Parathetys

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Paläogen

KÄNOZOIKUM

Kreide Paläogen (Alnertiärl Neogen (Jungtertiär)


Plio.
Paläozän Eozän
Onnangium Pannonium Pontium

5,5
65 55

Das Werden der Paratethys


Paläogen (65 bzw. 35-23 Millionen Jahre, Alttertiär)
Mathias Harzhauser, Fred Rögl

Im älteren Tertiär, vor ca. 40 Millionen Jahren, ragten bereits weitflächige Teile der Alpen aus dem Meer, die Karpaten traten noch
nicht zu Tage. Die Paratethys, das Molassemeer, reichte von der Rhönemündung in weitem Bogen über den Genfer See und das
Alpenvorland in Bayern und Österreich nach Osten. Es bestanden breite Verbindungen zwischen Paratethys und Mittelmeer.

Im Laufe von Oberkreide und Alttertiär ver- Die ältesten Ablagerungen des Molassemeeres
schwand allmählich die Tethys, nördlich der sich in Österreich finden sich im salzburgisch-ober-
hebenden Alpen entwickelte sich gleichzeitig ein österreichischen Alpenvorland: Vor ca. 35 Mio
neuer, Ost-West verlaufender Meerestrog. In Jahren beginnen am Ende des Eozäns das nörd-
diesen werden die Verwitterungs- und Abtra- liche Vorland der Alpen und Teile der Böhmischen
gungsprodukte - Lehm, Sand und Schotter - aus Masse rasch abzusinken. Die Meeresüberflutung
den jungen Alpen einerseits und aus der Böh- greift bald auf das niederösterreichische Alpen-
mischen Masse andererseits abgelagert. vorland über Amstetten, Melk und Krems nach
Helle, sandreiche (Melker Sand) Ablagerungen des unteren Egerium und dunkle, schlammreiche (Älterer Schlierl Ablagerungen
des oberen Egerium; Sandgrube Winzing, Quarzwerke
(Foto: R. Roetzel, Geolog. B.-A., 1995)

Osten aus und bildet einen Teil der Paratethys, Seetang, Fische, Zahnwale und Perlboote, die
die zu dieser Zeit etwa bis zum Kaspischen Meer in den lichtdurchfluteten Bereichen des Meeres
reicht. lebten, sanken nach ihrem Tod in die Tiefe und
Während am Nordrand des Mittelmeeres aus- blieben im feinen Schlamm erhalten. Hier lebten
gedehnte Korallenriffe gediehen, breitete sich in keine Aasfresser, die die Kadaver zerstören konn-
der Paratethys eine wesentlich eintönigere Fauna ten. Nur in den seichten Buchten der Küsten
aus. Im engen, tiefen Meerestrog, der sich nörd- waren tropische Tierarten zu finden. Zwischen
lich der herandrängenden Alpen bildete, wurden Linz und Amstetten gliederten tektonische
schwarze Tone und submarine Geröllströme ab- Brüche die Ki.iste. Mächtige Sandablagerungen
gelagert. Die Wasserzirkulation war schlecht und entstanden unter dem Einfluss der Brandung, die
in tieferen Wasserschichten wurde der Sauerstoff das Kristallingestein der Küste zerrieb. Östlich
knapp. von Amstetten änderte sich die Küstenlandschaft.
Paläogen

Mangrovenwald an der Küste des Golfes von Mexiko


Ein ähnlicher Anblick bot sich vor 40 Millionen Jahren zum Beispiel an der Meeresküste bei Melk oder in der Bucht von Karlstetten.
(Foto: W. Bittermann)

Geschützt im Strömungsschatten bildeten sich Über den Rheingraben war die Paratethys im
weite Schlammflächen. Entlang der Gezeiten- Oligozän <33-23 Mio Jahre) immer wieder mit
priele wucherten Mangroven und Austernbänke. der Nordsee verbunden. Dies gestattete Meeres-
Moderne Verwandte vieler Tiere dieser BiotOpe tieren aus dem Norden einzuwandern. Schließ-
sind heute in den Mangrovensümpfen Westafri- lich begann die Paratethys im Westen, von der
kas zu finden. Weiter im Norden, im heutigen Schweiz bis Oberbayern, erstmals zu verlanden.
Becken von Horn, entwässerte der Urkamp Die Alpen waren bereits zu einem stattlichen
bereits in das Meer. Am Festland gediehen wär- Hochgebirge aufgefaltet. Weiter östlich blieben
meliebende Wälder, reich an vorwiegend sub- die Verbindungen zum Mittelmeer bestehen.
tropischen Gehölzen. Ablagerungen des tiefen
Meeresbeckens kennt man aus Vorkommen ent-
lang des Alpenrandes und aus Erdölbohrungen.
Skelett eines urtümlichen Delphins mit langgezogener Schnauze; längere Bildkante 2,5 Meter
Pucking bei Linz; Sammlung Oberösterreichisches Landesmuseum

Fossilreiche Schichten in den Tonmergeln des


Schliers wurden beim Bau des Traunkraftwerkes
Pucking in Oberösterreich gefunden. Neben
Pflanzenabdrücken wurden fossile Reste vieler
Fische, aber auch von nautilusartigen Kopffüßern
gefunden. Ein einmaliger Fund war das Skelett
eines Delphins (Ellrhillodelphis). Alter: 25 Mio
Jahre, unteres Eger (Oberoligozän).

Kopfskelett und vorderer Teil eines makrelenartiger Fisches;


Gesamtlänge 15 cm; Pucking bei Linz

Mitte der 1970er Jahre wurden am Donauufer


nahe der Ybbsmündung Sandsteingerölle ge-
funden. Beim Auseinanderschlagen kamen fossile
Fische zu Tage, die überraschend gut erhalten
waren. Die Gerölle wurden offensichtlich vom
Ybbsfluss über eine nicht allzu lange Strecke an-
transportiert. Diese Sandsteine aus den Ablage-
rungen der Molassezone stammen somit aus dem
Paratethys-Meer. Zeitlich sind die angetroffenen
Gesteine entweder dem Egerium oder dem
Eggenburgium (Jüngstes Alttertiär bis älteres
Jungtertiär) zuzuordnen.

