung der
Tidezone liefern. Bei mobileren Organismen wie Würmern, die üblicherweise im Boden bleiben, hat
man beobachtet, dass sie vor Frostbedingungen im Tidebereich mit dem ablaufenden Wasser bei
Ebbe flüchten und sich im Offshore-Gürtel wiederansiedeln, von wo aus sie im nächsten Frühling
zurückkehren können.
Im Offshore-Gürtel gehen Seeschwalben im Sommer bzw. Eider- und Trauerenten im Winter häufig
auf Nahrungssuche. Bei einzelnen, mit Sendern ausgestatteten Seehunden Phoca vitulina wurde
unlängst nachgewiesen, dass die Beutezüge dieser Robbenart überwiegend in den Offshore-Gürtel
und sogar darüber hinaus führen. Dasselbe dürfte auch für die größeren Kegelrobben Halichoerus
grypus gelten. Beide Arten sammeln sich zum Rasten auf auftauchenden Sandbänken im
Wattenmeer. Die einheimische Walart, der Schweinswal Phocoena phocoena, wird häufig im
Offshore-Gürtel gesichtet, wo auch die Jungen aufgezogen werden. Ein wichtiges Gebiet für den
Nachwuchs der Schweinswal-Bestände liegt vor den Inseln Sylt und Amrum, weshalb dieser Bereich
in den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer aufgenommen wurde (vgl. auch Abschnitt
über die Population von Leitarten).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der dem Tidebereich vorgelagerte Offshore-Gürtel
geografisch zwar nicht auffällt, für das Ökosystem Wattenmeer aber dennoch einen wesentlichen
Lebensraum darstellt. Phytoplankton-Blüten werden aus dem Offshore-Gürtel in die Tidezone
transportiert. Denselben Weg nehmen Larven der benthischen Fauna und von Fischen. Garnelen,
Fische, Tauchvögel und Meeressäuger pendeln ohne Weiteres je nach Entwicklungsstadium oder
Jahreszeit zwischen Inshore- und Offshore-Bereichen hin und her. In strengen Wintern bietet der
Offshore-Gürtel ein wichtiges Rückzugsgebiet für das Überleben von Populationen, die ansonsten auf
die Tidezone beschränkt sind. Der Offshore-Gürtel ist somit ein unabdingbarer Bestandteil des
Ökosystems Wattenmeer sowie des Sandaustauschsystems an der Küste.
Tidezone
Das Vorkommen von Tidezonen ist auf ozeanische Küsten mit einem spürbaren Tidenhub beschränkt.
Ähnliche Lebensräume entstehen, wo in extrem flachem Wasser dem Wind ausgesetzte Ebenen und
Wiesen wegen auf- und ablandiger Winde in unregelmäßigen Abständen trocken fallen und überspült
werden. Das allgemeine Erscheinungsbild von Tidezonen unterscheidet sich je nach der Klimazone,
der Art des Substrats und der biogeographischen Region erheblich. Die hier zwischen Offshore-
Gürtel, Tidebereich, Ästuaren und Salzwiesen getroffene Unterscheidung lässt sich nicht auf andere
Küstenregionen anwenden, wo Barriereinseln fehlen, fluvialer Einfluss eine Schlüsselrolle spielt oder
Salzwiesen bzw. in tropischen und subtropischen Zonen sogar Mangroven einen Großteil der
Tidezone bedecken. Die Einzigartigkeit und außergewöhnliche Ausdehnung des Wattenmeers mag
Lebensraum-Unterscheidungen rechtfertigen, die speziell für diese Küstenregion sachgerecht sind.
Die Tidezone des Wattenmeers umfasst die Wattflächen, subtidale Sandbänke und die Priele der
barriererückseitigen Region und im mittleren Wattenmeer. Die Grenze zur Nordsee wird durch eine
künstliche Linie zwischen den Spitzen von Barriereinseln und äußeren Sandbänken bestimmt. Die
Grenzen zu den Ästuaren richten sich nach der Salinität, d.h. der durchschnittlichen Isohaline von 10
psu bei Hochwasser im Winter.
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Die Tidezone enthält die charakteristischsten Lebensräume des Wattenmeers. Vor allem die bis zum
Horizont reichenden Wattflächen sind ein Phänomen, das in einem derart großen Maßstab nirgendwo
sonst zu finden ist. Die Watten des Wattenmeers bilden die größten zusammenhängenden Flächen
von Schlick- und Sandwatt der Welt. Bei Ebbe treten die Watten in ungefähr der Hälfte der Tidezone
zutage. Die andere Hälfte entfällt auf subtidale Sandbänke und tiefe Rinnen, die sich zu immer
kleineren Kanälen und Prielen verzweigen, welche die Watten durchziehen. Eingebettet in dieses
topographische und sedimentäre Geflecht sind biogene Lebensräume wie Seegraswiesen und
Muschelbänke, die noch besonders behandelt werden.
Wattflächen
Zweimal täglich bietet sich ein spektakuläres Schauspiel. Langsam steigt Land aus dem Meer auf und
wird anschließend unweigerlich wieder vom steigenden Wasser überflutet. Der Meeresgrund
verschmilzt mit dem Horizont und lädt den Beobachter zu einer langen Wanderung ein. Der Wanderer
bzw. die Wandererin muss allerdings vorsichtig sein. Zahlreiche Rinnsale, einige Bäche und
schließlich tiefe Rinnen können den Weg versperren und müssen u.U. durchschwommen werden. Bei
auflandigem Wind kann das Hochwasser schneller zurückkommen, als nach den für die einzelnen
Orte im Wattenmeergebiet veröffentlichten Tidetabellen zu erwarten gewesen wäre. Daher werden
Führungen für den Besucher angeboten, bei denen nicht nur die Gezeiten erklärt, sondern auch die
Geheimnisse des verborgenen Lebens in den marinen Sedimenten unter den Füßen gelüftet werden.
Die Sediment-Oberfläche ist von mikroskopisch kleinen Algen buchstäblich bedeckt, deren
Photosynthese an den Sauerstoffblasen in Wasserpfützen erkennbar ist. Insbesondere kleine
Schnecken weiden diese Algen ab. Die Schnecken können so zahlreich sein, dass sich zunächst für
grobkörniges Sediment gehaltene Flächen bei näherem Hinsehen als dicht an dicht
beieinanderliegende Schneckenhäuser der häufigen Wattschnecke Hydrobia ulvae entpuppen, welche
eine Dichte von bis zu 120.000 Exemplaren je m² erreichen können. Diese sind höchstens einige
Millimeter groß. Mit ihrer Raspelzunge ernähren sie sich von Kieselalgen und dem Bakterienbelag, mit
dem Sandkörner oder die Häuser anderer Schnecken überzogen sind. Die Schnecken dienen
ihrerseits als Wirt einer spezifischen Parasitengemeinschaft und als Nahrung für Krebse, Garnelen
und Fische, wobei sich auch einige Vogelarten wie die Brandgans Tadorna tadorna zuweilen
vorzugsweise von diesen überreichlich vorhandenen Tieren ernähren.
Diese kleinen Schnecken bevorzugen die obere Gezeitenzone, wo die meisten Kieselalgen auf
Schlickwattflächen vorkommen. Junge Schnecken dagegen lassen sich in tieferes Wasser treiben, um
sich von Kieselalgen zu ernähren, die an einzelnen Sandkörnern haften, welche kaum kleiner als die
jungen Schnecken selbst sind. Daher können ihre Fressfeinde sie nur schwer von Sandkörnern
unterscheiden. Dies hilft den jungen Schnecken beim Überleben. Im Spätsommer, wenn sie
ausgewachsen sind, treiben die Schnecken in die obere Gezeitenzone zurück, wo ihre Eltern
geblieben sind.
Die meisten marinen Organismen in den Sedimenten der Tidezone sind recht klein. So kann man
Nematoden in einer Menge von bis zu hundert Exemplaren je cm³ Oberflächensediment finden. Die
Wattflächen des Wattenmeers beherbergen allerdings auch große Sedimentbewohner. Am
auffälligsten ist der Wattwurm Arenicola marina (Polychaeta), der bis zu 20 cm lang und dabei so dick
wie ein Bleistift werden kann.. Dieser Wurm hält sich weit unter der Oberfläche des Sediments an der
Basis seiner U-förmigen Höhle und damit außer Reichweite der meisten seiner Fressfeinde auf. Seine
Nahrung gleitet in einem Trichter von der Sedimentoberfläche herab. Der Wurm nimmt Sand auf,
verdaut daran haftende Mikroalgen und Bakterien und scheidet danach eine Kotschnur aus sauberem
Sand zur Oberfläche aus, die sich aufwickelt wie gekochte Spaghetti. Die Fäkalhäufchen sind überall
auf der Sedimentoberfläche verstreut und verleihen den Wattflächen des Wattenmeers eine überaus
charakteristische Oberflächentopografie (siehe auch unter Böden und Sedimente).
Wattwürmer bewässern ihre Röhren mit Wasser von oben, um ihre Kiemen mit Sauerstoff zu
versorgen und eine oxische Umgebung in einem ansonsten anoxischen Sediment mit toxischen
Sulfiden aufzubauen. Dies schafft neben den Wurmröhren eine Reihe von mikrooxischen Nischen, die
von winzigen Würmern, Ruderfüßern und Amphipoden genutzt werden. Einige dieser Würmer wurden
noch nie abseits von Wattwurmröhren gefunden (d.h. Typhlopolycystis rubra, Scoliopharyngia
arenicola, Coelogynopora faenofurca) und stellen somit eine hochspezialisierte Faunenkomponente
dar.
Die nahezu allgegenwärtigen Wattwürmer verdrängen andere Organismen durch Destabilisierung der
Sedimentoberflächenschicht, die 10 bis 20mal pro Jahr im Verdauungsapparat dieser Würmer recycelt
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wird. Selbst die eigenen Jungtiere werden in Randzonen abgedrängt, bis sie groß genug sind, um sich
neben den adulten Exemplaren zu behaupten. Ein weiteres Opfer der Bioturbationsaktivitäten von
Wattwürmern ist der kleine Schlickkrebs Corophium volutator (Amphipoda). Er bewohnt viel kleinere
U-förmige Röhren. Die Jungtiere haben eine filtrierende Ernährungsweise, wohingegen die älteren
Tiere Sedimentpartikel erfassen, welche zwischen den Mundöffnungsfortsätzen einzeln festgehalten
werden, um verwertbare Bakterien und Mikroalgen abzuschaben.
Dieser Amphipode ist auf einen schmalen Gürtel der oberen Gezeitenzone beschränkt, weil dort die
Verfolgung durch Fische und die Nordseegarnele Crangon crangon recht begrenzt ist. Bei Ebbe
allerdings gibt es einen spezialisierten Fressfeind in Gestalt des Schwarzkopf-Schnurwurms
Tetrastemma melanocephalum. Dieser kriecht in die Röhren und fängt die Amphipoden mit einem
giftigen Rüssel. Erfolgreich ist er nur bei Ebbe, wenn die Amphipoden nicht wegschwimmen können.
Ebenfalls bei Ebbe ernährt sich der Rotschenkel Tringa totanus vorzugsweise von Corophium. Dies ist
für diese Watvögel am bequemsten, da sie in der benachbarten Salzwiesenvegetation brüten, wo ihre
Gelege und Jungvögel vor Möwen und anderen Vögeln mit räuberischer Ernährungsweise geschützt
sind.
Nahezu alle Organismen in den Sedimenten der Tidezone sind entwicklungsgeschichtlich marinen
Ursprungs. Diejenigen Organismen, die an Land oder in Süßwasser entstanden sind, bilden auf den
Wattflächen des Wattenmeers eine fast zu vernachlässigende Minderheit. Ihre Anpassungen an die
feindliche Meeresumwelt sind allerdings verblüffend. So ernährt sich der kleine Salzkäfer Bledius
spectabilis in der oberen Gezeitenrandzone von Biofilmen, die sich aus blaugrünen Bakterienkolonien
(Cyanobacteria) zusammensetzen, und lebt in senkrechten Höhlen, die bei Überflutung versiegelt
werden können. Der Käfer überlebt dabei in einer luftgefüllten Kammer. Werden die Überflutungen im
Herbst und Winter zu häufig, verlassen die Käfer die Gezeitenzone, um in hochgelegenen Salzwiesen
zu überwintern.
Watvögel und Möwen folgen dem ablaufenden Wasser bei Ebbe bis zum tiefsten Wasserstand, um in
flachen Pfützen zurückgebliebene und sich unter der Sedimentoberfläche verbergende Beutetiere zu
erbeuten. Offenkundig sind diese Wattflächen so reich an Ressourcen, dass Vögel von weither
einfliegen. Allerdings gehen Vögel nicht gleichmäßig im gesamten Wattbereich auf Nahrungssuche.
So können ihre bevorzugten Beutetiere nur in bestimmten Zonen oder an besonderen Stellen
vorkommen, nach ihrer Größe und Häufigkeit zwischen Schlick und Sand Unterschiede aufweisen
oder nicht überall und zu jeder Zeit ohne Weiteres zugänglich sein. Genau deshalb ist die große
zusammenhängende Tidezone für die nahrungssuchenden Vögel so wichtig. Damit können sie ihre
Strategien zur Nahrungssuche optimieren und die zu bestimmten Zeiten günstigsten Stellen
auswählen.
Ein überaus graziöser Watvogel in Schwarzweiß ist der Säbelschnäbler Recurvirostra avosetta.. Er ist
im Wattenmeergebiet mit etwa 10.000 Brutpaaren vertreten, wobei während des Herbstzugs etwa
46.000 Exemplare durchziehen, die das Gebiet bis Ende Oktober zum Überwintern in Westafrika
verlassen. Die wichtigsten Gebiete zur Nahrungssuche liegen im Schlickwatt an der Festlandsküste
des Wattenmeers. Hier ernähren sie sich von Würmern und insbesondere vom Schlickkrebs
Corophium volutator (siehe oben).
Die Zeit ist knapp für Vögel, die auf die Ebbe angewiesen sind, um ausreichend Beute zu machen,
insbesondere bei einem Zwischenhalt im Wattenmeer auf dem langen Zugweg zwischen den
südlichen Überwinterungsgebieten und den nördlichen Brutgebieten. Dabei müssen die Kraftreserven
innerhalb kürzester Zeit wieder aufgefüllt werden. Das Wattenmeer ist für diesen Zweck ideal
geeignet. Durch die enorme Ausdehnung der Wattflächen und das Jagdverbot werden Störungen
durch den Menschen auf ein Minimum beschränkt. Wattführungen für Besucher folgen zumeist festen
Routen – Vögel können sich an derartige vorhersehbare Ereignisse anpassen.
Die Dichte und Diversität der Wattfauna im Wattenmeer ist höher als in den meisten anderen
Küstenbiotopen. Die durchschnittliche Biomasse beträgt rund 50 g organisches Trockengewicht je m²,
womit dieser Wert 10 bis 20mal höher als im Offshore-Bereich liegt. Ebenfalls von Bedeutung ist, dass
ein Großteil dieser Biomasse relativ einfach zu erreichen ist, und zwar für Fische bei Hochwasser und
für Vögel bei Ebbe. Beispielsweise ist die Suche nach Regenwürmern auf trockenen Wiesen für einen
Vogel viel schwieriger als das Erbeuten von Seeringelwürmern, Herzmuscheln oder Schlickkrebsen im
Watt.
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Die Produktion benthischer Biomasse ist im Watt deswegen so hoch, weil es zwei Nahrungsquellen
gibt. Die eine ist die mikrobielle Produktion und die Mikroalgen-Produktion auf der Sedimentoberfläche
und die andere die Phytoplankton-Zufuhr mit den Gezeiten aus den Offshore-Gewässern. Des
Weiteren sind diese benthischen und pelagischen einzelligen Mikroalgen für Wirbellose viel leichter zu
konsumieren als größere Pflanzen. Somit sind die Nahrungsgeflechte in der Tidezone hochgradig
effizient.
Im Gegensatz zu vielen anderen Biotopen sind all diese Interaktionen zwischen Organismen von
Mikroben zu Vögeln sowie zwischen Organismen und ihrem Lebensraum durch Anpassung und
Modulationseffekte überaus auffällig und können auf dem Watt oft direkt beobachtet werden. Eine
geführte Wattwanderung kann viele förmliche Vorträge und Lehrbuchkapitel über Grundlagenökologie
und Angewandte Ökologie ersetzen. Der Lebensraum Watt macht natürliche Prozesse deutlich, die
ohne Weiteres über die eigenen Erfahrungen hinausgehen und das System Erde verständlich
machen. Auch die Folgen des Klimawandels mit dem sich daraus ergebenden Anstieg des
Meeresspiegels liegen sofort auf der Hand.
Es gibt verschiedene spezifische Arten von Wattflächen wie Matten aus Makroalgen, Muschelbänke,
weicher Schlick, fein- und grobkörniges Sandwatt, Seegraswiesen und Miesmuschelbänke. Die beiden
letzteren Arten sollen genauer beschrieben werden.
Seegraswiesen
Bei Seegras handelt es sich um Unterwasser-Blütenpflanzen, die evolutionär in Süßwasser
entstanden sind und von dort aus flache Küstengewässer mit etwa 60 Arten weltweit besiedelt haben.
Wie dies bei den harten Umgebungsbedingungen des Wattenmeers typisch ist, konnten sich nur zwei
dieser Seegrasarten in dem Gebiet festsetzen. Wegen der wechselhaften Historie ihrer Umwelt haben
die Wattenmeerpopulationen beider Arten eine weit höhere genetische Vielfalt entwickelt als andere
Populationen an der europäischen Atlantikküste. Es handelt sich hier um ein Beispiel, wo die
Vielseitigkeit einzelner Arten im Verlauf der Evolution gegenüber einer hohen Artenvielfalt begünstigt
wurde.
Die beiden Arten, Zostera noltii und Z. marina, die häufig Zwergseegras bzw. Großes Seegras
genannt werden, kommen im Watt eher in Mischbeständen vor. Das Zwergseegras wächst in sehr
dichten Beständen, in denen sich Sedimentpartikel fangen, die durch die Gezeiten und die Wellen
herangeführt werden. Diese Sedimentaggregation hat zur Folge, dass Zwergseegras auf leicht
erhöhten Hügeln wächst, wohingegen die Zwischenräume zwischen den Hügeln der bevorzugte
Lebensraum des Großen Seegrases ist. Diese Art wächst als Einzelpflanze verstreuter, was nicht die
Sedimentaggregation erleichtert, sondern die Erosion begünstigt. Physiologische Messungen haben
gezeigt, dass Zwergseegras das Trockenfallen bei Ebbe eher toleriert als das Große Seegras. Dies
stellt ein beeindruckendes Beispiel dafür dar, wie die Koexistenz zwischen potenziellen Konkurrenten
durch deren Lebensraummodifizierungen ermöglicht wird.
Zostera-Wiesen bieten ein Substrat für faulende Algen, die ihrerseits von Schnecken und anderen
Wirbellosen abgeweidet werden. In der Tat sind Schnecken von wesentlicher Bedeutung, damit die
Seegrashalme von faulenden Algen ausreichend sauber gehalten werden. Sonst würde die
Photosynthese behindert, da die Chloroplasten des Seegrases zu wenig Sonnenlicht erhielten. Das
Blätterdach und die Rhizome bieten Schutz für kleine Tiere wie juvenile Muscheln sowie für Krebstiere
und Fische, welche die Wiesen als Brutstätten nutzen. Bemerkenswerterweise spezialisieren sich
manche marine Wirbellose auf den Blütenstand von Seegras als Mikrohabitat, das auch bei Ebbe mit
Wasser gefüllt bleibt. Bei dem Vielborster Polydora cornuta wurde festgestellt, dass er regelmäßig die
Blütenstände zur Aufzucht seiner Larven nutzt.
Im Herbst bilden Zostera-Wiesen die bevorzugte Nahrung von Ringelgans Branta bernicla und
Pfeifente Anas penelope. Auch wenn diese Vögel die Halme und Rhizome ausdünnen, wurde
beobachtet, dass Zwergseegras an Standorten, die im Vorjahr abgegrast wurden, stärker wächst als
dort, wo dies behindert wurde. Demnach hat das Abweiden durch diese Vögel offenbar eine
vorteilhafte Wirkung.
Im Wattenmeer sind die meisten Seegraswiesen in der mittleren bis oberen Gezeitenzone entlang der
Leeseite von Inseln und hohen Sandbänken sowie an geschützten Teilen der Festlandsküste zu
finden. Zusätzlich zu dem Schutz, den die Inseln vor den durch vorwiegend westliche Winde
verursachten Wellen bieten, bilden der Lehm und Torf von Marschböden, die vor langer Zeit überflutet
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wurden, ein festes Substrat für die Wurzeln. Dort ist Seegras vor der Entwurzelung durch
Wellenerosion geschützt.
Dies ist ein Beispiel dafür, wie die Überreste terrestrischer Habitats, die in der Folge von
Meeresspiegelanstieg und Verwüstungen durch Sturmfluten seit langem verschwunden sind, die
räumliche Verteilung eines marinen Habitats Jahrhunderte später beeinflussen können. Es könnte
auch erklären, warum die meisten Seegras-Wiesen in dem Teil des Wattenmeers zu finden sind, wo
im Mittelalter ein ausgedehntes Marschland dem Meer zum Opfer fiel.. Die vorherrschende starke
Sedimentdynamik im Wattenmeer dürfte einen wesentlichen Begrenzungsfaktor für das Vorkommen
von Seegras bilden, weshalb die Wattflächen größtenteils frei sind von Wurzelpflanzen.
Abbildung 2.26 Verbreitung von Seegraswiesen in den einzelnen Teilen des Wattenmeers 2002
(Quelle: QSR 2004)
Muschelbänke
Muschelbänke sind generell von Felsküsten bekannt. Im Wattenmeer jedoch konnten Muscheln auch
auf Sedimenten dauerhafte Bänke entwickeln. Miesmuscheln (Mytilus edulis) kommen in einem Gürtel
von leicht oberhalb bis zu einigen Metern unterhalb der Niedrigwasserlinie vor. Miesmuscheln haben
die Fähigkeit, sich durch Byssusfäden aneinander zu heften. Dies hat den Vorteil, dass
Ansammlungen aneinandergehefteter Muscheln sich der Verlagerung durch Wellen und Strömungen
widersetzen können. Dadurch können sie auf der Sedimentoberfläche leben, ohne sich darin
eingraben zu müssen, wie dies bei anderen Muscheln zumeist der Fall ist.
Auf Sedimentflächen verbinden sich Miesmuscheln zumeist zu zusammenhängenden Matten, die das
Sediment vollständig bedecken. Dabei kann eine Dichte von 1.000 bis 4.000 Exemplaren je m²
vorkommen. Sie bilden zumeist langgestreckte Bänke, die senkrecht zur Hauptströmung des
Gezeitenwassers verlaufen. Dies minimiert die intraspezifische Konkurrenz um schwebende Nahrung,
die sie aus der Gezeitenströmung filtern. Es ist dieses Gleichgewicht zwischen den Vorteilen einer
Lebensweise im Verbund und dem Nachteil der Nahrungskonkurrenz, welches das recht spezifische,
aufgesplitterte räumliche Verteilungsmuster von Muschelbänken im Wattenmeer entstehen lässt.
Muscheln erzeugen durch ihre Fäzes und Pseudofäzes sowie durch die Schaffung einer rauen
Oberfläche mit geschützten Zwischenräumen die Ablagerung großer Mengen von Schwebstoffen.
Dadurch erheben sich Muschelbänke über die umgebende Sedimentoberfläche um bis zu einen
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halben Meter oder mehr. Die Sedimentation kann durch Makroalgen, die an den Muscheln haften,
weiter gesteigert werden. Sedimente werden teilweise innerhalb der Bank abgelagert, teilweise in
deren Umgebung oder nach Stürmen sogar auf Lahnungsfeldern und auf Salzwiesen. Die Bedeutung
von Muschelbänken für den Sedimenthaushalt des Wattenmeers wird immer wieder betont.
Muschelbänke sind bei der Aufschließung organischer Materie sehr aktiv. Zwar tragen Muscheln zu
einer sehr raschen Remineralisierung bei und setzen dabei erhebliche Mengen von Ammoniak und
Silikat frei, die Hauptarbeit bei der Zersetzung organischer Materie wird jedoch durch Bakterien im
Fäkalmaterial geleistet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Muschelbänke die Umschlagquote
organischer Stoffe durch deren Filtrierung, Zersetzung und Aufschließung erhöhen und aufgelöste
Nährstoffe für die Primärproduktion liefern.
Muschelbänke stellen ein natürliches hartes Substrat von erheblicher Ausdehnung dar, und bieten
Lebensraum für eine entsprechende Begleitfauna und –flora von Algen und Wirbellosen, welche
andernfalls im Wattenmeer fehlen würden. Ein gutes Beispiel ist der Blasentang Fucus vesiculosus.
Die Thalli dieser Makroalge werden durch Muscheln mit deren Byssusfäden fixiert. Bei einer
derartigen Vergesellschaftung wächst der Blasentang lediglich vegetativ und bildet nicht die
charakteristischen Blasen aus. Vermutlich würden Blasen einen Auftrieb des Tangs mit den daran
haftenden Muscheln verursachen und wären somit nachteilig. Die Flache Strandschnecke Littorina
mariae weidet speziell diesen Tang ab und wird nie außerhalb der Muschelbänke gefunden. Diese
Schnecken unterscheiden sich genetisch nachweislich von Populationen, welche Felsküsten
bewohnen.
In Miesmuschelbänken sind über einhundert vergesellschaftete Arten zu finden. Auf den Schalen
wachsen Entenmuscheln und schaffen eine raue Oberfläche mit zahlreichen kleinen Nischen. Auch
wenn Entenmuscheln die Wachstums- und Überlebensrate der Miesmuscheln senken, die sie
überwachsen haben, bieten sie auch ideale Ansiedlungsbedingungen für den Nachwuchs der
Miesmuscheln. Dies stellt einen interessanten Fall von Arteninteraktion dar, bei dem die Nachteile und
Vorteile alternieren können. Kurzfristig und für die einzelne Miesmuschel herrschen die negativen
Effekte der Fäulnisprozesse vor, wohingegen in Bezug auf die Dauerhaftigkeit von
Miesmuschelbänken und der Miesmuschelpopulation insgesamt der positive Effekt der Erleichterung
der Fortpflanzung den negativen Effekt überwiegt. Insbesondere sich von Ablagerungen ernährende
Würmer profitieren von den organischen Stoffen, die sich unter der Muschelschicht ansammeln,
welche zudem auch eine Abschirmung gegen Fressfeinde von oben bieten. Juvenile Strandkrabben
Carcinus maenas ernähren sich von kleinen Muscheln und finden unter den großen Exemplaren
Schutz, um sich von ihren eigenen Fressfeinden fernzuhalten.
Muscheln im Wattenmeer sind zumeist stark von dem schalenanbohrenden vielborstigen Wurm
Polydora ciliata befallen. Dies schwächt die Schalenstärke und erleichtert schalenaufbrechenden
Fressfeinden wie Krebsen und Eiderenten das Beutemachen. Die Biomasse von Muschelbänken ist
25mal höher als auf benachbarten muschelfreien Sedimentflächen. Daher werden Watvögel und
Möwen von intertidalen Muschelbänken und die tauchfähigen Eiderenten von subtidalen Bänken
angezogen. So hat man über 200 Vögel je ha Muschelbank gezählt. Damit ernähren sich 25% der
Watvögel im Wattenmeer von Muschelbänken, die nur 1% der Tidezone bedecken. Die wichtigsten
Fressfeinde der Miesmuscheln sind Eiderenten (Somateria mollissima) und Austernfischer (Ostralegus
haematopus). Diese Vögel können ihre Ernährung zwischen Mies- und Herzmuscheln je nach
Verfügbarkeit variieren. Silbermöwen (Larus argentatus) ernähren sich vorzugsweise von
Jungmuschelbänken.
hauptsächlich in der intertidalen Zone verbreitet sind. Schwämme, Manteltiere und koloniebildende
hydrozoe Polypen, die an Muschelbänken haften, sind zumeist auf subtidale Sandbänke beschränkt.
Die schönsten Kolonien werden von Polypen der Art Sertularia cupressina gebildet. Früher wurden
diese mit dem Schleppnetz heraufgeholt, getrocknet und in hellen Farben angemalt, um sie zu
Dekorationszwecken zu verwenden, bis sie von Kunststoff-Nachahmungen auf dem Markt ersetzt
wurden.
Durch Generationen von Würmern werden Riffe gebildet, die ihre Röhren aus Sandkörnern errichten
und die Röhren aneinander befestigen. Die Art Sabellaria spinulosa war in der Lage, massive, solide
Riffe von bis zu 50 cm Höhe zu bilden. Riffen wurden zuletzt nur noch im deutschen Teil des
Wattenmeers gefunden. Die Schleppnetzfischerei und Änderungen der Strömungsbedingungen gelten
als Hauptgrund für den Niedergang der Sabellaria-Riffe. Da die Schleppnetzfischerei zumeist zum
Offshore-Gürtel verlagert wurde, kann man damit rechnen, dass sich diese Sabellaria-Riffe wieder
erholen. Ähnlich könnte es möglicherweise auch Austernbänke, die schon im neunzehnten
Jahrhundert überfischt wurden, künftig wieder geben. Der subtidale Meeresgrund bietet auch einen
Lebensraum für den Gemeinen Seestern Asterias rubens. Die intertidale Zone ist ihm offenbar
deswegen verwehrt, weil Möwen bei Ebbe besonders gern Jagd auf ihn machen.
Die sublitotalen Sandbänke und tiefen Priele dienen der Fauna der Gezeitenzone auch als
Rettungsgebiet, wenn die jahreszeitlichen Bedingungen in dort zu hart werden. Insbesondere die
jungen Krabben, Garnelen und Fische, welche die Wattflächen schon früh zu nutzen beginnen,
wandern mit dem ablaufenden Wasser in die subtidale Zone und kehren mit der nächsten Flut zurück.
Manche, wie die Strandkrabbe Carcinus maenas, überwintern in der subtidalen Zone, beginnen
jedoch ab dem Frühjahr, mit den Gezeiten zwischen der subtidalen und intertidalen Zone zu pendeln.
Krabben sind sehr wichtige Beutejäger, die häufig den gesamten Nachwuchs von Muscheln
dezimieren.
Ästuare
Ästuare können definiert werden als von den Gezeiten beeinflusste Übergangszonen zwischen einer
marinen und einer fluvialen Umwelt. Weltweit stellen Ästuare und Deltas die wichtigsten
Küstenfeuchtgebiete dar. Das ist im Wattenmeer anders. Auch wenn ästuarine Habitate durchaus
vorhanden sind, bilden sie kein vorherrschendes Merkmal und weisen im Vergleich zu marinen Teilen
des Wattenmeers nur eine geringe Fläche auf. Trotzdem sind sie für das Ökosystem Wattenmeer von
hoher Bedeutung, und zwar (1) mit fluvialen Einträgen, z.B. Nährstoffe und toxische Substanzen, (2)
als Wanderwege für diadrome Fische wie Flunder (Platichthys flesus), Stint (Osmerus eperlanus) und
Aal (Anguilla anguilla), und (3) als spezielles Habitat, das durch eine starke Variabilität der Salinität,
des Tidenhubs und der Trübung charakterisiert ist. Aus ökologischer Sicht sind sie wichtig für
Wanderungen einer ganzen Reihe von Arten und werden darüber hinaus von verschiedenen
obligatorischen Brackwasserarten bewohnt, weshalb sie für Schutzzwecke von besonderer Bedeutung
sind. Allerdings sind die Ästuare im Vergleich zum Wattenmeer vom Menschen stark verändert
worden, weshalb nur einige Teile als Naturschutzgebiete unter Schutz stehen. Nur das Ästuar der
Ems befindet sich teilweise im angemeldeten Gebiet. Bei diesem Ästuar handelt es sich um ein
mesotidalen Küstenebenenästuar mit ausgedehnten Schlickwattflächen.
Darüber hinaus ist eine Vielzahl von Sielen vorhanden, die Süßwasseraus dem Hinterland in das
Wattenmeer einleiten. Einige davon sind mit einer Abflussmenge von wenigen m³ je Sekunde nur
recht klein, im niederländischen westlichen Wattenmeer allerdings führt ein Schleusenkanal im
Afsluitdijk des Ijsselmeers rund 500 m3 pro Sekunde zu. Da die Einleitung auf Niedrigwasserzeiten
beschränkt ist, werden zu diesen Zeiten über 2.000 m3 je Sekunde eingeleitet, was das Dreifache der
Abflussmenge der Elbe ist. Diese Art der Entwässerung verursacht in diesem Teil des Wattenmeers
ästuarine Charakteristika, auch wenn diese nicht ganz natürlichen Ursprungs sind. Der
Hauptunterschied des Wattenmeers im Vergleich zu anderen Küstenfeuchtgebieten besteht neben
seiner überragenden Größe darin, dass marine (euhaline und polyhaline) Bedingungen in der
Gezeitenzone vorherrschen.
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Salzwiesen
Salzwiesen und Mangroven setzen sich aus aufrecht stehenden Pflanzen zusammen. Diese Pflanzen
sind entwicklungsgeschichtlich terrestrischen Ursprungs, tolerieren jedoch Meereswasser. Anderswo
auf der Welt können sie die Tidezone bis etwa zur Linie der Gezeitenmitte besetzen und weisen eine
Vegetationshöhe von mehr als einem Meter auf. Dies ist im Wattenmeer nicht der Fall. Mangroven
fehlen wegen niedriger Temperaturen, und Salzwiesen sind zumeist auf die supratidale Zone
beschränkt, die nicht regelmäßig bei jedem Hochwasser überflutet wird. Nur einige wenige
Pionierpflanzen dehnen sich bis in die Tidezone bis etwa zur Nipptidenlinie aus, die einer
durchschnittlich dreistündigen Überflutung je Gezeitenzyklus entspricht (Abb. 2.9). Des Weiteren
weisen Wattenmeer-Salzwiesen nur selten Vegetationshöhen von über einem Meter auf.
Vorherrschend sind Gräser und Krautpflanzen oder niedrige Sträucher von weniger als einem halben
Meter Höhe. Bäume kommen in diesen Salzwiesen nicht vor.
[Beschriftung der Grafik, von links nach rechts und von oben nach unten:]
Häufigkeit von Gezeitenüberflutungen (Anz./Jahr) Deich
Schlickwatt,,Pionierzone,Untere Salzwiese,Mittlere Salzwiese
Dauer der Gezeitenüberflutung (Std./Tide)
Abbildung 2.9: Zonierung von Salzwiesen im Verhältnis zur Dauer und Häufigkeit von
Gezeitenüberflutungen und zu ihrer Höhe über bzw. unter NN (Quelle: Esselink, 2000).
Bei den Salzwiesen des Wattenmeers handelt es sich um natürlich gewachsenes, offenes Grasland
mit biotopspezifischen Pflanzen von großer Schönheit und Vielfalt. Salzwiesen weisen vielfältige
Erscheinungsbilder auf. Sie können reich an Blüten sein, sie können recht vielfältige, gemischte
Bestände von spezialisierten Pflanzen und Generalisten aufweisen, die an gestörte Regimes
angepasst sind, oder werden vollständig von einer oder zwei Grasarten beherrscht, die monotypische
Vegetationsbestände bilden. Grundsätzlich nimmt die Diversität von der Pionierzone bis zur selten
überfluteten oberen Salzwiesenzone zu. Die höchste Vielfalt ist in sandigen Salzwiesen und in der
Übergangszone zu Dünen anzutreffen. Die Reichweite von Salzwiesen-Pflanzenpopulationen ist
seewärts generell durch ihre Fähigkeit begrenzt, Meerwasserüberflutungen standhalten zu können.
Landeinwärts sind sie eher durch Konkurrenz begrenzt, insbesondere infolge Beschattung durch
andere Pflanzen.
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Unter den Bedingungen eines Meeresspiegelanstiegs werden Salzwiesen als Biotop durch Anwachs
weiterbestehen. Mit älter werdender Vegetation kann es dabei dazu kommen, dass sich die Zonierung
allmählich landeinwärts verlagert. Zuwachs wird durch anorganische Sedimente erreicht, die bei
Überflutungen aus den Watten herangeführt werden, sowie durch organische Stoffe, die von der
Salzwiesenvegetation selbst stammen. Die vertikalen Zuwachsraten werden mit zunehmender Höhe
der Salzwiese über NN und mit zunehmender Entfernung von Wattflächen oder Bächen, die durch
Salzwiesen mäandrieren und sich verzweigen, zumeist geringer. Eine hohe und dichte Vegetation ist
ebenfalls förderlich fürdas Salwiesenwachstum. Diese Schwankungen verursachen eine recht
unregelmäßige Topografie und ein komplexes, mosaikähnliches Vegetationsmuster. Des Weiteren
entstehen wassergefüllte Mulden, die vegetationslos oder nur spärlich bewachsen sind. Diese Mulden
können zu Salzwiesenteichen erodieren, und bei diesen kann letztlich eine Verbindung zu einem Priel
entstehen. Es ist somit im Wesentlichen die Vegetation, welche dieses hoch komplexe und
unregelmäßige, dynamische Biotop-Mosaik von Salzwiesen entstehen lässt.
Während die Salinität in Salzwiesenmulden in Trockenperioden hoch sein kann, ist sie am oberen
Ende von Salzwiesen, wo diese an Dünen grenzen, nur gering. Hier sickert häufig Süßwasser ein,
was Brackwasser-Biotope entstehen lässt. Bei unbeweideten Salwiesen, dominiert dort das Schilf
Phragmites australis, wie dies auch in den inneren Teilen von Flussmündungen der Fall ist. So
erreicht Schilf in der Elbmündung außerhalb des angemeldeten Guts unter makrotidalen Bedingungen
eine Höhe von bis zu 4 m.
Je nach Sedimentzufuhr und Welleneinwirkung kann der seeseitige Rand von Salzwiesen eine
variable Breite einer Pionierzone aufweisen, die sich hauptsächlich aus Queller Salicornia ssp. und
dem Schlickgras Spartina anglica zusammensetzt. Während ersterer einjährig und recht kurzwüchsig
ist, wächst letzteres in dichten Büscheln, die sich seitwärts ausbreiten und sich schließlich zu
zusammenhängenden Flächen vereinigen können. An Standorten mit geringer Sedimentzufuhr am
seeseitigen Rand werden Salzwissen zerklüftet und ziehen sich zurück, wobei sich keine Pionierzone
mit allmählicher Besiedlung der Tidezone entwickelt. In größerem Maßstab ist diese Randinstabilität
nicht als Gefahr für dieses Biotop aufzufassen, da sich das erodierte Material anderswo ansammeln
kann, wodurch Pioniervegetation erneut kolonisierend wirken kann.
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Tiere
Während die auf den Watten vorkommenden Organismen vorherrschend marinen Ursprungs sind, ist
in Salzwiesen die Zahl der Lebewesen terrestrischer Herkunft um ein Vielfaches höher als diejeniger
mariner Algen und mariner Wirbelloser. Eine überaus häufig vorkommende Meeresschnecke jedoch,
sehr ähnlich der im Watt zahlreich anzutreffenden Wattschnecke Hydrobia ulvae, ist Assiminea
grayana. Sie weidet in der feuchten Mikroumwelt unter dichter Vegetation dort vorkommende
Mikroalgen ab. Interessanterweise läuft deren Larvenentwicklung, obwohl die adulten Tiere auf die
Salzwiesen beschränkt sind, in den Gezeitengewässern noch planktonisch ab. Dies sichert eine weite
Verbreitung. Diese Meeresschnecke mit Vorderkiemen bewohnt oft denselben Lebensraum und hat
dieselbe Ernährungsweise wie eine Lungenschnecke (Ovatella myosotis), die terrestrischen
Ursprungs und daher zur Luftatmung mit Lungen ausgestattet ist.
Aquatische Arten der Mikrofauna sind an die stark variablen Feuchtigkeits- und Salinitätsbedingungen
in Salzwiesen besonders angepasst. Eine Untersuchung von Strudelwürmern hat gezeigt, dass viele
Arten der spezialisierten Brackwasserfauna angehören. Sie gedeihen in Salzwiesen, wo die Salinität
zwischen Überflutungszeiten bei Sturmfluten und Perioden starken Regens schwankt. Bei zu großer
Trockenheit oder anderweitig widrigen Verhältnissen kapseln sich einige dieser Arten sogar ein und
warten in diesem Ruhezustand günstigere Bedingungen ab.
Bei der überwiegenden Mehrzahl der Wirbellosen in den Salzwiesen handelt es sich um terrestrische
Gliederfüßer. Großenteils weisen sie morphologische Anpassungen auf, damit kein Salzwasser in
ihren Körper eindringt. So haben manche ein dichtes Fell wie ein Haarkleid, das sicherstellt, dass ein
Luftfilm zwischen den Haaren eingeschlossen wird, wenn der Organismus mit Wasser bedeckt wird.
Derartige Luftfilme wirken als physikalische Kiemen. Salinitätstoleranz, osmotische und ionische
Regulierung sowie Vermeidungsverhalten in Überflutungsperioden sind ebenfalls recht häufig
anzutreffen. Andererseits ist es kurios, dass Spinnen wie Erigone arctica (Micryphantidae) und
Leptorrhoptrum robustum (Linyphiidae) unter Tauchbedingungen Netze weben.
Eine häufige Lebensweise für terrestrische Gliederfüßer, um von den harten Bedingungen der
physikalischen Umgebung teilweise unabhängig zu werden, sind endophage oder endoparasitäre
Verhaltensweisen. Ein hoher Anteil (ca. 60%) von Küstenschmetterlingen (zumeist Microlepidoptera)
sowie einige Käferarten verbringen ihr Larvenstadium im Innern der Wurzeln, Stämme, Schösslinge,
Blätter oder Blüten von Salzwiesenpflanzen. Endoparasitismus im Larvenstadium ist bei mehr als 100
Hautflügler-Insektenarten in den Salzwiesen des Wattenmeers anzutreffen.
Auf die Salzwiesen des Wattenmeers entfallen rund 20% dieses Biotoptyps an der europäischen
Atlantikküste und der Ostseeküste. Sie stellen für riesige Schwärme von durchziehenden
Wasservögeln und von Brutvögeln einen unverzichtbaren Lebensraum dar. Viele kommen nur zum
Rasten bei Flut, bis das Watt wieder zur Nahrungssuche zugänglich wird. Salzwiesen sind jedoch
auch wichtige Brutgebiete für verschiedene Watvögel, Seeschwalben und Möwen, Löffler und einige
Sperlingsvögel. Der Austernfischer Haematopus ostralegus ist einer der häufigsten Brutvögel im
Wattenmeer. Die höchsten Bestandsdichten sind in den Salzwiesen auf den Inseln anzutreffen. Die
Brutpaare sind territorial, wobei ein Paar durchschnittlich etwa einen Hektar beansprucht. Am
vorteilhaftesten sind Brutplätze nahe am Salzwiesenrand in der Nachbarschaft der Wattflächen, die
der Nahrungssuche dienen. Bis sich eine Chance ergibt, eines dieser hochwertigen Reviere zu
besetzen, muss ein Paar oft jahrelang warten. Andere Paare entscheiden sich für ein Brutrevier in
größerer Entfernung zum Rand und beginnen früher im Leben mit der Jungenaufzucht, ihr
Gesamtfortpflanzungserfolg ist jedoch möglicherweise geringer, weil sie zur Nahrungssuche und zum
Füttern ihrer Jungen die Reviere anderer Paare erst überfliegen müssen. Infolgedessen verhungern
diese häufig.
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Ringelgänse Branta bernicla und Nonnengänse Branta leucopsis nutzen die Salzwiesen auf dem
Frühjahrszug zum Wiederauffüllen ihrer Körperfettdepots. Dies ist von wesentlicher Bedeutung, damit
sie ihre weit entfernten Brutgebiete erreichen können. Eine Untersuchung von Salzwiesen auf der
Insel Schiermonnikoog hat gezeigt, dass das Abweiden durch Nonnengänse/ die Qualität der
Vegetation für die Vögel verbessert hat. Dabei wurde ein positiver Rückkopplungseffekt zwischen
höherer Abweide-Intensität und Effizienz der Nahrungssuche auf kurzgeweideter üppiger Vegetation
nachgewiesen. Dies war der Fall bei wenig produktiver Vegetation, wohingegen hoch produktive
Standorte eine dichte und hohe Vegetation entwickelten, die für Pflanzenfresser ungünstig ist.
Modifizierte Salzwiesen
Im Wattenmeer weist etwa ein Drittel aller Salzwiesenflächen die oben beschriebenen natürlichen
Abläufe mit Anwachs, Erosion und vielfältiger Vegetation auf. Vollständig natürliche Salzwiesen
überwiegen auf den Barriereinseln sowie im nördlichen Wattenmeer auch hinter Sandbarrieren des
Festlands. Bei der Mehrzahl der Flächen auf dem Festland sind die Salzwiesen jedoch das Werk des
Menschen. Am seeseitigen Rand wird der Anwachs durch Lahnungen aus Buschwerk erleichtert.
Diese werden in einem rechteckigen Muster angelegt. Die Lahnungen erreichen oft eine Höhe von
einem Meter und werden aus zwei parallelen Reihen von Holzpfählen mit dazwischen befestigtem
Buschwerk errichtet. Diese Lahnungen sind wasserdurchlässig, dämpfen die Brandung und
verbessern die Sedimentierung.
Tabelle 2.2: Fläche von Salzwiesentypen (ha) im Wattenmeer einschließlich Pionierzone mit
Ausnahme von Niedersachsen. Als Grenze zwischen Pionierzone und vegetationslosem Boden wird
ein Bewuchs von 5% (10% in Schleswig-Holstein) festgelegt (Bakker et al. 2005). Barrierebedingte
Salzwiesen sind überwiegend in geschützten Inselteilen zu finden. Grünstrände sind Salzwiesen, die
auf ausgedehnten Sandflächen der Seeseite von Inseln wachsen (Quelle: QSR 2004)
Schleswig- GESAMT
Salzwiesentyp Niederlande Niedersachsen Hamburg
Holstein
Jahre 1995-2002 1997 1995-1998 2001-2002
1. Barriereinseln
A Barrierebedingt (inkl.
3500 2820 140 1130 7590
Vorland)
B Grünstrände 380 310 0 0 690
C1 Sommerpolder 0 60 80 0 140
C2 (Sommer-)Polder
45 150 40 0 235
mit Deichrückbau
2. Festland
A Barrierebedingt 0 0 0 730 730
B Vorland-Marsch 4000 5430 0 7470 16900
C1 Sommerpolder 960 1540 0 0 2500
C2 Sommerpolder mit
295 90 0 0 385
Deichrückbau
3. Halligen 45 2110 2155
Gesamt 9230 10400 260 11440 31330
Im südlichen Wattenmeer wird das höhere Vorland häufig durch einen Sommerdeich geschützt,
dessen Höhe ausreicht, um Überflutungen im Sommer abzuhalten, wohingegen ein derartiger Deich
durch winterliche Sturmfluten überspült werden kann. Das Vorland zwischen Sommerdeich und
Hauptdeich wird als Sommerpolder bezeichnet. Hier wird die Vegetation nicht mehr von Salzpflanzen
dominiert. Sommerpolder dienen hauptsächlich der Verbesserung der Viehhaltung. Bei einigen der
Sommerpolder hat man sich teilweise zu einem Rückbau der Deiche entschlossen, um eine
vielfältigere Salzwiesenvegetation wiederherzustellen (Tabelle 2.2). Auf den Halligen im nördlichen
Wattenmeer herrscht ein Salzwiesentyp vor, der der höheren Salwiese auf dem Festland ähnelt. Die
Küsten der Halligen wurden mit Deckwerken versehen, um die Klifferosion am Salzwiesenrand zum
Stehen zu bringen, der zumeist viel höher als das umgebende Watt liegt. Die Vegetation auf den
Halligen wird beherrscht von Festuca rubra und Juncus gerardii.
Traditionell wurden die Salzwiesen als Viehweide genutzt, im südlichen Wattenmeer sind dies zumeist
Rinder und im nördlichen Wattenmeer überwiegend Schafe. Auf den Salzwiesen des Festlands wurde
intensive Weidewirtschaft betrieben, da man annahm, dass sich der aus kurzer und dichter Vegetation
ergebende Rasen für die Verhinderung von Erosion im Vorland vor den Deichen besser eignet als
natürliche Vegetation. Es wurde jedoch nachgewiesen, dass höherer Bewuchs dieselbe Funktion
erfüllt. Dementsprechend hat man die Beweidungsintensität nunmehr generell verringert, um eine
höhere Pflanzenvielfalt zu ermöglichen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Wattenmeer eine bemerkenswerte Vielfalt von
Salzwiesentypen anzutreffen ist. Überwiegend bestehen diese aus einem artenreichen dynamischen
Mosaik von Vegetationsinseln. Ein eher monotones Grasland herrscht dort vor, wo entweder intensive
Weidewirtschaft betrieben wird oder – bei fehlender Beweidung – eine hohe Nährstoffzufuhr erfolgt.
Barrierebedingte Salzwiesen sind häufig vollständig auf natürliche Weise entstanden, während die
anderen zumeist auf das Wirken des Menschen zurückzuführen sind bzw. aus Gründen des
Küstenschutzes unterhalten werden. Der barrierebedingte Typ stellt ein seltenes Naturerbe dar,
während der letztere Typ ein kulturelle Erbe des Kampfes zwischen Mensch und Meer darstellt. Auf
beide Typen entfällt eine Fläche von 400 km² im gesamten Wattenmeergebiet und etwa 300 km² im
angemeldeten Gebiet.
Strände und Küstendünen bilden gemeinsam ein einziges morphogenetisches Biotopsystem. Von den
trockenen Strandteilen landeinwärts gewehter Sand fängt sich in verschiedenen Pionierpflanzen. Im
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Wattenmeer ist die wichtigste dünenbildende Art der Gewöhnliche Strandhafer Ammophila arenaria.
Dieser ist in der Lage, mit dem sich ansammelnden Sand nach oben zu wachsen. Der Strandhafer
befestigt den Sand jedoch nicht gänzlich. Vielmehr hält der äolische Sandtransport an, wenn auch mit
vermindertem Tempo. Es kann vorkommen, dass eine Düne von einer anderen überlagert wird. Auf
diese Weise kommt es zu Dünenhöhen von mehr als 20 m. Über dieser Höhe werden die Windkräfte
so stark, dass der Strandhafer den Sandtransport nicht mehr verlangsamen kann, weshalb
vegetationslose Wanderdünen entstehen. Diese wandern entsprechend der vorherrschenden
Windrichtung überwiegend von West nach Ost. Wanderdünen können die Leeseite von Barriereinseln
erreichen und versorgen dort Strände und Wattflächen mit neuem Sand. Ökologisch sind Strände und
Dünen mit den anderen Lebensräumen verknüpft, nicht nur durch Sandtransport, sondern
insbesondere auch durch Vögel, die auf Strände und Dünen als wichtige Lebensräume zur
Nahrungssuche, zum Brüten und zum Rasten angewiesen sind.
Alle Strände im Wattenmeer sind sandig und befinden sich zumeist auf der Nordseeseite von
Barriereinseln. Festlandsstrände sind im zentralen Wattenmeer bei Cuxhaven und an der Spitze der
Halbinsel Eiderstedt zu finden. Während diese Strände in der Vergangenheit als grässliche Orte
betrachtet wurden, zumeist von Seeleuten, die in Gefahr waren, in der Brandung zu stranden, gelten
sie heute als überaus attraktive Erholungsorte und bilden eine wesentliche Grundlage des
Fremdenverkehrs in der Region. Sandinseln wie Trischen, Memmert und Rottumerplaat sowie riesige,
abgelegene Sandbänke wie die nordfriesischen Außensände, Blauort im Dithmarscher Wattenmeer
und Richel im niederländischen Teil bilden einen weiteren wichtigen Bestandteil von Sandhabitat in
dem angemeldeten Gebiet.
Sandstrände sind die physikalisch dynamischsten Systeme der Meeresküste. Die Wellenenergie in
Verbindung mit der Größe von Sedimentpartikeln und dem Tidenhub stellen wesentliche
Strukturierungskräfte für die Strandmorphologie sowie für die Zusammensetzung der Biota dar, die
den Sand bewohnen (Abb. 2.10). Die wellenbremsende Flachwasserzone des Strandsystems
erstreckt sich ohne deutliche seeseitige Grenze weit in die Nordsee. Die Brandungszone beginnt mit
küstenparallelen Sandbänken und ist von Land aus als die Brechpunkt-Linie der heranrollenden
Wellen erkennbar. Auf die Sandbänke folgt ein breiter Trog, bis die Wellen ihre verbleibende Energie
in der Schwappzone zerstreuen. Dies nennt man auch die Strandlinie, die in etwa der Intertidalzone
entspricht. Sie endet häufig in einem deutlich erkennbaren Sandabbruch oder dehnt sich auf eine
erweiterte Strandebene aus, die nur bei schweren Stürmen zu einem Teil der Schwappzone wird,
wenn die Wellen bis zum Fuß der Dünen reichen.
Im Wattenmeer sind drei Strandtypen gut vertreten. Dissipative Strände repräsentieren das
Hochenergieende des Strandspektrums. Sie sind das Produkt großer Wellen, die sich über Feinsand
bewegen, was zu einer flachen Strandlinie und breiten Brandungszone führt. Dissipative Strände
haben zumeist relativ stabile Morphologien und weisen beim Wasserlinienverlauf nur minimale
Veränderungen auf. Sie sind der vorherrschende Typ im südlichen Wattenmeer. Das
Niedrigenergieende des Strandspektrums wird durch reflektive Strände repräsentiert. Sie entwickeln
sich bei einer Kombination von niedrigen Wellen und/oder längeren Wellenperioden oder Grobsand.
Reflektive Strände haben eine relativ schmale Schwappzone, und eine Brandungszone fehlt ganz. Die
Wellen schlagen ungebrochen an Land, wo sie kollabieren oder an einer steilen Strandlinie entlang
aufsteigen. Unter derartigen Bedingungen wird Sand landeinwärts transportiert, weshalb häufig
Strandwälle entstehen. Im Wattenmeer sind reflektive Strände nicht häufig und befinden sich zumeist
an den gebogenen Spitzen von Barriereinseln.
Der häufigste makrofaunale Bewohner von Sandstränden im Wattenmeer ist der vielborstige Wurm
Scolelepis squamata . Er hat eine grünliche Farbe, wird bis zu 8 cm lang und besitzt zwei Tentakeln,
um sich von schwebenden sowie abgelagerten Nahrungspartikeln zu ernähren. Zusammen mit
einigen Amphipoden ist dieser Wurm die Hauptnahrung von Sanderlingen (Calidris alba), welche die
Strände absuchen. Dieser kleine Watvogel läuft mit erstaunlicher Geschwindigkeit vor den
brechenden Wellen umher und ist zwischen Spätsommer und Frühjahr sehr häufig anzutreffen. Zu
dieser Zeit ist er schwarzweiß gefärbt, während sein Brutkleid in seinen arktischen Brutgebieten eher
bräunlich ist. Möwen versammeln sich häufig in riesigen Schwärmen am Strand, insbesondere nach
Sturmfluten, bei denen am Grund lebende Tiere in der Brecherzone aufgewirbelt und an die
Strandlinie gespült werden. Bei ruhiger See suchen oft Seeschwalben die Brandungszone nach
Fischen ab.
