REBEN Bericht 2 Schilf
REBEN Bericht 2 Schilf
REBEN Bericht 2 Schilf
Verfasser: Univ.-Prof. Dr. Elmar Csaplovics (Zeitreihe Sediment-Profile), Mag. Dr. Georg Wolf-
ram (Allgemeine Charakterisierung der Testgebiete, Schilf- und Sedimentbewirt-
schaftung), Mag. Dr. Georg Kum MAS (Neue Vermessungen in der Testgebieten),
Mag. Patricia Riedler (Schilf- und Sedimentbewirtschaftung)
Auftrag: A5/GEW.EUF-10003-11-2017
Seitenanzahl: 123
Zitierweise: Csaplovics, E., G. Wolfram, G. Kum & P. Riedler (2020). Schilfstruktur und Morphologie. Teil-
bericht im Rahmen der angewandten hydrologischen und limnologischen Basisuntersuchun-
gen zum Projekt REBEN – Reed Belt Neusiedler See/Fertő (Interreg-Projekt AT-HU 2014-20).
Studie im Auftrag des Amts der Burgenländischen Landesregierung, Abt. 5 – Baudirektion,
Wien.
Csaplovics, E. (2020). Zeitreihe Sediment-Profile (1996 vs. 2014). Kap. 3 des Teilberichts
„Schilfstruktur und Morphologie“ im Rahmen der angewandten hydrologischen und limno-
logischen Basisuntersuchungen zum Projekt REBEN – Reed Belt Neusiedler See/Fertő (Inter-
reg-Projekt AT-HU 2014-20). Studie im Auftrag des Amts der Burgenländischen Landesregie-
rung, Abt. 5 – Baudirektion, Wien.
ZUSAMMENFASSUNG
Der vorliegende Bericht widmet sich verschiedenen Aspekten der Schilfstruktur und bil-
det nach dem hydrologischen Bericht 2 gewissermaßen den morphologischen Teil der
allgemeinen hydro-morphologischen Beschreibung. Er gliedert sich in vier Teile:
Die drei Gebiete werden anhand von Karten und Fotos dargestellt und beschrieben. Der
Anhang zu diesem Bericht beinhaltet eine Fotodokumentation der Messstellen für die
physikalisch-chemischen und biologischen Aufnahmen. Grundsätzlich präsentiert sich der
Schilfgürtel im Bereich der Wulka-Mündung als sehr dicht. Einige Kanäle sorgen für eine
lineare Durchströmung, es gibt aber auch diffus durchströmte Bereiche (siehe dazu Kap.
3.2 in Bericht 3). Die beiden Gebiete Höhe Mörbisch und Illmitz sind durch große, flache
Wasserflächen im inneren Schilfgürtel gekennzeichnet, die durch Kanäle unterschiedlich
gut an den offenen See angebunden sind.
Das Projekt GeNeSee erweiterte den Ansatz auf Grundlage hochaktueller technologischer
Entwicklungen in Bezug auf Mess- und Auswertemethoden. Innovativ war darüber hinaus
die Aufnahme der Daten in einem Zug, das heißt grenzüberschreitend. Es kamen drei ver-
schiedene Messmethoden zum Einsatz: multi-frequente Echolot-Messungen im offenen
Seebereich, Punktmessungen zur Bestimmung der Sedimentoberkante und Sedimentun-
terkante mittels CSPS sowie ALS Messungen (in Österreich bereits vorhanden, für Ungarn
im Projekt GeNeSee neu erfasst).
Leider haben die Datenaufnahmen im Projekt GeNeSee nicht jene Ergebnisse gebracht,
die für das Projekt REBEN erforderlich gewesen wären. Die Messergebnisse wurden in
den Schilfbereichen in hohem Maße durch organisatorische Drawbacks deterioriert. Dies
führte dazu, dass im Bereich des Schilfgürtels zu wenig Messungen vorlagen, als dass eine
ausreichend genaue Interpolation von Rasterdaten möglich gewesen wäre. Dadurch
konnte im Rahmen des Projektes GeNeSee und im Gegensatz zum Vorgängerprojekt nur
für den Offenwasserbereich, nicht aber für den Schilfgürtel des Neusiedler Sees ein digita-
les Oberflächenmodell erstellt werden. Es war also wider Erwarten nicht möglich gewor-
den, ein zeitreihenspezifisches Monitoring des Oberflächenreliefs des gesamten Seebe-
ckens (Sedimentoberkante und Sedimentunterkante) einschließlich des Schilfgürtels be-
reitzustellen.
Der Vergleich der Vermessung mit Stand 1996 und der Aufnahme der Offenwasser-
Bereiche mit Stand 2014 zeigt für einige Profillagen einen klaren Trend zu einer Vertie-
fung des Seebeckens um ca. 30 cm während der letzten 20 Jahre, für andere kaum eine
Veränderung.
Laterale Tendenzen der Ausdehnung von Schilfbeständen sind seewärts kaum und
auch im Übergangsbereich landwärts durch Verschilfung von Seewiesen nur marginal
feststellbar. Dies steht in Einklang mit der aus den entsprechenden Flächenanalysen
gewonnenen Erkenntnis, dass die Gesamtfläche des Schilfgürtels nur marginal zuge-
nommen hat. Gleichwohl haben sich dramatische Veränderungen in der Struktur der
Schilfbestände manifestiert, die durch signifikante Zunahme von degradierten Schilf-
flächen und Braunwassserflächen im zentralen Bereich des Schilfgürtels erkennbar
sind.
Der Seewall im äußeren, seeseitigen Bereich des Schilfgürtels ist unverändert vorhan-
den, was zwar unmittelbar nicht anhand der Daten aus dem Projekt GeNeSee durch-
gehend verifiziert werden kann, aber durch entsprechende Auswertungen von akri-
bisch aus dem Originaldatenbestand 2012–2014 extrahierten Pseudo-Profilen anhand
ähnlicher Verlaufsmuster ableitbar ist. Für eine laterale Verschiebung des Seewalls gibt
es keine gesicherten Hinweise.
Im Einklang mit den in der Strategiestudie 2014 formulierten Zielen für ein ernstzuneh-
mendes raumbezogenes 4D-Monitoring (Flächen, Volumina, Zeit) von Dynamismen des
Schilfwachstums, der Veränderungen der Schilfstrukturen sowie der Sedimentablagerung
und -abtragung ist auch für die vorliegenden Themenschwerpunkte eine vorausblickende
Abstimmung und Homogenisierung der Methoden der Datenaufnahme und der Daten-
analyse das unveränderte Ziel zukünftiger einschlägiger Initiativen – dies sowohl struk-
turbezogen (Schilfgürtel versus Offenwasser-Bereich) als auch zeitreihenbezogen (Ver-
gleichbarkeit der Ergebnisse) und die grenzüberschreitende Dimension betreffend (Har-
monisierung der Methoden bei Datenaufnahme in einem grenzüberschreitenden „Guss“).
Die ergänzenden Messungen waren erforderlich, nachdem zu Beginn des Projekts er-
kannt worden war, dass die im Projekt GeNeSee durchgeführten morphologischen Auf-
nahmen für die Fragestellungen des Projekts Reben nicht ausreichend waren und wesent-
liche Aspekte unberücksichtigt ließen. Mit den Messungen innerhalb der drei Testgebiete
wurde versucht, die Lücke zumindest ansatzweise zu schließen.
Schilfschnitt und Schilfernte: Der Schilfschnitt hat am Neusiedler See eine lange Tradition.
Die Ernte erfolgte entweder Mitte Juni bis Ende Juli (grünes Schilf) oder im Winter (tro-
ckene Schilfhalme). Genutzt wurde das Schilf teilweise als Einstreu in Ställen, auch als
Futter für das Vieh, teilweise als Baustoff und für Dächer von Scheunen und Häusern. Mit
dem Rückgang der Viehwirtschaft und der zunehmenden Verwendung alternativer Bau-
materialien ging die Schilfernte in den 1960er und 1970er Jahren deutlich zurück. Auf ös-
terreichischer Seite wurden 2004/05 – 2012/13 rund 10–25% aller Schilfflächen (ca. 102 km²)
geschnitten, somit rund 10–25 km². Die Flächen, die zumindest einmal innerhalb dieses
Zeitraums geschnitten wurden, umfassten ca. 53% der Flächen außerhalb des National-
parks (nur Österreich). In den letzten Jahren hatte die Schilfwirtschaft mit milden Winter
und einer zunehmenden Konkurrenz durch billige Auslandskonkurrenz zu kämpfen. Aus
naturschutzfachlicher wie auch wasserwirtschaftlicher Sicht wird die derzeitige Form der
Schilfernte mit schweren Maschinen kritisch gesehen, da sie zu einer Zerstörung des
Schilfrhizoms und damit langfristig zu einer Ausdünnung der Schilfbestände führt und
zudem als schwer kalkulierbarer Eingriff in die Nährstoffbilanz zu sehen ist.
Brandmanagement: Früher wurde das Schilf am Neusiedler See regelmäßig von Schilf-
schneidern abgebrannt, um im kommenden Jahr junges und damit qualitativ hochwerti-
ges Schilf ernten zu können. Vor allem in Hinblick auf die erhöhte Feinstaubbelastung ist
das Abbrennen von Schilf heute jedoch untersagt und in den letzten 20 Jahren auch nicht
mehr durchgeführt. Durch Blitzschlag kommt es jedoch immer wieder zu Bränden im
Schilfgürtel, zuletzt im Februar 2020 auf einer Fläche von rund 7 km2. Grundsätzlich wird
eine kontrolliertes Brandmanagement sowohl aus Sicht des Naturschutzes als auch der
Wasserwirtschaft positiv gesehen.
Ertüchtigung von Schilfkanälen: Schilfkanäle wurden über Jahrzehnte hinweg vor allem
von Seiten der Fischerei regelmäßig freigehalten. Seit den späten 1990er Jahren werden
die Kanäle auch von der Wasserwirtschaftsbehörde im Rahmen der laufenden Instandhal-
tungsmaßnahmen regelmäßig ertüchtigt. Diese Arbeiten werden mit einem 35 t schweren
Amphibienfahrzeug durchgeführt und sind auf die kalte Jahreszeit (Oktober bis Ende
Februar) beschränkt. In der derzeitigen Form erfolgt die Ablagerung der ausgebaggerten
Sedimente entlang der Kanäle in Form von Dämmen, welche keinen Wasseraustausch
zwischen dem Schilfkanal und allenfalls angrenzenden Wasserflächen ermöglichen. Seit
der Wintersaison 2004/2005 wurden über 230 km Schilfkanäle ertüchtigt. Im Mittel betrug
die Länge der pro Jahr ausgebaggerten Kanäle 16,6 km.
und ist bislang auf Häfen und Yachtanlagen beschränkt. Das Sediment wird abgepumpt
und gelangt in Absetzbecken, von wo aus der getrocknete Schlamm entweder auf land-
wirtschaftliche Flächen aufgebracht oder deponiert werden kann. Eine Abschätzung der
Kubatur der seit 2005 ausgebaggerten Sedimente ergibt einen Volumen von knapp 300
000 m³, im Schnitt 20 000 m³ pro Jahr. Dies ist im Vergleich zur Gesamtsedimentmenge im
See verschwindend wenig (0,04% nur der Sedimentmenge im offenen See ohne Schilfgür-
tel). Der Bericht beinhaltet Überlegungen zum Feststoffhaushalt, so z.B. mit Vergleichs-
werten zum Sedimenteintrag über die Wulka und die Kalkschlamm-Bildung. Im Detail wird
die Feststoffbilanz aber im Bericht 7 Synthese diskutiert.
EXECUTIVE SUMMARY
This report includes various aspects concerning der structure of the reed belt. Continuing
the report No. 2 on hydrology, the report forms the morphological counterpart of the
general hydro-morphological description. It is divided into four parts:
The three areas are presented and described using maps and photos. The appendix to
this report contains a photo documentation of the sampling sites for the physico-
chemical and biological surveys. Generally, the reed belt in the area of the Wulka mouth is
very dense. Some channels provide a linear flow, but there are also diffuse flow areas
(see chapter 3.2 in report 3). The two areas near Mörbisch and Illmitz are characterised by
large, shallow open water zones in the inner reed belt, which are connected to the open
lake to varying degrees by channels.
The GeNeSee project extended the approach on the basis of highly topical technological
developments in terms of measurement and evaluation methods. Another innovative
feature was the survey in one go, i.e. across borders. Three different measurement
methods were used: multi-frequent echo-sounding in the open lake area, point measure-
ments to determine the sediment upper and lower edge using CSPS, and ALS measure-
ments (already available in Austria, newly recorded for Hungary in the GeNeSee project).
Unfortunately, the data recordings in the GeNeSee project did not yield the results that
would have been necessary for the REBEN project. The results of the measurements in
the reed areas were deteriorated to a high degree by organizational draw-backs. As a re-
sult, too few measurements were available in the area of the reed belt for a sufficiently
accurate interpolation of raster data. Thus, within the GeNeSee project and in contrast to
the previous project, a digital surface model could only be created for the open water
area, but not for the reed belt of Lake Neusiedl. Contrary to expectations, it was not pos-
sible to provide a time-series-specific monitoring of the surface relief of the entire lake
basin (upper and lower sedimentary edges) including the reed belt.
The present report has attempted to compensate for this serious deficit by supplemen-
tary analyses of the original data. The extracted time series profiles are shown graphically
in the appendix and allow the following conclusions:
The comparison of the survey with the status 1996 and the recording of the open wa-
ter areas with the status 2014 shows a clear trend towards a deepening of the lake ba-
sin by about 30 cm during the last 20 years for some profile layers, for others hardly
any change.
Lateral trends in the expansion of reed beds are hardly noticeable seawards and only
marginally evident by spreading of reed growth on the meadows in the transition area
landwards. This is in accordance with the insight gained from the corresponding area
analyses that the total area of the reed belt has only marginally increased. Neverthe-
less, dramatic changes in the structure of the reed beds have become apparent, which
can be recognized by a significant increase of degraded reed beds and brown water
areas in the central part of the reed belt.
The sediment wall seawards, at the lake-side fringe of the reed belt remains un-
changed, which cannot be directly verified by the data from the GeNeSee project, but
can be deduced by corresponding analyses of pseudo-profiles meticulously extracted
from similar patterns in the original data stock 2012–2014. There is no reliable evidence
for lateral displacement of the lake wall.
In accordance with the goals formulated in the 2014 strategy study for a serious spatial
4D monitoring (areas, volumes, time) of reed growth dynamics, of the changes in the
reed structures as well as sediment deposition and removal, a prospective coordination
and homogenisation of the methods of data acquisition and data analysis is the un-
changed goal of future relevant initiatives – both structure-related (reed belt versus open
water area) and time-series-related (comparability of the results) and concerning the
cross-border dimension (harmonisation of the methods for data acquisition in one cross-
border pour).
