Elisabeth Auf Sylt
Elisabeth Auf Sylt
Elisabeth Auf Sylt
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In unserer Zeit pulsiert und boomt auf Sylt der Die Jagd auf den Wal – das „Goldene Zeitalter“ für Sylt –
Tourismus, sodass in den Sommermonaten fast begann mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, als
regelmäßig der Verkehrsinfarkt droht. Die Nordseeinsel die Niederländer nach der Befreiung von der Habs-
mit seinen schönen Stränden und einem oft stürmischen burgermonarchie auf die Beschäftigung spanischer
Meer steht weitgehend unter Natur- und Landschafts- Seeleute in ihrer Walfangflotte verzichteten.
schutz und ist reich an vorgeschichtlichen Denkmälern. Um die ärmlichen Lebensverhältnisse auf Sylt zu
Einst siedelten die Wikinger, Seeräuber und Strand- verbessern, schlossen sich die Inselbewohner den
Piraten trieben ihr Unwesen sowie Walfänger und Niederländern an und traten an die Stelle der spanischen
Heringsfischer kamen zu Wohlstand. Das Eiland wurde Seeleute. Seit 1642 sind Sylter Kommandeure (Kapi-
im Ersten und Zweiten Weltkrieg zum „Sperr- und täne) in Diensten der Niederländer bezeugt. Einer der
Festungsterrain“ erklärt und 1945/1946 waren in den ersten war Lorens de Hahn, der bei Geburt noch Lorens
Wehrmacht-Baracken vorübergehend Flüchtlinge aus Petersen hieß.
den deutschen Ostgebieten, aber auch aus Helgoland,
untergebracht. Die Engländer hatten Helgoland zum
militärischen Sperrgebiet und Bombenabwurfplatz für die
britische Luftwaffe erklärt, weitestgehend zerstört und
erst am 01.03.1952 freigegeben, sodass die Helgoländer
danach wieder heimkehren konnten.
Der Türwächter.
Es war früher auf Sylt nicht üblich, die Türen
abzuschließen. Man hängte solche Bilder einfach an
Sylt auf einer Karte von Johannes Mejer die Wand, um das Haus zu schützen. Dieser
im Jahre 1648. Türwächter schmückte vermutlich den Zugang zur
Abb. 02 Gerichtsstube des Sylter Landvogtes in der 2. Hälfte
des 18. Jahrhunderts.
Abb. 03
Seit Menschengedenken veränderten die Sturmfluten an Von 1693 bis 1735 befehligte er Walfangschiffe und
den Küsten in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und schon ab 1713 amtierte Lorens de Hahn als Strand-
auf Sylt das Gefilde nachhaltig. Und die Insulaner hatten Inspektor auf Sylt. Er achtete insbesondere darauf, dass
der Not gehorchend zum Überleben keine andere Wahl – die königlichen Verordnungen befolgt und vor allem der
nachdem die Unwetter immer wieder ihr Weide- und Diebstahl von Strandgut unterbunden wurde. Lorens de
Ackerland verwüsteten –, als den Lebensunterhalt durch Hahn galt auf der Insel Sylt als „ein Zuchtmeister der
andere Erwerbsquellen zu bestreiten. Wohl oder übel Strandräuber“.
suchten sie eine Zeit lang ihr Heil in der Piraterie, Die Routen der Walfangschiffe berührten hauptsächlich
Herings-Fischerei, Salzgewinnung oder die Männer die Küsten von Norwegen, Spitzbergen und Grönland.
fuhren auf längere Walfang-Expeditionen, die Sylt Das Leben und die Arbeitsbedingungen auf den Schiffen
letztlich zu Reichtum führten. Seit 1854/1855 sichert waren aufreibend und gefährlich und mit hohen Ver-
nunmehr der Fremdenverkehr bzw. der Touristenstrom lusten an Menschenleben verbunden. Nicht nur die Jagd
und nicht zuletzt die Touristik insgesamt das Aus- auf den mächtigen Pottwal war gefährlich, auch für die
kommen der Sylter. Schiffe, die zwischen Frühjahr und Herbst ausliefen und
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gewöhnlich vier bis sechs Monate unterwegs waren, und die Entstehung des Jadebusens einleitete. Es sollen
bestand ein hohes Risiko, vom Packeis eingeschlossen dabei um die 20.000 Menschen umgekommen sein.
zu werden und zu sinken oder in heftige Stürme zu Am 16.01.1219 folgte die „Marcellusflut“. Sie betraf vor
geraten und unterzugehen. allem Westfriesland, doch auch an der Westküste
Das „Biikebrennen“ soll die Erinnerung an die seiner- Schleswig-Holsteins ertranken etwa 36.000 Menschen.
zeitige schmerzhafte Verabschiedung der Walfänger von Danach ereignete sich am 28.12.1248 die „Allerkindleins-
ihren Angehörigen (Familien) wachhalten, die nicht flut“, die wiederum viele Menschenleben kostete. Der
selten für immer war. 28.12. gilt als Gedenktag für den Kindermord in Bethle-
Durch die vielen Schicksalsschläge der Sylter auf hem, wonach auf Befehl des Königs der Juden (Herodes
Seefahrt, die mit einem „nassen Grab“ vorlieb nehmen des Großen) alle Knaben getötet worden sein sollen.
mussten, galt unter den Inselbewohnern das Zitat: Die „Luciaflut“ (benannt nach der Heiligen/Märtyrerin
Lucia von Syrakus, die 304 hingerichtet wurde) brach am
„Das ist ein glücklicher Seemann, 14.12.1287 über die Nordseeküste mit etwa 50.000
der auf dem Friedhof begraben wird!“ Opfern herein.
Nach der Entvölkerung von Sylt durch die Pest (1350),
Der Fang von Walen und Robben stellte vor allem im 18. die „Clemensflut“ (nach dem Heiligenfest = 23.11. von
Jahrhundert (Jh.) die Haupteinnahmequelle der Sylter Papst Clemens [Klemens], 88 bis 97 oder 92 bis 101 so
dar. Er brachte einen bis dahin nie gekannten Wohlstand genannt) am 23.11.1334 und die „Zweite Marcellusflut“
auf die Insel. Aus Wal-Knochen errichteten die Bewohner oder „Große Mandränke“ (benannt nach den Sterbe-
sowohl Tore als auch Zäune zu den bzw. um ihre daten und Heiligenfesten der Päpste Marcellinus bzw.
Anwesen, die immer größer und aparter wurden. An den Marcellus/Marzellus, 296 bis † 16.01.304 oder Marcel-
zahlreichen Kapitänshäusern konnte man den Wohlstand lus I., 307/308 bis † 16.01.308/309) am 16.01.1362 soll
schon von außen erkennen. das Kölner Erzbistum eine zweite Missionierung auf Sylt
durchgeführt haben.
Das auf dem höchsten Punkt des Sylter Geestlandes in
Keitum errichtete Gotteshaus trägt – nach dem dritten
bekannten Bischof von Köln namens „Severin“ – den
Namen „St. Severin-Kirche“. 2
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Nach den derzeitigen gesicherten Erkenntnissen ist Sylt Rungholt war eines von sieben Kirchspielen der ehemali-
erst seit der „Marcellusflut“ von 1362 eine Insel. Diese gen Insel „Strand“ im Nordfriesischen Wattenmeer. Es
Flut veränderte die bekannte Küstenlandschaft voll- wurde in der „Zweiten Marcellusflut“ (Grote Mandränke)
kommen. 3 am 16.01.1362 zerstört.
In einigen Strophen der Ballade „Trutz, Blanke Hans“ ist Die beiden zusammengehörenden Siedlungen „Grote
die Tragödie von 1362 nachvollziehbar. Der Verfasser Rungholt“ und „Lütke Rungholt“ bildeten gemeinsam den
(Detlev Freiherr von Liliencron war nicht nur ein Hauptort eines Verwaltungsbezirks – der „Edomsharde“.
zeitgenössischer Literat von Carmen Sylva, sondern als Dieser war einer von fünf Harden (Verwaltungsbezirken)
„Mann der Feder“ auch mit ihr bekannt) setzte Rungholt der Landschaft Nordstrand. In der direkten Nachbar-
damit ein poetisches Denkmal. 11 schaft zu Rungholt lag zudem der ebenfalls versunkene
Ort Niedam. Nach der Flut wurden einige Teile des
„Heute bin ich über Rungholt gefahren. ehemaligen Rungholt-Gebietes erneut besiedelt, gingen
Die Stadt (Ortschaft) ging unter vor sechshundert aber in der Sturmflut von 1634 unter. Von Alt-Nordstrand
Jahren. sind nur noch die Halbinsel Nordstrand, die Insel
Noch schlagen die Wellen da wild und empört, Pellworm und die Hallig Nordstrandischmoor übrig. Die
Wie damals, als sie die Marschen zerstört. restlichen Gebiete gingen in der Sturmflut von 1634
Die Maschine des Dampfers schütterte, stöhnte, verloren und sind heute Wattenmeer.
Aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte: Nach der Katastrophe von 1362 blieben die Geest-Inseln
Trutz, Blanke Hans. Amrum und Sylt, Föhr mit Geest und Marsch und es
entstand die große Marsch-Insel „Strand“. Auch bildeten
Von der Nordsee, der Mordsee, vom Festland sich Halligen. Die Flut hatte die Marschen zum Teil bis
geschieden, zum Geest-Strand durchstoßen. Mit der „Zweiten Marcel-
Liegen die friesischen Inseln in Frieden. lusflut“ begann in Nordfriesland die intensive Landge-
Und Zeugen weltvernichtender Wut, winnung und der Deichbau. – Weiter zu den Sturmfluten
Taucht Hallig auf Hallig aus fliehender Flut. siehe Seite 6 unter Sturmfluten.
Die Möwe zankt schon auf wachsenden Watten,
Der Seehund sonnt sich auf sandigen Platten.
Trutz, Blanke Hans.
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Nach einer anderen Version ist „Sild“ eine Abkürzung
vom altfriesischen „Silendi“ (Sillendi) und soll „Seeland“
bzw. „wüstes, verlassenes Land“ bedeuten.
Andere meinen, es handele sich um ein jütländisches
Wort und deuten es als „Hering“, weil die Insel
inzwischen so schmal oder schlank wie ein Hering ist
und seinerzeit die Herings-Fischerei maßgebend auf Sylt
betrieben wurde. Diese Auslegung ist im 16. Jh. auch im
Sylter Wappen verankert worden. 5
Als ein weiser Mann auf Sylt gilt, der viel weiß, wenig
sagt und sich in der Beantwortung von Fragen
zurückhält. Die feierliche Eröffnung des „Hindenburgdammes“ fand
nach vierjähriger Bauzeit am 01.06.1927 in An-
Sylt – auch die Königin der Nordsee genannt – liegt wesenheit des damaligen Reichspräsidenten Paul von
zwischen 9 und 16 km vor der Küste des Festlands und Beneckendorf und von Hindenburg (1925 bis 1933) –
der „formal“ als der erste offizielle „Bahn-Passagier“
ist mit 99,14 Quadratkilometern die größte nordfriesische vom Festland (Klanxbüll) nach Westerland auf Sylt gilt
Insel und die viertgrößte deutsche Nordseeinsel. Sie ist – und des Generaldirektors der Reichsbahn (dem
38 Kilometer lang mit 38,3 km Weststrand und misst an späteren Reichs-Verkehrsminister) Dr. Julius
der breitesten Stelle 12,6 Kilometer, an der schmalsten Dorpmüller statt. Am Eröffnungstag war es trübe und
regnerisch. Um 11.10 Uhr erreichte der erste festlich
Stelle (am Königshafen bei List) hingegen nur etwa 320 mit Girlanden geschmückte offizielle Zug die
Meter. Die höchste natürliche Erhebung ist mit 52,5 Inselmetropole. Erst anlässlich der Einweihungsfeier im
Metern die „Uwe-Düne“ unweit von Kampen. 1898 erbauten Kurhaus (seit 1933 Rathaus) in
Zur Ostseite liegt das Wattenmeer, das zum National- Westerland meinte der Generaldirektor der
Reichsbahn: „Wir wollen den Damm heute
park Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer gehört und ‚Hindenburgdamm’ taufen.“ Die Baukosten des
bei Niedrigwasser weitgehend trocken fällt. Dammes betrugen zirka 25 Millionen Mark. Nach dem
Geografisch liegt Sylt auf der gleichen Höhe wie etwa die Zweiten Weltkrieg stand der Name des Dammes lange
englische Stadt Newcastle, die sibirische Stadt Omsk Zeit in der Kritik und der „Hindenburgdamm“ sollte
partout umbenannt werden, doch die vorgeschlagenen
und der Südzipfel Alaskas. neuen Namen vermochte die Allgemeinheit nicht zu
überzeugen.
