Stahlbeton I - 1 Einführung - HS2018

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1 Einführung

Teil 1: Entwicklung des Betonbaus

14.09.2016 ETH Zürich | Prof. Dr. W. Kaufmann | Vorlesung Stahlbeton I 1


Vorläufer der Betonbauweise
Emplekton (Süditalien) Opus Caementitium (als Füllung)
Massive Steine, Sand und
Verkleidungsmauern, gefüllt gebrannter Kalk mit
mit Schutt, Steinen und Zugabe von gemahlenen
«Mörtel» Ziegeln und Puzzolanen
(Vulkanasche aus
Puozzoli bei Neapel),
reagieren mit Kalkhydrat
hydraulisch

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Vorläufer der Betonbauweise
Opus caementitium
NB: Unbewehrte Konstruktionen: nur für Druckbeanpruchung
geeignet, dafür sehr dauerhaft (keine Korrosion)

Ø  43 m

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Entwicklung des heutigen Zements
Mittelalter Untergang des Römischen Reichs, Wissen ging verloren, nicht wasserbeständige Lehm-Kalk-(Sand-)Mörtel
17. Jh. Trass (gemahlenes Tuffgestein = natürl. Puzzolan aus der Eifel)
Trassmörtel hydraulisch (= unter Wasser härtend)
18. Jh. J. Smeaton entdeckt den «Romancement» (heute Romankalk) aus gebranntem Ton und Kalkstein.
Hydraulische Eigenschaften, aber nicht optimal
19. Jh. J. Aspdin stellt 1824 aus gebranntem Kalk und Ton künstliche Steine her
• Bezeichnung «Portlandcement» wegen Farbe
• Sein Sohn W. Aspdin erreicht in einer neuen Fabrik für «Portlandcement» Temperaturen >1450°C und
produziert den ersten Zement im heutigen Sinn

Erst Isaac Charles Johnson erkennt 1844 die Bedeutung der einer hohen Brenntemperatur über dem
Sinterungspunkt (in Frankreich gilt L. Vicat als Erfinder des Zements und Entdecker des Klinkers)
20. Jh. Entwicklung von Zementen mit optimierten Eigenschaften

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Zementherstellung in der Schweiz
1833 K. Herosé stellt im Aargau Romancement her
(wird 1903 Teil der Jura-Cement-Fabriken Aarau-Wildegg)
1871 R. Vigier gründet erste Portlandcementfabrik der CH in Luterbach
1879 G. Dubied gründet Cementfabrik in St. Sulpice
1882/90 F. R. Zurlinden baut Cementfabriken in Aarau und Wildegg
(später Jura-Cement-Fabriken A-W, heute Jura Cement)
1912 Portland-Cement-Werk Würenlingen-Siggenthal (PCW)
1913 Aargauische Portlandcementfabrik in Holderbank (später Holderbank Cement und Beton HCB, seit 2001
Holcim)
Heute Jahresproduktion ca. 4.5 Mio t in 6 Zementwerken
Holcim: Siggenthal, Untervaz, Eclépens
Jura Cement: Wildegg, Cornaux
Vigier: Péry

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Erste Anwendungen von bewehrtem Beton
François Coignet (1853/1855)

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System Hennebique

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Bewehrung
Ransome-Eisen System Hennebique

Isteg-Eisen

(glatte Rundeisen)

Kahn Trussed Concrete Steel Co.

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Bedeutende frühe Betonbauten (Auswahl)

Monier (1875) Juracementwerke Wildegg (1890)

Maillart (1930) Sarrasin (1934)

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Bedeutende frühe Betonbauten (Auswahl)

Maillart (1912)
Maillart (1908)

Torroja (1935) Nervi (1936)

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Vorspannung

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Frühe vorgespannte Betonbauten

Marnebrücke Luzancy (1941-46)


Eugène Freyssinet

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Bekannte Betonbauten in der Schweiz – Ch. Menn

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Bekannte Betonbauten in der Schweiz – H. Isler

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Aktuelle Betonbauten in der Schweiz

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Aktuelle Betonbauten in der Schweiz

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Aktuelle Betonbauten in der Schweiz

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Bauwerk Schweiz – Bestand in Mio t (Stand 2015, Quelle: EMPA)
Holz Sonstige
Metalle
37 137
55
Asphalt (1.2%) (4.3%)
(1.7%)
166
(5.2%) Beton
1317
(41.6%)
Mauerwerk
380
(12.0%)

Kies, Sand
1074
(33.9%)

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1 Einführung

Teil 2: Baustoffe
(Herstellung und Anforderungen)

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Wichtigste Normen im Betonbau in der CH
SIA 262 Betonbau
Bemessung von Betontragwerken (weitgehend kompatibel zur EN 1992)