Plagioholocentrus ivisensis war den heute in Tropenmeeren


lebenden Soldatenfischen der Gattung Holocentrus ähnlich.
Durchmesser 26 cm. (Foto: A. Schumacher)

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KÄNOZOIKUM
reide Paläogen (Alttertiär) Neogen (Jungtertiär)
Paläozän Eozän Pliozän
Ottnangium

65 55 35 33,5 27,5 23 20,5 18,5 1,8


---------------------------Paratethys-Meer-------------------------------------------------Pannonsee--

Die fossilreichsten Schichten Niederösterreichs


Neogen IJungtertiär, 23-1,8 Millionen Jahrel
Mathias Harzhauser, Fred Rögl

Gegen Ende des Alttertiärs, vor 25 Mio Jahren, fällt das westliche Molassebecken vorübergehend trocken, das Meer reicht von
Osten her ungefähr noch bis München.

Die Ablagerungen aus dem Jungtertiär insgesamt Der Übergang vom Oligozän (Ende des Alt-
sind für Ostösterreich von besonderer Bedeutung, tertiärs) zum Miozän (Beginn des Jungtertiärs)
da aus dieser Zeit eine große Zahl besonders erfolgte im Alpenvorland Österreichs ohne
schöner Fossilien erhalten ist. Viele dieser Vor- deutliche Unterbrechung und ohne starke geo-
kommen sind wissenschaftlich gut bearbeitet. Des- logische Veränderungen. Daher gibt es für diese
halb wurden einige Zeitabschnitte jener Epoche Übergangszeit eine eigene Zeitsrufe, das Egerium
nach niederösterreichischen Orten benannt, in (28-20,5 Mio Jahre), das den Zeitabschnitt des
deren Umgebung die betreffenden Ablagerungen jüngeren Oligozän und des ältesten Miozän um-
besonders vielfältig ausgeprägt und wissenschaft- fasst. Im Egerium kam es bereits zu einer besse-
lich gut beatbeitet sind. So umfasst das Eggen- ren Durchlüfrung der tiefen Meeresbecken, aber
burgiulfl oder Eggenburg den Zeitabschnitt von erst mit dem Eggenburgium setzte eine neue
20,5 bis 19 Millionen Jahren, das Badenim!l oder Entwicklung ein.
Baden die Zeit vor 16,5 bis 13 Millionen Jahren.
KÄNOZOIKUrv1
Kreide Paläogen (Alttertiär) Neogen (Jungtertiär)
Paläozän Eozän Pliozän
Ottnangium
65 55 35 33,5 27,5 23 20,5 18,5 1,8
---------------------------Paratethys-rv1eer-------------------------------------------------Pannonsee--

Tropenstrände am Rande des Weinviertier Molassemeeres


Eggenburgium (20,5-19 Millionen Jahre)
Mathias Harzhauser, Fred Rögl, Harald Steininger

Noch besteht nördlich entlang des ganzen Alpenbogens über das Rhonetal eine Verbindung des Molassemeeres zum Mittelmeer
bei Marseille.

Im frühen Miozän öffnete sich ein breiter Seeweg Seichte Buchten und schroffe Felsküsten entlang
über den heutigen Iran in den Indischen Ozean. der Böhmischen Masse boten einer Vielzahl von
Auf der Erde behinderte rund um den Äquator Organismen Lebensraum. Der Anstieg des Meeres-
kein Festland die Meeresströmungen. Durch die spiegels verdrängte nun das während des Oligo-
ungehinderte zirkum-äquatoriale Strömung be- zäns ausgebildete Süsswasser-Flusssystem des
günstigt steigen die Temperaruren weltweit. Dies U rkamp im Horner Becken nach Norden. Es kam
zeigt sich auch in der Paratethys durch das plötz- mehrfach zu einer Verschiebung der Süsswasser-
liche Vordringen von großen tropischen Muscheln. Brackwasser-Seewasser-Bereiche. Dies spiegelt
Nach den fossilreichen Sedimenten rund um Eggen- sich auch in der Artenverteilung der darin vor-
burg wird diese Zeitstufe Eggenburgium genannt. kommenden Lebewelt wider.
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Felsenküste des Eggenburgiums mit Blockgeröllen aus Granit. Steinbruch Hengl, Limberg bei Maissau (Foto: R. Roetzel, Geol. B.-Ä.)

In der wissenschaftlichen Grabung Kirchen- Lagen von Muschel- und Schneckenschalen


steig bei Mold wurde 1997/1998 die Aufein- repräsentiert. Miesmuscheln UHytifm haidin-
anderfolge von Fluss-, Brackwasser- und Meer- geri) und Austern deuten auf eine Tiefe von nur
wasserablagerungen untersucht (Projektlei ter: wenigen Metern bei polyhalinen (brackischen)
Peter Pervesler, Mitarbeiter: M. Harzhauser, Bedingungen. Das Süsswassersystem dringt
O. Mandic, R. Roetzel; finanziert vom Amt der neuerlich vor und führt zur Ablagerung von
NÖ Landesreg.): kohleführendem Ton. Das Meer kehrt zurück,
es kommt wiederum zur Bildung von Mies-
Das Profil beginnt mit schlammigen, fossil-
muschel- und Austernbänken und zu weiteren
Ieeren Ablagerungen eines Süßwasserflusses,
Schwankungen im Salzgehalt des Brackwas-
der SI. Marein-F reisclJ/illg-Formatioll.
sers/Meerwassers. Diese Salzgehaltsschwan-
Darüber ist ein erster Meeresvorstoß der Mold- kungen sind durch die Artenverteilung der
Formatioll durch rund 1,5 m mächtige fossil erhaltenen Lebewesen, besonders der
Schlammablagerungen mit dichtgepackten Muscheln und Schnecken, dokumentiert. (Hier,
Ähnliche Verhältnisse finden sich auch an heutigen Meeresstränden: Granitfelsenküste auf Ko Tau, (Foto: R. Golebiowski, NHMW)
Thailand, mit Seepocken-Kolonien (Ba/anus sp.) entlang der Gezeitenzone.