Abb. 09
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nunmehr aus dem In- und Ausland bequem und schnell Sylt verlor durch die Abstimmung seinen Fährhafen
erreichbar. 7 Hoyer, aber auch Tondern kam zu Dänemark – ein
Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg (1864 um Schles- Grund mehr, um die Pläne zum Bau eines Dammes zum
wig-Holstein) zwischen Dänemark, Preußen und Öster- Festland, über die bereits 1875/1876 und 1910 diskutiert
reich gehörten ab 1866/1867 Sylt und Westerland – das worden war, letztendlich zu verwirklichen. Bei der
als Nordseeheilbad immer populärer geworden war – Abstimmung 1920 hatten in Morsum 25 % und von den
zum neuen Kreis Tondern, wohin bereits seit 1887 die übrigen Inselbewohnern auf Sylt nur 11,6 % für Däne-
Marschbahn von (Hamburg) Altona über Husum und mark votiert.
Niebüll führte, die man schließlich bis zum Umschlag- „Sylt
hafen Hoyerschleuse verlängerte. Raddampfer brachten
von Hoyer sowohl Passagiere und Post als auch Fracht Mein Haus, das war aus Sand gebaut,
zum Sylter Hafen Munkmarsch. Mein Thron aus Blumengewinden,
Diese Schiffsverbindung war von den Tiden abhängig. Im Drein waren lauschende Seelen traut.
Winter schob sich gelegentlich das Eis im Wattenmeer Von großen und kleinen Kindern.
zu einer unüberwindlichen Barriere zusammen. Die
Überfahrt dauerte rund sechs Stunden und im Winter Es spielte große Symphonie
unter Umständen bis zu drei Tagen. Das ewige Seegetose,
Beim Deutsch-Dänischen Krieg war Prinz Karl von und reicher warf zu Füßen nie
Hohenzollern-Sigmaringen – der spätere Fürst/König Das Schicksal mir die Loose.
Carol I. von Rumänien und Gatte der Carmen Sylva – als
Ordonanz-Offizier dem Prinzen Friedrich Karl von Es war, als nähm's mich bei der Hand:
Preußen zugeteilt. Er nahm nicht nur an der Belagerung Erneu' den Muth, den kühnen:
und dem Sturm auf die Düppeler Schanzen teil, sondern Dir wachsen Herzen aus todtem Sand
war auch an der Einnahme von (der dänischen Stadt) Und Blumen auf kahlen Dünen!“
Fridericia (Friedrichsodde) und dem Einmarsch in (Aus „Meerlieder“ von Carmen Sylva)
Jütland beteiligt.
Wie der Schriftsteller Berthold Auerbach (1812 bis 1882, Sturmfluten
eigentlich Moses Baruch Auerbacher, der nach dem
Vorbild des Großvaters von Haus aus Rabbiner werden Zu einer weiteren Sturmflut kam es am 09.10.1374, die
sollte) kritisierte auch Carmen Sylva den Deutsch- als die „Erste Dionysiusflut“ (Gedenktag des hl.
Französischen Krieg von 1870/1871 – den „Völkerkrieg“ Dionysius und ersten Bischofs von Paris, Märtyrer und
und den „Krieg zwischen zwei zivilisierten Nationen“ – National-Heiliger Frankreichs) in die Geschichte einging.
äußerst kritisch. Die „Zweite Dionysiusflut“ am 15./16.11.1377 hatte
Als Folge des Ersten Weltkrieges kam es nach dem schlimme Deichbrüche in Flandern, Seeland, Holland
Versailler Vertrag vom 28.06.1919 im Jahre 1920 zu und Ostfriesland zur Folge.
einer Volksabstimmung über die Zugehörigkeit der Die „Cäcilienflut“ (benannt nach der Märtyrerin/Heiligen
Grenzregion zu Dänemark oder Deutschland. Cäcilia, * um 200 in Rom, † 22.11.230 in Rom, Patronin
der Kirchenmusik, Musikinstrumente, Instrumenten-
macher, Sänger, Musiker und Dichter) am 22.11.1412
vernichtete an der Estermündung ein ganzes Dorf und es
entstand die Elbinsel „Hahnöfersand“, die vom Festland
abgetrennt wurde. Bis zu 30.000 Menschen sollen in
dieser Sturmflut umgekommen sein.
Wir kennen weiter die „Allerheiligenflut“ vom 11.01.1436,
die „Dreikönigsflut“ vom 06.01.1470, durch die die
deutsche Nordseeküste schwer beschädigt wurde. In der
„Kosmas- und Damianflut“ am 26.09.1509 (Gedenktag
der Zwillingsbrüder, * in Syrien, † 303 in Aigai/Türkei,
Ärzte/Märtyrer/Heilige, Stadtpatrone von Florenz und
Essen) wurden die Niederlande und Ostfriesland in
Mitleidenschaft gezogen.
In der „Antoniusflut“ oder „Eisflut“ vom 16.01.1511 (nach
Auf dem „Hindenburgdamm“ gestern und in unsrer Zeit. dem hl. Antonius der Große, * 251 in Koma, † 356,
– Zunächst dampften täglich 6 Züge in 5 Stunden von ägyptischer Mönch, Asket und Einsiedler, gilt als Be-
und nach Hamburg. Inzwischen sind es bis zu 120 gründer des christlichen Mönchtums, „Vater der Mönche“
Personen-, Auto- (von/bis Niebüll = SyltShuttle) und oder „Wüstenvater“ benannt) war wiederum die deutsche
Güterzüge pro Tag, die im Stundentakt in 3 Stunden
zwischen Westerland und der Hansestadt und Nordseeküste (Durchbruch zwischen Jade und Weser)
umgekehrt verkehren. schwer betroffen.
Abb. 10 Die „Allerheiligenflut“ am 31.10.1532 beschädigte die
Nordseeküste vom Kanal bis Eiderstedt. Bei der „Aller-
heiligenflut“ vom 01.11.1570 kam es zur Überflutung der
Marschen von Flandern bis Eiderstedt und zu
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Deichbrüchen im Alten Land sowie in den Vier- und In Schleswig-Holstein war zwar kein Todesopfer zu
Marschenlanden. beklagen, doch von den 560 km Festlands-Deichen
Bei der „Fastelabendflut“ („Fastnachtsflut“) am wurden 70 km zerstört, 80 erheblich beschädigt und 120
26.02.1625 – an der Elbe auch als „Eisflut“ bekannt – mussten repariert werden. Auf Sylt wurden bis zu 16
entstanden große Schäden in Südholland bis Jütland Meter tief ins Land die Dünen abgetragen.
sowie im Alten Land und in Hamburg. 1949 ereignete sich eine „Niedrigwasser Orkanflut“.
Am 11.10.1634 erfolgte die „Burchardiflut“ oder die Die „Hollandsturmflut“ vom 01.02.1953 wütete vor allem
„Zweite Große Mandränke“. Allein in Nordfriesland sollen in den Niederlanden, durchbrach dort die Deiche an 67
9.000 Menschen in den Fluten ertrunken sein. Die Insel Stellen und tötete 2.000 Menschen.
„Strand“ wurde in Nordstrand und Pellworm zerrissen Obwohl Schleswig-Holstein glimpflich davonkam, wurden
und die Halligen „Nieland“ und „Nübbel“ verschwanden. in ihrer Folge entlang der Westküste 280 km Deiche
Über 1.300 Häuser, 28 Windmühlen und 50.000 Stück verstärkt. Diese Arbeiten waren jedoch nicht vollendet,
Vieh gingen durch den Untergang der Insel verloren. als am 16./17.02.1962 die „Hamburg-Sturmflut“ die Pegel
auf 3,25 m hochtrieb. Sie wurde auch „Katastrophen-
sturmflut“ von Ostfriesland bis Nordfriesland genannt. Es
waren Hamburg und Niedersachsen schwer betroffen. 61
Deichbrüche, 400 km Deich stark beschädigt oder
zerstört, ein sechstel des Hamburger Stadtgebietes
überschwemmt, 340 Tote, 315 allein in Hamburg, 1.300
Häuser zerstört.
Als Konsequenz dieser Sturmflut wurde ein Jahr danach
der „Generalplan Küstenschutz für Schleswig-Holstein“
verabschiedet. Dessen Maßnahmen steckten noch in
den Anfängen, als am 23.02.1967 nach 1949 die „Zweite
Niedrigwasser-Orkanflut“ mit den höchsten bis dahin ge-
messenen Windstärken (bis zu 14 auf der Beaufortskala
= Skala für Windstärken nach dem englischen Admiral,
das entspricht über 140 km/h) auf der Nordsee eintrat.
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schwersten Fluten. Die Küste erlebte in den drei Tagen
zwei Sturm-, zwei Orkan-Fluten und eine Windflut. In
Büsum wurden Windgeschwindigkeiten von 162 km/h
gemessen. Es gab Schäden an Deich- sowie an Steil-
und Dünen-Küsten.
Am 21./22.01.1993 fegten mehrere Sturmfluten über
Schleswig-Holstein, die zu erheblichen Schäden und
Sandverlusten auf Sylt führten. Von der Sturmflut am
28.01.1994 waren Ostfriesland und vor allem Hamburg
und Schleswig-Holstein betroffen. Es wurden 8 bis 10
Meter hohe Wellen am Borkum-Riff registriert. Und die
Sturmflut vom 06.02.1999 beschädigte die gesamte
Nordseeküste. Am 03./04.12.1999 wütete die Sturmflut
an der Elbe (Hamburg), in Schleswig-Holstein bis
Dänemark. Bei der Sturmflut vom 29./30.01.2000 In der 1635 erbauten und dem Schutzpatron der See-
fahrer (Sankt Nikolaus von Myra, * zwischen 270 und
entstanden Schäden in Dänemark. Es kam zu 286 in Patara, † 06.12.326, 351 oder 365) geweihten
erheblichen Sandverlusten auf Sylt (Kliff). – Es wird „Alten Dorfkirche St. Niels“ in Westerland sind einige
befürchtet, dass aufgrund der Klimaentwicklung der Überbleibsel aus der 1436 mit Eidum versunkenen
Wasserstand der Nordsee weiter steigt und Sturmfluten Kirche gerettet und wieder verwendet worden. Dazu
zählen mehrere Sockel-Steine, das Prozessionskreuz
in Zukunft häufiger auftreten werden. und die Glocke. Der hl. Nikolaus gilt nicht nur als der
Schutzheilige der Seefahrer sondern ist auch der
Schutzpatron von Russland, Kroatien, Serbien und der
Kaufleute sowie der Schüler und Kinder.
Abb. 14
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Doch bereits am 15.08.1896 erfolgte die Grund-
steinlegung, am 09.04.1897 die Richtfestfeier und am
19.06.1898 die Einweihung des neuen und grandiosen
Kurhauses (das seit 1933 das Rathaus von Westerland
ist) in Westerland. Am 30.01.1905 bekam Westerland
unter dem Deutschen Kaiser und König von Preußen,
Wilhelm II. (1888 bis 1918), das Stadtrecht verliehen.