SIA 262/1 Betonbau – Ergänzende Festlegungen


Verweisungen und Baustoffprüfungen zur SIA 262

SIA 269/2 Erhaltung von Tragwerken – Betonbau


Tragwerksanalyse, Zustandserfassung und -Beurteilung, Erhaltungsmassnahmen

SN EN 206-1 Beton – Teil 1


SN EN 206-1/NE (2013): Nationale Elemente zur SN EN 206-1
Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität von Beton

SN EN 197-1 Zement - Teil 1


Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien von Normalzementen

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Zementherstellung (Quelle: Holcim)

1 Steinbruch (Kalkstein und Mergel) 8 Drehrohrofen


2 Brecher Umwandlung von Rohmehl in Klinkermineralien bei
ca. 1450°C
3 Transport
9 Klinkerkühler
4 Mischbett
10 Klinkersilo
5 Rohmehlmühle (und Trocknung)
11 Zementmühle mit Gipsbeigabe
6 Entstaubung (Mühle und Ofen)
12 Logistik
7 Vorwärmer Transport in Waggons oder Säcken

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Zementherstellung (Quelle: Jura Cement)

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Zementsorten
Bezeichnung nach Hauptzementarten und Hauptbestandteilen (SN EN 197-1):
CEM I Portlandzement (Klinkeranteil: 95…100%)
CEM II/A, B Portlandkomposit-Zement (II/A 80…94%, II/B 65…79%)
CEM III/A, B, C Hochofenzement (III/A 35…64%, III/B 20…34%, III/C 5…19%)
(CEM IV Puzzolanzement und CEM V Komposit-Zement in Schweiz unüblich)

Bestandteile: …-L, -LL Kalkstein


(-M: Kombination) …-T Gebrannter Schiefer
…-D Silicastaub
…-V, -W Flugasche
…-S Hüttensand (CH: Import)
…-P, -Q Puzzolane

Weitere Bezeichnungen: Festigkeitsklasse 32.5, 42.5, 52.5


Anfangsfestigkeit N (normal), R (hoch)
Hydratationswärme LH (niedrig); ohne Angabe normal
Sulfatwiderstand SR/HS (hoch); ohne Angabe normal

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SIA-Register der freigegebenen Zementsorten

Anwendung sind andere Zemente besser geeignet


Es gibt nicht einfach «Zement» (CEM I). Je nach
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Betonzusammensetzung

Wasser ca. 120…180 l und Zusatzmittel


Zement ca. 280…320 kg und Zusatzstoffe

0…4 mm

4…8 mm
0 Gesteinskörnung ca. 1’900 kg
8…16 mm 0 («Zuschlagsstoffe»)

16…32 mm

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Beton nach SN EN 206-1
EN 206-1 Beton - Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität

Beton nach Eigenschaften

C30/37 XC4, XF1 Dmax = 32 Cl 0.10 C3

Druck- Expositions- Grösstkorn Chlorid- Konsistenz-


festigkeits- Klasse(n) Gehalts- klasse
klasse klasse

Rohdichte

Zusätzliche Anforderungen (z.B. F/T-, AAR- und Sulfatwiderstand)

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Beton nach SN EN 206-1
EN 206-1 Beton - Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität

Beton nach Eigenschaften

C30/37
𝑓𝑐𝑘 𝑓𝑐𝑘,𝑐𝑢𝑏𝑒

𝑓𝑐𝑘 𝑓𝑐𝑘,𝑐𝑢𝑏𝑒
[MPa] [MPa] 300 150

Prüfung im Alter von 28 Tagen, nach 150


Lagerung in Wasser oder RH≥ 95% 150

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Beton nach SN EN 206-1
EN 206-1 Beton - Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität

Beton nach Eigenschaften

C30/37 XC4, XF1 Dmax = 32 Cl 0.10 C3

Druck- Expositions- Grösstkorn Chlorid- Konsistenz-


festigkeits- Klasse(n) Gehalts- klasse
klasse klasse

Rohdichte

Zusätzliche Anforderungen (z.B. F/T-, AAR- und Sulfatwiderstand)

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Beton nach SN EN 206-1
Übliche Anwendungen: NPK-Betonsorten (Pfähle und Schlitzwände: Sorten H-L)

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Beton nach SN EN 206-1
Übliche Anwendungen: NPK-Betonsorten (Pfähle und Schlitzwände: Sorten H-L)