The supplementary measurements were necessary after it was recognized at the begin-
ning of the project that the morphological surveys carried out in the GeNeSee project
were not sufficient for the questions of the project “REBEN” and did not take essential
aspects into account. With the measurements in the three test areas an attempt was
made to close the gap at least to some extent.
Reed cutting and harvesting: Reed cutting has a long tradition on Lake Neusiedl. Harvest-
ing took place either from mid-June to the end of July (green reed) or in winter (dry
reed). The reed was partly used as bedding in stables, also as fodder for the cattle, partly
as building material and for roofs of barns and houses. With the decline of cattle farming
and the increasing use of alternative building materials the reed harvest decreased signif-
icantly in the 1960s and 1970s. On the Austrian side about 10–25% of all reed areas (about
102 km²) were cut between 2004/05 and 2012/13, thus about 10–25 km². The areas that
were cut at least once within this period covered about 53% of the areas outside the Na-
tional Park (Austria only). In the last years, the reed industry had to struggle with mild
winters and an increasing competition by cheap imports from abroad. From the point of
view of nature conservation and water management the current form of reed harvesting
with heavy machinery is viewed critically, as it leads to a destruction of the reed rhizome
and thus to a thinning of the reed stocks in the long run.
Fire management: In the past, the reed on Lake Neusiedl were regularly burned down by
reed cutters in order to be able to harvest young and thus high-quality reed in the coming
year. However, especially in view of the increased fine dust pollution, reed burning is pro-
hibited today and has not been carried out for the last 20 years. However, lightning re-
peatedly causes fires in the reed belt, most recently in February 2020 on an area of about
7 km². In principle, controlled fire management is seen positively from the point of view of
both nature conservation and water management.
Restoration of reed channels: For decades, reed channels were regularly kept clear, espe-
cially by fishermen. Since the late 1990s the channels have also been regularly restored by
the water management authority as part of ongoing maintenance measures. This work is
carried out with a 35-t amphibious vessel and is limited to the cold season (October to the
end of February). In its present form, the dredged sediments are deposited along the
channels in the form of dams, which do not allow water exchange between the reed
channel and any adjacent water surfaces. Since the winter season 2004/2005 more than
230 km of reed channels have been restored. The average length of the channels dredged
annually was 16.6 km.
1 EINLEITUNG
INTRODUCTION
Der vorliegende Bericht widmet sich verschiedenen Aspekten der Schilfstruktur und bil-
det nach dem hydrologischen Bericht 2 gewissermaßen den morphologischen Teil der
allgemeinen hydro-morphologischen Beschreibung.
Die ergänzenden Messungen (Punkt c) waren erforderlich, nachdem zu Beginn des Pro-
jekts erkannt worden war, dass die im Projekt GeNeSee durchgeführten morphologischen
Aufnahmen für die Fragestellungen des Projekts Reben nicht ausreichend waren und we-
sentliche Aspekte unberücksichtigt ließen. Mit den Messungen innerhalb der drei Testge-
biete wurde versucht, die Lücke zumindest ansatzweise zu schließen. Ähnliches wird auch
mit den Auswertungen der Sedimentprofile in der Zeitreihe 1996 vs 2014 angestrebt. Der
Bericht beinhaltet also teilweise eigene Messungen, Auswertungen von Daten aus ande-
ren Projekten sowie eine Zusammenstellung vorhandener Informationen. Aufgrund der
unterschiedlichen und nur lose untereinander verknüpften Beiträge zu diesem Bericht
wurde für diese kein abschließendes Resümee verfasst. Ein solches beinhaltet aber das
Kap. 3.
Der Bericht deckt die Inhalte des Arbeitspakets T1.4.1 ab. Die Messungen zur Sediment-
struktur und -zusammensetzung wurden im Bericht 3 berücksichtigt, da sie dort eine
thematische Einheit mit den übrigen chemischen Messungen bilden.
2 ALLGEMEINE CHARAKTERISIERUNG
DER TESTGEBIETE
GENERAL DESCRIPTION OF THE TEST AREA
2.1 Einleitung
Introduction
Aufgrund der Größe des Schilfgürtels des Neusiedler Sees war es notwendig, die Unter-
suchungen auf ausgewählte Gebiete beschränken. In Abstimmung mit dem Auftraggeber
und unter Berücksichtigung der hydrologischen und ökologischen Eigenheiten des
Schilfgürtels wurden drei Testareale ausgewählt:
Die drei Gebiete werden im Folgenden kurz vorgestellt und in ihrer strukturellen Charak-
teristik skizziert. Die einzelnen Messstellen werden in diesem Bericht im Anhang (Kap. 7.1)
als Fotodokumentation gezeigt und in den weiteren Berichten näher beschrieben.
Der Standort WU4 repräsentiert eine reiner Fließgewässermessstelle. Bei der Straßenbrü-
cke nach Oggau wurde auch einer der beiden Online-Messstellen im Bereich Wulka einge-
richtet (siehe Bericht 5).
Der Schilfgürtel selbst ist im Bereich der Mündung außerordentlich dicht und weist im
Gegensatz zu anderen Bereichen weiter südlich keine größeren offenen Wasserflächen
auf. Die Kanäle vergangenen Jahren mehrmals ausgebaggert (siehe dazu weiter unten,
Abb. 27 in Kap. 5.4) und sind heute von Längsdämmen begleitet, die einen Wasseraus-
tausch zwischen Kanal und den kleinstrukturierten angrenzenden Blänken weitgehend
verunmöglicht. Ausnahmen finden sich unmittelbar im Anschluss an den zur Messstelle
WU2 führenden Querkanal (vermutlich zu Jagdzwecken freigehalten). Seit Winter 2019
besteht eine direkte Verbindung des westlichen Wulka-Einmündungsbereichs mit einem
der größeren Kanäle (siehe dazu Ausführungen in Bericht 3).
Nach Beobachtungen im Zuge einer Befahrung im April 2019 ist der Bereich westlich des
Querkanals zur Messstelle WU2 diffus durchströmt. In den Dämmen entlang der Kanäle
gibt es hier nur sehr wenige Durchlässe, durch die das nunmehr klare Wulkawasser strö-
men kann. Sie sind teilweise mit eine Vielzahl an Sumpfpflanzen, auch Gehölzen bewach-
sen.
Abb. 2. Links oben: Absturzartiger Übergang von einem neugestalteten Kanal und einen älteren,
seewärts gerichteten Kanal, rechts oben: diffus durchströmtes, dichtes Schilf, Mitte links: Sedi-
mentaufschüttung am Damm längs zu einem Kanal mit leeren Großmuschelschalen, Mitte
rechts: offene Blänke (möglicherweise für Jagdzwecke freigehalten), unten links: glasklares
Wulkawasser nach diffuser Durchströmung (Unterwasserbild, im Bild ein Mediterraner Medizi-
nischer Blutegel Hirudo verbana).
Figure 2. Top left: fall-like transition between a newly restored and an old, lakeward-directed channel, top
right: diffusely flowing part with dense reed stands, mid left: sediment deposit on a dam alongside of a channel
with empty unionid mussels, mid right: open pool (maybe kept open for hunting), bottom left: crystal-clear
water from the river Wulka after diffuse flowing (underwater photo with a Mediterranean medical bloodsuck-
er Hirudo verbana).
Figure 3. Test area Mörbisch. The red points show the standard sampling sites for the chemical-biological moni-
toring, the blue point is an additional site for sediment sampling (see report 3). © ortho image GeoDaten Bur-
genland (https://geodaten.bgld.gv.at)
Abb. 4. Links oben: Weitgehend „dichte“ Schilfkante entlang eines Kanals im Gebiet Mörbisch,
rechts: Land-Wasser-Übergangszone, links unten: Wasserflächen im inneren Schilfgürtel.
Figure 4. Top left: Largely „impenetrable“ reed fringe along a channel in the test area of Mörbisch, right: land-
water transition zone, bottom left: open water zone in the inner reed belt.
den Seewinkel führenden Grabensystem, aus dem im Frühjahr bei hohen Wasserständen
ein sehr schwacher Zufluss gegeben ist.
Unter den in Abb. 5. eingezeichneten Messstellen unterscheidet sich IL9 insofern von
allen anderen, als dieser Bereich vom offenen See völlig abgetrennt ist und keinerlei Was-
seraustausch erfährt.
Abb. 6. Links oben: Ruster Poschn bei Illmitz, rechts oben: verlandeter Kanal vom Ruster Poschn
Richtung See, links unten: Sichttiefenmessung mittels Secchi-Scheibe an der seenahen trüben
Messstelle IL2 am 09.04.2018, rechts unten: Sichttiefenmessung an der landseitigen Messstelle
IL5 am 09.04.2018.
Figure 6. Top left: Ruster Poschn near Illmitz, top right: channel silted-up from Ruster Poschn towards the lake,
bottom left: measurement of transparency by using a Secchi disk at the near-lake sampling site IL2 on 9th April
2018, bottom right: measurement of transparency at the near-land sampling site IL5 on 9th April 2018.
3 ZEITREIHE SEDIMENT-PROFILE
(1996 vs. 2014)
TIME SERIES SEDIMENT PROFILES (1996 vs. 2014)
von Elmar CSAPLOVICS
3.1 Ausgangslage
Background situation
Der Neusiedler See ist ein ausgeprägt windexponierter, extrem flacher Steppensee und
stellt einen Sondertypus in Europa dar (Herzig & Dokulil 2001). Die Hydromorphologie des
Sees wird durch Sedimentlagen bestimmt, die einer signifikanten raum-zeitlichen Variati-
on unterliegen. Sedimenteintrag erfolgt über einige wenige natürliche Zuflüsse wie die
Wulka und periodisch wasserführende Gräben entlang des West-, des Nordwest- und des
Süd-Ufers, über künstliche Zuleitungen wie den Golser Kanal und über diffusen atmo-
sphärischen Eintrag sowie Sedimentation von Pflanzenmaterial im Schilfgürtel (Altschilf).
Die flächendeckende Ermittlung der Verteilung und Mächtigkeit des Sediments im Seebe-
cken ist zufolge der spezifischen Terrainverhältnisse – ca. 140 km2 offene Wasserflächen
und ca. 180 km2 Schilfflächen – nur durch speziell zu adaptierende geodätische Messme-
thoden möglich. Eine auf diesen Grundlagen für das gesamte Seebecken durchgeführte
Inventur wurde auf österreichischer Seite in den Jahren 1985–1987 und auf ungarischer
Seite in den Jahren 1994–1995 durchgeführt. Darauf aufbauend konnten das erste Mal in
der Geschichte raumbezogener Forschung am Neusiedler See ein grenzüberschreitend
homogener Datenbestand und in Folge digitale Oberflächenmodelle für Sedimentober-
kante und Sedimentunterkante für das Seebecken tiefer als 116,50 m berechnet werden
(Csaplovics 1989; Csaplovics et al. 1997). Dieser Datenbestand repräsentierte bis zur Fer-
tigstellung des Projektes GeNeSee die einzige grenzüberschreitend existierende raumbe-
zogene Informationsgrundlage betreffend Höhenverhältnisse des Seebodens und Mäch-
tigkeit der Sedimentlagen im Seebecken (Csaplovics et al. 2014b).
Die Messungen in den Schilfbereichen wurden zudem in hohem Maße durch organisatori-
sche Drawbacks deterioriert. Diese Drawbacks führten leider dazu, dass im Zuge der Ge-
nerierung der digitalen Rastermodelle für den Schilfbereich und vor allem für den kriti-
schen Bereich der Schilf-Offenwasser-Randzone zu wenig Punkt- respektive Profil-
Messungen vorlagen, als dass eine ausreichend genaue Interpolation von Rasterdaten
möglich gewesen wäre. Dies hat zu dem beklagenswerten Missstand geführt, dass im
Gegensatz zum Vorgängerprojekt (vgl. Csaplovics et al. (1997)) schlussendlich im Rahmen
des Projektes GeNeSee digitale Oberflächenmodelle des Seebeckens „nur“ für den Of-
fenwasserbereich erstellt werden konnten. Auf diese Problematik und die damit verbun-
denen Limitationen beim Aufbau relevanter Datensätze für den Vergleich der Sediment-
topografie und der Sedimentdynamik vor allem im sensiblen Bereich der Schilfbereiche
des Sees wird an späterer Stelle en détail eingegangen werden. Flugzeuggestützte La-
serscanner-Daten (airborne laser scanning, ALS) standen für den österreichischen Anteil
des Seebeckens zur Verfügung und konnten auf ungarischer Seite im Rahmen des Projek-
tes ergänzend aufgenommen werden (2010 - AT, 2011 - HU). Dadurch war eine hochge-
naue Datenerfassung der Höhenverhältnisse in den Schilf-Festland-Zonen und teilweise
auch in den inneren Schilfbereichen – in Abhängigkeit der Wuchsdichte – möglich. Dar-
über hinaus waren die ALS-Daten Grundlage einer exakten Höhenaufnahme in einem Ge-
ländestreifen entlang des Einser-Kanals, dessen Längs-Profil und Quer-Profile gleichzeitig
mittels terrestrisch-geodätischer Messungen kartiert werden konnten.
Die Projektergebnisse stellen somit eine wichtige Grundlage für aktuelle Untersuchungen
der Sedimentverteilung und Sedimentmächtigkeit, darüber hinaus aber auch für Analysen
der Dynamik von Sedimentierung einerseits und Sedimentverfrachtung andererseits für
den Zeitraum 1987/95 – 2011/14 bereit. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass
3.2.1 Sonar
Um die Topographie des Seebodens auch für vergleichende Untersuchungen mit histori-
schen Daten zu erfassen, wurden die Hauptmesslinien – wie auch schon in den vorange-
gangenen Seevermessungen – quer zur Seemittelachse definiert. Der Abstand der Quer-
profile wurde mit 100 m festgelegt. Längsprofile im 500 m Abstand, Umfahrungslinien der
Inselgebiete sowie uferparallele Umfahrungslinien inkl. der Hafenbecken verdichteten
das Messliniennetz. Insgesamt beträgt die Gesamtlänge der befahrenen Messlinien mehr
als 2 000 km (Abb. 7).
Abb. 7. Echolot-Profile (ca. 2 000 km) im offenen See inkl. Kalibrierpunkte (CSPS) (Heine et al.
2016).
Figure 7. Echo-sounding profiles (approx. 2,000 km) in the open lake including calibration points (CSPS) (Heine
et al. 2016).
3.2.2 CSPS
CSPS
Als Referenz für die hydroakustische Schlamm- und Seebodendetektierung sowie für die
Schlammdickenbestimmung im Uferbereich und im Schilfgürtel wurde der Profilaufbau
des Bodens mit einem kombinierten bodenphysikalischen Mess-System (CSPS: Combina-
tion of Soil Physical Sensors) bestimmt, das aus einem kapazitiven Sensor und einem Pe-
netrometer synchronisiert mit einer satellitengestützten Verortungseinheit (GNSS_RTK)
besteht.