Das Westerland unserer Tage – die Stadt mit Flair zu Der Strand von Westerland. – Links ist das 1902/1903
jeder Jahreszeit und Witterung – gilt als die Insel- von dem Berliner Kaufmann Otto Busse erbaute Hotel
„Miramar“ zu sehen und rechts die 1882/1884 von dem
metropole von Sylt, zählt über 9.400 Einwohner und ist Apotheker Carl Roth erbaute „Villa Roth“, in der
stolz auf fast 10.000 Gästebetten mit jährlich mehr als Königin Elisabeth von Rumänien alias Carmen Sylva
2,5 Millionen Übernachtungen. vom 28.07.1888 bis 17.08.1888 logierte.
Dass die aus Neuwied (Rheinland-Pfalz) stammende Abb. 18
Sommerfrischlerin als seinerzeitige „Dichter“-Königin
Elisabeth von Rumänien alias Carmen Sylva einmal
nachhaltige Spuren in Westerland auf Sylt am schönen
Badestrand „mit starkem Wellenschlag“ hinterlassen
würde, die auch nach 122 Jahren mit dem viel besuchten „Und als sie schied, ließ sie einen mächtigen
Nordseeheilbad durch einen Straßennamen und dem unbehauenen Granitblock als Gedenkstein setzen mit
Gedenkstein auf der „Heimatstätte für Heimatlose“ (nach der Zueignung:
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In Gedanken an die fernen Witwen und Waisen – Westerland! Märchenstrand!
gewidmet von Carmen Sylva. Du Haide, wunderschöne!
Westerland, den 17. August 1888.“ Friedensland, Blumensand,
Unendlich Seegedröhne!
Dort – auf diesem friedlichen Erden-Fleck in Westerland
auf Sylt – beherrschen wie eh und je Wind, Sturm und Westerland! Weiche Hand!
Sand der oft „tobenden“ (stürmischen) Nordsee sowie Du Port im Lebensföhne!
das immerwährende Meeres-Rauschen im Wechsel der Heimathstrand, gottgesandt,
Tiden (Gezeiten) die Szene, so wie es seinerzeit die Für müde Erdensöhne!“
Königin von Rumänien erlebte und auch liebte. Nur die (Aus „Meerlieder“ von Carmen Sylva)
Möwen halten nach wie vor die Wache über oder an der
„Heimatstätte für Heimatlose“ oder klagen mark-
erschütternd und kreischend an. 10
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ihren Stammsitz auf Burg Wied bzw. Altwied im Wied- wurde er durch den deutschen König Konrad III. (1138
Tal. Da die Burg in militärischer und wirtschaftlicher bis 1152) zum Herzog erhoben. Der nunmehr
Hinsicht nicht mehr genügte, beschloss Graf Friedrich III. bedeutungsvolle Staatsmann war es, der den Neffen
zu Wied seinen Herrschaftssitz in die Nähe des Rheins Konrads, Friedrich I. Barbarossa („Rotbart“), 1152 nach
zu verlegen. Aachen geleitete und ihn dort am 09.03.1152 krönte
Im April (27.) 1857 gab Fürst Hermann zu Wied – Vater (König seit 1152, Kaiser von 1155 bis 1190).
der Prinzessin Elisabeth zu Wied und späteren Carmen
Sylva – seine offizielle Zustimmung zur Namengebung
für Neuwied.
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Benediktinerinnenkloster, das später in ein Stift umge- Grafschaft Wied fiel an Bruno, dem Grafen zu Isenburg-
wandelt und 1802 aufgelöst wurde. Braunsberg, der mit der Erbtochter vermählt war und den
Es sollen Landser des Erzbischofs Arnold von Köln auch Namen „Wied“ annahm. Die Güter wurden unter die
die Heeresleute seines Bruders Siegfried gegen die verwandten Herren von Isenburg-Braunsberg und Epp-
Sayner Grafen unterstützt und die Sayner Burg in Schutt stein geteilt. Der Eppsteinische Anteil gelangte 1306 an
und Asche gelegt haben. Siegfrieds Sohn Theoderich die Grafen von Virneburg, dann an die Grafen von Jülich.
(Dietrich) übernahm die Grafschaft zu Wied, bis er
schließlich 1179 ins Kloster ging und die Grafschaft zu
Wied von seinem Sohn Georg – dem späteren Kreuz-
zugs-Teilnehmer – übernommen wurde. Georgs Bruder
Lothar scheint 1218 als Gerichtsherr in einer Urkunde
auf. 13
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dorf, seit 1791 Reichsfürsten) und Wied-Neuwied (die und Wied-Runkel) schließlich dem Königreich Preußen
Residenz befand sich in Neuwied und schon am zusprach. Eigentlich war die wiedische Landesherrschaft
13.06.1784 wurde Graf Friedrich Alexander zu Wied zum schon mit der Gründung des Rheinbundes am
erblichen Reichsfürsten erklärt), die bis 1806 reichs- 12.07.1806 beendet.
unmittelbar waren und ihre Reichsunmittelbarkeit an Als die Linie Wied-Runkel 1824 erlosch, wurden die
Nassau verloren. Der Graf Friedrich Alexander war mit Besitzungen des Hauses Wied-Runkel (Nassau) und
der Gräfin Karoline zu Hachenberg verheiratet. Wied-Neuwied wieder vereinigt. Von 1854 bis 1918 hatte
Sein Denkmal auf dem „Gottesacker“ bei Neuwied trägt das Geschlecht einen erblichen Sitz im preußischen
die Inschrift: Herrenhaus. Die Nachgeborenen führen den Prinzen-
Titel.
„Zu groß, um ersetzt, zu gut, um vergessen zu werden.
Seine Thaten sichern sein Andenken.“ „Von hohen Bergen fließet
Das Flüßchen Wied zum Rhein,
An dessen Ufern sprießet
Ein Fürstenhaus so fein,
Aus altem Heldenstamme,
Mit schlechtem nie im Kauf,
Drum schlägt auch edle Flamme
Aus Stamm und Wurzeln auf.“
(Von Ernst Moritz Arndt,
Dichter undSchriftsteller, 1769 – 1860)
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Kaiserin Maria Theresias, der 15 Jahre älter war als sie, Außer in Literatur- und Kunstgeschichte ließen die Eltern
geheiratet. Es war die erste „Mischehe“ im Hause Habs- sie in naturwissenschaftlichen Fächern unterrichten. Mit
burgs, die sehr glücklich wurde und aus der sieben fünf Jahren hielt Elisabeth sich in England auf. Schon
Kinder hervorgingen. vorher hatte sie lesen und schreiben gelernt. Das Lesen
Die Kindheit der lebhaften und fantasiereichen von Romanen war ihr verboten. Ihr Tagebuch führte
Prinzessin Elisabeth zu Wied war überschattet von ihrer Elisabeth heimlich. Offensichtlich unverstanden zog sie
strengen Erziehung und den schweren Krankheiten ihrer sich des öfteren in die Waldungen um „Monrepos“
Eltern und ihres jüngeren Bruders Otto, der am 22.11. zurück, um in sich zu gehen und wieder zu sich zu finden
1850 mit einem angeborenen organischen Atemwegs- bzw. den „Weltschmerz“ zu überwinden. Einen von
Leiden geboren wurde und am 19.02.1862 verstarb. Sie diesen herrlichen Waldwegen veranlasste Carmen Sylva
widmete ihm ein Buch mit dem Titel: in ihrer Gedichtsammlung „Meine Ruh“ den Titel zu
geben.
„Das Leben meines Bruders Otto Nikolaus zu Wied.“ Um ständig unter ärztlicher Kontrolle zu sein, wohnte die
Familie des Fürsten Hermann zu Wied von 1851 bis
Die Stimmung der Carmen Sylva am Sterbebett ihres 1854 in Bonn. Seine auf den Rollstuhl seit der Geburt
Bruders ergibt sich aus den folgenden Zeilen: des Sohnes Otto angewiesene Ehefrau (sie fand Heilung
„Willst du leben? fragte das Leiden; du mußt dich aber durch eine „magnetische Kur“ in Paris, wo die Familie ein
nicht fürchten! – Ich fürchte mich nicht, ich will leben! – Jahr lebte und Elisabeth kurz eine öffentliche Schule
Da stand ich vor einem Sterbebette, wo ein schöner, besuchte) führte in Bonn einen Salon, in dem auch Ernst
reichbegabter Knabe mit Todesqualen rang. Seine Moritz Arndt (der in Bonn verstorbene Geschichts-
Schmerzen überstiegen das Maß des Erträglichen, doch professor, Schriftsteller und patriotischer Dichter, 1769
das Leiden verließ ihn nicht. Aber auch der Mut blieb an bis 1860) und die Pianistin Clara Schumann geb. Wieck,
seiner Seite. Zwei Jahre dauerte der grausige Kampf, 1819 bis 1896, Ehefrau des Komponisten Robert
und ich fragte: Wo ist denn die Wahrheit? Ist das gelebt? Schumann (1810 bis 1856), verkehrten. Auch Söhne aus
Wie er starb, da habe ich zum erstenmal gezittert vor verschiedenen deutschen Herrscherhäusern, die in Bonn
Furcht.“ – „Sollte nicht da, wo so namenlose Trauer sich studierten, waren gern gesehene Gäste der Fürsten-
abspielt, das Gemüt mit gesteigerter Intensität die Dinge familie zu Wied.
des Lebens auffassen? ‚Ich lief in den Wald in meiner Erstmals und ernsthaft verliebt scheint die damals
Not, und er tröstete mich’, sagt Carmen Sylva an einer 21jährige Prinzessin Elisabeth aus Neuwied in einen
Stelle. Manchmal hatte er sie wirklich zu trösten.“ jungen Prinzen und Studenten in Bonn gewesen zu sein,
über den sie am 02.06.1865 in ihrem Tagebuch ver-
merkte:
„Waldesträume
Er schaut mich an
So warm und treu,
Das macht mir viel Gedanken,
Er bot mir an
Die Hand dabei
Wohl auf dem Steg, dem schwanken.
Er lag im Laub
und hörte zu,
Bis ich ihm vorgelesen,
Und ich wohl glaub’
Die Waldesruh
Ist ihm gar lieb gewesen.
14
Oranien, König der Niederlande (1815 bis 1830/1831), Graf Hermann V. von Wied war der vierte Sohn des
heiratete. Grafen Friedrich von Wied-Runkel und der Gräfin Agnes
Er hatte sein militärisches Jahr in Koblenz bei dem von Virneburg. Schon in seinem 6. Lebensjahr erhielt er
Regiment Augusta abgedient und 1 ½ Jahre in Bonn die eine Pfründe im Kölner Domkapitel. Mit 15 wurde er
Universität besucht. Am 30.03.1869 erfolgte in Neuwied Domherr und am 14.03.1515 erfolgte seine Wahl zum
unter großen Festlichkeiten die Mündigkeitserklärung Erzbischof von Köln.
des jungen Fürsten Wilhelm zu Wied. In seiner Heimat galt einst das Sprüchlein:
Carmen Sylva versuchte vergeblich, den Bruder als
Thronnachfolger ihres Gemahls in Rumänien ins Spiel zu „Da wir hatten Hermann von Wied, behielten wir
bringen und die Dynastie Hohenzollern-Sigmaringen Gott, Geld und Fried.“
durch die von/zu Wied abzulösen.
Der Sohn des Prinzen Wilhelm zu Wied (Wilhelm
Friedrich Heinrich, Prinz zu Wied, * 26.03.1876 in Neu-
wied, † 18.04.1945 im rumänischen Predeal) und Neffen
der Carmen Sylva wurde 1913 überraschend von den
Großmächten als Kompromisskandidat zum Fürsten
(Mbret) von Albanien ausersehen und trat nach einer
militärischen Karriere in kaiserlichen Diensten am 07.03.