Druckfestigkeitsklasse C25/30 oder C30/37

Hauptunterschied: Expositionsklassen

Grösstkorn Dmax = 32
Chloridgehaltsklasse Cl 0.10
Konsistenzklasse C3

Weiterer Unterschied: Frost-Tausalz-Beständigkeit

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Expositionsklassen nach SIA 262
X0 keine Schädigung / kein Angriff (unbewehrter Beton)
XC Bewehrungskorrosion in karbonatisiertem Beton
XC1 trocken / ständig nass (in Gebäuden mit geringer Luftfeuchtigkeit)
XC2 nass, selten trocken (langzeitig wasserbenetzte Oberflächen)
XC3 mässig feucht (vor Regen geschützte Oberflächen im Freien)
XC4 wechselnd nass und trocken (wasserbenetzte Oberflächen  XC2)
XD Bewehrungskorrosion induziert durch Chloride (z.B. Taumittel)
XD1 mässig feucht (Sprühnebelbereich von Strassen)
XD2 nass, selten trocken (a/b: Süsswasser-/Soleschwimmbecken, SABA)
XD3 wechselnd nass und trocken (Spritzwasserbereich von Strassen)
XS Bewehrungskorrosion bei Kontakt mit Meerwasser (XS1…XS3)
XF Gefügeschädigung des Betons bei Frosteinwirkung mit/ohne Taumittel
XF1 mässige Wassersättig. ohne Taumittel (vert. Oberfl., Regen + Frost)
XF2 mässige Wassersättig. mit Taumittel (vert. Oberfl., Sprühnebel)
XF3 hohe Wassersättig. ohne Taumittel (horiz. Oberfl., Regen + Frost)
XF4 hohe Wassersättig. mit Taumittel (Sprühnebel/Spritzwasser + Frost)
XA Chemischer Angriff durch natürl. Böden und Grundwasser (XA1…XA3)

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Beton nach SN EN 206-1
Übliche Anwendungen: NPK-Betonsorten (Pfähle und Schlitzwände: Sorten H-L)
NPK A…C NPK D…F
Hochbaubetone Tiefbaubetone

XC4
XC2 / XC3 XD1 / XD3
XF1 XF2 / XF4

Frost-Tausalz-Widerstand
mittel / hoch

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Konsistenzklassen

Setzmass
S1 (10…40 mm)
bis
S5 (≥ 220 mm)

Verdichtungsmass nach Walz 400


C 
C0 (≥ 1.46) 400 - s
bis
C3 (1.10…1.04)

Ausbreitmass
F1 (≤ 340 mm)
bis
F6 (≥ 630 mm)

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Konsistenzklassen

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Nachbehandlung

Die Nachbehandlung ist für die Dauerhaftigkeit von zentraler Bedeutung


Nachbehandlungsdauer gem. SIA 262/Tabelle 23 ist mit Vorsicht anzuwenden
(bei schneller Druckfestigkeitsentwicklung resultiert zu kurze Nachbehandlung)

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Betontemperaturentwicklung während der Zementhydratation
Beispiel (kein besonders dickes Bauteil) [°C]

Einfluss der Bauteildicke auf die Betontemperatur


Zeit [h]
50
- Zementgehalt 360kg/m3
40 - Temperatur gemessen in Bauteilmitte
Temperatur [°C]

- Bauteildicken in mm
30

20

10

0
0 2 4 6 8 10 12 14
Zeit [d]
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Bewehrung / Betonstahl
• Gerippter Stabstahl in verschiedenen Duktilitätsklassen, üblich fsk = 500 MPa
• warmgewalzt / aus der Walzhitze vergütet / kaltverformt / mikrolegiert;
praktisch 100% wiederverwerteter Stahl (Eisenschrott)
• Übliche Ø: 6 / 8 / … / 22 / 26 / 30 / 34 / 40 mm (EU Ø25/28/32 statt Ø26/30/34)
• SIA-Register normkonformer Betonstähle resp. Bewehrungsmatten; zertifizierte Hersteller in der Schweiz: Swiss Steel,
Stahl Gerlafingen, RUWA
Stabstahl Ringmaterial Geschweisste Matten

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Bewehrung / Betonstahl
• Abbiegen von Betonstahl (Biegerei, Baustelle unüblich)

• Standardbiegeformen, Radien etc.  Eisenlisten

• Nichtmetallische Bewehrung (z. Bsp. GFK) hat sich bisher nicht etablieren können

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Bewehrung / Betonstahl
• Neben geraden und gebogenen Bewehrungsstäben sowie geschweissten Matten kommen heute zahlreiche
Bewehrungsprodukte zum Einsatz, beispielsweise:

Kragplattenanschluss Bewehrungsanschluss Schraubbewehrung


(Abb: ACINOXplus) (Abb: HalfenHBT) (Abb: Bartec)

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Bewehrung / Spannstahl
• Hochfester Stahl (Fliessgrenze 2…4 mal höher als Betonstahl)
• Niedrige Relaxation und ausreichende Duktilität  anspruchsvoll, in letzten Jahren immer höhere Festigkeiten (aktuell:
Litzen mit fp0.1k = 1860 MPa)
• Stäbe Drähte Litzen
Ø20 / 26 / 32 / 36 mm Ø3 … 11 mm Ø15.7 / 15.3 / 12.9 mm

 kurze Spannglieder  Vorfabrikation  Ortsbeton (in Kabeln)


 Vorfabrikation (einzeln)
• Für besondere Anforderungen (Schrägseilbrücken) Korrosionsschutz durch Verzinkung und /oder Ummantelung oder
(billiger) Epoxidharzbeschichtung der Drähte oder Litzen
• Weitere Formen (vollverschlossene Seile etc.)  Hängebrücken etc.
• Herstellung weltweit, Litzenspannsysteme heute sehr verbreitet