Das CSPS detektiert mittels dynamischer Messungen von vertikalen Profilen die
Schlammoberfläche, den konsolidierten Seeboden und weitere seichte, konsolidierte Se-
dimentschichten mit hoher Verortungsgenauigkeit. Die Vorteile des angewendeten Sys-
tems manifestieren sich in in situ aufnehmbaren Bodenparametermessungen ohne auf-
wendige Probenentnahme, in der Aufzeichnung eines jeweils kontinuierlichen Vertikal-
Profils mit Ausweisung signifikanter Schichtungen und in der Ausgabe von reproduzierba-
ren physikalischen Werten (Heine et al. 2016). Das CSPS-System erwies sich im Zuge des
Projektes neben der „Kalibrierung“ von Sub-Bottom-Profiler (SBP)-Echolotmessungen
auch als wertvolles Tool zur Datenerhebung in ufernahen Flachwasserbereichen mit einer
Wassertiefe kleiner 0,5 m zur Beschreibung der Ufertopografie in Braun- und Freiwasser-
flächen innerhalb des Schilfgürtels und im Schilf. Um die Schlamm- und Seebodentopo-
grafie am Übergang vom Schilf zum offenen See zu beschreiben und auf dieser Grundlage
eine Verknüpfung der Ultrasounder-Messungen im offenen See mit den Bodensonden-
Messungen im Schilfbereich zu erleichtern, wurden im Uferbereich kurze, orthogonal auf
die Uferlinie verlaufende Transekte mit Messpunktlagen im Schilf, an der Schilfkante und
auf der freien Seewasserfläche gemessen. Zusammen mit den Side-Scan-Sonar-Daten
können die Topografie des Schilf-See-Randbereichs sowie etwelche Verlandungsbereiche
ausgewiesen werden (Abb. 8). Auf die schlussendlich die Relevanz der Messungen in den
Schilfgebieten entscheidend deteriorierenden Einflüsse und Effekte wird an späterer Stel-
le eingegangen.
3.2.3 Modellgenerierung
Model generation
Zur Erstellung der digitalen Oberfläche für die Sedimentoberkante und Sedimentunter-
kante im Bereich des Neusiedler Sees sowie die Einbindung der Geländemodelle im Schilf-
bereich wurden demgemäß Datensätze herangezogen, die auf den drei bereits skizzier-
ten Messmethoden beruhen:
Eine Übersicht aller vorhandenen Messdaten ist Abb. 8 zu entnehmen. Alle Messdaten
wurden im ETRS89 erfasst und anschließend in den österreichischen Referenz-Koordi-
natenrahmen GK-M34 in das österreichische Gebrauchshöhensystem transformiert. Mit
Unterstützung des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen ist es gelungen, dieses
System in den ungarischen Bereich des Neusiedler Sees zu erweitern. Um einen homoge-
nen ALS Datenbestand zu erhalten, wurden im Rahmen der Streifenausgleichung der neu
erfassten ungarischen ALS Daten idente Passflächen genutzt (bereits bestimmte Passflä-
chen der Burgenländischen Laserscanning-Befliegung im Nord- und Mittelburgenland).
Abb. 8. Messdaten der Projektkampagnen 1985–1987 und 1994–1995 (Seemodell 1996) (links)
(Csaplovics et al. 1997); Echolot-Messungen (Längs- und Querprofilfahrten im Seebereich), Ein-
zelpunktmessungen (Magenta und Schwarz), ALS Befliegung Österreich (blaue Flugstreifen)
und Ungarn (rote Flugstreifen) (Messungen 2011–2014, Seemodell 2014); Hintergrund: höhenco-
diertes Modell der Sedimentoberkante (rechts) (Heine et al. 2016).
Figure 8. Measurements of the campaigns 1985–1987 and 1994–1995 (lake model 1996) (left) (Csaplovics et al.
1997); echo-sounding measurements (longitudinal and cross profile sections in the lake), single point measure-
ments (magenta and black), ALS flights Austria (blue lines) and Hungary (red lines) (measurements 2011–2014,
lake model 2014), background picture: digital terrain model of the sediment top surface (right) (Heine et al.
2016).
3.3 Grundlagen
Basics
Nach den flächendeckend für das gesamte Seebecken (ca. 320 km2) generierten digitalen
Oberflächenmodellen der Sedimentlagen und deren Mächtigkeit mit Stand 1987/1995
wurde zum zweiten Mal eine flächendeckende Grundlage für die nachhaltige Dokumenta-
tion und Analyse der Dynamik des Seeboden-Reliefs auf operationelle und (größtenteils)
nachvollziehbare, das heißt für die lokal-regionalen Akteure direkt nutzbare Weise aufbe-
reitet und bereitgestellt. Leider haben die bereits eingangs erwähnten Einschränkungen
bei der Erfassung der Sedimentlagen im Schilfgürtel während der Mess-Kampagnen im
Rahmen des Projektes GeNeSee mit Stand 2014 zu einer im Vergleich zur Kampagnen der
1980er-Jahre derart geringen Dichte an Messpunkt-Reihen geführt (vgl. Abb. 8), dass eine
dem Anspruch des historischen Datenbestandes mit Stand 1987/1995 betreffend flächen-
deckend digitale Erfassung des gesamten Seebeckens nicht erfüllt werden konnte. Damit
ist es leider wider Erwarten nicht möglich geworden, ein zeitreihenspezifisches Monitoring
des Oberflächenreliefs des gesamten Seebeckens (Sedimentoberkante und Sedment-
unterkante) einschließlich des Schilfgürtels bereitzustellen. Die mit Stand 2014 vorliegen-
den Seemodell-Daten können somit zu dem übergeordneten Ziel, die hydromorphologi-
schen Besonderheiten des Seebeckens im offenen See und in den Schilfbereichen in ihrer
einzigartigen Charakteristik zu analysieren und zu erhalten, nur bedingt beitragen. So ist
zwar mit Stand 1995 für den österreichischen Seeteil eine Relation von Wasservolumen zu
Sedimentvolumen von 51:49 bei Pegelstand 115,50 m ü.A., für den ungarischen Seeteil von
18:82 bei Pegelstand 115,30 m ü.A. nachgewiesen (Csaplovics et al. 1997), gleichwertige Aus-
sagen für den Stand 2014 sind leider zufolge der nicht mit ausreichender Dichte erfassten
Bereiche des Schilfgürtels nicht möglich geworden. Demgemäß ist das Ziel, das Wissen um
die hydromorphologische Dynamik des Seebeckens und die Möglichkeiten von Voraus-
sagen/Simulationen von Einflüssen von Management-Maßnahmen und von natürlichen
Prozessen durch die Modellierung von Dynamismen der Sedimentbildung und der Sedi-
mentverlagerung mit Hilfe von Zeitreihen auf Grundlage von historischen und aktuellen
Datenbeständen zu optimieren, leider nicht vollständig erreicht worden. Umso intensiver
muss am Aufbau eines operationell umsetzbaren Monitoring der Sedimentdynamik im
gesamten Seebecken (sowie der Struktur- und Vitalitätsparameter des Schilfgürtels)
durch periodische Datenaufnahmen im Intervall von ca. 10 Jahren sowie einer damit ein-
hergehenden aktualisierten Modellierung von Szenarien der Sedimentation in Funktion
der Heterogenität/Homogenität der Schilf-Strata gearbeitet werden (Csaplovics 2019).
Ähnliches gilt für die Erfüllung von Aufgaben der Bewahrung eines ökologischen Gleich-
gewichtes betreffend Wasserhaushalt des Sees durch die gezielte Analyse der Seebo-
denmodelle nach Veränderungen der Sedimenthöhen und Sedimentvolumina entlang des
seeseitigen Schilfrandes und durch die damit verbundene Modellierung von Austausch-
prozessen zwischen Schilf- und Seewasser (Wolfram et al. 2019). Modellierungen dieser
Art sind aus aktueller Sicht ebenfalls nur für den flächendeckend verfügbaren histori-
schen Rasterdaten-Bestand möglich.
Sub Bottom Profiler (SBP) sind Einzelstrahl-Echolot sehr ähnlich, arbeiten allerdings mit
wesentlich niedrigeren Frequenzen. Ziel ist es, ein Querschnittsprofil des Gewässerbo-
dens zu erfassen, das die Struktur der Sedimentschichtungen aufzeigt (Abb. 11).
Abb. 12. Charakteristika eines für den Offenwasser-Bereich typischen CSPS-Vertikalprofils (PR -
Penetrometer, θ - kapazitiver Bodenfeuchtesensor (HydroProbe) (Koglbauer & Loiskandl 2015).
Figure 12. Characteristics of a typical open lake area CSPS- vertical profile (PR-Penetrometer, θ – capacitive soil
moisture sensor (HydroProbe) (Koglbauer & Loiskandl 2015).
3.4.3 Zeitreihenprofile
Time series profiles
Die Profile sind aus den im Abstand von 5 m interpolierten Rasterdaten gewonnen. Die
entsprechenden Abbildungen sind im Anhang dargestellt (Kap. 7.2). Der blaue Graph ent-
spricht darin dem Stand 2014, der orange Graph dem „historischen“ Stand 1996
(Csaplovics et al. 1997). Die Geländeaufnahmen erfolgen in den Jahren 1985–1987 (sic!) für
den österreichischen und 1994–1995 für den ungarischen Teil sowie im Zeitraum 2012 bis
2014 für die aktuellen grenzüberschreitenden Datensätze.
Die generierten bitemporalen Profil-Zeitreihen sind daher aus den oben angesprochenen
Gründen – fehlende Oberflächenmodell-Daten für den Bereich des Schilfgürtels zufolge
fehlender Messpunkte oder zu geringer Messpunkt-Dichte – in einem ersten Teilschritt
ausschließlich für den Bereich des offenen Sees darstellbar. Die fehlenden Messdaten in
den Oberflächenmodellen mit Stand 2014 bewirken einen zwischen dem angenäherten
Randpolygon der Schilf-Festland-Grenze bis zu dem durch die Echolot-Messdaten erfass-
baren seeseitigen Schilf-Offenwasser-Rand statistisch verrauschten, der Realität in keiner
Weise entsprechenden Profilverlauf. Durch Einführung eines Höhenschwellwertes von
115 m (Abb. 33 bis Abb. 51 in Kap. 7.2.1) resultieren bitemporale Profilverläufe, die mit
Stand 1996 auf Grundlage des komplett erfassten Seebeckens <116,50 m den gesamten
Bereich des Seebeckens erfassen, während jene mit Stand 2014 nur für den offenen See-
bereich – auf Grundlage der Interpolation der Oberflächenmodelle aus den Ultrasounder-
Messreihen – bereitstehen.
Ein Blick auf die in Übereinstimmung mit den Profillagen in der Auswertung der Raster-
modelldaten mit Stand 1996 generierte komparative Schau gemäß Rastermodell der Of-
fenwasser-Bereiche mit Stand 2014 (Abb. 33 bis Abb. 51 in Kap. 7.2.1) zeigt auf den ersten
Blick einen klaren Trend zu einer Vertiefung des Seebeckens um ca. 30 cm während der
letzten 20 Jahre für die Profillagen 1–7 sowie 13–17 sowie kaum Veränderung für die Profil-
lagen 8–12 sowie 14. Ein Blick auf die bi-temporale Zeitreihe der Dynamik der Seeboden-
Sedimentation entlang des Tiefenprofils (Längsprofils) unterstreicht diese Aussage durch
die Darstellung von Eintiefungstendenzen im nördlichen und südlichen Seeteil sowie oszil-
lierende, großteils ausgeglichene Verhältnisse im mittleren Bereich des Nord-Süd-
Verlaufes.
Diese Aussagen müssen jedoch auch im Licht der in den beiden Projektkampagnen grund-
legend unterschiedlichen Mess-Verfahren in situ gesehen werden. Einerseits ist davon
auszugehen, dass die sowohl im Schilf- als auch im Offensee-Bereich unterschiedlichen
Mess-Verfahren zu systematischen „Fehlern“ in der Bestimmung der sowieso kaum strin-
gent definierbaren Sedimentoberkante führen (vgl. Abb. 11, zwei unscharf definierbare
Sediment-Referenzflächen), andererseits stehen die ablesbaren Trends durchaus in Koin-
zidenz mit bereits mehrfach in Detailuntersuchungen (und auch in Vergleichen mit den
Aufnahmen der 1960er-Jahre durch Kopf (1964, 1967) und der 1980er-Jahre durch Kováts
(1982) belegten Dynamismen. Die Messungen in den Jahren 1985–1987 und 1994–1995
wurden empirisch mit Hilfe speziell adaptierter Mess-Stangen durch über Jahrzehnte mit
dem Schilfgürtel und seinen Sediment-Strukturen vertraute Schilfschneider und Fischer
vorgenommen und über elektro-optische Distanzmessung verortet, während jene in den
Mess-Kampagnen 2013–2014 für den Bereich des offenen Sees durch dichte Profillagen
von Echolotmessungen und durch bodenphysikalische Messungen mittels CSPS im
Schilfgürtel mit jeweiliger Verortung über GPS-INS-Messungen durchgeführt wurden. Es
liegt auf der Hand, dass in Anbetracht einer nur sehr schwer definierbaren Sedimentober-
kante (Intuition und Expertise versus „exakte“ Genauigkeit „physikalischer“ Messungen)
Differenzen auftreten werden/würden, die – im besten Fall – systematisch sein könnten
(vgl. Abb. 11). Dies gilt jedoch für die vorliegenden Profile nur in eingeschränktem Maße,
vgl. Profile 1, 2, 4, 6, 13 ,15–18 (signifikante „Eintiefung“ um ca. 20 cm) versus Profile 3, 5,
7–12, 14 (nahezu idente, gleichwohl heterogen koinzidierende Verläufe).
Die Modelle der Sedimentmächtigkeit für die beiden Zeitschnitte (Abb. 9 & Abb. 10) ge-
statten eine überblicksartige Zusammenschau der im Offenwasserbereich prävalenten
Dynamik, die sich in unverändert erkennbaren Maxima auf österreichischer Seite im Of-
fenwasser-Bereich zwischen Mörbisch und Rust, mit einer relativ scharfen Kante zu Berei-
chen mit sehr flachen Sedimentlagen nahe der Schilf-See-Grenze am Ostufer, manifes-
tiert. Es ist sicher nicht statthaft, Weichsedimentlagen im Schilfgürtel mit Sedimentlagen
im Offenwasser aus Sicht der Konsistenz und aus Sicht spezifischer Strukturparameter zu
vergleichen, aber den beiden Strukturtypen ist gemeinsam, dass eine gewisse ähnliche
Durchdringbarkeit durch Mess-Sonden und naturgemäß durch das Ultrasounding anzu-
nehmen ist. Ein Blick auf Abb. 9 zeigt, dass im nordwestlichen zentralen Bereich des offe-
nen Sees mehrheitlich Schlammtiefen von 20 cm angenommen werden können, dass je-
doch entlang der nordwestlichen Schilf-Offenwasser-Grenze kleinräumige Anlandungen
mit 50 cm und mehr Sedimentlagen (die schmalen dunkelblauen Bänder entlang der
Schilf-Grenzlinie in Abb. 9) auftreten. Diese Erkenntnis deckt sich mit der Sediment-
Kartierung 1987/1996 (Abb. 10) – auch dort sind die Lagen im nordwestlichen zentralen
Offenwasser-Bereich nach Grauton-Skalierung in den Bereich von ca. 20–40 cm zu setzen,
und auch dort gibt es die schmalen bandartigen Sedimentdeposits entlang der Schilf-
grenze. Durch eine diesbezüglich orientierte Inwertsetzung der Datenbestände kann na-
turgemäß eine Detailkartierung auf Grundlage der Ultrasounder-Rastermodelle in diesen
kritischen Bereichen durchgeführt und auch die historischen Daten können aus dem Aus-
gangsdatensatz (Rastergrid-Oberflächenmodelle) en détail interpoliert werden. Beispiel-
haft zeigen die Pseudo-Profile G601 und H606 (die im Bereich Winden liegen, Abb. 58 bis
Abb. 61 im Anhang, Kap. 7.2.2) die mit Stand 2014 markant hohen seeseitigen Sediment-
Im Anhang werden die 18 Querprofile und ein Längsprofil (Lage siehe Abb. 13) jeweils in
blauer Farbe für den Stand 2014 und in oranger Farbe für den Stand 1995 wiedergegeben.