1914 in Durazzo als Wilhelm I. die Herrschaft in dem neu
gebildeten Staate Albanien an, musste aber aus außen-
und innenpolitischen Gründen und wegen der um sich
greifenden Aufstandsbewegungen am 05.09.1914 das
Land verlassen, ohne jedoch auf die Krone zu
verzichten. 17
Die prominenteste Persönlichkeit in der Ahnenreihe der
Prinzessin Elisabeth zu Wied (Carmen Sylva) war wohl
Graf Hermann V. von Wied (* 14.01.1477 in Wied,
† 15.08.1552 in Wied bzw. „Altwied“), Kurfürst und
Erzbischof von Köln (1515 bis 1547), der 1520 Kaiser
Karl V. (1519 bis 1556) in Aachen krönte und bis 1536
„romtreu“ war. Die evangelische Kirche in Niederbieber (Neuwied),
1542/1543 – unterstützt von seinen Hofpredigern Martin in der sich die Grabstätte des Reformators, Graf
Bucer und Philipp Melanchthon – führte er im Erzstift Hermann V. von Wied, Kurfürst und Erzbischof von
Köln die Reformation ein, stieß aber auf Widerstand im Köln (1515 bis 1547), befindet.
Abb. 28
Domkapitel und der Stadt Köln und scheiterte. Er wurde
1546 von Papst Paul III. (1534 bis 1549) exkommuniziert
und von Karl V. nach dem Schmalkaldischen Krieg 1547
abgesetzt. Eine Zeit lang soll Graf Hermann V. von Wied
auch auf Burg „Altenwied“ gelebt haben. 18 Dann gab es in Köln noch den Kurfürsten und Erzbischof
Graf Friedrich IV. von Wied (1562 bis 1567), der nicht
vom Papst bestätigt wurde und schließlich zurücktrat. 19
15
ehelichte – war Prinzessin Elisabeth zu Wied inniglich Nur eine tiefe Liebe
befreundet. Bringt Freude, bringt Glück.
Vom Seelenleben der Prinzessin Elisabeth zu Wied in Wen sie nicht wahrhaft liebet,
ihrer Entwicklungszeit erzählt sie selbst in „Sappho“ Den weiset sie zurück.
(Versepos = Versdrama):
Denn glücklich ist das Mädchen
„Groß war die Strenge, mit der man den Stolz Und froh im Elternhaus,
unterdrückte, Mit scheuen Blicken sieht sie
Groß war die Güte, die stets mir den richtigen Weg wies, Nur in die Welt hinaus."
Kampf war mein täglicher Gast. Ach, ich hätte so gerne
Gut wollen sein, so gut wie der Vater, die Mutter,
Die mir wie Götter erschienen, so grenzenlos liebte
Ich meine Eltern, doch ewig dieselbe Erkenntnis
Zeigte die Sorgen mir, die sie sich machten ...
Trostlose Traurigkeit folgte dann stets auf die tolle
Lust, die übermütig dem hemmenden Zügel
Trotz bot. Dann träumte ich Tausende schöner
Geschichten,
Malte mir alles in mächtigen Linien, mit leuchtend
Grellen und grausigen Farben. So lebt’ ich im Geiste
Heimlich mein eigenes Leben, es ahnte das Keiner.
Jeglicher Ton, je’ Wolkengebilde, mir ward es
Stoff zu unendlichem Denken und kühnem Erfinden.“
(Von Carmen Sylva)
Nach der Konfirmation im Sommer 1860 lernte Prinzes- Mit solchen Lieder-Ergüssen beruhigte Prinzessin
sin Elisabeth zu Wied durch Reisen und Aufenthalte Elisabeth ihr aufgeregtes Gemüt. Doch niemand durfte
verschiedene europäische Herrscherhäuser weiter und es ahnen, „daß sie die kleinen heimlichen Verse schrieb;
intensiver kennen. Sie gehörten mit zur Allgemein- es war ihr tiefstes Geheimnis, das sie selbst vor den
bildung, aber auch zur Vertiefung ihrer Sprachkennt- Büchern im Schrank, vor der Luft im Zimmer versteckte“.
nisse. Und die dabei gewonnenen Lebenserfahrungen Am 10.05.1866 (bzw. nach altem Kalender am 20.05.
und die Weltgewandtheit prägten sie zeitlebens. 1866) wurde Carl (Karl) von Hohenzollern-Sigmaringen
Wegen des sich verschlechternden Gesundheits- in Bukarest zum Fürsten des konstitutionellen Fürsten-
zustandes des Vaters der Prinzessin Elisabeth zu Wied tums Rumänien erklärt. Die rumänische Verfassung von
verbrachte die fürstliche Familie den Winter 1862/1863 in 1866 war ein bedeutender Schritt zur Modernisierung
Baden-Baden. Am Hof zu Karlsruhe besuchte die und Demokratisierung der rumänischen Politik.
Prinzessin den ersten Ball. Auch fuhr sie zweimal in der Sehr schwer fiel Fürstin Elisabeth von Rumänien nach
Woche nach Karlsruhe zur Großherzogin, um bei Johan- ihrer Eheschließung am 15.11.1869 mit Fürst Carol I.
nes Wenzeslaus Kalliwoda (Komponist und fürstlicher von Rumänien der Abschied von ihrem Rheinland und
Kapellmeister, 1801 bis 1866) Klavierunterricht zu vor allem von dem heimischen Neuwied. Auch noch
nehmen. Bei diesem Aufenthalt im Großherzogtum von später war die Fürstin/Königin oftmals an Heimweh
Baden lernte die Prinzessin auch das Blumen-Malen. erkrankt. Aus diesen Situationen heraus entstanden die
Womöglich war um diese Zeit von Heiratsanträgen die folgenden Abhandlungen:
Rede; denn das Tagebuch von Prinzessin Elisabeth zu
Wied beinhaltet ein Gedicht, das mit folgenden Strophen „Widmung an die Heimath
endet:
„Das Mädchen will viel lieber Du Rebenland, du grüner Wald,
Frei bleiben immerdar, Du Rhein mit deinem Schimmer,
Denn ach! sich zu verschenken Dein Glanz ist fern, dein Sang verhallt,
Bringt Sorgen und Gefahr. Ich bin entfloh’n für immer!
16
Oft, oft, schließ’ ich die Augen zu, Die Heimat wird von Carmen Sylva in ihren Werken
Dann hör’ ich’s singen, rauschen, sowohl als „Heimweh“ oder „Jugendweh“ als auch zur
Seh’ Schiffe zieh’n in sonn’ger Ruh, Vermittlung des idyllischen und sagenumwobenen
Den Wind die Segel bauschen. Rheinlandes beschrieben. In ihrem Lyrikband mit dem
Titel „Heimath“ (1891) veröffentlichte Carmen Sylva viele
Daß ich die schönste Heimath hab’ autobiographisch geprägte Gedichte zur Heimat-
In deutschen Gau’n besessen, Sehnsucht. Und die Übersiedlung nach Rumänien
Das macht, daß ich sie bis zum Grab bezeichnete sie als „Auswanderung“. Im Gedicht „Aus-
Nun nimmer kann vergessen!“ wanderers Fluch“ sagte sie mehr dazu:
(Von Carmen Sylva)
„Als wärest du vom Grabe auferstanden,
Kommst du nach Jahren an die alte Stätte,
Bist du nicht mehr ein Glied in ihrer Kette,
Herflatternd, fremd, ein Blatt aus fremden Landen.
„Altes und neues Heim Im Schatten und unter den Bäumen des Neuwieder
Forsthauses entstand das folgende Lied (12. September
In Monrepos ist manch ein Grab 1873), und zwar anlässlich der ersten Reise der Fürstin
Im Walde und im Herzen. Elisabeth von Rumänien mit der am 08.09.1870
So viel’, die ich geliebet hab’ geborenen und am 09.04.1874 verstorbenen Tochter
Und dann beweint mit Schmerzen. Marie nach Neuwied.
17
Da schüttelt das Haupt wohl der Rhein und der Wald: Mußt felsenfest in der Brandung stehen,
Wir sind zum Wandern schon lange zu alt, Nicht Hülfe suchen und wanken nicht,
Wie sehr wir dir auch gewogen! Dir muß es weich von den Lippen wehen,
Doch als ich trat in mein neues Heim, Und sonnig leuchten dein Angesicht.
Erklang mir gar fröhlich wohl Reim auf Reim.
Die Lieder sind mit mir gezogen!“ Du darfst nicht weinen, nicht zagen, beben,
Schau’ fest hinunter von Abgrunds Rand,
Dein Haupt erhoben, dein Fuß muß schweben,
Und Balsam streu’n muß deine Hand.
18
Nach einer Umfrage des „Berliner Tageblatt“ vom
07.05.1905 (in der Reihenfolge Bertha von Suttner,
Carmen Sylva, Sarah Bernhard, Eleonora Duse, Marie
von Ebner Eschenbach) zählte Carmen Sylva zu den
fünf bedeutendsten Frauen ihrer Zeit.
Carmen Sylva wollte als Vermittlerin die Kultur des
Westens mit der rumänischen verschmelzen – sie war
eine Künstlernatur, eine Enthusiastin! In ihren Werken
behandelte sie vornehmlich Autobiographisches, die
menschliche Natur, die Frau in Familie und Gesellschaft,
gesellschaftliche Misstände, Glaubensfragen, die deut-
sche Heimat und das rumänische Königreich.
„Aus Carmen Sylvas Königreich“ – die „Pelesch-
Märchen“ zählen zu den Frühwerken der Autorin und
sind auf Anregung des damaligen Kultusministers Titu
Maiorescu als „Prämienbuch“ für die Schuljugend ver-
Königin Elisabeth und König Carol I. von Rumänien, fasst und 1882 in rumänischer Sprache herausgegeben
der am 20.04.1866 zum Fürsten ernannt und am worden. Bis in die postkommunistische Zeit waren die
24.03.1881/22.05.1881 zum König von Rumänien „Pelesch-Märchen“ in Rumänien verboten. Carmen Sylva
proklamiert wurde. Der über dem Königspaar
schwebende Engel soll wohl an die verstorbene galt aber auch in jener Zeit als Mäzenin der Künste und
gemeinsame Tochter Marie erinnern. war als Wohltäterin sehr aktiv.
Abb. 33 Bereits durch ihren Dichternamen brachte die Neu-
wiederin zum Ausdruck, dass sie sich eigentlich als naive
lyrische Dichterin fühlte. Sie hatte sich keiner literari-
schen Strömung ihrer Zeit angepasst. Ihr öffentlicher
Auftritt als „Dichter“-Königin wurde vom Hochadel oft
Ihre ersten Veröffentlichungen waren Übersetzungen der kritisiert, während sie die schriftstellerische Tätigkeit als
Gedichte von Vasile Alecsandrj (Alexandri), des rumäni- ihre persönliche Freiheit und als „göttliche“ Gabe sowie
schen romantischen Dichters (1819/1821 bis 1890), als öffentlicher Auftrag verstand. Sie galt als eine selbst-
dessen Werke sich bedeutsam für die Entwicklung der bewusste und fortschrittliche Königin ihrer Zeit.
rumänischen Kultur darstellen sollten. Eine enge Freund-
schaft verband ihn mit Carmen Sylva. Sie verdankte ihm
aber auch einen Großteil ihres Wissens über rumänische
Sagen und Volkslieder. Zuletzt vertrat Alecsandrj sein
Land als Botschafter in Paris.
Die Werke Carmen Sylvas verhalfen der rumänischen
Literatur in Europa und darüber hinaus publik zu werden.
Die meisten Werke von ihr sind zwischen 1881 und 1892
erschienen, wie Gedicht-Bände, Novellen, Märchen,
Romane, Essays und Aphorismen.
Ihr „Popularitätswunsch“ bringt Carmen Sylva besonders
im Gedicht-Band „Unter der Blume“ (1903) und in
Widmungsgedichten an deutsche Gesangvereine im
Gedicht-Band „Handwerkerlieder“ („Den deutschen
Innungen und Gesangvereinen gewidmet“) von 1891
zum Ausdruck. Es werden achtundzwanzig verschiedene Die „Dichter“-Königin Elisabeth von Rumänien alias
Carmen Sylva am Schreibtisch in ihrem
Gewerbe besungen, die zum Teil von dem mit Carmen „Arbeitszimmer“ im Schloss „Pelesch“.
Sylva gut befreundeten Komponisten August Bungert Abb. 34
(1845 bis 1915) vertont wurden.