am Kirchensteig bei Mold, befindet sich die schnecken besiedelten die weichen Sandböden des
Typuslokalität der Mo/der Scbichten). warmen Meeres. Neben den auffälligen und
häufigen Muscheln und Schnecken finden sich in
Mit einem markanten Meeresvorsroß setzten
über der Mold-Formation die zunächst bei
vollmarinen Bedingungen abgelagerten Schich- Süßwasser - Salzwasser: Der Salzgehalt
ten der Loibersdorj-Formation ein; eine bunte
Die Einteilung des Wassers erfolgt nach dem jahres-
Vielfalt von Muschel- und Schneckenarten ist
bezogenen durchschnittlichen Salzgehalt
daraus überliefert. Phasenweise ist auch hier
aus dem Artenspektrum der Fossilien ein < 0,5 %0: Süßwasser
brackischer Einschlag abzulesen. 0,5 bis< 5 %0: oligohalin Brackwasser
5 bis< 18 %0 : mesohalin Brackwasser
An der Waldviertler Ostküste lebten Seekühe 18 bis< 30 %0: polyhalin Brackwasser
und Adlerrochen in den Seegraswiesen. An Felsen 30 bis< 40 %0: euhalin Meerwasser
hafteten Seepocken und Napfschnecken. Turm-

27
den Ablagerungen um Eggenburg seltener auch
Reste von Landwitbeltieren. Knochen und Zähne
von Tapiren, Panzer von Landschildkröten und
der Schädel eines Gavials zeugen von einem sub-
tropischen Klima im Eggenburgium.
Eine Besonderheit an den ehemaligen Küsten
der Paratethys findet sich zwischen Maissau und
Limberg. Hier am Südostrand der Böhmischen
Masse durchschlugen Klüfte von mehreren hun-
dert Metern Länge den Maissauer Granit, in
denen schon im Erdaltertum bei hohen Tem-
peratur/Druck-Bedingungen violett-weiß gebän-
derte Quarzkristalle wuchsen, es bildete sich ein
Amethystgang. In Erdmittelalter und Tertiär
witterte der Amethystgang an der Oberfläche
frei. Die Fundstelle findet sich genau im Bereich
der Küstenbrandung des Eggenburgium-Meeres.
Trümmer des Bänderamethystes wurden in der
Brandung zu runden Geröllen zurechtgeschliffen.
Noch heute findet man zwischen Horn und
Eggenburg unter den fossilen Ufergeröllen ein-
zelne, die aus violett-weiß gebändertem Amethyst
bestehen.

Macrochlamis holgeri holgeri, Kammmuschel,


mit Aufwuchs von Austern
Höhe der Schalenklappe 18 cm
Burgschleinitz; Eggenburgium

Ostrea lamellosa, Auster; großes Exemplar 9 cm breit


Maria Dreieichen; Eggenburgium

Macrochlamis holgeri holgeri, Pilgermuschel mit Aufwuchs


von Seepocken (Balanus sp.); Höhe der Schalenklappe 21 cm
Burgschleinitz; Eggenburgium

(Abb. rechts)
Tarbellastraea reussiana, Steinkorallenkolonie
Bildausschnitt ca. 3 x 2,5 cm
Gauderndorf, Eggenburgium
(Abb. links)
Paphia benoisti praecedens, Venusmuschel;
Breite einer Muschel ca. 6 cm
Burgschleinitz; Eggenburgium

(Abb. rechts)
TurriteJla terebralis, Turmschnecke
Anadara diluvii, Archenmuschel
Aequipecten sp., Kammmuschel
Ostrea sp., Auster
CyJlenia suessi, Reusenschnecke
Natica sp., Mondschnecke
Außenmaß 27x19cm
Maria Dreieichen; Eggenburgium

(Abb. unten)
Laevicardium kuebecki, Herzmuschel;
Breite der Muschel 10,5 cm
Märtersdorf, Eggenburgium

(Abb. unten rechts)


Krabbenschere; 25 mm lang
Burgschleinitz; Eggenburgium
Stille Buchten, sanfte Riesen: die Seekühe der Waidviertier Buchten

Der Meeresvorstoß im Eggenburgium führte zur Dugongweibchen mit Jungem über einer Seegraswiese
im australischen Barriere-Riff
Überflutung flacher, geschützter Buchten, die
(@ GBRMPA, Foto: Ben Cropp)
weit in das Festland des Waldviertels hinein
reichten. Hier bildeten sich Seegraswiesen, die (Abb. rechts)
Dugong im Barriere-Riff Nationalpark, Australien
Nahtungsgrundlage für wenig bekannte Groß-
(@ GBRMPA (Great Barrier Reef Marine Park Authorityl.
säugetiere: die Seekühe. Die Verwandten dieser Foto: Tony Preen)
sanften Riesen leben heute noch in zwei Familien
in den tropisch-subtropischen Küstengewässern
der Erde: einerseits die Rundschwanzseekühe
(Manatis) der Ostküste Amerikas und der West-
küste Afrikas, andererseits die Dugongs mit
gegabeltem Schwanz. Letztere sind die nächsten
lebenden Verwandten der Eggenburger Seekuh
Metaxytherium krahttletzi. Gabelsch waozseekühe
findet man im Indopazifik.
- Ottnangium