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Bewehrung / Litzenspannsysteme
• Verzeichnis der zugelassenen Spannsysteme ( Empa)
• Korrosionsschutz: Kategorie a (Stahlhüllrohr), Kategorie b (Kunststoffhüllrohr), Kategorie c (elektrisch isoliert)  bei
Kriechstromgefährdung sinnvoll
• Bewegl. Verankerung Kupplung (fest) Hüllrohre Querschnitt

• Beispiel: Litzen-Spannglied Kategorie b (Quelle: Stahlton)

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Bewehrung / Korrosion
• Bewehrung ist durch Alkalität des Betons (pH  12.5) vor Korrosion geschützt
• Mit der Zeit karbonatisiert der Beton (chemische Umwandlung der alkalischen Bestandteile des Zementsteines durch
CO2 in Calciumcarbonat, pH-Wert sinkt)
• Bei hohem Chloridgehalt korrodiert Bewehrung auch in nicht karbonisiertem Beton, wobei die Korrosion sehr lokal sein
kann (Lochfrass; als «kritischer Chloridgehalt» oft 0.4 Massen-% Cl/Z angenommen, nur grobe Annahme)
 Korrosion, wenn Karbonatisierung oder Chloride bis auf Höhe der Bewehrung vorgedrungen sind
 Alkalität des Betons, Betonüberdeckung, Dichtigkeit Überdeckungsbeton (und weitere Faktoren) entscheidend für
Dauerhaftigkeit
• Betonstahl mit erhöhtem Korrosionswiderstand (auch bei höheren Chloridgehalten) in der Schweiz bisher nur selten
eingesetzt (höherer Preis), mit Ausnahme niedrig legierten Betonstahls («Top 12») für exponierte Bauteile
• Verzinkter Betonstahl in der Schweiz ebenfalls nur selten eingesetzt
• Epoxidharzbeschichteter Betonstahl ist anfällig auf Lochfrass-Korrosion bei Beschädigungen und wird in der Schweiz
nicht eingesetzt

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Stahlbeton = Beton + Betonstahl
• Formgebung durch Schalung, in welche Betonstahl verlegt wird und später der Beton eingegossen und verdichtet wird,
wo er erhärtet
• Beispiel T-Träger mit Schalung, Bewehrung und Teil des erhärteten Trägers aus Studentenversuch in früherer Vorlesung:

Druckgurt

Zuggurt

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Schalung, Bewehrung und fertiger Beton auf der Baustelle

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Freie Formgebung – Viele Möglichkeiten für Architekten

14.09.2016 ETH Zürich | Prof. Dr. W. Kaufmann | Vorlesung Stahlbeton I 44


Fertigelemente – Hohe Qualität trotz komplizierter Schalung

14.09.2016 ETH Zürich | Prof. Dr. W. Kaufmann | Vorlesung Stahlbeton I 45


Neubau Bettenhaus Triemli Spital, Zürich

14.09.2016 ETH Zürich | Prof. Dr. W. Kaufmann | Vorlesung Stahlbeton I 46


1 Einführung

Teil 3: Bemessungskonzepte

14.09.2016 ETH Zürich | Prof. Dr. W. Kaufmann | Vorlesung Stahlbeton I 47


Frühere Normen

14.09.2016 ETH Zürich | Prof. Dr. W. Kaufmann | Vorlesung Stahlbeton I 48


Frühere Normen

1903
1906
1909
1915

1935

1942

1956

1968

1976

1989
1993
SIA 262 Betonbau 2003
Teilrevision SIA 262 2013
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Sicherheitskonzepte frühere Normen
(Anfänge bis 1960er Jahre)
Auswirkungen
Fokus auf
Gebrauchsverhalten
Materialfestigkeiten

Spannungsnachweis
(Beispiel: «schiefe
Hauptzugspannung»)
«Zulässige Spannungen»
(Basis: Erfahrungswerte)

Auswirkungen
(Kennwerte,
elastisch ermittelt)

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Plastische Bemessungsverfahren
Paradigmenwechsel in den 1960er Jahren

• Bemessung bis in 1960er Jahre: «zulässige Spannungen» für am elastischen System auf Gebrauchsniveau ermittelte
Schnittgrössen, Fokus auf Verhalten im Gebrauchszustand
(= implizite Begrenzung der Verformung und genügender Abstand zu einem möglichen Versagen)

• Problem, bereits von Melan (1938) erkannt:


"... dass die Aufgabe, die Spannungen in einem elastisch-plastischen Körper zu bestimmen, die Kenntnis der in dem
betreffenden Augenblick bereits vorhandenen bleibenden Dehnungen voraussetzt. Nachdem diese aber von den
vorangegangenen Belastungszuständen abhängen, ist es notwendig, die Vorgeschichte der Belastung zu kennen. In der
Praxis liegen nun in den weitaus meisten Fällen die Verhältnisse so, dass verschiedene Belastungszustände möglich sind,
die in beliebiger Reihenfolge und beliebig oftmalig einander folgen können. Es wird also der von einer bestimmten
Belastung hervorgerufene Spannungszustand im allgemeinen nicht der gleiche sein, wenn diese Belastung nach einer
Reihe von Belastungswechseln wieder auftritt. Da, wie schon erwähnt, die Reihenfolge der Belastungen willkürlich zu sein
pflegt, hat die Frage nach einem Spannungszustand bei einer bestimmten Belastung keinen Sinn".