Zufolge der im letztaktuellen Projekt GeNeSee bereits erwähnten Schwierigkeiten bei der
Umsetzung der für den Schilfgürtel adaptierten Mess-Strategie und Methodik in situ lie-
gen für den Schilfgürtel keine digitalen Oberflächenmodelle vor, sodass eine Interpolati-
on der historischen Profilverläufe nur für den Offenwassserbereich mit einem threshold
bei ≤115,00 m auf Grundlage der aus den dichten Ultraschall-Messungen interpolierten
Modelle durchgeführt werden konnte (Abb. 33 bis Abb. 51 im Anhang, Kap. 7.2.1).
In Folge wurde der Versuch unternommen, aus den Protokollen der Schilfmessreihen jene
Punktfolgen anzunähern, die eine Rekonstruktion von Profilverläufen zulassen. Nach ext-
rem zeitintensiver Recherche und der daraus resultierenden Extraktion passender Daten-
reihen konnten einige Profilverläufe aufgebaut und sowohl für den historischen Raster-
daten-Bestand als auch als reduziert interpretierbares Elaborat auf Grundlage der – teils
bruchstückhaften und durch extrem großen Messpunkt-Abstand deteriorierten – Origi-
nal-Messungen aus GeNeSee etabliert werden. Die Verknüpfung mit den hochgenauen,
aus dem auf Grundlage der Ultrasounder-Messungen im 1-m-Intervall interpolierten See-
bodenmodell für den Offenwasser-Bereich extrahierten Profilverläufen ergibt ein be-
schränkt interpretierbares Profil-Bild, das den aktuellen Verlauf für das gesamte Seebe-
cken mit gleichwohl extrem unterschiedlicher Genauigkeit, so doch als tragfähiger Kom-
promiss durchgehend beschreibbar und vor allem mit dem „historischen“ Verlauf
vergleichbar macht.
Die Lage der Sedimentkanten an den Schilf-Offenwasser-Grenzen für die aktuellen Profil-
verläufe wird – wenn integrierbare Messpunkte vorhanden waren – durch Punktdaten
verdichtet, die durch Sondierung via Zille aufgenommen, jedoch leider nicht oder nur ru-
dimentär auf die landseitig in Richtung Schilf-Offenwasser-Randzone vorgetriebenen
Quasi-Profile abgestimmt worden waren. Dennoch liefern diese Punktdaten – wenn vor-
handen – wichtige Stützwerte für die im Verlauf der Schilf-Wasser-Grenzzone auftreten-
den spezifischen Sedimentdynamismen (Wallbildung), die somit auch in den wenigen
Pseudo-Profilen mit Stand 2014 größtenteils erkennbar sind (vgl. Abb. 52 bis Abb. 83 inm
Anhang, Kap. 7.2.2).
Die im Rahmen der letztaktuellen Schilfkartierung 2008 (ungarischer Teil 2007) auf Grund-
lage von optischen Flugzeug-Scanner-Daten extrahierte Schilf-Offenwasser-Grenzlinie
und deren Vergleich mit der entsprechenden Grenzlinie aus dem Ergebniskonvolut der
Schilfkartierung 1979 (ungarischer Teil 1984) (Csaplovics 1982; Csaplovics & Schmidt 2011b;
Márkus 1986; Márkus et al. 2009) zeigt, dass laterale Tendenzen der Ausdehnung von
Schilfbeständen seewärts kaum und auch im Übergangsbereich landwärts durch Verschil-
fung von Seewiesen nur marginal feststellbar sind. Dies steht in Einklang mit der aus den
entsprechenden Flächenanalysen gewonnenen Erkenntnis, dass die Gesamtfläche des
Schilfgürtels nur marginal zugenommen hat (Csaplovics & Schmidt 2011b). Gleichwohl
haben sich dramatische Veränderungen in der Struktur der Schilfbestände manifestiert,
die durch signifikante Zunahme von degradierten Schilfflächen und Braunwassserflächen
im zentralen Bereich des Schilfgürtels erkennbar sind (Csaplovics 2019).
Zudem führt eine Analyse der Messmethoden und der Aufbereitung der Daten für die
Modellgenerierung zu dem Schluss, dass die Verortung eines lateralen Gradienten für die
Verschiebung der Sedimentkante in Richtung offene Wasserfläche aus methodischer
Sicht nicht schlüssig ist, da zwei unterschiedliche Methoden der Festlegung der „Sedi-
mentgrenze“ Schilf – Offenwasser umgesetzt wurden. In der Modellgenerierung für das
Oberflächenmodell 1995 erfolgte eine Einbeziehung des Transitionsbereiches (ein Strei-
fen von ca. 150 m vom Schilf-See-Rand landwärts) der Sedimentation, die in einem flie-
ßenden Anstieg von der Sedimentkante direkt am Schilf-See-Rand (der zudem zufolge
meist dispers wolkiger Jungschilfbulken oft gar nicht als Lineament festgelegt werden
kann) landwärts geprägt wird. Dieser Übergang setzt mit einer Verzögerung von einigen
Zehner-Metern ein und steigt anschließend auf ein Maximum an (seeseitiger Sediment-
wall im Schilfrand-Bereich, ab Profil 2 in den Profilen 1996 eindeutig erkennbar, Abb. 34
bis Abb. 46 im Anhang, Kap. 7.2.1), um dann einen relativ ausgeglichenen Höhenverlauf
landwärts einzunehmen. Während der Mess- Kampagnen in den Jahren 1985–1987 war
ganz besonderes Augenmerk auf die Positionierung der Profile im Schilfbereich bis in den
Transitionsbereich am Schilf-See-Rand und eine ergänzend anschließende Messung per
Zille seeseits gelegt worden.
Die in den Kampagnen 2012–2014 erfolgte Messung von Querprofilen durch den Schilfgür-
tel war einerseits zufolge organisatorischer Mängel und resultierender Zeitnot nicht in
ausreichender Dichte durchgeführt worden (s.o.), andererseits erfolgten durchaus dichte
Einzelmessungen von kurzen Schilfrand-Offenwasser-Profilen (ca. 10 m) unmittelbar am
Schilf-See-Rand (vgl. Abb. 8, rechts). Zufolge der heterogenen, teils extrem lückenhaften
Verteilung der Profile und der rudimentären Schilf-Seerand-Messungen konnten jedoch
keine Oberflächenmodelle für den Schilfgürtel generiert werden (s.o.). Im Gegensatz da-
zu war es beim Aufbau des Rastermodells entlang der Schilf-See-Randzone mit Stand
1996 durchaus möglich, auf einigermaßen regelmäßig angeordnete Profile und in Folge
auf eine mit diesen Profilen verbundene Transitionszone (in Form eines linear durchgän-
gigen schmalen Korridors) Bezug zu nehmen, wodurch eine Interpolation der spezifi-
schen Höhenlagen des Sediments auch in den nicht durch Messung in-situ erfassten Rand-
Bereichen möglich war. In concreto ist aus diesem Grund die Darstellung der seeseitigen
Wall-Verläufe am Schilfrand mehr oder weniger eindeutig erkennbar (Abb. 54 bis Abb. 70,
insbesonders Abb. 64 bis Abb. 70, jeweils Sediment-Oberkante für den Stand 1996).
Gleichwohl zeigen die aus dem schütteren Datenbestand der Schilfmessungen mit Stand
2014 extrahierten Pseudo-Profile durchaus ähnliche Verlaufmuster im seeseitigen
Schilfrandbereich, die trotz der extrem geringen Messpunktdichte auf das unverändert
vorhandene, jedoch nur vordergründig und somit nicht durch Verifikation der Messwerte
gestützte Phänomen der Sedimentwallbildung hindeuten. Verschiebungen der Wallkan-
ten in Richtung Schilf-Offenwasser-Grenze sind teils auffallend, können jedoch zufolge
der unsicheren Zuordnung der Profilverläufe 1996 (direkt aus dem homogenen Raster-
modell generiert) und 2014 (durch Stückelung von nicht exakt mit dem linearen Profilver-
lauf übereinstimmenden Pseudo-Profil-Messungen aus den originären Messdatenreihen
im Schilfbereich) nicht unmittelbar verglichen werden. Zudem sind teils ablesbare Shifts
von 50 m Lateralverschiebung seewärts (z.B. Abb. 52, Abb. 60, Abb. 64) nicht von Feh-
lereinflüssen der Passgenauigkeit der Profilverläufe (s.o.) zu trennen und können dem-
gemäß nicht als Beweis für eine reale Tendenz der Wallverschiebung seewärts gedeutet
werden.
Die Schichtung des Sediments in den Schilfbereichen ist extrem heterogen, da es sich um
eine Verbindung von unterschiedlich dichten, teils auch invers gelagerten (Hohlräume
zufolge heterogener Volumina von Rhizom-Zwischenlagen) kleinräumigen Sedimentvari-
ationen und Rhizomstrukturen handelt, die je nach Alter und Vitalität der Schilfbestände
sehr unterschiedlich sein können. Es ist unsicher, ob es mit der in diesen Bodenprofilen
nur vordergründig homogenen bodenphysikalischen Messanordnung (CSPS) gelingt, die-
se Dichte-Heterogenitäten in einer annähernd kontinuierlichen und damit vergleichbaren
Form zu durchdringen. Um diese Diskontinuitäten exakter erfassen zu können, bedürfte
es eines selektiven Samplings von Bohrkernen, um eine genauere Kenntnis der Beziehun-
gen zwischen Schilfdichte und Schilf-Alter sowie Vitalität und korrelierter Rhizom-Struktur
zu charakteristischen Vertikalprofil-Schichtungen und somit zu eventuell struktursignifi-
kanten Diskontinuitäten zu gewinnen. Derartige Messungen konnten naheliegenderweise
aus Gründen limitierter Zeit- und Budget-Ressourcen nicht durchgeführt werden.
Für die in folgender Übersichtskarte (Abb. 14) dargestellten, an lineare Profilverläufe an-
genäherten Lagen wurden auf Grundlage der vom Profilverlauf mehr oder weniger ab-
weichenden Messpunkt-Folgen entsprechende Pseudo-Profile extrahiert und im Vergleich
mit den aus den historischen Oberflächenmodellen (entlang der idealisierten Verläufe)
interpolierten Profilen sowohl für die Schlammoberfläche als auch für die Oberfläche des
„festen Untergrundes“ dargestellt (siehe Abb. 52 bis Abb. 83 im Anhang, Kap. 7.2.2)
Eine überblicksartig kritische Betrachtung der geplotteten Profilverläufe sowohl für die
Bezugsebene der Sediment-Oberkante als auch der Oberfläche des „festen Untergrun-
des“ (Boden) enthüllt den limitierenden Faktor der bereits angesprochenen stark redu-
zierten Messpunkt-Dichte, die aus den unregelmäßig angeordneten Mess-Fahrten mit
einem Raupenfahrzeug von der landseitigen Schilfgrenze in Richtung offene Seefläche
folgt.
Die Pseudo-Profile im nordwestlichen Schilfgürtel zeigen alles in allem eine a priori uner-
wartete Systematik betreffs Absenkung (vgl. die Verhältnisse im offenen See), die nur in
den Profillagen J613, J615 und J617 (Bereich Purbach bis Bereich Wulkamündung, Abb. 64,
Abb. 66 & Abb. 68) durch konstante Verhältnisse konterkariert werden. Die Gründe könn-
ten in der differenten Konsistenz der Vertikalprofile (mit einer geringeren Eindringtiefe
der CSPS-Messungen verglichen zu den nord- und südwärts liegenden Profilen) liegen. Es
könnte angenommen werden, dass die Mechanisierung der Messungen mittels CSPS
wohl im „homogenen“ Kontext der Vertikalstrukturen im Sediment im Offenwasser-
Bereich, aber eben nicht im extrem heterogenen Kontext der Schilfflächen (diskontinuier-
liche Rhizom-Volumina, vgl. auch Kap. 3.5 Résumé) durchgehend funktioniert. Das Legen
der Sondierung im Schilfbereich im Zuge der historischen Messreihen (1985–1987 für den
österreichischen Teil des Seebeckens) war oft von einer Serie von detaillierten Versuchen
mit Abschätzung des erst-erkennbaren signifikanten Widerstandes verbunden, der durch
Die Kalibrierungsprobleme bestehen somit nicht nur zwischen den historischen Sonden-
Messungen 1987/1995 und den CSPS-Messungen, sondern auch zwischen diesen und den
am Schilf-Offenwasser-Rand seewärts anschließenden Ultrasounder-Messungen. In die-
sem Zusammenhang fehlen schlicht und einfach Richtwerte, die es ermöglichen könnten,
die Messverfahren (Sondierung vs. Ultrasounder/Schilfprofiling) aufeinander zu kalibrie-
ren. Referenzmessungen zur Kalibrierung von Bodensonden- und Ultrasounder-
Messungen haben zwar im relativ klar stratifizierbaren Sediment-Profil des offenen See-
beckens – und leider in zu geringem Ausmaß im kritischen Grenzbereich zum Schilfrand
hin – stattgefunden (blaue Profil-Stücke in Abb. 7), haben aber letztendlich zufolge der
ortsbezogen unterschiedlich heterogenen Layer-Schichtungen entlang der Schilf-See-
Grenze keine effizient umsetzbaren Erkenntnisse für eine flächendeckend wirksame Ka-
librierung der beiden Messverfahren entlang der kritischen Überlappungszone am Schilf-
See-Rand gebracht (vgl. die in einigen Pseudo-Profilen erkennbaren extremen Divergen-
zen, s.o.) (Abb. 15, für das Offenwasser-Sediment).