KÄNOZOIKUM
-Kreide Paläogen (Alttertiär) Neogen (Jungtertiär)

Paläozän I Eozän Oligozän Miozän Pliozän

I I Egerium I Eggenburgium I Ottnangium 1 Karpatium I Badenium I Sarmatium I Pannonium I Pontium


65 55 35 33,5 27,5 23 20,5 18:5 17,5 16,5 13 1~5 71 5,5 1,8
___________________________ Paratethys_Meer _________________________________________________ Pannonsee __ 1
I
-
Vertreibung aus dem Paradies
Dttnangium (19 -17,5 Millionen Jahre)
Mathias Harzhauser, Fred Rögl

Noch während des Eggenburgiums kam es zu dieser Algen sind als viele Meter mächtige
einer deutlichen Abkühlung. Die tropischen Kieselgur bei Parisdorf und Limberg erhalten.
Muscheln und Schnecken verschwanden aus dem Eine globale Absenkung des Meeresspiegels
Paratethys-Meer. Dafür drangen aus dem Mittel- im späten Ottnangium und die fortgesetzte
meer und aus dem Atlantik Formen ein, deren Hebung des Alpenraumes führte zum Verlanden
Verwandte heure in der Adria leben. Die Einwan- des Meeres im Alpenvorland. Die Paratethys
derungen wurden durch eine neue Meeresver- wurde völlig isoliert und süßte rasch aus. Diese
bindung begünstigt. Im Westen öffnete sich eine Krise wirkte sich auf das gesamte Meer aus und
enge Meeresverbindung vom Alpenvorland über ist noch weit in Asien erkennbar. Die Meeres-
die Schweiz bis ins Rhöne-Becken. Die Verbin- formen der Muscheln und Schnecken verschwan-
dung zum Indischen Ozean wurde unterbrochen. den und wurden von Brack- und Süßwasserarten
Die durch diesen Meeresschlauch völlig ver- ersetzt, die nur in der Paratethys vorkamen.
änderten Srrömungsmuster ermöglichten hohe Sandige Ablagerungen aus diesem verlandenden
Gezeitenwellen. Von Frankreich bis nach Ober- Meer sind im Raum von St. Pölten weit verbrei-
österreich finden sich im Seichtwassergebiet tet und werden nach der kleinen Muschel Rzehakia,
Sanddünen, die im Wechselkampf von Ebb- und früherer Name Oncophora, als Oncophora-Schich-
Flutsrrom aufgeworfen wurden. ten bezeichnet.
Kalte Tiefenwässer drangen in die Paratethys
ein. Entlang der Geländekante am Südrand der
Böhmischen Masse, die auch heure den mor-
phologischen Übergang vom Wald- zum Wein-
viertel bildet, entstand eine tiefe Steilküste. Eine
markante, bis heute aktive geologische Störung -
die Diendorfer Störung - verursachte diesen
raschen Übergang von der Küste ins tiefe Mee-
resbecken. Die kalten, nährstoffreichen Tiefen-
wässer drangen entlang der Geländekante an die
Oberfläche und dienten hier Kieselalgen als Gewinnungsstätte von Kieselgur-Schiefer nahe Limberg
Nahrungslieferant. Die unzähligen Kieselskelette (Foto: Th. Hofmann)

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Karpatium und Badenium

KÄNOZOIKUM

Kreide Paläogen (Alttertiär) Neogen (Jungtertiär)

Paläozän Eozän
Ottnangium

65 55 35 33,5 27,5 23 20,5 18,5 17,5 16,5 13 11,5 7


--------------------------- Pa ratethYS-~ ee r------------------------------------------------- Pa nnon see-- j

Artenvielfalt ohne Ende


Karpatium (17,5-16,5 Millionen Jahrel und Badenium (16,5-13 Millionen Jahrel
Mathias Harzhauser, Fred Rögl

Das Molassemeer zieht sich Richtung Osten bis nach Wien zurück. Ein Kuriosum ist, dass dort, wo heute die Donau von West nach
Ost fließt, ein Fluss in umgekehrter Richtung floss: die Rhöne hatte ihren Ursprung im Mostviertel westlich von St. Pölten und
reichte über die heutigen Täler der oberen Donau und der Saöne bis Marseille.

Erst im Karpatium, am Ende des Untermiozän, Osten blieb ein Brackwasser-Meer, ähnlich wie
hob sich der Meeresspiegel wieder. Nach einer bei uns zur Zeit der Oncophora-Schichten, bestehen.
kühlen Anfangsphase des neuen Meeresvorstoßes Rasch wurde dieser Teil der Paratethys wieder
stieg die Temperatur deutlich an. Im Süden ver- von Meerestieren besiedelt. Eines der am besten
band eine Meeresstraße das noch kleine Binnen- untersuchten Gebiete, die Ablagetungen dieser
meer über Slowenien mit dem Mittelmeer. Die Zeit aufweisen, ist das Korneuburger Becken im
Paratethys dehnte sich im Westen bis ins nörd- Nordwesten von Wien. Über 650 Arten von
liche Niederösterreich aus, im Norden bis Polen, Pflanzen und Tieren konnten in den Tonen und
wurde aber im Osten durch den wachsenden Kar- Sanden dieses Bereiches nachgewiesen werden.
patenbogen begrenzt. Im Schwarzmeergebiet im Die ungewöhnliche Fülle an Daten erlaubt eine