Interessanterweise ist die zahlreiche Interstitialfauna von Sandstränden kaum mit größeren
Organismen in der Nahrungskette verknüpft. Am Anfang der kurzen Nahrungskette stehen organische
Zufuhren, die von den Wellen in den durchlässigen Sand eingespült werden, sowie einige Mikroalgen,
die an Sandkörnern haften. Diese werden von interstitialen Aas- und Pflanzenfressern aufgenommen,
die ihrerseits von Fleischfressern von ähnlich geringer Körpergröße erbeutet werden. Vorherrschend
unter diesen ist der Strudelwurm Notocaryoplanella glandulosa (Otoplanidae). Er ist nur wenige
Millimeter lang, transparent, und bewegt sich blitzartig durch die Sandlücken. Er kann sich fest an
Sandkörner klammern, aber auch sehr schnell wieder loslassen. Damit kann er sich in der turbulenten
Zone an der unteren Strandlinie exponierter Küsten behaupten.
In dem trockenen Sand oberhalb der Reichweite heranschwappender Wellen leben nahe der Driftlinie
mehrere Arten luftatmender Sandflöhe (talitride amphipode Krebstiere). Sie sind häufig in übergroßer
Zahl anzutreffen und ernähren sich überwiegend nachts von organischen Abfällen, die an Land
gespült werden. An manchen Stränden hat sich eine ganz besondere Ansammlung von Mikrobiota
entwickelt. Dieses Phänomen bezeichnet man als Farbtsreifenwatt, der vier deutlich unterscheidbare
Schichten aufweist, von denen die oberen drei nur wenige Millimeter dick sind. Die Sediment-
Oberflächenschicht ist bräunlich und enthält Kieselalgen (Mikroalgen der Gattung Bacillariophyceae).
Darunter befindet sich eine Schicht blaugrüner „Algen“ (Cyanobacteria), gefolgt von einer Schicht
purpurner Bakterien. Alle drei Organismen führen Photosynthese durch, wobei letztere
Schwefelwasserstoff als Elektronenakzeptor an Stelle von Wasser aufspalten. Diese Schichten liegen
auf einer tiefen schwarzen Zone auf, wo Schwefelbakterien in übergroßer Zahl vorkommen.
Beschreibungen solcher Farbstreifenwattflächen sind von den Strandebenen der Inseln Amrum und
Mellum und von den Festlandsstränden in St. Peter Ording belegt.
Zwei auf der Roten Liste verzeichnete Vogelarten brüten vorzugsweise auf dissipativen Stränden und
zwischen den Wällen von reflektiven Stränden: der Seeregenpfeifer (Charadrius alexandrinus) und die
Zwergseeschwalbe (Sterna albifrons). Ihr Bestand ist deswegen gefährdet, weil sie vorzugsweise
leider an denselben Stränden brüten, die auch für Freizeitzwecke am attraktivsten sind. Im Winter sind
Schneeammern (Plectrophenax nivalis) häufig am Spülsaum anzutreffen.
Dünen
Küstendünen entwickeln sich dort, wo Sand an trockenen Stränden in Bewegung versetzt und
landeinwärts geweht wird. Der Sand fängt sich in Pflanzen, die eine Abfolge aus Primär-, Weiß-, Grau-
und Braundünen entstehen lassen Diese Trockendünenvegetation (Xerosere) alterniert mit
Feuchtdünenvegetation (Hygrosere) in den Dünentälern. Mit wenigen Ausnahmen (z.B. Halbinsel
Eiderstedt) ist das Dünenhabitat auf die Barriereinseln des Wattenmeers beschränkt.
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Tabelle 2.3: Dünenvegetationstypen auf einer Dünengesamtfläche von ca. 45 km² im angemeldeten
Gut (QSR 2004)
Dünentypen km² %
Trockendünenvegetation 38,0 85,5
Primärdünen 2,4 5,3
Weißdünen 7,3 16,5
Dünengrasland 17,9 40,2
Dünenheide 2,0 4,4
Dünenstrauchwerk 7,1 16,0
Dünenwaldland 1,4 3,1
Feuchtdünenvegetation 6,4 14,5
Die Dünensukzession beginnt mit Primärdünen und fängt gelegentlich sogar von einer Driftlinie
trockener Sandböden aus an. Das salztolerante Gras Agropyron junceum, das leicht oberhalb der
feuchten Strandlinie wächst, ist die häufigste Pionierpflanze, welche die Dünenbildung einleitet. Dabei
nimmt die Salinität mit zunehmender Ansammlung von Sedimenten im Schutz des Grases immer
mehr ab. Dieser Effekt wird bei Fehlen weiterer Meeresüberflutungen durch die Wirkung von
Regenfällen noch gesteigert.
Sobald die Salinität ausreichend gering ist, breitet sich der üppig wachsende Strandhafer Ammophila
arenaria aus. Mit fortschreitender Aufsandung wächst er nach oben, wobei ein ausgedehntes
Wurzelsystem mit dem Grundwasser in Kontakt bleibt. Mit Strandhafer bewachsene Dünen nennt man
Weißdünen, da vegetationsloser Sand nach wie vor sichtbar ist und vom Wind in Bewegung gehalten
wird. Die Wuchsfreude des Strandhafers lässt nach, wenn Dünen älter werden und Nährstoffe
verlieren. Häufig greifen auch Nematoden die Wurzeln an und schwächen so den Strandhafer weiter.
Dies ermöglicht einer vielfältigen Gruppe anderer Gräser, krautartiger Pflanzen und Sträucher die
Besiedlung. Dabei sammelt sich Humus an, woraufhin der weiße Sand grau wird (Graudünen) und im
Verlauf der weiteren Sukzession eine bräunliche Farbe annimmt, weil Eisendihydroxid freigesetzt wird
(Braundünen).
Bedingungen angepasst. Die Schwarze Krähenbeere Empetrum nigrum gilt als sukzessionale
Endstufe, weil die windigen und salzigen Verhältnisse die Entwicklung von Wald stark behindern.
Sträucher zeigen sich oft auf der Leeseite von Weißdünen. Im südlichen Wattenmeer dominiert
Hippophae rhamnoides, wo die Sandböden noch kleine Mengen von Kalk enthalten. Diese
Kalkabhängigkeit ist der Grund, warum dieser Strauch auf den kalkarmen nördlichen Inseln des
Wattenmeers kaum zu finden ist. Hier ist die Sand-Kriech-Weide Salix arenaria weit verbreitet.
Baumbewuchs in den Dünen wird nahezu immer durch Bepflanzungen eingeleitet, insbesondere von
Kiefern.
Zwischen den Dünenketten kann sich Grundwasser ansammeln, was im Sommer zu feuchten Böden
und im Winter zu länger andauernder Überschwemmung führen kann. Die Vegetation in diesen
Dünentälern ist von hochgradiger Diversität geprägt und reicht von Pionierpflanzen, die viele extrem
seltene Arten umfassen, bis hin zu Sumpfland, das von Gräsern oder Schilfbeständen dominiert wird.
Heidebewuchs und Weidengestrüpp kann in den Dünentälern ebenfalls vorkommen, wie auch
gelegentlicher Baumbewuchs durch niedrigwüchsige Erlen und Birken.
Die Lebensraumbedingungen in den Dünen schwanken von extrem trocken bis permanent
überschwemmt, von alkalisch bis sauer, von reinem Sand bis zu torfigen Böden und schließlich von
Süßwasserverhältnissen bis zu relativ salzigen Bedingungen. Dünen beherrschen die Landschaft der
Barriereinseln und bieten ein eindrucksvolles Landschaftsbild. Allerdings sind Dünen auch Bestandteil
des Küstenschutzsystems und wurden zu diesem Zweck in der Nachbarschaft von Städten und
Dörfern stabilisiert. Der Klifferosion wird häufig durch Bindung des Sands mit Zäunen aus Gestrüpp
und durch die Anpflanzung von Strandhafer entgegengewirkt. In Verbindung mit Eutrophierung
wurden die Habitatverhältnisse durch diese menschlichen Eingriffe zu Gunsten des Dünengraslands
und Strauchwerks auf Kosten von Primär- und Weißdünen verändert.
Neben einer reichen Gliederfüßer-Fauna, insbesondere Ameisen, werden Dünen auch von Amphibien
und Eidechsen, Kleinsäugern und Vögeln besiedelt. Charakteristisch für Feuchtdünenbereiche sind
die an einem gelben senkrechten Streifen auf dem Rücken erkennbaren Kreuzkröten (Bufo calamita).
Nachts steigen die Kreuzkröten sogar die trockenen Dünen hinauf, um dort Insekten zu jagen. Auf
fuchsfreien Inseln unterhalten Möwen (Larus argentatus, L. fuscus und L. canutus) in den Dünen
große Brutkolonien. Die damit verbundene Zufuhr von Nährstoffen aus dem Meer wirkt sich auffallend
auf die Vegetation aus. Gelegentlich brüten auch Eiderenten (Somateria molissima) in den Dünen.
Andere Brutvögel, die häufig in den Dünengebieten angetroffen werden, sind die Kornweihe Circus
cyaneus, die Sumpfohreule Asio flammeus sowie Sperlingsvögel wie der Steinschmätzer Oenanthe
oenanthe und der Neuntöter Lanius collurio. Im Spätsommer ernähren sich Regenbrachvögel
(Numenius phaeopus), Möwen und Stare von Beeren der Dünensträucher. Hasen sind weit verbreitet,
und auf einigen Inseln hat man Kaninchen eingeführt. Beide verändern die Vegetation durch
Abweiden. Weidewirtschaft wurde früher in den Dünen häufig betrieben, ist jedoch mittlerweile
eingestellt.
Küstenfeuchtgebiete mit ihren Salzwiesen, Tidebereichen, Dünen und Stränden gehören zu den
dynamischsten Lebensräumen der Erde. Mit dem Auf und Ab des Meeresspiegels in der
Vergangenheit wurden sie hin- und herverschoben, verkleinert und vergrößert. Terrestrische und
limnische Organismen werden vom Meereswasser vor Herausforderungen gestellt, während marine
Organismen von den Launen des terrestrischen Klimas geprüft werden. Dementsprechend sind
Küstenfeuchtgebiete keine Orte, an denen endemische und konservative Arten überleben und Relikte
der Vergangenheit eine sichere Zuflucht finden könnten.
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Ein naturgegebenes hohes Maß an Störungen und häufiges Auftreten von Extremereignissen könnte
sogar eine generell geringe Biodiversität erwarten lassen. Dies ist im Wattenmeer jedoch nicht der
Fall. Der Grund für die hohe Artenzahl sind die vielfachen Lebensmöglichkeiten, zumindest zu
bestimmten Zeiten innerhalb eines Lebenszyklus. Zurückzuführen ist dies (1) auf eine hohe
Habitatvielfalt, die sich aus den dynamischen Übergängen zwischen Land und Meer ergibt, und (2) auf
das reiche Spektrum an Ressourcen, die aus der Produktion des riesigen ozeanischen Reichs
angespült, von den Flüssen aus ihren großen Einzugsgebieten eingeleitet und durch die hohe
biologische Umschlagsrate vor Ort zugeführt werden. Darüber hinaus ist das Wattenmeer nicht
isoliert, sondern liegt mitten auf den Zugwegen und bietet Möglichkeiten zur Ausbreitung entlang der
Küste und der Flüsse sowie über das Meer.
Dieses Kapitel befasst sich mit Gesetzmäßigkeiten der Artenvielfalt und mit Populationen von
Leitarten im Wattenmeer. Es wird gezeigt, dass unglaublich hohe Artenzahlen nachgewiesen wurden,
wo dies nicht zu erwarten war. Das Wattenmeer ist eine Schatzkammer von extrem spezialisierten
Arten wie auch von Arten mit erstaunlicher Vielseitigkeit bei ihren Anpassungsstrategien. Die
Kombination aus weitgehend intakter Natürlichkeit und großer Flächenausdehnung bietet
Möglichkeiten für so manche Art, die anderswo an den Küsten der Welt gefährdet ist (vgl. Tab. 2.5).
Insbesondere bei Betrachtung der gewaltigen Zugvogelschwärme im Tidebereich wird die wesentliche
Rolle des Wattenmeers für die globale Biodiversität offenkundig. Des Weiteren ist das Wattenmeer ein
Musterbeispiel dafür, wie wichtig eine Population einer einzelnen Art von Organismus für die
Gestaltung einer gesamten Küstenlandschaft sein kann. Das Wattenmeer stellt zudem ein gutes
Beispiel für die Umkehr negativer Trends bei Populationen und Lebensräumen, die durch strenge
Schutz- und Wiederherstellungsprogramme bewerkstelligt werden kann.
Die Artenzahl nimmt mit der Intensität einer Bestandsaufnahme tendenziell zu. Im Wattenmeer gibt es
eine lange Tradition, die Zusammensetzung der regionalen Flora und Fauna zu erforschen. Trotzdem
sind nicht alle Gruppen von sehr kleinen Organismen untersucht. Das Wattenmeer enthält ein
kritisches Habitat für etwa 2.700 Arten marinen Ursprungs im Sub- und Eulitoal sowie mindestens
5.100 semiterrestrische und terrestrische Arten, zumeist die Flora und Fauna von Salzwiesen und
Dünen auf den Inseln (Tabelle 2.4). Bei Berücksichtigung verschiedener einzelliger Gruppen und
kleiner Metazoen wie terrestrische Nematoden, die nicht untersucht sind, wird das Wattenmeer
schätzungsweise von bis zu 10.000 Taxa von Organismen besiedelt, die am Boden und im Wasser
des Meeres sowie in Salzwiesen, Dünen und anderen Biotopen auf den Inseln leben.
Tabelle 2.4: Übersicht zum Artenreichtum im Wattenmeer. Bei einigen Gruppen wurden die Zahlen
geschätzt. Wegen taxonomischer Unsicherheiten wurden nicht alle Artenkomplexe analysiert; zudem sind in
terrestrischen Biotopen die Untersuchungen der Bodenkleinfauna unvollständig. Irrgäste blieben unberücksichtigt
(Listen der im Wattenmeer vorkommenden Arten sind zusammengestellt in: Wolff W.J. (Hrsg.) 1983. Ecology of
the Wadden Sea. Balkema, Rotterdam, Niederlande).
Marine aquatische Organismen
Gefäßpflanzen (Seegras) 2
Makroalgen 80
Pelagische Mikroalgen 380
Benthische Mikroalgen 260
Zooplankton 260
Benthische Mikrofauna 1.200
Benthische Makrofauna 400
Fische 100
Meeressäuger 3
Terrestrische, semiterrestrische und
süßwassergebundene Organismen
Großpilze (Inseln) 1.300
Flechten (Inseln) 347
Moose (Inseln) 338
Gefäßpflanzen 900
Mollusken 70
Gliederfüßer 2.000
Vögel 150
Sonstige Wirbeltiere (Säugetiere, Reptilien, Amphibien) 40
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Phototrophe Pflanzen umfassen etwa 2.300, Großpilze 1.300 und Tiere mindestens 4.200 Arten. Mit
diesem Artenreichtum spielt das Wattenmeer bei der Erhaltung der Biodiversität in gemäßigten
Küstenzonen entsprechend den Forderungen des Biodiversitätsübereinkommens (CBD) eine
bedeutende Rolle. Die planktonischen Arten sowie ein Großteil der Fische und Vögel halten sich nicht
dauerhaft im Wattenmeer auf. Diese werden entweder an- und abgetrieben bzw. kommen nur
während einer bestimmten Phase ihres Lebens oder in einer bestimmten Jahreszeit im Wattenmeer
vor. Zu dieser temporären Komponente der Biota gehören rund 800 Arten. Hinzuzählen könnte man
weitere Arten, die als Irrgäste beobachtet wurden. Ebenso wurden Legionen von seltenen Fischen
und insbesondere Vögeln beobachtet. Insgesamt belaufen sich diese Nachweise auf mindestens 300
weitere Arten, die in Tabelle 2.4 nicht enthalten sind.
Vögel
Das Wattenmeer mit seinen vielfältigen und häufig ungestörten Lebensräumen sowie riesigen Watten,
die als Flächen für die Nahrungssuche dienen, ist für Vögel, die in dem Gebiet brüten, rasten, sich
mausern und überwintern, von überragender internationaler Bedeutung. Hierfür stellen das
Vorhandensein von Nahrung und der geringe Störpegel wesentliche Faktoren dar. Für mehr als 1%
der Zugweg-Populationen – d.h. das Kriterium des Ramsar-Übereinkommens und eine international
anerkannte Kennzahl zur Bestimmung von Feuchtgebieten von internationaler Bedeutung – dient das
Wattenmeer bei 43 Arten als Stützpunkt. Davon sind 4 Arten reine Brutvögel, 24 Arten sind sowohl
Brutvögel als auch Durchzügler, und 15 Arten kommen im Wattenmeer als reine Durchzügler vor. Von
allen Durchzüglern kommen 29 Arten im Wattenmeer mit über 10% ihrer Zugweg-Population vor.
Zu 31 Brutvogelarten, die als charakteristisch für das Wattenmeer und als Indikator für günstige
Nahrungsverhältnisse und natürlichen Bruterfolg gelten, werden regelmäßig Zählungen durchgeführt.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 46
2001 ergab die Zählung eine Gesamtzahl von 469.000 Brutpaaren bzw. Brutrevieren. Nahezu 70%
der Brutvogelpopulation entfällt auf Möwen, wobei Lachmöwe Larus ridibundus, Heringsmöwe Larus
fuscus und Silbermöwe Larus argentatus am häufigsten vorkommen. Weitere 18% der
Gesamtpopulation sind Watvögel, von denen Austernfischer Haematopus ostralegus, Säbelschnäbler
Recurvirostra avosetta, Kiebitz Vanellus vanellus und Rotschenkel Tringa totanus am verbreitetsten
sind. Zu den seltenen Brutvögeln zählen Alpenstrandläufer Calidris alpina schinzii und Kampfläufer
Philomachus pugnax, deren Bestände seit langem rückläufig sind, weshalb diese Arten im
Wattenmeer derzeit vom Aussterben bedroht sind.
Bei fünf Arten brüten mindestens 25 % der nordwesteuropäischen Populationen im Wattenmeer. Für
21 von 31 Arten entfällt auf die Population im Wattenmeergebiet mehr als 1% des
nordwesteuropäischen Bestands. In internationalem Rahmen stellt das Wattenmeer für den Löffler
Platelea leucorodia, den Säbelschnäbler, die Lachseeschwalbe Gelochelidon nilotica und die
Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis ein Kernbrutgebiet dar, wo zwischen 33 und 100% der
nordwesteuropäischen Populationen brüten.
[Nachstehende Vogelnamen von oben nach unten:] Lachseeschwalbe, Löffler, Säbelschnäbler, Brandseeschwalbe,
Heringsmöwe, Zwergseeschwalbe, Brandgans, Lachmöwe, Seeregenpfeifer, Austernfischer, Rotschenkel, Silbermöwe,
Flussseeschwalbe, Sandregenpfeifer, Uferschnepfe, Sturmmöwe, Alpenstrandläufer, Küstenseeschwalbe, Kormoran, Kiebitz,
Eiderente, Kornweihe, Sumpfohreule, Triel, Schwarzkopfmöwe, Mittelsäger, Kampfläufer, Bekassine, Mantelmöwe, Steinwälzer,
Zwergmöwe
Als Brutgebiete dienen Salzwiesen, Dünen, Weiden und Strände. Viele Arten (21 von 30) bevorzugen
Inseln als Brutplätze. Dies gilt insbesondere für Koloniebrüter wie Kormoran Phalacrocorax carbo,
Löffler, Möwen und Seeschwalben sowie die Kornweihe Circus cyaneus und die Sumpfohreule Asio
flammeus. Die beiden letzteren Arten kommen hauptsächlich in den Dünengebieten im westlichen
Wattenmeer vor. Die Bestände von Säbelschnäbler, Sandregenpfeifer Charadrius hiaticula,
Seeregenpfeifer Charadrius alexandrinus, Lachseeschwalbe, Kiebitz und Uferschnepfe Limosa limosa
konzentrieren sich zumeist auf die Festlandsküste. Das Wattenmeer stellt zudem ein Rückzugsgebiet
für diejenigen Arten dar, die ihre Lebensräume im Binnenland weitgehend verloren haben, z.B.
Kiebitz, Rotschenkel und Lachmöwe.
Noch wichtiger als für Brutvögel ist das Wattenmeer als international bedeutendes Rast-, Mauser- und
Überwinterungsgebiet. Nach dem 1%-Kriterium des Ramsar-Übereinkommens nimmt das Wattenmeer
mindestens 52 derartige Populationen von 41 ziehenden Wasservogelarten auf, die den
ostatlantischen Zugweg benutzen und aus so entfernten Brutgebieten wie Nordsibirien und
Nordostkanada stammen. Einige Arten bestehen aus zwei oder mehr Populationen, die separate
Brutgebiete besetzen und sich auch bei beim Zugweg und bei der Zugzeit unterscheiden. Bei etwa 20
Populationen nutzen mehr als die Hälfte der Tiere das Wattenmeer in irgendeinem Stadium ihres
jährlichen Lebenszyklus. Für etwa zehn Arten kommt fast die gesamte Population im Wattenmeer
natürlich vor. Bei 44 Populationen von 34 Arten ist die Individuenzahl so hoch, dass das Wattenmeer
als unabdingbare und häufig wichtigste Zwischenstation auf dem Zug oder als primärer
Überwinterungs- oder Mauserplatz gelten kann. Daher ist das Wattenmeer für die Existenz dieser
Vogelarten als essenziell zu betrachten. Bei einer schweren Beeinträchtigung des Wattenmeers käme
es zu einem Biodiversitätsverlust von weltweitem Maßstab.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 48
Bei Addition der Zahlen aus einer im Jahr 2000 durchgeführten Zählung gelangt man zu einem
Maximum von etwa 6,1 Millionen gleichzeitig im Wattenmeer anwesenden Vögeln. Bei
Berücksichtigung der Fluktuation ist festzustellen, dass im Wattenmeergebiet alljährlich 10-12
Millionen Vögel Station machen. Dies ist mindestens das Zehnfache der im Gebiet brütenden
Küstenvögel. Von allen Durchzüglern und Wintergästen entfallen auf Watvögel 55%, auf Enten und
Gänse 27% und auf Möwen 16%. Die meisten Arten erreichen die Höchstzahlen während des
Herbstzugs. Die Anzahl der Watvögel ist im Frühjahr fast ebenso hoch, während Enten und Gänse in
hoher Zahl überwintern. Nur Möwen erreichen auch im Sommer beträchtliche Zahlen. Nahezu die
gesamte Population der dunkelbäuchigen Rasse der Ringelgans (Branta b. bernicla) und die gesamte
westeuropäische Population des Alpenstrandläufers (Calidris alpina) nutzen das Wattenmeer in
verschiedenen Perioden ihres jährlichen Zyklus. Ohne das Wattenmeer würden ihre Populationen
schwer geschädigt. Weitere sieben Arten kommen mit über 50% und weitere 14 Arten mit über 10%
ihrer Zugweg-Population vor.
Das Wattenmeer dient für Vögel, die entweder im arktischen Nordamerika oder im arktischen Asien
brüten, als Region zum Kräftesammeln. Beim Knutt Calidris canutus haben sich mutmaßlich vor etwa
10.000 Jahren zwei Unterarten ausgebildet. Die eine brütet in Grönland und Kanada und überwintert
im Wattenmeer. Die Vertreter dieser Rasse fliegen bis spätestens Anfang Mai in ihre Brutgebiete. Die
erwachsenen Vögel beginnen im Juli zurückzukehren, während ihre Jungen im August und
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 49
September nachfolgen. Diese Population besteht aus etwa 450.000 Exemplaren. Die andere Unterart,
die aus etwa 340.000 Exemplaren besteht, brütet in Sibirien und überwintert in Westafrika. Diese
legen im Wattenmeer nur einen kurzen Zwischenstopp ein. Im Frühjahr treffen sie erst nach dem
Abzug der anderen Unterart ein, wohingegen im Spätsommer und Herbst beide Rassen gleichzeitig im
Wattenmeer vorkommen. Alle ernähren sich von kleinen Muscheln, die sich in die Sedimente der
Wattflächen eingraben.
Bestimmte Gebiete des Wattenmeers einschließlich der Küstenzone der benachbarten Nordsee
werden von einer hohen Zahl von Brandgänsen (Tadorna tadorna) zur Mauser sowie von Eiderenten
(Somateria mollissima) zur Mauser und Überwinterung genutzt. Im Sommer versammeln sich nahezu
80% der nordwesteuropäischen Population der Brandgans im Dithmarscher Wattenmeer nördlich der
Elbmündung zur Mauser. Dabei verlieren sie ihre Schwungfedern, wobei sie für einige Wochen
vollständig flugunfähig werden und auf die riesigen und ungestörten Wattflächen hochgradig
angewiesen sind
Vgl. Anlagen: Artenliste zu Brutvögeln, Durchzüglern und Wintergästen sowie Hochseevögeln [noch
einzufügen]
Meeressäuger
Die Meeressäuger, die als indigene Arten des Wattenmeers gelten, sind der Seehund Phoca vitulina,
die Kegelrobbe Halichoerus grypus und der Schweinswal Phocoena phocoena. Nach
jahrhundertelanger Bejagung haben sich die Robbenbestände infolge von Schutzmaßnahmen in
einem erstaunlichen Maß erholt. Seit Verhängung des Jagdverbots in den 70er Jahren kommen
Robben im Wattenmeer derzeit so häufig vor und hat sich deren Fluchtdistanz dermaßen verringert,
dass jeder Besucher des Wattenmeers recht gute Chancen hat, diese Tiere zu beobachten.
Seehundfahrten werden in jedem Hafen angeboten und stellen eine der Hauptattraktionen für
Touristen dar. Vor der Insel Sylt ist auch der Schweinswal so häufig, dass man ihm auf hierauf
spezialisierten Bootstouren und regulären Überfahrten mit der Fähre bei ruhiger See nahezu sicher
begegnen kann.
Das Wattenmeer weist nunmehr rund 20% der Weltpopulation des Seehunds auf, welcher der
nordostatlantischen Unterart Phoca vitulina vitulina angehört. Man hat im August (Zeit des
Haarwechsels) bei Ebbe, wenn rund zwei Drittel der Seehunde auf den trockengefallenen
Sandbänken liegen, Simultanzählungen aus der Luft durchgeführt. Insgesamt wurden 2006 dabei
15.426 Exemplare gegenüber rund 4.000 dreißig Jahre zuvor gezählt. Dieser seitherige Anstieg ist
allerdings nicht ununterbrochen verlaufen. So wurde 1988 und abermals 2002 die gesamte
Nordseepopulation von einer Viruserkrankung stark dezimiert, die Bestandserholung geht jedoch
offenbar gut voran. Im Wattenmeer haben sich die Seehunde gut an die Gezeitenbedingungen
angepasst, unter denen ihre Rastplätze und die der Jungenaufzucht dienenden Plätze regelmäßig
überschwemmt werden. Die Weibchen bevorzugen zur Aufzucht ihrer Jungen das Sandwatt im
geschützten inneren Teil des Tidebereichs, wohingegen die wichtigsten Rastplätze die Sandbänke im
Ebbdelta sind, von wo aus die Seehunde in beide Richtungen – entweder in die Gezeitenzone oder in
den Offshore-Gürtel und weiter hinaus in die Nordsee – auf die Jagd gehen können. Langzeitstudien
sowie pathologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich der Gesundheitszustand in den
letzten zwanzig Jahren verbessert hat.
Aus archäologischen Funden ist zu schließen, dass Kegelrobben bis zum Mittelalter im Wattenmeer
die vorherrschende Art waren. Bei dieser größeren Robbenart werden die Jungen im Winter geworfen,
wenn Sturmfluten am häufigsten sind. Daher gebären die Weibchen ihre Jungen auf den höher
gelegenen Stränden der Inseln. Dieses Verhalten dürfte sie dermaßen anfällig für Bejagung gemacht
haben, dass Kegelrobben mehrere Jahrhunderte lang im Wattenmeer völlig fehlten. Vor drei
Jahrzehnten jedoch begannen Kegelrobben mit der Wiederbesiedlung des Wattenmeers. Gut
gedeihende Kolonien sind nunmehr wieder im westlichen niederländischen Wattenmeer, im südlichen
Wattenmeer an den Spitzen der westlichen Ostfriesischen Inseln sowie im nördlichen Wattenmeer vor
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 50
den Inseln Amrum und Sylt anzutreffen; ebenso hat sich knapp außerhalb des Wattenmeers bei der
Insel Helgoland ebenfalls eine Kolonie angesiedelt. Im März/April während des Fellwechsels aus der
Luft durchgeführte Simultanzählungen ergaben eine Zahl von 2.139 Kegelrobben im
Wattenmeergebiet. Den Ergebnissen einiger neuerer satellitengestützter Untersuchungen zufolge
wandern Kegelrobben vom Wattenmeer zu britischen Küsten und umgekehrt. Somit gehören die
Jungenaufzuchtsplätze im Wattenmeer offenbar zu einer Population, welche die gesamte
Nordseeregion besetzt.
Dies gilt auch für den Schweinswal. Dessen Gesamtpopulation in der Nordsee dürfte sich auf rund
230.000 Exemplare belaufen. Insbesondere Weibchen mit kleinen Jungtieren werden vor dem
nördlichen Wattenmeer beobachtet. Dort ergab sich aus luftgestützten Untersuchungen zwischen Mai
und August eine durchschnittliche Dichte von 1-2 Schweinswalen je km². 1999 wurde vor Sylt und
Amrum ein Walschutzgebiet eingerichtet, welches Bestandteil des angemeldeten Gebietes ist.
Fische
Im Wattenmeer wurden über 100 Fischarten nachgewiesen. Bei den meiseten davon handelt es sich
um Nordseearten oder sogar ozeanische Arten, die im Wattenmeer als Gast anzutreffen sind, auf
dieses Gebiet jedoch nicht angewiesen sind. Wittling Merlangius merlangus und Kabeljau Gadus
morrhua haben zwar Hochseelaichgebiete, im Spätsommer und Herbst jedoch können juvenile
Exemplare in riesiger Zahl ins Wattenmeer eindringen. Ihr Vorkommen ist von Jahr zu Jahr stark
unterschiedlich; wenn es zu einem derartigen Massenauftreten kommt, erweisen sich diese Fische als
überaus effektive Jäger von Nordseegarnelen Crangon crangon, was dazu führt, dass deren Bestände
periodisch zusammenbrechen. Nahezu alle Kleinfische fallen diesen gelegentlichen
Jungtierinvasionen ebenfalls zum Opfer.
Andere Arten nutzen das Wattenmeer nur als Durchzugsgebiet auf ihren Wanderungen vom Meer in
die Flüsse. Diese bezeichnet man als diadrome Arten. Von den Arten, die in den Quellgebieten der
Flüsse laichen, sind insbesondere Flussneunauge Lampetra fluviatilis, Silberneunauge Petromyzon
marinus, Maifisch Alosa alosa und Nordsee-Schnäpel Coregonus oxyrinchus zu nennen. Früher
ebenfalls von Bedeutung waren Stör Acipenser sturio und Atlantischer Lachs Salmo salar. Diese Arten
wurden überfischt und ihre Flusslebensräume sind veeerändert. Ihre Wiedereinführung und Erholung
scheint jedoch möglich, wenn die Zustandsverbesserung ihrer Flusslebensräume anhält. Finte Alosa
fallax, Stint Osmerus eperlanus und Europäische Forelle Salmo trutta laichen in den Flüssen, doch
sowohl die juvenilen als auch die adulten Fische leben zumeist dauerhaft im Wattenmeer und ziehen
nicht nur durch.
Der Aal Anguilla anguilla ist ebenfalls ein diadromer Fisch, wenngleich im umgekehrten Sinne. Aale
laichen in ozeanischen Gewässern, und die pelagischen Larven werden durch atlantische
Meeresströmungen an die Küste getragen. Die Larven verwandeln sich in die durchsichtigen
„Glasaale“ und wandern in Süßwasser, wo sie zwischen 6 und 20 Jahren bis zur Reife zubringen, zu
deren Beginn sie als „Silberaale“ ins Meer zurückkehren und das Wattenmeer im Sommer und Herbst
durchqueren. Einige Jungtiere wandern nicht ins Süßwasser, sondern bleiben bis zur Reife im
Wattenmeer.
Für Nordseefische besteht die wichtigste Funktion des Tidegebiets des Wattenmeeres darin, dass es
ihr Laichgebiet ist. Einige dieser Nordseefische kommen im Wattenmeer nur als Jungtiere vor,
insbesondere die Plattfischarten Scholle Pleuronectes platessa und Seezunge Solea solea, sowie der
Hering Clupea harengus und die Sprotte Sprattus sprattus. Die beiden Plattfischarten laichen in der
Nordsee, und ihre pelagischen Eier und Larven werden mit den Meeresströmungen in die Tidezone
getrieben. Nach der Ankunft im Wattenmeer metamorphisieren die pelagischen Larven und besiedeln
das Schlickwatt. Hier kommen ihnen ein reichliches Nahrungsangebot sowie höhere Temperaturen
zugute. Sie verlassen das Wattenmeer als juvenile Tiere vor ihrem ersten Winter. Ein Teil der
juvenilen Population kehrt in ihrem zweiten Jahr ins Wattenmeer zurück, wohingegen adulte
Exemplare dauerhaft in Offshore-Gewässern verbleiben. Heringe und Sprotten sind die häufigsten
pelagischen Fischarten im Wattenmeer. Juvenile Exemplare beider Arten kommen Seite an Seite vor,
messen in der Länge 5 bis 10 cm, und bilden insbesondere nachts große Schwärme.
Cyclopterus lumpus auch im Sommer. Aalmutter Zoarces viviparus und Seeskorpion Myxocephalus
scorpius sind beides häufige, auf dem Meeresboden lebende Fische und bleiben im Wattenmeer ihr
ganzes Leben. Die Aalmutter gebärt voll entwickelte Junge, und das Männchen des Seeskorpions
bewacht die geschützt am Meeresboden abgelegten Eier. Der pelagische Hornhecht Belone belone
befestigt seine mit langen, klebrigen Haaren ausgestatteten Eier an den Blättern von Seegras.
Fische sind empfindliche Indikatoren des seit kurzem zu beobachtenden Trends einer Erwärmung.
Einst seltene Arten wie Meeräsche (Chelon labrosus), Sardelle (Engraulis encrasicolus), Streifenfisch
Atherina presbyter und Streifenbarbe Mullus surmuletus haben sich dauerhaft angesiedelt. Generell
wird die Fischfauna des heutigen Wattenmeers stark von Kleinfischen dominiert.
Makrozoobenthos
Die benthische Makrofauna des Wattenmeers umfasst etwa 400 Arten, von denen etwa 150 in der
intertidalen Zone vorkommen. Damit ist die benthische Makrofauna weniger vielfältig als die
benthische Meiofauna, die etwa 1.200 Arten zählt. Die durchschnittliche Biomasse der benthischen
Makrofauna beträgt im Watt zwischen 38 und 65 g organischer Trockenmasse je m², wohingegen die
durchschnittliche makrobenthische Biomasse in den inneren Ästuaren und in der Nordsee mit 1 - 13 g
je m² weit geringer ist. Innerhalb der Tidezone ist die Biomasse auf tiefem und exponiertem
Sandboden gering und in Misch- und Schlicksedimenten hoch. Das absolute Maximum wird jedoch in
den Muschelbänken beobachten, in denen die Biomasse zwischen 1.000 und 2.000 g je m² schwankt.
Diese Biomasse-Werte sind deswegen von Bedeutung, weil die Makrofauna für die überwiegende
Mehrzahl der Vögel und Fische im Wattenmeer die Hauptnahrungsquelle bildet.
Bei der Biomasse vorherrschend sind zumeist die zweischaligen Mollusken, insbesondere
Herzmuscheln Cerastoderma edule und Miesmuscheln Mytilus edulis. An nächster Stelle bei der
Biomasse stehen häufig die Würmer, wobei auf den Wattwurm Arenicola marina der größte Anteil
entfällt. Extrem zahlreich, jedoch biomassenmäßig weniger bedeutend, sind die Wattschnecke
Hydrobia ulvae und der Schlickkrebs Corophium volutator.
Die Europäische Herzmuschel Cerastoderma edule ist von Norwegen bis Marokko verbreitet, ihre
größte Population ist jedoch im Wattenmeer anzutreffen. Das Vorkommen von Herzmuscheln im Watt
ist recht ungleich verteilt. Dichte Bestände entwickeln sich nur dann und nur dort, wo ihre wichtigsten
Fressfeinde, die Strandkrabbe Carcinus maenas und die Nordseegarnele Crangon crangon, im
Sommer nicht auf den Laich gestoßen sind. Im Herbst können zudem Schwärme des Knutts Calidris
canutus die Vorkommen junger Herzmuscheln eliminieren. Sobald sie eine gewisse Größe erreicht
haben, können Herzmuscheln bemerkenswert langlebig sein. So hat man Individuen mit einem Alter
von bis zu 15 Jahren gefunden, wobei diese älteren Exemplare zum Reproduktionspotenzial der
gesamten Herzmuschelpopulation einen wesentlichen Beitrag leisten. Eine seltene, nah verwandte
Art, die Lagunen-Herzmuschel Cerastoderma glaucum, kommt recht isoliert in Salzwiesenprielen der
Wattenmeerinseln vor. Mutmaßlich heften sich die Jungtiere an Vögel und breiten sich so in den Priele
anderer Inseln aus, was ihre genetische Homogenität über große Entfernungen erklären könnte.
Das bei Teilnehmern geführter Wattwanderungen bekannteste Lebewesen ist der Wattwurm, und
zwar wegen seiner hochgradig charakteristischen aufgerollten Kotschnüre. Diese Häufchen sind mit
einer Dichte von ca. 20 bis 40 Stück je m² auf dem ganzen Watt verstreut. Insgesamt gibt es im
gesamten Wattenmeer grob gerechnet ein Milliarde Wattwürmer, die Sand konsumieren und daran
haftende Bakterien und Mikroalgen verdauen. Die Würmer dienen ihrerseits als Nahrung von
Plattfischen und Watvögeln. Da Wattwürmer tief in ihren Röhren hausen, bekommen ihre Fressfeinde
sie nur zu fassen, wenn sie sich mit dem Hinterende an der Sedimentoberfläche zeigen, um zu
defäkieren. Das Schwanzende wird dann dem Fressfeind geopfert, woraufhin sich die Würmer wieder
regenerieren.
Wattwürmer laichen im Spätsommer. Ihre Larven entwickeln sich in der Mutterröhre und treiben
anschließend in die subtidale Zone, wo die juvenilen Exemplare zwischen
Muschelschalenbruchstücken überwintern. Im Frühjahr treiben die kleinen Würmer zurück ins Watt
und siedeln sich zumeist an den Rändern der adulten Population an, im Regelfall in einem als
„Kinderstube“ dienenden Streifen in der obersten intertidalen Zone. Von dort wandern die juvenilen
Tiere im Herbst allmählich in den Bereich der adulten Würmer. Dieser komplizierte Ablauf hat sich
wahrscheinlich deswegen entwickelt, weil der durch eine dichte Population adulter Würmer
verursachte Sedimentumschlag die juvenile Entwicklung behindert. Die Bestandsgröße dieser
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 52
Wattwürmer bleibt im Verlauf der Jahre bemerkenswert stabil, möglicherweise wegen dieser
dichteabhängigen Reaktion der juvenilen Tiere auf die dominierenden adulten Exemplare.
Junge Nordseegarnelen Crangon crangon suchen bei Ebbe häufig Zuflucht in den Trichterfallen von
Wattwurmröhren. Bei Flut ernähren sich die Garnelen von kleinem Zoobenthos aller Art und üben
dabei auf Muschellaich besonders hohen Beutedruck aus. In der Tat bildet sich bei Herzmuscheln nur
in Jahren mit geringem Garnelenvorkommen erfolgreich Nachwuchs aus. Im Wattenmeer gilt sogar
die Regel, dass der Bruterfolg von Muscheln auf die Sommer nach strengen Wintern beschränkt ist,
weil dadurch die Entwicklung von Garnelen und Krabben verzögert wird. Garnelen laichen im
Offshore-Gürtel, und ihre Larven werden durch Meeresströmungen in die Tidezone getragen. Die
Jungtiere bleiben zunächst im Watt, doch sobald ihre Größe eine Länge von einem Zentimeter
überschreitet, beginnen sie, mit den Gezeiten hin und her zu wandern. Die adulten Tiere bleiben
größtenteils in der subtidalen Zone und kehren schließlich in den Offshore-Gürtel des Wattenmeers
zurück.
Pflanzen
Ökologisch am wichtigsten für die Nahrungskette des Wattenmeers sind die einzelligen Algen auf der
Sedimentoberfläche und in den Gezeitengewässern. Auffälliger sind jedoch die Gefäß- oder
Blütenpflanzen. In der intertidalen Zone sind die beiden Seegrasarten Zostera noltii und Z. marina
wichtige habitatformende Pflanzen.
Die charakteristischsten und eigenartigsten Pflanzen unter den Salzwiesenpionieren in der oberen
intertidalen und der unteren supratidalen Zone gehören dem Queller-Artenkomplex Salicornia spp. an.
Dabei handelt es sich um eine kosmopolitische Gattung in Küstenbiotopen. Diese sukkulenten
Halophyten mit ihren segmentierten Schösslingen ähneln ein wenig einer Wüstenpflanze, wachsen
aber tatsächlich dort, wo sie zweimal täglich von den Gezeiten überflutet werden. Die Samen keimen
nur bei hohen Salinitäten. Im Wattenmeer sind die Salicornia-Arten einjährige Kräuter von weniger als
20 cm Höhe. Am seenächsten auf Schlick- und Sandwatt wächst die aufrechte und schlankwüchsige
Art Salicornia stricta (syn. S. dolichostachya). Die Samen werden nicht abgeworfen, sondern bleiben
im Herbst auf der absterbenden, grün bleibenden Pflanze. Eine Pionierpflanze auf flachen
Sandstränden ist die zumeist niedrigwüchsige Art Salicornia procumbens (syn. S. decumbens), die im
Herbst ihre grüne Farbe in gelb und orange wechselt. Mehr innerhalb der Salzwiesen zwischen
anderer Vegetation wächst Salicornia brachystachya (syn. S. ramosissima). Deren Samen keimen
auch im Schatten, was bei den anderen Arten nicht der Fall ist. Diese stark verzweigte Pflanze hat
eher kurze Schösslingssegmente und wechselt ihre Farbe im Herbst von Grün zu Dunkelrot. Die
Taxonomie-Fachwelt ist sich über die sachgerechte Unterteilung dieses Artenkomplexes nicht einig.
Die Artenbildung geht im Wattenmeer noch vor sich, weshalb es noch nicht zu einer genetischen
Verwurzelung gekommen ist und jede Art sich bei ihrem Wuchs stark verformen kann. Es gibt eine
starke Tendenz zur Inzucht; zudem können deutlich voneinander abgrenzbare Populationen
gegensätzliche Biotope besetzen. Die Salicornia-Arten sind früher auf großes Interesse der Forschung
gestoßen, da Queller als nützliche Pioniere zum Zweck einer Umwandlung von Wattflächen in
Salzwiesen betrachtet wurden, die anschließend trockengelegt und in Ackerland umgewandelt werden
konnten. Dieses Interesse ist geschwunden, Queller gilt jedoch immer noch als schmackhaftes
Gemüse.
Der Queller war bis vor achtzig Jahren der einzige Salzwiesenpionier auf den Wattflächen des
Wattenmeers. Dann führte man Schlickgras zur Erleichterung der Sedimentation in Wassernähe ein.
Es entstammte einer Hybride zwischen der afroeuropäischen Art Spartina maritima und der
amerikanischen Art S. alterniflora, die zufällig nach Südengland eingeführt wurde. Die sterile Hybride
wandelte sich durch autogene Chromosomenverdopplung in eine fruchtbare Art um, der man den
Namen Spartina anglica gab. Zufällig geschah dies in unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Nähe zur
Abfassung der Abhandlung über den Ursprung der Arten von Darwin. Diese widerstandsfähige Art
herrscht nunmehr in der Pionierzone von Salzwiesen im Wattenmeer vor. Mit Queller und Schlickgras
ist die Artenvielvalt in der Pionierzone recht gering, nimmt jedoch in einer dynamischen,
mosaikähnlichen Weise rasch zu, je höher man in der supratidalen Zone gelangt. Hier zeigen die
Wattenmeer-Salzwiesen im Sommer ein malerisches Blütenmeer, das eine der Hauptattraktionen für
die Menschen bildet, welche diese Küste besuchen.
Die tiefliegende Marsch, die mehr als hundert Mal im Jahr durch Hochwasser überflutet wird, ist durch
das niedrigwüchsige Gras Puccinellia maritima gekennzeichnet, häufig gemeinsam mit der
purpurblütigen Art Limonium vulgare. Auf lehmigen oder brackigen, nicht beweideten Marschen kann
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Aster tripolium vorkommen. Auf gut entwässerten Prielrändern und Terrassen ist Halimione
portulacoides die vorherrschende Art. Auf der mittleren Marsch mit weniger als 100 Fluten jährlich
wächst ein dichter Rasen aus Festuca rubra und Juncus gerardii, gelegentlich gemeinsam mit
Limonium vulgare und Artemisia maritima. Sandige Salzwiesenweiden haben im Frühsommer oft ein
rosafarbenes Aussehen, da Armeria maritima die Oberhand gewinnt. Diese Pflanze wird von Vieh
gemieden. Wird eine Beweidung durch Haustiere reduziert oder eingestellt, können – je nach den
geomorphologischen Bedingungen, dem Lehmgehalt und der Höhe ü. NN – Elymus athericus,
Halimione portulacoides, Spartina anglica oder Elymus repens die dominanten Arten in den
Salzwiesen darstellen. Unter brackigen Bedingungen wird Phragmites australis vorherrschen.
Ohne den Strandhafer Ammophila arenaria hätten die Barriereinseln des Wattenmeers mutmaßlich
ein gänzlich anderes Aussehen. Dies lässt sich aus Beobachtungen schließen, die an der Küste
Oregons in Nordwestamerika gemacht wurden. Dort wurde die Dynamik des Dünensystems vom
Strandhafer nach dessen Einführung vollständig verändert. Dieser ließ hinter dem Strand rasch eine
hohe und dauerhafte Vordünenbarriere entstehen, wo vorher keine gewesen war. Früher weiter
landeinwärts gewehter Sand wurde jetzt gebunden, und auf der Leeseite des neuen Dünenkamms
entstand eine feuchte Winderosionsebene mit instabilem „Treibsand“. Damit wurde eine
Küstenlandschaft, die seit 10.000 Jahren bestanden hatte, von dem eingeführten Strandhafer
innerhalb weniger Jahrzehnte drastisch umgestaltet.
Im Wattenmeer ist der Strandhafer jedoch einheimisch. Er kann durch Ausbreitung seiner Schösslinge
Sandanhäufungen von bis zu einem Meter jährlich bewältigen. Sand häuft sich deswegen an, weil die
Büschel die Windgeschwindigkeit oberhalb des Erdbodenniveaus erheblich verlangsamen. Das Gras
dehnt sich horizontal mit seinen Rhizomen aus, wobei seine Wurzeln die entstehende Düne bis zu
Tiefen von zwei Metern oder mehr durchdringen. Durch Einrollen der Blätter und eine dicke Kutikula
auf der Außenseite werden die Transpirationsverluste beschränkt und die Schäden durch aufprallende
Sandkörner reduziert. Auch wenn Strandhafer die Vegetation nur auf den Weißdünen dominiert,
würden sich ohne seine dünenbildende Fähigkeit alle späteren Sukzessionsphasen mit der Vielzahl
von seltenen und gefährdeten Pflanzen nicht entwickeln. Dies ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür,
wie die Eigenschaften einer bestimmten Pflanzenart eine gesamte Küstenlandschaft geschaffen
haben, und man kann sich nur schwer vorstellen, wie sich die Barriereinseln des Wattenmeers ohne
Strandhafer entwickelt hätten.
Als Küstenfeuchtgebiet ist das Wattenmeer weder für die Entwicklung endemischer Arten ausreichend
isoliert noch ist es in den letzten Jahrtausenden für die Erhaltung von Reliktarten klimatisch
ausreichend stabil geblieben. Darüber hinaus gibt es eine lange Liste von einzelligen Algen und von
Wirbellosen geringer Größe, die wissenschaftlich erstmals anhand von Typ-Lokalitäten im
Wattenmeer beschrieben und bis jetzt gar nicht oder nur selten anderswo nachgewiesen wurden. Das
Fehlen von Nachweisen von außerhalb des Wattenmeers dürfte bei diesen Taxa jedoch
höchstwahrscheinlich auf fehlende Untersuchungen und nicht auf tatsächlichen Endemismus
zurückzuführen sein.
Das Wattenmeer ist eine Küstenlandschaft geblieben, die all diesen Populationen nach wie vor
genügend Raum und Ressourcen bietet, und viele der Großtierbestände, die einst vom Menschen
bedroht waren, erholen sich seit einigen Jahrzehnten wieder. Einige allgemein bedrohte Arten finden
in gewissem Umfang im Wattenmeer eine Zuflucht (Tabelle 2.5). Dabei handelt es sich allerdings
ausnahmslos um wandernde Tiere, die nicht durch auf das Wattenmeer beschränkte Maßnahmen zu
retten sind. Insbesondere Fische können aus einem Schutz des Wattenmeers so lange keinen Nutzen
ziehen, wie die Flusslebensräume nicht ausreichen (z.B. beim Stör Acipenser sturio) oder der
Befischungsdruck weiter draußen im Meer anhält (z.B. beim Nagelrochen Raja clavata).
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Tabelle 2,5: Bedrohte Wirbeltiere auf der Roten Liste der IUCN, die im Wattenmeer nachgewiesen
wurden
Das Ökosystem Wattenmeer stellt eines der bedeutendsten internationalen Feuchtbiotope der Welt
dar. Es enthält eine Vielzahl von Übergangszonen zwischen Land, Meer und Süßwasser. Alle seine
Lebensräume wirken gemeinsam als gigantisches Küstenfiltersystem. Das vom Land zuströmende
Wasser und die Wassermassen des Meeres werden gemischt und mit den Gezeiten mehrmals hin
und her bewegt, bevor sie vom Küstenparallelstrom aufgenommen und letztlich dem Atlantik zugeführt
werden.
Die Zufuhr organischer Stoffe und aufgelöster Stoffbestandteile aus den Flüssen und dem Meer
werden dabei zurückgehalten. Diese Klärungsabläufe werden durch die Küsten-Biota ermöglicht. Sie
beginnen mit dem Leben im durchlässigen Sand im Offshore-Gürtel des Wattenmeers und erstrecken
sich bis auf die Sandstrände und Watten. Dabei wird Wasser von den Wellen in die
Sandzwischenräume gedrückt. Diese Sandkörner sind hochgradig bioaktiv, da sie mit einem Belag
aus Mikroorganismen überzogen sind. Einige sind photosynthetisch tätig und reichern das Wasser mit
Sauerstoff an. Andere nutzen diesen Sauerstoff zur Mineralisierung von organischen Stoffen. In
tieferen Sedimentschichten geht dieser Prozess infolge Sauerstoffmangels langsamer vor sich.
Auf dem Sandwatt bewässert eine große röhrengrabende Infauna die Sedimente und vergrößert die
oxische Remineralisierungszone um mehrere Größenordnungen. Insbesondere die überreichlich
vorhandenen Wattwürmer pumpen Wasser in den Untergrund und bieten so für mikroskopisch kleine
Organismen mit Arten, die nirgendwo sonst vorkommen, einen einzigartigen Lebensraum. Diese
großen Wühler erleichtern die biogene Küstenfilterfunktion in erheblichem Umfang.
Kohäsiver Schlick ist von einer lebenden Schleimschicht voller mikroskopischer Algen und Bakterien
bedeckt, die partikelförmige und aufgelöste Stoffe einfangen. Ihr hochgradig bioaktiver Film reinigt des
Weiteren das herangeführte Wasser, welches bereits die weiter meerwärts gelegenen durchlässigen
Sande und Wattwurmwatten passiert hat. Selbst im Innern von Salzwiesen ist die Sedimentoberfläche
von einem Belag aus Mikrobiota überzogen, die zur Mineralisierung der vom Land und vom Meer
sowie von der salzwieseninternen Bioproduktion herangeführten organischen Stoffe beitragen.
Die zahlreichen Lebewesen mit filtrierender Ernährungsweise in der Tidezone sind eine dritte
Komponente des Küstenfiltersystems. Muscheln sind die herausragenden Mitglieder dieser Gruppe,
darüber hinaus sind hieran auch sich durch Filterung ernährende Vertreter vieler anderer zoologischer
Stämme beteiligt, z.B. mit Tentakeln versehene Würmer bzw. Würmer, die einen Filter aus Schleim
herstellen, kleine Krebstiere mit gefiederten Borsten an den Beinen, auf Muscheln und Algen
wachsende Polypenkolonien und viele mehr. Größtenteils leben diese am Meeresgrund, einige treiben
während der filtrierenden Ernährung jedoch auch in den Gezeitengewässern. Man hat ausgerechnet,
dass allein die Muscheln das gesamte Wasservolumen des Wattenmeers alle zwei Wochen einmal
durchgefiltert haben.
dort erneut als Nahrung dienen. Zusätzlich zu Phytoplankton kann auch die erneute Suspension von
Bodenpartikeln einschließlich benthischer Mikroalgen erheblich zur Nahrungsversorgung von
Suspensionsfiltrierern in der Tidezone beitragen. Nahezu die Hälfte des Nahrungsangebots kann auf
wiederaufgewirbelte Stoffe entfallen.
Ein Großteil der planktonischen Nahrung für Suspensionsfiltrierer stammt aus der Nordsee, wo es in
den Küstengewässern zu Phytoplankton-Blüten kommt. Dort ist die Wassertransparenz für eine
ungehinderte Photosynthese höher als in dem flachen, trüben Wasser voller vom Meeresgrund
aufgewirbelter Schwebstoffe. Somit erfolgt durch das Küstenfiltersystem eine Reinigung des
Nordseewassers im Wattenmeer. Dieser Filter verstopft niemals, weil er von den Konsumenten in der
Nahrungskette des Wattenmeers permanent erneuert wird.
Für Vögel und Fische stellen die reichen Populationen benthischer Wirbelloser, die sich in der
Tidezone von Schwebstoffen und Ablagerungen ernähren, eine große Quelle zum Wiederauffüllen
ihrer Fettreserven dar, bevor die Vögel in ferne Länder weiterfliegen und die Fische die Flüsse hinauf
wandern oder durch die Ozeane ziehen. Diesbezüglich dient das Wattenmeer nicht nur als
gigantisches Filtersystem, sondern auch als nicht minder gigantische Drehscheibe zwischen Land und
Meer.