Der Ruhm als „Dichter“-Königin begründete sich vor
allem durch ihre pompös gestalteten Gedicht-Bände. Ein
Teil der dem Volkslied angelehnten Lyrik wurde ebenfalls
von August Bungert komponiert. 20 So der 1884 ent- Bevor das Kastell „Pelesch“ erbaut wurde, war der
standene Liederzyklus „Mein Rhein“, den Carmen Sylva fürstliche Hof, an dem wie in St. Petersburg vornehmlich
in Bukarest aus einem Gefühl des Heimwehs heraus französisch gesprochen wurde, jahrelang wegen der
verfasste. Hitze in den Sommermonaten von Bukarest nach Sinaja
Auch ist ihr Gedicht, das sie dem Kölner Männer- (Sinaia im Prahovatal der Südkarpaten) ins dortige
gesangverein in die Chronik schrieb, so zu verstehen: Kloster übergesiedelt.
„Das Heimweh bleibt dennoch der Lebenskeim, Das kleine Kloster (1690 bis 1695 im Brâncoveanustil,
und wie tief man ihn auch vergraben, von Byzanz, vom Barock und von der italienischen
So quillt zu Tage das Wörtchen ‚heim’ Renaissance beeinflusst, erbaut) fasste nur schwer die
In glühenden Blutbuchstaben.“ 60 Personen, die zum Hofhalt (Haushalt) gehörten. 21
19
Hervorzuheben ist auch ihre lange Freundschaft mit
Elisabeth Amalie Eugenie („Sisi“ oder „Sissi“), Kaiserin
von Österreich (1854) und Königin von Ungarn (1867),
die am 10.09.1898 in Genf am See von einem
italienischen Anarchisten erdolcht wurde. Die Kaiserin
hatte sich nach dem Tode ihres Sohnes (Erzherzog
Rudolf) im Jahre 1889, der als die „Tragödie von
Mayerling“ in die Literatur einging, vom Hofleben und
den Repräsentationspflichten zurückgezogen, lebte an
der Adria und war zunehmend isoliert.
Die Kaiserin stattete „nicht der Königin von Rumänien“,
aber „Carmen Sylva“, der „Dichter“-Königin, in den
Das Kloster Sinaja (Sinaia), in dem sich im Ersten
Weltkrieg ein deutsches Lazarett befand. Inzwischen
Karpaten einen Besuch ab. In einigen „Winterliedern“ der
ist Sinaia – das ursprünglich aus nur einigen Kaiserin wird die dichtende Königin als Freundin erwähnt
armseligen, in der Nähe des Klosters angesiedelten und beim Lesen ihrer Werke auch beschrieben.
Hütten bestand – eine Stadt mit knapp 20.000 Noch zu Lebzeiten konnte Carmen Sylva für ihre literari-
Einwohnern sowie ein gepflegter, internationaler
Höhenkurort und Wintersportplatz, 700 bis 970 m ü. d.
schen Werke mehrere Auszeichnungen europäischer
M., in den Süd-Karpaten im Kreis Prahova, am Bucegi- Dichterkreise und akademische Würdigungen entgegen-
Massiv im oberen Prahova-Tal gelegen, das die nehmen. So 1888 die Auszeichnung der „Les pensées
Grenze zwischen den Süd- und Ost-Karpaten bildet d'une reine“ von der Academie Francaise mit dem Preis
und das reizvollste Berg-Wander-Gebiet der Karpaten
umschließt.
„Botta“; 1890 die Auszeichnung als „Bardess of Wales“;
Abb. 35 1897 die Ehrendoktorwürde der Universität in Budapest
und die Ehrendoktorwürde der Universität in St. Peters-
burg. Carmen Sylva durfte sich „Doktorin honoris causa“
Die „Dichter“-Königin von Rumänien war schon eine bzw. „Dr. h. c. mult.“ nennen. Ihr wurde zweifelsohne ein
außergewöhnliche und willensstarke, aber durchaus Ehrenplatz auch in der deutschen Literatur zuerkannt.
auch apolitische Persönlichkeit. Sie wurde als Schrift- Im Herbst ihres Lebens drohte Carmen Sylva zu
stellerin und Übersetzerin rumänischer Literatur weltweit erblinden. Die meiste Zeit verbrachte sie im Rollstuhl. Sie
bekannt. „Als Künstlerin galt sie als überspannt und verstarb mit 72 Jahren am 02.03.1916 in Bukarest an
weltfremd, als Königin war sie tatkräftig, unkonventionell
und erfolgreich.“
Carmen Sylva setzte sich für den Frieden in der damali-
gen kriegerischen Zeit und für eine republikanische
Staatsform ein. Dabei vernachlässigte sie nicht ihre
literarischen Aktivitäten. – „Seelengespräche“, „Ge-
flüsterte Worte“ und „Mein Penatenwinkel“ beinhalten
überwiegend biografische Aufzeichnungen und Kind-
heitserinnerungen von ihr.
20
Lungenentzündung und überlebte ihren mit 74 Jahren „1. Landrath zu Ratzeburg
am 10.10.1914 verstorbenen Ehegatten um 1 Jahr und 2. " " Rendsburg
sechs Monate. Die Beisetzung erfolgte an der Seite ihres 3. " " Flensburg
Gemahls in der Gruft der Klosterkirche „Curtea de Arges“ 4. " " Tondern
in Bukarest. 5. Polizeibehörde zu Altona
Rumäniens Ministerpräsident Joan (Ion) Bratianu d. Ä. 6. " zu Elmshorn
(1876 bis 1888) meinte zu dem Königspaar der 7. " zu Neumünster
Rumänen: „Ich habe noch nie zwei Menschen gesehen, 8. " hier (Schleswig)
die so vollkommen verschieden waren!“ – Und 9. Landrath zu Pinneberg
Ministerpräsident Demeter (Dimitrie) Sturdza (1895 bis 10. " zu Bordesholm
1909 mit Unterbrechungen) vertrat die Ansicht: „Ich habe 11. " hier (Schleswig)“
nie zwei Menschen gesehen, die sich so vollkommen
ergänzten!“ – „Glücklich – im landläufigen Sinne – ist Die „Badedirektion“ in Westerland gab am 26.07.1888
ihre Ehe nicht, wohl aber eine auf Vertrauen und Hoch- um 09.50 Uhr ein Telegramm mit dem Inhalt
achtung basierende Freundschaft“, war die allgemeine „Königin Rumänien incognito Comtesse
Beurteilung im Verwandten- und Bekanntenkreis der Vrancea Sonnabend eintreffend“
Carmen Sylva. auf, das um 11.30 Uhr an das „Ober=Präsidium“ in
Nach ihrem Tod erschienen bis in die 1930er Jahre noch Schleswig abgesandt wurde.
einige wenige Bücher von Carmen Sylva in Neuauflagen,
dann aber geriet die „Dichter“-Königin in Vergessenheit.
Königin Elisabeth von Rumänien kam inkognito Der „Ober=Präsident“ in Schleswig telegrafierte am
als „Gräfin Vrancea“ nach Westerland 31.07.1888 an den Landrat in Keitum folgendes:
„Bitte Angaben der Namen der Hofmarschälle
Den „Akten des Königlichen Ober=Präsidiums für Königin Rumänien
Schleswig-Holstein – Hoheits= Huldigungs= u. Ceremo- und Gruß Hakenzalborn. Oberpräsident“
nial=Sachen betreffend Reisen ausländischer fürstlicher Vom Königlichen Landrat in Tondern (= heute Tønder in
Personen 1875/1898“ zufolge reiste Königin Elisabeth Dänemark) ging am 29.07.1888 dem Königlichen Ober-
von Rumänien am 25.07.1888 in Bukarest ab, um sich Präsidenten, „Wirklichen Geheimen Rath, Herrn v.
„unter dem Namen einer Gräfin Vrancea nach dem Steinmann“ folgende Mitteilung zu:
Nordseebade Sylt zu begeben“. – Sie war erstmals und „... daß Ihre Majestät die Königin von Rumänien am
einmalig auf Sylt. gestrigen (28.07.1888) Nachmittag über Tondern
Das Preußische Ministerium des Innern in Berlin reisend, in Westerland auf Sylt eingetroffen ist.“
telegrafierte diese Nachricht am 26.07.1888 an den Der von der Königin Elisabeth von Rumänien für die
Oberpräsidenten in Schleswig mit dem „Ersuchen“, die Reise von Bukarest bis Westerland gewählte Name
entsprechenden Behörden zu benachrichtigen. „Gräfin Vrancea“ war kein Fantasiegebilde der Carmen
Von Schleswig wurden am 27.07.1888 vormittags in Sylva, sondern hatte einen tiefen rumänisch-geschicht-
Kenntnis gesetzt: lichen Hintergrund. Sie wollte damit an die Mutter des
21
Fürsten Stephan III., der Große (1457 bis 1504), seltene geistige Frische und Beweglichkeit entwickelte
erinnern, der erst nach 1990 von der rumänisch- und sich mit der zwanglosesten Liebenswürdigkeit
orthodoxen Kirche zum Heiligen erhoben wurde. Seine unterhielt. – Am südlichsten Ende unseres neutralen
Herrschaft war die Glanzzeit der Moldau, die unter ihm Strandes, wo sich der Haupttummelplatz der Jugend
einen nie gekannten und erahnten Aufschwung erfuhr. 22 befindet, wünschte die Königin ihr Strandzelt aufzu-
schlagen, um sich, wie sie ausdrücklich bemerkte, so
recht vom fröhlichen Kinderleben umgeben zu sehen.
In aller Frühe des nächsten Morgens begab sich die
hohe Frau bereits wieder an den Strand, wo sie sich mit
ihren Damen mitten im blanken Sande in einer Kuhle
niederließ, die ihr von diensteifrigen Kinderhänden in der
beliebten Sylter Manier gegraben wurde und wo sie den
langen Vormittag zubrachte, anscheinend ganz verloren
in dem Anblick des unendlichen Meeres, das seine
brandenden Wogen bis zu ihren Füßen rollte. Aber
unwiderstehlich angezogen von der so offen zu Tage
tretenden hinreißenden Freundlichkeit unseres könig-
lichen Gastes, umringte sie binnen Kurzem ein dichter,
dichter Kinderschwarm, dem sie fragend, plaudernd,
Märchen erzählend, bald ihre Aufmerksamkeit zuwandte.
Augenblicklich sitzt die Rumänische Königin wieder
mitten am Strande, umgeben von zahllosen Kindern,
Kopf an Kopf, und erzählt ihrem athemlos lauschenden
Telegramm der „Badedirection Westerland“. Auditorium, die neueste noch ungedruckte Geschichte
Abb. 40 Carmen Sylvas, nur ab und an unterbrochen von einem
unbezwinglichen kindlich laut begeisterten Jubel ihrer
dankbaren Hörer.
Die Königin hat ihren Kuraufenthalt in Westerland-Sylt
einstweilen auf 4 Wochen festgesetzt. Gestern traf ganz
Nach der „Sylter Kur=Zeitung von Dienstag, 31. Juli unerwartet Fürst Leopold von Hohenzollern zum Besuch
1888“, halten sich der Königin hier ein.“
„Ihre Majestät Königin Elisabeth von Rumänien
(Comtesse de Vrancea) mit Gefolge und Dienerschaft
(insgesamt 7 weitere Personen) sowie Se. Hoheit Fürst
Leopold von Hohenzollern mit Kammerdiener“
als Sommerfrischler in Westerland auf Sylt auf. Nach der
„Fremden=Liste“ hielten sich zu dieser Zeit 57 Kurgäste
allein in Westerland auf.
In der „Sylter Kur=Zeitung vom 31.07.1888“ stand weiter
zu lesen:
„Seit drei Tagen weilt die Königin, für die in der Villa
Roth, hart an den Dünen, Quartier gemacht wurde, mit
ihrem Gefolge als Gast auf unserer Insel, wo man ihr,
der königlichen Frau und begnadeten Sängerin so
manches echt deutschen, herzbewegenden Liedes, bei
der Freiheit des Badelebens allseitig die wärmsten,
unvermittelten Sympathien entgegenbringt. – Trotzdem
jeder offizielle Empfang verbeten war, hatte sich doch
am Ankunftsabend eine zahlreiche Menge auf dem
Ehrenpforten und Flaggen geschmückten Bahnhof
eingefunden, welche die Königin, als der Zug mit dem
bekränzten Wagen einfuhr, mit lautem und stürmischen
Enthusiasmus begrüßte.