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äußerst detaillierte Rekonstruktion der Lebens- der Gangesdelphin - nur mehr in Indien lebt.
räume. Rund um Korneuburg bildete sich vor 17 Die dicht bewaldeten Bereiche zwischen den Fluss-
Millionen Jahren ein reich gegliedertes Ästuar. rinnen waren von Nashörnern, Schweinen und
Darunter versteht man eine Flussmündung, die Hirschferkeln besiedelt. Die Bäume waren Hei-
von Meerwasser überfluret wird und so ein mat von Flughunden, Flughörnchen und Beutel-
spezielles Biotop bildet. ratten. Im Wasser lauerten Alligatoren auf Beure.
Häufig schwimmt das leichtere Süßwasser des Es lassen sich hohe Wassertemperaturen errech-
Flusses auf einem weit in die Mündung reichen- nen, die selbst im Winter nicht unter 150 C fielen.
den Keil aus schwererem Salzwasser auf. Meeres- Frostfreie Winter mit mindestens 80 C während
tiere und Süßwasserorganismen leben dann in un- des kältesten Monats und hohe Niederschläge
mittelbarer Nachbarschaft. Kronenschnecken und von bis zu 2000 mm pro Jahr prägten den Lebens-
Fechterschnecken durchpflügten den schlam- raum am Festland.
migen Grund, wo Stechrochen und Adlerrochen Auf Grund tektonischer Bewegungen kam es
auf Beute lauerten. Eine der größten Sensationen zu Zerrungen der Erdkruste zwischen den Alpen
ist der weltweit einzigartige Fund eines Spitz- und den Karpaten. Es bildeten sich Einsenkun-
nasendelphins, dessen moderner Verwandter - gen - Zerrungsbecken - die tief in den Alpen-

In die Gainfarner Bucht erstreckte sich ein Meeresarm vom Wiener Becken zwischen die Höhen der Kalkvoralpen bei Mödling
(im Hintergrund der Harzberg). Im Vordergrund ist ein Teil der Grabung Gainfarn des Instituts für Paläontologie/Univ. Wien und des
Naturhistorischen Museums Wien zu erkennen. (Foto: A. Kroh. NHMW)

44
Karpatium und Badenium

körper hineinreichten und vom Meer überflutet


wurden. So wurden in unserem Raum zunächst
das Korneuburger, bald darauf, gegen Ende des
Karpat und im Baden, das Wiener und das Stei-
rische Becken gebildet; zu dieser Zeit entstand
abermals eine Verbindung zwischen Paratethys
und Mittelmeer, diesmal über Pressburg, Laibach
und Triest.

Turritella terebralis, Turmschnecke;


Länge eines Schneckengehäuses 6 cm
Gebmanns; Karpatium

Im Meer im Wiener Becken herrschte zur Zeit des Badeniums eine bunte Artenfülle wie heute im Roten Meer
(Foto: S. Schweinhammer)
Die Wassertemperaturen der Paratethys blie-
ben im Badenium sehr warm und ermöglichten
die Bildung von kleinen Fleckenriffen und Koral-
lenteppichen. Die Verbindung zum Indischen
Ozean scheint wieder aktiv geworden zu sein.
Kalk-Rotalgen bedeckten den seichten Meeres-
boden und sind als weißer Leithakalk überliefert.
Neben den berühmten Vorkommen am Leitha-
gebirge ist dieser Baustein auch bei Mailberg und
Poysdorf verbreitet. Untiefen und Inseln wie der
Steinberg bei Zistersdorf oder das Leithagebirge
waren von Kalkschlamm aus Rotalgengtus ge-
säumt. In den Lagunen und Korallendickichten
lebten Papageienfische, Barrakudas, Drachen-
kopffische, Seenadeln, Messerfische und Meer-
brassen. Dickschalige Austern formten meter-
dicke Kolonien und Sanddollar-Seeigel lebten im
Sediment verborgen. Mehr als 10 verschiedene
Haiarten jagten hier. Sogar Reste von Plankton
fressenden Riesenhaien wurden gefunden. Die
tropischen Temperaturen und die breite Verbin-
dung mit den Ozeanen waren Voraussetzung für
die höchste Organismenvielfalt in der Paratethys.
Die Zahl der nachgewiesenen Tierarten ist
kaum überschaubar. Muscheln, Schnecken, Koral-
len, Seesterne und Seeigel, Haie, Rochen und
andere Fische lassen vor dem geistigen Auge das
Bild des Roten Meeres oder des Indischen Ozeans
entstehen. Tatsächlich finden sich in diesen
Meeren die nächsten Verwandten der Bewohner
der Paratethys.

(beide Abb.)
Aturia aturi, Nautilusartiger;
30 mm Durchmesser
Teiritzberg; Karpatium
Karpatium und Badenium

,
,
"

(Abb. links oben)


Chicoreus aquitanicus,Stachelschnecke;
großes Exemplar 11 cm; Enzesfeld; Badenium

(Abb. rechts oben)


Acanthocardia Herzmuschel;
turonica,
großes Exemplar 2,5 cm; Enzesfeld; Badenium

(Abb. Mitte links)


Ficus conditus, Feigenschnecke;
großes Exemplar 4,8 cm; Enzesfeld; Badenium

(Abb. Mitte rechts)


Oopecten gigas gigas, Pilgermuschel;
Höhe der Schalenklappe 16 cm; Vilshofen/Bayern; Badenium

(Abb. rechts untent)


Euthriofusus virgineus, Spindelschnecke;
großes Exemplar 8,1 cm; Enzesfeld; Badenium

47
(Abb. links oben)
Morum cythara, Helmschnecke;
großes Exemplar 3,9 cm; Enzesfeld; Badenium

(Abb. rechts oben)


Clavus (DrilliaJ obtusangulus, Schlitzhornschnecke;
großes Exemplar 1,9 cm; Ziegelei Baden; Badenium

(Abb. Mine links)


Macroclamis latissima nodosiformis, Kammmuschel;
Höhe der Schalenklappe 15 cm; Gainfarn; Badenium

(Abb. Mine rechts)


Hyottissa squarrosa, Auster; Länge 14 cm
Müllendorf/Bgld; Badenium

(Abb. links unten)