Um keinen falschen Eindruck zu erwecken, soll jedoch betont werden, dass es nicht op-
portun ist, nunmehr anzunehmen, die CSPS-Messungen wären „falsch“. Sie sind vielmehr
aus Sicht der angewendeten Messmethodik durchaus „richtig“! Ob die gemessenen Wer-
te mit der heterogen strukturierten Realität im Schilf-Sediment-Layer koinzidieren, ist
eine andere, gleichwohl auch nicht eindeutig positiv oder negativ beantwortbare Frage.
Fest steht, dass sich die beiden Mess-Ansätze für die Schilf-Profilierungen grundlegend
voneinander unterscheiden und dass damit auch die Frage im Raum steht, wie die Was-
ser-Sediment-Grenzfläche im Schilfgürtel zu definieren ist – rein boden-physikalisch als
Grenzlinie gemäß einer Konstante (Wasser-Sediment-Konzentration entlang der fluid-
mud-surface) oder empirisch-mechanisch als variabler Wert je nach empirisch interpretier-
tem ersten signifikanten Widerstand beim Sondieren. Konsequenterweise muss dann
auch die Frage gestellt werden, welche der beiden Bezugsflächen für die Beschreibung
der im Schilfgürtel relevanten Verlandungs- oder Eintiefungs(?)-Prozesse repräsentativ ist!
Die fiktive Grenzfläche zwischen (für die Sondierungen) „durchlässigem“ und „undurch-
lässigem“ Layer wurde entweder mit Sonde durch mechanisch-empirische Druckanwen-
dung und subsequentes Registrieren der Tiefe der Grenzschicht des „undurchlässigen
Layer“ (historisch) oder aktuell (GeNeSee) ebenso durch mechanische Sondierung, aber
diesmal mit Festlegung der Tiefe der Grenzschicht durch Definition eines Schwellwertes
einer bodenphysikalischen Sensor-Messung (first peak of penetration resistance, vgl. Abb.
12) bestimmt. Der Verlauf der penetration resistance zeigt recht deutlich, wie unsicher die
Festlegung einer „richtigen“ Position der Grenzschicht ist, noch dazu, wenn angenom-
men wird, dass die durchwegs fließenden und nur teils durch diffuse Sprünge in der re-
sistance bestimmbaren Schichtungen über das gesamte Seebecken mehr oder weniger
variieren!
80–Abb. 81, Abb. 82–Abb. 83) ausgewiesen. Wie sich mud-solid-Grenzlayer im Schilfgürtel
bei langdauernden Trockenphasen verhalten, wäre konsequenterweise ebenfalls zu un-
tersuchen. Im Falle von nachweisbaren Komprimierungseffekten wäre das „Absinken“
der Bodenreferenz-Flächen (vgl. E_623, J_617, Abb. 55, Abb. 69 und die Profilsequenzen
im zentralen Schilfgürtel, Abb. 73, Abb. 75, Abb. 77, Abb. 79) nachvollziehbar. All diese
Effekte haben (auch) eine ausgewiesene raumbezogene Variation und daher können nur
detaillierte Recherchen unter Berücksichtigung von Schwankungen der Struktur der Ver-
tikal-Profile der Sediment-Layer über das gesamte Schilf-Seebecken Einsichten bringen.
Eine systematische raumbezogene Analyse der Dynamik und Modulation des Trockenfal-
lens des Schilfgürtels sowohl im saisonalen als auch jährlichen Kontext verbunden mit
einem stratified sampling von Bohrkernen und kalibrierten Bodensondierungen tut not!
Um aus den Ergebnissen der Pseudo-Profil-Generierung Aussagen zur Dynamik der weite-
ren Ausbildung von Wallstrukturen im Absetzbereich von seeseitig eindriftendem Sedi-
ment entlang eines Schilf-Streifens unmittelbar im Bereich entlang des Schilf-See-
Grenzverlaufes treffen zu können, sollen nochmals exemplarisch für die in REBEN bear-
beiteten Projektgebiete (Mörbisch, Illmitz, Wulkamündung) als Vergleichsbasis die rele-
vanten Profil-Lagen aus dem historischen Datensatz 1987/1996 in Erinnerung gerufen
werden (Csaplovics et al. (1997) p. 36, Tab. 3.7, vgl. auch Abb. 13):
P12 Mörbisch: Höhe Wall – 115,47 m, Wall-Höhe (vs. landseitiger Schilfgürtel) – 0,07 m,
Schlammtiefe auf Wallkrone – 1,52 m
P13 Mörbisch: Höhe Wall – 115,36 m, Wall-Höhe (vs. landseitiger Schilfgürtel) – 0,29 m,
Schlammtiefe auf Wallkrone – 1,53 m
P12 Illmitz: Höhe Wall – 115,22 m, Wall-Höhe (vs. landseitiger Schilfgürtel) – 0,00 m,
Schlammtiefe auf hypothetischer Wallkrone – 0,88 m
P13 Illmitz: Höhe Wall – 115,36 m, Wall-Höhe (vs. landseitiger Schilfgürtel) – 0,01 m,
Schlammtiefe auf hypothetischer Wallkrone – 1,08 m
In jedem Fall ist zu erkennen, dass die historische Inventur auf Höhe Illmitz keine nen-
nenswerte Wallbildung dokumentiert (Profile P12, P13). Leider liegen für diesen Bereich
keine aktuellen Schilf-Sediment-Messungen, wohl aber einige am Schilf-See-Rand mit Zille
abgesetzte Messungen vor, die jedoch rudimentär und nur in einem horizontalen Mess-
bereich von 3–4 m mehr oder weniger vertikal auf den Verlauf des Schilf-Offensee-Randes
abgesetzt worden waren. Ein Blick auf die dokumentierten Höhenwerte für die jeweils 2–
3 gemessenen Punkte zeigt generell den üblichen Trend zu einem absenkenden shift der
Messwerte um ca. 30–40 cm für die Sediment-Oberfläche und für die mud-solid-Grenz-
fläche mit Stand 2014, z.B. im Bereich des Profilverlaufes P 12, Abb. 44 mit folgenden Wer-
ten für den in der Nähe des Profilschnitts mit der Schilf-See-Grenze liegenden Messpunkt
(2014) B029:
Die am ostseitigen Rand des Beckenbereichs im offenen See manifeste „Anlandung“ ge-
mäß aus Ultrasounder-Profilen interpolierten Werten für den Stand 2014 (ca. 20 cm höher
als mit Stand 1987/1996, Abb. 44) steht somit im Gegensatz zu den per Bodensondierung
mit Zille extrahierten Messungen, die um ähnliche Werte tiefer liegen als die historischen
Vergleichswerte.
Im allgemeinen muss betont werden, dass der horizontale Messbereich der Bodenson-
den-Messungen in GeNeSee (3–4 m) viel zu gering ist, um sinnvoll zu interpretierende
Aussagen über Wallbildungen am Schilf-See-Rand zu gestatten – gleichwohl könnte bei
Annahme einer intrinsisch ausgleichenden Mess-Genauigkeit im Falle von Differenzmes-
sungen eine Interpretation der oben angeführten Beispielwerte (Abfall der Höhe der
Schlammoberfläche von 114,80 m am unmittelbaren Seerand auf 114,69 m ca. 3 m „land-
einwärts“) eine „Wallbildung“ mit Δh = 0.11 m belegen. Ähnliches gilt für vergleichbar
singuläre Mess-Anordnungen im westlichen Schilf-See-Randbereich im Umfeld der Lage
von Profil P12. Der nicht weit entfernt liegende Messpunkt N003 (2014) belegt bei ähnlich
absenkendem shift der diskreten Höhenwerte von 30–40 cm im Vergleich zum histori-
schen Werteprofil eine Wallbildung mit Δh = 0,27 m (im Vergleich der historische Wert
Δhhist = 0,07 m). Die in Folge beispielhaft angeführten Mess-Punkte koinzidieren mit Lagen
in den und um die im Projekt REBEN en détail untersuchten Gebiete nördlich der Seebäder
von Mörbisch und Illmitz. Ein überblicksartiger Survey der entsprechend nutzbaren Schilf-
See-Rand-Messpunkt-Paare respektive -Triplets in Bezug auf die Ausbildung von Höhen-
differenzen mit Tendenz zur Wallbildung ergibt folgendes – gleichwohl wie oben ange-
führt mit entsprechender Vorsicht zu interpretierendes – Verteilungsmuster eventueller
Wallhöhen mit Stand 2014 (Abb. 16).
Westufer (Rust-Mörbisch)
M006: Δh=0,23 m
N004: Δh=0,00 m
N003: Δh=0,27 m
N002: Δh=0,27 m
B003: Δh=0,00 m
B002: Δh=0,17 m
B029: Δh=0,11 m
B014: Δh=0,09 m
B015: Δh=0,00m
Ein genauer Blick auf die relevanten Ost-Abschnitte der historischen Profile 12 und 13
(Abb. 44 und Abb. 45) zeigt im Inneren des Schilfgürtels stagnierende bzw. im Falle von
P12 kontinuierlich ansteigende Höhenwerte, die 250 m vom Schilf-See-Rand landwärts
bereits um +11 cm auf 115,33 m und weitere 250 m landeinwärts auf 115,43 cm ansteigen,
und dann bis zum Rand des Seedammes marginal auf 115,41 m abfallen.
Für die Situation im Umfeld des REBEN-Projektgebietes Wulkamündung kann ein Ver-
gleich mit den „Pseudo-Profilen“ J615 und J617 (Abb. 66 & Abb. 68), die ein klein wenig
nördlich der Einmündung des „alten“ Wulka-Kanals liegen (somit fast mit den Lagen der
hydrologischen Messpunkte WU1–3 koinzidieren), versucht werden. Es zeigt sich, dass
dort historische Wallhöhen von ca. 25 cm und aktuelle Wallhöhen von ca. 40 cm (J615,
Abb. 66) respektive historische Wallhöhen von mehr als 40 cm und aktuelle Wallhöhen
von nahe 50 cm (J617, Abb. 68) angenommen werden können.
Abgesehen von den lokalen Schwankungen der Wall-Bildung, die schon in den histori-
schen Oberflächenmodellen dokumentiert sind (max. Wallhöhen in den Bereichen Pur-
bach-Breitenbrunn, Wulkamündung-Oggau und Mörbisch-Kroisbach sowie kaum nennens-
werte Wallformationen am Ostufer – max. 10–15 cm im Bereich Podersdorf-Höll und Ill-
mitzer Schilfinsel), kann an den Fallbeispielen Wulka-Mündung (s.o, J615, J617) erkannt
werden, dass – bei allen Zweifeln an der Vergleichbarkeit der Messmethoden – auch in
diesem Fall eine intrinsisch mehr oder weniger korrekte Relativmessung von Höhendiffe-
renzen auf eine Tendenz zunehmender Wallausbildung hindeutet.
Naturgemäß ist es jammerschade, dass aus bereits angesprochenen Gründen keine aktu-
ellen Schilf-Profil-Messreihen für die hot spots zwischen Rust und Mörbisch und auch für
die aktuell zu bestimmende Situation am Ostufer von Podersdorf-Höll südwärts zur Ver-
fügung stehen.
Profil E609 (zwischen Neusiedl und Weiden): Höhe Wall historisch – 0,10 m, Höhe
Wall rezent – 0,50 m
Profil E623 (Lage wie oben, näher zu Weiden-Seepark): Höhe Wall historisch –
0,00 m, Höhe Wall rezent – 0,15 m
Profil F632 (zwischen Neusiedl und Jois): Höhe Wall historisch – 0,00 m, Höhe Wall
rezent – 0,00 m
Profil G601 (nördlich Winden-Seedamm): Höhe Wall historisch – 0,00 m, Höhe Wall
rezent – 0,50 m (?)
Profil H606 (Winden-Seedamm): Höhe Wall historisch – 0,00 m, Höhe Wall rezent –
0,10 m
Profil J613 (Lage s.o., näher zu Purbach-Seedamm): Höhe Wall historisch – 0,20 m,
Höhe Wall rezent – 0,00 m
Pendant Profil P4 (historisch) (Lage s,o,, Nähe Purbach-Seedamm): Höhe Wall histo-
risch – 0,42m
Profil J615 (Purbach – nördlich Wulkakanal): Höhe Wall historisch – 0,30 m (400 m
landwärts –0,60 cm), Höhe Wall rezent – 0,40 m
Profil J617 (Lage wie oben, leicht südlich versetzt): Höhe Wall historisch – 0,50 m,
Höhe Wall rezent – 0,50 m
Pendant Profil P6 (historisch) (Lage wie oben): Höhe Wall historisch – 0,03 m
Abschließend soll in Erinnerung gerufen werden, dass die Interpolation des Rastermodel-
les aufgrund der verwendeten Algorithmen generell zu einem smoothing der Relief-
energie (gemindert durch die Einführung von Bruch- und Formlinien) und damit zu lokal
entsprechend eingeschränkt interpretierbaren Outputs führt. Es ist andererseits evident,
dass dem Projektziel entsprechend, das gesamte Seebecken zu erfassen, auf sub-
regionaler Ebene sehr genaue flächendeckende Ergebnisse erzielt werden, die jedoch für
lokale Fragestellungen auf Grundlage verdichtender Mess-Reihen und lokal applizierter
Interpolationsstrategien adaptiert werden müssten – a priori ein Dilemma, a posteriori ein
auf Grundlage ergänzender/adaptierter Inputs lösbares Problem.
3.5 Résumé
Résumé
Alles in allem zeigen die Profilfolgen in Bezug auf die bitemporale Zeitreihe der histori-
schen Querprofilverläufe und des Verlaufes des Längsprofils entlang der Tiefenlinie mit
Stand 1996 für das Seebecken im Offenwasserbereich wertvolle Überblicks-, aber auch in
vielen Fällen Detail-Information, die näherer holistischer Betrachtung bedarf. Die für die
jeweiligen Profile des „festen Untergrundes“ repräsentativen Verläufe liegen auf Grund-
lage der aus den jeweiligen Oberflächenmodellen interpolierten Datenserien vor, wurden
jedoch diesem Bericht nicht beigefügt, da dieser Themenbereich (Seemodelle des Offen-
wasserbereiches) nicht unmittelbarer Inhalt des gegenständlichen Projektes REBEN und
somit auch nicht dieses Berichtes ist. Gleichwohl soll der Blick auf die beigefügten rele-
vanten bitemporalen Profil-Vergleiche der Schlammoberfläche diesen ergänzenden As-
pekt zumindest andeuten. Überblicksartige Analysen der für die im Bereich des offenen
Sees an den seeseitigen Schilfrand-Zonen dargestellten Boden-Daten aus Echolot-
Messungen im Vergleich zu den historischen Verläufen zeigen, dass es auch in diesem Fall
zu teils systematischen (?) Messwert-Differenzen kommt, teils aber auch bemerkenswer-
te (und eventuell logische) Konstanz des Bodenprofils im offenen See über den betrach-
teten Zeitraum von fast 30 Jahren (für die Daten des österreichischen Seeteiles, 1985–
1987 vs. 2012–2014) besteht (Abb. 53, Abb. 61, Abb. 63, Abb. 65 (Differenz) vs. Abb. 55,
Abb. 57 und Abb. 67 (Konstanz)).