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Plastische Bemessungsverfahren
Paradigmenwechsel in den 1960er Jahren
• Spannungs- und Verformungsberechnungen im Gebrauchszustand werden durch vielfältige initiale Spannungszustände
erschwert und grundsätzlich in Frage gestellt. Ursachen:
- Herstellungsprozess Betonbau: Etappierung, abfliessende Hydratationswärme, …
- Herstellungsprozess Stahlbau: Abkühlung aus Walzhitze, Schweissungen, ...
- Zwangsbeanspruchungen (Temperaturdifferenzen, Setzungsdifferenzen, …)
- Zeitabhängiges Materialverhalten (Schwinden, Kriechen, Relaxation)
- …

• Die Traglast ist hingegen bei ausreichend duktilem Verhalten von der Belastungsgeschichte unabhängig (Ausnahme:
Stabilitätsprobleme)

 Paradigmenwechsel in den 1960er Jahren:


- Einführung plastischer Berechnungsmethoden mit Fokus den Tragwiderstand
- Spannungsnachweis durch Bruchnachweis (plastizitätstheoretischen Traglast ) ersetzt
- zulässige Belastung im Gebrauchszustand über Sicherheitsfaktoren «rückrechenbar»

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Plastische Bemessungsverfahren

• Heutige Bemessungskonzepte und Bemessungsmodelle beruhen weitgehend auf der Plastizitätstheorie


• Die ETH Zürich spielte bei deren Entwicklung eine zentrale Rolle – namentlich die Professoren Bruno Thürlimann und
Peter Marti
• International ist dies als «Zürcher Schule» bekannt. Sie basiert auf konsistenten mechanischen Modellen und deren
Überprüfung mit Grossversuchen
• Weitere wichtige Beiträge kamen insbesondere aus Dänemark und England. Später wurden viele dieser Beiträge in
anderen Ländern «wiederentdeckt».

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Plastische Bemessungsverfahren
Frühe Fachwerkmodelle (anschaulich)

K. W. Ritter, «Die Bauweise Hennebique» (1899) E. Mörsch, «Der Eisenbetonbau» (1908) E. Mörsch, «Der Eisenbetonbau» (1922)

Elastische Bemessung mit Hauptzugspannungen (semi-empirisch)

E. Mörsch, «Der Eisenbetonbau» (1908) M. Ritter, «Vorlesung Massivbau» (ca. 1940) P. Lardy, «Vorlesung Massivbau» (1951)

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Plastische Bemessungsverfahren
Frühe Fachwerkmodelle (anschaulich)

K. W. Ritter, «Die Bauweise Hennebique» (1899) E. Mörsch, «Der Eisenbetonbau» (1908) E. Mörsch, «Der Eisenbetonbau» (1922)

Heutige Fachwerkmodelle / Spannungsfelder: Plastizitätstheorie = konsistente Grundlage

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Betonbau an der ETH – ehemalige Professoren

Karl Culmann Karl Wilhelm Ritter Emil Mörsch Arthur Rohn Max Ritter
1821-1881 1847-1906 1872-1950 1878-1956 1884-1946
Prof. 1855-1881 Prof. 1882-1904 Führende
Prof. 1904-1908 Prof.1908-26/48
Rolle bei der Anwendung der Prof. 1927-1946
( Ritter) ( Mörsch) ( A. Rohn) ( Ritter – Beton ( Lardy)
Plastizitätstheorie im Stahlbetonbau
Karner – Stahl)

Pierre Lardy Bruno Thürlimann Hugo Bachmann Christian Menn Peter Marti
1903-1958 1923-2008 1935 1927 1949
Prof. 1946-1958 Prof. 1960-1990 Prof. 1969-2000 Prof. 1971-1992 Prof. 1990-2014
( Thürlimann) ( Marti) ( Stojadinovic) ( Vogel) ( Kaufmann)
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Plastische Bemessungsverfahren

Bachmann / Thürlimann Maier / Thürlimann


(1965) (1985)

Stoffel / Marti
(1995)

Sigrist / Marti Kaufmann / Marti


(1992) (1995)

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Sicherheitskonzepte frühere Normen
Auswirkungen
(Normgeneration SIA 1968/74)
Tragwiderstand
Fokus auf
Tragsicherheit
(Bauteil-)Widerstand
(zB. 2%-Fraktilwerte)
«Bruchniveau»