Öl und Gas
Alle Aufsuchungs- und Abbauaktivitäten unterliegen den weltweit mutmaßlich strengsten Auflagen.
Dem Wattenmeerplan zufolge werden neue Gewinnungsanlagen für Öl und Gas im angemeldeten Gut
nicht genehmigt.
Gasgewinnung
Im niederländischen Wattenmeer gibt es zur Gewinnung von Erdgas einen einzelnen Standort, und
zwar Zuidwal. Alle übrigen Gewinnungsanlagen befinden sich außerhalb des angemeldeten Gebietes,
die Lagerstätten können sich jedoch darunter erstrecken. Es werden noch nicht alle potenziellen
Lagerstätten untersucht oder abgebaut. Man ist sich jedoch einig, dass neue Probebohrungen und
neue Gewinnungsanlagen im niederländischen Teil des Wattenmeers künftig nicht mehr genehmigt
werden. Infolgedessen wird der Neuabbau von Lagerstätten unter dem Wattenmeer vom Festland,
den Inseln oder der Nordseeküstenzone aus erfolgen müssen.
Die Ausbeutung des Konzessionsgebiets Zuidwal (Vermilion) inmitten des westlichen Teils des
niederländischen Wattenmeers bei Harlingen betrifft eine Lagerstätte, die auf etwa 22 Mrd. m³
gewinnungsfähigen Erdgases veranschlagt wird. Die Gewinnung begann im Jahre 1989. Das Erdgas
wird per Pipeline zu einer Verarbeitungsanlage in Harlingen befördert. Alle von der Gewinnungsanlage
stammenden festen Abfälle werden an Land befördert, wobei das produzierte Wasser wieder der
Lagerstätte zugeführt wird. Bei der Produktionsanlage handelt es sich um eine „Zero Emission Unit“.
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Neben dem angemeldeten Gebiet an der Festlandsküste im Ostteil der Provinz Fryslân befindet sich
der Produktionsstandort Blija Ferwerderadeel, der ebenfalls unter dem Wattenmeer gelegene
Lagerstätten ausbeutet. Noch weiter ostwärts erhielten unlängst die neben dem Wattenmeer
gelegenen drei zusätzlichen Gewinnungsstandorte Moddergat, Vierhuizen und Lauwersoog die
Betriebsgenehmigung zur Gewinnung von Gas, das unter dem angemeldeten Gebiet lagert. Diese
Genehmigungen wurden nach einem umfassenden Entscheidungsprozess erteilt, der sich auch auf
ein vollständiges Verfahren zur Folgenabschätzung erstreckte. Die Produktion ist nur zugelassen in
den Grenzen der Fähigkeit des Wattenmeers, einen Meeresspiegelanstieg durch natürliche
Sedimentierung abzufangen. Diese Gasgewinnung wird den Wert des Wattenmeeres aufgrund der
strikten Genehmigungsauflagen nicht verschlechtern. Sowohl die Bodenabsenkung als auch die
ökologische Entwicklung werden im Rahmen eines strengen Überwachungsprogramms verfolgt. Die
Gasgewinnung wurde unter der Bedingung genehmigt, dass das angemeldete Gut durch die
Produktion nicht beeinträchtigt wird.
Das Gasfeld von Groningen erstreckt sich geringfügig unter das Wattenmeer und die Emsmündung.
Alle Produktionsanlagen befinden sich auf dem Festland, wobei unter dem Wattenmeer keine
Produktionsbohrlöcher angelegt wurden. In der Emsmündung befindet sich auf einer kleinen
künstlichen Insel ein Überwachungsbohrloch zur Druckerfassung. Die Insel dient einer
Kormorankolonie als Brutplatz. Neue Produktionsanlagen auf dem Festland hinter dem Seedeich sind
nicht zu erwarten, können aber auch nicht ausgeschlossen werden.
Die Insel Terschelling ist die westlichste Insel mit Gaserschließungspotential. Die vermuteten
Reserven sind klein und wurden noch nicht erschlossen. Bei der derzeitigen Energielage bestehen
hierzu auch keine Pläne. Die Insel Ameland besitzt das drittgrößte Gasfeld der Niederlande. Auf
Ameland wurden drei Anlagen errichtet. Die zur Produktion vorgesehene Anlage wurde 1983 errichtet
und befindet sich am Ostkap der Insel. Dieser Standort ist mit zwei Offshore-Plattformen (2-3 km vor
der Küste bei einer Wassertiefe von 5-10 Metern) verbunden. Die durch die Produktion
(Bodenabsenkung) beeinflusste Morphologie und Ökologie wird seit 1987 unter Aufsicht einer
unabhängigen Kommission überwacht. Die technischen Berichte werden etwa alle 5 Jahre
veröffentlicht und sind auf Niederländisch abgefasst, wobei jedoch auch eine Zusammenfassung
auf Englisch und Russisch erhältlich ist. Die Überwachung wird bis zur Produktionseinstellung 2020
fortgesetzt. Am Westkap von Ameland bei Hollum befindet sich eine alte Bohrlochstelle. Die Reserven
wurden abgeschätzt, jedoch nicht der Produktion zugeführt. Auf der Südseite Amelands (Ballumer
Bocht) wurde für die Zukunft eine kleine Bohrlochanlage errichtet, um ein kleines Vorkommen
aufzusuchen, das sich teilweise unter der Insel und teilweise unter dem angemeldeten Gut befindet.
Die Aufsuchung wurde verschoben, um den Entscheidungsprozess in Bezug auf die Produktion in
Moddergat und Lauwersoog nicht zu stören.
Die Insel Schiermonnikoog besitzt unseres Wissen keine Reserven, seeseitig wird die Erschließung
jedoch fortgesetzt. Zwischen Ameland und Schiermonnikoog befindet sich ein sogenanntes Monopol
mit Bohrlöchern, die mit Offshore-Gasfeldern verbunden sind. Diese Felder befinden sich noch nicht in
der Produktion. Alle diese Anlagen und Plattformen befinden sich außerhalb des Wattenmeers, das
Konzessionsgebiet erstreckt sich jedoch über das Festland, das Wattenmeer und Teile der Nordsee.
Im niedersächsischen Wattenmeergebiet wird Erdgas an zwei Stellen gewonnen, und zwar „Leybucht
Z 1“ im Gewinnungsfeld „Juist-Leybucht I“ des Konzessionsgebiets. „Juist“ befindet sich im
angemeldeten Gebiet. Die Produktion wurde 1977 aufgenommen. „Manslagt Z 1“ gehört zum
Gewinnungsfeld „Groothusen II“ des Konzessionsgebiets. „Groothusen“ befindet sich im Ästuar der
Ems außerhalb des angemeldeten Gebietes. Die Produktion begann 1993 und endete wegen einer
Verstopfung des Bohrlochs im Oktober 2000. Derzeit wird untersucht, ob die Produktion
wiederaufgenommen werden kann.
Ölgewinnung
Wie bereits erwähnt, wird Öl nur an einem Standort im angemeldeten Gebiet im Dithmarscher Teil des
Wattenmeers bei der Insel Trischen gewonnen. Die Konzessionen wurden bereits in den 50er Jahren
erteilt. Das Konsortium „Mittelplate“ begann mit dem Bau der Gewinnungsanlage „Mittelplate A“, bevor
der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer 1985 eingerichtet wurde. Die Ölproduktion
wurde 1987 aufgenommen. Bei der 1999 vorgenommenen Änderung des Nationalparkgesetzes wurde
die Zulassung zur Ölproduktion innerhalb des angemeldeten Gebiets auf die vorhandene
Gewinnungsanlage beschränkt. Nach den aktuellen Schätzungen befinden sich in Tiefen zwischen
2.000 und 3.000 Metern noch über 100 Millionen Tonnen Rohöl in mehreren Schichten ölführenden
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Sandsteins. Rund 60 Millionen Tonnen davon gelten als gewinnungsfähig, womit es sich um die
wichtigste Öllagerstätte Deutschlands handelt.
1998 wurde mit dem Bohrbetrieb zur Gewinnung eines Teils des Öls aus dem östlichen Abschnitt des
Felds „Mittelplate“ vom Festland aus begonnen. Im Jahr 2000 wurde die Onshore-Produktion an der
Landstelle Dieksand in Friedrichskoog aufgenommen, um die Gewinnung zu steigern und die Präsenz
der vorhandenen Bohrstelle in dem Gebiet zu begrenzen. Früher wurde das Rohöl mit drei speziellen
doppelwandigen Tankern nach Brunsbüttel transportiert. Die Pläne für eine Pipeline wurden 2003
genehmigt, die 2005 in Betrieb ging. Damit wurden Störungen mausernder Gänse minimiert und die
potenziellen Risiken von Ölhavarien praktisch ausgeschlossen.
Abb. 2.12. gibt einen Überlick über Pipeline und die Produktionsstätten von Öl und Gas.
[Beschriftung im Legendenfeld nachstehender Karte, Rest bleibt bis auf die Ländernamen Dänemark, Deutschland und
Niederlande:]
Gas und Öl im Wattenmeer, Legende, Wattenmeergebiet, Gasleitung, Gasgewinnungsstandort, Ölgewinnungsstandort,
Gezeitenzone
oder von in der seewärtigen Küstenzone existierenden Plattformen außerhalb des angemeldeten
Gebietes erlaubt.
Fischerei
Krabbenfischerei
Die Krabbenfischerei konzentriert sich auf den Offshore-Gürtel und tiefere Priele, weil sich hier die
großen ausgewachsenen Tiere aufhalten, wohingegen die kleineren Garnelen die Gezeitenzone
bevölkern. Früher war die Krabbenfischerei wegen der rauen Brandung im Offshore-Bereich auf
Baumkurrenfischerei im geschützteren Bereich hinter den Inseln beschränkt, diese Einschränkung
wurde jedoch durch größere und besser motorisierte Schiffe überwunden. Die in jedem Land erfassten
Fangdaten unterscheiden nicht zwischen der innerhalb oder außerhalb des Wattenmeergebiets
gefangenen Ausbeute. Die Durchschnittsmenge des gesamten Garnelenfangs belief sich im Zeitraum
1994-2003 auf etwa 21.000 t. Die Fangmenge reguliert sich zumeist nach der Aufnahmefähigkeit des
Marktes. Die malerischen Krabbenfischerboote mit ihren aufgerichteten Baumkurren, gefolgt von
Beifang-vertilgenden Möwenschwärmen, sind in vielen Teilen des Wattenmeers fast zu einem Symbol
des Wattenmeertourismus geworden. Garnelen sind eine überaus bedeutende Delikatesse der
Region.
Im deutschen Teil beläuft sich die Garnelenfangmenge auf durchschnittlich etwa 11.000 t/Jahr. In
Schleswig-Holstein werden 99 Boote (2003) hauptsächlich für die Krabbenfischerei eingesetzt. In
Niedersachsen wurde die Krabbenfischerei 2003 von 101 Booten ausgeübt, die ausschließlich auf
Garnelenfang gingen, sowie von weiteren 35 Booten, die normalerweise für den Plattfischfang
eingesetzt werden, aber in jenem Jahr zur Krabbenfischerei genutzt wurden (insgesamt 136 Boote für
den Garnelen- und Plattfischfang im Jahr 2003). Die Krabbenfischerei zur Tierfutterverwertung ist von
geringer Bedeutung und wird nur in Niedersachsen in der zweiten Jahreshälfte ausgeübt. Die
Fangmenge beläuft sich auf rund 600-1.200 t/Jahr, was etwa 20% der für den menschlichen Verzehr
bestimmten Menge in Niedersachsen entspricht.
Seit der Einrichtung des Nationalparks Hamburgisches Wattenmeer im April 1990 ist die Muschel- und
Krabbenfischerei in der Kernzone des Nationalparks verboten, die nahezu den gesamten Hamburger
Teil des Wattenmeers und Wattenmeergebiets umfasst. Dem Nationalparkgesetz zufolge gelten
Ausnahmen für den Fang von Garnelen auf drei Fahrwassern innerhalb der Kernzone. In anderen
Teilen des angemeldeten Gebietes ist die Krabbenfischerei zugelassen, mit Ausnahme der Gebiete,
die als Nullnutzungsgebiete im schleswig-holsteinischen und holländischen Teil ausgewiesen sind.
Miesmuschelfischerei
In den Niederlanden und in Deutschland wird die Miesmuschelfischerei zumeist auf Saatmuscheln aus
Wildmuschelbänken ausgeübt. Die Saatmuscheln werden anschließend auf Kulturflächen ausgesetzt,
bis sie eine marktfähige Größe erreicht haben. In Niedersachsen ist das Fischen von Wildmuscheln
zum direkten Verzehr nur auf sublitoralen Bänken gestattet, wobei nur kleine Mengen gefangen
werden (ca. 200 t im Jahr 2002). Im Schleswig-Holsteinischen und niederländischen Wattenmeer ist
die gewerbliche Wildmuschelfischerei zum direkten Verzehr nicht erlaubt. Im Hamburger Nationalpark
ist die Miesmuschelfischerei gänzlich verboten. Weite Teile des Wattenmeers (die intertidalen und
subtidalen Bereiche) sind für die Miesmuschelfischerei gesperrt. Ein Überblick zusätzlicher
Regelungen ist in Tabelle 2.6 dargestellt.
Zusätzlich zu den bereits existenten Regelungen für Muschelkulturflächen wurden nach und nach seit
Mitte der 80er Jahre Regelungen für die Muschelfischerei eingeführt, um eine nachhaltige
Muschelfischerei im Einklang mit den bestehenden Schutzbestrebungen und den trilateralen Zielen
sicherzustellen. Auf der Wattenmeerkonferenz von 1991 in Esbjerg wurde vereinbart, beträchtliche
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Gebiete für die Miesmuschelfischerei zu sperren. Der Wattenmeerplan führt die Politik gesperrter
Gebiete auch mit dem Ziel fort, das Wachstum von Wildmuschelbänken und Seegraswiesen zu
schützen und zu fördern. Die Miesmuschelfischerei wird grundsätzlich auf den subtidalen Bereich
begrenzt. Schließlich legt der Wattenmeerplan fest, dass die derzeitige Fläche von Muschelkulturen
nicht vergrößert werden darf.
Die Miesmuschelfischerei hängt stark von natürlichen Bedingungen und der Verfügbarkeit von
Wildmuschellaich ab, dessen Aufkommen stark schwankt. Daher weist der Muschelfangertrag von
Jahr zu Jahr und von Region zu Region starke Fluktuationen auf. Im letzten Zehnjahreszeitraum kam
es in den Jahren 1998 und 1999 zu höheren Fangzahlen, wohingegen 2001 und 2002 die niedrigsten
Fangerträge gemeldet wurden. Die durchschnittlichen jährlichen Fangmengen von Muscheln in den
letzten 10 Jahren (1994-2003) betrugen etwa 65.000 Tonnen Nettogewicht (einschließlich Schalen),
die größtenteils (ca. 39.000 t) in den Niederlanden gefangen wurden. Tabelle 2.6 zeigt die
Muschelfischerei in dem angemeldeten Gebiet im Überblick.
Zumeist wird der Fang in den Niederlanden gehandelt. Ein erheblicher Teil des deutschen Fangs wird
in die Niederlande zur weiteren Verarbeitung und zum Handel transportiert.
Im Zusammenhang mit den Ausbleiben namhaften Brutfalls von Miesmuscheln in den vergangenen
Jahren werden zur Zeit Experimente durchgeführt, Saatmuscheln mit neuen Methoden an
Brutsammlern oder mit sogenannten „Smartfarms“ zu fangen. Schließlich wird darauf hingewiesen,
dass die Spisulamuschel-Fischerei (S. solida und S. subtruncata) entweder verboten ist oder wegen
fehlender Bestände nicht stattfindet.
89 (Saatfischereiboote)
Anzahl der Lizenzen 5 (Boote) 8
82 Muschelkultur
Dauerhaft gesperrte
42.540 93.480 135.000
Fläche (ha)
Intertidal: Saatfischerei auf
Zusätzlich 17 Standorte gemäß
Weitere instabilen Muschelbänken nur,
Bewirtschaftungsplan gesperrt
Beschränkungen wenn mindestens 2000 ha an Keine
(rund 10% der intertidalen
Bänken mit einjährigen 1)
Muschelbänke)
Muscheln belassen werden
1) Fünfjahresdurchschnitt (1999-2003): Schwankungsbreite 9,5-13,2 %. Zusätzlich sind etwa 10% der Muschelbankgebiete
(Durchschnitt 1999-2003) für die Fischerei gesperrt (Schwankungsbreite: 8,4-12,5%) (Herlyn und Millat 2004). Die Sperrgebiete
bedecken 33,8% der Nationalparkfläche; nicht alle Teile des Sperrgebiets eignen sich zur Fischerei.
2) Die Herzmuschelfischerei mit Maschineneinsatz im niederländischen Wattenmeer wurde am 1. Januar 2005 eingestellt.
Herzmuschelfischerei
Seit der Einstellung der Herzmuschelfischerei mit Maschineneinsatz im niederländischen Teil des
angemeldeten Gebietes ist diese nunmehr im gesamten angemeldeten Gebiet verboten. Im
deutschen Teil wurde sie bereits vor nahezu 20 Jahren eingestellt. Die Herzmuschelfischerei ohne
Maschineneinsatz ist im niederländischen Wattenmeer mit einer jährlichen Fanghöchstmenge von 5%
des Herzmuschelbestands gestattet. Gewährt werden können höchstens 31 Lizenzen für die
Herzmuschelfischerei ohne Maschineneinsatz. Bis jetzt wurden 17 Lizenzen aktiv genutzt. 2005
wurden 365 Tonnen Fleisch angelandet. Für jenes Jahr war eine Quote von 600 Tonnen festgelegt
worden. Das nicht gewerbliche, manuelle Sammeln von Muscheln ist ebenfalls erlaubt, wenn dadurch
nicht eine Fangmenge von 10 kg pro Tag überschritten wird. Das gewerbliche Sammeln von Muscheln
ist unzulässig.
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Die Entnahme von Sand hat als traditionelle Nutzung des Gebiets eine lange Geschichte. Hauptzweck
war die Verwendung des Materials zum Bau von Deichen, Warften und Straßen. In den letzten
Jahrzehnten ist diese Tätigkeit stetig zurückgegangen. Heute wird noch eine gewisse Menge an Sand
ausschließlich für Küstenschutzzwecke verwendet, z.B. zur Strandpflege und zur Verstärkung von
Deichen und Warften (auf den Halligen). Im niederländischen Teil des angemeldeten Gebietes ist die
Entnahme von Sand nur als Nebeneffekt der Freihaltung und Räumung von Fahrwassern, der
gelegentlichen Vertiefung von Hauptschifffahrtswegen zu Bauzwecken gestattet. Im
niedersächsischen Wattenmeer ist die Entnahme von Sand zu gewerblichen Zwecken unzulässig.
Sand wird nur beim Ausbaggern von Fahrwassern und zu Küstenschutzzwecken entnommen. Im
Hamburger Wattenmeer ist die Sandentnahme gänzlich unzulässig. Im Schleswig-Holsteinischen
Wattenmeer wird zu gewerblichen Zwecken kein Sand entnommen. Im Zeitraum 1999-2003 wurden
zu Küstenschutzzwecken durchschnittlich 1,1 Mio. m³ jährlich entnommen.
Die Entnahme von Muschelschalen wird nur im niederländischen Teil mit im Übrigen seit Jahren
abnehmender Tendenz vorgenommen und ist durch Entnahmequoten und die Beschränkung auf die
drei Orte Marsdiep, Vlie und Friese Zeegat im Bereich 0–5 Meter unter NN geregelt. Die zulässige
Gesamtmenge von Muschelschalen, die im Wattenmeer und an der benachbarten Nordseeküste
entnommen werden darf, beruht auf dem langjährigen Durchschnitt der Kalziummasse und beläuft
sich auf einen diesbezüglichen Anteil von 50%, höchstens jedoch 90.000 m3 im niederländischen
Wattenmeer. Die Entnahme von Muschelschalen ist im deutschen Wattenmeer gänzlich unzulässig.
Jagd
Die Jagd ist im angemeldeten Gebiet vollständig eingestellt, mit Ausnahme einer beschränkten, 10-
tägigen Jagd auf einige Wasservogelarten und der Hasenjagd auf Teilen der bewohnten
niedersächsischen Inseln.
Dessen ungeachtet hat die Jagd in der Wattenmeerregion eine lange Tradition. In früheren Zeiten
waren die Robbenjagd und der Fang von Wasservögeln – zumeist Gänsen und Enten – traditionelle
und feste Bestandteile des Auskommens der Menschen, welche die Wattenmeerinseln und die
Küstengebiete bewohnten. Wasservögel wurden zudem für den Verkauf als zusätzliche Erwerbsquelle
gejagt. Die Wasservogeljagd erstreckte sich auf je nach Land unterschiedliche Enten, Gänse und
Watvögel. Die zahlreichen Entenfallen, die entlang der Küste noch zu sehen sind, zeugen hiervon
noch heute. Teilweise wurden diese restauriert und dienen u.a. als Museen, wohingegen andere noch
funktionstüchtig sind. Allerdings haben sich im Laufe der Zeit die Methoden, die technischen
Einrichtungen und auch der Zweck geändert, wie auch die Rechtsvorschriften und die Einstellung der
Öffentlichkeit zur Jagd. Heute hat sich die Jagd hauptsächlich zu einer Freizeitbeschäftigung
gewandelt, mit Ausnahme der Kaninchenjagd zu Küstenschutzzwecken. Robben werden im
Wattenmeer ebenfalls nicht mehr gejagt (Einstellung der Jagd in den Niederlanden 1962, in
Niedersachsen 1973, in Schleswig-Holstein 1974). Lediglich zu Hege- und
Schädlingsbekämpfungszwecken sind Ausnahmen möglich.
Beweidung
Dei Beweidung durch Haustiere stört den natürlichen Entwicklungsprozess von Salzwiesen. Eine
intensive Beweidung durch Rinder oder Schafe kann eine Zerstörung der Humusschicht und einen
Rückgang der mehrjährigen Vegetation infolge Abweidens und Zertrampelns zur Folge haben. Dies
führt zu einer Verringerung der Sedimentation und zur Verschlechterung der Bodenverhältnisse und
der Bodenstabilität, was beides den Küsten- und Naturschutz beeinträchtigt. In der Folge entstehen
eine monotone Biotopstruktur und damit weniger attraktive Bedingungen für Brutvögel. Durch eine
extensive Beweidung dagegen kann sich an Standorten mit einer Dicke der Lehmschicht von
mindestens 15-20 cm die Vielfalt von Pflanzen und Tierarten erhöhen.
Früher wurde vielfach eine intensive landwirtschaftliche Nutzung betrieben. Seit Mitte der 1980er
Jahre konnte auf den Festlandssalzwiesen in den Niederlanden und in Deutschland eine Reduzierung
intensiv beweideter Flächen um 50% beobachtet werden (Abbildung 4.3). In einigen Fällen wird aus
Biodiversitätsgründen eine mäßige Beweidung betrieben. In diesen beiden letzten Jahrzehnten
wurden zahlreiche Flächen mit natürlichen und halbnatürlichen Salzwiesen entwickelt.
Auf den Inseln können sich Salzwiesen überwiegend auf natürliche Weise entwickeln, wobei sie
verschiedene Übergangsphasen aufweisen. Die Beweidung durch Nutzvieh zu landwirtschaftlichen
Zwecken hat in allen Gebieten während der letzten 20 Jahre generell abgenommen. Bei etwa 60% der
Salzwiesen wurden in den letzten 10 Jahren keinerlei Entwässerungsmaßnahmen durchgeführt; bei
weiteren 31% wurde auf eine künstliche Entwässerung verzichtet.
Die Lage, Größe und Form von Küstenfeuchtgebieten auf der ganzen Welt haben sich nach einem
postglazialen Meeresspiegelanstieg von mehr als hundert Metern in den letzten 16.000 Jahren
erheblich verändert. Von Beginn an wurden diese ressourcenreichen Küsten von Jägern und
Sammlern aufgesucht. Dabei setzte vor 2.500 Jahren in asiatischen und mediterranen Regionen eine
gravierende Ausbeutung von Ressourcen ein. In der Nordseeregion begann die Intensivierung der
Ressourcennutzung vor etwa tausend Jahren. Mit dem Bevölkerungswachstum und der Vorherrschaft
globaler Märkte intensivierten sich die menschlichen Einwirkungen weiter, wobei es durch ein kluges
Umweltmanagement in manchen Küstenfeuchtgebieten jedoch zu einer Verlangsamung und in
einigen wenigen davon sogar zu einer Umkehr dieses Trends kam, darunter auch im Wattenmeer. In
diesem Kapitel wird die geomorphologische, menschliche und ökologische Geschichte der
Nordseeregion mit dem Wattenmeer in ihrem Zentrum im Überblick dargestellt und mit einem Ausblick
auf künftige Entwicklungen abgeschlossen.
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Seit dem Ende der letzten Eiszeit ist der Meeresspiegel in der Nordseeregion um 120 m angestiegen.
Im Verlauf eines raschen Anstiegs bis vor etwa 7000 Jahren wurden die Tundra und der boreale Wald
in der südlichen Nordsee überflutet. Als sich die Küstenlinie der heutigen Wattenmeerregion näherte,
verlangsamte sich der Meeresspiegelanstieg. Dazwischen kam es immer wieder zu Phasen der
Stagnation oder eines Absinkens. Etwa zu Beginn der christlichen Zeitrechnung fand eine Umstellung
von der Transgression zu einer etwa 200 Jahre andauernden Regression statt. Auf dieses
Zwischenspiel folgte ein Anstieg um rund 2 m bis heute.
Als sich der Meeresspiegelanstieg verlangsamte, entwickelten sich Barrieresandbänke mit Dünen.
Diese wurden schließlich durchbrochen und in Barriereinseln aufgeteilt, da sich der
Meeresspiegelanstieg fortsetzte und sich der Tidenhub erhöhte. Im südlichen Teil geschah dies
zwischen 7500 und 6000 Jahren vor unserer Zeit, was die Entstehung einer Küstenkonfiguration
darstellt, die dem heutigen Wattenmeer ähnelt. Mit dem Meeresspiegelanstieg vergrößerte sich
allmählich auch die Tidezone hinter den Barriereinseln. Als dieser Prozess zwischenzeitlich zum
Stehen kam, verkleinerte sich die Tidezone, vergrößerte sich jedoch mit der Fortsetzung des
Meeresspiegelanstiegs wieder. Landeinwärts von der Tidezone bildete ein Marschland von ähnlicher
Flächenausdehnung eine weite, in regelmäßigen Abständen überflutete Ebene, die aus
Salzwiesenvegetation sowie Brack- oder Süßwassersümpfen mit Schilfbewuchs bestand. Zwischen
diesen Sümpfen und den pleistozänen Anhöhen entwickelten sich ausgedehnte Hochmoore. An
großen Flüssen entstanden entlang der Uferböschungen Galeriewälder. Ansonsten war die Marsch
eine baumlose Ebene, die durch regelmäßige Überflutungen offen gehalten wurde.
Eine derartige Küstenlandschaft kann als der unberührte Zustand der Wattenmeerregion gelten, der
bis vor etwa tausend Jahren andauerte. Der Küstenverlauf an den Inseln sowie zwischen Tide- und
Salzwiesenzone war hochgradig dynamisch und wurde je nach Meeresspiegelhöhe und
Sedimentzufuhr ständig hin- und herverschoben.
Menschliche Geschichte
Soweit bekannt, war der Mensch in der Wattenmeerregion stets präsent. Die Inseln, Watten und
Marschen mit ihrem vielfältigen Angebot an Fischen, Muscheln, Wasservögeln, Säugetieren und
Wildpflanzen müssen für neolithische und mesolithische Jäger und Sammler vielfältige Möglichkeiten
geboten haben. Archäologische Funde sind jedoch spärlich, da die Spuren durch Wellenerosion
vernichtet oder unter massiven Sedimentschichten begraben wurden. Eine dauerhafte Besiedlung war
weitgehend auf höher gelegene Flächen beschränkt. Auf den Moräneninseln Sylt, Föhr und Amrum –
außerhalb des angemeldeten Gebietes – hat man nicht weniger als 77 Megalithgräber und 1000
bronzezeitliche Hügelgräber lokalisiert, während in den benachbarten Watten und Sanddünen
Dutzende von Dolchen und Sicheln aus Feuerstein zum Vorschein gekommen sind.
Feuchtgebietssiedlungen sind im westlichen Teils des Wattenmeers ab 5500 vor unserer Zeit
nachgewiesen. Deren Bewohner betrieben Fisch- und Wasservogelfang in Verbindung mit
Landwirtschaft. Vor etwa 3350 Jahren siedelte sich eine relativ große Zahl von Neuankömmlingen in
einem ehemaligen Salzwiesenästuar auf der Halbinsel Noord-Holland und später an den Ufern von
Weser, Elbe und Ems an. Die Siedlungen wurden wieder aufgegeben, nachdem das Agrarland wegen
sich ausbreitender Moore und wiederholter Meereseinbrüche versumpfte. Die Siedler auf den
seeseitigen Salzwiesen waren ein transhumantes5 Hirtenvolk, die ihr Vieh im Winter auf
höhergelegene Flächen trieben. Zunächst wurden Salzwiesensiedlungen ebenerdig errichtet, später
begannen die Bewohner jedoch, ihre Gehöfte höher anzulegen, um sie außer Reichweite von
Sturmfluten zu halten. Hierzu wurden aus Rasensoden und Dung Gemeinschaftswohnhügel (Terpen,
5
Transhumanz ist eine alte Form der Weidewirtschaft, bei der die Herde von Hirten, auf einer Wochen oder Monate
andauernden Wanderung zu mindestens zwei, jahreszeitlich wechselnden Weidegebieten getrieben wird. Die Transhumanz
reicht mindestens bis in die Ur- und Frühgeschichte zurück; sie ist jedoch seit Ende des 19. Jahrhundert stark rückläufig und
aus manchen Landschaften verschwunden.
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Wierden, Wurten oder Warften) errichtet, womit die sichere Bewohnbarkeit einer ansonsten
amphibischen Marsch möglich war.
Ab dem 9. bis 10. Jh. setzte eine tiefgreifende Umgestaltung der Küstenlandschaft ein. Die Sümpfe
und Moore wurden systematisch trockengelegt und in Kulturland umgewandelt. Die Salzwiesen
begann man mit Erddeichen zu schützen, mit denen die Fluten abgehalten wurden und eine
Süßwasserversorgung aus dem Grundwasser sichergestellt war. Bis zum 13. Jh. waren die Marschen
größtenteils von ein bis zwei Meter hohen Deichen umgeben. Zur Ableitung sich ansammelnden
Regenwassers wurden Sperrschleusen genutzt. Die Bevölkerung nahm zu und erreichte einen bisher
unbekannten Wohlstand. Die Nachfrage nach Fleisch, Getreide und Milchprodukten verhalf der
Landwirtschaft und dem Handel zu einem ungeahnten Aufschwung.
Die Deiche waren jedoch schwach und wurden von schweren Sturmfluten ohne Weiteres überspült.
Zudem hatte die Entwässerung von Sümpfen und Mooren unvorhersehbare Rückwirkungen, da sich
hieraus Humuserosionen und Geländeabsenkungen ergaben. Des Weiteren konnten sich die
eingedeichten Marschen wegen ausbleibender regelmäßiger Ablagerungen fruchtbaren Lehms bei
Überflutungen nicht mehr erhöhen. Im stehenden Brackwasser konnten sich darüber hinaus Mücken
massenhaft vermehren. Daher wurde Malaria so endemisch, dass dies zu verbreiteten
Gesundheitsproblemen führte. Auch stellte die Salzgewinnung einen bedeutenden Wirtschaftszweig
dar. Um Salz zu gewinnen, wurden von den Gezeiten beeinflusste Torfbänke abgegraben, der Torf
wurde getrocknet und anschließend verbrannt. Der Asche entzog man daraufhin das Salz. Damit hatte
man bereits zu den Zeiten der Römer begonnen, weshalb am Ende des Mittelalters die meisten
Gezeitenmoore verschwunden waren. Dadurch wurde die durch den ansteigenden Meeresspiegel
verursachte Erosion noch verstärkt. Offenbar haben die Aktivitäten des Menschen zur Entwicklung
tiefer Einbuchtungen wie Zuiderzee, Dollart und Jadebusen und zum Vordringen des Meeres in
Nordfriesland beigetragen. In katastrophalen Fluten kamen Tausende von Menschen und deren Vieh
um. In den späteren Jahrzehnten und Jahrhunderten konnte nur ein Teil des überfluteten Lands
zurückgewonnen werden.
Mit Beginn der Neuzeit (1500 n. Chr.) wurden die Deiche so wiederaufgebaut, dass sie auch
schwersten Sturmfluten standhielten. Als die Flutgefahr zurückging, wurde eine wachsende Zahl von
Gehöften statt auf Hügeln nunmehr ebenerdig errichtet. Durch eine ausgedehnte Entwässerung wurde
eine ausreichende Absenkung des Wasserspiegels sichergestellt, um den Ackerbau zu intensivieren.
Der Seehandel nahm ebenfalls zu, wobei insbesondere Inselbewohner im Schiffstransport, Handel
und Walfang aktiv waren.
Etwa ab 1900 kam es im Deichbau sowie in der Wasserbewirtschaftung, Landwirtschaft und Fischerei
in großem Maßstab zum Einsatz von Maschinen. Die Landschaft wurde mehr und mehr nach dem
Bedarf des Menschen umgestaltet. Vielfach wurden die verbleibenden Buchten eingedeicht, Ästuare
kanalisiert und Flüsse mit Dämmen versehen. Auf den Inseln entwickelte sich der Fremdenverkehr
zum Hauptwirtschaftszweig und ließ eine weitverzweigte Infrastruktur entstehen. Im letzten Drittel des
20. Jahrhunderts war man jedoch an einem Wendepunkt angelangt. Der Gedanke, dass eine
Küstenlandschaft einen Wert an sich darstellt, konnte ab da an Boden gewinnen. Daher wurden Arten-
und Biotopschutzprogramme sowie Renaturierungsmaßnahmen in großem Maßstab eingeleitet.
Seit Jahrhunderten bilden die tiefen Seegatten im Wattenmeer die Hauptschifffahrtswege von den
Häfen der Zuiderzee ins offene Meer. Von diesen Häfen wurde Amsterdam am wichtigsten und
entwickelte sich zu einem zentralen Rohstoffmarkt in Europa. Im 16. Jh. erfolgte der Handel
hauptsächlich in Richtung Ostseeraum, wobei der Schwerpunkt auf dem Getreidehandel lag. Doch ab
dem 17. Jh. gewann der mit Ostindien und den westindischen Inseln getriebene Handel mit wertvollen
Gütern wie Tee, Kaffee und Tabak rasch an Bedeutung. Zu diesem Zweck wurde 1602 die
niederländische Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC) gegründet. Die für den Fernhandel
verwendeten großen Handelsschiffe waren jedoch nicht in der Lage, die flachen Gewässer der
Zuiderzee zu passieren, um in den Hafen von Amsterdam zu gelangen. Daher wurden diese Schiffe
an den Anlegebrücken von Texel im westlichen Wattenmeer entladen. Vor Nordwestwinden durch die
Insel Texel geschützt, war dies ein relativ ruhiges Gebiet. Relativ, denn im Laufe der Jahrhunderte
sind Tausende derartiger Schiffe im Sturm gesunken. Ein berüchtigtes Beispiel ist der Sturm von
Heiligabend 1593, als über 40 Schiffe in einer einzigen Nacht gesunken sein sollen. Bis jetzt hat man
rund 80 Schiffswracks mit archäologischer Bedeutung in diesem Gebiet lokalisiert.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 64
Das Wattenmeer ist ein hochdynamisches Gebiet mit Gezeitenbewegungen. In den pleistozänen
Untergrund haben sich tiefe Rinnen gegraben, die ihre Lage ständig verändern. Fortlaufend werden
Sedimente abgetragen und an anderen Stellen wieder angelagert. In diesen Rinnen gesunkene
Schiffe haben vorhandene Strömungen abgelenkt und demnach auch den Lauf dieser Rinnen.
Innerhalb kurzer Zeit wurden diese Schiffe von einer Sedimentschicht bedeckt und geschützt, weshalb
diese Wracks und ihr (organischer) Inhalt extrem gut erhalten sind. Dieses archäologische Erbe des
Meeres ist auf nationaler Ebene von großer Bedeutung. Diese Schiffswracks spiegeln eine Periode in
der Nationalgeschichte wider, in der sich die Niederlande zu einer bedeutenden Seefahrernation
entwickelten. Die Bedeutung dieses Erbes geht jedoch über einen nationalen Aspekt weit hinaus. Die
Schiffswracks, die aus vielen verschiedenen Ländern stammen, stellen auch ein physisches Zeugnis
für die Erkundungsreisen über das Meer und für den Seehandel des 16. bis 18. Jahrhunderts dar,
wobei weit voneinander entfernte Teile der Welt in Kontakt gebracht wurden, manchmal zum ersten
Mal. Die Anzahl der Wracks und die äußerst günstigen Erhaltungsbedingungen machen das westliche
Wattenmeer daher zu einer der reichsten archäologischen Quellen unseres gemeinsamen maritimen
Erbes. Aus diesem Grunde wird das westliche Wattenmeer auf der vorläufigen Liste der Niederlande
(auch) als Kulturerbe geführt (26.09.1995). Die Schiffswracks sind in die vorliegende Anmeldung des
Wattenmeers jedoch nicht einbezogen. Der Grund hierfür ist, dass derzeit keine vollständige
archäologische Charakterisierung aller betroffenen Schiffswracks vorliegt. Darüber hinaus ist nur
wenig zur Anzahl, Lage und Charakterisierung möglicher Schiffswracks im deutschen Teil des
Wattenmeers bekannt. Somit bleibt für eine vollständige Bestandsaufnahme des Unterwasser-
Kulturerbes von universellem Wert für das Wattenmeer noch viel zu tun.
Da sich die Rinnen auch künftig verlagern werden, wiederholt sich der Prozess von Sedimentation und
Erosion. Diese Situation kann dazu führen, dass bedeckte Wracks wieder freigelegt oder dass ein
neues Wrack und gelegentlich mehrere Wracks gleichzeitig entdeckt werden. Der Verlust des
schützenden Sediments kann die langfristige Erhaltung dieser Schiffswracks durch Erosion, durch den
Schiffsbohrwurm (Teredo navalis) oder durch menschliche Einwirkungen wie Plünderung führen.
Daher werden die Wracklfunde und die Abläufe von Sedimentation/Erosion innerhalb des Gebiets
regelmäßig überwacht. In den letzten beiden Jahrzehnten wurden zudem Techniken zum physischen
Schutz dieser Wracks durch Bedeckung mit feinmaschigen Netzen entwickelt, die den Sand binden
und zu künstlichen Hügeln oder Riffen führen.
Die Schiffswracks und deren Umgebung sind durch das Gesetz über Baudenkmäler und
archäologische Stätten von 1988, das Naturschutzgesetz von 1998 und den PKB geschützt. Das
Malta-Übereinkommen wurde von den Niederlanden 1998 ratifiziert und im Gesetz über
Baudenkmäler und archäologische Stätten von 1988 umgesetzt. Gemäß PKB ist die Beobachtung der
Schiffswracks sowie die Untersuchung und Hebung von Schiffswracks, die das Schutzsediment als
Folge natürlicher physikalischer Prozesse verlieren, unter bestimmten Voraussetzungen gestattet.
Durch derartige Aktivitäten dürfen die Naturwerte und natürlichen Merkmale nicht beeinträchtigt
werden. Durch Einwirkung des Menschen im Wattenmeer dürfen die auf dem Grund des Wattenmeers
vorhandenen archäologischen Werte nicht geschädigt werden.
Bei einem Flug über das Wattenmeergebiet in Nordfriesland bei Ebbe werden Spuren früherer
Anbauflächen, Weiden und Ansiedlungen auf den erodierten Abbrüchen der Priele im Schlickwatt oder
in Gebieten, in denen der Schlick durch die Wasserströmung weggespült wurde, sichtbar. Am
häufigsten sind die Reste von Gräben zu sehen, die zur Entwässerung und Bodenverbesserung
gezogen wurden. Ebenfalls zu finden sind jedoch auch die Überreste von Straßen und Deichen, Warft-
Sockeln, Brunnen und Zisternen, die aus getrockneten Torf- oder Lehmziegeln errichtet wurden,
verschiedenen Zwecken dienende Gruben und Umfriedungen sowie Flächen, auf denen Torf als
Brennstoff und zur Salzgewinnung abgebaut wurde.
Sucht man diese Bauwerke im Watt auf, die regional als „Kulturspuren“ bekannt sind, so lassen sie
sich anhand archäologischer Funde teilweise zeitlich zuordnen. Auf diese Weise ist es möglich, den
Verlauf der Flächenerschließung und Besiedlung in früheren Zeiten zu rekonstruieren und die
allgemeinen Umrisse der räumlichen und zeitlichen Entwicklung der Kultivierung des Landes
erkennbar zu machen. Dabei konnte die archäologische und geographische Forschung zum
komplizierten Wechselspiel zwischen der Veränderung der Umwelt durch den Menschen, einem
steigenden Meeresspiegel und der zunehmenden Häufigkeit und Gewalt von Sturmfluten wichtige
Erkenntnisse gewinnen. Gleichzeitig konnte durch interdisziplinäre Kooperation nachgewiesen
werden, dass die morphologische Entwicklung dieser Küstenlandschaft ohne Kenntnis der
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Zusammensetzung des geologischen Untergrunds und insbesondere der Konsistenz und Stärke der
Holozän-Sedimente nicht in vollem Umfang verständlich ist.
Durch den vorhandenen Schutz und das heutige Management des angemeldeten Gebietes wird
sichergestellt, dass diese kennzeichnenden Merkmale im Rahmen der Anmeldung ebenfalls geschützt
und auch künftig einen untrennbaren Bestandteil des Erbes darstellen werden.
Als traditionelle Nutzungen geringeren Umfangs sind in kleinem Maßstab durchgeführte Tätigkeiten zu
nennen, die im Wesentlichen durch die örtliche Bevölkerung nach regionalen Sitten und Traditionen
ausgeübt werden. Sie sind Bestandteil des lokalen Erbes und vermitteln den Inselbewohnern ein
Gefühl von Zusammengehörigkeit und auch von Freiheit. Diese Gefühle werden als sehr tief
empfunden und spielen daher bei der Formung der Identität der Inselbewohner eine bedeutende
Rolle. Durch diese Nutzungen wird die Einbeziehung örtlicher Gemeinschaften verbessert. Zulässig
sind diese Tätigkeiten nur, wenn dadurch die Natur nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Für die
Überwachung dieser Nutzungen sind die örtlichen Behörden zuständig. Beispiele sind der
Garnelenfang zum Eigenverbrauch (Schiebehamen), das Ausgraben von Watt- und Seeringelwürmern
mit der Hand, das manuelle Muschelsammeln zum Eigenverbrauch sowie Spaziergänge in der Natur.
Das komplexe und dynamische Mosaik aus überragenden Naturerscheinungen, das durch die
geomorphologischen Merkmale und biologisch reichen und vielgestaltigen Lebensräume geformt wird,
die das Ökosystem Wattenmeer bilden, stellt eine der dramatischsten und schönsten Verflechtungen
zwischen Landschaft und Meerespanorama weltweit dar. Hautnah erfahren werden kann dies bei
einer Wanderung auf dem Meeresboden bei Ebbe und bei einer Durchquerung dieser unermesslichen
Weite aus miteinander verzahntem Land und Meer vom Festland zu einer der zahlreichen
Barriereinseln. Unterwegs kommt man durch alle Lebensräume, die für dieses System charakteristisch
sind, durch die Salzwiesen mit ihrem komplexen System von Wasserläufen, das küstennahe
Schlickwatt, Sandbänke und tiefe Priele, die durch ständig ein- und ausströmendes Wasser
gekennzeichnet sind. Zu Fuß die Meereswelt zu erleben, die noch wenige Stunden zuvor von
Wassermassen mit einer Mächtigkeit von mehreren Metern bedeckt war, umgeben von einem
endlosen Himmel, der am Horizont mit dem Meer verschmilzt, hinterlässt bei den meisten Besuchern
des Wattenmeers einen tiefen Eindruck.
Schon in der Antike wurden menschliche Beobachter von der Unermesslichkeit des Wattenmeers und
dem dynamischen Übergang zwischen Meer und Land nachhaltig beeindruckt. Das früheste und
bekannteste Zeugnis hiervon ist in der „Historia Naturalis“ von Plinius d. Älteren (23–79 n. Chr.)
festgehalten. Besonders erstaunt war Plinius über die „Undeutlichkeit“ der Küstenformation, von der
man nicht sagen könne, „ob diese Region Teil des Festlandes oder Teil des Meeres“ sei. Daher ist
wenig überraschend, dass Plinius die enge Bindung der Menschen dieser Region zu dieser
dynamischen natürlichen Umwelt für gänzlich unverständlich hielt.
Mit einer grundlegend neuen Deutung der sichtbaren Welt im 17. und 18. Jahrhundert wurde die
„Ästhetik des Sublimen” eingeführt, die es ermöglichte, den Elementen von Küstenlandschaften eine
besondere ästhetische Qualität zuzuschreiben. Infolgedessen wurde aus dem Reiz für die
menschlichen Sinne, den die natürlichen Merkmale des Wattenmeers boten, eine neue Wahrnehmung
von „Vergnügen“ abgeleitet.
Der vollständig offene Horizont mit dem scheinbar grenzenlosen Himmel darüber und der unscharfe
Übergang zwischen Watt und Meer schaffen eine Erfahrung von Weite und einen intensiven Reiz für
die Sinne in einem Ausmaß, das von keiner anderen vergleichbaren Küstenformation erreicht wird.
Dies lässt zwischen den hohen ästhetischen Qualitäten der natürlichen Ensembles und den
ungewöhnlichen ökologischen Merkmalen des Gebiets eine einzigartige Beziehung entstehen. Die
außergewöhnliche ästhetische Bedeutung der Wattenmeerregion zeigt sich durch eine spezielle Art
von Spannung, die mit einer derartigen Intensität nur an diesem Ort erfahren werden kann: die
Spannung zwischen – einerseits – dem überwältigenden Naturphänomen einer Küstenlinie, die eine
besonders kraftvolle Erfahrung des Sublimen bietet, und der charakteristischen Schärfung der
Fähigkeit zu Sinneserfahrungen durch auf den ersten Blick scheinbar wenig einnehmende
Naturphänomene andererseits.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 66
Ein inhärentes Merkmal des Systems ist die fortlaufende Veränderung der Watten, Rinnen und Priele
vom größten bis zum kleinsten Maßstab. Deren morphologische Variationen werden in der
ästhetischen Wahrnehmung verstärkt durch den unendlichen Rhythmus der Gezeiten. Nirgendwo
sonst kann das dynamische Wechselspiel zwischen Meer und Land in einem derartigen Maßstab und
Formenreichtum erfahren werden. Nirgendwo sonst gibt es eine derartige Vielfalt natürlicher Merkmale
in einem Küstengebiet: die gewaltige Ausdehnung des Gebiets; Barriereinseln mit starken
Unterschieden zwischen ihrer Land- und ihrer Seeseite; eine Tidezone mit enormer Differenzierung,
die sich ununterbrochen über viele hundert Kilometer mit einem hochgradig dynamischen System von
sich ständig verändernden Rinnen und Prielen erstreckt; Ästuare und Zuflüsse, die in das Gebiet
entwässern; große Salzwiesenflächen entlang der Küste mit Inseln und Halligen. Diese natürlichen
Merkmale beherrschen die Landschaft und das Meerespanorama und werden durch den ständigen,
schon über tausend Jahre währenden Kampf des Menschen mit dem Gebiet noch verschärft. Es ist
diese Komplexität der in einem austarierten Ökosystem ausgeklügelt miteinander verwobenen
Habitate und Biotope, die den Beobachter mit ihrer unübertroffenen Raffinesse fesselt.
Die heitere Schönheit und Friedlichkeit der Landschaft und des Meerespanoramas verändern sich
infolge der jahreszeitlich variierenden Witterungsbedingungen und des Rhythmus der Gezeiten
ständig. Heraufziehendende schwere Winterstürme können die friedlichen Wasser in eine wilde und
furchterregende Szenerie von wilder Schönheit verwandeln, die großen Respekt vor den
Naturgewalten einflößt. Es ist diese intensive Spannung zwischen der menschlichen Wahrnehmung
der Größe und Schönheit natürlicher Systeme und deren Fähigkeit, Ehrfurcht zu gebieten, die eine
außergewöhnliche Attraktivität bewirkt. Allein durch die schiere Ausdehnung und Vielgestaltigkeit der
Landschafts- und Meeresbilder, in denen die Zeichen menschlichen Wirkens eine wichtige Rolle
spielen, wird der ästhetische Wert des Wattenmeers gesteigert. Dies war auch Anregung zu solch
bekannten Werken wie Der Schimmelreiter von Theodor Storm und Das Rätsel der Sandbank von
Erskine Childers wie auch zu den weltbekannten expressionistischen Bildern von Emil Nolde. Treffend
erfassen Childers und Nolde die ganze Schönheit der „Sände“, der ausgedehnten Watten und des
Schweigens sowie der Ehrfurcht vor dem Sturm.
Große Landsäuger (z.B. Auerochsen, Elche, Bären) und Vögel (Pelikane, Flamingos) wurden schon in
den frühesten Zeiten der Besiedlung des Wattenmeers und anderswo in Europa gejagt und sind
schließlich verschwunden. Man nimmt an, dass der im Mittelalter und in der Neuzeit festzustellende
allgemeine Rückgang von Wasservögeln (z.B. von Reihern, Kranichen, Löfflern, Kormoranen, Enten
und Gänsen) sowie Meeressäugern (z.B. von Kegelrobben, Großwalen) auf deren Bejagung
zurückzuführen ist. Ebenso nahmen die Bestände von großen diadromen Fischen (z.B. Stör, Lachs),
Grundfischen (z.B. Schellfisch, Kabeljau, Rochen) und Austern infolge intensiver Fischerei ab. Dieser
Trend erreichte im 19. und 20. Jahrhundert seinen Höhepunkt. Wesentliche Faktoren der
Bestandsrückgänge waren dabei die Kommerzialisierung und Intensivierung der wirtschaftlichen
Nutzung innerhalb und außerhalb des Wattenmeergebiets. Mit den im 20. Jahrhundert einsetzenden
Schutzprogrammen für Vögel und Robben, die zu einem erstaunlichen Zuwachs der Bestände geführt
haben, wurde dies offenkundig.
Für Arten, die auf Feuchtgebiete bzw. Fluss- oder Ästuarbiotope angewiesen sind, haben der Verlust,
die Zerstörung und die Beeinträchtigung ihrer Lebensräume für ihren Rückgang ebenfalls eine
wesentliche Rolle gespielt. Am Ende des 20. Jahrhunderts waren auf der trilateralen Roten Liste
bedrohter Arten für das Wattenmeergebiet 144 Arten (~20% der Makrobiota insgesamt) verzeichnet.
Davon waren 21 Arten im 20. Jahrhundert und weitere vier Arten in früheren Jahrhunderten
ausgerottet worden. Als wichtigster Faktor galt dabei der Lebensraumverlust, insbesondere beim
Verschwinden von Wirbellosen und Pflanzen. An zweiter Stelle steht die wirtschaftliche Nutzung, die
sich zumeist auf Wirbeltiere ausgewirkt hat.
Die Dünengebiete auf den Barriereinseln wurden durch Stabilisierungsmaßnahmen im Rahmen des
Küstenschutzes sowie durch Eutrophierung beeinträchtigt. Feuchte Dünentäler litten teilweise unter
Grundwasserentnahme. Am meisten ins Gewicht fallen jedoch die Beweidung durch Nutzvieh, die
Anpflanzung von Kiefern und die Ausbreitung gebietsfremder, eingeführter Arten. Besonders
hervorzuheben sind dabei Pinus spp. und Rosa rugosa in Grau- und Weißdünen. In einigen
Dünentälern herrscht mittlerweile die aus Amerika stammende Großfrüchtige Moosbeere Oxycoccus
macrocarpus vor. In Trockendünen mit spärlicher Vegetation gewinnt ein auf der Südhemisphäre
heimisches Moos (Campylopus introflexus) zunehmend die Oberhand. Die Moosbeere und das Moos
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scheinen der einheimischen Vegetation im Konkurrenzkampf überlegen zu sein, wohingegen der aus
Asien stammenden Rose und verschiedenen gebietsfremden Sträuchern und Bäumen die
anthropogenen Veränderungen der Dünenumwelt zugute kommen. Die Einführung von Kaninchen
wirkt sich ebenfalls auf die Dünenvegetation aus, wie auch deren in letzter Zeit zu beobachtender
Bestandsrückgang. Durch entsprechende Management-Maßnahmen wird versucht, diese
Entwicklungstrends teilweise umzukehren und die frühere Dynamik wiederherzustellen.
In den 30er Jahren wurde Seegras von einer Epidemie heimgesucht, von der sich die sublitoralen
Wiesen nie wieder ganz erholt haben. Bis heute haben sich 52 aquatische Pflanzen und Wirbellose,
die mit Schifffahrt und Aquakultur eingeschleppt wurden, im Wattenmeergebiet festgesetzt. Bis jetzt ist
es hierdurch noch nicht zum Verschwinden einheimischer Arten gekommen. Allerdings werden
insbesondere durch das in der 20er Jahren im Wattenmeergebiet angepflanzte Schlickgras Spartina
anglica und die in den 80er Jahren eingeführte Pazifikauster Crassostrea gigas einheimische Arten
durchaus verdrängt und neuartige Biotopstrukturen im Wattenmeer geschaffen. Andere exotische
Arten sind ebenfalls überaus häufig geworden, z.T. nur zeitweise und in anderen Fällen bedingt durch
den Klimawandel, d.h. durch seit 1996 zu beobachtende wärmere Sommer und mildere Winter.
Offenbar besetzt jede davon einen Freiraum, der ihrer Lebensweise entgegenkommt, u.a. der
Japanische Beerentang Sargassum muticum, ein Borstenwurm (Marenzelleria viridis), die aus
Amerika stammende Schwertmuschel Ensis americanus, die Amerikanische Pantoffelschnecke
Crepidula fornicata und die Australische Seepocke Elminius modestus. Im Gegensatz zu ozeanischen
Inseln, isolierten Hochgebirgen und Seen werden Küstenlebensräume an Kontinentalrändern wie das
Wattenmeer von Biota belebt, die sich seit langem gegen Einwanderer behaupten müssen und somit
durch eingeführte Arten weniger stark beeinträchtigt werden dürften.