Die Eintiefung kann im offenen See naturgemäß auch auf unterschiedlichen Parametern
der Grenzflächenbestimmung beruhen. Die durch Ultrasounding erfassbaren Grenzflä-
chen sind teils schwer bestimmbar und in jedem Fall mit Sicherheit ebenfalls keine schar-
fen Grenzlinien, sondern Übergangsintervalle, die durch das Signal nach lokal differenten
Parametern von Dichte, Körnung und Struktur interpoliert werden (Abb. 11), wohingegen
die historische Sondierung mit Mess-Stangen und Schlammteller eine zwar vordergründig
subjektive, gleichwohl durch empirisch wirkende Erfahrungswerte relativ homogene
Grenzflächenbestimmung (gleichwohl wieder in einem Schwankungsbereich von ±10 cm)
ermöglicht. Wie bereits erwähnt, ist bemerkenswert, dass es sich bei dem angesproche-
nen vertikalen Shift zwischen den historischen und aktuellen Messungen nicht um eine
durchgehende Konstante für alle Profilbereiche handelt, sondern durchaus Profilreihen
existieren, die diesen Shift nicht belegen (Profile 8-12, Profil 14, Mittelteil des Längsprofils,
Abb. 40–Abb. 44, Abb. 46, Abb. 51). Einerseits kann das wie ebenfalls bereits angemerkt
an unterschiedlichen Konsistenz-Parametern der Layer liegen (diffusere Grenzschichten
zwischen Sediment und Wasser im Norden und Süden und damit eine größere Eindring-
tiefe des Ultrasounding im Vergleich zur „mechanisch-empirischen“ Sondierung), ande-
rerseits wäre auch eine gewisse Dynamik der Eintiefung anzunehmen, und zwar vor allem
in jenen Bereichen, die durch andauernde Einwirkung von ausgeprägten Strömungsvek-
toren entlang der Sediment-Wasser-Grenzschicht geprägt sind. Die heterogene Proble-
matik wird zum Beispiel durch den Blick auf das atypische Profil 8 (Abb. 40) nochmals
einsichtig. Hier ist ein overall-Trend in Richtung Anstieg der Sedimentation im Gegensatz
zu den Eintiefungstendenzen nordwärts und der Zone relativer Stabilität südwärts fest-
zustellen. Ein Blick en passant auf das charakteristische klassische Strömungsbild für prä-
valente Nordwest-Wind-Richtung zeigt, dass dieses Profil exakt in der Übergangszone
diverser konträr wirkender Strömungssysteme liegt (zirkular im Bereich Podersdorf-Höll
und in Seemitte auf der Höhe Oggau, nordwärts gerichtete Vektoren entlang der westli-
chen Schilf-Wasser-Grenze auf Höhe Oggau und südwärts gerichtete Vektoren auf der
gegenüberliegenden ostwärtigen Seite auf Höhe Höll-Illmitz). Dort läge also der einzige
Bereich mit positivem Vertikalgradienten (Höhenzuwachs, Sediment-Auflandung) im ge-
samten Seebecken im Bereich des offenen Sees.
Die Tiefe der Seewanne ist im Bereich zwischen Rust und Mörbisch maximal – explizit in
Profil 12, das in Höhe Biologische Station in West-Ost-Richtung verläuft, mit einem (min-
malen) Höhenwert von 112,96 m für den festen Untergrund und 113,62 m für die Sedi-
mentoberfläche im historischen sowie 113,85 m für die Sedimentoberfläche im aktuellen
(2014) Profilverlauf (Abb. 44). Einerseits liegen in diesem Bereich wie erwähnt die tiefsten
Stellen der Seewanne, andererseits aber auch die Maxima der Sediment-Mächtigkeit mit
einem historischen Wert von tmax = 0,88 m (Profil 12, nur überboten von Profil 14 mit
tmax = 0,95 m) (Csaplovics et al. (1997) p. 38, Tab. 3.9). Erwähnenswert ist wohl auch, dass
in diesem Bereich im Längsprofil (das entlang der Tiefenlinie der Seewanne verläuft, Abb.
51) für den Stand 1987/1996 im Vergleich zur Situation für 2014 ein Sediment-Plateau do-
kumentiert ist, und zwar exakt im Umfeld des Profils 13, also in etwa im Bereich zwischen
Mörbischer Schilfinsel – Seedamm Illmitz/Seedamm Biologische Station. Somit könnte
zumindest angenommen werden, dass in diesem Gebiet in den letzten 20–30 Jahren sig-
nifikanter Abtrag/ Verfrachtung von Sediment stattgefunden hat.
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass eine Mélange aus teils gegensätzlich,
teils gleichgerichtet wirkenden Inhomogenitäten zufolge diametral unterschiedlicher
Mess-Ansätze und gewisser divergenter Trends in situ, deren Fehlereinflüsse wegen feh-
lender komparativ-kalibrierender Referenz-Messungen und Sediment-Profil-Analysen
(deep freeze cores) kaum zu trennen sind, die Reliabilität konkreter Aussagen zur Sedi-
mentdynamik sowohl im Schilf- als auch im offenen See entscheidend beeinträchtigt.
Ein Blick auf die Seevermessungen 1901/1902 (Fertő-Kommission, Szontagh (1902)) und
1963/1967 (Kopf 1964; Kováts 1982) in Bezug auf das „historische“ Seebodenmodell
1987/1996 zeigt gleichwohl eindeutig positive Sedimentationsgradienten im Sinne einer
Auflandung. Die Bereiche tiefer 114,00 m im zentralen Seebecken sind kleiner geworden
(Csaplovics et al. (1997), p. 42, Abb. 3.14) und die Gesamt-Flächenbilanz 1963/67 versus
1987/1995 (ibidem, p. 44, Abb. 3.17) shiftet in Richtung Sedimentation vor allem (nahelie-
genderweise) in den wachsenden Schilfarealen (Aufhöhung des seerand-seitigen Schilf-
Sediment-Sockels von 115,00 m (1963/67) auf 115,40 m (1996)). Die offensichtlichen nega-
tiven Trends der Sedimentation in den „Pseudo-Profilen“ im Schilf-Bereich widersprechen
diesen bis Stand 1996 dokumentierten Entwicklungen.
Die im Rahmen dieser Studie akribisch aus dem Originaldatenbestand der Schilfmessun-
gen der Messkampagnen 2012–2014 angenäherten Pseudo-Profil-Verläufe – die zufolge
der nur eingeschränkt durchgeführten Mess-Fahrten nur für einen begrenzten Bereich
des nord-westlichen Schilfgürtels vorliegen – und deren Gegenüberstellung mit den aus
dem historischen Rastermodell-Datenbestand, der auf den historischen Messungen der
Jahre 1985–1987 (österreichischer Seeteil, s.o.) beruht, interpolierten Vergleichsprofilen
erlaubt naheliegenderweise nur bedingt fundierte Analysen, die vor allem einen in den
meisten Fällen um einige Dezimeter tiefer liegenden Verlauf der Sediment-Oberfläche
(und teils auch der Oberfläche des „festen Untergrundes“) zeigen (Abb. 52–Abb. 83).
Rhizomstrukturbedingte Inhomogenitäten, die sowohl flächig als auch raumbezogen ma-
nifest sind und damit verbundene sediment-spezifische Inhomogenitäten in den Schilf-
Bodenprofilen scheinen die bodenphysikalischen, auf Penetrometer-Messungen mit
„starren“ Schwellwert-Niveaus beruhenden Messverfahren an die Grenzen ihres Leis-
tungspotentials zu bringen. Resultierende, oft singulär auftretende Diskontinuitäten in
den aus der sehr schütteren Messpunkt-Verteilung der Originaldaten extrahierten Pseu-
do-Profilen an noch dazu außergewöhnlichen Mess-Positionen an der Land- oder Offen-
wasser-Grenzlinie (dort durch teils ausgeprägte Diskrepanzen zu den aus Ultrasounder-
Messungen generierten Oberflächenmodellen respektive den auf dieser Grundlage inter-
polierten Profilverläufen dokumentiert, z.B. Abb. 61 & Abb. 63) scheinen diese Indisponi-
bilitäten zu untermauern.
Es ist in der Tat angesichts der nicht unerheblichen Unabwägbarkeiten der Ergebnisse aus
wissenschaftlicher Sicht nicht opportun, von Tendenzen der „Verlandung" oder „Absen-
kung“ des Sedimentniveaus im Schilfgürtel im Zeitraum 1987/1996 bis 2014 zu sprechen.
Die sprichwörtlich in der „Luft hängenden“ Schilf-Messreihen aus dem Projekt GeNeSee
sind nicht eindeutig einordbar und es muss demgemäß nolens volens festgestellt werden,
dass eine allgemein gültige Aussage/Prognose auf Grundlage dieser heterogenen (dispa-
raten) Ausgangslage nicht möglich ist, wobei jedoch andererseits durchaus relevante In-
Im Einklang mit den in der Strategiestudie 2014 formulierten Zielen für ein ernstzuneh-
mendes raumbezogenes 4D-Monitoring (Flächen, Volumina, Zeit) von Dynamismen des
Schilfwachstums und der Veränderungen der Schilfstrukturen sowie der Dynamismen der
Sedimentablagerung und -abtragung in den Offenwasser- und Schilf-Bereichen des Be-
ckens des Neusiedler Sees ist auch für die vorliegenden Themenschwerpunkte eine vo-
rausblickende Abstimmung und Homogenisierung der Methoden der Datenaufnahme
und der Datenanalyse sowohl strukturbezogen (Schilfgürtel versus Offenwasser-Bereich)
als auch zeitreihenbezogen (Vergleichbarkeit der Ergebnisse) und die grenzüberschrei-
tende Dimension betreffend (Harmonisierung der Methoden bei Datenaufnahme in ei-
nem grenzüberschreitenden „Guss“) das unveränderte Ziel zukünftiger einschlägiger Ini-
tiativen (Csaplovics et al. 2014b).
3.6 Danksagung
Acknowledgement
Sowohl die Reaktivierung der am Department für Geodäsie und Geoinformation der TU
Wien in der Abteilung Photogrammetrie archivierten Geländemodell-Datensätze der his-
torischen Aufnahmen 1989/1995 und der letztaktuellen Aufnahmen 1994 als auch die In-
terpolation der spezifischen Profilfolgen wurden dankenswerterweise unter der Ägide
von Prof.Dr.Norbert Pfeifer von Dipl.Ing.Christian Eberhöfer und Dipl.Ing.Bruno Wöhrer
bewerkstelligt. Die im Bereich des Schilfgürtels im Rahmen des Projektes GeNeSee erfass-
ten Messdaten hat Dipl.Ing.Gerhard Kubu (Institut für Meteorologie, Universität für Bo-
denkultur Wien) bereitgestellt. Dr.Ing. Jana Schmid (Department Geowissenschaften, TU
Dresden) hat die Profilreihen bearbeitet und als Vektorgraphik visualisiert. Dank an alle
Beteiligten für die in jedem Fall zeitintensive und umso hilfreichere Kooperation!
Die Vermessungen wurden mittels Kombination aus rtkGNSS (HiperST von Topcon) und
Einzelstrahlecholot (Ea400 von Kongsberg mit 200kHZ) von einem Schlauchboot aus
durchgeführt.
4.2 Ergebnisse
Results
Die Ergebnisse dieser Vermessung wurden direkt in der hydraulischen Modellierung (Be-
richt 1) weiterverarbeitet und werden hier nicht näher dargestellt. Die folgenden Abbil-
dungen (Abb. 17 bis Abb. 19) zeigen die Lage der Messspur (GPS-Track) in den drei Testge-
bieten.
5.1 Einleitung
Introduction
Die Schilf- und Sedimentbewirtschaftung umfasst ein weites Feld unterschiedlicher anth-
ropogener Eingriffe im Schilfgürtel, in größeren Buchten, aber auch Hafenanlagen. Allen
gemeinsam ist der Zweck der wirtschaftlichen Nutzung oder der Nutzbarmachung für
menschliche Aktivitäten. Unter dieser Klammer werden die verschiedenen Bewirtschaf-
tungsformen in diesem Bericht zusammengefasst, auch wenn sie nicht unmittelbar zu-
sammenhängen.
- Schilfschnitt
- Brandmanagement
- Ertüchtigung von Schilfkanälen
- Schlammbaggerungen
Generell wurden im Rahmen des Projekts REBEN keine eigenen Aufnahmen zu den ge-
nannten Bewirtschaftungsformen durchgeführt. Der Grund, warum sie dennoch im End-
bericht berücksichtigt werden, liegt darin, dass die Zusammenfassung des Status quo und
die Darstellung der aktuellen Nutzungen einen wesentlichen Ausgangspunkt für die Er-
stellung des Managementplans darstellen.
Das Schilf am Neusiedler See wird seit jeher von der ansässigen Bevölkerung genutzt und
wurde entweder als grünes Schilf Mitte Juni bis Ende Juli oder als trockene Schilfhalme im
Winter geerntet. Die Ernte des Grünschilfs erfolgt vom Land aus, in der Regel wenige
100 m in den Schilfgürtel hinein. Die Wintermahd wurde bei Fehlen einer ausreichend di-
cken Eisdecke vom Boot aus, sonst über Eis mit sog. Stoßschlitten durchgeführt. Heute
kommen eigene Schilfschneide-Maschinen zum Einsatz (Knoll 1986).
Genutzt wurde das Schilf teilweise als Einstreu in Ställen, auch als Futter für das Vieh,
teilweise als Baustoff und für die Dächer von Scheunen und Häusern. Das nicht genutzte
Schilf wurde in der Regel abgebrannt, oftmals im Frühjahr nach der Erntesaison, was
frühzeitig zu Konflikten mit dem Naturschutz führte.
Bis Mitte des 20. Jhdt.s nahm die Bedeutung der Bauindustrie als Abnehmer und damit als
Arbeitgeber in der Region zu. Mit der zunehmenden Erschließung anderer Materialien
sank jedoch die Nachfrage, sodass es in den 1960er Jahren zu einem regelrechten Ein-
bruch der Schilfbewirtschaftung am See kam. Der Niedergang setzte sich in den Folgejah-
ren fort, da auch zunehmend weniger Herden im Gebiet gehalten wurden, für die das
Schilf als Futter oder Einstreu genutzt hätte werden können. Als Baustoff wurde Schilf in
den letzten Jahren vor allem nach Holland, Deutschland, Dänemark und England expor-
tiert (Wimmer et al. 2012), die exportierten Mengen nahmen aber in den letzten Jahren
vor allem aufgrund zunehmender Billigkonkurrenz aus China deutlich ab (ORF Burgenland
2015). Zudem erschweren die zunehmend warmen Winter eine wirtschaftliche Ernte auf
größeren Flächen. Für die 1980er Jahre führt Knoll (1986) 7 Betriebe an, die mit der Ernte
und Weiterverarbeitung von Schilf beschäftigt waren. Nach Suske et al. (2011) gab es 2010
zehn Haupterwerbsbetriebe, die vom Schilfschnitt lebten, im Jahr 2012 sank die Anzahl
auf 2–3 Haupterwerbsbetriebe. Heute ist nur mehr 1 Unternehmen am Neusiedler See als
Schilferntebetrieb tätig (K. Maracek mündl. Mitt.).