«Globale Sicherheit»
> Sicherheitsfaktor g

«Gebrauchsniveau»
Auswirkungen
(Kennwerte)

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Sicherheitskonzepte frühere Normen
Auswirkungen
(Normgeneration SIA 1989/90)
Tragwiderstand

(Bauteil-)Widerstand
(zB. 2%-Fraktilwerte)

Bemessungswert des
Widerstandsfaktor gR Tragwiderstands

«Bemessungsniveau» ≤
Lastfaktoren gG, gQ Bemessungswert der
Auswirkungen
Auswirkungen
(Kennwerte)

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Sicherheitskonzept Swisscodes
Auswirkungen
Tragwiderstand

Charakterist. Werte
der Widerstände
Rk
Bemessungswert des
Widerstandsbeiwerte gM  gm·gR Tragwiderstands
Umrechnungsfaktoren h Rd  h·Rk /gM

«Grenzzustand» ≤
Lastbeiwerte gF  gf·gS Bemessungswert der
Auswirkungen
Repräsentative Werte Ed  gF·Ek
der Einwirkungen
Ek

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Swisscodes: Bemessungskonzept (vereinfacht)
Partialfaktoren in SIA 267 bei
Unsicherheit in Baugrund

Umrechnung h
«Widerstands-
Xk
Baustoffe /
Baugrund
gm beiwerte»
Regel, ausser in
gM  gm·gR SIA 267 bei Un- Rd
sicherheit in Modell
Widerstand gR
Nachweise mit Bemessungswerten: Ed ≤ Rd
Modelle Regel: Auswirkungen Ed = gF·Ek
Tragwiderstand Rd = h·Rk /gM
Einwirkung gS
gF  gf ·gS «Lastbeiwerte»
SIA 260 (gG, gQ) Ed

Frep Einwirkungen gf

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Probabilistisches Bemessungskonzept (schematisch)
Dichtefunktion
(Wahrscheinlichkeit)

Auswirkungen E

Ek

1.64·sE (*)

5%
Auswirkungen
(*) bei Normalverteilung

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Probabilistisches Bemessungskonzept (schematisch)
Dichtefunktion
(Wahrscheinlichkeit)

Rk

1.64·sR (*) Tragwiderstand R

5%
Tragwiderstand
(*) bei Normalverteilung

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Probabilistisches Bemessungskonzept (schematisch)
Dichtefunktion
(Wahrscheinlichkeit)

Rk
Auswirkungen E Tragwiderstand R

Ek

Auswirkungen
E > R: Versagen
Tragwiderstand

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Sicherheitskonzept Swisscodes
Auswirkungen
Tragwiderstand

Charakterist. Werte
der Widerstände
Rk
Bemessungswert des
Widerstandsbeiwerte gM  gm·gR Tragwiderstands
Umrechnungsfaktoren h Rd  h·Rk /gM

«Grenzzustand» ≤
Lastbeiwerte gF  gf·gS Bemessungswert der
Auswirkungen
Repräsentative Werte Ed  gF·Ek
der Einwirkungen
Ek

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Sicherheitskonzept Swisscodes
Übersicht: Bemessung nach SIA 260

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Sicherheitskonzept Swisscodes
Grenzzustände der Tragsicherheit (SIA 260)

Typ 1 Gesamtstabilität
Kippen, Abheben, Aufschwimmen als starrer Körper Ed,dst ≤ Ed,stb
(stabilisierende / destabilisierende Auswirkungen)

Typ 2 Erreichen Tragwiderstands Tragwerk oder Bauteil(e)


Bruch, Umwandlung in Mechanismus, Stabilitätsverlust

Typ 3 Erreichen Tragwiderstands Baugrund


Hangrutschung, Böschungsbruch, Geländebruch
Ed ≤ Rd
Typ 4 Ermüdung
Erreichen Ermüdungsfestigkeit Bauwerk oder Bauteil(e)

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Sicherheitskonzept Swisscodes
Ermittlung von Ed nach SIA 260 und SIA 262

• Die Tragwerksanalyse soll im Allgemeinen nach dem unteren Grenzwertsatz der Plastizitätstheorie (statische Methode)
vorgenommen werden (…)
• Ein duktiles Verhalten ist durch konstruktive Massnahmen (z.B. Verbügelung der Biegedruckzone), die Wahl der Baustoffe
und das Einlegen einer Mindestbewehrung sicherzustellen.
• Schnittgrössen statisch unbestimmter, vorwiegend auf Biegung beanspruchter Bauteile (…) können unter Einhaltung der
Gleichgewichtsbedingungen (…) ohne rechnerischen Nachweis des Verformungsvermögens umgelagert werden, wenn
(…)