Die Gesamtwirkung ökologischen Langzeitwandels auf die Struktur und die Funktionsabläufe des
Ökosystems haben zu einer Vereinfachung und Vereinheitlichung geführt. Durch Schutzmaßnahmen
wurden negative Trends umgekehrt, womit sich manche Vogel- und Säugetierbestände erholen
konnten. Zahlreiche Salzwiesen wurden von intensiver Beweidung durch Nutzvieh entlastet, wobei
Entwässerungsgräben auf ein Maß beschränkt wurden, das für den Schutz, die Überflutungssicherung
und die Instandhaltung von Deichen notwendig ist. Dadurch wurde eine wesentliche Diversifizierung
der Vegetation erreicht. Trotzdem ist die gegenwärtige Ausdehnung von Salzwiesen nur ein Bruchteil
dessen, was in der Vergangenheit anzutreffen war. Viele Dünen und Küstenlinien wurden ebenfalls
tiefgreifend verändert, und die Einwanderung exotischer Arten ist unumkehrbar.
Seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts wurden in praktisch allen Teilen des Wattenmeeres
insbesondere zum Schutz von Brutvögeln kleinere Naturschutzgebiete eingerichtet. Auch wenn
durchaus allgemein bekannt war, wie wichtig das Wattenmeer für Vögel ist, begannen Wissenschaftler
aus den drei Wattenmeer-Ländern erst nach dem Zweiten Weltkrieg damit, den Rang des
Wattenmeers als Ökosystem von weltweiter Bedeutung zu dokumentieren. In den 60er und 70er
Jahren wirkten sich Großprojekte und Erschließungsmaßnahmen – z.B. in großem Maßstab
durchgeführte Eindeichungen oder der Ausbau von Hafen- und Industrieanlagen – wie auch eine
erhebliche Zunahme des Fernverkehrs sowie der Umweltverschmutzung auf das Ökosystem des
Wattenmeers wesentlich aus. Wissenschaftler und nichtstaatliche Organisationen wie der WWF, die
deutsche „Schutzstation Wattenmeer“ und die 1965 aus Protest gegen ein holländisches Dammprojekt
gegründete niederländische „Waddenvereniging“ betrieben mit Nachdruck einen umfassenden Schutz
des gesamten Ökosystems, der den negativen internen und externen Einwirkungen auf das
Wattenmeer effektiv entgegenwirken konnte, da sich die kleinflächigen Naturschutzgebiete als
räumlich zu begrenzt und als unzureichende Instrumente für den Schutz eines gesamten Ökosystems
erwiesen hatten, wie es hieß.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 68
Die Wattenmeerweite Umweltbewegung war die treibende Kraft für die Erstellung umfassender
Schutzpläne durch die zuständigen Behörden in den jeweiligen Ländern sowie beim Aufbau einer
trilateralen Wattenmeer-Kooperation zum Schutz des Wattenmeers als ökologische Einheit. Begonnen
hat alles in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, in denen erhebliche Teile des
Wattenmeers als Naturschutzgebiete ausgewiesen wurden. Um 1980 wurden in allen drei Ländern
umfangreicheren Schutzmaßnahmen eingeführt, die zu einem umfassenden Schutz des Wattenmeers
führten. Für dessen niederländischen Teil wurde 1980 eine Planungsverordnung erlassen, worin die
Schutzziele dargestellt und menschliche Eingriffe geregelt wurden. 1985/86 wiesen auf deutscher
Seite die beiden Bundesländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen die auf ihrem Gebiet
gelegenen Teile des Wattenmeers als Nationalparks aus, dem sich Hamburg 1990 anschloss. Diese
Schutzvorschriften wurden seither geändert und ausgeweitet, die Hauptmerkmale der vor einer
Generation eingeführten Schutzziele blieben jedoch unverändert.
Das Wattenmeer unterliegt des Weiteren einer Vielzahl internationaler Schutzregelungen. So wurden
die meisten Teile des Wattenmeergebiets im Rahmen der EU-Vogelschutzrichtlinie als besondere
Schutzgebiete und nach der EU-Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Richtlinie als natürliche Lebensräume
ausgewiesen, die somit für das Wattenmeer das Natura-2000-Gebiet bilden. Des Weiteren wurde das
Gebiet größtenteils als Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung nach dem Ramsar-
Übereinkommen und von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) als besonders
empfindliches Meeresgebiet („Particularly Sensitive Sea Area“) eingestuft.
Parallel hierzu begannen die drei Regierungen mit einer Kooperation, mit der ein koordinierter Schutz
des Wattenmeers bezweckt wird. Die erste dänisch-deutsch-niederländische Trilaterale
Regierungskonferenz zum Schutz des Wattenmeers fand 1978 in Den Haag (NL) statt. Die 10.
Ministerkonferenz wurde am 3. November 2005 auf der niederländischen Insel Schiermonnikoog
durchgeführt.
Die förmliche Grundlage der Kooperation ist die 1982 in Kopenhagen anlässlich der Dritten
Wattenmeerkonferenz unterzeichnete „Gemeinsame Erklärung über den Schutz des Wattenmeeres“.
Die Gemeinsame Erklärung stellt eine Absichtserklärung der drei Wattenmeer-Länder dar, sich zur
Abstimmung ihrer Initiativen und Maßnahmen zu beraten, um eine Reihe von Rechtsakten in Bezug
auf den umfassenden Schutz der Wattenmeerregion als Ganzes und deren Fauna und Flora
umzusetzen. 1987 wurde das Gemeinsame Wattenmeersekretariat gegründet, um die Kooperation zu
erleichtern und zu unterstützen.
Besonders hervorzuheben ist, dass es sich bei der Trilateralen Kooperation um eine politische
Zusammenarbeit handelt, mit der für einen umfassenden Schutz des Wattenmeers eine koordinierte
Umsetzung einschlägiger internationaler Rechtsakte im Bereich des Natur- und Umweltschutzes
bezweckt wird, z.B. die Richtlinien und Strategiepapiere der Europäischen Union, das Ramsar-
Übereinkommen und das Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten
(Bonner Übereinkommen). Zentrales Entscheidungsgremium der Kooperation sind die
Ministerkonferenzen, die in der Regel alle drei bis vier Jahre durchgeführt werden.
Seit 1997 sind die Regelungen der Wattenmeer-Kooperation in den Rahmen des Trilateralen
Wattenmeerplans eingebettet, der sich auf die zwischen den drei Ländern vereinbarten Grundsätze,
Maßnahmen, Projekte und Initiativen erstreckt. Der Plan legt dar, wie sich die drei Länder die künftige
Koordinierung und Integration des Managements des Wattenmeergebiets sowie die Projekte und
Maßnahmen, die zur Verwirklichung der gemeinsamen Ziele realisiert werden müssen, im Einzelnen
vorstellen.
Ausblick
Die Wirtschaft des Wattenmeergebiets dürfte sich weiter von der Landwirtschaft und Fischerei zum
Fremdenverkehr und möglicherweise zu alternativen Energien wie Wind-, Wasser- und Solarenergie
sowie Biomasse verlagern. Bei der Umweltverschmutzung und Eutrophierung ist infolge der
europäischen Politik mit einer starken Abnahme zu rechnen. Die Eindämmung der
globalisierungsbedingten Flut unabsichtlich eingeschleppter Arten dürfte sich dagegen als schwierig
erweisen.
Wie alle übrigen Küstenfeuchtgebiete der Welt wird auch das Wattenmeer von der globalen
Erwärmung mit einem langsamen, jedoch unvermeidlichen Meersspiegelanstieg zunehmend
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 69
betroffensein. Aus südlichen Regionen werden neue Arten einwandern, manche ansässigen Arten
werden sich nach Norden zurückziehen, und an wärmere Verhältnisse angepasste eingeführte Arten
werden sich weiter ausbreiten. Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass das Ökosystem
Wattenmeer seine einzigartige Zusammensetzung und Funktionsweise größtenteils beibehalten wird,
da Küstenarten an starke Temperaturschwankungen angepasst sind. Eine schwerwiegendere
Bedrohung ist die langfristige Aussicht auf einen Meeresspiegelanstieg in einer Größenordnung von
ein bis zwei Metern.
Das komplexe und dynamische Mosaik aus Naturerscheinungen, das durch die geomorphologischen
Merkmale und biologisch reichen und vielgestaltigen Lebensräume geformt wird, die das Ökosystem
Wattenmeer bilden, stellt eine der dramatischsten und schönsten Verflechtungen zwischen Landschaft
und Meerespanorama weltweit dar.
Das Wattenmeer stellt auf der Basis der nachstehenden Eintragungskriterien ein natürliches System
von außergewöhnlichem universellem Wert dar.
Das Wattenmeer hat sich erst in den letzten 8000 Jahren entwickelt und ist damit geomorphologisch
und evolutionär noch ein sehr junges Ökosystem. Es stellt ein überragendes Beispiel der holozänen
Entwicklung einer Sandbarriereküste in gemäßigtem Klima unter den Bedingungen eines steigenden
Meeresspiegels dar. Das Wattenmeer ist insofern einzigartig, als es ausschließlich aus einem Sand-
/Schlickwattsystem mit nur geringfügigen fluvialen Einflüssen auf die Morphodynamik besteht. Das
Ökosystem Wattenmeer ist als Watten- und Barriereinselsystem mit ausgedehnten Salzwiesen zu
charakterisieren. Das Wattenmeer unterscheidet sich von anderen derartigen Systemen darin, dass es
sich weltweit um das einzige Watten- und Barriereinsel-Ablagerungssystem dieser Größenordnung
und Vielfalt handelt. Auf der ganzen Welt gibt es kein System, das sich mit dem Wattenmeer
vergleichen lässt.
Ein inhärentes Merkmal des Systems ist die fortlaufende Veränderung der Watten, Rinnen und Priele
vom größten bis zum kleinsten Maßstab. Die Prielsysteme können als „statistisches selbstähnliches
Fraktal“ betrachtet werden, d.h. das Ganze hat dieselbe Form wie eines oder mehrere der Teilnetze,
wobei die Ähnlichkeit der Prielsysteme auf eine selbstorganisierende Natur hinweist. In kleinerem
Maßstab sind die Fraktalmuster auch in den Schlickablagerungen zu finden. Deren morphologische
Variationen werden in der ästhetischen Wahrnehmung verstärkt durch den unendlichen Rhythmus der
Gezeiten. Nirgendwo sonst kann das dynamische Wechselspiel zwischen Meer und Land in einem
derartigen Maßstab und Formenreichtum erfahren werden. Nirgendwo sonst gibt es eine derartige
Vielfalt natürlicher Merkmale in einem Küstengebiet: die gewaltige Ausdehnung des Gebiets;
Barriereinseln mit starken Unterschieden zwischen ihrer Land- und ihrer Seeseite; eine Tidezone mit
enormer Differenzierung, die sich ununterbrochen über viele hundert Kilometer mit einem hochgradig
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 70
dynamischen System von sich ständig verändernden Rinnen und Prielen erstreckt; Ästuare und
Zuflüsse, die in das Gebiet entwässern; große Salzwiesenflächen entlang der Küste mit Inseln und
Halligen. Diese natürlichen Merkmale beherrschen die Landschaft und das Meerespanorama und
werden durch den ständigen, schon über tausend Jahre währenden Kampf des Menschen mit dem
Gebiet noch verschärft. Es ist diese Komplexität der in einem austarierten Ökosystem ausgeklügelt
miteinander verwobenen Habitate und Biotope, die den Beobachter mit ihrer unübertroffenen
Raffinesse fesselt.
Das Wattenmeer enthält sehr gute Beispiele nacheiszeitlicher Küstengeomorphologie und der
dynamischen Wechselwirkung physikalischer und biologischer Prozesse in einem Ausmaß, wie es in
einem einheitlichen System anderswo auf der Erde nicht wieder zu beobachten ist. Trotz menschlicher
Eingriffe werden die Entwicklung und Verjüngung von Landschaftsformen unter Einschluss der
gesamten Bandbreite von Lebensräumen durch den ständigen Ablauf dieser dynamischen
Naturprozesse sichergestellt und die Funktionen des Ökosystems gewahrt. Das Ökosystem
Wattenmeer wird somit auch in Zukunft als bedeutendes biophysikalisches Referenzgebiet für die
Untersuchung der Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs dienen, wobei diese Funktion als
legitimer Bestandteil des Welterbekonzepts zu betrachten ist.
Auch wenn die morphologische Entwicklung des Ökosystems Wattenmeer von Tiden mit geringerem
mesotidalen bis makrotidalen Hub dominiert wird, spielen in dessen Morphologie auch
Windbelastungen und Wellen eine wesentliche Rolle. Die morphologische Abfolge des
Feuchtgebietssystems beginnt von der Seeseite mit Sandwatt, gefolgt von Mischwatt und schließlich
Schlickwatt entlang der Festlandsküste und in Meeresbuchten. Im Gegensatz zu anderen Teilen der
Welt mit ähnlichen Systemen sind die Watten hier nur gelegentlich von Seegraswiesen oder Spartina
bestanden, da die Mobilität von Sedimenten einen flächendeckenden Bewuchs mit aufrecht
wachsender Vegetation im Wattenmeer verhindert. Dies hat den einmaligen Charakter seiner
Meeresszenerie mit im Wesentlichen vegetationslosen Sandbänken, unterteilt durch ein kompliziertes
Muster von fraktalen Prielen, entstehen lassen. Dieses einzigartige Merkmal des Wattenmeers wird in
zahlreichen internationalen Lehrbüchern als Beispiel hervorgehoben, das die ausgedehnte
postglaziale Entwicklung von einem meso- zu einem makrotidalen Watt par excellence
veranschaulicht.
Zudem sind sedimentäre Merkmale vorhanden, z.B. mit natürlichen Öffnungen ausgestattete
Barriereküsten aus Dünen, unterbrochen durch kleine Überspülungsgebiete, die für Nordwesteuropa
einzigartig sind. Ein weiteres Beispiel ist die entlang der Küstenlinie der Barriereinseln zu findende
einzigartige sägezahnförmige und durch sumpfige Senken charakterisierte Topographie, die man für
das Ergebnis küstennaher wellen-/ strömungsbedingter Resonanzphänomene hält, welche tief
eingeschnittene Kanäle infolge starker Unterströmungen bilden.
In den Küstendünen, den Prielen, den Watten und den Salzwiesen lassen sich ausgezeichnete und
ein breites Spektrum umfassende Beispiele für biogeomorphologische Prozesse finden. Da das
Wattenmeer eine derartige Vielzahl an unterschiedlichen Inseltypen, geschützten und exponierten
Dünen und aufeinanderfolgenden geschützten und exponierten Salzwiesentypen und Grünstränden
aufweist, ist auch eine breite Palette an Vegetationstypen und Pflanzengemeinschaften vorhanden.
Die geologischen und geomorphologischen Prozesse, welche die Entwicklung von Landschaftsformen
vorantreiben, erneuern innerhalb der Lebensspanne des Menschen auch ständig die
geomorphologischen Merkmale von Landschaft und Meeresboden. Der überragende universelle Wert
des Wattenmeers wird durch die starke hydraulische und äolische Dynamik gewahrt, welche die
auffälligen morphologischen Veränderungen in unterschiedlichster räumlicher und zeitlicher
Ausdehnung gestaltet – von ganzen Gruppen von Seegatt-Systemen, die einander im Verlauf vieler
Jahrhunderte beeinflussen, bis hinunter zur Verlagerung einer Sandkräuselung in der Größenordnung
von Minuten. Diese morphodynamischen Anpassungen sind deswegen möglich, weil das
Wattenmeer-System auf menschliche Einflüsse noch in natürlicher Weise reagieren kann, wodurch es
sich weitgehend ungehindert entwickeln kann.
Das Wattenmeer hat das Interesse der Wissenschaft schon früh geweckt und ist eines der am
frühesten und am besten untersuchten Ablagerungssysteme. Als solches stellt es ein bedeutendes
internationales Referenzgebiet für Wattsystem-Untersuchungen dar, da langfristige
Ablagerungsprozesse zur Bildung einer Reihe von Sedimentschichten geführt haben, die sehr
detailliert Aufschluss über die Entwicklung des Wattenmeers und des regionalen Klimas geben.
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Dadurch konnte die Geowissenschaft umfassende Archive von dokumentären Nachweisen für
Gezeitenprozesse, Stratigraphie, Sedimentstrukturen und Sedimentverteilungsmuster anlegen.
Die biologischen Systeme und deren Wechselwirkungen mit geologischen und geomorphologischen
Prozessen im Wattenmeer werden ebenfalls seit ähnlich langer Zeit eingehend untersucht. Die
umfassenden Archive biogeophysikalischer Daten bilden eine historische Darstellung der Reaktion
des Systems Wattenmeer auf den Meeresspiegelanstieg. Diese Archive sind die Grundlage zahlloser
Publikationen, Karten, Zeichnungen und sonstiger Unterlagen von immensem Wert für die
Naturwissenschaften und die nachhaltige Nutzung des Ökosystems Wattenmeer und stellen eine
internationale Referenz für Vergleichsstudien mit anderen gezeitenabhängigen
Feuchtgebietsökosystemen und deren Reaktion auf globale Veränderungen dar.
Der einzigartige geomorpohologische Charakter des Wattenmeers ist zudem mit anderen Welterbe-
Themen wie „stratigraphischen Stätten“ direkt verknüpft. Die stratigraphischen Daten des
Wattenmeers gehören zum geologischen Gesamtbestand, der in den Archiven zahlreicher
Küstenforschungsinstitutionen angelegt wurde. Dieses einzigartige Material von unschätzbaren Wert,
das die Entstehungsgeschichte des Wattenmeers dokumentiert, ist ohne Parallele und bildet ein
wichtiges Archiv der Geschichte des Meeresspiegelanstiegs, Klimas und Ablagerungsmusters im
Holozän.
Das Wattenmeer unterliegt infolge des Klimawandels und einer Neigung der Erdoberfläche einem
Meeresspiegelanstieg. Einem Anstieg des Meeresspiegels in Relation zu den bisherigen
Verhältnissen konnte es stets auf natürliche Weise begegnen. Nach allgemeiner wissenschaftlicher
Auffassung wird es auch in absehbarer Zukunft einen höheren Meeresspiegel bewältigen können, weil
sich die morphodynamischen und biologischen Prozesse, mit denen die Gesundheit und Produktivität
des Ökosystems aufrechterhalten werden, ungehindert anpassen können. Es gibt weltweit nur sehr
wenige Gebiete, wo man Zeuge der dynamischen Anpassung biogeomorphologischer Prozesse
innerhalb einer Generation werden kann.
Das Wattenmeer ist ein einzigartiges Küstenökosystem mit enorm produktiven marinen Biota und mit
Verknüpfungen, die weit über seine engen geographischen Grenzen hinausreichen. Es ist eines der
letzten verbleibenden natürlichen großräumigen intertidalen Ökosysteme in Europa, in welchem
natürliche Prozesse auch heute noch ungestört ablaufen. In den Küstendünen, den Salzwiesen und
den Watten lassen sich ausgezeichnete und ein breites Spektrum umfassende Beispiele für
biogeomorphologische Prozesse auf Muschelbänken und Seegraswiesen finden. Diese
Übergangswelt zwischen Land und Meer ist durch die ständige Veränderung infolge von Ebbe und
Flut, starke Schwankungen der Salinität, hohe Temperaturen im Sommer und gelegentlicher
Eisbedeckung im Winter gekennzeichnet. Diese Verhältnisse haben zahlreiche ökologische Nischen
geschaffen, die von Arten besiedelt werden, welche an extreme Umweltbedingungen angepasst sind.
Das Wattenmeer stellt eine ökologische Übergangszone zwischen Festland und Ozean dar. Mit
seinen Ästuaren, Salzwiesen und insbesondere seiner breiten Gezeitenzone, die von tiefen Rinnen
durchzogen ist, wirkt das Wattenmeer als gigantisches Küstenfiltersystem. Dabei wird Süß- und
Meerwasser vermischt und mit den Gezeiten hin- und her gespült, wobei gewaltige Mengen an
Sedimenten, organischen Stoffen und Nährstoffen transportiert werden. Diese fluviale und marine
Stoffzufuhr bildet die Basis des trophischen Systems. Zugeführte organische Stoffe werden in den
Salzwiesen, Wattsedimenten und flachen Gewässern mineralisiert. Die Nährstofffreisetzung aus
dieser großräumigen Reinigungsanlage stellt gemeinsam mit den Nährstoffen aus dem Einzugsgebiet
und den Atlantikgewässern den Treibstoff für eine außergewöhnliche Primärproduktion dar. Wegen
der aktiven Biota verstopft dieser Filter niemals, sondern wird ständig erneuert.
Der Reichtum geomorphologischer und biogener Strukturen ist das Ergebnis natürlicher Prozesse wie
Gezeiten, Wind, Meeresströmungen, Wellen und eine Reihe von weiträumigen biologischen Abläufen.
Infolge des ungestörten Ablaufs dieser Prozesse werden Strukturen nicht nur bewahrt, sondern stellen
selbst auch Verjüngungszyklen dar, die neue Strukturen schaffen und alte Strukturen aufbrechen,
womit alle Sukzessionsphasen vertreten sind. Beispiele hierfür sind die Dünen und Salzwiesen, die in
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verschiedenen Sukzessionsphasen anzutreffen sind, sowie strukturierte Muschelbänke, die durch eine
Kombination von Wachstum und Nahrungsentzug aus dem umgebenden Wasser gebildet werden.
Aus physikalischer Sicht vereint das Wattenmeer zwei Extreme. Die Stabilität und die eher
gedämpften Schwankungen bei den physikalischen Eigenschaften ozeanischer Gewässer mit ihrer
hohen Wärmespeicherungskapazität stoßen im Wattenmeer auf die starken und raschen
physikalischen Fluktuationen der terrestrischen Umwelt. Die Mischung aus diesen beiden Regimes ist
bei einer Projektion auf die großen Flächen seichten Wassers und flachen Lands der Grund für den
einzigartigen ökologischen Charakter des Wattenmeers.
Wegen der geringen Wassertiefe in dem Gebiet und der allmählichen Übergänge zwischen Land und
Meer liegt eine starke Interaktion zwischen Biota und geomorphologischen Prozessen (d.h.
Biogeomorphologie) vor. Diese Gradienten und die Prozesse, die deren Ursache sind, üben einen
unmittelbaren Einfluss auf Gradienten in Korngröße des Sediments, auf den Nährstoffpegel, auf den
Pegel organischer Stoffe und auf die Feuchtigkeit aus. Pflanzen und Tiere sind auf spezielle
Umgebungsbedingungen abgestimmt und treten daher an bestimmten Orten in großer Zahl auf. Der
geomorphologische Einfluss auf Biota äußert sich am unmittelbarsten bei intertidalen Biotopen und
deren Flora und Fauna. Umgekehrt schafft, bewahrt oder transformiert der biologische Einfluss von
Biota auf geomorphologische Prozesse deren eigene geomorphologische Umgebung. Dies wird durch
den Einfluss der Vegetation auf die hydraulische Widerstandsfähigkeit, die Erodierbarkeit und die
Sedimentation bzw. durch den Einfluss der Fauna auf Sedimentcharakteristika durch Bioturbation und
Biostabilisierung belegt.
Das Wattenmeer stellt ein außergewöhnliches Beispiel dar, bei dem biogeomorphologische
Interaktionen in den seichten, produktiven Gewässern und verschiedenen sedimentären Umgebungen
klar demonstriert werden. Diesbezüglich von besonderer Bedeutung ist, dass das Wattenmeer eine
Fülle von Beispielen zu bieten hat, bei denen der zeitliche Maßstab für geomorphologische
Veränderungen mit dem zeitlichen Maßstab für biologische Veränderungen zusammenfällt. Dies führt
zu wechselseitig interagierenden Prozessen. Im Gegensatz zu anderen Gebieten der Erde werden
weder Landschaftsprozesse durch geologische Zeitmaßstäbe beherrscht noch werden
Landschaftsmerkmale von biologischen Prozessen bestimmt. Dies bedeutet, dass die sich ständig
verändernde Landschaft bei Organismen eine entsprechende Anpassungsfähigkeit voraussetzt und
dass gleichzeitig Organismen ihre Umwelt als „Ökosystem-Ingenieure“ beeinflussen. In den
Küstendünen, den Watten und den Salzwiesen lassen sich ausgezeichnete und ein breites Spektrum
umfassende Beispiele für diese biogeomorphologischen Prozesse und Interaktionen finden. Von
besonderem Interesse sind beispielsweise die intertidalen Muschelbänke. Diese bilden eine biogene
Struktur aus, welche die Morphologie der Watten erheblich beeinflusst; sie stabilisieren das Sediment,
wobei sie dessen Erosion verhindern und Schlick aktiv binden. Die zahlreichen makrobenthischen
Arten können die gegenteilige Wirkung haben. Deren ständige Sedimentumwälzung (Bioturbation)
macht den Meeresboden anfälliger für Erosion. Salzwiesen sind ein weiteres Beispiel, bei dem durch
Sedimentbindung das Niveau des Untergrunds erhöht wird, was zu Veränderungen bei der
Zusammensetzung der Vegetation und zu nachfolgenden Änderungen der Sedimentationsraten führt.
Das Wattenmeer enthält eine Vielzahl von Übergangszonen zwischen Land-, Meeres- und
Süßwasserumwelt, was die Grundlage für seine Artenvielfalt bildet. Bei diesen Organismen besteht
ein hohes Maß an ökologischer Spezialisierung. Auch auf den Watten sind die Mikrobiota überaus
vielfältig, wohingegen nur wenige Arten der Makroflora und Makrofauna an diese extreme Umwelt
angepasst sind. Von diesen sind allerdings außergewöhnlich hohe Zahlen und eine auffallend hohe
Biomasse anzutreffen. Die hohe Produktivität lässt sich bei Fischen, Muscheln und Vögeln besonders
gut darlegen.
Die Produktivität des Wattenmeers erreicht in Bezug auf die Biomasse mit die höchsten Werte der
Welt. Ein besonderes Merkmal des Wattenmeers besteht darin, dass die Primärproduktion von
mikroskopisch kleinen Algen bestimmt wird, welche die Sedimentoberfläche der Watten als
Mikrophytobenthos bedecken und als Mikrophytoplankton in den flachen Küstengewässern treiben.
Trotz des trüben Wassers sorgen die periodische Freilegung bei Ebbe und die geringe Wassertiefe für
ausreichend Licht zur Photosynthese. Die Bruttoprimärproduktion durch das Mikrophytobenthos
erreicht für Orte nördlich von 42o nördlicher Breite den weltweit höchsten Wert. Der Beitrag des
Mikrophytobenthos zur Primärproduktion liegt etwa so hoch wie die örtliche Primärproduktion durch
planktonische Algen.
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Allein schon dadurch, dass die photosynthetische Produktion größtenteils durch einzellige Algen
erfolgt, ist eine hochgradig effektive Nahrungsaufnahme sichergestellt. Diese Miniaturpflanzen werden
von wirbellosen Pflanzenfressern leichter aufgenommen als größere Pflanzen. Infolge dieser hohen
Produktion leicht konsumierbarer benthischer und planktonischer Nahrung liegt die Biomasse mariner
Wirbelloser im Watt durchschnittlich 20mal höher als bei benthischen Systemen im Offshore-Bereich
der Nordsee. Daher ist die Tidezone des Wattenmeers für Sekundärkonsumenten von außerhalb so
attraktiv und erklärt die dichten Schwärme von Garnelen und kleinen Fischen sowie die spektakulären
Vogelschwärme, die sich hier ansammeln.
Wie in jedem flachen Meer ist die benthisch-pelagische Kopplung besonders stark, wobei die
Primärproduktion und die Sekundärproduktion hohe Werte erreichen. Diese Produktion bildet das
Fundament für die komplexe Nahrungskette, die letztlich eine wichtige Brutstätte für Fische, einen
Lebensraum zur Nahrungssuche und Rast für Robben sowie einen Lebensraum zur Nahrungssuche
für Watvögel und andere Wasservögel zur Folge hat, die von internationaler Bedeutung sind. Das
Wattenmeer steht zudem mit der Nordsee in enger Verbindung. Es ist eines der wenigen flachen und
relativ geschützten Seegebiete in der nördlichen Hemisphäre mit hoher Fischproduktion. Eine
derartige Kombination eines großen, flachen und hochgradig produktiven Meeres mit einem System
wie dem Wattenmeer ist weltweit einmalig. Für aquatische Konsumenten dient das flache Wasser des
Wattenmeeres als riesige Brutstätte. Ein reichhaltiges Nahrungsangebot, im Frühjahr hilfreiche höhere
Temperaturen im Flachwasser als weiter vor der Küste sowie das Fehlen großer Raubfische, wobei
die Wassertiefe mit den Gezeiten schwankt, tragen jeweils zu einer hohen Nachkommenschaft bei.
Das Wattenmeer ist daher ein bedeutendes Reproduktionsgebiet für Seezunge (Solea solea), Scholle
(Pleuronectes platessa) und Kliesche (Limanda limanda). Diese wachsen im Frühjahr und Sommer
rasch heran und verlassen das Wattenmeer zu Beginn des Herbstes in Richtung Offshore-Gewässer.
Für einige Fische, die im Verlauf ihres Lebenszyklus zwischen Binnengewässern und dem offenen
Meer pendeln, stellt das Wattenmeer mit seinen reichhaltigen Nahrungsquellen einen bedeutenden
Zwischenstopp dar. Gute Beispiele für diadrome Fischarten sind Flunder (Platichthys flesus), Stint
(Osmerus eperlanus) und Aal (Anguilla anguilla). Marine Organismen haben sich in der gesamten
Tidezone durchgesetzt. Wegen des reichhaltigen Stoffangebots vom Land und aus dem Ozean kann
das marine Nahrungsnetz genügend Nahrung für Watvögel, Möwen, Enten und Gänse bieten. Dabei
werden weit auseinander liegende Ökosysteme auf dem Ostatlantik-Zugweg von Durchzüglern
gestärkt bzw. genutzt. Darüber hinaus gibt es Vögel, die im Wattenmeer überwintern. Ähnliche
weiträumige Verknüpfungen gelten für Fische und einige Krebstiere.
Die Vögel gehen in erster Linie bei Ebbe auf den ausgedehnten Sedimenten der Wattflächen auf
Nahrungssuche. Einige Arten suchen auch die Salzwiesen auf, während andere in den Prielen nach
Nahrung tauchen. Auch wenn der Verfügbarkeit von Nahrung entscheidende Bedeutung zukommt,
liegt es nicht nur an der hohen benthischen Biomasse, welche die enorme Zahl von Vögeln
ermöglicht. So kann die Nahrungsverfügbarkeit je nach Wetter, Störungen und konkurrierenden Arten
stark schwanken, die ungeheure Ausdehnung der zusammenhängenden Tidezone sorgt jedoch bei
Ausfall einer bestimmten Stelle für ausreichend Alternativen. Ein weiterer wichtiger Faktor, der die
großen Vogelbestände ermöglicht, sind die in der Nähe gelegenen ausgedehnten Rast- und
Mauserplätze, zumeist auf Sandbänken und Inselchen in ausreichender Entfernung von Störungen
durch den Menschen. Dieser Aspekt ist auch für Robben von besonderer Bedeutung, die das
Wattenmeer als Jungenaufzuchts- und Ruhezone nutzen.
Die heutige Form des Wattenmeers ist in erster Linie das Ergebnis natürlicher Kräfte. Es mag andere
Küstengebiete mit ähnlichen Ökosystem-Funktionen geben, keines davon reicht jedoch in Bezug auf
einen solch großen und zusammenhängenden Bereich intertidaler Lebensräume von derart hoher
Vielfalt auch nur annähernd an das Wattenmeer heran.
Kriterium x: „die für die In-situ-Erhaltung der biologischen Vielfalt bedeutendsten und
typischsten natürlichen Lebensräume enthalten, einschließlich solcher, die
bedrohte Arten enthalten, welche aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer
Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.
Die Watten des Wattenmeers bilden die größten zusammenhängenden Flächen von Schlick- und
Sandwatt der Welt, auf welche 60% aller Tidegebiete in Europa und Nordafrika entfallen. Als solches
ist es „das einzige seiner Art“, weshalb sich viele Lehrbücher bei der Beschreibung intertidaler
Habitate und der darin vorkommenden reichen und vielfältigen Flora und Fauna auf das Wattenmeer
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beziehen. Die Watten und Salzwiesen bilden das größte kohärente Habitat dieser Art in Europa und
stellen ein wesentliches Element des Ökosystems Wattenmeer dar.
Das Wattenökosystem ist eines der international bedeutendsten Feuchtbiotope. Es ist international
anerkannt als biologisch überaus produktives Ökosystem von großer ökologischer, wissenschaftlicher,
wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung.
Das Wattenmeer ist äußerst reich an ökologischen Abstufungen und Übergangszonen, die zahlreiche
unterschiedliche (Mikro-)Habitate ausbilden, welche die Basis für eine ökologische Spezialisierung
unter Extrembedingungen darstellen. Die Salzwiesen enthalten etwa 2300 Arten aus Flora und Fauna.
In den marinen und brackwasserhaltigen Gebieten kommen weitere 2700 Arten vor. Insgesamt wird
geschätzt, dass das Wattenmeergebiet Lebensräume für bis zu 10.000 Arten von Einzellern, Pflanzen,
Pilzen und Tieren bietet.
Die große Ausdehnung des Wattenmeers ermöglicht den verschiedenen Arten durch
habitatübergreifendes Vorkommen oder durch die zeitlich aufeinander folgende Besetzung einer
Reihe von Nischen das Überleben. Dadurch werden ständig Flächen zur Nutzung durch andere
Individuen oder Arten frei, was die Ursache für die hohe Aufnahmefähigkeit des Gebiets in Bezug auf
wandernde Arten ist.
Die marinen Ablagerungen bleiben ständig unter Wasser (subtidal) oder werden entweder regelmäßig
(intertidal) oder gelegentlich (supratidal) von Meeres- oder Brackwasser bzw. in einigen Fällen sogar
von Süßwasser überflutet. Der Feuchtigkeitsgehalt der terrestrischen Böden reicht von sehr nass bis
extrem trocken in den Küstendünen. Diese hochgradig vielfältigen ökologischen Nischen für das
Leben werden durch hohe Temperaturen im Sommer und eine gelegentliche Eisbedeckung im Winter
sowie vor allem durch schwere Stürme mit heftigen Regenfällen geschaffen. Unter derartigen
Umständen haben die meisten Arten eine enorme Vielseitigkeit ausgebildet. Andere haben sich
hochgradig spezialisiert, um unter den extremen Umweltbedingungen überleben zu können. Ein
hohes Maß an Endemismus ist für Küstenfeuchtgebiete dagegen nicht typisch. Diese sind stets relativ
jung und durch Wasserströmungen mit benachbarten Gebieten verbunden, was die genetische
Isolierung von Populationen verhindert. Das überragende Merkmal des Wattenmeers besteht vielmehr
in der komplexen Mischung von Arten aus einer breiten Palette von Regionen und Habitaten sowie in
einer Mischung aus ansässigen, wandernden und gelegentlich auftretenden Arten wie auch in der
hohen Individuenzahl anstelle einer hohen Biodiversität, zumindest im Watt.
Die reichhaltigen und vielfältigen Lebensräume sind von außergewöhnlicher internationaler Bedeutung
für Vögel als Rast-, Mauser- und Überwinterungsgebiete. Nach dem im Ramsar-Übereinkommen
enthaltenen 1%-Kriterium, das eine international anerkannte Kennzahl zur Bestimmung von
Feuchtgebieten von internationaler Bedeutung darstellt, ist das Wattenmeer für mindestens 52
Populationen von 41 ziehenden Wasservogelarten von außergewöhnlicher internationaler Bedeutung
als Rast-, Mauser- und Überwinterungsplatz, die den ostatlantischen Zugweg benutzen und aus so
entfernten Brutgebieten wie Nordsibirien und Nordostkanada stammen. Bei 44 Populationen von 34
Arten ist die Individuenzahl so hoch, dass das Wattenmeer ihre unabdingbare und häufig wichtigste
Zwischenstation auf dem Zug oder ihr primärer Überwinterungs- oder Mauserplatz ist. Daher ist das
Wattenmeer für die Existenz dieser Vogelarten essenziell. Bei einer schweren Beeinträchtigung des
Wattenmeers käme es zu einem Biodiversitätsverlust von weltweitem Maßstab.
Bei Addition der Zahlen gelangt man zu einem Maximum von etwa 6,1 Millionen gleichzeitig im
Wattenmeer anwesenden Vögeln. Jedes Jahr ziehen durchschnittlich 10 bis 12 Millionen Vögel von
ihren Brutgebieten in Sibirien, Skandinavien, Grönland und Nordostkanada zu ihren
Überwinterungsgebieten in Europa, Afrika oder sogar noch weiter südlich und wieder zurück. Die
meisten Arten erreichen die Höchstzahlen während des Herbstzugs; die Anzahl der Watvögel ist im
Frühjahr fast ebenso hoch, während Enten und Gänse in hoher Zahl überwintern. Nur Möwen
erreichen auch im Sommer beträchtliche Zahlen. Nahezu die gesamte Population der
dunkelbäuchigen Rasse der Ringelgans (Branta b. bernicla) und die gesamte westeuropäische
Population des Alpenstrandläufers (Calidris alpina) nutzen das Wattenmeer in verschiedenen
Perioden ihres jährlichen Zyklus. Ohne das Wattenmeer würden ihre Populationen schwer geschädigt.
Weitere sieben Arten kommen mit über 50% und weitere 14 Arten mit über 10% ihrer Zugweg-
Population vor. Bestimmte Gebiete des Wattenmeers einschließlich der Küstenzone der benachbarten
Nordsee werden von einer hohen Zahl von Brandgänsen (Tadorna tadorna) zur Mauser sowie von
Eiderenten (Somateria mollissima) zur Mauser und Überwinterung genutzt.
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Auch wenn es sich beim Vogelzug um ein globales Naturphänomen handelt, das nicht mit einem
einzelnen Ort verknüpft werden kann, stellt das Wattenmeer einen lebensnotwendigen und
unersetzlichen Zwischenhalt dar, der als „Mega-Gebiet“ von kritischer Bedeutung für den Vogelzug
gilt. Es ist nicht nur eine von mehreren Zwischenstationen auf dem ostatlantischen Zugweg, sondern
die essenzielle Zwischenstation.
Die Millionen von Zugvögeln, welche die Gegend im Frühjahr und Herbst in ungeheuren Schwärmen
durchziehen, verleihen dem Gebiet eine szenische Tiefe, die nirgendwo sonst in diesem Maßstab zu
sehen ist, und steigern dessen außergewöhnliche Schönheit und Erlebniswert noch mehr. Dadurch
wird die einzigartige Beziehung zwischen den hohen ästhetischen Qualitäten von Landschaft und
Meer und den außergewöhnlichen ökologischen Merkmalen des Gebiets noch verstärkt.
Das Wattenmeer ist auch ein bedeutendes Reproduktionsgebiet für mehr als 30 Brutvogelarten. Bei
fünf Arten brüten mindestens 25% der nordwesteuropäischen Populationen im Wattenmeer. Die
ökologische Funktion als Stützpunkt für Brut- und Zugvögel ist von überragendem universellem und
wissenschaftlichem Wert, da Vogelzuguntersuchungen in diesem großem Maßstab nur im
Wattenmeer durchgeführt werden können.
Was die Bedeutung als ständige Heimstätte seltener oder vom Aussterben bedrohter Arten betrifft, ist
das Wattenmeer als weniger wichtig einzustufen. Betrachtet man jedoch die hohen Bestandszahlen
und die Vielfalt der verschiedenen Säugetiere, Vögel, Fische, Krebstiere, Weichtiere und anderen
Tiere und Pflanzen, denen die Wattenmeerökosysteme Nahrung bieten, spielt das Wattenmeer eine
sehr wichtige Rolle als Lebensraum von großer internationaler Bedeutung.
Das Wattenmeer stellt zudem ein Lebenszyklus-Rückzugsgebiet für diejenigen Arten dar, die ihre
Lebensräume im Binnenland verloren haben, z.B. Kiebitz, Rotschenkel und Lachmöwe. Ohne
Wattenmeer wären mehrere europäische Vogelpopulationen gefährdet oder sogar ausgestorben. Das
Wattenmeer ist zudem eine wesentliche Zwischenstation für Fische, die zum Laichen in Fluss-
Systeme und zur Nahrungssuche in die Ozeane oder umgekehrt wandern. Diese Fische könnten ihren
Lebenszyklus ohne die nährstoffreichen Habitate des flachen Wattenmeers nicht durchlaufen. Dies gilt
auch für viele Fische und Wirbellose, die zur Reproduktion auf die Tidezone angewiesen sind und als
ausgewachsene Tiere weiter vor der Küste leben.
Das Wattenmeer weist rund 20% der Weltpopulation (2006: rund 15.000 Exemplare) des Seehunds
auf, der einer hauptsächlich in britischen, isländischen und norwegischen Gewässern sowie im
Wattenmeer vorkommenden Unterart (Phoca vitulina vitulina) angehört. Die Wattenmeer-Seehunde
sind insofern einzigartig, als sie auf die Sandwattflächen des Wattenmeeres als Ruheplätze und zur
Jungenaufzucht angewiesen sind. Bei Flut verschwindet ihr Ruhe-Habitat, weshalb sich ihr Verhalten
vollständig an diese Bedingungen angepasst hat. In den letzten Jahren sind Kegelrobben wieder ins
Wattenmeer zurückgekehrt, wobei zunächst eine Kolonie vor der nordfriesischen Insel Amrum
entstanden ist, gefolgt von einigen Kolonien im westlichen Teil des niederländischen Wattenmeers.
Der wichtigste Platz für die Population des Schweinswals (Phocoena phocoena) in der mittleren
Nordsee zum Gebären und Aufziehen seiner Jungtiere liegt vor der Küste der Inseln Sylt and Amrum.
Insgesamt wurde bei zahlreichen Brutvogelarten, die sich in den letzten drei Jahrzehnten sehr gut
erholt haben, sowie bei Robben auch nach den beiden Staupeepedemien von 1988 und 2002, nach
Jahrhunderten einer beträchtlichen Nutzung des Wattenmeeres durch Schutzmaßnahmen ein
erstaunliches Comeback erzielt. In den siebziger Jahren wurde die Robbenjagd eingestellt, wobei
wesentliche Habitate von Störungen durch den Menschen freigehalten werden.
ERLÄUTERUNGEN LAUT RICHTLINIE: Auf der Basis der obigen Kriterien soll die vorgesehene Feststellung des
außergewöhnlichen universellen Werts deutlich machen, warum das Gebiet in die Liste des Erbes der Welt
eingetragen werden soll.
Das Wattenmeer bildet die größten zusammenhängenden Flächen von Schlick- und Sandwatt der
Welt mit natürlichen dynamischen Prozessen, die in einem weitgehend ungestörten Naturzustand
ablaufen. Es ist der einzige Vertreter seiner Art auf der Erde. Das Ökosystem Wattenmeer
repräsentiert eines der wichtigsten internationalen Feuchtbiotope und bildet die Grundlage für eine
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 76
außergewöhnlich hohe biologische Produktion und Artenvielfalt sowie ein hohes Maß an ökologischer
Spezialisierung und Anpassungsfähigkeit.
Es stellt ein überragendes Beispiel der anhaltenden holozänen Entwicklung einer Sandküste unter
den Bedingungen eines steigenden Meeresspiegels dar und ist insofern einzigartig, als es sich
weltweit um das größte Watten- und Barriereinsel-Ablagerungssystem dieser Ausdehnung handelt.
Seine geologischen und geomorphologischen Merkmale sind eng mit biophysikalischen Prozessen
verflochten und sind ein Beleg von unschätzbaren Wert für die laufende dynamische Anpassung von
Küstenbiotopen an globale Veränderungen. Die biogeomorphologischen Interaktionen sind auf allen
Ebenen dabei bemerkenswert stark und geradezu einmalig.
Wegen der hohen Primär- und Sekundärproduktion im Wattenmeer kommt eine Vielzahl von Vogel-,
Fisch-. und Krebstierarten sowie von Robben auch weit über seine Grenzen hinaus vor. Die
reichhaltigen und vielfältigen Habitate sind von außergewöhnlicher internationaler Bedeutung als
wesentlicher Lebensraum für ziehende Wasservogelarten, die den ostatlantischen Zugweg zwischen
Südafrika, Nordostkanada und Nordsibirien benutzen. Es ist eines der wenigen flachen Meeresgebiete
in der nördlichen Hemisphäre mit hoher Fischproduktion und stellt für Arten, die zwischen Süß- und
Salzwasser wandern, zum Laichen und zur Nahrungssuche sowie für heranwachsende Jungtiere ein
unabdingbares Gebiet dar.
Das Mosaik aus Naturerscheinungen mit komplexen geomorphologischen Merkmalen und biologisch
vielgestaltigen und reichen Lebensräumen, der beispiellosen ungeheuren räumlichen Ausdehnung
und der Millionen von Zugvögeln, die im Frühjahr und Herbst durchziehen, bildet in seiner Gesamtheit
eines der außergewöhnlichsten, schönsten und ehrfurchtgebietendsten Landschaften und Mee-
respanoramen weltweit.
Das vorgeschlagene Gebiet umfasst alle biophysikalischen und ökosystembezogenen Prozesse, die
für ein natürliches und sich selbst erhaltendes Wattensystem kennzeichnend sind. Die für den Schutz,
das Management und die Umweltbeobachtung (Monitoring) geltenden Standards stellen sicher, dass
sich das natürliche Ökosystem der Watten mit allen Bestandteilen auch in Zukunft natürlich entwickeln
kann und auf absehbare Zeit auch menschliche Nutzungen ermöglicht. Eine nachhaltige Nutzung der
natürlichen Ressourcen durch den Menschen einschließlich der traditionellen Nutzungen geringen
Umfangs ist der Schlüssel zur Gewährleistung seiner Unversehrtheit auch für kommende
Generationen.
Mit dem Wattenmeer potenziell vergleichbare Gebiete der Welterbeliste sind der Doñana-Nationalpark
in Spanien, das Biosphärenreservat Donaudelta in Rumänien, der Greater St. Lucia Wetland Park in
Südafrika und das Nationale Vogelschutzgebiet Djoudj im Senegal. Dies sind jedoch ausnahmslos
sehr andersartige Ökosystem-Typen. Beim Doñana-Nationalpark handelt es sich um ein
Flussmündungsgebiet, das in keiner Weise mit dem Wattenmeer vergleichbar ist, abgesehen davon,
dass ungeheure Mengen von Wasservögeln vorkommen, die teilweise dort auch überwintern. Auch
wenn es eine Vielzahl der Biotope umfasst, die für das Wattenmeer charakteristisch sind, z.B. Dünen,
ist das Doñana-Gebiet erheblich kleiner. Der Greater St. Lucia Wetland Park in Südafrika befindet sich
in einer anderen geographischen Region und stellt ein Lagunensystem mit einer großen marinen
Komponente dar, womit er sich vom Wattenmeer stark unterscheidet. Im Nationalen
Vogelschutzgebiet Djoudj im Senegal schließlich überwintert ebenfalls eine große Zahl von Vögeln, es
ist jedoch eine Binnenlagune und damit gänzlich anders als das Wattenmeer.
Bei einem Vergleich des Wattenmeers mit den eingetragenen Gütern auf der Welterbeliste wird sofort
deutlich, dass nur ein einziges Gut verzeichnet ist, mit dem das Wattenmeer entfernt vergleichbar ist,
und zwar die Banc d´Arguin in Mauretanien. Die Banc d’Arguin ist ein Relikt ehemaliger Deltas von
Flüssen, die einst aus dem Zentralsaharabecken in den Atlantik flossen (in der Tat hat man die Banc
d’Arguin auch „ein warmes Wattenmeer“ genannt.). Die in der Banc d’Arguin festgestellten
Vogelzahlen gehen ohne Weiteres in die Millionen, wobei auch eine reichhaltige Fischfauna
vorhanden ist. Bei beiden Gebieten handelt es sich um große Tidegebiete und außergewöhnlich
produktive Ökosysteme, in denen zahlreiche Fische und unterschiedliche Populationen
fischfressender Brutvögel vorkommen. Beide dienen als Stützpunkt für riesige Populationen auf dem
Ostatlantik-Zugweg ziehender Wasservögel, womit zwischen ihnen eine starke Verknüpfung besteht,
und stellen auf diesem Zugweg die wichtigsten Gebiete zur Nahrungssuche und zum Rasten dar.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 77
Es gibt jedoch auch wesentliche Unterschiede. Das in die Banc d´Arguin einbezogene marine Gebiet
umfasst nur die Hälfte des eingetragenen Guts (6.000 km2), wobei nur ein sehr kleiner Teil dieses
Gebiets – weniger als 10% (540 km2) – auf die Tidezone entfällt. Dies entspricht nur rund 10% der
Wattflächen im Wattenmeer. Zudem befindet sich das Gebiet in einer anderen Klimazone – die
tropischen Verhältnisse lassen die bestimmenden Prozesse ganz anders ablaufen als im Wattenmeer.
Im Vergleich zu nicht [in die Welterbeliste] eingetragenen Gebieten ist das Wattenmeer in jeder Hinsicht
einzigartig. In den Tropen gibt es zwar eine Vielzahl von Tidegebieten, keines ist jedoch mit dem
Wattenmeer vergleichbar. So kommen zwar auch in tropischen Biotopen – z.B. in den Gebieten vor
der Küste von Surinam oder im Persischen Golf – zahlreiche Zugvögel vor, ihnen fehlt jedoch jedes
Merkmal, das sie mit dem Wattenmeer direkt vergleichbar machen könnte. Die Tidesysteme sind
kleiner, hängen nicht zusammen und enthalten keine Barriereinseln. Der südlich der Banc d’Arguin
gelegene Bijagos-Archipel beherbergt ebenfalls eine beträchtliche Zahl überwinternder Wasservögel,
jedoch in einem vollständig anderen Kontext tropischer Mangroven auf Inseln in einem tieferen Meer.
Es gibt weltweit keine in der gemäßigten Zone gelegenen Tidegebiete, die mit dem Wattenmeer zu
vergleichen sind. Die einzigen in gewisser Hinsicht mit dem Wattenmeer vergleichbaren Gebiete in der
gemäßigten Zone sind die Tidegebiete im Gelben Meer bei China und Korea. Insgesamt sind diese
doppelt so groß wie das Wattenmeer, gleichzeitig jedoch auch fragmentiert, ohne ein integriertes
System zu bilden. Entlang der gesamten Westküste Koreas ziehen sich auf einer Breite von bis zu 10
km langgestreckte Wattflächen hin. Sie gehören zu einem ganzen Mosaik von Watten entlang der Ufer
des südöstlichen Gelben Meeres. Das südkoreanische Wattenmeer weist eine Gesamtfläche von
2850 km2 auf und ist einem Tidenhub von 4 bis 10 m ausgesetzt. Im Gegensatz zu seinem
europäischen Gegenstück sind keine Barriereinseln vorhanden; vielmehr ist das Watt von einer
Vielzahl kleiner Felsinseln durchsetzt, während es landseitig von 150 bis 800 m hohen Bergen und
Hügeln begrenzt wird. Die Gezeitenrinnen sind bis zu 30 m tief. Die im europäischen Wattenmeer
häufigen und typischen Salzwiesen sind wegen intensiver Landgewinnungsmaßnahmen in den ersten
Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts, als die höheren intertidalen Zonen mit ihren blühenden
Salzwiesen in Agrarland umgewandelt wurden, weitgehend verschwunden. Alle anderen Tidegebiete
sind kleiner oder befinden sich in tropischen oder arktischen Gegenden und besitzen keinen
ununterbrochenen, zusammenhängenden Charakter.
Sonstige ähnliche Gebiete in Europa wie der Rio Formosa in Portugal und die Morecambe Bay in
Großbritannien sind erheblich kleiner und enthalten nicht das komplexe System von Habitaten und
Biotopen, das im Wattenmeer anzutreffen ist. Die Wattflächen des Wattenmeers sind eineinhalb Mal
größer als alle Tidebereiche sämtlicher britischer Flussmündungsgebiete zusammengenommen.
Im Vergleich zu den ganz wenigen ähnlichen Gebieten ragt das Wattenmeer als bemerkenswert gut
erhaltenes Ökosystem heraus. Keines dieser Gebiete unterliegt einem derart umfassenden nationalen
und internationalen Schutz- und Management-System wie das Wattenmeer. Ein Vergleich des
Wattenmeers mit dem Great Barrier Reef in Australien ist deswegen keineswegs weithergeholt. Beide
Gebiete sind mit anderen Systemen nicht vergleichbar und unterliegen einem umfassenden
Schutzsystemen und Ökosystem-Management.
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Das angemeldete Gut umfasst alle Habitat-Typen mit allen Merkmalen und Prozessen, die für ein
natürliches und dynamisches Wattenmeer kennzeichnend sind. Der Offshore-Bereich erstreckt sich
auch auf die Barriereinseln und stellt ein kohärentes geomorphologisches System dar, das mit den
intertidalen Prozessen und Systemen verknüpft ist. Er umfasst zudem die Seegatten zwischen den
Inseln mit ihrem hochgradig dynamischen Sedimenttransport und sich ständig verlagernden
Sandbänken. Dieses Gebiet ist für Jungfische sowie für nahrungssuchende und mausernde Enten, für
Robben und Schweinswale von Bedeutung. Die Inseln und Salzwiesen bieten für Pflanzen, besonders
angepasste Wirbellose und Brutvogelarten einen einzigartigen Lebensraum. Die Tidezone des
Wattenmeers umfasst die Wattflächen und die subtidale Zone und ist durch ein sich ständig
veränderndes Muster von Prielen und Watten gekennzeichnet.
Das Wattenmeer enthält alle Gebiete, die für die Wahrung der gesamten Bandbreite
geomorphologischer Prozesse wesentlich sind, welche letztlich die für den langfristigen Schutz des
Ökosystems und der Biodiversität des Gebietes bedeutenden biophysikalischen, ökologischen und
biologischen Prozesse bestimmen. Das angemeldete Wattenmeer ist die singulär wichtigste
Küstengezeitenzone der Welt. Diese Bedeutung beruht auf seiner zentralen Rolle für Zugvögel auf
dem Ostatlantik-Zugweg. Unbeschadet der insbesondere während der letzten beiden Generationen
vorgenommenen Beeinflussung und Veränderung des Gebietes durch den Menschen enthält das
Ökosystem Wattenmeer alle Elemente, die es als Komplett-Ökosystem hervorheben, worin die
physikalischen, ökologischen und biologischen Prozesse auch jetzt noch weitgehend ungestört
ablaufen. Diese Prozesse haben die Schönheit des Gebietes entstehen lassen, das in der ganzen
Region hoch geschätzt wird.