Huldvoll und gewinnend nach allen Seiten grüßend,
schritt sie durch das vom Publikum ehrerbietigst
gebildete Spalier, um unverzüglich nach ihrer Wohnung
zu fahren, wo sie von der Kurkapelle mit einer Die erste Seite der „Sylter Kur=Zeitung“ vom
getragenen Bethoven’schen Weise empfangen wurde. – 31.07.1888.
Abb. 41
Ohne weiter auszuruhen, unternahm, Ihre Majestät dann
sofort unter Führung des Seebade-Directors einen
längeren, weit ausgedehnten Spaziergang am Strande,
bei dem sie ein ungewöhnliches Interesse für Alles, eine
22
Bei Fürst Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen von Amts wegen alle Wege und Straßen in Westerland
(* 22.09.1835 in Krauchenwies bei Sigmaringen, erstmalig Namen erhielten) eine Straße (Elisabethstraße)
† 08.06.1905 in Berlin) handelte es sich um den benannt, die an der „Heimat für Heimatlose“ (vis-à-vis
Schwager der Königin von Rumänien bzw. um den der 1997/1998 in Ellipsen- oder Schiffsform in Backstein-
Bruder ihres Gatten. 23 Verkleidung mit einer hervorragenden Akustik und einem
Am 10.08.1888 veröffentlichte die Sylter Kur=Zeitung in den Boden eingelassenen Taufbecken für „Ganz-
nachstehendes Gedicht, das mit „Z.“ als die Verfasserin körpertaufen“ erbauten katholischen St.-Christophorus-
oder der Verfasser abgezeichnet war: Pfarrkirche in Westerland, Dekanat Flensburg, in der an
Palmsonntag [28.03.1999] zum ersten Male die hl.
„Carmen Sylva Messe gefeiert wurde) entlang führt.
23
Von diesem „heimeligen“ Totenacker – inzwischen
inmitten der Stadt Westerland gelegen und völlig umbaut
– war die Rheinländerin und Königin von Rumänien
damals derart angetan, dass sie während ihres
mehrwöchigen Sommeraufenthaltes einen Gedenkstein
stiftete, auf dem sie die letzte Strophe des Liedes
„Heimat für Heimatlose“ von Oberhofprediger Dr. Rudolf
Kögel aus Berlin – der sie in Westerland besuchte –
anbringen ließ:
24
Die zunehmende Bedeutung des Fährverkehrs führte
1883 zur Gründung der Sylter Dampfschiff-Gesellschaft
(SDG). Der erste Dampfer der SDG war der Dampfer
„Sylt“. Er verkehrte zwischen Munkmarsch und Hoyer-
schleuse mit einer zugelassenen Personenzahl von 250
und war für die Passagier-, Fracht- und Postbeförderung
vom und zum Festland zuständig. Später wurde die
„Sylt“ auf der Strecke Hörnum – Amrum eingesetzt, bis
sie 1921 abgewrackt wurde. Ab 1900 legen die Schiffe in
Hörnum an.
Munkmarsch um 1895, das als Flurbezeichnung
„Mönchsmarsch“ erstmals 1422 erwähnt wurde.
Nachdem der alte Keitumer Hafen mehr und mehr
versandet war, errichtete man in Munkmarsch einen
neuen Hafen, der das einstige Tor nach Sylt bildete
und Munkmarsch zum wichtigsten Dorf der Insel
werden ließ. In diesem bedeutsamen Fährhafen der
Insel machten von 1855 an Raddampfer
(Versorgungsschiffe) mit Post, Waren und
Passagieren fest, die zweimal täglich in einer
zweistündigen Überfahrt zwischen dem
Festlandhafen Hoyer-Schleuse (Hoyerschleuse, seit
1919 das dänische „Højer Sluse“) und Munkmarsch
verkehrten. Von hier brachte ab 1888 die erste Sylter
Inselbahn (Schmalspurbahn) die ankommenden
Gäste zum neu entstandenen Seebad Westerland.
Bevor diese Dampfspurbahn gebaut wurde, mussten
die Reisenden mit Kutschen über unbefestigte
Sandwege nach Westerland gefahren werden. Nach
Eröffnung des Hindenburgdammes (1927) erhielt
Munkmarsch wieder seine Idylle zurück und wurde
bedeutungslos. „Hier kann man heute schwimmen,
Der Kapitän Thomas Selmer (1837 bis 1920) erwarb surfen, segeln, reiten und schlemmen, aber ans
1864 die Konzession zur Postbeförderung und setzte Festland kommt man nicht mehr; denn das letzte
auf der Strecke Hoyer – Munkmarsch den Dampfer Schiff ist bereits 1927 abgefahren.“ Im Hintergrund
„König Wilhelm I.“ sowie den Hinterraddampfer des Bildes – es handelt sich um eine Zeichnung von
„Bismarck“ ein. – 1869 ließ er im Munkmarscher Fritz Stoltenberg (1855 bis 1921) – ist die St. Severin-
Hafen ein später als „Fährhaus“ benanntes Gasthaus Kirche in Keitum zu sehen.
errichten. Hier sollten sich die Badegäste von den Abb. 49
Strapazen der umständlichen Verkehrsverbindung
durch das nordfriesische Wattenmeer erholen, bevor
sie die Weiterreise in ihre Quartiere an der Sylter-
Westküste antraten.
Abb. 48
25
Es ist wohl die Rachegeschichte „Pablo Domenech“ bunten Scheiben, und sehr gut und fein gewählten
(fonetisch „Domeneck“) gemeint, die um diese Zeit in Büchern. Manchmal haben sie im Winter zehn Tage lang
Frankreich „sehr gut gefällt und schon auf Griechisch keine Post, das ganze Meer ein Eis, – und die Frau sieht
übersetzt“ wurde. „Pablo Domenech“ ist eine wahre frisch und heiter aus!
Geschichte eines Augenzeugen in „Dito und Idem“ – Man kann also auch auf einer Düne leben, dem Kirchhof
„Rache und andere Novellen“, die Carmen Sylva von der Verschollenen gegenüber, kein Schiff, keine
dem Bekannten Kapitän Deaburn, Bukarest, 1882, Fischerei, kein Leben am Strande – und steht doch auf
übermittelt bekam. 26 der Höhe der Kultur und macht sich das Leben schön
und erträglich – wenn man sich lieb hat!!!"
"Hier sind Kinder zum Liebhaben, aus Hamburg, Berlin,
Westfalen und Steyermark (Steiermark), aus ganz
Deutschland, es sind über 1400 Badegäste hier, noch
einfach, sehr anständig, gute Gesellschaft. Ich fühle
mich sympathisch umweht, wenn auch A. behauptet, die
Leute moquierten (mokierten) sich über meine Kinderei!
Die sind keine Eltern, ist mir auch ganz einerlei! Jedem
Tierchen sein Pläsierchen; meines ist jedenfalls
unschuldig!“
„Nun habe ich zwei kostbare Menschen gefunden:
Begas und Kögel, jeder in seiner Art ganz prachtvoll.
Mein Schwager geniesst sie auch sehr. Wir haben schon
zwei schöne Fahrten mit Begas gemacht. Kögel behielt
ich zwei Stunden am Strande. Gott! wie köstlich mit
einem hochgebildeten Manne zu sprechen! Seit wann ist
mir das nicht mehr passiert!
So kann man mit jedem Standpunkt umgehen und fertig
werden. Begas ist eine vornehme Erscheinung, ein
Künstler durch und durch, impressionabel, ruhelos. Er
Der Begrüßungsempfang der Königin Elisabeth von sagte etwas so Hübsches: ‚Der Künstler muss seine
Rumänien durch das Ehepaar Carl und Marie Rot im Werke zerstören können wie die Natur, die auch den
„Rothschen Gartenhaus“ in Westerland.
Abb. 50
Pfau vom Tiger fressen lässt.‘ – Ich fand den Vergleich
grossartig und das Wort wahr. Ich sagte gestern zu
Begas, dass man hier anfängt, das Leben wieder als
etwas Köstliches zu betrachten, das wertvoll ist an und
für sich.“
„Heute abend haben wir Musik und zwar den
vorzüglichen Sänger Buls aus Dresden.“ – „Ueber die
deutschen Kinder habe ich die grösste Freude, sie sind
so vortrefflich erzogen!“
„Heut‘ soll ich mein erstes Bad nehmen, um 8 Uhr; es
strömt. Der Arzt warnte mich, nicht den ganzen Tag am
Meer zu sein, dazu sei die Luft hier zu stark; ich war
gewissenhaft draussen geblieben. Aber er sagt, man
müsse sehr vorsichtig sein.
Ich entschliesse mich sehr schwer, den Strand zu
verlassen, jeden Augenblick erscheint ein Kindchen mit
Blumen, Rosen, Wasserrosen, prachtvolle Erika und den
schönen Disteln, die hier auf dem Strande wachsen!
Wenn ich auf der Düne erscheine, kommen mir schon
alle mit ausgestreckten Händchen entgegen. So ist es Die 1882/1884 erbaute „Villa Roth“ in Westerland im
nicht denkbar, hier zu melancholieren (in Schwermut zu Jahre 1888. 8
verfallen), da mich von früh bis spät das Kinder- Abb. 51
gezwitscher umgibt.
Hier wohnen noch 40 Personen, Masse Kinder, im
Hause, man merkt sie nie. Alles ganz still.
Sehr nette Wirte, die das ganze Jahr hier leben, im
Winter mutterseelenallein, in Eis und Schnee! Der Mann „Ich erwarte Sie voll Freude und Ungeduld und werde
(Herr Apotheker Roth) war sehr kränklich, fast Ihnen durch Herzenswärme den Wald ersetzen, der hier
aufgegeben, da sind sie hierher gezogen, kinderlos fehlt. Dafür kommt der Wind über den ganzen
natürlich; er beschäftigt sich dann mit Holzschnitzen, und Atlantischen angebraust und bringt Leben. Habe ich
das Gartenhäuschen, in dem ich esse, ist ganz von ihm nicht immer gesagt, dass Pessimismus und Melancholie
möbliert. Castel Pelesch en miniature, ganz reizend, mit körperlichen Ursprungs sind? Man kann es noch so
26
schwer haben und dabei heiter sein, und es noch so gut „Zu spät!
haben und dabei traurig sein, wenn der Magen, die Milz,
die Leber, das Blut schlecht funktionieren. Ich habe es Wie geht er leicht und wie spricht er schön,
an mir selber oft genug erfahren. Hier ist doch wohl die Der mit dem Frühling gekommen;
melancholischste Gegend, und man ist so verjüngt wie Mich lockt’s wie Blumen, wie Sanggetön –
nur möglich; den Blick auf den Kirchhof der Heimatlosen O Mutter, die Liebe ist kommen!
finde ich ganz heiter, freilich bin ich auch von nahezu
100 Kindern umgeben und von vielen liebenswürdigen Ich weiß es ja, daß es sündhaft ist,
Erwachsenen, deren Bekanntschaft ich allmählich Was mir im Herzen entglommen,
mache. Meine grösste Ressource ist Kögel. Gott, ist der Doch bin ich glücklich die kleine Frist –
Mensch gebildet! Er ist wie ein Brunnenquell, aus dem O Mutter, die Liebe ist kommen!
man unablässig schöpfen kann, und wird auch nicht
müde zu spenden, stundenlang. Begas war gestern Sein erstes Wort und sein erster Blick
wirklich beinah fünf Minuten da, dann lief er schon Hat alle Ruh’ mir genommen;
wieder fort. Heute reist er ab.“ Mich hat durchschaut er, mein ganz Geschick –
„Dann ist ein ganzer Kreis von Damen, dem ich gestern, O Mutter, die Liebe ist kommen!
samt den Kindern, „Pelesch im Dienst“ (ein sehr langes
Märchen für den Prinzen Heinrich XXXII von Reuß aus Ich möchte jauchzen, ich athme frei,
dem Jahre 1888) vorlas. Sie waren sehr davon ergriffen, Und doch ist mir bang und beklommen;
Grosse und Kleine. Die „Handwerkerlieder“ (die Gedichte Ich schmücke mich gern, daß ich schöner sei –
von 1891 sind 28 verschiedenen Berufen gewidmet) O Mutter, die Liebe ist kommen!
haben grossen Beifall geerntet. ...“
Bei den Besuchern der Carmen Sylva in Westerland Ich hatt’ ihn ein einziges Mal gesehen,
dürfte es sich einmal um Dr. Johannes Theodor Rudolf Schon war sein Bild mir verschwommen,
Kögel (* 18.02.1829 in Birnbaum/Posen, † 02.06.1896 in Doch wollte es nimmer verwehn, vergehn –
Berlin) gehandelt haben. Er war seit 1863 Hof-, seit 1880 O Mutter, die Liebe ist kommen!