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Sicherheitskonzept Swisscodes
Andauernde und vorübergehende Bemessungssituationen:
𝐸𝑑 = 𝐸 𝛾𝐺 𝐺𝑘 , 𝛾𝑃 𝑃𝑘 , 𝛾𝑄1 𝑄𝑘1 , 𝜓0𝑖 𝑄𝑘𝑖 , 𝑋𝑑 , 𝑎𝑑

Aussergewöhnliche Bemessungssituationen:
𝐸𝑑 = 𝐸 𝐺𝑘 , 𝑃𝑘 , 𝐴𝑑 , 𝜓2𝑖 𝑄𝑘𝑖 , 𝑋𝑑 , 𝑎𝑑

Mit den Bezeichnungen:


𝐺𝑘 ständige Einwirkungen
𝑃𝑘 Vorspannung
𝑄𝑘1 (veränderliche) Leiteinwirkung
𝑄𝑘𝑖 (veränderliche) Begleiteinwirkungen
𝑋𝑑 Bemessungswert Baustoff-/Baugrundeigenschaften
𝑎𝑑 Bemessungswert geometrische Grössen
𝛾 Lastbeiwerte
𝜓 Reduktionsbeiwerte

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Sicherheitskonzept Swisscodes
Lastbeiwerte für die verschiedenen Grenzzustände:

Weitaus am
häufigsten
verwendet!

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Sicherheitskonzept Swisscodes
Reduktionsbeiwerte 𝝍 (< 1)

Berücksichtigung der reduzierten Wahrscheinlichkeit, dass die ungünstigsten Werte mehrerer unabhängiger Einwirkungen
gleichzeitig auftreten:

𝜓0 seltener Wert einer veränderlichen Einwirkung (Begleiteinwirkung)


𝜓1 häufiger Wert einer veränderlichen Einwirkung (z.B. 1% der Zeit)
𝜓2 quasi-ständiger Wert einer veränderlichen Einwirkung (z.B. 50% der Zeit)

(in der Regel ist es ausreichend,


nur eine einzige veränderliche Begleiteinwirkung anzusetzen)

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Sicherheitskonzept Swisscodes
Reduktionsbeiwerte 𝝍 (< 1): Beispiel für Hochbauten, SIA 260 Tab. 2

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Sicherheitskonzept Swisscodes
Ermittlung von Rd nach SIA 262
𝜂𝑓𝑐 𝜂𝑡 𝑓𝑐𝑘
𝑓𝑐𝑑 = Betondruckfestigkeit
𝛾𝑐
0.3𝜂𝑡 𝑓𝑐𝑘
𝜏𝑐𝑑 = Schubspannungsgrenze Beton
𝛾𝑐
𝑓𝑠𝑘
𝑓𝑠𝑑 = Fliessgrenze Betonstahl
𝛾𝑠
𝑓𝑝0.1𝑘
𝑓𝑝𝑑 = Fliessgrenze Spannstahl
𝛾𝑠

mit gc  1.5, gs  1.15 (als Widerstandsbeiwerte im Sinne von gM  gm·gR)


3 30MPa
𝜂𝑓𝑐 = ≤1 (spröderes Verhalten höherfester Betone)
𝑓𝑐𝑘

ht  1.0 (normal), ht  0.85 (>90% ständige Lasten), ht  1.2 (Stoss)


𝑓𝑐𝑚 𝑡𝐿
𝜂𝑡 = 0.85 ≤ 1 bei Prüfalter tP > 28d oder Alter bei Belastung tL < 28d
𝑓𝑐𝑚 (𝑡𝑝 )

In SIA 262 sind direkt die Bemessungswerte der Widerstände fcd, tcd, fsd, und fpd angegeben (Umrechnungsfaktoren h und allf.
Korrekturfaktoren k sind je nach Widerstandsmodell einsetzen)

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Tragwerksanalyse
Einwirkungen Baustoffe Statisches System

Statische Rand- Gleichgewichts- Stoffbeziehungen kinematische kinematische


bedingungen bedingungen Beziehungen Randbed.

Elastische Lösung

Minimum der Analytische Minimum der


Komplementär- Lösungen potentiellen
energie («exakt») Energie

Spannungs- Deformations-
zustand zustand
Plastische Lösung / Traglastverfahren

Statische Vollständige Kinematische


Methode: Lösung Methode:
unterer Grenzwert oberer Grenzwert

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Traglastverfahren
Prinzip der maximalen Dissipationsarbeit
Fliessbedingung konvex, plastische Verzerrungsinkremente orthogonal zur Fliessbedingung
 Dissipationsarbeit maximal (= Basis der Grenzwertsätze der Plastizitätstheorie)
Verallgemeinerte Spannungen und Verzerrungen
Einführung kinematischer Bindungen  Betrachtung von Projektionen der Fliessbedingung (Beispiel Hypothese von Bernoulli
für Balkenbiegung: 𝛔  {M, N } und 𝛆  {χ, ε0 })
Projizierte Grössen = verallgemeinerte Spannungen und Verformungen
Bei Projektion «verlorene» Spannungskomponenten = verallgemeinerte Reaktionen
Prinzip der maximalen Dissipationsarbeit und Folgesätze sind auch in verallgemeinerten Grössen gültig