Die Wattflächen sind von einer überaus reichen und produktiven Flora und Invertebratenfauna
besiedelt, die mit Muschelbänken und Seegraswiesen vergesellschaftet sind. Die Salzwiesen bilden
den oberen Teil der intertidalen Zone und beherbergen hohe Konzentrationen von Pflanzen- und
Invertebraten-Arten, von denen viele endemisch sind. Ebenso sind die Salzwiesen bedeutende Rast-,
Brut- und Nahrungsplätze für zahlreiche Vogelarten. Die Ästuare sind von einer hohen Variabilität und
Dynamik gekennzeichnet. Sie bilden eine wichtige Übergangszone zwischen der Süßwasser-,
Brackwasser- und Tidezone und stellen daher für spezialisierte Arten einen bedeutenden Lebensraum
dar. Sie wurden in das Gut nur in begrenztem Umfang aufgenommen, da es sich bei ihnen um
Einfallstore zu den Häfen in der Wattenmeerregion handelt, weshalb sie vielfach einem stark
modifizierten Habitat-Typ entsprechen.
Das angemeldete Gebiet weist eine ausreichende Größe auf, um funktional kohärent zu sein.
Morphodynamische Prozesse können ohne Einschränkungen ablaufen. Biologische Prozesse, die von
der Geomorphologie abhängen und diese beeinflussen, sind in zahlreichen räumlichen und zeitlichen
Größenordnungen zu finden, von saisonalen Mikrophytobenthos-Matten, welche die Sediment-
Bestandteile aneinander haften lassen, bis hin zu Salzwiesen, die das Sedimentniveau erhöhen und
mit dem Meeresspiegelanstieg mitwachsen. Wegen ihrer Größe, ihrer Länge und der verschiedenen
Schutzregelungen sind die natürlichen Biotope der Salzwiesen auf den Barriereinseln und des
Wattensystems größtenteils noch vorhanden. Im Wattenmeer ebenfalls noch gegeben sind
insbesondere die wechselseitigen Abhängigkeiten von Biotopen und Habitaten sowie die
Vollständigkeit des gesamten Systems. Auch die Qualität des Gebiets für Zugvögel ist teilweise auf
dessen Größe zurückzuführen, die bei örtlich weniger optimalen Bedingungen einen Rückzug in
andere Gebietsteile erleichtert. Das angemeldete Gebiet umfasst somit alle Elemente, die als Beleg
für seinen außergewöhnlichen universellen Wert notwendig sind.
Des Weiteren umfasst das angemeldete Gebiet nahezu das gesamte Ökosystem Wattenmeer und
weist somit eine ausreichende Größe auf, um sicherzustellen, dass seine wesentlichen Merkmale und
Prozesse, durch welche sein einzigartiger Charakter und außergewöhnlicher universeller Wert
gewahrt werden, vollständig vertreten sind und komplett geschützt werden.
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Das angemeldete Wattenmeer unterliegt einem umfassenden Schutz und Management des
Ökosystems. Es genießt den höchsten Schutzstatus, der nach dem nationalen Naturschutzrecht der
beiden Länder möglich ist. Der gesamte deutsche Teil des Gebietes ist seit Mitte der achtziger Jahre
als Nationalpark ausgewiesen, während der niederländische Teil einer nationalen
Planungsverordnung unterliegt, die den Schutz in Verbindung mit einer nachhaltigen Nutzung des
Ökosystems Wattenmeer regelt. Des Weiteren untersteht das Gebiet einem Schutz nach dem
Umweltrecht der Europäischen Union, das in nationales Recht umgesetzt wurde. Infolge der
Schutzregelungen nach der Vogelschutz- und der Habitat-Richtlinie der EU ist das Wattenmeer
Bestandteil des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000.
Die im Rahmen der EU-Habitatrichtlinie ergriffenen Maßnahmen bezwecken, Lebensräume und Arten
zu erhalten und wieder in einen günstigen Erhaltungszustand zu versetzen. In der EU-Habitatrichtlinie,
Artikel 6 Absatz 3 ist des Weiteren Folgendes festgelegt: „Pläne oder Projekte, die ein solches Gebiet
einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen
könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten
Erhaltungszielen.….. [d]ie zuständigen einzelstaatlichen Behörden [stimmen] dem Plan bzw. Projekt
nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird.” Artikel 6
Absatz 4 der Richtlinie legt fest, dass Pläne bzw. Projekte, die das Gebiet beeinträchtigen werden, nur
aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses und bei Fehlen von
Alternativlösungen sowie ausschließlich in Verbindung mit Ausgleichsmaßnahmen zulässig sind.
Diese Bestimmungen sind deswegen besonders hervorzuheben, weil dadurch rechtlich kodifiziert
wird, dass ein vorrangiges Ziel darin besteht, die Unversehrtheit des Gebiets in Bezug auf dessen
Erhaltungsziele aufrechtzuerhalten und zu fördern.
Das Gut Wattenmeer ist als natürlicher Wasserkörper [im Sinne der WRRL] ausgewiesen. Auf das
Wattenmeer findet die EU-Wasserrahmenrichtlinie Anwendung, die ebenfalls dazu beitragen wird,
dass dessen guter ökologischer Zustand bis 2015 wiederhergestellt ist. Man geht davon aus, dass
auch die bevorstehende EU-Meeresstrategie-Richtlinie zu einer Untermauerung der nach den
vorstehend genannten EU-Richtlinien ergriffenen Maßnahmen beitragen wird.
Zusätzlich zu diesen Schutzregelungen ist das Wattenmeer als Feuchtgebiet von internationaler
Bedeutung nach dem Ramsar-Übereinkommen sowie als UNESCO-Schutzgebiet „Man and
Biosphere“ ausgewiesen. Dies stellt eine weitere internationale Anerkennung der internationalen
Bedeutung des angemeldeten Gebiets dar.
Seit den siebziger Jahren arbeiten die drei Wattenmeer-Länder beim Schutz des Wattenmeers als ein
gemeinsames Ökosystem zusammen. Das Leitprinzip der Wattenmeerpolitik und diesbezüglicher
Management-Maßnahmen gemäß Formulierung im Wattenmeerplan lautet, „so weit wie möglich ein
natürliches und sich selbst erhaltendes Ökosystem zu erreichen, in dem natürliche Prozesse ungestört
ablaufen können“. Die Wattenmeerpolitik und die Management-Maßnahmen sind darauf ausgerichtet,
die Erhaltung der gesamten Vielfalt der zu einem natürlichen und dynamischen
Wattenmeerökosystem gehörenden Habitattypen zu erreichen. Für jeden dieser Lebensräume wurden
ökologische Qualitätsziele in Bezug auf die natürliche Dynamik, das Fehlen von Störungen und das
Fehlen von Verschmutzung formuliert, welche durch sachgerechte Schutz- und
Managementmaßnahmen erreicht werden können.. Die Qualität der Habitate ist dadurch zu erhalten
bzw. zu verbessern, dass für die jeweiligen Habitattypen in Bezug auf die Qualität des Wassers und
Sediments sowie für den Schutz von Vögeln und Meeressäugern spezifizierte Umweltziele angestrebt
werden. Die gemeinsamen Politik- und Management-Maßnahmen in Bezug auf die spezifizierten Ziele
werden im Wattenmeerplan 1997 weiter ausgeführt, welcher derzeit weiterentwickelt wird.
Die auf den Eintrag von Nähr- und Schadstoffen zurückzuführende Verschmutzung ist in den letzten
10 Jahren erheblich vermindert worden. Weitere Maßnahmen werden im Einklang mit bestehenden
und geplanten Rechtsakten ergriffen, mit denen spezielle Ziele erreicht und bis 2015 ein gesunder
ökologischer Zustand erreicht werden soll. Die sich aus betrieblichen Einleitungen der Schifffahrt
ergebende Verschmutzung wurde nach der Ausweisung der Nordsee einschließlich des Wattenmeers
als spezielles Seegebiet (Special Sea Area) nach dem MARPOL-Übereinkommen, Anlagen I, II und V,
ebenfalls verringert, was durch eine ausgedehnte Überwachung aller betrieblichen Einleitungen noch
verstärkt wird. Die Sicherheit der Schifffahrt ist in den letzten 10 Jahren durch die Festlegung von
Verkehrstrennungsregelungen im Zusammenhang mit der Ausweisung des Wattenmeers als
besonders empfindliches Meeresgebiet (PSSA) erheblich verbessert worden. Für Schiffsunfälle
wurden umfangreiche Notfallpläne einschließlich einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit
festgelegt.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 80
Mit dem rechtlichen Schutz und dem Management des Gebietes wird auch angestrebt, dessen
landschaftliche Werte, z.B. den weiten, offenen Horizont, zu erhalten. Daher sind Infrastrukturprojekte
innerhalb des Gebietes weitgehend verboten. Der Bau von Windkraftanlagen ist im angemeldeten
Gebiet vollständig untersagt.
Anthropogene Einflüsse sind weitreichend geregelt, wobei 1994 auf der Basis der Erklärung von
Esbjerg (1991) ein Paket von ökologischen Qualitätszielen trilateral vereinbart wurde. Jede
Ressourcennutzung sowie alle sonstigen Nutzungen des Wattenmeers sind im Rahmen einer breiten
Palette rechtlicher Maßnahmen, die den Rahmen für den Schutz des Gebiets bilden, sowie infolge der
allgemeinen hohen Standards des Management-Systems geregelt. Alle sich auf Ressourcen
beziehende Tätigkeiten, die nicht verboten wurden, unterliegen einer Verträglichkeitsprüfung und
Lizenzvergabe im Einklang mit europäischen Rechtsvorschriften, darunter auch die Erschließung von
Öl- und Gasfeldern. Besonders hervorzuheben ist, dass diese Verträglichkeitsprüfungen auf alle
Tätigkeiten und Projekte innerhalb und außerhalb des Gebietes angewandt werden, die erhebliche
Folgen auf das Gebiet nach sich ziehen können.
Die Sicherheit der Bevölkerung vor Sturmfluten wird durch geeignete Küstenschutzmaßnahmen jetzt
und in Zukunft sichergestellt. Diese Maßnahmen wurden und werden durch die Schutz- und
Management-Regelungen nicht beeinträchtigt. Sonstige Maßnahmen, die für die Sicherheit des
Gebiets notwendig sind – wie Infrastrukturanlagen zur Regelung des Schiffsverkehrs, die
Verkehrsregelung innerhalb des Gebiets und die Lieferung von Waren auf die Inseln – haben in Bezug
auf den Schutz und das Management des angemeldeten Gebiets jetzt und künftig Vorrang.
Die Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs ist ein relativ neues Phänomen, das sich in den
nächsten Jahrhunderten auf das Wattenmeer potenziell erheblich auswirkten könnte. Wie das System
Wattenmeer hierauf reagiert, wird jedoch weitgehend von den örtlichen Bedingungen und der
Konfiguration der Gezeitenbecken abhängen. Infolge einer schnelleren Sedimentation dürften die
Wattflächen und Salzwiesen mit dem Meeresspiegelanstieg Schritt halten können, zumindest bis zu
einem gewissen Umfang.
Die Einführung gebietsfremder Arten durch Einleitung von Ballastwasser und durch Aquakulturen stellt
weltweit ein zunehmendes Problem dar. Zur Minimierung der Einführung exotischer Arten, zur
Beobachtung von deren Wirkung und zur Anpassung von Qualitätsstandards und Management-
Maßnahmen sind bestimmte Kontrollen festgelegt, um die vorhandenen Artengesellschaften zu
erhalten. Ohne eine Verträglichkeitsprüfung gemäß Habitat-Richtlinie darf in das angemeldete Gut
keine Art eingeführt werden, z.B. zu Aquakultur-Zwecken. Von etwa 52 bekannten eingeführten Arten
wird nur bei sechs Arten von einer potenziell starken Wirkung auf die Zusammensetzung der im
Wattenmeer vorhandenen Biota ausgegangen. Dabei handelt es sich um das Schlickgras (Spartina
anglica), den Japanischen Beerentang (Sargassum muticum), einen Borstenwurm (Marenzelleria cf.
viridisi), die aus Amerika stammende Schwertmuschel (Ensis americanus), die Amerikanische
Pantoffelschnecke (Crepidula fornicata) und die Pazifikauster (Crassotrea gigas). Diese Arten sind in
ihrer Wirkung, die teilweise dynamischer Art sein kann, unterschiedlich (d.h. Sedimentbindung durch
Spartina, Habitat-Bereitstellung durch Sargassum, Erhöhung des Nahrungsangebots für Vögel durch
Ensis, Verdrängung von Seegras durch Spartina, Konkurrenz für Miesmuscheln durch Crassostrea).
Die globale Erwärmung kann Spartina, Crepidula und Crassostrea zugute kommen, was zu
Veränderungen bei deren Dominanz führen kann. Einige eingeführte Arten haben sich örtlich extrem
vermehrt und sind anschließend im Bestand wieder zurückgegangen, z.B. der Borstenwurm
Marenzelleria. Die einheimischen Biota können im Übrigen auf eine lange Geschichte der
Durchsetzung gegen Einwanderer zurückblicken.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 81
Offshore-Bereich
Der Wattenmeerplan strebt im Offshore-Bereich eine stärkere natürliche Morphologie und günstige
Rahmenbedingungen für Vögel und Meeressäuger an. Der Offshore-Bereich in dem angemeldeten
Gebiet befindet sich vor den Inseln des Wattenmeers vor dessen deutschem Teil und erstreckt sich
bis zu 12 Seemeilen in die Nordsee bis zu einer Wassertiefe von 10 bis 20 m. Dieser Bereich steht
nach nationalem Recht und EU-Recht unter Naturschutz.
Der Offshore-Bereich ist durch eine hohe natürliche Dynamik gekennzeichnet und mit dem Ökosystem
Wattenmeer eng verbunden (vgl. Kapitel 2). Die Sedimente am Meeresboden des Offshore-Bereichs
und der Priele und Wattflächen im Wattenmeer bilden ein kohärentes Sandaustauschsystem, womit
ein natürlicher Sedimenttransport entlang der Küste und in das Wattenmeer ermöglicht wird. Negative
Einwirkungen auf die natürliche Dynamik der Geomorphologie im Offshore-Bereich sind nicht bekannt.
Vögel
Im Offshore-Bereich des Wattenmeers kommen acht Arten von Küstenvögeln in Zahlen vor, die von
internationaler Bedeutung sind (Tab. 4.1). Ein Großteil dieser Küstenvögel nutzt den Offshore-Bereich
zur Nahrungssuche, z.B. die Brandseeschwalbe (Sterna sandvicensis), die sich in einer Entfernung
von bis zu 15 km von ihren Brutkolonien von Sandaalen ernährt, oder die Mantelmöwe.
Vor den nordfriesischen Inseln (in Gebieten mit Wassertiefen zwischen 2 und 10 m) sind hohe
Konzentrationen von Trauerenten (Melanitta nigra) festzustellen, die dieses Gebiet alljährlich
größtenteils verlassen, um in ihre nördlichen Brutgebiete zu ziehen.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 82
Tabelle 4.1: Geschätzte Zahlen der häufigsten Küstenvogelarten, die im Offshore-Bereich bis zur 20-
m-Tiefenlinie in bestimmten Monaten des Jahres vorkommen. * Zahl von internationaler
Bedeutung (1%-Grenze) (Quelle: QSR 2004, S. 267).
Als Meeresvogelarten kommen Trottellumme (Uria aalge) und Tordalk (Alca torda) in der gesamten
Nordsee in Gebieten mit Wassertiefen von über 10 m mit Zahlen zwischen 2.000 und 3.000
Exemplaren vor, sind jedoch auch in der Küstenzone anzutreffen. Der häufigste Taucher, der
Sterntaucher (Gavia stellata), kommt mit etwa 36.000 Exemplaren im Offshore-Bereich über
Wassertiefen von 4-26 m vor.
Meeressäuger
Der Offshore-Bereich ist zudem ein wichtiges Gebiet für Meeressäuger. Unlängst durchgeführten
Untersuchungen zufolge nutzen Seehunde den Offshore-Bereich und die benachbarte Nordsee in
stärkerem Maß als bisher angenommen. Schweinswale sind in der gesamten Nordsee verbreitet,
weisen jedoch vor der Küste Schleswig-Holsteins innerhalb und außerhalb des angemeldeten
Gebietes eine erhebliche Dichte auf. Der Offshore-Bereich des angemeldeten Gebietes vor den Inseln
Sylt und Amrum wurde speziell als Walschutzgebiet ausgewiesen und erstreckt sich bis zu 12
Seemeilen vor der Küste.
Tidezone
Die Tidezone zwischen Festland und Inseln umfasst intertidale Flächen sowie subtidale Bereiche und
ist durch ein hohes Maß an natürlicher Dynamik charakterisiert; Lage, Verlauf und Strukturen von
Prielen, Sandinselchen und auftauchenden Sandbänken verändern sich ständig. Die gesamte
Tidezone steht nach nationalem Recht und EU-Recht unter Naturschutz. Ebenso unterliegt sie dem
trilateralen Wattenmeerplan, der in der Tidenzone eine natürliche Dynamik sowie größere Flächen
anstrebt, die geomorphologisch und biologisch ungestört sind. Darüber hinaus wurden Ziele für
Miesmuschelbänke, Seegraswiesen und Sabellaria-Riffe formuliert.
Die Tidezone in den Niederlanden und Deutschland weist eine Gesamtfläche von rund 6400 km² auf,
wovon rund 4100 km² auf intertidale Flächen (Schlick- und Sandwatt) entfallen. Die Gesamtgröße der
intertidalen Flächen ist gegenüber Mitte der achtziger Jahre nahezu unverändert. Seither sind keine
weiteren Eindeichungen mehr durchgeführt worden. Allerdings kommt es in Festlandsnähe infolge von
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Seegras
Die beiden Seegrasarten Zostera noltii und Z. marina sind die einzigen Unterwasser-Blütepflanzen im
Wattenmeer. Sie bieten verschiedenen Tieren einen Lebensraum und bilden für Ringelgänse und
Pfeifenten eine Nahrungsquelle. Der trilaterale Wattenmeerplan strebt eine größere Fläche sowie eine
natürlichere Verteilung und Entwicklung von Seegraswiesen an.
In den dreißiger Jahren verschwanden infolge einer Seuche (Befall durch den pathogenen Einzeller
Labyrinthula zosterae) die subtidalen Seegraswiesen von Zostera marina. Im südlichen und zentralen
Wattenmeer wurde von den 1950er Jahren bis zu den 1990er Jahren ein Rückgang des intertidalen
Seegrases (Z. marina und Z. noltii) beobachtet. Dieser Rückgang scheint zum Stehen gekommen zu
sein, wobei sogar eine gewisse langsame Erholung zu beobachten ist. In den Niederlanden sind
hauptsächlich im Ems-Dollart-Gebiet etwa 130 ha mit Seegras bewachsen. In Niedersachsen ergab
eine 2002 durchgeführte Kompletterhebung eine Gesamtfläche von 750 ha (wobei das
Hauptvorkommen mit einer Fläche von 580 ha im Jadebusen anzutreffen ist).
Offenbar am weiträumigsten beeinflusst wird die Verbreitung von Seegras im Wattenmeer durch
Eutrophierung und hydrodynamische Veränderungen, wohingegen die positiven Effekte einer
geringen Salinität und die negativen Effekte der Muschelfischerei und des Küstenschutzes zwar
ebenfalls eine gewichtige Rolle spielen, jedoch eher von örtlicher Bedeutung sind.
Muschelbänke
Miesmuschelbänke unterliegen wegen ihrer Biodiversität und speziellen ökologischen Bedeutung
einem besonderen Schutz. Daher ist die Muschelfischerei im gesamten Wattenmeer durch
Bewirtschaftungspläne geregelt (vgl. Kapitel Ressourcen / Management). Der trilaterale
Wattenmeerplan strebt eine größere Fläche sowie eine natürlichere Verteilung und Entwicklung von
Wildmuschelbänken an.
Somit konnten sich natürlich vorkommende Miesmuschelbänke in der intertidalen Zone entsprechend
entwickeln (Abb. 4.2). In den Niederlanden wurde im östlichen Teil des niederländischen Wattenmeers
eine zunehmende Fläche intertidaler Miesmuschelbänke beobachtet, wo 1999, 2001 und 2003 starker
Nachwuchs festzustellen war. Im westlichen Teil des niederländischen Wattenmeers haben sich
jedoch nur sehr wenige Bänke entwickelt. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein gab es 1996
einen recht hohen Brutfall. Seit 1999 zu beobachtender Nachwuchsmangel hat jedoch zu einem
Rückgang und insgesamt zu einem Verlust von Biomasse geführt. In Niedersachsen ist die rückläufige
Entwicklung bei Miesmuschelbänken zum Stillstand gekommen, womit sich der Miesmuschelbestand
auf dem aktuellen Niveau stabilisiert zu haben scheint.
Bei der Populationsdynamik von Miesmuscheln spielt der Brutfall eine zentrale Rolle. Die
maßgeblichen Faktoren dafür sind noch nicht vollständig erforscht, ebensowenig die Ursache
regionaler Unterschiede beim Brutfall im Wattenmeer.
Neben dem Fortpflanzungserfolg wirken sich auch Stürme und die Vereisung auf die langfristige
Entwicklung von Miesmuschelbänken wesentlich aus.
Fläche
3500
(ha)
The Netherlands
3000
Niedersachsen
Schlesw ig-Holstein
2500
2000
1500
1000
500
0
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Biomasse (t)
120000
The Netherlands
100000 Niedersachsen
Schlesw ig-Holstein
80000
60000
40000
20000
0
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Abbildung 4.2: Fläche (ha) und Biomasse (t) intertidaler Miesmuschelbänke in den Niederlanden und
Deutschland (Niedersachsen, Schleswig-Holstein). (fehlende Balken = fehlende Daten)
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 85
Salzwiesen
Salzwiesen sind das natürliche Bindeglied zwischen Land und Meer. Sie entstehen durch eine enge
Interaktion zwischen hydrodynamischen Prozessen und der Vegetationsentwicklung. Salzwiesen sind
auf den Barriereinseln und den Halligen, in den Ästuaren und entlang der Festlandsküste zu finden. In
den letzten Jahrhunderten wurde eine Vielzahl von Salzwiesen an der Festlandsküste eingedeicht,
wobei vor den Deichen sukzessive neue Salzwiesen entstanden sind Salzwiesen wurden auch
intensiv von Rindern oder Schafen beweidet. Heute stehen alle Salzwiesen des Wattenmeers nach
nationalem Recht und EU-Recht unter Naturschutz und fallen zudem unter den Wattenmeerplan. Der
Wattenmeerplan strebt eine Flächenausweitung natürlicher Salzwiesen, eine natürliche Morphologie
und Dynamik sowie eine verbesserte natürliche Vegetationsstruktur künstlicher Salzwiesen an.
Die Salzwiesenfläche hat in den letzten Jahrzehnten fast überall im Wattenmeer zugenommen,
zumeist in den östlichen Teilen von Inseln und in geschützten Gebieten entlang der Küste. Die größte
Zunahme war in Niedersachsen (rund 2700 ha, 1966 – 1997) und in Schleswig-Holstein (rund 700 ha,
1988 – 2001) zu beobachten. Die unlängst durchgeführte umfassende Bestandsaufnahme sämtlicher
Salzwiesen auf der Basis einer regelmäßigen vollständigen Vegetationskartierung hat eine
Gesamtfläche von 31325 ha im angemeldeten Gebiet ergeben (QSR 2004).
In den Niederlanden und Deutschland befinden sich rund 56% der Salzwiesen auf den Inseln, wobei
rund 7% der Salzwiesen auf dem Festland niemals künstlich entwässert und nicht von Nutzvieh
beweidet werden, womit sie als natürlich gelten können. So wurden beispielsweise im Hamburger
Wattenmeer rund 35% der Salzwiesen niemals durch irgendeine Flächennutzung oder eine künstliche
Entwässerung beeinflusst.
Darüber hinaus wurde bei rund 690 ha Salzwiesen (310 ha in Niedersachsen, 40 in Hamburg und 340
ha in den Niederlanden) ein Deichrückbau [von Sommerpoldern] vorgenommen, wobei die mögliche
Entstehung neuer Salzwiesenflächen und die Vegetationsentwicklung überwacht werden.
Seit den 1980er Jahren werden die aus Küstenschutzgründen oder für landwirtschaftliche Zwecke
erfolgende Beweidung durch Nutzvieh und die künstliche Entwässerung generell vermindert. In
einigen Fällen wird aus Biodiversitätsgründen eine mäßige Beweidung betrieben. In diesen beiden
letzten Jahrzehnten haben sich zahlreiche Flächen mit natürlichen und halbnatürlichen Salzwiesen
entwickelt.
Auf den Inseln können sich Salzwiesen überwiegend auf natürliche Weise entwickeln, wobei sie
verschiedene Übergangsphasen aufweisen. Die Beweidung durch Nutzvieh zu landwirtschaftlichen
Zwecken hat in allen Gebieten während der letzten 20 Jahre generell abgenommen. Bei etwa 60% der
Salzwiesen wurden keinerlei Entwässerungsmaßnahmen durchgeführt; bei weiteren 31% wurde in
den letzten 10 Jahren auf eine künstliche Entwässerung verzichtet.
Die Salzwiesen entlang der Festlandsküste befinden sich zumeist vor dem Seedeich. In den meisten
Fällen wurde ihre Entwicklung vom Menschen aktiv unterstützt, z.B. durch Entwässerung oder
Reduzierung der Wellenenergie. Früher wurde vielfach eine intensive landwirtschaftliche Nutzung
betrieben. Seit Mitte der 80er Jahre konnte auf den Festlandssalzwiesen in den Niederlanden und in
Deutschland eine Reduzierung intensiv beweideter Flächen um 50% festgestellt werden (Abbildung
4.3). Bei etwa 39% der Festlandssalzwiesen wurden in den letzten 10 Jahren keine
Entwässerungsmaßnahmen durchgeführt. Dies ist den natürlichen Sedimentations- und
Erosionsprozessen und der Entwicklung der natürlichen Salzwiesenvegetation zugute gekommen.
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Strände und Dünen unterliegen laufenden Veränderungen, die auf Naturkräfte wie den Nordseestrom,
die Brandung und den Wind zurückzuführen sind. Im angemeldeten Gebiet befinden sich rund 4600
ha Dünen, zumeist auf den niedersächsischen Inseln. Diese stellen die typischen Barriereinseln des
Wattenmeers dar.
Nahezu alle Strände und Dünengebiete stehen nach nationalem Recht und EU-Recht unter
Naturschutz und fallen zudem unter den Wattenmeerplan, der eine stärkere natürliche Dynamik und
Vegetationssukzession anstrebt.
Die natürliche Dynamik von Stränden und Dünen lässt sich hauptsächlich in den östlichen
unbewohnten Teilen der Barriereinseln beobachten, wo keine Küstenschutzmaßnahmen durchgeführt
werden müssen. In diesen Gebieten haben sich infolge des natürlichen Sandtransports Embryonal-
und Primärdünen entwickelt. Seit Mitte der sechziger Jahre sind auf rund 870 ha neue Dünengebiete
entstanden, wobei es gleichzeitig auf 115 ha zu Dünenerosion gekommen ist.
In den westlichen bewohnten Inselteilen sind jedoch praktisch alle Dünen zum Bestandteil des
Küstenschutzsystems geworden. Die Weißdünen werden gepflegt und vor Erosion geschützt, z.B.
durch Anpflanzung von Strandhafer. In diesen Gebieten wird lokal und periodisch die natürliche
Dynamik von Stränden durch Küstenschutzmaßnahmen beeinflusst, z.B. in Form von Steinbuhnen
und Sandaufschüttungen am Strand oder im Uferbereich. Die Küstenschutzmaßnahmen werden bei
anhaltendem Meeresspiegelanstieg möglicherweise noch verstärkt. Darüber hinaus stellen die neben
den Inseldörfern gelegenen Strände auch die Haupterholungsgebiete dar.
Die Entwicklung der Dünen auf den niedersächsischen Barriereinseln wurde über einen Zeitraum von
50 Jahren durch einen Vergleich verschiedener Vegetationskarten aus den 1940er Jahren mit
Erhebungen neueren Datums analysiert, woraus folgende Erkenntnisse gewonnen wurden:
• Embryonaldünen entwickeln sich auf natürliche Weise an den Stränden der östlichen
Inselteile, wohingegen sie in Gebieten mit intensiver Freizeitnutzung zurückgegangen sind,
• die Fläche von Weißdünen ist auch wegen ihrer Bedeutung für den Küstenschutz nahezu
unverändert geblieben,
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 87
• Graudünen stellen nach wie vor den wichtigsten Dünentyp dar, eine Entwicklung hin zu
älteren Sukzessionsphasen wie Heide oder Strauchwerk wurde beobachtet,
• artenreiche Dünentäler sind ein seltener, aber wichtiger Dünentyp mit spezifischer Vegetation
und Biodiversität. Auf einigen Inseln wird durch vermehrte Grundwasserentnahme eine
beschleunigte Sukzession von Dünentälern zu trockeneren Lebensgemeinschaften
verursacht. Daher wurde auf den Inseln Langeoog und Norderney zur Minimierung der
Auswirkungen der Grundwasserentnahme auf die Vegetation ein Bewirtschaftungsplan
festgelegt.
Ähnliche Entwicklungen wurden auch in Dünengebieten beobachtet, die dem angemeldeten Gebiet
benachbart sind, z.B. auf den niederländischen und schleswig-holsteinischen Inseln.
Vögel
Brutvögel
In den Salzwiesen und Dünen sowie auf den Stränden brütet eine Vielzahl von Vogelarten. Diese sind
während der Brutzeit besonders störungsanfällig. Alle Vogelarten sind nach nationalem Recht und EU-
Recht geschützt. Der trilaterale Wattenmeerplan strebt günstige Bedingungen für Brutvögel durch ein
gutes Nahrungsangebot und natürlichen Bruterfolg an.
Von den 31 Vogelarten, die im Rahmen des trilateralen Monitoring- und Bewertungsprogramms
(Trilateral Monitoring and Assessment Program – TMAP) regelmäßig überwacht werden, brüten im
Wattenmeer fünf Arten, die mit mehr als 25% ihrer nordwesteuropäischen Populationen vorkommen.
Einige Arten sind als selten einzustufen, da sich das Wattenmeer am Rand ihres europäischen
Brutgebiets befindet.
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Qualität verschiedener Biotope verbessert, was beispielsweise
zu einer Zunahme von Küstenvögeln wie dem Rotschenkel geführt hat, der auf Salzwiesen brütet.
Infolge eines seit nahezu 15 Jahren (seit 1994) andauernden Monitoring ist nunmehr eine
zuverlässige Beurteilung von Trends sowohl für den gesamten Zeitraum als auch für die letzten fünf
Jahre möglich geworden. Letzteres kann als Warnhinweis für jüngste Veränderungen dienen (Tab.
4.2).
Im Zeitraum 1990-2001 wurde bei Betrachtung des gesamten Wattenmeers bei zehn Arten eine
erhebliche Zunahme festgestellt. Die höchsten Zuwachsraten waren bei Kormoran, Mantelmöwe,
Löffler, Heringsmöwe und Schwarzkopfmöwe zu beobachten (Tab. 4.2). Diese Arten haben ihr
Brutgebiet in den letzten 10 Jahren nahezu ausnahmslos ausgedehnt und auch 2002-2004 im
Bestand weiter zugenommen. Die Brutpopulation der meisten Arten mit Zuwachsraten ist im gesamten
Erhebungszeitraum weiter gewachsen (vgl. Tab. 4.2). Bei Eiderente und Küstenseeschwalbe war ein
Rückgang festzustellen, wenn lediglich die Jahre seit 1996 bzw. 1998 betrachtet werden.
Eine erhebliche Bestandsabnahme war bei neun Arten zu verzeichnen, darunter Sandregenpfeifer,
Seeregenpfeifer, Uferschnepfe und Kiebitz. Der stärkste Rückgang scheint bei drei Arten aufgetreten
zu sein, für welche sachgerechte Trendbeurteilungen für das letzte Jahrzehnt wegen geringer
Bestandszahlen und zerstreuter Brutgebiete schwierig sind (Alpenstrandläufer, Kampfläufer,
Bekassine). Aus neueren Zählungen (bis 2004) ist zu schließen, dass der Rückgang bei Kiebitz,
Uferschnepfe und Silbermöwe zum Stillstand gekommen ist, während bei der Flussseeschwalbe in
letzter Zeit offenkundig eine Erholung eingetreten ist. Sand- und Seeregenpfeifer haben auch 2002-
2004 im Bestand weiter abgenommen.
Bei einigen Arten ist der Bestandsrückgang auf die zunehmende Nutzung von Stränden und anderen
Brutplätzen durch Freizeitaktivitäten zurückzuführen. Die Schutzmaßnahmen für in Kolonien brütende
Strandbrüter wie die Zwergseeschwalbe (Sterna albifrons) waren erfolgreich, beim Seeregenpfeifer
(Charadrius alexandrinus) und Sandregenpfeifer (Charadrius hiaticula) ist jedoch weiterhin eine
Abnahme der Bestände zu verzeichnen, weshalb weitere Schutzbemühungen erforderlich sind. Der
Bestandsrückgang bei den Brutpopulationen von Eiderente (>75% im niederländischen Wattenmeer),
Austernfischer und mutmaßlich auch Silbermöwe – überwiegend im niederländischen Wattenmeer –
gilt als Folge einer intensiven (Herz- und Mies-) Muschelfischerei, die in den Niederlanden mittlerweile
reduziert worden ist. In einigen Gebieten wurde eine Verlagerung der Brutpaarzahlen vom Festland
auf die Inseln beobachtet, was auf zunehmenden Prädationsdruck durch Säugetier-Prädatoren wie
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den Rotfuchs zurückzuführen ist. Bei Salzwiesenbrütern (z.B. Watvögeln, Sperlingsvögeln) wurden
verschiedene Trends und Fluktuationen beobachtet, wobei jedoch kein eindeutiger Zusammenhang
mit Veränderungen bei der landwirtschaftlichen Nutzung oder Vegetationsentwicklung dieser Gebiete
festgestellt werden konnte.
Tabelle 4.2: Brutvögel im Wattenmeer 2001 und Trends 1990-2001 (Koffijberg et al., 2006).
Ebenfalls angegeben sind die internationale Bedeutung (als Prozentsatz der nordwesteuropäischen
Gesamt-Zugwegpopulation, nach Rasmussen et al., 2000) und die Einstufung in der Roten Liste
(Wattenmeer; SUS anfällig; VUL gefährdet; END stark gefährdet; CRI vom Erlöschen bedroht; - keine
Einstufung auf der Roten Liste, nach Rasmussen et al., 1996). Die Angabe 2001 bezieht sich auf die
Brutpopulation 2001. Gezeigt werden die Trends für den gesamten Zeitraum 1991-2001 sowie zur
Feststellung jüngster Veränderungen auch für die letzten fünf Jahre (seit 1996): - signifikant rückläufig;
= signifikant stabil; (=) ohne signifikanten Trend schwankend; + signifikant zunehmend (signifikant bei
P < 0,05). Bei einigen Arten konnte wegen der kleinen oder verstreuten Brutpopulation kein Trend
berechnet werden („keine Daten“). In Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie aufgeführte Arten sind
gesondert gekennzeichnet.
Anhang I
EU-
% Population Einstufung Trend Trend
Art Vogel- 2001
NW-Europa Rote Liste 1990-2001 1996-2001
schutz-
richtlinie
Kormoran Phalacrocorax carbo - 1-5 - 2,348 + +
Löffler Platalea leucorodia x >25 SUS 831 + +
Brandgans Tadorna tadorna* - 5-25 - 6,480 + +
Eiderente Somateria mollissima* - 1-5 - 10,500 + (=)
Mittelsäger Mergus serrator - <1 VUL 44 (+) keine Daten
Kornweihe Circus cyaneus x 1-5 - 126 (=) -
Austernfischer Haematopus ostralegus* - 5-25 - 39,928 (=) -
Säbelschnäbler Recurvirostra avosetta* x >25 - 10,170 = (=)
Sandregenpfeifer Charadrius hiaticula* - 1-5 VUL 1,093 - -
Seeregenpfeifer Charadrius alexandrinus* x >25 END 340 - -
Kiebitz Vanellus vanellus* - 1-5 - 11,643 - (=)
1
Alpenstrandläufer Calidris alpina schinzii x 1-5 CRI 24 (-) keine Daten
1
Kampfläufer Philomachus pugnax x <1 CRI 33 (-) keine Daten
1
Bekassine Gallinago gallinago - <1 - 188 (-) keine Daten
Uferschnepfe Limosa limosa - 1-5 VUL 2,824 - (=)
Brachvogel Numenius arquata - <1 - 640 (=) (=)
Rotschenkel Tringa totanus* - 5-25 - 17,815 (=) (=)
Steinwälzer Arenaria interpres - <1 CRI 1 keine Daten keine Daten
Schwarzkopfmöwe Larus melanocephalus x 1-5 - 9 + +
Zwergmöwe Larus minutus x <1 SUS - keine Daten keine Daten
Lachmöwe Larus ridibundus* - 5-25 - 154,395 (=) +
Sturmmöwe Larus canus* - 1-5 - 13,827 + +
Heringsmöwe Larus fuscus* - 5-25 - 79,679 + +
Silbermöwe Larus argentatus* - 5-25 - 78,402 - (=)
Mantelmöwe Larus marinus - <1 - 27 + +
Lachseeschwalbe Gelochelidon nilotica x >25 CRI 56 (=) (=)
Brandseeschwalbe Sterna sandvichensis* x >25 END 17,172 = (=)
Flussseeschwalbe Sterna hirundo* x 5-25 - 13,594 - +
Küstenseeschwalbe Sterna paradisaea* x 1-5 - 8,464 + -
Zwergseeschwalbe Sterna albifrons x >25 END 1,099 + +
Sumpfohreule Asio flammeus x <1 END 89 (=) (=)
1
Trendberechnung wegen fehlender Daten nicht möglich; Einstufung beruht auf den Erhebungsergebnissen von 1991, 1996
und 2001.
Rastvögel
Die überragende Bedeutung des Wattenmeers für Durchzügler und Wintergäste ist in mehreren
internationalen Übereinkommen und Richtlinien anerkannt worden, z.B. im Ramsar-Übereinkommen,
im Bonner Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten sowie in der
Vogelschutzrichtlinie und der Habitat-Richtlinie der EU. Diese Rechtsakte sind ausnahmslos in
nationales Recht und entsprechende Schutzregelungen umgesetzt worden. Der Wattenmeerplan
strebt günstige Bedingungen für Durchzügler und Wintergäste sowie ungestörte Rast- und
Mauserplätze von ausreichender Größe an.
Die Menge und Qualität der Daten zu durchziehenden und überwinternden Wasservögeln hat in den
letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen. Zusätzlich zu den Erhebungen mit Schwerpunkt auf den
Überwinterungszahlen und der Verteilung im Rahmen der Internationalen Wasservogelzählung von
Wetlands International werden im Rahmen des TMAP an zahlreichen Stellen weitere Synchron- und
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 89
Tabelle 4.3a: Trendkategorien für den neuesten Zehnjahreszeitraum 1994/1995-2003/2004 für das
Wattenmeer insgesamt und die einzelnen Regionen (in „Trendtabellen“) (nach Blew et al., in Bearb.).
Trendkategorien: ++ = starke Zunahme, + = Zunahme, 0 = stabil, - = Abnahme, F= schwankend
Wattenmee
Art SH Nds/HH NL
r
Löffler ++ ++ ++ ++
Kormoran ++ ++ ++ ++
Spießente + 0 + +
Flussregenpfeifer + + + +
Sanderling + F 0 ++
Uferschnepfe + - 0 +
Löffelente 0 0 + 0
Brandgans 0 - 0 +
Nonnengans 0 0 0 +
Grünschenkel 0 - 0 F
Kiebitz 0 0 0 F
Brachvogel 0 - - +
Sturmmöwe 0 0 F 0
Alpenstrandläufer 0 - 0 +
Lachmöwe 0 - 0 0
Kiebitzregenpfeifer 0 - 0 0
Regenbrachvogel 0 F - F
Dunkler Wasserläufer 0 - 0 -
Rotschenkel - - - 0
Stockente - 0 0 0
Goldregenpfeifer - - 0 0
Silbermöwe - - - -
Austernfischer - - - -
Säbelschnäbler - - 0 -
Ringelgans - - 0 -
Mantelmöwe - - - F
Pfeifente - - - F
Knutt - - - -
Kampfläufer - - F 0
Sichelstrandläufer F F F F
Krickente F 0 F F
Steinwälzer F 0 F 0
Seeregenpfeifer F 0 F F
Relativ gut geschützt sind die bei Flut verfügbaren Rastplätze, von denen über 80% in besonderen
Schutzgebieten liegen. Dessen ungeachtet können Störungen in allen Teilen des Wattenmeers
auftreten. Mit am folgenschwersten sind Freizeitaktivitäten im Freien, die im Juli und August am
stärksten sind, sich jedoch zunehmend auch im Frühling und Herbst bemerkbar machen. Potenzielle
Konflikte werden durch eine räumliche und zeitliche Zonierung von Freizeitaktivitäten sowie
überzeugende Besucherinformationssysteme minimiert und gelöst. Für rastende Vögel sind im
Wattenmeer verschiedene Schutzregelungen eingeführt.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 91
Für drei Arten sind im Wattenmeer und in der Offshore-Zone wichtige Mausergebiete vorhanden. So
mausert sich im südlichen Teil des schleswig-holsteinischen Wattenmeers praktisch die gesamte
nordwesteuropäische Population der Brandgans. Die zuständige Nationalparkbehörde konnte mit
verschiedenen Benutzergruppen erfolgreich freiwillige Vereinbarungen treffen, um Störungen während
der Mauser zu vermeiden.
Bei der Trauerente befinden sich die Mausergebiete in der Offshore-Zone mit von Nord nach Süd
abnehmender Bedeutung. Realistische Schätzungen der Anzahl der sich im Wattenmeergebiet
mausernden Vögel liegen jedoch nicht vor. Die Wahl der Mausergebiete richtet sich nach dem
Vorhandensein der bevorzugten Nahrungsquelle (z.B. Bivalven Spisula spp.) und eines geringen
Störpegels.
Meeressäuger
Die Zahl der Seehunde und Kegelrobben hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Zur
Populationsgröße des Schweinswals sind speziell für das angemeldete Wattenmeer noch keine
Trends bekannt, wobei die Zahl der Sichtungen in den letzten Jahren allerdings zugenommen hat.
Beim Schweinswal handelt es sich um eine Nordsee-Population.
Alle Meeressäuger sind nach nationalem Recht und EU-Recht geschützt. Seehunde und Kegelrobben
fallen zudem unter das trilaterale Seehund-Übereinkommen und der Schweinswal unter das
ASCOBANS-Übereinkommen, bei denen es sich jeweils um regionale Abkommen im Rahmen der
Konvention zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten (Bonner Übereinkommen) handelt.
Das Seehund-Übereinkommen wurde zwischen den drei Wattenmeer-Ländern mit dem Ziel
geschlossen, bei der Erreichung und Erhaltung eines günstigen Erhaltungszustandes für die
Seehund- und Kegelrobbenpopulation im Wattenmeer eng zusammenzuarbeiten.
Der Wattenmeerplan strebt lebensfähige Bestände und eine natürliche Reproduktionsfähigkeit von
Seehunden, Kegelrobben und Schweinswalen an.
Kegelrobben
Der Kegelrobbenbestand war im Wattenmeergebiet (südöstliche Nordsee) infolge von Bejagung
jahrhundertelang erloschen. Heute nimmt die Anzahl der Kegelrobben im Wattenmeer wieder zu. Im
westlichen Teil des niederländischen Wattenmeers hat sich die Kegelrobbenpopulation seit der
Wiederbesiedlung Anfang der achtziger Jahre rasant entwickelt, wobei während des Haarwechsels
(März/April) durchgeführte Zählungen einen jährlichen Anstieg um durchschnittlich 20% zeigen, womit
sich die Zahl der 2005 während des Haarwechsels gezählten Tiere auf 1500 Exemplare beläuft (Abb.
4.4).
1200
1000
800
600
400
200
0
80
82
84
86
88
90
92
94
96
98
00
02
04
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
20
20
20
Abbildung 4.4: Während des Haarwechsels (März/April) ermittelte Bestandszahlen von Kegelrobben
im niederländischen Wattenmeer
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 92
Seehund
Der Seehund (Phoca vitulina) ist der häufigste einheimische Meeressäuger im Wattenmeer, wobei
seine Gesamt-Wattenmeerpopulation als Einheit betrachtet werden kann. Ein Austausch mit
Populationen in anderen Gebieten wie Wash (Großbritannien) und Kattegat/Skagerrak (Schweden
und Dänemark) findet zwar statt, erfolgt allerdings nur in sehr geringem Umfang.
Im Wattenmeer ruhen Seehunde vorwiegend entlang der Priele auf intertidalen Sandbänken, die bei
Ebbe trockenfallen. Die Sandbänke werden für Sozialkontakte, zum Gebären und Aufziehen der
Jungtiere sowie für den Haarwechsel genutzt.
Nach einer katastrophalen, durch den Seehundstaupevirus (Phocine Distemper Virus – PDV)
verursachten Epidemie im Jahr 1988 erholte sich die Seehundpopulation um nahezu das Fünffache
von etwa 4.400 Exemplaren im Jahr 1989 auf 20.975 Stück im Jahr 2002 (Abb. 4.5).
2002 wurde die Population von einer zweiten Staupeepidemie befallen, weshalb 2003 im deutsch-
niederländischen Wattenmeer nur 47% der (ohne Epidemie) zu erwartenden Zahl der Seehunde
ermittelt wurden, d.h. 9654 Exemplare. Diese Zahl ist mit der Bestandsgröße von 1996 vergleichbar.
2005 belief sich die Gesamtzahl der bei koordinierten Erhebungen in der Haarwechselperiode im
deutsch-niederländischen Wattenmeer im August gezählten Seehunde auf 12.555 Exemplare (5.505
in Schleswig-Holstein, 3.607 in Niedersachsen/Hamburg und 3.443 in den Niederlanden).
Die Höchstzahl der während der Wurfperiode im Juni ermittelten Jungtiere belief sich auf 4.119
Exemplare (2.046 in Schleswig-Holstein, 1.176 in Niedersachsen/Hamburg und 897 in den
Niederlanden).
20000
18000
The Netherlands Niedersachen/Hamburg Schleswig-Holstein
16000
14000
Estimated
12000
10000
8000
6000
4000
2000
0
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
98
99
00
01
02
03
04
05
06
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
20
20
20
20
20
20
20
Abbildung 4.5: Seit 1975 ermittelte Zahlen des Seehunds (Phoca vitulina) in den
Wattenmeerregionen Niederlande, Niedersachsen/Hamburg und Schleswig-Holstein
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 93
Schweinswal
Der Schweinswal (Phocoena phocoena) ist in der gesamten Nordsee und angrenzenden Gewässern
weit verbreitet. Früher wurde er in den Mündungsgebieten großer Flüsse und im Wattenmeer häufig
gesichtet.
Den 1994 und 1995 in der Nordsee und angrenzenden Gewässern durchgeführten SCANS-
Erhebungen zufolge kamen im gesamten Gebiet der Nordsee rund 230.000 Schweinswale vor. Im
Vergleich zu anderen Teilen der Nordsee wurden im schleswig-holsteinischen Teil eine hohe Dichte
von Schweinswalen und insbesondere von Mutter-Kalb-Gruppen nachgewiesen. So spielt das
deutsche Meeresgebiet westlich von Sylt als Jungtieraufzuchtgebiet für Schweinswale eine
bedeutende Rolle.
In den Sommern der Jahre 2002 bis 2006 aus der Luft durchgeführte Erhebungen von Schweinswalen
in der Deutschen Bucht haben gezeigt, dass sich die mittlere Gesamtzahl von Schweinswalen in der
deutschen AWZ der Nordsee auf rund 50.000 Exemplare belief.
Fische
Fische spielen in der Ökologie des Wattenmeeres und der zugehörigen Ästuare eine bedeutende
Rolle. Entsprechende Schutzregelungen für das Wattenmeer sind in der Wasserrahmenrichtlinie (für
Übergangsgewässer und Flüsse) und in der Habitat-Richtlinie festgelegt. Die Fischerei ist auf EU-
Ebene und im nationalen Recht geregelt.
Trends zur Entwicklung der Fischpopulation im Wattenmeer lassen sich aus bis Mitte der siebziger
Jahre zurückreichenden Langzeituntersuchungen zu demersalen [bodenlebend] Fischen in den
Niederlanden und Deutschland sowie zu pelagischen [in der Wassersäule lebend] Fischen im
schleswig-holsteinischen Wattenmeer und einigen Ästuaren herleiten. Bei den 23 analysierten
Fischarten sind starke regionale Unterschiede bei Häufigkeit und jahreszeitlicher Verteilung
festzustellen. Darüber hinaus kommt es in größeren zeitlichen Maßstäben, die sich beispielsweise
über Jahrzehnte erstrecken, zu regelmäßigen Bestandsschwankungen, was die Erkennung räumlicher
und regionaler Entwicklungen gelegentlich erschwert.
Positive Trends konnten dabei beim Hering beobachtet werden, was dem nordseeweiten
Verteilungsmuster entspricht, sowie bei Sardellen, mutmaßlich wegen höherer Temperaturen. Bei der
Finte wurden in Schleswig-Holstein (wie auch in der Deutschen Bucht) hohe Zahlen sowie ein
zunehmender Trend festgestellt, möglicherweise wegen einer stabilen Laichpopulation im
Elbmündungsgebiet. Im Ästuar der Ems wurden dagegen niedrigere Zahlen erfasst.
Die Anzahl juveniler Plattfische, die das niederländische Wattenmeer als Gebiet zum Heranwachsen
nutzen, ist im Rückgang begriffen, insbesondere die Häufigkeit von Kliesche und Scholle (Abb. 4.6).
Dies ist im Wesentlichen auf eine Offshore-Verlagerung bei der Verbreitung juveniler Plattfische
zurückzuführen und nicht auf örtliche Umweltveränderungen im Wattenmeer; die ursächlichen
Faktoren für diese Verlagerung sind noch nicht vollständig erforscht.
Die Fünfbärtelige Seequappe oder der Steinpicker, die als (quasi) residente Arten klassifiziert sind,
zeigen über längere Zeiträume keine eindeutigen Häufigkeitstrends, die Häufigkeit der echt residenten
Arten Seeskorpion und Aalmutter scheint im zehnjährigen Maßstab zu schwanken (Abb. 4.7).
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 94
Abbildung 4.6: Marine juvenile Plattfische: Fangquoten nach Altersgruppe bzw. Größenklasse von
Scholle (Pleuronectes platessa) (a-b), Seezunge (Solea solea) (c-d) und Kliesche
(Limanda limanda) (e-f) im niederländischen Wattenmeer (DFS-Daten): Jahresmittel
(Symbole) und fortlaufendes Fünfjahresmittel (durchgezogene Linie).
Abbildung 4.7: Residente Arten: Fangquoten von Aalmutter (Zoarces viviparus) (a) und Seeskorpion
(Myoxocephalus scorpius) (b) im niederländischen Wattenmeer (DFS-Daten): Jahresmittel
(Symbole) und fortlaufendes Fünfjahresmittel (durchgezogene Linie).
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 95
Makrozoobenthos
Langzeitdatenreihen, die bis in die 1970er Jahre zurückreichen, zeigen in verschiedenen Teilen des
Wattenmeers bei der Biomasse und Artenhäufigkeit des Makrozoobenthos große Fluktuationen. Dabei
wurden jedoch zwei gegenläufige Trends beobachtet: Die Biomasse polychaeter Würmer [Vielborster]
hat zugenommen, wohingegen die Muschel-Biomasse von einem Rückgang betroffen war. Die
Gründe für diese Trends sind noch nicht bekannt. Der beobachtete Rückgang beim
Fortpflanzungserfolg von Muscheln in den letzten 15 Jahren, der mit einer Verlagerung von deren
Verbreitungsschwerpunkten in Richtung Küste einhergeht, lässt sich weitgehend mit einem
zunehmenden Prädationsdruck auf die neu angesiedelten Postlarven durch Garnelen und
Strandkrabben erklären. Dieser Effekt wurde in verschiedenen Teilen des Wattenmeers beobachtet
und fällt mit dem Auftreten milder Winter zusammen. Dies zeigt den Einfluss klimatischer Faktoren auf
den Fortpflanzungserfolg und damit auf die Populationsgrößen von Muscheln in Wattenmeer. In eher
regionalem Maßstab können auch Veränderungen bei den Sediment-Verhältnissen eine Rolle spielen.
Im nördlichen deutschen Wattenmeer waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts etwa 100 Arten
häufig anzutreffen. Davon war bei 28 Arten ein erheblicher Bestandsrückgang zu verzeichnen, in
erster Linie wegen des Verschwindens von Wildausterbänken und von Riffen des röhrenbauenden
polychaeten Wurms Sabellaria spinulosa. Andere Arten sind dagegen häufiger geworden,
insbesondere eine Reihe von polychaeten Würmern, die an gestörte Habitate angepasst sind.
Alle menschlichen Aktivitäten innerhalb des angemeldeten Gebietes, bei denen von nachteiligen
Wirkungen auszugehen ist, sind zeitlich und räumlich geregelt bzw. untersagt. Des Weiteren
unterliegen alle zulässigen Tätigkeiten mit Vergabe von Lizenzen einer Prüfung ihrer Verträglichkeit
mit dem Gebiet gemäß EU-Habitat-Richtlinie, die in nationales Recht umgesetzt wurde. In Artikel 6
Absatz 3 der Habitat-Richtlinie ist – wie hier in Kapitel 3 erwähnt – Folgendes geregelt: „Pläne oder
Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür
nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen
Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit
den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. ... [d]ie zuständigen einzelstaatlichen Behörden
[stimmen] dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches
nicht beeinträchtigt wird....“ In Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie heißt es: „Ist trotz negativer Ergebnisse
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 96
Es gibt jedoch eine Reihe von Tätigkeiten (wovon die bedeutenden außerhalb des angemeldeten
Gebietes ausgeübt werden), die das angemeldete Gebiet potenziell beeinträchtigen, jedoch für die
regionale Wirtschaft, die Lebensverhältnisse der in dem Gebiet lebenden oder es als Touristen
besuchenden Menschen von wesentlicher Bedeutung sind. Diese Tätigkeiten beziehen sich auf die
Schifffahrt und die damit verbundene Unterhaltungsbaggerung der Fahrwasser sowie entsprechende
Hafenbaumaßnahmen, auf Bodenabsenkungen infolge von Gasförderung und auf den Küstenschutz.
Darüber hinaus stellt das Problem eingeführter Arten eine potenzielle Belastung dar, das
angesprochen werden muss. Des Weiteren gibt es einige Tätigkeiten, z.B. ziviler Luftverkehr,
militärische Aktivitäten, Jagd und Kabelverlegung, die für das angemeldete Gebiet potenziell
Störungen verursachen könnten.