Oberhofprediger in Berlin, Generalsuperintendant der
Kurmark und Mitglied des Oberkirchenrates. Auch war er O wär’ ich drunten in Wassers Grund,
ein glänzender Kanzelredner. Zudem galt Kögel als Es wäre Allen zum Frommen.
konservativer Kirchenpolitiker und einflussreicher Verdorr, mein Herze, sei stumm, mein Mund –
Seelsorger von Kaiser Wilhelm I. (1871 bis 1888) und O Mutter, die Liebe ist kommen!
König von Preußen († 09.03.1888 in Berlin).
O weh mir, daß ich ihn je geschaut
Und seine Stimme vernommen!
O wär’ ich frei noch und seine Braut –
O Mutter, die Liebe ist kommen!“
(Von Carmen Sylva)
27
Zweifelsohne – Carmen Sylva hatte sich am Strand von
Westerland in den namhaften Berliner Kirchenpolitiker
und kaiserlichen Seelsorger Rudolf Kögel verliebt!
Am 02.08.1888 arrangierte man in Westerland – das 181
Kurgäste zählte – ein Kinderfest für den hohen Gast aus
den Karpaten.
„Der Festzug baute sich vor der „Villa Roth“ (damals
schon eines der ersten Gästeheime, ein ansehnlicher
Backsteinbau) auf. Eine Gruppe von 8 Mädchen
überbrachte Königin Elisabeth von Rumänien, die vom
Balkon „auf das heitere Gewimmel“ herab schaute, einen
Strauß (Blumen). Die Kinder sangen ein Lied, und ein
Hoch wurde ausgebracht. Dann ging es zum Tanz, dem
die Königin von ihrem bekränzten Sessel am Saalende
aus mit sichtlichem Vergnügen zuschaute, wobei sie bis
gegen den Schluss hin verweilte.“
„Auf dem Programm der Kurkapelle im Kurhause
Westerland unter Leitung des Königlichen Musikdirektors
Theubert stand am Dienstag, den 4. August 1888, unter
anderem: ‚Alpenglühen’ (Gedicht von Carmen Sylva,
Musik von August Bungert).“ 20
Das Teeservice oder Kaffeegedeck (die restlichen Teile
„Alpenglühen davon) als damaliges (1888) Geschenk der Königin
Elisabeth von Rumänien an das Ehepaar Carl und Marie
Roth von der „Villa Roth“ in Westerland. – Nach der
Es stand der Fels in Sonnengluth Porzellan-Gravur oder Fabrikmarke („C.T. mit einer
Den Tag entlang, darüber ‚herabfliegenden’ Taube“) auf der Unterseite des
Sie hat am Herzen ihm geruht, Porzellans stammte das wertvolle Tafelgeschirr von der
Bis Untergang. 1845 gegründeten Porzellan-Manufaktur Carl Tielsch in
Waldenburg-Altwasser im Bezirk Breslau (Schlesien).
Abb. 54
Was Wunder, daß er rosgen Schein
Zu Thal gesandt?
Ist doch der arme alte Stein
In Lieb entbrannt!
„Von den 1.000 Mark aber, welche die Hohe Frau bei
ihrer Abreise schenkte, waren ausdrücklich 300 Mark für
die Kinderheilstätte „Bethesda“ (Westerland) bestimmt.“27
Dem Ehepaar Carl und Marie Roth – den Eigentümern
der „Villa Roth“ in Westerland – schenkte Königin Elisa-
beth von Rumänien zum Abschied ein „Porzellan-
geschirr“, das lange Jahre in Ehren gehalten wurde und
auch im nachfolgenden Hotel „Roth am Strande“ in
Westerland gehalten wird.
Es stand ursprünglich in einer Vitrine, die vor etwa 20
Jahren von einem unbekannten und unberechtigten
„Porzellan-Liebhaber“ aufgebrochen wurde, wobei viele
Teile des Teeservices oder Kaffeegedecks dabei zu
Bruch gegangen sind. Nur diese traurigen Überbleibsel Das 1967 eröffnete „Hotel Roth am Strande“ in
sind erhalten geblieben: Westerland. Es entstand auf dem Areal der ehemaligen
In der Bierstube des Hotels „Roth am Strande“ in „Villa Roth“ und des so genannten „Schlosses
Segenhaus“ in Westerland. 9
Westerland sind weitere nostalgische Erinnerungsstücke Abb. 55
und historische Bilder von Sylter Provenienz sowie alte
Messing-Teller und andere Kunstgegenstände aus der
ehemaligen „Villa Roth“ in Westerland zu sehen.
28
In der „Sylter Kur=Zeitung vom 07.08.1888“ fand das Da unter ihnen weilte
folgende Gedicht auf Königin Elisabeth von Rumänien Die Märchenkönigin.
seine Veröffentlichung:
Und wenn die Kleinen zweifeln
„Die Märchenkönigin Von Staunen ganz erfüllt,
Als Kind hört ich erzählen Dann zeigen sie voll Rührung
Von Königinnen, Feen Ein wohlgehütet Bild.
Die unter Menschen wandeln; –
Gern hätt ich sie geseh’n! „Seht diese lieben Züge –
Blick nur recht deutlich hin
Die Kindheit ist entschwunden Dies gab einst Eurem Vater
So schnell, man weiß es kaum, Die Märchenkönigin!
Erfüllt hat sich das Märchen
Und Wahrheit ward der Traum. – Westerland, am 2. August 1888.” (Von Clara Bernhard)
29
„Das einzige, das ich ganz schlecht spiele, ist Inkognito komponiert.“ – „Ich lese auch jetzt (Wiesbaden) häufig
(„auf der Wandelbahn zu Westerland wird das Inkognito vor und singe auch; ich habe eine große ausgedehnte
schnell gelüftet“). Damit habe ich meiner Umgebung die Stimme, nachdem ich oft zum Sprechen keine hatte. ...“
heitersten Stunden verschafft. Wie sonderbar, daß die
breite Masse Fetische (Götzenbilder) nötig hat! Was ist
die Krone, die Fahne, der Kelch anderes als ein
Fetisch?“
„Von Westerland angekommen, ersticke ich an meiner
eigenen Phantasie. Ich fing alles zugleich an und konnte
bei gar nichts bleiben vor Aufregung. So werde ich
ruhiger arbeiten.“
„Ich habe ein wunderbares Buch, das so ganz zu meiner
Stimmung passt. Lahor, la littérature Hindoue. Aber so
etwas Wunderschönes! Solch eine Weltabgeschieden-
heit, solch eine Grösse, viel grösser als die Bibel, viel
ruhiger, viel höher, freier, Gott! waren die Inder gross in
ihren Gedanken. ...“ – „Ich spiele jeden Morgen Bach,
das erfrischt für den ganzen Tag.“
Aus Anlass der Vermählung des ältesten Sohnes des
Fürsten Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen (des
Erbprinzen Wilhelm mit der Prinzessin Marie von
Bourbon) verließ das Königspaar Mitte Juni 1889
Rumänien. Auf der Hochzeitsfeier in Sigmaringen war Das Haus bzw. die Villa „Wahnfried“ ist das
auch Kaiser Wilhelm II. mit seiner Gemahlin anwesend. ehemalige von 1872 bis 1874 erbaute Wohnhaus
Richard Wagners (1813 bis 1883) in Bayreuth. Der
Von Sigmaringen reiste Carmen Sylva wieder zu ihrer Name des Hauses wird durch den Spruch, der auf der
Mutter nach „Segenhaus“ (Neuwied). Vorderseite des Hauses eingraviert ist, verständlich:
„Hier wo mein Wähnen Frieden fand – Wahnfried –
sei dieses Haus von mir benannt.“
Abb. 58
30
„Er will möglichst wenig Frauen im Hause haben; wenn’s Der Bau des Schlosses „Pelesch“ kam – infolge einer
nach ihm ginge, hätten wir nur Soldaten zu unserer zweijährigen Unterbrechung durch den Unabhängigkeits-
Bedienung: ein Unteroffizier, der mir das Bett macht, und krieg Rumäniens (1877 bis 1878) – erst 1883 zu einem
ein Gefreiter, der mich nach dem Bade abtrocknet.“ vorläufigen Ende. Auf dem Bauplatz des Kastells
Mit dem Bau des Kastells „Pelesch“ war am 19.05.1875 „Pelesch“ ging es zu wie beim Turmbau zu Babel. (Gen
begonnen worden. Die feierliche Grundsteinlegung des 1. Buch Moses 11 1-9 – Der Turmbau zu Babel ist
Schlosses fand am 22.08.1875 statt. Es trägt den Namen zusammen mit der babylonischen Sprachverwirrung eine
des Gebirgsbaches „Pelesch“, der durch den Schloss- der bekanntesten biblischen Erzählungen des Alten
park fließt. Testaments.) Die Arbeiter am „Pelesch“-Bau „sangen,
„Nach dem Gottesdienst im Kloster Sinaia begibt sich fluchten und stritten“ in 12 bis 14 Sprachen.
das Fürstenpaar mit vielen geladenen Gästen nach dem Die „Bauaufsicht“ (Arbeiten) leitete hauptsächlich der
schön geschmückten Zelt, das auf dem Bauplatz königlich-rumänische Hofbildhauer Martin Stöhr (* als
errichtet ist, und in dem nach einer religiösen Zeremonie Bauers-Sohn am 28.03.1819 in Leutershausen, Gemein-
die Urkunde über den Bau des Schlosses von allen de Hirschberg an der Bergstraße). Er war Schreiner,
Anwesenden unterschrieben wird, um dann in einer Bildhauer, Architekt, lebte lange Jahre in Rumänien,
Glas- und Blei-Hülle eingemauert zu werden. Der Fürst blieb unverheiratet und zählte nicht nur zum Freundes-
streicht mit der Kelle den Mörtel auf das Fundament und kreis von König Carol I. von Rumänien, sondern war ein
spricht, während er die drei Hammerschläge thut: Vertrauter des Monarchen. Am 02.09.1896 ist er –
wahrscheinlich in Rumänien – verstorben. Seine Holz-
Möge dieses Schloß sich aus dem Grunde erheben und schnitzereien schmücken sowohl das Schloss „Pelesch“
glücklich vollendet werden, um dereinst die Wiege als auch das Stadtpalais in Bukarest.
meiner und des Landes Dynastie zu sein!" Das Kastell „Pelesch“ – es ist aus der Erinnerung an
rheinische bzw. deutsche Burgen entstanden – wurde
„Die Wünsche der Fürstin für den Geist, der in dem neu am 07.10.1883 in Gegenwart aller Würdenträger des
erstehenden Schlosse herrschen sollte, sind zu der Landes feierlich eingeweiht. Nachdem die von der
Urkunde und den Münzen in den Grundstein mit Königin gemalte Urkunde unterzeichnet worden war,
eingeschlossen worden, die wie folgt lauten: ertönte Chorgesang und der Metropolit weihte das ihm
dargereichte Wasser.
Es fallen die Gedanken „Dann setzte sich der Zug in Bewegung und ging über
Wie Blätter ab vom Baum, den mit Tannenzweigen bestreuten Hof, welchem mit
Sie schweben und sie schwanken jedem Schritt Waldesduft entströmte, zum Schlosse hin.