In jüngerer Zeit wurden Bemühungen unternommen, das Schilf des Neusiedler See ver-
mehrt thermisch zu nutzen (H. Rojacz, mündl. Mitt.). Die Eignung und die Vermarktungs-
möglichkeiten wurden im Rahmen des Forschungsprojekts ENEREED an der FH Pinkafeld
untersucht. Im Vordergrund stand die Nutzung als Brennstoff in der Zementproduktion
und in Form von Schilfpellets für die häusliche Kleinkesselanlage (energie:bau 2012; ORF
Burgenland 2010). Ein Fernwärme-Projekt in der Gemeinde Neusiedl scheiterte jedoch am
Widerstand der Bevölkerung (K. Maracek, mündl. Mitt.).
Das Schilf wird derzeit zumeist mittels selbstfahrender Erntemaschinen geerntet, die oft
von den Unternehmen selbst entwickelt und gebaut wurden (z.B. Fa. Sumalowitsch,
Wimmer et al. (2012)). „An der Maschine erfolgt eine Vorreinigung (Blattentfernung), an-
schließend wird das Schilf in Bündeln auf der Ladefläche abgelegt, die anschließend zu
einem Großbund abgebunden werden. Im Lager erfolgt eine Sortierung des Schilfs, wobei
die dünnhalmigen Fraktionen zu Bünden von 60 cm abgelegt werden. Diese werden ex-
portiert und finden als Dachdeckschilf Anwendung. Halme mit größeren Durchmessern
werden zu Schilfrohrplatten verarbeitet. Krummhalmiges Schilf wird entweder zu Schilf-
häcksel weiterverarbeitet oder entsorgt“ (aus: Wimmer et al. (2012)).
Eine der zentralen Forderungen von Seiten des Naturschutzes ist die Entwicklung scho-
nender Erntemaschinen (Korner et al. 2014; Suske et al. 2011). Ein Projekt, das sich den
verschiedenen Optionen der Schilfernte widmet, ist derzeit in Fertigstellung.
5.2.3 Ernteflächen
Harvesting areas
Grundsätzlich erfolgt die Schilfmahd am Neusiedler See auf Grundlage einer Vereinbarung
zwischen den Ernte-Unternehmen und den Grundeigentümern, zudem nach zeitlichen
Vorgaben von Seiten des Naturschutzes.
Nach Aussagen des derzeit noch tätigen Ernteunternehmens wurden vor etwa 10 Jahren
von der potenziell nutzbaren Schilffläche auf österreichischer Seite (rund 100 km²) nur
mehr rund 9 km² geerntet. Als Zielvorstellung wurde in den Medien eine Schilfernte auf
einer Fläche von 30–50 km² kolportiert (ORF Burgenland 2010).
Die Erntemenge wird von Knoll (1986) für die 1980er Jahre mit 10.000 t pro Saison ange-
geben; in den 1960er Jahren lag die jährliche Erntemenge durchaus auch doppelt so hoch.
Nach Gunatilaka (1986) wurden in diesem Zeitraum rund 10% der Schilfflächen geerntet;
mehr wäre nicht wirtschaftlich gewesen. Die Menge wird vom Autor mit 15.000 t angege-
ben.
Eine aktuelle Übersicht über die jährlich geernteten Flächen geben Korner et al. (2014).
Die Daten beruhen auf Befliegungen und Auswertungen von Luftbildern. Nach diesen
Aufzeichnungen wurden auf österreichischer Seite im Zeitraum 2004/05 – 2012/13 rund
10–25% aller Schilfflächen (ca. 102 km²) geschnitten, somit rund 10–25 km2. Die Flächen, die
zumindest einmal innerhalb dieses Zeitraums geschnitten wurden, umfassten 41% oder
46 km² der gesamten Schilffläche im österreichischen Teil des Sees (Korner et al. 2014)
bzw. ca. 53% der Flächen (in Österreich) außerhalb des Nationalparks (Suske et al. 2011).
Bemerkenswert ist die Korrelation der jährlichen Schnittflächen mit dem Wasserstand.
Korner et al. (2014) stellten fest, dass es bei niedrigem Wasserstand zu einer massiven
Ausdehnung der Schnittflächen kommt. Die ungleiche Verteilung der Schnittflächen führt
dazu, dass bestimmte Flächen jährlich, andere überhaupt nie gemäht werden. Daher
kommt es an manchen Standorten zu einer markanten Überalterung der Schilfbestände
(>30 Jahre), die sich bereits negativ auf Bestandszahlen mancher Vogelarten auswirkt.
Auf ungarischer Seite wurde die Schilfernte in der Saison 2018/2019 vollständig eingestellt
(K. Maracek, mündl. Mitt.). Zur Praxis in den Jahren davor siehe Korner et al. (2014).
Pannonhalmi (1984) gibt die durchschnittliche Menge des auf ungarischem Gebiet in den
1970er und 1980er Jahren entnommenen Schilfs mit 13 846 t/a an.
Als eines der Hauptprobleme der Schilfernte wurde früh die flächige Zerstörung von Rhi-
zomen durch die schweren Erntemaschinen erkannt. Wird das Schilf im Winter sehr knapp
über dem Eis geschnitten und steigt der Wasserstand nach dem Auftauen stark an, so
kann Wasser in die Halme eindringen, das Schilf nachhaltig schädigen und letztlich flächig
zum Absterben bringen (Burian et al. 1986; Gunatilaka 1986).
Auch Korner et al. (2014) heben die Schäden durch die Schilfernte hervor, die teilweise auf
Jahrzehnte zurückliegende Eingriffe zurückgehen und langfristig zum Absterben von
Schilfbeständen führen. Die größeren offenen Wasserflächen im inneren Schilfgürtel be-
laufen sich derzeit (Stand 2014/2015) auf ca. 16% des gesamten Schilfgürtels auf österrei-
chische Seite. Csaplovics & Schmidt (2011b) belegen eine Zunahme der offenen Wasser-
flächen im Schilfgürtel, die mit diesem erntebedingten Schilfsterben in Zusammenhang
stehen könnten. Daneben gibt es aber auch Hinweise auf ein natürliches Absterben von
Schilfbeständen ohne menschliches Zutun (Korner et al. 2014).
Neben den unmittelbaren strukturellen Veränderungen und Schäden hat die Schilfernte
mit der derzeitigen Methode potenziell auch Auswirkungen auf die Nährstoffumsätze. Je
nach Rahmenbedingungen kann Schilfernte zu einem Austrag von Nährstoffen beitragen
oder aber eine verstärkte Mobilisierung von sedimentgebundenen Nährstoffen bewirken
(Gunatilaka 1986; Hu et al. 2010; Kiedrzyńska et al. 2008). Vymazal et al. (2010) beschrei-
ben auch eine Netto-Reduktion von Spurenelementen als Folge mehrmaliger Ernten in
einem Jahr. Am Neusiedler See sind vor allem die Studien von Gunatilaka (1985; 1986) von
Interesse. Der Autor wies auf das Problem einer Nährstoffverarmung im Falle eines inten-
sivierten Sommerschnitts des Schilfs hin.
5.3 Brandmanagement
Fire management
Früher wurde das Schilf am Neusiedler See regelmäßig von Schilfschneidern abgebrannt,
um im kommenden Jahr junges und damit qualitativ hochwertiges Schilf ernten zu kön-
nen (Knoll 1986). Diese Praxis wird seitens des Naturschutzes grundsätzlich begrüßt, da
mit einem kontrollierten Brandmanagement eine Reduktion von (aus ornithologischer
Sicht nicht gewünschtem) Altschilf erreicht werden kann (Csaplovics et al. 2014a; Korner
et al. 2014; Suske et al. 2011).
Den Interessen von Schilfschneidern und Naturschutz steht die Sorge um eine unkontrol-
lierte Ausbreitung des Feuers entgegen. In manchen Bereichen am Neusiedler See wur-
den breite Schneisen geschlagen, um das Risiko der Ausbreitung eines allfälligen Feuers
gering zu halten, so z.B. bei Rust im Bereich der sog. Romantikersiedlung in Form eines
ca. 20-30 m breiten Kanals. Auch in den aktuellen Planungen für die Umgestaltung des
Seebads Breitenbrunn gibt es entsprechende Überlegungen (K. Maracek, mündl. Mitt.).
Davon abgesehen führt ein Brand von Schilf zu einer erhöhten Feinstaubbelastung. Nicht
zuletzt aus diesen Gründen (siehe nachfolgender Abschnitt) wurde ein aktives Brandma-
nagement am Neusiedler See in den letzten 20 Jahren nicht mehr durchgeführt.
Dies wurde mit der Allgemeinen Naturschutzverordnung 1992 (LGBL Nr. 24/1992) konkre-
tisiert. Nach § 3 ist das Abbrennen von Wiesen, Böschungen und Feldrainen in der Zeit von
2. März bis 30. September sowie von Schilf- und Röhrichtbeständen in der Zeit von 2.
März bis 30. September verboten. Es besteht demnach nach dieser Verordnung kein ge-
nerelles Verbot des Abbrennens von Schilf.
Auf der Website des Landes Burgenland (Land Burgenland 2020) wird ergänzend festge-
halten:
§ 3 Abs 1: Sowohl das punktuelle als auch das flächenhafte Verbrennen von Materia-
lien außerhalb dafür bestimmter Anlagen ist verboten.
Neben für die ggst. Fragestellung nicht relevanten Ausnahmen in § 3 Abs 4 ermächtigt das
Bundesluftreinhaltegesetz in § 3 Abs 5 die Bezirksverwaltungsbehörde, „auf Antrag mit
Bescheid zeitliche und räumliche Ausnahmen vom Verbot gemäß § 3 Abs 1 für das Ver-
brennen von biogenen Materialien gemäß Abs 4 Z 1“ zuzulassen.
Einen größeren Brand am Neusiedler See gab es 2001 in der Ruster Bucht; er war durch
Blitzschlag ausgelöst worden (K. Maracek, mündl. Mitt.). Angaben zur Fläche liegen nicht
vor. Knoll (1986) führt für länger zurückliegende Brände aus den Jahren 1984 und 1985
Flächen von 12 bzw. 9 km² an. Laut Wikipedia kam es in der Vergangenheit vor allem in
Hinblick auf die Verjüngung des Schilfs zur besseren Nutzung bei der Ernte „immer wie-
der dazu, dass alte Schilfbestände gesetzeswidrig in Brand gesteckt wurden, um Flächen
für junges Schilf zu erhalten“ (Wikipedia 2020). Auch dazu fehlten konkrete Angaben und
Belege.
In jüngster Zeit (April 2020) brannte in der Gemeinde Illmitz ein 107 ha großes Areal. Der
Brand wurde mit Black-Hawk-Hubschraubern bekämpft, welche das Feuer mit knapp
300 000 Litern Löschwassern (aus dem See) eindämmen und löschen konnten (Abb. 23
bis Abb. 25).
Abb. 24. Schilfbrand im Bereich Illmitz im April 2020 (Fotos: © ORF Burgenland).
Figure 24. Reed fire in Illmitz in April 2020 (photos: © ORF Burgenland).
Abb. 25. Schilfbrand im Bereich Illmitz im April 2020 (Foto: © ORF Burgenland).
Figure 25. Reed fire in Illmitz in April 2020 (photo: © ORF Burgenland).
Die Arbeiten werden seit etlichen Jahren von der Fa. Pasteiner mittels eines speziellen
Schilfschneidegeräts, genannt „Amphicut“, durchgeführt. Das 35 t schwere Amphibien-
fahrzeug wurde auch tatsächlich in den 1980er Jahren zur Schilfernte konzipiert und ein-
gesetzt, dient mittlerweile aber ausschließlich zur Revitalisierung der Kanäle (ORF
Burgenland 2010). Dieser erfolgt im Rahmen der laufenden Instandhaltungsmaßnahmen
(K. Maracek, mündl. Mitt.).
Der Amphicut bewegt sich auf zwei Stahlrohren fort, an denen sich außenseitig Gewinde
befinden. Durch die Drehrichtung der beiden Schneckenwellen kann der Fahrer – ähnlich
wie bei einem Panzer mittels der Ketten – die Fahrtrichtung und das Tempo bestimmen.
Am Bug befindet sich die Fahrerkabine, im Bereich des Hecks wurde der Drehturm eines
Baggers montiert. Als Arbeitsmaschine ist das Tempo des Amphicut begrenzt: Auf offe-
ner Wasserfläche beträgt die Höchstgeschwindigkeit acht Stundenkilometer (ORF
Burgenland 2010).
Der Zeitraum der Kanalertüchtigungen ist auf die kalte Jahreszeit beschränkt (Oktober bis
Ende Februar), um Arbeiten im Schilfgebiet während der Brutzeit zu vermeiden (Vorgabe
seitens Naturschutz). An weiteren gesetzlichen Regelungen ist die Schiffverkehrsordnung
zu berücksichtigen.
Abb. 26. Der „Amphicut“ zur Ertüchtigung von Schilfkanälen. Fotos aus Anon. (2010) und ORF
Burgenland (2010).
Figure 26. The “Amphicut” for restoration of reed channels. Photos from Anon. (2010) and ORF Burgenland
(2010).
In einem Beitrag des ORF Burgenland vom 18.08.2010 wird seitens des früheren Seebe-
auftragten des Landes Burgenland die Gesamtlänge der jährlich freigelegten Kanäle mit 8
bis 12 km pro Jahr angegeben, somit rund 150 bis 170 km in den letzten Jahren (bis 2010).
Sie müssen alle fünf bis sieben Jahre erneut reaktiviert werden, da sie sonst zuwachsen
(Anon. 2010; ORF Burgenland 2010).
Tabelle 1 fasst die Angaben der seit 2004/2005 gebaggerten Schilfkanäle nach der Länge
und Anzahl an Teilstrecken zusammen (Datenquelle: Amt der Bgld. Landesregierung, Abt.
5). Demnach wurden seit der Wintersaison 2004/2005 über 230 km Schilfkanäle ertüch-
tigt. Im Mittel betrug die Länge der pro Jahr ausgebaggerten Kanäle 16,6 km. Die Arbei-
ten betrafen 255 Teilabschnitte, somit rund 18 pro Jahr. Abb. 27 zeigt die räumliche Vertei-
lung und das Ausmaß der Kanalertüchtigungen in den letzten 14 Jahren.
In der derzeitigen Form der Kanalertüchtigungen erfolgt die Ablagerung der ausgebag-
gerten Sedimente entlang der Kanäle in Form von Dämmen, welche keinen Wasseraus-
tausch zwischen dem Schilfkanal und allenfalls angrenzenden Wasserflächen ermögli-
chen. Im Gegensatz dazu wurde bei umfangreichen Kanalbaggerungen im ungarischen
Teil des Schilfgürtels versucht, durch regelmäßig Einschnitte in die Längsdämme einen
vermehrten Wasseraustausch zu ermöglichen. Eine ähnliche Vorgabe wurde zuletzt auch
mit dem österreichischen Baggerunternahmen vereinbart.