Im Umfeld des Gebietes befinden sich zahlreiche Häfen. Die überwiegende Mehrheit der kleineren
Häfen ist in unmittelbarer Nachbarschaft zum angemeldeten Gebiet auf dem Festland oder auf den
Inseln gelegen. Dabei handelt es sich um lebenswichtige Infrastrukturanlagen für die örtliche und
regionale Wirtschaft, insbesondere zur Versorgung der Inseln, des Festlands und der maritimen
Anlagen, sowie für den Verkehr zu und von den Inseln. Des Weiteren befinden sich neben dem
angemeldeten Gebiet oder in dessen Nachbarschaft mehrere große Seehäfen von internationaler
Bedeutung, die sowohl auf regionaler als auch nationaler Ebene eine wesentliche Rolle für die
Wirtschaft spielen. Der Zugang zu den Häfen ist daher jetzt und künftig unabdingbar und erfordert
entsprechende Baggerarbeiten, in erster Linie zur Freihaltung der Fahrwasser, jedoch auch zum
Ausbau der bestehenden Schifffahrtswege, um einen Schiffstransport auf dem neuesten Stand der
Technik zu ermöglichen. Die Menge des ausgebaggerten Materials, welches in das gesamte
Wattenmeergebiet abgelagert wurde, schwankte im Zeitraum 1998-2003 zwischen etwa 9 und 26 Mio.
t/Jahr (Trockengewicht) (Durchschnitt 14,8 Mio. t/Jahr) (Abbildung 4.8). Im Durchschnitt wurden im
oder nahe beim deutschen Teil des Wattenmeers 12,3 Mio. t/Jahr (Trockengewicht) und im
niederländischen Teil 1,4 Mio. t abgelagert. In beiden Fällen stellen diese Durchschnittsmengen einen
Rückgang gegenüber den im Zeitraum 1989-1997 abgelagerten Durchschnittsmengen an
Ausbaggerungsmaterial dar.
Abbildung 4.8: Menge des in das Wattenmeer abgelagerten Ausbaggerungsmaterials (in Tonnen
Trockengewicht) (Zeitraum 1989-2003). Datenquelle: OSPAR-Jahresberichte, QSR 1999.
Bis 1997 (für NL bis 1994) wurden die Daten in Tonnen Nassgewicht ausgewiesen; zum
Vergleich wurden die Daten vor 1998 (für NL vor 1995) in Trockengewicht umgerechnet
(Nassgewicht/1,97) (nach: QSR 2004, S. 72).
Die Niederlande beabsichtigen eine Erweiterung des Fahrwassers von der Nordsee zum Ems-Hafen
(Eemshaven). Die Initiative hängt mit den Plänen einer Reihe von Energieunternehmen zusammen,
den Hafenbereich auszubauen. Der Engpass ist derzeit die Hafeneinfahrt, die für große Schiffe
(Panamax-Größe) keine ausreichende Tiefe aufweist. Im Rahmen der speziellen Voraussetzungen
gemäß den EU-Richtlinien, z.B. Wasserrahmenrichtlinie, Habitat- und Vogelschutzrichtlinie, sowie
gemäß PKB wird die niederländische Regierung eine Vertiefung auf 15,5 m unter NN und eine
Verbreiterung des Fahrwassers auf 300 m auf geraden Strecken bzw. auf 400 m in Kurven
ermöglichen. Zur Beurteilung der Folgen für den Küstenschutz und des Kosten-/Nutzeneffekts sind
weitere Untersuchungen erforderlich. Für dieses Projekt wird auch der Ems-Dollart-Vertrag zwischen
den Niederlanden und Deutschland berücksichtigt. Die Realisierung der Arbeiten ist für Frühjahr 2010
vorgesehen.
Zur Abschätzung der ökologischen Folgen verschiedener Alternativen wird auf freiwilliger Basis nach
dem Verfahren für eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgegangen. Parallel zu diesem Projekt
werden auch die Hafenbehörden von Groningen Seaports eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die
Vertiefung und Erweiterung von Eemshaven durchführen.
Zur Zeit ebenfalls geplant ist ein Ausbau der Elbe außerhalb des angemeldeten Gebietes, damit
hauptsächlich Containerschiffe mit einem Tiefgang von 14,5 m in den Hamburger Hafen fahren
können, so dass dieser auch künftigen Anforderungen der Schifffahrt entspricht. Die Fertigstellung der
Ausbaumaßnahmen ist für 2009 geplant. Das amtliche Planfeststellungsverfahren für das Projekt ist
zurzeit im Gang. Der dazugehörigen Umweltverträglichkeitsuntersuchung zufolge wird das
angemeldete Gebiet durch den Ausbau nicht beeinträchtigt.
Der Ausbau vorhandener Häfen und Industrieanlagen bzw. diesbezügliche Neubauten sind gemäß
Wattenmeerplan im angemeldeten Gebiet im Regelfall untersagt. In bestimmten Fällen können
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 98
Ausnahmegenehmigungen nach Artikel 6 der Habitat-Richtlinie erteilt werden. Artikel 6 Absatz 4 legt
fest, dass bei Fehlen von Alternativen zu einem Ausbau sowie bei Vorliegen zwingender Gründe des
überwiegenden öffentlichen Interesses ein Projekt – in diesem Fall ein Hafen-(Ausbau-)Projekt –
durchgeführt werden kann, sofern entsprechende Ausgleichsmaßnahmen erfolgen, damit die
Kohärenz des Gebietes gewahrt bleibt.
Der Bau eines außerhalb des Gebietes gelegenen neuen Containerterminal-Hafens, des „Jade-
Weser-Hafens“, soll den Planungen zufolge 2007 in Wilhelmshaven beginnen, das heute den einzigen
deutschen Hafen mit einem Fahrwasser für Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 18 m bietet. Das
betreffende Areal befindet sich in einem Industriegebiet mit einer Ölraffinerie, verschiedenen
Chemiewerken und einem Kraftwerk. Die Entfernung zum angemeldeten Gebiet beträgt rund 6 km
Richtung Norden, 8 km Richtung Süden und 3 km Richtung Osten. Mit dem Projekt soll dem
erwarteten erheblichen Anstieg beim Containerverkehr und Umschlag in den deutschen Häfen sowie
der Entwicklung hin zu größeren Containerschiffen in Verbindung mit der damit zusammenhängenden
Nachfrage in Bezug auf die Reichweite von Schiffen mit immer größerem Tiefgang sowie der
Abfertigung von längeren und größeren Schiffen in den Hafenanlagen entsprochen werden. Den
Planungen zufolge soll der Hafen 2009/2010 in Betrieb gehen.
Das Projekt umfasst die Eindeichung der Jade auf einer Fläche von etwa 360 ha außerhalb des
angemeldeten Gebietes, wovon 120 ha für die Containerabfertigung vorgesehen sind. Das
vorhandene Fahrwasser wird teilweise nach Westen verlegt, um die tidedynamischen Folgen und den
Aufwand für dessen künftige Freihaltung zu minimieren. Darüber hinaus wird zwischen dem neuen
Fahrwasser und dem Kai ein Wenderaum für die Schiffe eingerichtet. Das ausgebaggerte Material
wird für die Eindeichung verwendet.
In dem vorgelegten Gutachten zur Umweltverträglichkeitsprüfung heißt es, die Hafenanlagen würden
das Landschaftsbild am Meer bis zu einer Entfernung von 5 km ernstlich beeinträchtigen. Innerhalb
eines Radius von 5 km wäre das angemeldete Gebiet nur östlich des Terminals betroffen, wo die
Grenze des angemeldeten Gebietes in einer Entfernung von 3 km von dem vorgesehenen Projekt
verläuft. Infolgedessen wird das Landschaftsbild des angemeldeten Gebietes auf einer Fläche von
etwa 2.650 ha beeinträchtigt.
Für alle übrigen geschützten Bereiche des angemeldeten Gebietes wird in dem Gutachten zur
Umweltverträglichkeitsprüfung die Ansicht vertreten, der Jade-Weser-Hafen werde keine wesentlichen
schädlichen Folgen haben.
Des Weiteren werden Befürchtungen, wonach der Bau des Jade-Weser-Hafens den Wert der Jade
aus Sicht von wandernden Arten, insbesondere von Meeressäugern, vermindern werde, durch die
Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bestätigt. Der in der südlichen Nordsee und damit auch in der
Jade zu erwartende allgemeine Anstieg beim Schiffsverkehrsaufkommen könnte die Gefahr von
Schiffsunfällen erhöhen und damit auch die Wahrscheinlichkeit von nachteiligen Folgen auf das
Schutzgebiet, z.B. infolge von Öltankerunfällen. Die technischen Verbesserungen bei der
Schiffssicherheit und die Schiffsleitsysteme, insbesondere AIS, die in der Deutschen Bucht vorhanden
sind und die beste verfügbare Technik darstellen, minimieren das Risiko auch für den Jade-Hafen und
das Jade-Fahrwasser und tragen somit zur weiteren Risikoverminderung bei.
Laut PKB kann abweichend vom Verbot eines Ausbaus von Häfen in oder neben dem Wattenmeer
eine Ausnahmegenehmigung für die Verlegung des TESO-Hafens für Fähren in Den Helder sowie den
begrenzten Ausbau von Bootshäfen auf den Inseln erteilt werden. Diese Ausnahmegenehmigungen
werden nur erteilt, wenn dem Prüfungsrahmen des PKB entsprochen werden kann. Ein möglicher
Ausbau des Hafens von Harlingen wird möglichst innerhalb der Deiche realisiert. Wird im letzteren Fall
durch einen wissenschaftlich untermauerten Plan nachgewiesen, dass eine Ausdehnung auf das
angemeldete Gebiet innerhalb des Prüfungsrahmen des PKB möglich ist, so wird dies durch eine
Teilanpassung des PKB von der Regierung ermöglicht.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 99
Zuidwal befindet sich im westlichen Wattenmeer zwischen Harlingen und VlielandDas Gas wird per
Pipeline nach Harlingen transportiertEine 1999 durchgeführte umfangreiche Untersuchung und ein
vom Ministerium für Verkehr und Wasserwirtschaft 2004 veröffentlichter Bericht haben gezeigt, dass
die Auswirkungen der Gasförderung am Standort Zuidwal mit größter Wahrscheinlichkeit äußerst
minimal sind
Die wichtigste Folge der von außerhalb des niederländischen Teils des angemeldeten Gebietes
gelegenen Gasförderanlagen aus erfolgenden Gewinnung von Gas aus Lagerstätten, die sich neben
und innerhalb des angemeldeten Gebietes befinden, besteht mit Ausnahme eines Standorts in der
Absenkung des Meeresbodens. Potenzielle Folgen, die auf Bodenabsenkungen zurückzuführen sind,
werden seit 1963 beobachtet, als die Produktion aufgenommen wurde. Die Bodenabsenkung von
Wattflächen wurde in vollem Umfang durch natürliche Sedimentation ausgeglichen.Infolge der
Sedimentation nehmen auch Salzwiesen nach wie vor an Höhe zu, wobei bis jetzt keine anderen
ökologischen Folgen als eine Verlangsamung der Alterung dieser Salzwiesen festgestellt wurde. Die
einzige sichtbare Habitat-Veränderung bestand darin, dass niedrig gelegene Dünentäler auf der Insel
Ameland außerhalb des angemeldeten Gebietes örtlich feuchter wurden und im Winter für wesentliche
Zeiträume ggf. unter Wasser stehen.
Die Erschließung von Kleinfeldern in den Niederlanden hat ihren Höhepunkt eindeutig überschritten,
wobei davon auszugehen ist, dass bei deren überwiegender Mehrzahl die Produktion in den nächsten
Jahrzehnten eingestellt wird. Neue Aktivitäten an Land oder auf den Inseln sind allerdings nicht
auszuschließen, zumeist zur Optimierung des Einsatzes vorhandener Infrastrukturen und
Kenntnisse.In Bezug hierauf ist mit einigen Aktivitäten zu rechnen, wobei jedoch innerhalb des
angemeldeten Gebietes selbst keine neuen Aufsuchungs- oder Gewinnungsanlagen vorgesehen sind.
Hieraus ist insgesamt zu schließen, dass Bodenabsenkungen im Wattenmeer kein Problem darstellen,
solange sich die Absenkungsrate im Rahmen der Fähigkeit des Systems bewegt, einen steigenden
Meeresspiegel abzufangen. Diese natürlichen Grenzen wurden auf einem Bereich zwischen 3 and 6
mm jährlich veranschlagt, je nach Größe des Gezeitenbeckens. Beim derzeitigen Tempo des
Meeresspiegelanstiegs bleibt für die fragliche Bodenabsenkung genügend Spielraum. Die durch den
Meeresspiegelanstieg und die Meeresbodenabsenkung bedingte Küstenerosion auf der Insel
Ameland wird bereits gesteuert und durch Strand- und Uferaufschüttungen verhindert.
Zusätzlich zu den bereits bekannten und in der Gewinnung befindlichen Öl- und Gasvorkommen wird
im Bereich des deutschen Wattenmeer von weiteren Lagerstätten ausgegangen. Soweit im
öffentlichen Interesse erforderlich, sollte es angesichts einer klugen Nutzung von Energieressourcen
prinzipiell möglich sein, die Gas- und Öllagerstätten unter dem Wattenmeer unter Berücksichtigung
ökologischer Aspekte zu erkunden.
Der Hochwasser- und Küstenschutz ist unabdingbarer Bestandteil der Küste des Wattenmeers.
Praktisch auf der gesamten Küstenbegrenzung des angemeldeten Gebietes verlaufen Seedeiche oder
Dünensysteme, um die in dem Gebiet lebenden Menschen und deren Wirtschaftsgüter zu schützen.
Der gegenwärtige Schutzumfang wird unter keinen heute denkbaren Umständen vermindert. Der
derzeitige Verlauf von Hochwasser- und Küstenschutzeinrichtungen und die diesbezüglichen Systeme
werden beibehalten, wobei auf absehbare Zeit keine weiteren Eindeichungen von Teilen des
angemeldeten Gebietes unternommen werden und geplant sind. Die heutigen Standards für den
Hochwasserschutz erfordern jedoch eine fortlaufende Verstärkung, was nicht ohne Beeinflussung des
angemeldeten Gebietes möglich ist. So wird eine Verstärkung vorhandener Deiche durchgeführt. Die
Verwendung von Sand für Küstenschutzzwecke wird möglichst mit der Ausbaggerung von
Fahrwassern verknüpft. Der Küstenschutz auf den Inseln innerhalb des angemeldeten Gebietes
erfolgt durch Sandaufschüttungen aus dem Offshore-Bereich, was die umweltfreundlichste und
effizienteste Lösung zur Stabilisierung erodierender Küsten darstellt.
Diese Wechselwirkungen stellen Prinzip und Grundlage für den Hochwasser- und Küstenschutz dar,
da die natürliche Dynamik in der Tidezone mit den Hochwasser- und Küstenschutzmaßnahmen auf
dem Festland, den Inseln und in der Offshore-Zone unmittelbar zusammenhängt.
Seit dem QSR 1999 wurden beim Interessenausgleich zwischen Natur- und Küstenschutz auf
trilateraler Ebene erhebliche Fortschritte erzielt, wie dies im Wattenmeerplan vereinbart wurde. Ein
Beispiel ist die Einrichtung der Expertengruppe zum Küstenschutz und Meeresspiegelanstieg (Coastal
Protection and Sea Level Rise – CPSL) im Jahr 1999. Dabei erörtern Experten der nationalen
Küstenschutz- und Umweltbehörden erstmals auf trilateraler Ebene mögliche Strategien zur
nachhaltigen Wahrung der Sicherheitsstandards beim Küstenschutz, die die natürlichen Werte, z.B.
eine natürliche Dynamik oder die Habitat-Qualität, begünstigen oder zumindest nicht beeinträchtigen.
Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren eine Integration von Natur- und Küstenschutz erzielt.
Beispiele sind die positiven Erfahrungen der ersten fünf Jahre eines integrierten Salzwiesen-
Managements in Schleswig-Holstein, die Einigung auf den für Teile der Küstenlinie in Niedersachsen
2003 aufgestellten Salzwiesenplan und die Wiedereindeichung von Sommerpoldern im Gebiet „Noord
Friesland buitendijks“ sowie auf der Insel Langeoog im niedersächsischen Teil des angemeldeten
Gebietes.
Eingeführte Arten
An die Nordseeküste gelangten eingeführte Algen und Wirbellose mit der Schifffahrt oder durch die
Aquakultur. Zumeist haben sie sich in den Ästuaren und auf Hartsubstraten festgesetzt, wobei mehr
als 80 Arten bekannt sind, von denen 52 auch im Wattenmeer vorkommen.
Von den 52 bekannten eingeführten Arten haben sich sechs Arten bereits auf die Zusammensetzung
der im Wattenmeer vorhandenen Biota ausgewirkt, und zwar das Schlickgras (Spartina anglica), der
Japanische Beerentang (Sargassum muticum), Marenzelleria cf. wireni, die Schwertmuschel (Ensis
americanus), die Amerikanische Pantoffelschnecke (Crepidula fornicata) und die Pazifikauster
(Crassotrea gigas). Diese Arten sind in ihrer Wirkung, die teilweise dynamischer Art sein kann,
unterschiedlich (d.h. Sedimentbindung durch Spartina, Habitat-Bereitstellung durch Sargassum,
Erhöhung des Nahrungsangebots für Vögel durch Ensis, Verdrängung von Seegras durch Spartina,
Verdrängung von Miesmuscheln durch Crassostrea). Die globale Erwärmung kann Spartina, Crepidula
und Crassostrea in den nächsten Jahren zugute kommen, was zu weiteren Veränderungen bei deren
Dominanz führen kann. Einige eingeführte Arten haben sich örtlich extrem vermehrt, z.B. der
Borstenwurm Marenzelleria. Es steht noch nicht fest, wie sich dies auf die Lebensgemeinschaft
auswirkt. Es gibt jedoch keine Belege, dass eingeführte Arten zu einem Aussterben einheimischer
Arten im Wattenmeer geführt haben (Wolff, 2000).
Die Entwicklung in Bezug auf eingeführte und eingewanderte Arten wird sorgfältig verfolgt und
überwacht. Ohne eine Verträglichkeitsprüfung gemäß Habitat-Richtlinie darf in das angemeldete
Gebiet keine Art vorsätzlich eingeführt werden, z.B. zu Aquakultur-Zwecken.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 101
[Beschriftung im Legendenfeld:] Pazifsche Auster im Wattenmeer, Legende: < 100 Austern/m², > 100 Austern/m²,
Einführungsorte, Watt
Abbildung 4.9 Die Pazifikauster Crassostrea gigas im Wattenmeer. Sternchen kennzeichnen Ort und
Jahr (weiß unterlegt) der Einführung (Texel, Sylt). Andere Jahresangaben beziehen sich
auf Erstnachweise einer Besiedlung durch Larven an ausgewählten Stellen. Durch Kreise
wird die durchschnittliche Häufigkeit im Jahr 2003 angezeigt (aus dem QSR 2004, S.
158).
Sonstige Tätigkeiten
Auch wenn der Bau neuer Windkraftanlagen im angemeldeten Gebiet nicht erlaubt ist, ist davon
auszugehen, dass die Kabel von geplanten und zu erwartenden Windparks in der Nordsee
überwiegend das angemeldete Gebiet werden durchqueren müssen. Dies wird für das Wattenmeer
jedoch überwiegend nur vorübergehende Folgen haben. Die Verlegung derartiger Kabel unterliegt
zudem einer Verträglichkeitsprüfung und einem Genehmigungsvorbehalt nach der Habitat-Richtlinie.
Es ist unvermeidlich, dass durch das angemeldete Gebiet weitere Kabel verlegt und anschließend
auch gewartet werden, allein schon zur Versorgung der Inseln und Halligen. Der Bau derartiger
Infrastruktureinrichtungen unterliegt ebenfalls einer Verträglichkeitsprüfung und einem
Genehmigungsvorbehalt nach der EU-Habitat-Richtlinie, wobei die Eingriffe in das angemeldete
Gebiet nur vorübergehender Art sein werden.
Die natürliche Umwelt des angemeldeten Gebietes könnte durch die Fischereiwirtschaft beeinträchtigt
werden. In den achtziger und neunziger Jahren hat sich die Qualität der verschiedenen Wattflächen im
niederländischen Wattenmeer erheblich verschlechtert, in erster Linie wegen der Folgen der Mies- und
Herzmuschelfischerei, durch welche nicht nur die biologische Qualität, sondern auch die
Sedimentdynamik und Sedimentzusammensetzung beeinträchtigt wurden. Seither durchgeführte
Sanierungsmaßnahmen scheinen sich jedoch bewährt zu haben. Wie in Kapitel 2 beschrieben, ist die
Fischerei im angemeldeten Gebiet heute im Wesentlichen auf die Miesmuschel- und
Garnelenfischerei beschränkt.
Eine gewisse Störung kann sich auch aus dem zivilen Flugverkehr über das angemeldete Gebiet
ergeben, insbesondere Flüge zu und von den Inseln, aber auch Hubschrauberflüge von Flughäfen auf
dem Festland zu Offshore-Anlagen. Die Flugbewegungen in Bezug auf Starts und Landungen haben
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 102
in den letzten Jahren allerdings erheblich abgenommen. Darüber hinaus wurden Mindestflughöhen
und Flugkorridore festgelegt. Ebenso sind Ultraleichtflugzeuge sowie Werbeflüge verboten bzw. stark
eingeschränkt. Es ist davon auszugehen, dass die Störungen infolge dieser Aktivitäten nur minimal
sind.
Die Jagd ist im angemeldeten Gebiet verboten, mit Ausnahme von einigen Arealen auf
niedersächsischen Inseln, wo sie auf 10 Tage im Jahr beschränkt ist. Der Umfang militärischer
Aktivitäten wurde in den letzten Jahren erheblich reduziert. Es gibt einige wenige Übungsgebiete im
angemeldeten Gebiet, z.B. den Schießstand „Vliehors“ auf der Insel Vlieland. Alle Aktivitäten sind zur
Berücksichtigung der Brut- und Mauser- bzw. Haarwechselzeiten von Vögeln und Robben zeitlich
begrenzt.
Umweltverschmutzung
Weitaus die meisten Schadstoffe gelangen mit Flüssen vom Festland in das Wattenmeer. Die
deutschen Flüsse Elbe, Weser und Ems führen gemeinsam mit dem niederländischen Ijsselmeer dem
Wattenmeer jährlich durchschnittlich 60 km³ Wasser zu. Dabei werden Schwermetalle, PCBs und
Pestizide wie Lindan sowie große Mengen von Nährstoffen mitgeführt. Die Menge umweltschädlicher
Stoffe richtet sich weitgehend nach der Menge des von den Flüssen eingeleiteten Wassers. Diese
Abflussmenge weist infolge von Unterschieden bei der Niederschlagsmenge in den Einzugsgebieten
jährlich eine starke Schwankungsbreite auf. Die größten Reduzierungen beim Metalleintrag in das
Wattenmeer erfolgten hauptsächlich in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren und setzten
sich in mäßigem Umfang bis 2002 fort. Im Wattenmeer selbst kann eine allgemeine Verminderung der
Schadstoffkonzentration beobachtet werden.
Nährstoffe
Die beiden wichtigsten Nährstoffe sind Nitrat und Phosphat. Davon hat die Phosphatkonzentration im
Wasser des Wattenmeers in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre abzunehmen begonnen, im
Wesentlichen infolge der Verwendung phosphatfreier Waschmittel und der zunehmenden Klärung von
Abwässern.
Abbildung 4.10: Fluvialer Eintrag von Stickstoff und Phosphor (bereinigt um Unterschiede der
jährlichen Süßwasser-Abflussmenge) (aus dem QSR 2004, S. 144).
Auch wenn der Eintrag von Nährstoffen, insbesondere von Phosphat, abgenommen hat, ist der
derzeitige Nährstoffpegel im Wattenmeer nach wie vor fünfmal höher als vor der Industrialisierung.
Das gesamte Wattenmeer ist unverändert als Eutrophierungsproblemgebiet zu betrachten, was
bedeutet, dass das Ziel eines nicht eutrophierungsproblematischen Wattenmeers noch nicht erreicht
wurde. Aus den festgestellten regionalen Unterschieden ist im südlichen Teil auf eine stärkere
Eutrophierung als im nördlichen Wattenmeer zu schließen.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 103
Gefährliche Stoffe
Bei einigen Metallen wie Quecksilber, Blei, Zink usw. wurden die angestrebten
Hintergrundkonzentrationen in Sedimenten und Biota (Miesmuscheln und Vogeleier) noch nicht in
allen Teilgebieten des Wattenmeers erreicht. In den meisten Teilen der Wattenmeerregion gehen die
Konzentrationen vieler Schadstoffe im Sediment und in Lebewesen allerdings zurück. Dabei haben
bei einer ganzen Reihe von xenobiotischen [menschengemachten] Verbindungen die
Einleitungsmengen und Konzentrationen im Wattenmeer abgenommen. Teilweise stellen die Stoffe für
das Ökosystem immer noch ein Risiko dar. Zahlreiche neu entwickelte Xenobiotika, darunter
Hormonspalter, kommen im Ökosystem Wattenmeer vielfach vor und könnten sich auf das Ökosystem
schädlich auswirken.
Abbildung 4.11: Fluvialer Eintrag von Cadmium (aus dem QSR 2004, Abb. 4.2.2, S. 87).
Abbildung 4.12: PCB-Konzentration in Austerfischer-Eiern, 1981-2003 (aus dem QSR 2004, Abb.
4.5.4, S. 126)
Ölverschmutzung
Das angemeldete Gebiet liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer der weltweit am stärksten
befahrenen Schifffahrtswege vor der Küste der südlichen Nordsee. Klimatisch befindet sich diese
Region des Weiteren in der Westwindzone, die durch häufige Wetteränderungen mit ungünstigen
Witterungsbedingungen wie Starkwind und eingeschränkte Sicht gekennzeichnet ist. Trotz aller
nationalen und internationalen Initiativen und trotz der Fortschritte bei der Verbesserung der
Schiffssicherheit, der Sicherheit der Schifffahrt und des Schutzes vor Meeresverschmutzung stellt die
Schifffahrt auch weiterhin eine potenzielle Risikoquelle für Umweltschäden im Wattenmeer und an der
benachbarten Küste dar.
Die wichtigste Ursache von Ölverschmutzungen des Meeres sind nicht etwaige Tankerunfälle,
sondern rechtswidrige Einleitungen von Treibstoff infolge betrieblicher Prozesse an Bord, was trotz der
Ausweisung der Nordsee als spezielles Gebiet nach Anlage I und II MARPOL eine ständige
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 104
Bedrohung für Seevögel darstellt. Ein Großteil der an Stränden angespülten Seevögel ist mit Öl
kontaminiert. Im Vergleich zu den neunziger Jahren sind die gemeldeten Ölverschmutzungen vor der
deutschen und niederländischen Küste zurückgegangen. So nahm seit Mitte der 1980er Jahre die
Zahl der je Flugstunde festgestellten Vorfälle von 1,5 auf 0,2 ab. Des Weiteren ist die Verölungsquote
gestrandeter Vögel bestimmter Arten um bis zu 90% seit den 1980er Jahren generell zurückgegangen
(um bis zu 90%), bewegt sich jedoch nach wie vor auf hohem Niveau.
Klimawandel
Der Klimawandel und insbesondere dessen mögliche Folgen haben sich in den neunziger Jahren in
Politik und Wissenschaft zu einem zentralen Thema entwickelt. Für den Laien ist der Begriff
„Klimawandel“ mittlerweile nahezu identisch mit anthropogenen Erhöhungen atmosphärischer
Konzentrationen so genannter Treibhausgase, zumeist Kohlendioxid. Als Folge werden höhere
Temperaturen und als deren Konsequenz ein Meeresspiegelanstieg prognostiziert, der durch die
thermische Ausdehnung des Ozeanwassers und das Abschmelzen von Gletschern und polaren
Eiskappen verursacht wird. Ebenso werden Veränderungen bei den Windverhältnissen erwartet bzw.
sind manchen Publikationen zufolge bereits eingetreten. Das Klima hat sich zwar immer gewandelt,
neu an der heutigen Situation ist jedoch das erwartete Tempo des Wandels. Diese Beschleunigung
kann im Wattenmeersystem zu erheblichen Veränderungen führen.
Veränderungen in irgendeinem Teil des Systems verursachen einen Sedimenttransport zu oder von
anderen Teilen des Systems, was ein neues dynamisches Gleichgewicht zur Folge hat. Dabei wird ein
mäßiger Meeresspiegelanstieg im Wattenmeer infolge natürlicher und vom Menschen verursachter
Prozesse durch die Zufuhr von Sedimenten ausgeglichen, die langfristig aus den Prielen, vom Ufer
sowie den Stränden und Dünen der Barriereinseln herangeführt werden. Zusätzlich zu diesen
hydrodynamischen und morphologischen Prozessen ist auch die Bedeutung biotischer Prozesse für
die Sedimentation und Erosion hervorzuheben. Diesbezüglich zu betonen sind die Bedeutung von
Seegraswiesen und Muschelbänken für die Biodeposition und Reduzierung der Erosion sowie die
Rolle der Vegetation bei der Bildung von Dünen.
Man kann den Schluss ziehen, dass Veränderungen infolge eines Meeresspiegelanstiegs
grundsätzlich nicht ohne Weiteres von Veränderungen infolge der hohen natürlichen Variabilität, die
ein spezielles Merkmal des Systems Wattenmeer darstellt, zu unterscheiden sind. Darüber hinaus
werden bei Veränderungen in den verschiedenen Gezeitenbecken große Unterschiede zu beobachten
sein. Da das Wattenmeer gegenüber Veränderungen sehr elastisch ist, kann plausiblerweise davon
ausgegangen werden, dass sich das System an einen Meeresspiegelanstieg um etwa 25 cm pro 50
Jahre (d.h. das realistischste Szenario) ohne wesentliche Änderungen anpassen kann.
Jenseits dieses Werts dürfte eine Bruchstelle erreicht sein, da die Kapazität des Systems zum
Ausgleich der Veränderungen erschöpft sein wird. Bei deren Überschreitung, die je nach
Gezeitenbecken unterschiedlich sein wird, sind erhebliche Veränderungen bei den morphologischen
und demnach auch biologischen Parametern zu erwarten. Eine der stärksten Veränderungen wird in
einer Verkleinerung der Wattflächen bestehen. Schätzungen zufolge könnte sich die Fläche des Watts
beim Worst-Case-Szenario (50 cm je 50 Jahre) um 15% verringern, wobei die Gezeitenbecken eher
den Charakter von Gezeitenlagunen annehmen würden. Weiter verstärkt würde diese Entwicklung
durch eine höhere Sturmhäufigkeit.
Die Reduzierung von Wattflächen wird für biologische Parameter schwerwiegende Konsequenzen
haben, insbesondere für Vogelarten, die zur Nahrungssuche auf die Tidezone angewiesen sind. Bei
diesen Arten ist ein Populationsrückgang zu erwarten, nicht nur deswegen, weil die potenziellen
Nahrungsgebiete kleiner als heute sind, sondern auch – was noch wichtiger sein dürfte – weil die für
die Nahrungssuche verbleibende Zeit kürzer sein wird. Beim Worst-Case-Szenario sind zudem
Veränderungen bei weiteren morphologischen und biologischen Parametern zu erwarten. Dies betrifft
u.a. eine verstärkte Erosion auf den Barriereinseln, eine erhebliche Erosion der Salzwiesenränder,
eine Verminderung der benthischen Biomasse, einen Rückgang der Seegraswiesen sowie eine
Zunahme der typischen Salzwiesenvegetation.
Als wichtigste sozioökonomische Folge wird eine Erhöhung des Aufwands für den Küstenschutz
erwartet. Nach dem realistischsten Szenario (25 cm je 50 Jahre) wird mit einer Steigerung der Kosten
für die Pflege und Verstärkung von Deichen im Umfang von mindestens 5 bis 15% gerechnet. Beim
Worst-Case-Szenario könnten die Kosten zur Aufrechterhaltung der Deichsicherheit in Deutschland
um bis zu 75% und in den Niederlanden noch mehr steigen. Auch die Kosten für andere
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 105
Es ist nicht davon auszugehen, dass das Wattenmeer von Naturkatastrophen im Sinne der Richtlinien
in einer Weise betroffen sein wird, die für das gesamte Gebiet und dessen Unversehrtheit eine
Bedrohung darstellt. Das angemeldete Gebiet ist das Resultat einer komplexen Interaktion zwischen
Erosion und Sedimentation an der flachen Küstenlinie der Nordsee. Diese nach wie vor anhaltende
Dynamik ist das wichtigste Merkmal des Gebietes. Das System hat auch in der Vergangenheit
schwere Sturmereignisse überstanden, welche die Landschaft verändert und ehemalige
Siedlungsgebiete zerstört haben. In diesen Sturmfluten sind Tausende von Menschen und deren Vieh
umgekommen. Diese Erfahrungen haben zu dem heutigen Küstenschutz und zu Schutzplänen mit
den höchstmöglichen Sicherheitsstandards für die innerhalb und außerhalb des Wattenmeers lebende
Bevölkerung geführt.
Das angemeldete Gebiet unterliegt jedoch bestimmten Risiken, die von der Schifffahrt außerhalb
seiner Grenzen herrühren. Wie oben angedeutet, haben die Schifffahrtswege zu den Häfen im
Zusammenhang mit dem Durchgangsverkehr nach Skandinavien oder in die Ostsee das Seegebiet
vor der niederländischen und deutschen Küste zu einer der Meeresregionen mit den höchsten
Verkehrskonzentrationen der Welt werden lassen.
Das angemeldete Gebiet wurde (in seinen marinen Teilen) als Particularly Sensitive Sea Area (PSSA)
ausgewiesen. Die Ausweisung als PSSA gehört zu einem umfassenden Regelwerk von
Schutzmaßnahmen für die Sicherheit der Schifffahrt und die Schiffssicherheit, die von der
Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) oder der Europäischen Union bzw. auf trilateraler
oder nationaler Ebene getroffen wurden. Diese Vorschriften erstrecken sich insbesondere auf das
Vessel Traffic Management System (VTMS), das Traffic Separation Scheme (TSS), den Lotsendienst
sowie die Regelung von gegenseitiger Notfallhilfe.
Das TSS unterteilt den Verkehr auf See nach den Hauptverkehrsrichtungen in zwei Strecken für jede
Fahrtrichtung. Schiffe mit gefährlichen Gütern und großem Tiefgang befahren die Offshore-Strecken in
großer Entfernung von der Küste und bewegen sich entsprechend dem verbindlichen
Streckenführungssystem der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation somit getrennt von anderem
Verkehr. Mit Ausnahme des Freizeitverkehrs, der zumeist auf die Sommermonate beschränkt ist,
verteilt sich das Verkehrsaufkommen gleichmäßig auf alle Monate des Jahres. Angesichts der
Schiffsverkehrscharakteristika des Gebietes ist für das Wattenmeer und die benachbarte Nordsee
eine ausgezeichnete Bilanz mit nur wenigen Unfällen und Zwischenfällen zu verzeichnen.
Beispielsweise kam es im Zeitraum 1995-1999 bei insgesamt nahezu 800.000 Schiffsbewegungen in
der deutschen Nordsee nur zu knapp über 1000 Zwischenfällen.
Für Notfälle ist ein umfassendes Paket von Notfallplänen vorhanden, um im Rahmen des
DENGERNETH-Abkommens, das nach dem Bonner Übereinkommen zur Zusammenarbeit bei der
Bekämpfung der Verschmutzung der Nordsee durch Öl und andere Schadstoffe geschlossen wurde,
bei gemeinsamen Notfällen der Wattenmeerländer auf Ölverschmutzungen zu reagieren, Schiffe im
Notfall abzuschleppen und gegenseitig Hilfe zu leisten. Das Beste ist nach wie vor, es erst gar nicht zu
Unfällen kommen zu lassen, weshalb man sich weiterhin darum bemüht, durch ein verbessertes
VTMS und eine weitere Intensivierung der internationalen Kooperation die Sicherheit der Schifffahrt
und der Schiffe zu erhalten und bei Bedarf zu erhöhen.
Gefahrguttransporte bzw. gefährliche Stoffe sind unter der Voraussetzung zulässig, dass bei Unfällen
dem angemeldeten Gebiet kein irreparabler Schaden zugefügt wird.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 106
Tourismus- und Freizeitaktivitäten sind für die Öffentlichkeit wesentlicher Bestandteil des Wattenmeer-
Erlebnisses und eine einzigartige Gelegenheit, die natürlichen und landschaftlichen Werte des
Gebietes kennen zu lernen, mit denen allerdings nicht nur ein wichtiger Beitrag zur regionalen und
lokalen Wirtschaft geleistet wird, sondern potenziell auch negative Folgen für die Werte des
Wattenmeers verbunden sein können. Ein Großteil der touristischen Aktivitäten einschließlich
entsprechender Infrastrukturmaßnahmen findet außerhalb des Wattenmeers statt, alle Aktivitäten sind
jedoch mit dem angemeldeten Gebiet so eng verknüpft, dass bei der Beschreibung und Beurteilung
von Touristik- und Besucheraktivitäten eine breitere Betrachtung erforderlich ist.
Bei einer derartigen Beschreibung wird üblicherweise eine Unterteilung nach Tourismus und Erholung
an Land, Wattwanderungen (eine für das angemeldete Gebiet typische und anderswo kaum bekannte
Aktivität) und Freizeit-Bootsverkehr vorgenommen.
Die Wattenmeerregion (worunter das angemeldete Wattenmeer, die Wattenmeer-Inseln und das
benachbarte Festland zu verstehen ist) wird alljährlich von 10 Millionen Übernachtungsgästen und 30
bis 40 Millionen Tagesausflüglern besucht.
Für die deutsche Küste liegen detailliertere Daten mit Angaben zu Übernachtungen vor, die in den
amtlichen Statistiken nicht erscheinen (Tab. 4.4). Neuere Untersuchungen in Schleswig-Holstein
haben gezeigt, dass die offiziellen Tourismus-Statistiken die tatsächlichen Gästezahlen,
Übernachtungen und damit Umsätze bei weitem unterschätzen. So entfällt auf private
Zimmervermieter und Pensionen mit weniger als 9 Betten sowie Besuche bei Verwandten und
Bekannten ein erheblicher Anteil (53% am Gesamtaufkommen), der in den amtlichen Daten nicht
enthalten ist (Tab. 4.4).
Die Gesamtzahl der Übernachtungen belief sich in der niederländischen Wattenmeerregion 2005 auf
10 Millionen (die Daten enthalten auch Einrichtungen mit weniger als 9 Betten; Datenquelle: amtliche
nationale Statistiken: CBS 2005, Toerdata Noord, 2006).
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 107
Reiseziel Reiseziel
Nordseeküste Nordseeküste
Niedersachsen Schleswig-Holstein
Der Fremdenverkehr stellt für die Region einen außerordentlich hohen wirtschaftlichen Wert dar
(geschätzter Umsatz 2,8 bis 5,3 Milliarden € pro Jahr) und schafft zudem eine immer höhere Zahl von
Arbeitsplätzen (Gesamtzahl der Arbeitsplätze in der gesamten Wattenmeerregion im Jahr 2000:
37.900). Infolge von Globalisierung, intensiviertem Wettbewerb und Veränderungen beim
Verbraucherverhalten ist der Fremdenverkehr im Wattenmeer bestimmten Veränderungen
unterworfen, die gleichzeitig jedoch auch neue Chancen eröffnen. Die Wachstumsmärkte
Wellness/Fitness, Walking/Wandern sowie Natururlaub und Freizeitaktivitäten in der Natur fügen sich
in die Wattenmeerregion gut ein. Auch das immer höhere Durchschnittsalter der Bevölkerung kann
positive Folgen haben. Somit spielen attraktive Outdoor- und Indoor-Angebote für alle Zielgruppen
einschließlich Behinderter und Senioren beim Naturerlebnis, bei emotionalen Erfahrungen und bei
spaßorientierten Ökoinformationsveranstaltungen eine große Rolle.
Wattwanderungen
Unter Wattwanderungen ist die Begehung der Wattflächen bei Ebbe zu verstehen, was ein einmaliges
Naturerlebnis darstellt, welches so an kaum einer anderen Stelle der Erde geboten wird. Eine
Wanderung „auf dem Meeresgrund“ ist die außergewöhnlichste Art, das Geheimnis des Wattenmeers
zu erleben, und schafft ein tieferes Verständnis dafür, worum es in diesem Gebiet geht und warum es
so außergewöhnlich ist.
In den Niederlanden finden Wattwanderungen überwiegend auf dem Groninger Watt und dem
östlichen Teil des Friesischen Watts statt. Die jährlichen Teilnehmerzahlen bewegten sich im Zeitraum
1997-2002 zwischen 65.000 bis nahezu 80.000 Personen. In Niedersachsen schwankte die
Gesamtzahl der aus der Luft gezählten Personen im Wattenmeer zwischen 10.395 im Jahr 2000 und
18.378 im Jahr 2002 (Summe von jeweils fünf Flügen in der Sommersaison). Auf Wanderergruppen
(die als Teilnehmer einer Führung gelten) entfällt ein Anteil von 15-29% an der Gesamtzahl erfasster
Personen. In Schleswig-Holstein stieg die Zahl der Führungen im Wattenmeer im Zeitraum 1999-2002
um 20% an. 2002 fanden knapp 5.000 Führungen mit 116.000 Teilnehmern statt.
In den Niederlanden sind Wattwanderungen in einer Provinzverordnung geregelt. Dabei wird häufig
eine Rundwanderung oder eine Überquerung des Watts zu einer der Inseln unternommen.
Wattwanderungen sind nur mit behördlicher Genehmigung erlaubt. Aus Gründen der
Teilnehmersicherheit und des Schutzes natürlicher und landschaftlicher Werte des Gebietes erkannte
man, dass eine Ausweitung der Anzahl der Führungen und der Teilnehmerzahlen nicht ratsam ist.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 108
Wie im niederländischen Teil des angemeldeten Gebietes gelten auch in Niedersachsen für Gruppen-
Wattwanderungen strikte Regelungen. Die Veranstaltung von Gruppenführungen auf den Watten des
Festlands oder der Inseln oder für die Überquerung des Watts zu einer der Inseln (offizielle Strecken
gibt es lediglich zu vier der sieben Ostfriesischen Inseln) ist nur mit Genehmigung zulässig, für deren
Erhalt entsprechende Prüfungen zu Sicherheit, Erste Hilfe, Wattökologie und
Nationalparkangelegenheiten abzulegen sind. Ähnliche Regelungen gelten für den schleswig-
holsteinischen Teil des Wattenmeers. Wattführer, die zusätzlich an Nationalparklehrgängen
teilnehmen, erhalten eine Zertifizierung als Nationalpark-Wattführer. Neben den Führungen stellen auf
eigene Faust unternommene Wanderungen im Watt eine sehr beliebte Freizeitaktivität dar.
Freizeit-Bootsverkehr
Grundsätzlich ist in Bezug auf die Zahl der Boote nur im niederländischen Wattenmeer ein deutlicher
Trend zu erkennen. Seit 1982 hat sowohl die Zahl der Schleusenpassagen als auch die Zahl der
Liegeplätze zugenommen. Im Jahr 2006 belief sich die Zahl der Liegeplätze in den 14 Bootshäfen in
der Umgebung des niederländischen Wattenmeers auf 4377 gegenüber 4100 im Jahr 2001. Die
jährliche Anzahl der Schleusenpassagen im niederländischen Wattenmeer nahm von 105.000 im Jahr
1997 auf 122.000 im Jahr 2005 zu. In Schleswig-Holstein war in den letzten 20 Jahren beim
Bootsverkehr keine wesentliche Zu- oder Abnahme zu verzeichnen. Die höchste Dichte von
Freizeitbooten und Ausflugsschiffen/-fähren wurde um die nordfriesischen Inseln herum festgestellt.
Vorschriften
Innerhalb des angemeldeten Gebietes gilt ein Zonierungssystem, welches den Zugang und Freizeit-
Bootsverkehr zeitlich und räumlich regelt. Die empfindlichsten Gebiete wie die Brut- und Rastplätze für
Vögel und Robben sind ganzjährig oder jahreszeitlich gesperrt. Auch für Personen, die mit ihrem
Freizeitboot auf Grund gelaufen sind, gelten bestimmte Regelungen sowie ein Verhaltenskodex.
Zwischen Jachtklubs und den Naturschutzbehörden wurden freiwillige Vereinbarungen geschlossen,
die für einen zusätzlichen Schutz sorgen und Störungen in Gebieten verhindern, in denen der Zugang
nicht verboten ist. Wattwanderungen sind grundsätzlich nur mit Genehmigung bzw. auf
ausgewiesenen Strecken erlaubt. Im größten Teil des angemeldeten Gebietes gelten
Geschwindigkeitsbegrenzungen für Freizeitboote. Jet- und Wasserskifahren sowie die Benutzung
ähnlicher Geräte ist grundsätzlich verboten oder auf kleinere, hierfür ausgewiesene Gebiete innerhalb
des angemeldeten Gebietes beschränkt. Gleiches gilt für das Windsurfen.
Für Aktivitäten in Bereichen, die dem angemeldeten Gebiet benachbart sind, gilt ein umfassendes
Planungssystem, mit dem eine Steuerung und Regulierung des Tourismus bezweckt wird. Der Bau
von touristischen Infrastruktureinrichtungen, z.B. von Bootshäfen, unterliegt einem Prüfungs- und
Planungsvorbehalt und wird nur genehmigt, wenn dadurch das angemeldete Gebiet nicht
beeinträchtigt wird. Durch das Planungssystem einschließlich der Raumplanung wird auch die
Flächennutzung und die Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen begrenzt. Alles in allem werden die
Touristik- und Freizeitaktivitäten gut gesteuert, wobei das derzeitige Planungs-, Rechts- und
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 109
Managementsystem ausreichend robust ist, um eine Steigerung dieser Aktivitäten zu verkraften und
nachteilige Folgen, die sich hieraus für das angemeldete Gebiet ergeben, zu verhindern.
Die Einwohnerzahl innerhalb des angemeldeten Gebietes beläuft sich auf 43 (2007).
5.a Eigentumsverhältnisse
Im niederländischen Teil des angemeldeten Gebietes befinden sich rund 6% in Besitz dreier privater
Vereine und einer Regionalbehörde:
• Die „Groninger Landschap“ (Landschaftsverein Groningen) ist ein privater Verein für
Naturschutz und Naturmanagement der Provinz. Ihr Ziel ist die Erhaltung der Natur und
Kulturgeschichte in der Provinz Groningen. In Besitz der „Groninger Landschap“ befinden sich
der „Punt van Reide“ (46 ha), Salzwiesen im Dollart (4204 ha) und die Salzwiesen „Noordkust“
(200 ha);
• Die „Noord-Hollands Landschap“ (Landschaftsverein Noord-Holland) ist Eigentümerin einiger
kleinerer Gebiete, des „Balgzand“ und „Amstelmeer“, insgesamt 120 ha;
• „Natuurmonumenten” (Verein für Naturdenkmäler) ist ein privater Verein für Naturschutz. Sie
ist Eigentümerin von knapp 10.700 ha des angemeldeten Gebietes. Die Flächen in Besitz von
„Natuurmonumenten“ sind das „Uithuizerwad“ (63 ha) sowie Wattflächen im Dollart (3846 ha),
„Griend“ (100 ha) und „De Schorren“ (6681 ha);
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 110
• „Wetterskip Fryslân“ (Wasserbehörde Friesland) ist eine Provinzbehörde. Die Behörde ist für
die Wasserwirtschaft in der Provinz zuständig. Ihr gehören 670 ha Salzwiesen an der
Nordküste der Provinz Fryslân.
5.b Schutzgebietsbezeichnungen
ERLÄUTERUNGEN LAUT RICHTLINIE: Auflistung des relevanten legalen, regelnden, vertraglichen, planerischen,
institutionellen und/oder traditionellen Status des Gebietes […]
Wie in Kapitel 3 der Anmeldung dargestellt, unterliegt das Wattenmeer sowohl im nationalen als auch
internationalen Kontext umfassenden Schutz- und Managementregelungen, sowie einem Monitoring,
welche mit ihrem integrierten und harmonisierten Konzept beispielhaft sind. Die Erkenntnis, dass das
Wattenmeer ein gemeinsames Schutz- und Managementkonzept benötigt, um sicherzustellen, dass
es unter Berücksichtigung seines hoheitsgebietsübergreifenden Charakters geschützt und
bewirtschaftet wird, ist schon über eine Generation alt.
Das erste formelle internationale wissenschaftliche Wattenmeersymposium fand 1979 statt. 2009 wird
das 11. wissenschaftliche Symposium durchgeführt. Bei ihnen tauschen Wissenschaftler aus den drei
Wattenmeerländern entsprechende Forschungsergebnisse aus und formulieren Empfehlungen für die
politische Ebene. Die Symposien befassen sich auch mit Managementfragen. Die Ergebnisse dieser
wissenschaftlichen Symposien waren und sind für die Entwicklung trilateraler und nationaler
Politikkonzepte in Bezug auf den Schutz, das Management, die Umweltbeobachtung und die
Forschung von großer Bedeutung.
Die 1. Regierungskonferenz zum Schutz des Wattenmeers fand 1978 in Den Haag statt. 1982 wurde
auf der 3. Konferenz in Kopenhagen die „Gemeinsame Erklärung zum Schutz des Wattenmeers“
unterzeichnet. Im Rahmen der Wattenmeerkooperation finden diese Konferenzen alle drei bis vier
Jahre statt. Die 10. Wattenmeerkonferenz wurde 2005 auf der Insel Schiermonnikoog durchgeführt.
Parallel und in diesem Rahmen hat sich der nationale Schutz des Wattenmeers entwickelt, so dass im
Verlauf der vergangenen 30 Jahre das gesamte angemeldete Gebiet dem strengsten und
umfassendsten rechtlichen Schutz unterstellt wurde, der nach nationalem Recht möglich ist.
Besonders hervorzuheben ist dabei die vor einer Generation getroffene Entscheidung für einen
gemeinsam vereinbarten Ökosystemansatz mit nachhaltiger Nutzung, d.h. ein langfristiger Schutz und
ein dauerhaftes Management des angemeldeten Wattenmeers, in dessen Rahmen menschliche
Aktivitäten weiterhin erlaubt sind.
Darüber hinaus ist das Wattenmeer nach einschlägigen Vorschriften und Ausweisungen der
Europäischen Union sowie nach internationalen Abkommen und Übereinkommen geschützt, womit
ebenfalls zur Steigerung und Sicherung seiner außergewöhnlichen internationalen Bedeutung
beigetragen wird.
Trilaterale Wattenmeerkooperation
2. Verwaltungsabkommen über ein gemeinsames Sekretariat für die Zusammenarbeit beim Schutz
des Wattenmeers von 1987
Das Gemeinsame Wattenmeersekretariat wurde 1987 auf Beschluss der 1985 in Den Haag
durchgeführten 4. Wattenmeerkonferenz gegründet. Rechtsgrundlage hierfür ist das
Verwaltungsabkommen, das 1987 zwischen den zuständigen Ministerien der drei Länder geschlossen
wurde. Im Verwaltungsabkommen sind die Aufgaben und die Finanzierung des Sekretariats und von
dessen Personal geregelt. Das Sekretariat befindet sich seit seiner Gründung 1987 in Wilhelmshaven.
4. Erklärungen der Trilateralen Konferenzen zum Schutz des Wattenmeers 1978 - 2005
Bei den anlässlich der Wattenmeer-Konferenzen verabschiedeten Erklärungen handelt es sich um
politische Erklärungen, in denen zwischen den Regierungen bestimmte Vereinbarungen getroffen
werden, die für alle Bereiche der Kooperation von Bedeutung sind, z.B. Management, Monitoring,
internationale Kooperation usw. Die Erklärungen bilden einen untrennbaren Bestandteil des
Gesamtschutzes und Gesamtmanagements des angemeldeten Gebietes, zu welchem sich die
Regierungen verpflichtet haben. Das 1991 auf der 6. Konferenz in Esbjerg vereinbarte Leitprinzip der
trilateralen Wattenmeerpolitik lautet, so weit wie möglich ein natürliches und sich selbst erhaltendes
Ökosystem zu erreichen, in dem natürliche Prozesse ungestört ablaufen können. Beim
Wattenmeerplan, dem Politik- und Managementplan für das angemeldete Gebiet, der sich auf die
zentralen Ziele und Grundsätze der Wattenmeerkooperation erstreckt, handelt es sich ebenfalls um
eine Konferenzvereinbarung, und zwar der 8. Konferenz von 1997 in Stade. Das mit der Umsetzung
des Wattenmeerplans verknüpfte Trilaterale Monitoring und Bewertungsprogramm (TMAP) wurde
gleichzeitig beschlossen.
5. Wattenmeerforum
Auf der 9. Wattenmeerkonferenz von 2001 wurde das Wattenmeerforum (Wadden Sea Forum – WSF)
eingerichtet. Das WSF stellt ein Stakeholder-Forum aus Vertretern regionaler und kommunaler
Verwaltungen sowie wichtiger Sektoren in der Wattenmeerregion dar. Aufgabe des WSF ist die
Entwicklung einer nachhaltigen Entwicklungsstrategie für die Wattenmeerregion unter Beachtung des
aktuellen Schutzumfangs des Wattenmeers. Die vom WSF ausgearbeitete nachhaltige
Entwicklungsstrategie „Breaking the Ice“ wurde der Wattenmeerkonferenz 2005 vorgelegt, auf der die
Regierungen erklärten, sich der Strategie als erstem Schritt zu deren Umsetzung im Rahmen des
WSF-Aktionsplans anzuschließen.
Niederlande
Beim Schutz des niederländischen Teils des angemeldeten Gebietes wird ein einzigartiges nationales
Raumordnungskonzept (Planungskernbeschluss (PKB) Wattenmeer) mit der Ausweisung des
angemeldeten Gebietes nach dem Naturschutzgesetz von 1998, gestützt durch zusätzliche
Ausweisungen, verknüpft.
2. Naturschutzgebiete
Nach dem Naturschutzgesetz von 1998 werden besondere Schutzgebiete nach der Habitat Richtlinie
(Special Areas of Conservation – SACs) und nach der Vogelschutzrichtlinie (Special Protection Areas
– SPAs) als Naturschutzgebiete geschützt. Die Schutzziele für diese Natura-2000-Gebiete werden in
einer Ministerialverordnung zusammen mit den Gebietsgrenzen geregelt. Dabei werden für jedes
Gebiet Managementpläne erstellt, in denen die erforderlichen Maßnahmen beschrieben sind. Zu
deren Umsetzung werden mit den Provinzbehörden entsprechende Regelungen getroffen. Die
geltenden Regelungen sehen vor, dass Handlungen, die das geschützte Gebiet, seine Pflanzen und
Tiere oder seine landschaftliche Bedeutung schädigen oder zerstören, ohne Genehmigung verboten
sind. Als Leitprinzip gilt, dass menschliche Aktivitäten zulässig sind, solange sie mit dem Hauptziel der
im PKB-Dokument vorgegebenen Politik im Einklang stehen. Daher ist nach dem derzeitigen Recht
bei der Beurteilung der Annehmbarkeit vorgeschlagener neuer Aktivitäten auch ein
Ermessensspielraum vorgesehen.