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Traglastverfahren
Unterer (statischer) Grenzwertsatz
Jede Belastung, zu der sich ein statisch zulässiger Spannungszustand angeben lässt, der die Fliessbedingung nirgends
verletzt, liegt nicht höher als die Traglast.
(statisch zulässig: Gleichgewichtsbedingungen und statische Randbedingungen erfüllt)

Oberer (kinematischer) Grenzwertsatz


Jede Belastung, welche aus der Gleichsetzung der Arbeit der äusseren Kräfte bei einem kinematisch zulässigen
Verformungszustand mit der zugehörigen Dissipationsarbeit resultiert, liegt nicht tiefer als die Traglast.
(kinematisch zulässig: kinematische Relationen und kinematische Randbedingungen erfüllt)

Verträglichkeitssatz
Jede Belastung, zu der eine vollständige Lösung angegeben werden kann, ist eine Traglast.
(vollständige Lösung: statisch zulässiger Spannungszustand, der die Fliessbedingung nirgends verletzt, und mit diesem nach
der Theorie des plastischen Potentials verträglicher, kinematisch zulässiger Verformungszustand)

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Traglastverfahren
Wichtigste Folgerungen aus den Grenzwertsätzen
• Eigenspannungen haben keinen Einfluss auf die Traglast (solange die resultierenden Verformungen infinitesimal klein
bleiben)
(NB: Gilt nur für Traglastverfahren; bei elastischen Analysen und insbesondere Stabilitätsproblemen ist die Versagenslast
vom Eigenspannungen abhängig)
• Durch Erhöhen der Fliessgrenze oder Hinzufügen von gewichtslosem Material wird die Traglast nicht erniedrigt
• Die auf der Grundlage einer der wirklichen Fliessfläche umschriebenen (eingeschriebenen) Fliessfläche berechneten
Traglasten sind obere (untere) Grenzwerte der wirklichen Traglast

Anwendung der Grenzwertsätze


In der Praxis wird vorwiegend der untere Grenzwertsatz verwendet. Typische Anwendungen: Fachwerkmodelle und
Spannungsfelder für Scheiben, Streifenmethode für Platten.
Viele nationale und internationale Normvorschriften beruhen (meist nur implizit und vielen Leuten nicht bewusst) auf dem
unteren Grenzwertsatz.
Der obere Grenzwertsatz ist in der Praxis vor allem bei der Beurteilung der Tragsicherheit bestehender Bauwerke hilfreich
(Eingrenzung der Traglast, oft mit deutlich geringerem Aufwand möglich als die Entwicklung eines statisch zulässigen
Spannungszustandes, der die durch die bestehende Konstruktion gegebene Fliessbedingung nirgends verletzt).

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Traglastverfahren
Nutzen der Anwendung plastischer Bemessungsverfahren
Die Anwendung plastischer Bemessungsverfahren im Stahlbetonbau ist Gegenstand der Vorlesungen Stahlbeton I und II. Sie
vereinfacht die Bemessung neuer Tragwerke erheblich:

Duktil konstruieren

 spröde Versagen verhindern


• einfache Modelle ausreichend
 Anwendbarkeit plastischer
Bemessungsverfahren gewährleisten • Zwängungen vernachlässigbar

• Redundanz und Robustheit


Plastisch bemessen
Probleme konzeptionell lösen
 Kraftfluss gezielt beeinflussen
und konsequent verfolgen Konstruieren statt berechnen

 Tragwerkselemente übernehmen
klar definierte Funktion

NB: Bei bestehenden Tragwerken sind dagegen die Voraussetzung für die Anwendung plastischer Bemessungsverfahren oft nicht erfüllt, so
dass vertiefte Untersuchungen notwendig sind (Überprüfung des Verformungsverhaltens, Last-Verformungsanalysen etc.)  Stahlbeton III

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Bemessung neuer Bauwerke

Duktil konstruieren

 spröde Versagen verhindern


• einfache Modelle ausreichend
 Anwendbarkeit plastischer
Bemessungsverfahren gewährleisten • Zwängungen vernachlässigbar

• Redundanz und Robustheit


Plastisch bemessen
Probleme konzeptionell lösen
 Kraftfluss gezielt beeinflussen
und konsequent verfolgen Konstruieren statt berechnen

 Tragwerkselemente übernehmen
klar definierte Funktion Stahlbeton I/II
 Bachelorabschluss
 Vertiefung … ( Konstruktion)

14.09.2016 ETH Zürich | Prof. Dr. W. Kaufmann | Vorlesung Stahlbeton I 79


Verantwortungsbewusstsein
und Berufsstolz
14.09.2016 ETH Zürich | Prof. Dr. W. Kaufmann | Vorlesung Stahlbeton I 80

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