Andere Optionen wie eine gleichmäßige Verteilung der entnommenen Sedimente über
eine größere Fläche wurden diskutiert, aber nach aktuellem Wissensstand bislang nicht
umgesetzt. Eine Deposition im Schilfgürtel erfolgte bislang nur in einem Fall (Gemeinde
Podersdorf). Eine vollständige Entnahme aus dem See und eine Deposition in Flächen
außerhalb des Seebeckens ist aus finanziellen Gründen bislang nicht verfolgt worden
(Karl. Maracek, pers. Mitt.).
Tabelle 1. Länge der ertüchtigten Schilfkanäle und Anzahl der betroffenen Teilstrecken seit der
Wintersaison 2004/2005.
Table 1. Length of restored reed channels and number of sections since the winter 2004/2005.
Jahr Gesamtlänge [km] Teilstrecken
2004/2005 22,5 28
2005/2006 18,8 14
2006/2007 24,0 28
2007/2008 11,1 18
2008/2009 4,4 3
2009/2010 20,5 34
2010/2011 14,8 19
2011/2012 40,3 34
2013/2014 26,1 28
2014/2015 4,9 6
2015/2016 32,2 28
2016/2017 3,3 3
2017/2018 6,9 6
2018/2019 2,9 6
Summe 232,6 255
Abb. 27. Kanalertüchtigungen im österreichischen Teil des Schilfgürtels des Neusiedler Sees in
den Saisonen 2004/2005 bis 2018/2019. Datenquelle: Amt der Bgld. Landesregierung.
Figure 27. Restoration of reed channels in the Austrian part of the reed belt of Lake Neusiedl during the seasons
2004/2005 to 2018/2019. Data source: Office of the Provincial Government of Burgenland.
5.5 Schlammbaggerungen
Sediment dredging
5.5.1 Datenquelle
Data source
Die Daten enthalten alle Schlammbaggerungen der letzten 15 Jahre und wurden anhand
der im Wasserbuch aufliegenden wasserrechtlichen Bewilligungsbescheide erhoben.
Nicht bewilligte Schlammbaggerungen sind daher nicht berücksichtigt. Es liegen Daten
aus den Gemeinden Mörbisch, Rust, Breitenbrunn, Jois, Neusiedl, Weiden und Podersdorf
vor. Keine Angaben zu Baggerungen gibt es aus Oggau, Schützen/Geb., Purbach, Illmitz
und Apetlon, allerdings ist anzunehmen, dass aus diesen Gemeinden lediglich keine An-
gaben ins Wasserbuch aufgenommen wurden. Auf der Website der Firma Böhm wird bei-
spielsweise als Referenz eine Baggerung aus Illmitz angeführt (Böhm Transporte 2020).
Die Auflistung der Baggerungen ist nach Gemeinde aufgeschlüsselt und beinhaltet Anga-
ben zu Zeitraum (1–3 Jahre), die Grundstücksnummer, die Zahl des wasserrechtlichen Be-
scheids, das Bescheiddatum und die entnommene Schlammmenge.
Die für die ggst. Arbeit interessanteste Angabe ist jene zum entnommenen Schlammvo-
lumen (als Nassvolumen in m³), wobei diese Angabe nur in 16 der insgesamt 28 Angaben
vorliegt. Von den 14 verbliebenen Datensätzen ist teilweise die bearbeitete Fläche ange-
geben, teilweise das Volumen in Trockensubstanz, in fünf Fällen fehlt jegliche Angabe.
Zur Abschätzung der gesamten entnommenen Schlammmenge wurden folgende An-
nahmen getroffen:
Unter diesen Annahmen wurde die gesamte Kubatur (als Nasssediment) in den sieben
oben angeführten Gemeinden für den gesamten Zeitraum abgeschätzt und aufsummiert.
Die Absetzbecken sind vor der nächsten Füllung zu entleeren. Der getrocknete Schlamm
kann nach Auskunft des früheren Seebeauftragten (H. Rojacz, mündl. Mitt.) entweder auf
landwirtschaftliche Flächen aufgebracht oder deponiert werden.
Als Beispiel für ein Absetz- oder Schlammspülbecken ist jenes der Freistadt Rust anhand
von Bildern von Google Earth in Abb. 29 dargestellt. Das Becken wurde 2003 wasserrecht-
lich bewilligt (Bescheid vom 15.12.2003, GZ: 5-W-A3158/6-2003) und 2004 mit einem Ge-
samtvolumen von 20 000 m³ errichtet. Das Becken besteht aus zwei Teilbecken, welche
über eine Rohrleitung verbunden sind. Beide Teilbecken haben einen Auslaufmönch an
der Ostseite zur Entleerung des Beckens in den See. Heute ist das Absetzbecken dicht mit
Schilf bewachsen.
Abb. 29. Schlammabsetzbecken am Ortsrand der Freistadt Rust nach Errichtung (links) und Ende
April 2012 (rechts). Quelle: Google Earth.
Figure 29. Sludge deposition pond at the outskirts of Freistadt Rust after the construction (left) and end of
April 2012 (right). Source: Google Earth.
Als alternatives Konzept bietet die Firma Böhm die Schlammentsorgung mit geotextilen
Entwässerungsschläuchen an. Nach Angaben des Unternehmens sind diese sog. Geotu-
bes umwelttechnisch unbedenklich; die Menge für die Deponierung wird optimiert und
das klare Wasser fließt entschlammt zurück (Böhm Transporte 2020). Diese Methode
wurde am Neusiedler See bislang nur vereinzelt (z.B. in Neusiedl) eingesetzt (H. Rojacz
mündl. Mitt.).
Grundsätzlich sind die Baggerungen auf Häfen und Yachtanlagen beschränkt. Die Anga-
ben im Wasserbuch beinhalten neben der Grundstücksnummer vereinzelt konkrete An-
gaben wie
Nach Angaben der Abt. 5 Baudirektion erfolgten in den letzten 15 Jahren – auch in Ab-
stimmung bzw. nach Vorgabe von Seiten des Naturschutzes – keine Baggerungen in na-
türlichen Buchten. Es gibt allerdings von Seiten mancher Grundeigentümer – vor allem in
Bereichen, in denen eine intensive Nutzung durch Badebetrieb und Segelsport gegeben
ist – Bestrebungen, auch in natürlichen Buchten Baggerungen durchzuführen, um die zu-
nehmende Verlandung zu verhindern.
Soweit bekannt, erfolgte teilweise nach den Baggerungen eine grobe Kontrolle der ent-
nommenen Mengen durch das Unternehmen, das die Baggerungen durchführte. Eine
externe Kontrolle, z.B. durch Vermessung des gebaggerten Areals vor und nach der Bag-
gerung, wurde bislang nicht durchgeführt.
Geht man dennoch grob davon aus, dass das entnommene Sediment in etwa auch der
bescheidmäßig bewilligten Menge entspricht, so beläuft sich die Gesamtmenge des seit
2005, also in den letzten rd. 15 Jahren, entnommenen Sediments auf knapp 300 000 m³
(Tabelle 2), im Schnitt 20 000 m³ pro Jahr. Die größten Mengen wurden in Breitenbrunn
und Neusiedl entnommen; aus Neusiedl/S. liegen auch die meisten Einzelbewilligungen
(10) vor. Vor allem aufgrund der Baggerungen in den beiden genannten Gemeinden über-
steigen die Sedimententnahmen der letzten acht bis zehn Jahre jene aus dem davorlie-
genden Zeitraum.
Die Entwicklung der Schlammbaggerungen in den letzten eineinhalb Jahrzehnten ist gra-
fisch in Abb. 31 dargestellt. Sehr vereinfacht wurden die im Wasserbuch angegebenen
und die geschätzten Schlammmengen auf die Jahre der Bewilligung aliquot aufgeteilt und
pro Jahr aufsummiert. Kumulativ sind die Baggerungen je Gemeinde in Abb. 32 darge-
stellt.
Abb. 32. Sedimententnahmen pro Gemeinde, kumulativ für den Zeitraum 2004/2005 bis 2020.
Figure 32. Sediment removal per municipality, cumulative plot for the period 2004/2005 to 2020.
Angabe zu den Kosten der Schlammbaggerung liegen nur vereinzelt vor. Gemäß ORF
Burgenland (2020) wurden in Breitenbrunn im Februar 2014 rd. 30.000 m³ Schlamm ent-
nommen, die Kosten betrugen 200.000 EUR.
Eine Frage, die sich angesichts des finanziellen Aufwands stellt, ist jene nach der Nachhal-
tigkeit dieser Maßnahme. Im Vergleich zur Menge des im See befindlichen Sediments sind
die Schlammmengen gering. Eine gesicherte Gesamtabschätzung des Sedimentvolumens
im Neusiedler See liegt zwar auch nach der Seevermessung im Rahmen des Projekts Ge-
NeSee nicht vor (vgl. Kap. 3), der GeNeSee-Abschlussbericht beinhaltet aber zumindest
eine Angabe zum Sedimentvolumen im offenen See (somit ohne Schilfgürtel!) (Univ.
Bodenkultur 2016). Dieses beläuft sich (ohne Hansàg-Kanal) auf 54 668 000 m³, d.h. die im
Zuge der Schlammbaggerungen entnommene Menge von durchschnittlich 20 000 m³ pro
Jahr beträgt nur als 0,04%.
Zum Vergleich dazu werden in einem durchschnittlichen Jahr ohne größere Hochwasser-
ereignisse rund 2 500 t Schwebstoffe (Trockenmasse) – und damit grob geschätzt rund
3 000 m³ – Sediment über die Wulka in den See bzw. den Schilfgürtel Höhe Breitenbrunn
eingetragen. Die jährliche Neubildung von Calcit hingegen beläuft sich – ausgehend von
einem jährlichen „Verlust“ an eingetragenem Calcium von rund 4 000 t (Gabriel et al. 2012;
Wolfram & Herzig 2013) – ebenfalls sehr grob geschätzt auf >12 000 m³ Kalkschlamm.
Hier ist noch die organische Produktion in Betracht zu ziehen, die von Burian et al. (1986)
nur für die oberirdische Produktion in Abhängigkeit vom Schilfschnitt mit rund 12–22 t
Trockenmasse pro Hektar abgeschätzt wurde. Das entspricht rund 200–400 000 t pro
Jahr für den gesamten Schilfgürtel, wovon ein Teil geerntet (rund 10 000 t, vgl. Kap. 5.2.3)
und ein Teil des abgestorbenen Schilfs abgebaut wird, ein Teil aber auch im System ver-
bleibt. Nachdem in dieser Abschätzung die unterirdische Produktion (Rhizome) noch gar
nicht mit berücksichtigt ist, kann man davon ausgehen, dass die jährliche Entnahme von
Sediment im Zuge der Schlammbaggerungen den jährlichen Eintrag plus Neubildung an
Sediment nicht ausgleicht. Diese Zahlen sind nicht als Bilanz zum gesamten Feststoff-
haushalt des Sees zu verstehen, sondern dienen lediglich dazu, die im Zuge der Bagge-
rungen entnommenen Schlammmengen in Relation zu anderen Bilanzgrößen zu setzen.
Die Überlegungen berücksichtigen auch nicht die unterschiedlichen Depositionsorte, die
eine Baggerung in einem bestimmten Bereich durchaus sinnvoll erscheinen lassen kön-
nen. Weiterführende Überlegungen finden sich in Bericht 7 Synthese.
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7 ANHANG
ANNEX
7.1 Fotodokumentation
Photo documentation
7.2 Sedimentprofile
Sediment profiles
Abb. 51. Längsprofil entlang der Tiefenlinie 1997, Sediment-Oberfläche (orange – 1996, blau – 2014).
Figure 51. Longitudal profile along depth contour 1997, Sediment surface (orange – 1996, blue – 2014.
Abb. 52. Pseudo-Profil E601/609, jeweils Sediment-Oberkante, 1996 Schilf und Offenwasser (rot),
2014 Offenwasser (gelb), 2014 Schilf (hellbraun)
Figure 52. Pseudo-profile E601/609 with sediment surface level, 1996 reed and open lake (red), 2014 open lake
(yellow), 2014 reed (light brown).
Abb. 53. Pseudo-Profil E601/609, jeweils Sediment-Unterkante (fester Boden), 1996 Schilf und
Offenwasser (rot), 2014 Offenwasser (gelb), 2014 Schilf (hellbraun).
Figure 53. Pseudo-profile E601/609 with sediment bottom level (solid ground), 1996 reed and open lake (red),
2014 open lake (yellow), 2014 reed (light brown).
Abb. 55. Pseudo-Profil E623, Sedimentunterkante (fester Boden), Farbzuordnung siehe Abb. 53.
Figure 55. Pseudo-profile E623, sediment bottom level (solid ground), color assignment as shown in Figure 53.
Abb. 57. Pseudo-Profil F632, Sedimentunterkante (fester Boden), Farbzuordnung siehe Abb. 53.
Figure 57. Pseudo-profile F632, sediment bottom level (solid ground), color assignment as shown in Figure 53.
Abb. 59. Pseudo-Profil G601, Sedimentunterkante (fester Boden), Farbzuordnung siehe Abb. 53.
Figure 59. Pseudo-profile G601, sediment bottom level (solid ground), color assignment as shown in Figure 53.
Abb. 61. Pseudo-Profil H606, Sedimentunterkante (fester Boden), Farbzuordnung siehe Abb. 53.
Figure 61. Pseudo-profile H606, sediment bottom level (solid ground), color assignment as shown in Figure 53.
Abb. 63. Pseudo-Profil J601, Sedimentunterkante (fester Boden), Farbzuordnung siehe Abb. 53.
Figure 63. Pseudo-profile J601, sediment bottom level (solid ground), color assignment as shown in Figure 53.
Abb. 65. Pseudo-Profil J613, Sedimentunterkante (fester Boden), Farbzuordnung siehe Abb. 53.
Figure 65. Pseudo-profile J613, sediment bottom level (solid ground), color assignment as shown in Figure 53.
Abb. 67. Pseudo-Profil J615, Sedimentunterkante (fester Boden), Farbzuordnung siehe Abb. 53.
Figure 67. Pseudo-profile J615, sediment bottom level (solid ground), color assignment as shown in Figure 53.
Abb. 69. Pseudo-Profil J617, Sedimentunterkante (fester Boden), Farbzuordnung siehe Abb. 53.
Figure 69. Pseudo-profile J617, sediment bottom level (solid ground), color assignment as shown in Figure 53.
Abb. 71. Pseudo-Profil L613, Sedimentunterkante (fester Boden), Farbzuordnung siehe Abb. 53.
Figure 71. Pseudo-profile L613, sediment bottom level (solid ground), color assignment as shown in Figure 53.