4. Ökologische Hauptstruktur
Der niederländische Teil des angemeldeten Gebietes ist des Weiteren als Bestandteil der Ecologische
Hoofdstructuur (EHS) ausgewiesen, bei der es sich um das zusammenhängende nationale
ökologische Netz von Naturschutzgebieten handelt. Mit der EHS soll verhindert werden, dass in
isolierten Gebieten vorkommende Pflanzen und Tiere aussterben und Naturschutzgebiete entwertet
werden. Für jedes der EHS-Gebiete wird ein spezielles „Naturziel“ festgelegt. Dabei handelt es sich
um ein nachprüfbares Ziel für ein Naturschutzgebiet. An den Landesgrenzen ist die EHS mit anderen
Gebieten des Pan European Ecological Network (PEEN) verbunden.
5. Nationalparke
Teile der Inseln Schiermonnikoog und Texel, die ebenfalls innerhalb des angemeldeten Gebietes
liegen, sind nach nationalem Recht als Nationalparke ausgewiesen.
6. Umweltschutzgebiete
Gebiete, die nach dem Naturschutzgesetz von 1998 oder dem Ramsar-Übereinkommen mit einem
besonderen Schutzstatus ausgestattet sind und damit Bestandteil des angemeldeten Gebietes sind,
sind nach Maßgabe des Umweltschutzgesetzes als Umweltschutzgebiete ausgewiesen. Dies
bedeutet, dass von der Provinzregierung erlassene Umweltdekrete zumindest Vorschriften zum
Schutz der Qualität des Grundwassers und zur Verhinderung und Einschränkung von
Lärmbelästigungen enthalten müssen.
Deutschland
In Deutschland sind die Länder für die Durchführung des Bundesnaturschutzgesetzes zuständig. Das
Bundesnaturschutzgesetz ist ein Rahmengesetz des Bundes für den Naturschutz, welches
Bestimmungen zur Einrichtung von Naturschutzgebieten und Nationalparken enthält. Gemäß §24 des
Bundesnaturschutzgesetzes (2002) sind Nationalparke großräumige Gebiete von nationaler
Bedeutung, die großenteils ungestört sind und die Voraussetzungen eines Naturschutzgebiets
erfüllen. Sie haben zum Ziel, im überwiegenden Teil ihres Gebiets den möglichst ungestörten Ablauf
der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten.
Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg haben Nationalparke für das angemeldete Gebiet
1985, 1986 bzw. 1990 eingerichtet. Die Nationalparke haben das Ziel, das Wattenmeer zu schützen
und natürliche Prozesse mit möglichst geringen Störungen und anderen schädlichen Folgen
menschlicher Tätigkeiten stattfinden zu lassen. Die Nationalparke wurden in zwei oder drei Zonen
unterteilt, von denen Zone I die ökologisch besonders wertvollen Bereiche enthält. Daher gelten für
Zone I strikte Regelungen, darunter umfangreiche Beschränkungen für den Zutritt der Öffentlichkeit. In
Zone II sind Nutzungen und Tätigkeiten unter der Voraussetzung erlaubt, dass die Schutzziele
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 113
insgesamt nicht beeinträchtigt werden. Die Nationalparke werden jeweils durch eine
Verwaltungsbehörde – die Nationalparkämter bzw. Nationalparkverwaltungen – verwaltet, die für die
Durchführung der Bestimmungen der Nationalpark-Rechtsakte zuständig ist.
(OSPAR-Übereinkommen). Das angemeldete Gebiet wurde zudem von der Organisation der
Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (UNESCO) als Man and
Biosphere (MAB)-Reservat ausgewiesen.
Auch wenn mit die wichtigsten internationalen Übereinkommen und Abkommen zum Schutz des
Wattenmeers hier genannt werden, ist zu berücksichtigen, dass weitere Verträge und Übereinkommen
für das Gebiet gelten.
Wegen der starken Wechselwirkungen zwischen dem Wattenmeer und der benachbarten Nordsee
hängen die trilateralen Politik- und Schutzregelungen in Bezug auf die Umweltverschmutzung eng mit
dem OSPAR und den Nordsee-Konferenzen zusammen.
1. Ramsar-Gebiete
Die Ramsar-Konvention 1971 ist ein weltweiter Vertrag für die Erhaltung von Feuchtgebieten, d.h.
offene Flachgewässer sowie Land, das regelmäßig oder periodisch von Wasser bedeckt oder
durchtränkt wird. Im Rahmen der Konvention werden Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung
durch die Vertragsparteien ausgewiesen. Vom Wattenmeer wurden sämtliche Teile als Ramsar-
Gebiete ausgewiesen.
als PSSA ausgewiesenen Flächen sind die marinen Teile des Wattenmeers. Das PSSA weist eine
Fläche von rund 13.000 km² auf, wobei die wichtigsten Fahrwasser von der Ausweisung
ausgenommen sind. Die Schifffahrt in dem Gebiet oder die Nutzung der Wattenmeer-Häfen wird durch
das PSSA nicht eingeschränkt. Die Ausweisung des PSSA ist als Anerkennung des umfassenden
Regelwerks von nationalen und internationalen Schutzvorschriften, die im Wattenmeer und in der
benachbarten Nordsee bereits gelten. Beispiele hierfür sind die besonderen Gebiete nach dem
MARPOL-Übereinkommen zur Bekämpfung der Einleitung von Öl und Abfallverklappung, die
Verkehrsführungssysteme, bei denen für Schiffe mit gefährlichen Gütern bestimmte Strecken
vorgeschrieben werden, sowie die Meldepflicht für Schiffe. Vereinbarungsgemäß soll das PSSA vor
der Wattenmeer-Konferenz 2010 bewertet werden.
4. Abkommen für die Erhaltung von Kleinwalen in der Nord- und Ostsee (ASCOBANS), 1991
Das Abkommen für die Erhaltung von Kleinwalen in der Nord- und Ostsee (ASCOBANS) wurde 1991
im Rahmen des Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (UNEP/CMS
oder Bonner Übereinkommen) geschlossen und trat 1994 in Kraft. Das angemeldete Gebiet befindet
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sich innerhalb des Vertragsgebiets. Mit dem Abkommen wird angestrebt, zwischen den
Vertragsparteien eine enge Zusammenarbeit im Hinblick darauf zu fördern, einen günstigen
Erhaltungszustand für Kleinwale zu erzielen und zu erhalten. Ein im Rahmen des Abkommens
geltender Schutz- und Management-Plan verpflichtet die Vertragsparteien zum Schutz und
Management von Lebensräumen, zu Untersuchungen und Forschungsarbeiten, zur Bekämpfung der
Umweltverschmutzung sowie zur Information der Öffentlichkeit.
Europäische Union
Die Rechtsvorschriften der Europäischen Union im Umweltbereich sind für das Wattenmeer von
besonderer Bedeutung, die in den letzten zwei Jahrzehnten noch zugenommen hat. Das Recht der
Europäischen Union gilt grenzübergreifend und umfasst zunehmend sämtliche Bereiche der
Umweltpolitik. Diese Regelungen haben auch unmittelbare Auswirkungen auf das Recht der
Mitgliedstaaten. Von den zahlreichen Umweltrechtsakten sind die Habitat- und Vogelschutzrichtlinie
sowie die Wasserrahmenrichtlinie für den Schutz und die nachhaltige Nutzung des angemeldeten
Gebietes am wichtigsten.
Die Richtlinie 79/409/EWG des Rates über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten
(Vogelschutzrichtlinie) wurde 1979 verabschiedet und bezweckt den Schutz aller im Hoheitsgebiet der
Mitgliedstaaten natürlich vorkommenden Vogelarten. Nach der Vogelschutzrichtlinie sind die
Mitgliedstaaten verpflichtet, die für den Schutz der in Anhang 1 der Richtlinie aufgeführten Arten
geeignetsten Gebiete als besondere Schutzgebiete (Special Areas of Conservation – SPA)
auszuweisen. Das angemeldete Gebiet wurde als SPA ausgewiesen.
Die Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der
wildlebenden Tiere und Pflanzen [Habitat-Richtlinie] wurde 1992 erlassen und ergänzt die
Vogelschutzrichtlinie von 1979. Mit ihr soll sichergestellt werden, dass durch den Schutz wichtiger,
seltener oder bedrohter Lebensräume und der Lebensräume bestimmter Arten die Biodiversität
erhalten wird. Im Rahmen der Habitat-Richtlinie wird ein zusammenhängendes ökologisches Netz
namens NATURA 2000 eingerichtet. NATURA 2000 besteht aus besonderen Schutzgebieten nach
der Habitat-Richtlinie (Special Areas of Conservation – SAC) und nach der Vogelschutzrichtlinie
(Special Protection Areas – SPA). Das angemeldete Gebiet wurde bzw. wird als SAC ausgewiesen.
Das Wattenmeer ist Bestandteil von NATURA 2000 und unterliegt den Bestimmungen der Habitat-
Richtlinie, von denen dem Artikel 6 eine entscheidende Bedeutung zukommt. In Artikel 6 ist geregelt,
dass die Mitgliedstaaten für die besonderen Schutzgebiete die nötigen Erhaltungsmaßnahmen
festlegen, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere
Entwicklungspläne integrierte Managementpläne umfassen. Zudem treffen die Mitgliedstaaten
geeignete Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen
Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen
worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie
erheblich auswirken könnten. Der Europäischen Kommission ist alle sechs Jahre ein Bericht über den
ökologischen Zustand des NATURA-2000-Netzes zu übersenden.
Pläne oder Projekte, welche die Gebiete erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung
auf Verträglichkeit mit den für das betreffende Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Die zuständigen
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 117
Behörden stimmen dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn dadurch das ausgewiesene Schutzgebiet
nicht beeinträchtigt wird. Müssen Pläne bzw. Projekte aus zwingenden Gründen des überwiegenden
öffentlichen Interesses und bei Fehlen von Alternativlösungen trotzdem verwirklicht werden, ist dies
ausschließlich in Verbindung mit Ausgleichsmaßnahmen zulässig, mit denen die globale Kohärenz
des NATURA-2000-Netzes sichergestellt wird. Diese Regelungen können durch den Europäischen
Gerichtshof rechtlich durchgesetzt werden.
Abbildung 5.3: Besondere Schutzgebiete (SPA) in und neben dem angemeldeten Gebiet
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 118
Abbildung 5.4: Besondere Schutzgebiete (SAC) in und neben dem angemeldeten Gebiet
2. Wasserrahmenrichtlinie
Die Richtlinie 2000/60/EG des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der
Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie, WRRL) wurde im Jahr 2000 in
Kraft gesetzt. Sie bezweckt eine Abstimmung aller wasserbezogenen Maßnahmen auf europäischer
Ebene. Die wichtigsten Elemente der WRRL umfassen den ganzheitlichen Schutz aller Gewässer, d.h.
Grund- und Oberflächenwasser, und die Erreichung einer guten Qualität („guter ökologischer
Zustand“) bis 2015. Von den Mitgliedstaaten wurde 2005 in einer ersten Analyse über Belastungen
und Folgen berichtet.
Auf der Basis der Ergebnisse eines (bis 2006 festzulegenden) Programms zur operativen
Überwachung ist bis 2009 ein Bewirtschaftungsplan für das Einzugsgebiet zu erstellen. Die
Bewirtschaftungspläne für die Einzugsgebiete sind alle sechs Jahre zu überprüfen.
Das Wattenmeer wurde sechs verschiedenen Flussgebietseinheiten (River Basin Districts – RBD)
zugewiesen, die sich nach Küsten- und Übergangsgewässern unterscheiden. Diese
Flussgebietseinheiten bilden die Hauptbewirtschaftungseinheiten der WRRL und erstrecken sich auf
alle Arten von Grund- und Oberflächenwasser. Küstengewässer umfassen die Gebiete in einer
Entfernung von bis zu 1 Seemeile von der Basislinie sowie in Bezug auf den chemischen Zustand
auch die Hoheitsgewässer (bis zu 12 Seemeilen) (Abbildung 1.8).
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 119
Ein wesentliches Merkmal des Schutzes des angemeldeten Gebietes besteht darin, dass dieser
Schutz im Rahmen eines einheitlichen, umfassenden Schutz- und Managementsystems im Rahmen
der trilateralen Wattenmeerkooperation mit zusätzlichen Schutzschichten infolge internationaler
Rechtsakte innerhalb desselben umfassenden Systems erfolgt.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 120
Die trilaterale Wattenmeerkooperation bildet den allgemeinen, gemeinsamen Rahmen für den Schutz
des angemeldeten Gebietes auf der Basis der von den Vertragsparteien unterzeichneten
gemeinsamen Erklärung. Dabei wurden im Rahmen des Wattenmeerplans auf regelmäßigen
Ministerkonferenzen gemeinsame Grundsätze, Ziele und politische Maßnahmen vereinbart. Das auf
der Wattenmeerkonferenz 1991 vereinbarte Leitprinzip lautet, „so weit wie möglich ein natürliches und
sich selbst erhaltendes Ökosystem zu erreichen, in dem natürliche Prozesse ungestört ablaufen
können“. Dieses übergeordnete Leitprinzip wird durch mehrere Managementprinzipien wie das Prinzip
der sorgfältigen Entscheidungsfindung und das Vorsorgeprinzip unterstützt. Des Weiteren wurde im
Rahmen der Kooperation in Zusammenhang mit der gemeinsamen Abgrenzung des
Wattenmeerkooperationgebiets auf der Wattenmeerkonferenz von 1994 ein umfassendes Paket von
primär ökologischen Zielen als Basis für das gemeinsame Management des Wattenmeers vereinbart.
Wie bereits ausgeführt, kommen hierzu weitere zusätzliche Abkommen von Bedeutung für den Schutz
des Wattenmeers hinzu.
Auch wenn diese Vereinbarungen politischer Natur sind und keine unmittelbaren rechtlichen
Auswirkungen haben, handelt es sich um Verpflichtungen auf höchster politischer Ebene, bei denen
einvernehmlich davon ausgegangen wird, dass die Regierungen diese Vereinbarungen anhand ihrer
nationalen und internationalen Rechtsinstrumente und der gesamten Bandbreite sonstiger
ordnungspolitischer und administrativer Möglichkeiten anwenden, durchsetzen oder umsetzen
werden.
Wenngleich Unterschiede in der Frage bestehen, wie sich die jeweiligen nationalen rechtlichen
Schutzinstrumente innerhalb des Gesamtrahmens zusammensetzen, was sich zwangsläufig aus den
Unterschieden in den Rechtssystemen ergibt, sind sie bei den Zielen, Schutzregelungen und
Durchsetzungsmaßnahmen im Wesentlichen ähnlich.
Deutsches Wattenmeer
Mit den Schutzzielen der deutschen Wattenmeer-Nationalparke, die den deutschen Teil des
angemeldeten Gebietes umfassen, wird der Schutz des Wattenmeers und von dessen natürlicher
Entwicklung bezweckt. Dabei sollen die natürlichen Prozesse so ungestört wie möglich ablaufen. Es
wird jedoch ausdrücklich festgestellt, dass der Küstenschutz und damit zusammenhängende
Maßnahmen nicht einzuschränken sind. Des Weiteren ist in dem Gesetz über den schleswig-
holsteinischen Nationalpark ausdrücklich geregelt, dass unzumutbare Beeinträchtigungen der
Interessen und der herkömmlichen Nutzungen der einheimischen Bevölkerung zu vermeiden sind.
Zudem sind jegliche Nutzungsinteressensind mit dem Schutzzweck im Allgemeinen und im Einzelfall
gerecht abzuwägen.. Der Schutz der Natur durch den Nationalpark soll zu einer Verbesserung der
Lebens- und Arbeitsbedingungen der in der Region lebenden Bevölkerung durch positive
Rückwirkungen auf den Fremdenverkehr und das Ansehen der Region führen. Über diese zusätzliche,
auch im Wattenmeerplan enthaltene Funktion der Schutz- und Managementregelungen für das
angemeldete Gebiet herrscht wattenmeerweit Einvernehmen.
Die Nationalparke sind in zwei bzw. drei Schutz- und Managementzonen mit jeweils unterschiedlichem
Regelungsumfang unterteilt. In der Zone mit dem strengsten Schutz sind die Ressourcennutzung und
der Zugang grundsätzlich verboten. In den anderen Zonen sind der Zugang und die
Ressourcennutzung unter Auflagen erlaubt.
Der Hamburger Nationalpark ist in zwei Zonen unterteilt. Die Zone 1 ist der Einrichtung und Abfolge
der natürlichen Dynamik vorbehalten und deckt etwa 92% des Nationalparks ab. Für die Öffentlichkeit
ist das Betreten verboten, mit Ausnahme der (hauptsächlich für Wattwanderungen vorgesehenen)
Routen und der Wattflächen nördlich der Insel Neuwerk („Kleiner Vogelsand“). Die Zone II (rund 8 %)
ist Erholungszwecken, dem nachhaltigen Tourismus und dem Naturerlebnis vorbehalten, soweit dies
mit den Nationalparkzielen im Einklang steht. Darüber hinaus werden auch bestimmte
landwirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt, mit denen die einige hundert Jahre alte, historisch
kleinräumig strukturierte Landschaft der Insel Neuwerk erhalten werden soll. Auf Neuwerk steht der
älteste Profanbau an der Wattenmeerküste, der alte, 30 m hohe Turm von 1300-1310, der seit 1814
als Leuchtturm dient. Der als „Nige Wark“ (= neuer Bau) bezeichnete Turm stellt einen eindrucksvollen
Überrest der mittelalterlichen Hansezeit im Wattenmeer dar. Die gewerbliche Fischerei ist mit
Ausnahme der Krabbenfischerei auf drei schmalen Fahrwassern (weniger als 1 % der Fläche)
verboten. Die Jagd ist im gesamten Nationalpark untersagt.
Der niedersächsische Nationalpark, der auch die unbewohnten Teile der Ostfriesischen Inseln
umfasst, ist in drei Zonen unterteilt. Zone 1 – die Kernzone – deckt 61 % der Gesamtfläche ab und
enthält die ökologisch besonders wertvollen Bereiche. Alle Handlungen, die den Nationalpark oder
einzelne seiner Bestandteile zerstören, beschädigen oder verändern, sind verboten. Das Betreten ist
mit Ausnahme hierfür zugelassener Wege und Routen verboten. Einige menschliche Tätigkeiten
(Landwirtschaft, Jagd auf Teilen der Inseln, Fischerei) sind noch möglich, jedoch nur unter
Einschränkungen. Zone 2 – die Zwischenzone – deckt 38,5 % der Gesamtfläche ab. Alle Handlungen,
die den Charakter des Wattenraumes einschließlich der Inseln verändern, vor allem das
Landschaftsbild oder den Naturgenuss beeinträchtigen, sind verboten. Insbesondere sind die
Handlungen verboten, die in der als Anlage dem Gesetz beigefügten Liste aufgeführt sind. Das
Betreten dieser Zone ist bis auf die Salzwiesen während der Vogelbrutzeit vom 1. April bis 31. Juli
zulässig. Zone 3 – die Erholungszone – deckt ca. 0,5 % der Gesamtfläche ab. Nur Freizeitaktivitäten
und Kurbetrieb sind dort erlaubt.
Niederländisches Wattenmeer
Wie im vorigen Kapitel ausgeführt, wird beim Schutz des niederländischen Teils des angemeldeten
Gebiets, auch wenn dieser dem deutschen Schutz strukturell ähnelt, ein einzigartiges nationales
Raumordnungskonzept mit der Ausweisung des angemeldeten Gebietes nach dem
Naturschutzgesetz, gestützt durch zusätzliche Ausweisungen, verknüpft.
Der PKB hat den Rang eines Gesetzes, dessen Ziele und Bedingungen für alle zentralstaatlichen,
regionalen und kommunalen Behörden verbindlich sind. Hauptziel des PKB ist ein nachhaltiger Schutz
und eine nachhaltige Entwicklung des Wattenmeers als Naturraum sowie die Erhaltung der offenen
Landschaft. Dies umfasst ausdrücklich den Schutz der landschaftlichen Qualitäten, insbesondere der
Ruhe, der Offenheit und der Natürlichkeit. Dieses im PKB genannte Ziel hängt eng mit den im
Wattenmeerplan enthaltenen Zielen zusammen. Der PKB ist somit in regionalen und kommunalen
Raumordnungsmaßnahmen unter Berücksichtigung dessen, dass die drei benachbarten Provinzen
und die benachbarten Gemeinden mit hoheitlichen Befugnissen für das angemeldete Gebiet
ausgestattet werden, umzusetzen. Diese Erteilung hoheitlicher Befugnisse wurde in den achtziger
Jahren vorgenommen, um den PKB im Rahmen der Raumordnung umzusetzen und daher zu
gewährleisten, dass die Ziele und politischen Grundsätze des PKB auch für niedrigere
Verwaltungsebenen verbindlich sind. Bei den örtlichen Plänen handelt es sich um verbindliche
Rechtsakte mit direkten Folgen für den einzelnen Bürger bzw. das einzelne Unternehmen. Dieses
Vorgehen wurde auch deswegen beschlossen, damit die regionalen und örtlichen Behörden
einbezogen und verpflichtet werden.
Die Ausweisung des angemeldeten Gebietes als Naturschutzgebiet soll sicherstellen, dass das
Naturschutzgesetz und dessen Regelungen angewandt werden können. Der PKB gewährleistet
zusammen mit dem Naturschutzgesetz 1998 für den niederländischen Teil einen besonderen Schutz.
Nach diesen Regelungen sind ungenehmigte Handlungen verboten, die das geschützte Gebiet, seine
Pflanzen und Tiere oder seine landschaftliche Bedeutung schädigen oder zerstören. Als Leitprinzip
gilt, dass menschliche Aktivitäten zulässig sind, solange sie mit dem Hauptziel der im PKB-Dokument
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 122
vorgegebenen Politik im Einklang stehen. Daher ist nach dem derzeitigen Recht bei der Beurteilung
der Annehmbarkeit vorgeschlagener neuer Aktivitäten auch ein Ermessensspielraum vorgesehen.
Der PKB ermöglicht in Verbindung mit dem Naturschutzgesetz 1998 (Artikel 20) bzw. dem
Strafgesetzbuch (Artikel 461) die Einrichtung von Sperrzonen in dem Gebiet, deren Betreten
ganzjährig oder jahreszeitlich für die Öffentlichkeit verboten ist. Die Grenzen dieser Zonen können
jedes Jahr aktualisiert werden. Hiervon betroffen sind im Wesentlichen Zonen, die für Robben und
Brutvögel von Bedeutung sind. Etwa ein Viertel der Wattflächen ist für die Herz- und
Miesmuschelfischerei gesperrt. Auf der Basis der im PKB-Dokument berücksichtigten trilateralen
Vereinbarung und des Politikbeschlusses über die Muschelfischerei (2004) im östlichen Teil des
niederländischen angemeldeten Gebietes wird ein Referenzgebiet ausgewiesen. Dieses Gebiet weist
eine Fläche von etwa 7.400 ha auf, was rund 3% des angemeldeten Gebietes entspricht, und umfasst
alle wichtigen ökologischen Merkmale. Es ist bereits seit 1993 für die Muschelfischerei gesperrt. Im
Referenzgebiet sind die Nutzung biotischer und abiotischer Ressourcen sowie sonstige störende
Tätigkeiten nicht zulässig. Das Gebiet dient vergleichenden Monitoring- und Forschungsarbeiten im
Wattenmeer.
Einbeziehung Betroffener
Im niederländischen, niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Teil des angemeldeten
Gebietes wurden Beiräte eingerichtet. Nur im Hamburger Teil des angemeldeten Gebietes wurde
wegen der Möglichkeit einer sehr regelmäßigen, direkten Kommunikation mit den 40 Einwohnern auf
Neuwerk kein Beirat eingerichtet. Auch wenn sich die Beiräte in Bezug auf die Zuständigkeit und
Zusammensetzung unterscheiden, sind sie für Fragen der Beratung zu Wattenmeer-Angelegenheiten
und die Einbeziehung örtlicher und regionaler Betroffener beim Schutz und Management des
angemeldeten Gebietes sehr wichtig. Der niederländische Wattenmeerrat setzt sich aus Personen mit
Sachkenntnis in bestimmten Fragen zusammen und vertritt keine lokalen und sektoralen Interessen.
Seine Aufgabe ist die Beratung staatlicher Stellen in Fragen von allgemeiner Bedeutung für den
Schutz und das Management des Wattenmeers, er kann jedoch auch auf eigene Initiative bestimmte
Fragen untersuchen und Ratschläge erteilen.
Das schleswig-holsteinische Kuratorium setzt sich aus Vertretern der regionalen und kommunalen
Verwaltung und regionaler Wirtschafts-, Erholungs- Wissenschafts- und Umweltinteressen zusammen.
Das Kuratorium ist zusätzlich zu seinen Beratungsaufgaben für die Nationalparkverwaltung zu
konsultieren und muss zu grundsätzlichen Angelegenheiten und zur langfristigen Planung seine
Zustimmung erteilen.
Der Beirat des niedersächsischen Nationalparks setzt sich ebenfalls aus Vertretern der regionalen und
kommunalen Verwaltung und regionaler Wirtschafts-, Erholungs- und Umweltinteressen sowie
wissenschaftlicher Institutionen zusammen. In regelmäßigen Sitzungen wird der Beirat zu allen
wichtigen Maßnahmen im Nationalpark unterrichtet und berät hierzu die Nationalparkbehörde.
Das angemeldete Gebiet wurde bzw. wird als SAC ausgewiesen. Beim Wattenmeer ist dies bereits
der Fall. Darüber hinaus sollen Schutzstatusziele als Basis für den rechtlichen Schutz und das
Management des Gebiets ausgearbeitet werden. Dies erfolgt in trilateralem Rahmen. In den
Niederlanden ist dieser Prozess in dem Sinne bereits abgeschlossen worden (2007), dass alle
NATURA-2000-Gebiete einschließlich der zugehörigen Schutzziele offiziell ausgewiesen werden.
Dabei werden für jedes Gebiet Managementpläne erstellt, in denen die erforderlichen Maßnahmen
beschrieben sind. Zu deren Umsetzung werden mit den Provinzbehörden entsprechende Regelungen
getroffen. Für den deutschen Teil des angemeldeten Gebietes sollen die Erahltungsziele noch
benannt werden, soweit nicht bereits geschehen. Diese Ziele sind insoweit von wesentlicher
Bedeutung, als hieraus zu entnehmen ist, welche Maßnahmen zur Wahrung bzw. Wiederherstellung
eines günstigen Erhaltungszustandes für Lebensräume noch erforderlich sind.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 123
Des Weiteren werden durch Artikel 6 der Habitat-Richtlinie – wie im vorigen Kapitel ausgeführt –
Verträglichkeitsprüfungen von Projekten und Plänen als Bestandteile des Verfahrens zur
Genehmigung dieser Projekte und Pläne sowie im weiteren Sinn von allen Tätigkeiten in dem
angemeldeten Gebiet eingeführt. Ergibt sich aus der Prüfung, dass die Pläne bzw. Projekte das
Gebiet beeinträchtigen werden, dürfen sie nur aus zwingenden Gründen des überwiegenden
öffentlichen Interesses und bei Fehlen von Alternativlösungen genehmigt werden. Dabei sind
Ausgleichsmaßnahmen vorgeschrieben.
Zu beachten ist, dass als zuständige Behörde diejenige Behörde gilt, welche die betreffende
Genehmigung erteilt, die vielfach jedoch nicht für den Naturschutz zuständig ist. Die zuständige
Behörde hat den Schutzrahmen trotzdem uneingeschränkt zu berücksichtigen.
Durchsetzung
Die oben beschriebenen Schutzmaßnahmen sowie der allgemeine Rechts-, Planungs- und
Management-Rahmen sind unmittelbar durchsetzbar. Der Durchsetzbarkeit der Regelungen wird
durch die Einrichtung von Management- und Vollzugsstellen, die Abstimmung mit anderen staatlichen
Stellen mit Zuständigkeiten in dem angemeldeten Gebiet und die Einführung von modernster Technik
zur Überwachung der Vorschriften – auch aus der Luft – breiter Raum eingeräumt.
Im schleswig-holsteinischen Teil wird das Nationalparkamt bei der Überwachung des Gebiets durch
16 Ranger vom Nationalpark-Service sowie zusätzlich durch nichtstaatliche Organisationen mit
diesbezüglichen vertraglichen Aufgaben unterstützt. Im Hamburger Teil wird der rechtliche
Schutzstatus des Gebiets durch Mitglieder der Hamburger Nationalparkverwaltung und des auf der
Insel Neuwerk ansässigen nichtstaatlichen Partners Verein Jordsand überwacht und kontrolliert. Im
niedersächsischen Teil sind die von den Küstenschutzbehörden beschäftigten Aufsichtskräfte sowie
ehrenamtlichen Mitarbeiter für die Beratung von Besuchern und die Betreuung des Gebiets
zuständig. Auch die Wasserschutzpolizei spielt bei der Rechtsdurchsetzung im deutschen Teil des
angemeldeten Gebietes eine wichtige Rolle.
Im niederländischen Teil des angemeldeten Gebiets verfügen die zentralstaatliche Ebene sowie die
Provinzen und Gemeinden über eigene Zuständigkeiten für die Durchsetzung des im Wattenmeer
geltenden Rechts. Der Vollzug von überwiegend für die Schifffahrt, die Fischerei und für
Freizeitaktivitäten geltenden Regelungen erfolgt durch das Ministerium für Landwirtschaft,
Lebensmittelqualität und Natur, das Ministerium für öffentliche Verkehrsanlagen und Wasserwirtschaft,
die Wasserpolizei, die Militärpolizei und den Zoll. Darüber hinaus werden Aufsichts-/ Ermittlungskräfte
der Provinzen sowie Raumordnungsstellen und regionale Polizeidienststellen von Fall zu Fall
einbezogen. Diese Organisationen arbeiten im Konsultationsgremium für Vollzug im Wattenmeer
zusammen. Ihre diesbezüglichen Projekte sind in einem gemeinsamen langfristigen Aktionsprogramm
festgehalten. Die Kooperation wird darüber hinaus durch die Vollzugsdienststelle Wattenmeer
erleichtert.
Es ist jedoch einzuräumen, dass der Vollzug aus verschiedenen Gründen problematisch ist. Zum
einen ist der Vollzug in einem Gebiet von der Größe des angemeldeten Gebiets und seinen
natürlichen Merkmalen, d.h. Gezeitenzone mit beschränkter Zugänglichkeit, nicht ohne Weiteres
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möglich. Zum anderen trägt ein polizeilicher Vollzug nicht zu erhöhter Akzeptanz bei, weshalb in den
letzten Jahren freiwillige Vereinbarungen zunehmend eine Rolle spielen.
Im niederländischen Teil des Gebietes ist es mit Ausnahme der Sperrzonen für eine Probezeit von vier
Jahren gestattet, in einer Entfernung von bis zu 200 m jenseits der Fahrwasserbojen zu ankern, sofern
ein Verhaltenskodex eingehalten wird. Zu diesem Zweck haben die gemeinsam zuständigen
Behörden und die Wassersportorganisationen im niederländischen Wattenmeergebiet ein
Politikdokument über verantwortungsbewusste Ankerung in Wattenmeer unterzeichnet. Darin
verpflichten sich die Freizeitorganisationen, ihre Mitglieder zur Einhaltung des Verhaltenskodex „Watt,
ich liebe dich“ anzuhalten und bei Verstößen gegen den Kodex organisationsintern tätig zu werden.
Dabei gilt der Verhaltenskodex nicht nur für Bootsführer, sondern für jeden, der sich im Wattenmeer
aufhält. So müssen sich auch Wattwanderer an die im Verhaltenskodex festgelegten Regeln halten.
Der Verhaltenskodex ist speziell auf das Verhalten des Menschen gegenüber den zu schützenden
Arten und Lebensräumen zugeschnitten, auf denen die Ausweisung des Wattenmeers als Natura-
2000-Gebiet beruht. Der Verhaltenskodex wird allgemein bekannt gemacht; so wird er in allen
Bootshäfen ausgehängt und in touristischen Informationsfaltblättern, Zeitschriften und Magazinen
abgedruckt. Auch in hydrographischen Karten des Wattenmeers wird auf den Verhaltenskodex
verwiesen. Dieser Betriebsversuch wird jedes Jahr ausgewertet, wobei 2007 eine
Abschlussbewertung vorgenommen wird. Auf der Basis der bisher erzielten positiven Ergebnisse
wurde beschlossen, den Betriebsversuch für verantwortungsbewusstes Ankern um höchstens vier
Jahre zu verlängern. Die endgültige Entscheidung über die Formalisierung dieser Ankerungspolitik
wird auf der Grundlage einer Gesamteinschätzung gefällt, die im Rahmen des integrierten
Wattenmeerplans für Bewirtschaftung und Entwicklung (B&O-Plan, vgl. S. 23) durchgeführt wird. Für
diese Gesamteinschätzung werden die Ergebnisse der Abschlussbewertung einen wichtigen Beitrag
darstellen.
Im schleswig-holsteinischen Teil des angemeldeten Gebietes gibt es zahlreiche Beispiele für derartige
freiwillige Vereinbarungen zwischen dem Nationalparkamt und verschiedenen Interessensgruppen,
z.B. Krabbenfischer- oder Wassersportverbände. Auch in dem Gebiet mit Ausflugsbooten operierende
Schifffahrtsunternehmen, verschiedene Führungsveranstalter, Touristikunternehmen und sogar
kommunale Behörden haben freiwillige Vereinbarungen als Nationalparkpartner unterzeichnet. Dabei
haben sich regelmäßige gemeinsame Bewertungen bei der Schaffung von Win-Win-Situationen für
beide Partner als sehr erfolgreich erwiesen. Auch in Niedersachsen werden freiwillige Vereinbarungen
und Zertifizierungen immer wichtiger, insbesondere bei den Regelungen, die im Rahmen des derzeit
in Gang befindlichen Prozesses der Verwirklichung einer Biosphärenreservat-Entwicklungszone in der
Wattenmeerregion Niedersachsens initiiert werden. Alle drei Nationalparke in Deutschland arbeiten
bei der Förderung des Konzepts freiwilliger Vereinbarungen mit potenziellen Nationalparkpartnern
zusammen.
5.d Vorhandene Pläne der Gemeinde, Stadt oder Regionalverwaltung, in der sich das
angemeldete Gut befindet (z.B. Regional- oder Kommunalplan, Erhaltungsplan, Plan zur
Entwicklung des Tourismus)
Es ist darauf hinzuweisen, dass das gesamte Gebiet des angemeldeten Gebiets einem kohärenten
Regelwerk zum Schutz und Management unterliegt, das sich aus Ausweisungen als Schutz- und
Nationalparkgebiet ergibt, womit der strengste Schutzstatus gewährt wird, der national und
international (auch nach europäischem Recht) möglich ist. Daher ist bei der Regional- und
Kommunalplanung einschließlich Raumordnung dem Schutzstatus des angemeldeten Gebietes im
Regelfall Priorität einzuräumen. Das geltende Planungssystem ist daher als Unterstützungsinstrument
für das aktuelle Schutzsystem anzusehen.
Derzeit wird eine wichtige Entwicklung eingeleitet. Als Folge der Empfehlung des Europäischen
Parlaments und des Rates zur Umsetzung einer Strategie für ein integriertes Management der
Küstengebiete (2002/413/EG) für die europäische Küstenzone haben die Niederlande und
Deutschland der Europäischen Kommission im Rahmen eines integrierten Küstenzonenmanagements
(IKZM) zum Status des IKZM für ihre Küstenzonen einschließlich des angemeldeten Gebiets und zur
Frage, wie sie sich eine IKZM-Strategie vorstellen, Bericht erstattet. Dieses Konzept erscheint als sehr
wichtiger Ansatz, da der Schutz und das Management von Meeresgebieten insofern schwierig ist, als
zahlreiche Faktoren und Entwicklungen von potenziell großer Bedeutung für das angemeldete Gebiet
zu berücksichtigen sind, wobei diese Entwicklungen gleichzeitig auch verschiedenen nationalen und
internationalen Regelwerken unterliegen. Beim IKZM wird versucht, diese Entwicklungen zu steuern
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 125
und aus Sicht des angemeldeten Gebietes sicherzustellen, dass hierdurch dessen Unversehrtheit
nicht beeinträchtigt wird und diese Entwicklungen nachhaltig ablaufen. Das angemeldete Gebiet ist
demnach potenziell das Gebiet, das von der Weiterentwicklung der IKZM-Strategie am meisten
profitiert, sowie gleichzeitig das Gebiet, welches im Rahmen der IKZM-Strategie für diesen Teil der
Küste und die benachbarten Seegebiete einen bestimmenden Faktor darstellt.
Großenteils wird die IKZM-Strategie in der derzeitigen nationalen Planung bereits berücksichtigt, die
auch für das angemeldete Gebiet entwickelt wurde oder hierfür relevant ist.
Deutschland
Insbesondere in Bezug auf das IKZM haben der Bund, die Länder und die Kommunen Initiativen
entwickelt, die zur Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens noch hinzukommen, damit Know-how
und Erfahrung aufgebaut, die Nachhaltigkeit in Küstenzonen gefördert, die Zusammenarbeit zwischen
Institutionen und Organisationen des Staates, der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Forschung
verbessert sowie die Qualität des verfügbaren Wissens im Rahmen der Forschungs- und
Projektförderung weiterentwickelt wird.
In Bezug auf das vorhandene Instrumentarium und die derzeitigen Maßnahmen sieht die nationale
Strategie vier Bereiche vor, bei welcher folgende Schritte weiterverfolgt werden sollen:
(1) weitere Optimierung des Rechtsinstrumentariums entsprechend den grundlegenden IKZM-
Prinzipien,
(2) Schaffung der Basis für die Fortführung des Dialogprozesses,
(3) Best-Practice-Projekte und deren Auswertung,
(4) Ausarbeitung und Anwendung von IKZM-Indikatoren.
Die Planung einschließlich Raumordnung liegt in der Zuständigkeit der Länder, Kreise und
Kommunen. Die Landesraumordnungsplanung Niedersachsens und Schleswig-Holsteins erstreckt
sich auch auf die Hoheitsgewässer im deutschen Teil des angemeldeten Gebietes. In den
Landesraumordnungsprogrammen beider Bundesländer wird dem angemeldeten Gebiet in den
Regionalplänen der Status eines prioritären Gebiets für den Naturschutz zugestanden, was auch auf
den Landesraumordnungskarten angegeben wird. Infolgedessen muss die Raumordnung den Status
des angemeldeten Gebietes und dessen Regelungen voll berücksichtigen, wobei diesem Status
widersprechende Planungen oder Maßnahmen unzulässig sind.
Der schleswig-holsteinische Landesraumordnungsplan von 1998 weist dem Gebiet den oben
genannten Status zu. Der Raumordnungsbericht Küste und Meer 2005 bietet einen umfassenden
Überblick aller Nutzungen der Küstenzone mit Raumordnungsimplikationen und sich hieraus
ergebenden Maßnahmen, wobei das angemeldete Gebiet in die künftige Raumordnung im Einklang
mit dessen Planungsstatus vollständig eingebettet wird.
[gibt es auch Angaben zu HH? Die sollten ggfs. noch ergänzt werden]
Mit dem oben beschriebenen Raumordnungssystem wurde ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung
eines IKZM-Konzepts getan, in dessen Rahmen der deutsche Teil des angemeldeten Gebietes fest
verankert ist und eine zusätzliche Schutzschicht erhält.
Niederlande
Es sei daran erinnert, dass der Schutz des niederländischen Teil des angemeldeten Gebietes
innerhalb eines Raumordnungsrahmens durch den nationalen Planungskernbeschluss PKB gewährt
wird. Des Weiteren sind die benachbarten Provinzen und Gemeinden, die zur Anwendung ihrer
Raumordnungszuständigkeiten auch auf das angemeldete Gebiet verpflichtet sind, mit hoheitlichen
Befugnissen für das angemeldete Gebiet ausgestattet. Dies wurde, wie bereits ausgeführt, absichtlich
vorgenommen, um zu gewährleisten, dass die Raumordnung der drei staatlichen Ebenen einheitlich
angewandt und zudem berücksichtigt wird, dass es sich um ein Übergangsgebiet zwischen Land und
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 126
Meer handelt. Somit war die regionale und örtliche (Raumordnungs-) Planung für den
niederländischen Ansatz von Anfang an kennzeichnend.
Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass es sich beim PKB um einen für regionale und kommunale
Stellen verbindlichen Rechtsakt handelt. Teilweise sind die getroffenen Entscheidungen für diese
Stellen unmittelbar verbindlich. Andere haben einen eher informatorischen Charakter. Dennoch sind
diese von den Provinzen und Kommunen in ihrer aktuellen Planung zu berücksichtigen. Bei einigen
wenigen handelt es sich um Entscheidungen von wesentlicher Bedeutung, die nur durch eine
Änderung des PKB selbst geändert werden können.
Die Provinzen Groningen, Fryslân und Noord-Holland arbeiten in einem Lenkungsausschuss für die
Wattenmeer-Provinzen zusammen. Dabei haben sie in einem provinzübergreifenden Politikplan
namens IBW eine gemeinsame Gesamtpolitik festgelegt. Dieser IBW enthält die gemeinsamen
Ansichten und Ziele zu den künftigen Entwicklungen im Wattenmeer. Hauptziel der gemeinsamen
Politik ist die sich selbst tragende Erhaltung und nachhaltige Entwicklung des Wattenmeers als
Naturschutzgebiet. In diesem Rahmen sind bestimmte menschliche Aktivitäten möglich. Dabei gelten
zwei Voraussetzungen: Sicherheit der Bevölkerung und Zugänglichkeit der Inseln und Häfen.
Auf der Basis des Katastrophen- und Unfallgesetzes sowie des Gesetzes über öffentliche Arbeiten
und Wasserwirtschaft hat der Regionalrat für das Wattenmeergebiet (RCW) den Koordinierungsplan
für den Katastrophenschutz im Wattenmeer festgelegt. In dem Plan ist geregelt, wer zu welchem
Zeitpunkt für welche Aufgabe zuständig ist und welche administrativen Maßnahmen in naher Zukunft
zu ergreifen sind, um den koordinierten Katastrophenschutz zu optimieren. Diesbezügliche
Vereinbarungen sowie operative Pläne zum Katastrophenschutz sind Bestandteil des Plans. Der Plan
wurde von den betroffenen Kommunen, den Provinzen und der zentralstaatlichen Ebene
abgezeichnet.
Die Inseln in der Wattenmeerregion kooperieren im Rat „De Waddeneilanden“. Deren gemeinsame
Politik ist im Politikplan 2006 - 2010 festgelegt. Werden internationale Fragen berührt, erfolgt eine
weitere Zusammenarbeit zwischen den niederländischen, deutschen und dänischen Inseln im
Rahmen eines Kooperationsgremiums namens Euregio-die Watten.
Management
Der trilaterale Wattenmeerplan wurde auf der im niedersächsischen Stade 1997 abgehaltenen 8.
Wattenmeerkonferenz verabschiedet. Er stellt den gemeinsamen grenzübergreifenden Politik- und
Managementplan für das Wattenmeergebiet dar. Das Wattenmeergebiet beinhaltet auch das
angemeldete Gebiet. Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich beim Wattenmeerplan um einen Politik-
und Managementplan handelt, der von den Regierungen für ein grenzübergreifendes Gebiet
beschlossen wurde. Beim Wattenmeerplan ist daher eine breitere Perspektive als bei einem
traditionellen Bewirtschaftungsplan für ein Gebiet in dem Sinne gegeben, als er auch die Vision, die
Grundsätze, die politischen Regelungen und die Maßnahmen umfasst und einen Rahmen für den
integrierten Schutz und das Gesamtmanagement des Wattenmeers bildet. Dabei legt der
Wattenmeerplan nicht selbst ein Managementsystem fest, sondern stützt sich auf die
Managementsysteme, welche auf nationaler Ebene verfügbar sind. Der Wattenmeerplan kombiniert
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 127
somit in einzigartiger Weise ein strategisches Politik- und Managementkonzept mit einem nationalen
Managementsystem für eine sachgerechtes Management des angemeldeten Gebietes.
Der Wattenmeerplan stellt ein kohärentes Konzept für den Schutz und das Management des
Wattenmeers in einem grenzübergreifenden Rahmen dar. Im Wesentlichen handelt es sich um einen
Ökosystemansatz, der darauf ausgerichtet ist, die Erhaltung der gesamten Vielfalt der zu einem
natürlichen und dynamischen Wattenmeer gehörenden Habitattypen zu erreichen.
Er enthält eine Vision wie auch gemeinsame Prinzipien, Ziele und Politik- bzw. Management-
Maßnahmen in Kombination mit konkreten Vorgehensweisen. Die Vision des Wattenmeerplans hat
Folgendes zum Inhalt:
• Eine intakte Umwelt, in der die Vielfalt der Lebensräume und Arten, ihre ökologische Integrität
und ökologische Elastizität als globale Verpflichtung aufrechterhalten werden.
• Eine nachhaltige Nutzung.
• Die Bewahrung und Förderung von ökologischen, ökonomischen, kulturhistorischen, gesell-
schaftlichen und küstenschutztechnischen Werten, die den Wünschen der Bewohner und
Nutzer Rechnung tragen und ihrem Wohlbefinden dienen.
• Ein integriertes Management der menschlichen Tätigkeiten unter Berücksichtigung der
sozioökonomischen und ökologischen Wechselbeziehung zwischen dem Wattenmeergebiet
und den angrenzenden Gebieten.
• Eine informierte, engagierte und aktiv teilnehmende Öffentlichkeit.
Die gemeinsamen Prinzipien erstrecken sich auch auf das bereits erwähnte zentrale Leitprinzip,
welches lautet, „so weit wie möglich ein natürliches und sich selbst erhaltendes Ökosystem zu
erreichen, in dem natürliche Prozesse ungestört ablaufen können“. Die zugehörigen
Managementprinzipien sind für das gemeinsame Management des Wattenmeers von fundamentaler
Bedeutung:
• Das Prinzip der sorgfältigen Entscheidungsfindung: Entscheidungen sind auf der Grundlage
der besten zur Verfügung stehenden Informationen zu treffen.
• Das Vermeidungsprinzip: Möglicherweise schädliche Aktivitäten für das Wattenmeer sollten
vermieden werden.
• Das Vorsorgeprinzip: Es sind Maßnahmen zu ergreifen, um Aktivitäten zu vermeiden, bei
denen davon auszugehen ist, daß sie einen erheblichen schädlichen Einfluss auf die Umwelt
haben, auch wenn wissenschaftlich nicht vollständig nachgewiesen ist, daß die Wirkungen in
ursächlichem Zusammenhang mit den Aktivitäten stehen.
• Das Verlagerungsprinzip: Für das Wattenmeer schädliche Aktivitäten sind in Bereiche zu
verlagern, in denen sie sich weniger auf die Umwelt auswirken.
• Das Ausgleichsprinzip: Für schädliche Auswirkungen einer Aktivität, die nicht vermieden
werden kann, müssen Ausgleichsmaßnahmen ergriffen werden; in den Teilen des Watten-
meeres, in denen dieser Grundsatz noch nicht umgesetzt worden ist, werden Ausgleichs-
massnahmen angestrebt.
• Das Wiederherstellungsprinzip: Soweit möglich, sollten Teile des Wattenmeeres wieder-
hergestellt werden, sofern durch vergleichende Untersuchungen nachgewiesen werden kann,
dass die gegenwärtige Situation nicht optimal ist und daß der Originalzustand wahrscheinlich
wiederhergestellt werden kann.
• Das Prinzip des Standes der Technik und der Besten Umweltpraxis entsprechend der von der
Pariser Kommission vorgenommenen Definition.
Ein sehr grundlegendes Prinzip besteht darin, dass unzumutbare Beeinträchtigungen der Interessen
der örtlichen Bevölkerung und von deren traditionellen Nutzungen im Wattenmeergebiet zu vermeiden
sind. Alle Benutzerinteressen sind vor dem Hintergrund des Schutzzwecks im Allgemeinen sowie im
jeweiligen Einzelfall ausgewogen und sachgerecht zu prüfen.
Wie oben hervorgehoben, sind die trilateralen politischen Maßnahmen und Managementregelungen in
Bezug auf den Schutz darauf ausgerichtet, die Erhaltung der gesamten Vielfalt der zu einem
natürlichen und dynamischen Wattenmeer gehörenden Habitattypen zu erreichen. Jedes dieser
Habitate benötigt eine bestimmte Qualität, die sich durch ein sachgerechtes Management des Gebiets
erzielen lässt. Diese Qualität lässt sich an bestimmten charakteristischen Strukturen, dem
Vorhandensein bestimmter Organismen, dem Fehlen von Störungen und toxischen Effekten sowie
den chemischen Verhältnissen in dem Lebensraum nachweisen.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 128
Für die ersten fünf dieser Habitate wurden ökologische Ziele festgelegt, um die Fläche, die als
natürlich, dynamisch und ungestört gelten kann, auszuweiten. Bei den ländlichen Gebieten auf den
Inseln und dem Festland besteht das Ziel darin, die Bedingungen für Vögel zu verbessern. Weitere
ergänzende Ziele wurden für Meeressäugetiere, Vögel und Muschelbänke vereinbart, weil diese
wichtige Indikatoren der biologischen Qualität des Ökosystems darstellen. Ebenso wurden Ziele zur
chemischen Qualität des Wattenmeers festgelegt. Diese Ziele lauten im Wesentlichen, dass sich die
Konzentrationen natürlich vorkommender Stoffe (z.B. Nährstoffe und Schwermetalle) auf einem
natürlichen Niveau bewegen sollen und die Einleitung nicht natürlicher Stoffe, z.B. Pestizide, gleich
Null sein soll.
Die ökologischen Ziele gelten für das gesamte Wattenmeerkooperationsgebiet. Es gibt jedoch
Unterschiede beim Umfang, in dem die Ziele verwirklicht werden, und zwar je nachdem, ob der
Naturschutz oder die menschliche Nutzung Priorität haben. Der Wattenmeerplan gilt für das gesamte
Wattenmeergebiet und erstreckt sich auch auf Gebietsteile, die nicht in ihrer Gesamtheit Bestandteil
nationaler Schutzgebiete sind, z.B. Ästuare, Dünen und die Offshore-Zone. Gemeinsame Regelungen
für einen umfassenden Schutz des Wattenmeers wurden für nahezu alle menschlichen Aktivitäten
getroffen. Der Wattenmeerplan hebt zudem hervor, dass nachhaltige menschliche Aktivitäten in dem
Gebiet auch in Zukunft möglich bleiben.
Projekte und Initiativen sind ebenfalls Bestandteil des Wattenmeerplans. Dabei wurde im Einklang mit
dem Zielkonzept bereits zum Zeitpunkt der Beschließung des Wattenmeerplans im Jahr 1997 eine
Reihe von Projekten und Maßnahmen vereinbart. Die Projekte beziehen sich im Wesentlichen auf
weitere Untersuchungen, wohingegen es sich bei den Maßnahmen um konkrete Vorgehensweisen für
ein verbessertes Management handelt. Größtenteils sind diese Projekte und Maßnahmen bereits
verwirklicht.
Der Wattenmeerplan ist mit dem in Kapitel 6 beschriebenen trilateralen Monitoring- und
Bewertungsprogramm (Trilateral Monitoring and Assessment Program – TMAP) verknüpft. Beim
TMAP wird das Wattenmeer im Einklang mit dem Konzept des Wattenmeerplans überwacht und eine
ständige Beurteilung des Zustands des Wattenmeers und der Umsetzung des Wattenmeerplans
ermöglicht. Dabei werden periodische Qualitätszustandsberichte veröffentlicht, die auf der Basis der
im Rahmen des TMAP erfassten Daten eine umfassende Beurteilung des Zustands des Ökosystems
Wattenmeer darstellen. Bisher wurden vier Qualitätszustandsberichte einschließlich des
Entwicklungsberichts von 1991 veröffentlicht.
Die Umsetzung des Wattenmeerplans wird seit 1997 auf jeder Folgekonferenz im Zusammenhang mit
den Qualitätszustandsberichten und der in öffentlichen politischen Bewertungsberichten abgegebenen
Beurteilung nach Politik- und Management-Gesichtspunkten geprüft. Der Wattenmeerplan unterliegt
somit einer periodischen Überprüfung seiner Umsetzung nicht nur in einem fachlichen Rahmen,
sondern auch auf höchster politischer Ebene, womit sichergestellt ist, dass der Wattenmeerplan auch
auf staatlicher Ebene umgesetzt wird.
Der Wattenmeerplan wird weiterentwickelt und entsprechend den Regelungen der Habitat-,
Vogelschutz- und Wasserrahmenrichtlinie der Wattenmeerkonferenz 2010 vorgelegt.
Als Folge des oben genannten Abkommens zum Schutz der Seehunde im Wattenmeer gilt seit 1991
ein Schutz- und Managementplan, der in regelmäßigen Abständen überarbeitet wird. Der
Seehundmanagementplan (SMP) beschreibt die Managementmaßnahmen, die zur Umsetzung der
Regelungen des Seehundabkommens in Verbindung mit den im Wattenmeerplan festgelegten Zielen
notwendig sind. Der SMP enthält zudem Projekte und Maßnahmen, die im Planungszeitraum
gemeinsam oder durch die (bzw. eine der) Vertragsparteien zu verwirklichen sind. Beim SMP handelt
es sich um den einzigen artbezogenen gemeinsamen Managementplan im Rahmen der
Wattenmeerkooperation.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 129
Umsetzung
Wie oben ausgeführt, legt der Wattenmeerplan nicht ein eigenständiges Managementsystem fest,
sondern wird durch die Instrumente und Strukturen umgesetzt, die den Vertragsparteien auf nationaler
und regionaler Ebene zur Verfügung stehen. Die Vertragsparteien gehen dabei geringfügig
unterschiedlich vor in dem Sinne, dass sich die formelle Umsetzung, jedoch nicht die Inhalte und
Ergebnisse unterscheiden.
Im deutschen Teil des angemeldeten Gebietes werden die Vereinbarungen durch die
Nationalparkgesetze in Verbindung mit den Richtlinien und der mit den Nationalparkgesetzen
festgelegten Managementstruktur umgesetzt. Dabei überwachen die nationalen Behörden die
Verwirklichung der Politik- und Managementvereinbarungen.
Für den niederländischen Teil des angemeldeten Gebietes gilt im Rahmen des PKB und des
Naturschutzgesetzes (1998) ein komplexes Managementsystem, welches den Wattenmeerplan in
nationale Managementmaßnahmen umsetzt.