Macroclamis tournali, Pilgermuschel;
großes Exemplar 1,9 cm; Ziegelei Baden; Badenium
(Abb. oben)
Megacardita jouanneti, Trapezmuschel
Circomphalus cincta, Venusmuschel
Turritella badensis tricarinata, Turmschnecke
Turritella bicarinata bicarinata, Turmschnecke
Aporrhais pespelecani, Pelikanfußschnecke
Gesamtlänge 16 cm; Gainfarn; Badenium

(Abb. rechts)
Bohrspuren von Bohrmuscheln und Ätzschwamm;
Länge des Gerölls 13 cm; Niederleis; Badenium

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KÄNOZOIKUM

<reide Paläogen (Alttertiär) I Neogen (Jungtertiär)


Paläozän Eozän Oligozän I Miozän I Pliozän
I Egerium I Eggenburgium I Ottnangium I Karpatium I Badenium I Sarmatium I Pannonium I Pontium I ;

65 55 3:5 33,5 27,5 23 20,5 18,5 17,5 16,5 13 l1J5 7i 5,5 1,8
---------------------------Paratethys-Meer-------------------------------------------------Pannonsee--l
I
I,

Vom Wattmeer in den Persischen Golf 1

Sarmatium (13-11,5 Millionen Jahre)


I

Mathias Harzhauser, Fred Rögl I

I
I

Vor 13 Millionen Jahren wurde die Pararethys Im frühen Sarmatium drang das Meer zum I
erneut von den offenen Ozeanen abgeschnitten. letzten Mal in die Molasse Zone vor. Aus dem 1

Es entstand ein isoliertes Binnenmeer, das vom Wiener Becken erstreckte sich ein flacher Meeres- 1

Wiener Becken bis zum heutigen Aral See arm über das heutige Zaya- Tal rund 40 Kilometer
I
reichte. Durch den eingeschränkten Wasseraus- nach Westen. Diese seichte, aber lang gestreckte
1'

tausch mit dem Mittelmeer veränderte sich der Bucht war von breiten Schlammküsten gesäumt, 1

Wasserchemismus dramatisch, Vulkanismus und die an das moderne Wattmeer erinnern. Zu den
1
ein hoher Eintrag an Nährstoffen bedeuteten zu- Besonderheiten zählen die fossilen Scheiden- II '
sätzlichen Stress für die Ökosysteme. Ein Groß- muscheln von Aspersdorf bei Hollabrunn. Tau-
teil der Meeresorganismen verschwand: Seeigel, sende Schalen der Tiere stecken noch immer in I

Korallen, viele Fische und ganze Gruppen von Lebendstellung im Sediment. Ganze Populatio- ,
Mikroorganismen. Besonders bei den Muscheln nen dieser im Sand grabenden Muscheln starben I
I

und Schnecken kam es zu einem gewaltigen Ein- Im Sarmatium während periodischer Algen-
1

bruch. Von rund 800 Arten des Badenmeeres blüten ab. Da sie zu tief im Schlamm vergraben
überlebten nur wenige die Krise. Aus diesem waren, um von Wellen frei gespült zu werden,
kümmerlichen Rest der einstigen Artenfülle ent- konnten sie fossil erhalten bleiben. Wer heute am
wickelten sich im Sarmatium lediglich etwa 120 Lido von Venedig am Ufer im Sand gräbt, kann
Arten. Sie nutzten ihre Chance und besiedelten die lebenden Verwandten der Hollabrunner Kata-
die vielen ökologischen Nischen des riesigen Bin- strophenopfer finden. Noch während des Sarma-
nenmeeres. Da es keinen Faunenaustausch mit ti ums führte die Hebung der Alpen zum Rückzug
dem Mittelmeer gab, handelt es sich bei allen des Meeres aus der Molasse Zone. Bis zu 100 Meter
diesen Formen um sogenannte Endemiten - Tiere, dicke Ablagerungen aus Schoner wurden nun von
die es nur in dieser Region gab. Mit dem Ver- Flüssen aus dem Alpenraum in die Molassezone,
schwinden der Haie waren Seehunde und Del- ins Wiener und ins Steirische Becken gespült.
phine an der Spitze der Nahrungskette. Als
Säugetiere waren sie weniger empfindlich gegen Im späten Sarmatium änderte sich das Klima
Veränderungen des Meereswassers. Kolonien von deutlich. Es wurde wärmer und die Niederschläge
Seehunden sonnten sich entlang der Küsten des gingen zurück. Gleichzeitig erlahmte der Eintrag
Steinbergs bei Zistersdorf, der als Insel aus dem durch Flüsse, das Meerwasser wurde salzig und
Meer ragte. mit gelöstem Kalk übersättigt. Nur unter diesen

57
extremen Bedingungen konnte der seltene Oolith Wellenbewegung. Oolithe entstehen heute nur
entstehen - ein Sediment, das aus Millionen win- noch am Persischen Golf und auf den Bahamas.
ziger Kalkkügelchen besteht. Diese bilden sich Kilometerlange Dünenfelder aus Kalkkügel-
ausschließlich im stark kalkigen, übersalzenen chen säumten nun die Küsten der Paratethys.
Meerwasser in ca. 2-5 m Wassertiefe bei starker Unter den Weichtieren erlangen die Schlamm-

Flache Sandküste am Persischen Golf mit durch Wellen verursachten Rippelbildungen; hier entstehen Oolith-Ablagerungen aus
Kalkkügelchen. (Foto: M. Harzhauser, NHMW)
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schnecken, Nadelschnecken und Venusmuscheln wurden bei Nexing und Atzgersdorf sogar als
ihre größte Bedeutung. Die Schnecken bildeten Baustein abgebaut.
dichte Populationen mit vielen tausend Indivi- Gegen Ende des Sarmatiums fiel der Meeres-
duen pro Quadratmeter. Die fossilen Schalen spiegel in der Paratethys, aber auch in anderen
dieser Tiere sind mitunter gesteinsbildend und Meeren. Eine Phase verstärkter Eisbildung band

Diese Felsen in den Hühnergrit-Gruben bei Nexing im Weinviertel bestehen zur Gänze aus den Schalen von Muscheln und
Schnecken. Sie werden als Zusatzfutter in der Geflügelhaltung verwendet. (Foto: M. Harzhauserl

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das Wasser an den Polen und ließ den Wasser-
stand dramatisch sinken. Nun fielen auch das
Wiener Becken und das Steirische Becken tro-
cken und Fli.isse schnitten bis zu 60 Meter tiefe
Täler ein.

(Abb. rechts)
Anhäufung von Muschel- und Schneckenschalen
(Muschelschill) im Strandbereich einer Flachküste am
Persischen Golf (Foto: M. Harzhauser, NHMW)

(Abb. unten links)


Muschelschill; lange Bildkante 20 cm
Nexing; Sarmatium

(Abb. unten rechts)


Häufige und augenfällige Muscheln im Muschelschill von
Nexing sind Herzmuscheln der Gattung Obsoletiforma
(kräftig längsgerippte Schalen) und Teppichmuscheln der
Gattung Venerupis; lange Bildkante 8 cm
Enzesfeld; Badenium

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Pannonium

KÄNOZOIKUM
Kreide Paläogen IAlttertiär) Neogen (Jungtertiär)
Paläozän Eozän Pliozän
Ottnangium Pannonium Pontium
65 55 1~5 7 5,5 1,8
---------------------------Paratethys-Meer-------------------------------------------------Pannonsee--

Das Ende eines Meeres: Brackwassersee und Urdonau


Pannonium (11,5-7 Millionen Jahre)
Mathias Harzhauser, Fred Rögl, Gudrun Daxner-Höck

Das Molassemeer verliert die Verbindung zum Mittelmeer und anderen Meeren. Das Vorland von Alpen und Karpaten verlandet,
innerhalb des Karpatenbogens entsteht vor ca. 11,5 Millionen Jahren der brackische Pannon-See. Die Donau fließt über Krems und
Hollabrunn nach Nordosten und mündet im Raum Mistelbach in das vom Pannonsee erfüllte Wiener Becken.

Vor 11,5 Millionen Jahren zog sich das Parate- wurden im 19. Jahrhundert in zahlreichen Gruben
thys-Meer weit nach Osten zurück. Im Westen im Süden Wiens abgebaut. Ein Großteil der
entstand ein riesiger Brackwassersee - der Pannon- Ziegel, die im Wiener Raum hergestellt wurden,
See. Er erstreckte sich über die ungarische Tief- besteht somit aus fossilem Seeboden.
ebene bis an den Karpatenbogen in Rumänien
und bis nach Bosnien im Süden. An seinen tiefsten Die Aussüßung des Wassers führte zum Aus-
Stellen - im heutigen Ungarn - erreichte der sterben der sarmatischen Tierwelt. An ihre Stelle
Pan non-See über 1000 m Wassertiefe. In den trat nun eine einzigartige Fauna. Unter den
uferfernen Becken wurden blaugraue Tone abge- Weichtieren waren die Wandermuscheln am bes-
lagert. Der hohe Anteil an Pyrit und Markasit ten an die neuen Umweltbedingungen angepasst.
(Schwefeleisen) deutet darauf hin, dass der See- Da am schlammigen Seeboden keine Konkurrenz
boden nur schlecht durchlüftet war. Diese Tone durch andere Tiere bestand, konnten die Wan-
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Tongrube Hennersdorf. Hier wird - wie früher an vielen anderen Orten im Süden von Wien - der nWiener Tegeltc abgebaut. Diese Schlamm-
ablagerungen aus dem Pannonium waren die Rohstoffbasis für die Ziegelindustrie. (Foto: M. Harzhauser, NHMW)

dermuscheln alle Biotope besiedeln. Einige hefte- Pannon-See lebten. Die rasche Abfolge neuer
ten sich im bewegten Wasser wie Miesmuscheln Arten und ihre kurze geologische Lebensdauer
an Steine oder Treibholz. Andere bildeten dicke, machen die Wandermuscheln und Melanopsis-
breite Schalen, mit denen sie, halb eingesunken Schnecken zu Leitfossilien, mit deren Hilfe das
auf dem Schlamm liegend, Nahrung aus dem Alter der Sedimente bestimmt werden kann.
Wasser filterten. Schnecken der Gattung iVIela- Am nordwestlichen Ende des Pannon-Sees
nopsis drangen aus den Flussmündungen in die formte das Wiener Becken eine große Bucht. Im
Uferzonen vor und weideten Algen ab. In kurzer Raum von Mistelbach entwickelte sich entlang
Zeit entstanden aus den ursprünglichen Arten des nordwestlichen Seeufers eine ausgedehnte
zahlreiche neue Formen, die ausschließlich im Deltalandschaft, die von einer Vorläuferin der


Ähnlich wie hier das Okawango-Becken im südlichen Afrika (Botswana) kann man sich den Pannonsee vorstellen: ein flacher See, gesäumt von
Wäldern. Hier findet sich auch das größte Binnendelta der Erde - ähnlich wie im Pannonium in Niederösterreich, als die Donau ihr Delta im
Pannonsee bei Mistelbach hatte. (Foto: G. Daxner-Höck)