Der PKB enthält eine Entwicklungsperspektive bis 2030. Auf der Basis dieser Entwicklungsperspektive
legt der Regionale Wattenmeerkoordinierungsrat (RCW) einen gemeinsamen Bewirtschaftungs- und
Entwicklungsplan („B&O-Plan“) für das Wattenmeer fest. Der Gemeinschaftscharakter ist das
Ergebnis der gemeinsamen Abstimmung unterschiedlicher Managementaspekte zwischen den jeweils
betroffenen Behörden (Rechtsinstrumente, Erhaltung und Überprüfung, Überwachung, Information
und Kenntnisvermittlung) sowie der Integration aller Managementinformationen und Karten. Der
Managementplan zeigt, wie der PKB, der provinzübergreifende Politikplan für das Wattenmeer sowie
verschiedene staatliche Vermerke zum Wattenmeer konkret realisiert werden. Beim Managementplan
handelt es sich zudem um einen Beurteilungsrahmen, der bei der Prüfung von Anträgen auf eine
Zulassung oder Ausnahmeregelung heranzuziehen ist. Der B&O-Plan wird mindestens bis Ende 2010
gelten. Bis dahin bleiben auch der aktuelle Managementplan, der Umsetzungsplan und das
Vollzugsprogramm gültig. Der B&O-Plan wird mindestens alle sechs Jahre überarbeitet.
Auf der Basis des B&O-Plans wird ein neues Wattenmeer-Umsetzungsprogramm ausgearbeitet, in
welchem die für die nächsten sechs Jahre geplanten Maßnahmen und Tätigkeiten beschrieben sind.
Darüber hinaus wird in regelmäßigen Abständen ein Bericht über das Wattenmeer-
Umsetzungsprogramm erstellt, worin auf die Realisierung des Wattenmeer-Umsetzungsprogramms
eingegangen wird. Zudem wird ein neues Wattenmeer-Vollzugsprogramm erarbeitet, welches die
anzuwendenden Vollzugsverfahren beschreibt. Diese Pläne und Programme werden vom RCW
festgelegt. Dabei sorgt der RCW dafür, dass die verschiedenen Vollzugsmaßnahmen effizient
aufeinander abgestimmt werden.
Die Regierung hat die Absicht, die nach den Regelungen des geänderten Naturschutzgesetzes von
1998 und der Wasserrahmenrichtlinie festgelegten Managementpläne in den B&O-Plan zu integrieren.
Für den Nationalpark Schiermonnikoog gilt der Managementplan Nationalpark Schiermonnikoog 1999-
2008. Dieser Managementplan beschreibt die Ziele und Ausgangspunkte für die Nutzung und das
Management des Nationalparks. Er bildet den Beurteilungsrahmen für das Projektprogramm. Auch für
den Nationalpark „De Duinen“ auf Texel ist ein Managementplan in Kraft.
Berücksichtigt man alle Mittel für laufende Schutz- und Managementmaßnahmen einschließlich
Durchsetzung, Umweltbeobachtung, Kommunikation und Umweltbildung, Forschung sowie die
Tätigkeiten im Zusammenhang mit trilateralen und internationalen Arbeiten, so ist die für das
angemeldete Gebiet verfügbare Finanzierung als komplex zu bezeichnen. Die Finanzierungsquellen
verteilen sich über eine Vielzahl von Stellen und Institutionen, was es besonders erschwert, die für das
angemeldete Gebiet jährlich insgesamt verfügbaren Mittel und deren Quellen exakt zu beziffern. Die
Übersicht zu den Quellen und zum Umfang der Finanzierung wurde daher auf die Mittel, welche für
den Schutz und das Management des Gebietes in Bezug auf die Schutzziele für das angemeldete
Wattenmeer direkt verfügbar sind, sowie auf die unmittelbar zuständigen Stellen und Organisationen
beschränkt. Dabei wurden Finanzierungsquellen, die zu den jährlichen Zuwendungen durch staatliche
Stellen und nichtstaatliche Institutionen hinzukommen, so weit wie möglich ebenfalls aufgeführt. Der
Übersicht in Tabelle 5.1 ist der Umfang der verfügbaren Finanzierung zu entnehmen. Die
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 130
Zuwendungen werden jährlich durch die zentralstaatlichen Parlamente und die Landesparlamente
beschlossen und können sich im Lauf der Zeit ändern.
Betragshöhe
Staat Quelle
Staat
Deutschland: Nationalparkverwaltungen und Servicestellen
Staatliche
(Informationszentren, Aufsichtskräfte) und nichtstaatliche 9.593.000€
Stellen
Organisationen
Niederlande: Nationale und regionale Behörden, Service- und Staatliche
8.400.000€
Koordinierungsstellen sowie nichtstaatliche Organisationen Stellen
Staatliche
Gemeinsames Wattenmeersekretariat 640.000€
Stellen
Von dem Betrag in Höhe von knapp 3 Mio. € für die Nationalparkverwaltung in Niedersachsen fallen
1.010.000 € für die Unterhaltung von 14 Besucherzentren an.
1994 wurde vom Land Niedersachsen zusammen mit den Firmen Statoil und Ruhrgas die
Niedersächsische Wattenmeerstiftung mit einer Grundeinlage von rund 25 Mio. € und einer jährlichen
Auszahlungsquote von rund 1 Mio. € gegründet. Die Stiftung unterstützt wissenschaftliche Projekte
und Aktivitäten, mit denen der Erhaltungszustand des Wattenmeers verbessert werden soll, oder
Projekte in Zusammenhang mit alternativer Energie.
In den Niederlanden wurde ein Wattenmeerfonds eingerichtet. Über den Wattenmeerfonds stellt der
niederländische Staat in den nächsten 20 Jahren 800 Mio. € zur Verfügung.
Die wichtigsten Ziele des Wattenmeerfonds bestehen in der Förderung von Aktivitäten, welche
- die natürlichen Werte der Natur und Landschaft des Wattenmeergebiets verbessern,
- externe Gefährdungen des natürlichen Reichtums des Wattenmeers vermindern oder beseitigen,
- zu einer nachhaltigen Entwicklung im Wattenmeergebiet oder in erheblichem Umfang zu einer
Umstellung auf einen nachhaltigen Energiehaushalt im Wattenmeergebiet und in den
Nachbargebieten (Groningen, Friesland und nördlicher Teil von Noord-Holland) beitragen,
- die Entwicklung eines effizienten und nachhaltigen Wissensmanagements für das
Wattenmeergebiet fördern.
Das Kapital stammt aus der Erdgasgewinnung (750 Mio. €) und aus öffentlichen Mitteln (50 Mio. €).
Auch die Antragsteller selbst haben zur Finanzierung ihres Projekts beizutragen (Kofinanzierung).
Dadurch werden die Nettoinvestitionen erhöht. Somit rechnet die Regierung in den nächsten 20
Jahren mit einem finanziellen Impuls von über 1 Milliarde €.
Die Regierung wird einen Investitionsplan auflegen, in dem die am Ende des Finanzierungszeitraums
von 20 Jahren vorgesehene Situation u.a. auf der Basis des PKB beschrieben wird. Damit bezweckt
die Regierung die Finanzierung von Projekten, die am Ende des Finanzierungszeitraums (nach 20
Jahren) sichtbar zur Verbesserung und Erhaltung des Wattenmeergebiets beigetragen haben. In den
ersten fünf Jahren dieses Zeitraums werden insbesondere Projekte finanziert, welche dringlich,
vorbildlich und kurzfristig ergebnisträchtig sind. Beim Projektprüfverfahren werden die regionalen
Verwaltungsstellen dabei eine herausragende Beratungsrolle spielen.
Wie oben angedeutet, sind die für das angemeldete Gebiet verfügbaren Mittel weit höher, wenn
weitere Finanzierungen berücksichtigt werden. So ist die Finanzierung von Forschungsinstituten mit
Forschungsaufgaben in dem Gebiet in der Übersicht nicht enthalten. Da das angemeldete Gebiet für
die Forschung und Überwachung in den betreffenden Ländern ein überaus wichtiges, wenn nicht das
wichtigste Naturgebiet darstellt, ist die Finanzierung sehr umfangreich. Dies betrifft sowohl jährliche
Mittel im Rahmen üblicher staatlicher Zuwendungen als auch Projektfinanzierungen. Auf letztere
entfällt der überwiegende Teil der Mittel.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 131
Darüber hinaus stehen auch Mittel beispielsweise aus Fonds der Europäischen Union zur Verfügung,
z.B. das speziell für Natura-2000-Gebiete vorgesehene LIFE-Projekt oder das für die Entwicklung
ländlicher Gebiete aufgelegte Programm LEADER+. Diese Mittel werden allerdings nur konkreten
Projekten zugewiesen. Zu den Projekten, welche Mittel aus dem LIFE-Programm erhalten haben,
zählen beispielsweise das Besucherinformationssystem im schleswig-holsteinischen Teil des
angemeldeten Gebiets, das trilaterale Seehund-Projekt nach der Seehund-Epidemie von 1988 oder
das DEMOWAD-Projekt zur Datenverarbeitung im Rahmen des TMAP.
In der Übersicht weitgehend ebenfalls nicht enthalten sind die Beiträge, die durch nicht für den
Naturschutz zuständige Behörden zu den Managementkosten des Gebiets geleistet werden.
5.g Quellen für Fachwissen und Ausbildung in Techniken der Erhaltung und des Managements
Der Umfang der Sachkenntnis und Wissensvermittlung zu dem angemeldeten Gebiet ist ganz
erheblich. Zunächst ist in den Nationalparkverwaltungen und bei den Naturschutzbehörden eine
umfangreiche Sachkenntnis vorhanden. Die mit dem Schutz und Management des angemeldeten
Gebietes in diesen Institutionen befassten Mitarbeiter verfügen über Hochschulabschlüsse und sind
hochqualifiziert. Auch die im täglichen Management tätigen Kräfte sind in Stellen mit jahrzehntelanger
einschlägiger Erfahrung beschäftigt. Darüber hinaus gibt es in dem Gebiet eine lange Tradition
ökologischer Forschungen durch weltweit anerkannte Institute und Organisationen. Vor einer
Generation führte dies zur Veröffentlichung der bereits genannten Schrift „Ecology of the Wadden
Sea“, worin alle Erkenntnisse erfasst sind, die von Forschern und Fachleuten zu allen relevanten
Themen und Fragestellungen in Bezug auf das Wattenmeer erarbeitet wurden. Diese Publikation war
ein entscheidendes Element für den Beginn des Ökosystem-Schutzes des angemeldeten Gebietes.
Seit der Veröffentlichung von „The Ecology of the Wadden Sea“ wurden umfangreiche
Forschungsprogramme fortgeführt und intensiviert. So wurden in den achtziger und neunziger Jahren
weitreichende Ökosystem-Forschungsprogramme sowohl im niederländischen als auch im deutschen
Teil des angemeldeten Gebietes durchgeführt. Ziel der deutschen Projekte war die Entwicklung
wissenschaftlicher Grundlagen für den Schutz des Ökosystems Wattenmeer unter Berücksichtigung
von Konflikten zwischen Nutzungen und Schutz. Zu den Projektmaßnahmen zählten eine Analyse der
natürlichen Dynamik der Region, die Identifizierung und Interpretation der Prozesse, die für die
Ausbreitung von Pflanzen und Tieren bestimmend sind, sowie die Erarbeitung mathematischer
Modelle für die Beschreibung des regionalen Systems. So waren beispielsweise am Ökosystem-
Forschungsprojekt in Niedersachsen insgesamt 11 wissenschaftliche Institutionen mit einer
Gesamtzahl von 31 Projekten beteiligt. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts zum Ökosystem
Wattenmeer wurden in Abschlussberichten sowie in etwa 100 Artikeln in wissenschaftlichen
Publikationen veröffentlicht.
Schleswig-Holstein
Das Nationalparkamt hat mit allen einschlägigen Forschungsinstitutionen in dem Gebiet
Kooperationsverträge geschlossen, z.B. mit der Wattenmeerstation Sylt des Alfred-Wegener-Instituts
in Bremerhaven, den Universitäten Kiel (Forschungs- und Technologiezentrum (FTZ) Büsum) und
Hamburg sowie dem GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht. Direktkontakte bestehen auch mit der
Fachhochschule Westküste, den Pädagogischen Hochschulen Kiel und Flensburg, den Universitäten
Osnabrück und Bremen und dem Niederländischen Institut für Meeresforschung (Nederlands Instituut
voor Onderzoek der Zee – NIOZ).
Einheimischen, die das Gebiet nach offizieller Ernennung zum Nationalparkführer ehrenamtlich
betreuen.
Niedersachsen
Seit den dreißiger Jahren ist das Wattenmeer in Niedersachsen Gegenstand intensiver ökologischer
und hydrologischer Forschungen verschiedener Institutionen, darunter das Forschungszentrum Küste
des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küstenschutz und Naturschutz, der
Forschungsstelle Senckenberg am Meer (Wilhelmshaven), des Instituts für Vogelforschung
(Wilhelmshaven) und der Universität Oldenburg (Oldenburg). Die Forschungsergebnisse wurden in
zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht. Die entsprechenden Untersuchungen
wurden in allen Teilsystemen des Ökosystems Wattenmeer durchgeführt (offene Wattflächen,
Salzwiesen, Strände und Dünen). Forschungsschwerpunkte waren dabei die Hydrodynamik,
Morphodynamik, Sedimentologie, Flora und Vegetation sowie faunistische Bestandserhebungen,
insbesondere im Makrozoobenthos und bei Wat- und Wasservögeln.
Die Nationalparkverwaltung ist Mitglied von „Terramare, Zentrum für Flachmeer-, Küsten- und
Meeresumweltforschung“, Wilhelmshaven, einer wissenschaftlichen „Dach“-Institution der Küsten- und
Meeresforschungsinstitute Niedersachsens. In den letzten Jahren hat sich die Nationalparkverwaltung
besonders auf die Verbesserung von Fernerkundungsverfahren für terrestrische Habitate (Dünen,
Salzwiesen) konzentriert. Diese Arbeit wird derzeit intensiviert und auf Untersuchungen von Sublitoral-
Habitaten anhand von hydroakustischen Verfahren ausgeweitet.
Ein anderes Projekt namens „Nationalpark-Watt-/Gästeführer“ bietet die Möglichkeit, sich als
„Nationalparkführer“ oder „Nationalpark-Watt-/Gästeführer“ zertifizieren zu lassen.
Niederlande
In den Niederlanden gibt es zahlreiche Forschungs- und Beratungsinstitute mit speziellen
Fachkenntnissen, die für den Schutz und das Management des Wattenmeers relevant sind, z.B. die
der Universität Wageningen angegliederten Forschungsinstitute IMARES (Institute for Marine
Resources & Ecosystem Studies) und ALTERRA, das Niederländische Institut für Meeresforschung
(NIOZ), das RWS-Institut für Küsten- und Meeresmanagement (RWS RIKZ) sowie die Universität
Groningen, die Universität Utrecht, das Institut für Meeres- und Atmosphärenforschung, WL-Delft
Hydraulics, TNO, das Niederländische Institut für angewandte Geowissenschaften, Radboud-
Universität Nijmegen, NIOO oder das Niederländische Institut für Ökologie – Zentrum für Ästuar- und
Meeresökologie.
Unlängst wurde die Wattenmeer-Akademie als Wissenseinrichtung gegründet, welche die Aufgabe
hat, eine Bestandsaufnahme des Bedarfs nach wissenschaftlicher Forschung im Wattenmeergebiet zu
erstellen, deren Umsetzung zu koordinieren und hierüber die breitere Öffentlichkeit zu informieren. Der
Akademie werden fünf wissenschaftliche Mitglieder, die jeweils einen Tag pro Woche für die
Akademie tätig sind, sowie eine Hilfskraft angehören. Das Jahresbudget beläuft sich auf knapp 2 Mio.
€ und wird aus dem Wattenmeerfonds finanziert.
Darüber hinaus sind umfangreiche Sachkenntnisse bei sonstigen in dem Gebiet aktiven
Privatorganisationen vorhanden, z.B.
- den Organisationen Groninger Landschap, It Fryske Gea, Noord-Hollands Landschap,
Staatsbosbeheer und Natuurmonumenten, die Teile des niederländischen Wattenmeers betreuen,
- der Waddenvereniging, einer nichtstaatlichen Umweltorganisation, die sich dem Schutz und der
nachhaltigen Nutzung des Wattenmeers verschrieben hat,
- den Besucherzentren wie Ecomare, Besucherzentrum Nationalpark Schiermonnikoog,
Naturzentrum Ameland, Wattenmeerzentrum Pieterburen, Seehund-Rehabilitations- und
Forschungszentrum Pieterburen, Naturmuseum Terschelling und Informationszentrum
Noordwester.
Darüber hinaus verfügen zahlreiche Einheimische, örtliche Organisationen und Vereine über
erhebliches praktisches und theoretisches Wissen zu zahlreichen Aspekten und Phänomenen, die für
das Gebiet charakteristisch sind.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 133
Einrichtungen
Umfangreiche Informationen zum Wattenmeer stehen – auch für Besucher des angemeldeten Gebiets
– darüber hinaus elektronisch zur Verfügung. Der gemeinsame Link zu allen Aspekten trilateraler
Wattenmeer-Angelegenheiten ist die Website des Gemeinsamen Wattenmeersekretariats
www.waddensea-secretariat.org. Als deutschsprachiger Link zu dem angemeldeten Gebiet ist die
Nationalpark-Website (http://www.nationalpark-wattenmeer.de) verfügbar. Diese Website enthält
Informationen zu praktisch allen Aspekten in Bezug auf den Schutz und das Management des
deutschen Wattenmeers und zu den Tätigkeiten der Nationalparkbehörden.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 134
Der in niederländischer Sprache bestehende Link zum angemeldeten Gebiet wird von „Interwad“
bereitgestellt. Diese Organisation pflegt und betreibt die Website www.waddenzee.nl. Diese Website
stellt einen Brennpunkt für Informationen, Fragen, Antworten und Meinungen zum Wattenmeer dar.
Interwad wird von der zentralstaatlichen Ebene sowie den Provinzen und Kommunen finanziert, die
dem Wattenmeer benachbart sind. Die Ziele von Interwad sind Öffentlichkeitsarbeit, Sensibilisierung
und Diskussionsbeiträge zu allen Aspekten mit Bezug zum Wattenmeer. Eine Reihe von
Organisationen, die sich zum Wattenmeer politisch betätigen, sind Partner von Interwad.
Schleswig-Holstein
An der Küste und auf den Inseln des Gebiets einschließlich der Halligen befindet sich eine ganze
Reihe von Umweltinformationseinrichtungen. In diesen Einrichtungen wird Einheimischen wie
Besuchern eine breite Palette von Veranstaltungen, Führungen und Ausflügen zu einschlägigen
Zentren angeboten. Im Rahmen des Pädagogischen Zentrums Nationalpark (PZN) wurde ein
„Lernstandortekatalog“ ausgearbeitet, in dem sämtliche verfügbaren Leistungen in einer klar
strukturierten Weise aufgeführt sind.
Die in und am angemeldeten Gebiet gelegenen Informationszentren werden auf der Basis eines
gemeinsamen Konzepts betrieben und haben ihre verschiedenen Themenschwerpunkte aufeinander
abgestimmt, wobei mittlerweile jedes von ihnen spezielle Schwerpunktbereiche zum Ökosystem
Wattenmeer sowie Führungen in dem Gebiet und in dessen Nachbarschaft anbietet. Das größte und
wichtigste Informationszentrum ist das Nationalparkzentrum „Multimar Wattforum“ in Tönning. Mit
einer Ausstellungsfläche von rund 2.300 m² sowie etwa 200.000 Besuchern jährlich ist es eines der
größten Informationszentren im deutschen Schutzgebieten und eine der wichtigsten
Touristenattraktionen in Schleswig-Holstein. Verschiedene kleinere Zentren, die an der Küste und auf
den Inseln verstreut sind, werden vom Nationalpark-Service, verschiedenen nichtstaatlichen
Organisationen und Kommunen häufig in Zusammenarbeit betrieben und jährlich von insgesamt
knapp 800.000 Gästen besucht. Teilweise werden von ihnen auch Schulungen mit
Übernachtungsmöglichkeiten für Schulen und Universitäten angeboten.
An den Eingängen zum Nationalpark werden die Besucher durch eine Reihe von Pavillions, Schildern
und Karten im Rahmen des Besucherinformationssystems durch das Gebiet geleitet und über das
Wattenmeer informiert. Diese Informationsmittel wurden sämtlich auf ihre jeweiligen Standorte
individuell zugeschnitten. Das Besucherinformationssystem (BIS) bietet spezielle Informationen und
trägt zur Minimierung von Störungen und zur Verbesserung des Schutzes für brütende, rastende und
mausernde Vögel bei.
Hamburg
Auf der Insel Neuwerk befindet sich ein Nationalpark-Informationszentrum („Nationalpark-Haus
Neuwerk“), das umfassend auf die Naturschätze und historischen Aspekte des Gebiets eingeht. Das
Zentrum ist zudem Ausgangspunkt von Exkursionen und Informationsveranstaltungsort.
Niedersachsen
Insgesamt gibt es 14 Informationseinrichtungen – 2 größere Besucherzentren in Wilhelmshaven und
Cuxhaven sowie 12 Infohütten auf den Ostfriesischen Inseln und auf dem Festland.
Diese Einrichtungen, die gegenüber den Kommunen rechenschaftspflichtig sind, werden im Regelfall
gemeinsam mit einem Naturschutzverband betrieben. Niedersachsen subventioniert derzeit
Personalkosten im Gesamtumfang von rund 0,9 Mio. €. Die Anzahl der Besucher dieser Einrichtungen
ist mit 600.000 bis 700.000 jährlich seit Jahren gleichbleibend hoch. Auf Gruppen, insbesondere
Schulklassen sowie Personen im Bildungsurlaub, entfallen rund 15% dieser Besucher.
Alle Einrichtungen weisen zudem einen kleinen Laden auf, in dem die Besucher Broschüren und
Souvenirs kaufen können. Den Besuchern stehen in allen Informationszentren und Infohütten sanitäre
Einrichtungen zur Verfügung.
Zusätzlich zu diesen 14 Besucherzentren gibt es 13 regionale und lokale Bildungs- und
Wissenszentren in dem Gebiet.
An Stellen mit hohem Besucheraufkommen, z.B. auf den großen Parkplätzen für die Inselbesucher, an
den Fähranlegestellen oder an allen sonstigen Orten, an denen der Naturschutz eine besondere
Betreuung und genauere Lenkung der Besucher erfordert, wurden Informationstafeln aufgestellt. Die
Anzahl der Informationstafeln beläuft sich derzeit auf rund 250. Darüber hinaus gibt es
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 135
Naturerlebnispfade für spezielle Themen, auf denen der Besucher über ökologische Fragen informiert
wird.
Die Verwaltung des Schutzgebiets stellt eine große Zahl von Informationsbroschüren bereit, die von
den Besuchern per Post angefordert werden können oder in Informationseinrichtungen und
zahlreichen Kommunalbehörden erhältlich sind.
Niederlande
Innerhalb und am Rande des Wattenmeers werden vielfältige Informationsveranstaltungen angeboten,
z.B. Informationsführungen, Ausflüge per Fahrrad, Boot oder Planwagen, Vorträge, Filmvorführungen,
Diashows oder Exkursionen ins Watt. An verschiedenen Stellen des Gebiets gibt es Unterstände für
die Beobachtung von Vögeln, Informationstafeln und markierte Routen.
Darüber hinaus sind mehrere Informations- und Besucherzentren vorhanden. Ecomare, das Zentrum
für das Wattenmeer und die Nordsee, liegt im Dünen-Nationalpark von Texel. Dessen Ziel ist die
Ausweitung des Interesses der Öffentlichkeit an der Erhaltung und Wiederherstellung natürlicher und
kultureller Werte (Landschaften, Ökosystem, Arten) in der Wattenmeerregion und der Nordsee mit
Schwerpunkt auf Texel. Das Zentrum wird jedes Jahr von nahezu 300.000 Interessierten besucht.
Ecomare enthält
- ein Besucherzentrum mit Informationen zu Natur und Kultur auf Texel (auch zum Nationalpark)
- das erste Robbenschutzgebiet der Niederlande mit einer ständigen Robbenkolonie
- eine regionale Vogelschutzstation für verölte oder anderweitig verunglückte Vögel
- ein Museum mit zahlreichen Exponaten
- eine Unterwasserhalle mit großen Seeaquarien
- ein Zentrum für Natur- und Umweltinformationen mit Exkursionen und Naturprogrammen
- ein Informationszentrum für das Watt, die Küste und die Nordsee.
Derzeit arbeiten sieben der Umweltbildungszentren in Deutschland und den Niederlanden (sowie drei
Zentren in Dänemark) im Netzwerk International Wadden Sea School (IWSS) zusammen. Die IWSS
ist ein grenzübergreifendes Bildungsprojekt für Schulklassen aus den Wattenmeerländern. Die auf
Initiative der Wattenmeerkooperation ins Leben gerufene IWSS verfolgt das Ziel, das Bewusstsein für
das Wattenmeergebiet als gemeinsames Naturerbe zu steigern und bei jungen Menschen das
Verständnis für die Notwendigkeit eines Schutzes und nachhaltigen Managements der
Wattenmeerregion als Ganzes zu fördern.
Besucherstatistiken
5.i Maßnahmen und Programme in Zusammenhang mit der Präsentation und Werbung für das
Gut
Umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit für das Wattenmeer sind bereits im Rahmen der aktuellen
Präsentation für die Nationalparke und Schutzgebiete vorhanden. Die Werbung für das angemeldete
Gebiet ist Bestandteil dieser Maßnahmen.
In Deutschland wird das Gebiet über die bereits vorhandenen Mechanismen präsentiert und
beworben, u.a. die Website www.unesco-welterbe.de. Die regionale Präsentation des Gebietes erfolgt
durch amtliche Darstellungen in verschiedenen Medien sowie auf der Ebene laufender Aktivitäten, mit
denen die Nationalparke vorgestellt werden. Die wichtigsten Kommunikationskanäle sind die
Besucherzentren, die Websites der drei Wattenmeer-Nationalparke und damit verknüpfte
Darstellungen in örtlichen Medien. Darüber hinaus ist in Schleswig-Holstein die Einrichtung eines
regionalen Gremiums für die Präsentation und Bewerbung örtlicher Aspekte des Wattenmeers als
Welterbestätte geplant.
Die Übersicht zum Personalbestand beschränkt sich auf das Personal staatlicher Organisationen, die
mit dem Schutz und Management des angemeldeten Gebietes wegen dessen Naturschutzwerten
unmittelbar befasst sind. Somit sind darin die zahlreichen Kräfte nichtstaatlicher Organisationen, die in
diesem Bereich tätig sind, trotz ihrer entscheidenden Bedeutung für den Schutz des angemeldeten
Gebietes nicht enthalten. Exakte Angaben sind jedoch wegen der stark unterschiedlichen Aufgaben
nicht möglich. Ebenso wenig sind diejenigen Organisationen berücksichtigt, welche im angemeldeten
Gebiet normale Managementaufgaben ausüben, z.B. Naturschutzwarte, die Unterhaltung von
Fahrwassern und Einrichtungen für die Sicherheit der Schifffahrt, polizeiliche Aufgaben und sonstige
Aufgaben, die für das Gesamtmanagement des Gebiets lebenswichtig sind. Der Überblick ist
vorwiegend auf Kräfte beschränkt, die unmittelbar mit der politischen Gestaltung und mit
Informationsaufgaben befasst sind.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 137
Personalbestan
Staat/Behörden
d
Deutschland: Nationalparkverwaltungen und Servicestellen
162
(Informationszentren, Aufsichtskräfte)
Niederlande: Zentralstaatliche Ebene, regionale und kommunale
54
Koordinierungsstellen
Gemeinsames Wattenmeersekretariat 6
Gesamt 222
Die Nationalparkverwaltung in Niedersachsen weist einen Personalbestand von 28 Kräften auf. Davon
sind 8 Fachkräfte im Bereich Planung (Landschaftsmanagement) und 10 wissenschaftlich (als
Biologen oder Geographen) tätig, wohingegen 1 Jurist und 7 Sachbearbeiter mit allgemeinen
Verwaltungsaufgaben betraut sind. Das Verwaltungspersonal wird durch normale Polizeikräfte und ein
Netzwerk von Aufsichtskräften der Küsten- und Kreisbehörden sowie ehrenamtliche Mitarbeiter aus
nichtstaatlichen Organisationen unterstützt.
Die Nationalparkverwaltung in Hamburg weist einen Personalbestand von 3 Kräften auf, davon ein
ausgebildeter Ranger. Zusätzlich sind 15 Kräfte der Hamburger Hafenbehörde für die Unterhaltung
und Entwicklung der Insel Neuwerk und von deren historischer Landschaft zuständig. Das
Verwaltungspersonal wird von Kräften der Hamburger Schifffahrtspolizei mit Standort in Cuxhaven
unterstützt.
Auf der zentralstaatlichen Ebene in den Niederlanden sind im Bereich der politischen Gestaltung 25
Kräfte beschäftigt (Ministerium für Wohnungsbau, Raumordnung und Umwelt – VROM; Ministerium für
Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität – LNV, Ministerium für öffentliche Arbeiten und
Wasserwirtschaft – V&W). Darüber hinaus verfügt die zentralstaatliche Ebene über 14 Kräfte, die auf
vier Schiffen für Inspektions- und Wartungsaufgaben, Routineuntersuchungen und
Überwachungstätigkeiten eingesetzt sind. Auf Provinz- und Kommunalebene sind weitere sechs
Kräfte im Bereich der politischen Gestaltung tätig. Der Regionalrat für die Wattenmeerregion (RCW)
und der Koordinierungsrat für die Wattenmeerregion (CCW) beschäftigen fünf Mitarbeiter. Auf
Provinzebene werden vier Kräfte für Inspektionszwecke eingesetzt. Die privaten Organisationen, die
Eigentümer von Teilen des Schutzgebiets sind bzw. diese betreuen, beschäftigen zusammen
insgesamt zwei Kräfte sowie zwei Ranger für Tätigkeiten, die in dem Gebiet anfallen oder dieses
betreffen.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 138
6. MONITORING
ERLÄUTERUNGEN LAUT UNESCO-RICHTLINIE: Dieser Abschnitt der Anmeldung soll den aufgrund
regelmäßiger Berichte überprüfbaren Erhaltungszustand des Gebietes belegen, damit Trends im zeitlichen Ablauf
erkennbar werden.
Der Erhaltungszustand des angemeldeten Gebietes wird im Rahmen des Trilateral Monitoring- und
Bewertungsprogramms (TMAP) sowie ergänzender Beobachtungen innerhalb des Gebietes
regelmäßig überprüft und in Berichten dargestellt. Beim TMAP handelt es sich um ein integriertes,
gemeinsames Monitoringprogramm der Wattenmeerländer Niederlande, Deutschland und Dänemark
(§ 33, Ministererklärung der 6. Trilateralen Regierungskonferenz 1991).
Das TMAP besteht aus einem gemeinsamen Paket von Monitoringparametern, darunter auch eine
zugehörige Datenhaltung, welches auf der 8. Trilateralen Regierungskonferenz 1997 beschlossen
wurde (Tabelle 6.1).
Auf der Basis trilateraler Beschlüsse, die auf der Ministerkonferenz von 1991 gefasst wurden, haben
sowohl Deutschland als auch die Niederlande im Wattenmeer bestimmte Referenzgebiete
ausgewiesen. Das schleswig-holsteinische Referenzgebiet ist das Nullnutzungsgebiet mit einer Fläche
von 12.500 ha (ca. 3% des Nationalparks), die sich südlich des Hindenburgdamms befindet. Das
Gebiet dient zudem in Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie als Referenzgebiet in Bezug auf die
Küstenwasserkörper. Innerhalb des Hamburger Nationalparks wurde ein Referenzgebiet von etwa
10.400 ha ausgewiesen (rund 76% des Nationalparks). In Niedersachsen wurde bis jetzt kein
offizielles Referenzgebiet eingerichtet, allerdings findet auf großen Gebieten – z.B. den Inseln Mellum
und Memmert samt angrenzenden Wattflächen oder auf dem Hohen Knechtsand – keinerlei
menschliche Nutzung statt.
In den Niederlanden wurde im östlichen Teil des niederländischen Wattenmeers ebenfalls ein
Referenzgebiet ausgewiesen. Es weist eine Fläche von 7400 ha (3% des niederländischen
Wattenmeers) auf und ist Bestandteil eines größeren Gebiets, das bereits seit längerem für die
Muschelfischerei gesperrt ist. In diesem Referenzgebiet sind nahezu alle menschlichen Aktivitäten
einschließlich Fischerei sowie sämtliche sonstigen Ressourcennutzungen untersagt.
TMAP-Parameter
Das gemeinsame Paket des TMAP gilt für das gesamte Wattenmeer und umfasst eine breite Palette,
die von physiologischen Prozessen (z.B. Eutrophierung) über die Populationsentwicklung (z.B.
Robben, Brutvögel und Rastvögel) bis hin zu Veränderungen bei der Landschaft und Morphologie
(z.B. Watten, Salzwiesen und Dünen) reichen. Des Weiteren berücksichtigt das TMAP die
einschlägigen EU-Richtlinien (Habitat- und Vogelschutzrichtlinie sowie Wasserrahmenrichtlinie) wie
auch andere internationale Übereinkommen wie das Ramsar-Übereinkommen, das Bonner
Übereinkommen und das OSPAR-Übereinkommen. Die Ziele und der Aufbau des TMAP, die TMAP-
Monitoringrichtlinien und die TMAP-Datenverwaltung sind im TMAP Manual beschrieben und
festgelegt.
Tabelle 6.1 Übersicht der Parameter des gemeinsamen Pakets des TMAP (beschlossen auf der
Trilateralen Regierungskonferenz 1997). Die Daten werden über TMAP-Dateneinheiten in
jedem Land zur trilateralen Beurteilung, z.B. im Rahmen des Quality Status Report,
ausgetauscht.
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Tabelle 6.2: Übersicht der Parameter, Periodizität, Monitoringbereiche und Speicherorte der
Datensätze gemäß TMAP Manual (Mai 2004)
Indikator Parameter-Gruppe Parameter Periodizität Gebiet Speicherort der
Datensätze
Nährstoffe Nährstoffe im Anorganische Monatlich / alle 14 8 Teilgebiete TMAP-Datenbank
Wasser Nährstoffe, Tage (je nach Ort)
Gesamtmenge P, N,
Silikat
Schadstoffe Metalle in Cd, Cu, Hg, Pb, Zn Alle 3 Jahre 3 Gebiete je Land TMAP-Datenbank
in Wasser Sedimenten (Minimum) (Minimum)
und TBT in Wasser und TBT-Stoffe Jährlich Gebiete werden TMAP-Datenbank
Sedimenten Sedimenten von jedem Land
ausgewählt
(Hotspots)
Plankton Phytoplankton Anzahl Hauptarten, Jede Woche oder Vorhandene TMAP-Datenbank
Chlorophyll alle zwei Wochen Erhebungsorte
(Biomasse), Co- (je nach (Status 1997),
Variablen Jahreszeit und zusätzliche Orte
Ort) empfohlen
(Karte)
Benthos Makroalgen Ort, Fläche, Jährlich / bei Alle intertidalen TMAP-Datenbank
Flächendeckung, Bedarf 4-6 Flächen,
Biomasse Erhebungen ausgewählte
jährlich Gebiete zwecks
Ground Truth
Seegras Ort, Fläche, Jährlich Alle intertidalen TMAP-Datenbank
Flächendeckung, Flächen,
Biomasse ausgewählte
Gebiete zwecks
Ground Truth
Makrozoobenthos- Artenhäufigkeit, Zweimal jährlich bestimmte TMAP-Datenbank
Gemeinschaften Biomasse Gebiete in jedem
Land
Miesmuschelbänke GIS-Höhenlinien der Jährlich Alle intertidalen TMAP-Datenbank
Bänke, zusätzliche Flächen
Parameter für
ausgewählte Bänke
(Feld-
Untersuchungen)
Schadstoffe in Schwermetalle, Jährlich bestimmte TMAP-Datenbank
Miesmuscheln organische Gebiete in jedem
Chlorverbindungen Land
Fische Schadstoffe in Schwermetalle, Jährlich 1 – 2 Orte je TMAP-Datenbank
Flundern organische Land (auf
Chlorverbindungen nationaler Ebene
auszuwählen)
Fischerei-Parameter Fangmengen, Boote, Jährlich Gesamtgebiet TMAP-Datenbank
Größe von
Muschelkulturen,
Größe von
gesperrten Gebieten
Vögel Brutvögel Bestandszahlen in Jährlich Zählgebiete TMAP-Datenbank
einer Reihe von
Zählgebieten
Gesamterhebung Jährlich Gesamtgebiet TMAP-Datenbank
ausgewählter Arten
Bestandszahlen Alle 5 Jahre Gesamtgebiet TMAP-Datenbank
einer größeren
Bandbreite von Arten
Ratsvögel Kompletterhebung Jährlich (im Gesamtgebiet TMAP-Datenbank
Hochwinter plus
zusätzlicher
Monat)
Synchron-Zählungen Einmal jährlich Gesamtgebiet TMAP-Datenbank
(bestimmte Arten) (unterschiedliche
Zeitpunkte je nach
Art)
Springflut-Zählungen Monatlich Ausgewählte TMAP-Datenbank
Gebiete
Schadstoffe in Schwermetalle, Jährlich Bestimmte TMAP-Datenbank
Vogeleiern organische Gebiete in jedem
Chlorverbindungen Land
Erhebung zu Anzahl angespülter Jährlich Repräsentative TMAP-Datenbank
angespülten Vögeln Vögel, verölter Uferabschnitte (4-
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 141
Datenhaltung
Ein wesentlicher Aspekt des TMAP ist die gemeinsame Datenhaltung, damit Monitoring-Daten für eine
einheitliche trilaterale Bewertung zur Verfügung stehen. Zu diesem Zweck sind in jedem Land TMAP-
Dateneinheiten eingerichtet worden. Die Monitoring-Daten liegen in harmonisierter Form vor, wobei
alle für die Auswertung notwendigen Informationen Bestandteil der Datenbank sind. Neben der
Speicherung und Pflege wird mit der TMAP-Datenhaltung auch bezweckt, Monitoring-Daten in einem
gemeinsamen Format auszutauschen, das sich direkt für die trilaterale Beurteilung verwenden lässt.
Ein Überblick der Daten ist in dem Datenkatalog zu finden, der auch über die Website des
Gemeinsamen Wattenmeersekretariats zugänglich ist.
Das TMAP-Datenhaltung stellt zudem ein wertvolles Instrument für andere Berichtsverpflichtungen dar
(z.B. nationale Statusberichte, EU-Berichte zu Natura 2000 und zur Wasserrahmenrichtlinie,
internationale Berichte in Bezug auf das OSPAR- oder RAMSAR-Übereinkommen oder sonstige
internationale Abkommen), indem aktuelle und harmonisierte Wattenmeer-Daten aus
unterschiedlichen Quellen auf nationaler und internationaler Ebene bereitgestellt werden.
Darüber hinaus werden mit der TMAP-Datenhaltung auch die Möglichkeiten zur Vorlage von
Monitoring-Daten bei den entsprechenden Behörden, Interessengruppen und Bürgern nach Maßgabe
des trilateralen Wattenmeerplans (Kapitel 1 Ziffer 15) verbessert. 2004 wurde die TMAP-Datenhaltung
durch eine externe Beratungsfirma (Orbis Institute, Kanada) bewertet. Der Orbis-Bericht gelangte zu
dem Schluss, dass die TMAP-Datenhaltung ein wirkungsvolles Instrument zur kostengünstigen
Bereitstellung der benötigten Daten darstellt.
Das TMAP und die zugehörige Datenhaltung wurden unlängst weiterentwickelt, um den
Anforderungen von Richtlinien der Europäischen Union und anderen internationalen Verpflichtungen
zu entsprechen.
Ergänzendes Monitoring
Es gibt mehrere nationale und regionale Überwachungsprogramme, die nicht Bestandteil des
gemeinsamen Pakets des TMAP bilden, jedoch für die Gesamtbeurteilung des angemeldeten
Gebietes wichtige Informationen bereitstellen, weshalb sie ebenfalls in den regelmäßigen Quality
Status Reports enthalten sind. Hierzu gehört beispielsweise das Monitoring im Zusammenhang mit
der Gewinnung von Erdgas im niederländischen Teil des angemeldeten Gebietes, insbesondere in
Bezug auf Bodenabsenkungen, das Monitoring von Tourismus und Freizeitaktivitäten im
allgemeineren Sinne gemäß den Regelungen des gemeinsamen Monitoring-Pakets, das Monitoring
der Wirkung menschlicher Nutzungen in Küstengewässern auf Vögel, das Monitoring der Fischfauna
und Epifauna im westlichen Teil des Wattenmeers, das Monitoring demersaler Fische, das Monitoring
von Mollusken (Litoral-Monitoring und Strand-Monitoring), das Monitoring von Salzwiesen
(Schlickbindung, Wasserpegel, Bodenabsenkungen, Vegetation) oder das Biomasse-Monitoring von
Miesmuschelbänken und bestimmter Arten.
Für die Umsetzung und Koordinierung des TMAP ist die Trilateral Monitoring and Assessment Group
(TMAG) zuständig. Die TMAG besteht aus zwei bis drei Vertretern der für die Koordinierung der
nationalen Monitoring-Programme und die Datenhaltung zuständigen nationalen Verwaltungen. Unter
der Verantwortung der TMAG wurden bestimmte Fachgruppen eingerichtet, z.B. die Trilateral Data
Handling Group (TDG), die Koordinatorgruppe zum Joint Monitoring Program for Breeding Birds
(JMBB) und die Koordinatorgruppe zum Joint Monitoring Program for Migratory Birds (JMMB).
Das Gemeinsame Wattenmeersekretariat (Common Wadden Sea Secretariat – CWSS) ist das
Sekretariat für die trilaterale Wattenmeer-Kooperation einschließlich TMAP. Im Rahmen des TMAP ist
das Sekretariat für Routineaufgaben bei der Durchführung des Programms und für die Vorbereitung
der Sitzungen der TMAG und der Monitoring-Fachgruppen zuständig.
Durchgeführt wird das TMAP von den nationalen und regionalen Behörden, welche die Federführung
für das Monitoring innehaben.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 143
Tabelle 6.3: Übersicht der für das TMAP-Wattenmeer-Monitoring in Deutschland und den
Niederlanden zuständigen Behörden
Bewertungsberichte
In Zusammenhang mit den Trilateralen Regierungskonferenzen (alle drei bis vier Jahre) werden
Qualitätszustandsberichte (QSR) zum Wattenmeer erstellt. Darin wird der aktuelle ökologische
Zustand des Wattenmeers beschrieben und bewertet sowie auf problematische Fragen und mögliche
Maßnahmen eingegangen. Der letzte QSR (2004) zum Wattenmeer wurde im März 2005
veröffentlicht. Nach 1991, 1995 und 1999 wurde damit zum vierten Mal eine umfassende, integrierte
Beurteilung des Wattenmeers vorgelegt. Darüber hinaus werden die Ergebnisse des TMAP in
Workshop-Berichten, thematischen Berichten (Serie „Wadden Sea Ecosystem“) (siehe unten) und im
„Wadden Sea Newsletter“ veröffentlicht.
http://www.waddensea-secretariat.org/news/publications/publ.html
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 144
Koffijberg, K., Dijksen, L., Hälterlein, B., Laursen, K., Potel, P. & Südbeck, P., 2006. Breeding Birds in
the Wadden Sea in 2001. Results of the total survey in 2001 and trends in numbers between 1991
and 2001. Wadden Sea Ecosystem No. 22.
Blew, J. and Südbeck, P. (Eds.), 2005. Migratory Waterbirds in the Wadden Sea 1980- 2000.
Wadden Sea Ecosystem No. 20.
Peter H. Becker & Jacqueline Muñoz Cifuentes, 2004. Contaminants in Bird Eggs in the Wadden Sea.
Recent Spatial and Temporal Trends. Seabirds at Risk? Effects of Environmental Chemicals on
Reproductive Success and Mass Growth at the Wadden Sea in the Mid 1990s. Wadden Sea
Ecosystem No. 18.
CWSS (publisher), 2003. Management of North Sea Harbour and Grey Seal Populations. Proceedings
of the International Symposium at EcoMare, Texel, November 29 - 30, 2003.Wadden Sea Ecosystem,
No. 17.
Koffijberg, K., J. Blew, K. Eskildsen, K. Günther, B. Koks, K. Laursen, L.M. Rasmussen, P. Potel, P.
Südbeck, 2003. High Tide Roosts in the Wadden Sea. A Review of Bird Distribution, Protection
Regimes and Potential Sources of Anthropogenic Disturbance. Wadden Sea Ecosystem No. 16.
Peter H. Becker, Jacqueline Muñoz Cifuentes, Brigtte Behrends, Klaus R. Schmieder, 2001.
Contaminants in Bird Eggs in the Wadden Sea. Spatial and Temporal Trends 1991-2000. Wadden
Sea Ecosystem No. 11.
Lars Maltha Rasmussen, David M. Fleet, Bernd Hälterlein, Ben J,. Koks, Petra Potel, Peter Südbeck,
2000. Breeding Birds in the Wadden Sea in 1996. Results of a total survey in 1996 and of numbers of
colony breeding species between 1991 and 1996. Wadden Sea Ecosystem No. 10.
Folkert de Jong, Joop Bakker, Kees van Berkel, Norbert Dankers, Karsten Dahl, Christiane Gätje,
Harald Marencic, Petra Potel, 1999. Wadden Sea Quality Status Report 1999. Wadden Sea
Ecosystem No. 9.
Stefan Thyen, Peter H. Becker, Klaus-Michael Exo, Bernd Hälterlein, Hermann Hötker & Peter
Südbeck, 1998. Monitoring Breeding Success of Coastal Birds. Wadden Sea Ecosystem No.8.
Peter H. Becker, Stefan Thyen, Susanne Mickstein, Ute Sommer & Klaus R. Schneider, 1998.
Monitoring Pollutants in Coastal Bird Eggs in the Wadden Sea. Wadden Sea Ecosystem No.8.
Joop Bakker, Norbert Dankers, Folkert de Jong, Christiane Gätje, Torben Pedersen, Petra Potel, Kees
van Berkel, 1997. Assessment Report of the Wadden Sea Ecosystem. Wadden Sea Ecosystem No.7.
Marencic, H., J. Bakker, H. Farke, C. Gätje, A. Kellermann, F. de Jong, K. Laursen, T. Pedersen & J.
de Vlas, 1996.TMAP Expert Workshops in 1995 / 1996. The Trilateral Monitoring and Assessment
Program. Wadden Sea Ecosystem No.6.
Martin Poot, Lars Maltha Rasmussen, Marc van Roomen, Hans-Ulrich Rösner & Peter Südbeck, 1996.
Migratory Waterbirds in the Wadden Sea 1993/1994.Wadden Sea Ecosystem No.5.
Johannes Melter, Peter Südbeck, David M. Fleet, Lars Maltha Rasmussen, Rob L. Vogel, 1997.
Breeding Birds on Census Areas 1990 until 1994. Wadden Sea Ecosystem No.4.
Jochen Dierschke, 1997. Status of Shorelark, Twite and Snow Bunting in the Wadden Sea. Wadden
Sea Ecosystem No.4.
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 145
Hälterlein, D., D.M. Fleet, H.R. Henneberg, Th. Mennebaeck, L. M. Rasmussen, P. Suedbeck, O.
Thorup & R. L. Vogel, 1995. Guidelines for Monitoring of Breeding Birds in the Wadden Sea –
Zusammenfassung (auf Niederländisch, Deutsch, Dänisch). Wadden Sea Ecosystem No.3.
Rösner, H.U., M. v. Roomen, P. Suedbeck & L. M. Rasmussen, 1994. Migratory Waterbirds in the
Wadden Sea 1992/93. Wadden Sea Ecosystem No.2.
Fleet, D. M., J. Frikke, P. Suedbeck & R. L. Vogel, 1994. Breeding Birds in the Wadden Sea 1991.
Wadden Sea Ecosystem No.1.
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7. DOKUMENTATION
ERLÄUTERUNGEN LAUT RICHTLINIE: Bei diesem Abschnitt der Anmeldung handelt es sich um eine Checkliste
der Dokumentation, die der Vollständigkeit halber bereitzustellen ist.
7.a Fotografien, Dias, Verzeichnis der Bilder und Genehmigung von fotografischem und
sonstigem audiovisuellem Material
lfd. Format Bildunterschrift Datum des Fotograf/ Urheberr Kontakta nicht Kapitel
Nr. (Dia/ Fotos Videoregisseu echtsinh ngaben ausschli (Spalte
Papierab (Monat/ r aber zum eßliche wird in
zug/ Jahr) (Abkürzung Urheberr Einräum endgülti
Video) siehe unten) echtsinh ung von ger
aber Rechten Version
gelöscht
)
MS
Dipl. Ing. Imke Zwoch, Nationalparkverwaltung, Virchowstr.1, D-26781 Wilhelmshaven, Deutschland, Tel. +49 (0)4421 911290, Fax +49 (0)4421
911280, E-Mail: [email protected]
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7.a Texte zur Schutzgebietesausweisung, Kopien der Verwaltungspläne oder Unterlagen zum
Verwaltungssystem und Auszüge aus anderen Plänen, die das Gut betreffen
Trilaterale Ebene:
Abkommen zum Schutz der Seehunde im Wattenmeer nach Artikel 4 des Übereinkommens zur
Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Bonner Übereinkommen, 1990)
Ausweisung des Wattenmeers als Particularly Sensitive Sea Area (PSSA) durch die Internationale
Seeschifffahrts-Organisation, 2002
Sonstige rechtsverbindliche Pläne und Abkommen, die in Kapitel 5 genannt sind, einfügen.
Weitere Dokumente der Trilateralen Kooperation zum Schutz des Wattenmeers sind auf der Website
des Gemeinsamen Wattenmeersekretariats www.waddensea-secretariat.org eingestellt.
Nationale Ebene
Niederlande:
Naturschutzgesetz, 1998
Beigefügt ist der vollständige Wortlaut.
Deutschland:
Das Bundesnaturschutzgesetz als Rahmenrecht des Bundes sowie die entsprechenden Gesetze der
Länder regeln die Schutzausweisung. Die Gesetze in der geltenden Fassung sind von der Internet-
Adresse www.bmu.de abrufbar. Von besonderer Bedeutung für das Wattenmeer sind die
Nationalparkgesetze. Beigefügt sind die Rechtsgrundlagen der drei Nationalparks im deutschen
Wattenmeer, welches die vorgeschlagene Welterbestätte in Deutschland bildet:
Schleswig-Holstein
Gesetz zur Neufassung des Gesetzes zum Schutze des schleswig-holsteinischen Wattenmeeres
(Nationalparkgesetz – NPG) vom 17. Dezember 1999
Hamburg
Gesetz über den Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer
In der Fassung vom 9. April 1990
(Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Teil I Nr.11/1990 vom 12. April 1990, S. 64 - 66)
geändert durch Beschluss der Bürgerschaft vom 5. April 2001 (Hamburgisches Gesetz- und
Verordnungsblatt, Nr.13/2001 vom 18. April 2001, S. 52 -53)
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 149
Niedersachsen
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer vom 11.
Juli 2001. (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt – Nds. GVBl.) S. 443 – VORIS 28100
05, 28100 01, 28100 03 –)
Sonstige regionale oder sektorale Managementpläne und Auszüge von Plänen (z.B.
Vorlandmanagementkonzepte, Rahmenvertrag über die Muschelfischerei, Befahrensverordnung für
die deutschen Wattenmeernationalparks) sind in Anlage xy aufgeführt und können bei den regional
zuständigen Behörden (vgl. Kapitel 8b) angefordert werden. (Anlage mit geltenden Plänen,
Verordnungen, Verträgen usw. ohne Bereitstellung von Auszügen)
7.c Form und Datum der neuesten Unterlagen oder Bestandsverzeichnisses zum Gebiet
TMAP:
Im Rahmen des trilateralen Wattenmeerplans führen die Wattenmeerstaaten das Trilateral Monitoring
and Assessment Program (TMAP) in harmonisierter Form im gesamten Wattenmeer durch. Das
TMAP erstreckt sich auf alle Schlüsselindikatoren zur Messung des Schutzstatus der
vorgeschlagenen Welterbestätte (vgl. Kapitel 6). Alle Unterlagen und Bestandsverzeichnisse des
vorgeschlagenen Gebietes gemäß TMAP sind nach Registrierung von der offiziellen Internet-Adresse
des TMAP abrufbar:
http://www.waddensea-secretariat.org/TMAP/Monitoring.html
Zusätzliche Daten der nationalen oder regionalen Ebene sind bei den regional zuständigen Behörden
erhältlich (vgl. Kapitel 8b)
7.d Anschriften der Stellen, bei denen Bestandsverzeichnisse, Unterlagen und Archive geführt
werden
Zusätzliche regionale Bestandsverzeichnisse und Daten werden von den national oder regional
zuständigen Stellen geführt:
Niederlande:
Deutschland:
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 150
Schleswig-Holstein
Landesamt für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer
Schloßgarten 1
D-25832 Tönning
www.nationalpark-wattenmeer.de
Hamburg
Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt
- Nationalparkverwaltung Hamburgisches Wattenmeer -
Billstraße 84
D-20539 Hamburg
www.nationalpark-wattenmeer.de
www.nationalpark-hamburgisches-wattenmeer.de
Niedersachsen
Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer
Virchowstr. 1
D-26382 Wilhelmshaven
www.nationalpark-wattenmeer.de
7.e Bibliograpie
8. KONTAKTANGABEN
ERLÄUTERUNGEN LAUT RICHTLINIE : Hier sind Name, Anschrift und sonstige Kontaktangaben der
Personen anzugeben, die für die Erstellung der Anmeldung zuständig sind. Kann eine E-Mail-Adresse nicht
angegeben werden, müssen die Angaben eine Fax-Nummer enthalten.
8.a Name der Bearbeiter: Funktionsbezeichnung: Straße: Ort, Provinz/ Bundesstaat, Land: Tel.:
Fax: E-Mail:
Deutschland
Regierungsdirektorin Dr. Christiane Paulus
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)
Robert Schumann-Platz 3
D-53175 Bonn
[email protected]
Niederlande
Ir. H.R. Oosterveld, Head of Department
Ministry of Agriculture, Nature and Food Quality
Regional Policy Department Northern Office
6, Cascadeplein
9700 RM Groningen
[email protected]
tel. +31 (0)50 5992300
Anmeldung des deutsch-niederländischen Schutzgebiets Wattenmeer als Welterbestätte, Konsulationsversion Juli 2007 Seite 151
Deutschland
Schleswig-Holstein
Hamburg
Niedersachsen
Niedersächsisches Umweltministerium
Ref. 52 -Natura 2000, Nationalparke, Biosphärenreservate-
Archivstraße 2
D-30169 Hannover
Tel.:+49 (0)511 1203382
Fax: +49 (0)511 120993382
E-Mail: [email protected]
Niederlande
Deutschland:
Schleswig-Holstein
Kreis Dithmarschen
Stettiner Straße 30
D-25746 Heide
[email protected]
Kreis Nordfriesland
Markstraße 6
D-25813 Husum
[email protected]
Hamburg
- keine -
Niedersachsen
Trilaterale Ebene
www.waddensea-secretariat.org
Nationale Ebene
Niederlande
www.waddenzee.nl
Deutschland
www.wattenmeer-nationalpark.de mit Links zu den drei Wattenmeer-Nationalparken
www.bmu.de