Donau gebildet wurde. Als Schotterkörper sind gesteine für Erdöl und Erdgas bilden, wurden sie
die Reste des ehemaligen Flusslaufes von Krems intensiv erforscht. Die Deltafläche war durch
über Hollabrunn bis Mistelbach noch heute kleine Zuflüsse und flache Süßwasserseen reich
erkennbar. Im Wiener Becken setzten sich ein- gegliedert. Seerosen, Laichkraut, Wassernuss und
zelne Arme der Ur-Donau noch bis in den Armleuchteralgen sind als Fossilien aus diesem
Norden Wiens fort. Ein vergleichbares Delta Lebensraum überliefert. Hundsfisch, Wolfsbarsch
aus vielen einzelnen Armen bildet heute der und Brassen drangen aus dem Pannon-See bis ins
Mississippi oder die Donau am Schwarzen Meer. Delta vor. Sie sind Hinweis auf die marine Vor-
Da die Schotter- und Sand körper des U r-Donau- geschichte des Sees, da ihre modernen Verwand-
deltas im nördlichen Wiener Becken Speicher- ten Meeresbewohner sind.
(Abb. links)
Zwei doppelklappig erhaltene Exemplare von Congeria
subglobosa; Gesamtdurchmesser 30 cm
Hennersdorf; Pannonium

(Abb. unten)
Schneckengehäuse der Gattung Melanopsis; Bildlänge 30 cm
Siegendorf; Pannonium

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I1

Aceratherium incisivum, Schädel eines hornlosen Nashorns, Prottes. (Foto: Ä. Schumacher)

Wäldern. Aber auch Zelkovie, Flügelnuss und


Amberbaum waren vertreten - Gattungen, die
heure in Mitteleuropa fehlen und nur noch in
Kleinasien und Ostasien sowie in Nordamerika
vorkommen. Dort sind ähnliche Auwälder noch
hellte zu finden. Der größte Bewohner der
Auwälder war der Hauerelefant Deinotherill1ll, der
mit seinen nach unten gebogenen Stoßzähnen
sich Äste herabbog und nach Wasserpflanzen grub .

...$

Hornloses Nashorn Aceratherium. (Grafik: Ä. Major)

In den Flusslandschaften der Molasse-Zone,


die durch die Ur-Donau geprägt wurden, dehn-
ten sich artenreiche, sommergrüne Auwälder
aus, in denen Hirschferkel, Munt jak-Hirsche,
Krallentiere und Nashörner lebten.

Sumpfzypressen, Weiden, Erlen, Pappeln,


Ulmen, Ahorn und Eichen wuchsen in diesen Hauerelefant Deinotherium giganteum. (Grafik: Ä. Major)

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..
:'

Dreizehenpferd Hippotherium primigenium.


Schädel mit Halswirbeln; Inzersdorf. (Foto: A. Schumacher)

Hauerelefant Deinotherium giganteum. Dreizehenpferd Hippotherium. (Grafik: A. Major)


Unterkiefer aus Kettlasbrunn. (Foto: A. Schumacher)

Neben kleinen Schleichkatzen und »Hunde- Das westliche Ufer des Pan non-Sees reichte bis
bären« (Amphicyon) waren Säbelzahnkatzen die knapp an den Alpenostrand. Dichtes Buschwerk
wichtigsten Raubtiere rund um den Pannon-See. und ausgedehnte Wälder säumten seine Ufer.
Ein Gast aus dem Osten war das »Drei-Zehen- Hier herrschte reges Treiben - ungefähr vierzig
Pferd«, das ponygroße H ippotherimn. Es wanderte verschiedene Arten von Kleintieren wurden be-
vor genau 11,2 Millionen Jahren aus Nordame- kannt: Fledermäuse, Schläfer, Hörnchen, Igel und
rika über Asien nach Europa ein und ist daher ein Bisamspitzmäuse. Riesen-Flughörnchen kletter-
guter Zeitmarker. ten in die Baumkronen und glitten von Baum zu

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Baum. Sie nisteten und schliefen in Baumhöhlen sich Sümpfe und Süßwasserseen aus. Die Ur-
und fraßen Früchte, frische Triebe und Blüten- Donau zerschnitt die Beckenlandschaft von Mis-
kätzchen. Fünf Flughörnchen-Arten lebten in tel bach im Norden bis Wolkersdorf und Prottes.
diesen Wäldern, von winzig bis riesengroß. Nördlich von Bruck am Leithagebirge verließ sie
Heure lebende Flughörnchen halten keinen Win- das Wiener Becken und bog über Gois in Rich-
terschlaf und legen nur begrenzte Futtervorräte tung Ungarn. Die Süßwasserseen und Tümpel
an. Dies lässt auf frostfreie Winter und auf ein der Auen der Ur-Donau sind bei Neufeld und
regenteiches, warmes Klima schließen. Zillingdorf in mächtigen Braunkohlelagerstätten
überliefert.
Backenzahn eines großen
Flughörnchens Bis vor 8 Millionen Jahren war das Klima bei
(Albanensia grimmir. uns warm und feucht und ermöglichte eine Viel-
Götzendorf;
falt von Lebewesen. Mit dem Ende des Pannon-
2 x 3 mm; (REM-Aufnahme:
G. Daxner-Höck) Sees verschwanden auch die Auwälder und viele
Tiere, die großen Flughörnchen, Hundebären,
Nabelschweine und Affen. Sie wurden zunehmend
von Steppentieren, wie Gazellen, Antilopen und
Giraffen, abgelöst. Die ersten Stachelschweine
tauchten auf. Hyänen und Säbelzahnkatzen mach-
ten Jagd auf Wiederkäuer, die jetzt in Herden die
lichten Waldbestände bewohnten. Es ist anzu-
Flughörnchen Albanensia. nehmen, dass jahreszeitliche Schwankungen von
(Grafik: A. Major) Temperatur und Niederschlag die augenfälligen
Veränderungen der Tierwelt und ihrer Lebens-
Vor 9 Millionen Jahren begann sich der Pannon- räume verursachten.
See aus dem Wiener Becken zurückzuziehen. Mit dem Ende des Pannonsees endet auch die
Seine Ufer lagen nun im heutigen Ungarn, und viele Millionen Jahre dauernde marine Ge-
zwischen Anninger und Leithagebirge breiteten schichte Österreichs.

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