Vorüber wie ein Traum. Vor der kunstvoll geschnitzten Thür ward dem König der
Schlüssel feierlich überreicht. Er öffnete, und der
Sie haben sich als Lieder Metropolit betrat zuerst die Schwelle des Hauses. Von
Ans Tageslicht gewagt, dem königlichen Paar und der zahlreichen Schaar der
Es hat der Sturm sie nieder Geladenen gefolgt, schritt er unter Gebet und Gesang
Vom Haupte mir gejagt. durch alle Räume. Indem er das geheiligte Wasser über
sie hinsprengte, weihete er das Haus mit dem Segen
Und aus der Tiefe quellen Gottes.“
Mit immer neuer Macht Als der König bei dem darauf folgenden Gastmahl seinen
Hervor Gedankenwellen, Trinkspruch auf Rumäniens Wohl ausbrachte, fügte er
Vom Walde ausgedacht. die Worte hinzu:
„In der festen Zuversicht auf die Liebe meines Volkes
Sie sind zu Tag gedrungen habe ich hier ein eigenes Haus erbaut. Es soll sich
Aus dunklem Felsenspalt, erheben als dauerndes Zeichen der tiefen Wurzeln, die
Und betend losgerungen, meine Dynastie in diesem Lande gefaßt hat. Das
Erklungen und verhallt. rumänische Volk soll darin eine Bürgschaft meines
unbegrenzten Vertrauens auf die Zukunft unseres
Ein Lichtgedanke eilet theuren Vaterlandes erblicken.“
Herab vom Himmelssaal, „Im Namen der rumänischen Nation brachte Alexandri
Und wo er nur verweilet, (Dramatiker und Politiker Vasile Alecsandrj) den
Da ist's ein Sonnenstrahl. Glückwunsch des Volkes in dem Spruch, mit dem vor
Zeiten die Bauern den Eintritt ihrer Fürstin und Bojaren in
Gleich leuchtend, ob entsendet ein neu erbautes Haus glückwünschend begleiteten:
Vom Auf-, vom Untergang, So viel Steine und Balken,
Gleich tröstend, ob verwendet So viel Schätze und Siege!
Zum Beten, zum Gesang. So viel Körnchen Sand,
So viel glückliche Tage!
All die Gedanken schließe Die Sonne soll es erwärmen,
In unsern Bau ich ein, Und der Wind es stärken!
Daß Geistessaat entsprieße Der Segen Gottes und die Liebe des Volkes
Aus diesem ersten Stein." möge allezeit in dieses Hauses Mauern weilen.“
31
Später las man in den ersten Blättern Europas Abendlichtes hing. Es war so einsam und still ringsum;
glänzende Schilderungen des Märchenschlosses in den es war kein Mensch zu sehen. Über der schwarzen Türe
Karpaten, die in begeisterten Worten „die künstlerische war eine schwarze Tafel mit Goldbuchstaben:
Gestaltungskraft der gekrönten Dichterin priesen, welche ‚Heimatstätte für Heimatlose’
in dieser Schöpfung den Beweis geliefert hat, daß (Offenbarung Johannis 14,13)
Carmen Sylva nicht bloß eine geniale Poetin ist, sondern Ich öffnete die Türe und trat ein. Unter der westlichen
auch eine hochbegabte Künstlerin.“ Mauer waren neun Gräber, ohne Kreuz, ohne Gedenk-
(„Deutsche Illustrirte Zeitung“, N 2133, 17. Mai 1884) schrift – kein Name, keine Jahreszahl. Neun Hügel,
Nicht nur Carmen Sylva sondern auch König Carol I. von stumm, dunkel, mit etwas Moos bekleidet. Ich stand eine
Rumänien litten zeitlebens unter der Kinderlosigkeit (die Weile; dann ging ich und schloß die schwarze Tür hinter
verstorbene Prinzessin Marie war das einzige gemein- mir, wie ich sie gefunden hatte. Noch immer kein
same Kind des Königspaares) und dass sie dem rumäni- Mensch; ich erstieg die nächste Düne. Je höher ich kam,
schen Volk keinen Thronerben präsentieren konnten. je offener schien der Himmel zu werden, je breiter der
Der rumänische Ministerpräsident Ion Brãtianu soll dem Glanz um mich. Nun war ich oben, und ein goldschillern-
König sogar die Scheidung von seiner Gemahlin und des Meer lag vor mir und flammendes Purpurgewölk, so
eine neue Eheschließung nahegelegt haben. weit der Blick reichte, und schwimmend darin die
sterbende Sonne. An dem gelben breiten Strande gingen
Der (ehemals) „einsame“ Friedhof in den Dünen noch ein paar Menschen; und auf der Dünenkuppe zu
meiner Rechten stand ein Mädchen, und in der Glorie,
„Die Leichen, welche an unseren Strand antrieben, sind die sie umgab, flatterten ihre dunklen Röcke.
seit undenklichen Zeiten nicht mehr auf die Kirchhöfe Da ich nach Haus gekommen war, in der vollständigen
gebracht, sondern wo selbige gefunden wurden, in einer Dunkelheit des Abends, schlug ich die Bibel auf und las,
Dünenschlucht verscharrt worden, gleich wie Kadaver beim einsamen Schimmer meiner Kerze, Offenbarung
von tierischen Körpern ohne Sarg, was mir immer sehr Johannis 14,13:
zu Herzen ging, schrieb der Westerlander Strand- Und ich hörte eine Stimme vom Himmel, die (zu mir)
inspektor Wulf Hansen Decker im Jahre 1855 und sprach: „Schreibe“: Selig die Toten, die im Herrn sterben
wunderte sich, daß man das Quarantänegesetz als von nun an! Wahrlich, spricht der Geist, sie sollen
Hemmschuh einer ordentlichen Beerdigung höheren ausruhen von ihren Mühen; denn ihre Werke folgen
Ortes nicht so modifizierte, daß solche Berufsbrüder und ihnen nach.
größtenteils Christenmenschen nicht feierlicher begraben Und ich sahe, und siehe, eine weiße Wolke ...
werden können.“ Heute morgen nun war der Himmel blau, und heiter in
seiner Höhe stand die östliche Sonne. Das Meer war
frisch und bewegt, und eine Lust war es, darin zu baden.
Nach dem Bade trat ich meine Wanderung an, den Sand
hinunter, dicht am Meere; die wenigen Badekarren und
die paar Menschen darin oder daneben blieben weit
zurück, und lange war ich allein. Ich traf zuletzt auf einen
Mann, welcher Tuul grub. Dieser Mann hatte ein Gesicht,
von Wind und Wetter ganz rot geworden; klare blaue
Augen und langes gelbes Haar. Er mochte wohl einige
vierzig Jahre alt sein, und wie ich ihn so dastehen sah, in
der vollen Helligkeit der Sonne, dem offenen, einsamen
Meer gegenüber, über seinen Spaten gebeugt, trat ich zu
ihm. Nach mancherlei, was wir zuerst sprachen, fragte
ich ihn über den kleinen Kirchhof mit der schwarzen
Mauer, welchen ich gestern Abend unter der Düne
Das Tor zur „Heimatstätte für Heimatlose“ in gesehen.
Westerland aus heutiger Sicht. ‚Auf diesen Kirchhof’, sagte der Mann, ‚bringen wir
Abb. 60 diejenigen, welche von der See hier ans Land
gewaschen werden.’
‚Schiffbrüchige?’ fragte ich.
‚Schiffbrüchige und andere. Nicht selten fällt ein Matros,
wenn er in der Takelage einen Fehltritt tut, ins Wasser
und ist, wenn Wind und Strömung scharf gehen, im
Dieser Wulf Hansen Decker war es, dem einst die nächsten Augenblick weg.’
Aufsicht über die Strand-Vögte auf Sylt oblag und der bei ‚Und nicht mehr als neun Gräber in dieser langen Zeit?’
„Strandungsfällen“ die Rettung der Schiffbrüchigen und ‚Der Kirchhof ist noch nicht alt. Früher wurden die
die Bergung von Schiff und Ladung leitete, richtete 1855 Leichen, die wir auf unserm Sande fanden, in den Dünen
den Friedhof „Heimatstätte für Heimatlose“ für Strand- verscharrt. Es war eine alte Sage, daß man diejenigen,
Leichen in Westerland ein. welche das Meer von sich wirft, auch nicht ehrlich, wie
„Auf einmal stand ich vor einem Mauerviereck aus andere Christen, begraben dürfe. Da machte man denn
schwarzen Steinen, an welchen ein Schimmer des ein Loch unter der Düne und legte den fremden Toten
32
hinein, ohne Sarg, wie man ihn gefunden. Der nächste daselbst anstrandenden Leichname von den Strand-
Wind türmte häuserhohen Flugsand über das Grab und bedienten in ordentliche Särge gelegt, und unter Läutung
manch ein vergessen Christenkind liegt dort in den der Glocken auf den Kirchhöfen beerdigt, welcherhalben
Dünen. In neuerer Zeit hat man sich nun viel Mühe so wenig den Predigern als Kirchen und Schule einige
gegeben, diesen unmenschlichen Gebrauch abzustellen; Gebühren entrichtet werden.“
aber die Alten wollten lange nichts davon hören, und erst So war es zumindest bis 1803. Da erschien eine
seit dem Tode des letzten Strandvogtes, vor ein paar Verordnung, alle welche mit der Wegschaffung der
Jahren, ist es anders geworden. Da wart der Kirchhof, Leichen zu tun hätten, sollten eine vierzigtägige Quaran-
den Ihr gesehen habt, angelegt; und wenn nun eine täne einhalten, um die Einschleppung ansteckender
Leiche auf dem Sande gefunden wird, so kömmt sie Krankheiten zu vermeiden. Die Sylter fanden diese
zuerst in die Strandvogts-Scheuer, wird gewaschen und Bestimmung für sie unannehmbar. Sie erreichten eine
eine genaue Beschreibung derselben, unter dem Datum, Ausnahme von der Quarantänevorschrift unter folgenden
an welchem sie gefunden worden, in das Tagebuch Voraussetzungen:
gesetzt. Wenn später nun vielleicht ein Freund und „... die Leichen nicht unmittelbar mit den Händen,
Angehöriger nach dem Grabe fragen sollte, so kann man sondern mit langen Haken oder Zangen ans Land zu
es nach der Beschreibung finden. Denn wir wissen ja bringen und sie in die, am besten nahe am Strande
nicht, wen wir begraben – weß Namens und aus (gelegene) und wenigstens 4 Schuhe tiefe Grube zu
welchem Lande er ist. Wir geben ihm einen schwarzen verscharren und gedachte Leute ausdrücklich darauf
Sarg, eine geschützte Stelle, wo er nicht vom Sande beeydiget werden, von allen Kleydungsstücken oder
verschüttet wird, und einen Rasenfleck über dem Hügel. sonstigen bey sich habenden Geräthe, nicht das
Wir tragen ihn hinaus, wie wir unsere eigenen Leute Mindeste sich zuzueignen, sondern die Sachen mit
hinaustragen, wir singen ein Lied an seinem Grabe und allem, was ihnen anhängt, zu vergraben.“
unser Pfarrer spricht den Segen darüber. Das ist unser „Diese Entscheidung des Obergerichtes (Konsistorium)
Brauch.’ datiert vom 29. Januar 1805. Unmittelbarer Anlaß der
‚Und ist der jetzige Strandvogt der neuen Einrichtung ganzen Aktion war das Gelbe Fieber, welches damals in
zugetan?’ Europa grassierte. Deshalb durfte auch der Strandvogt
‚Ja, ja ... O, ja...’ erwiderte der Mann mit dem roten alle Gegenstände, die sich bei der Leiche fanden und die
Gesicht, das um diese Zeit noch etwas röter geworden, sonst zu Vergütung der Unkosten für die Bestattung
und mit den klaren blauen Augen, die mich verlegen herangezogen werden durften, nicht mehr für sich
ansahen. ‚Eigentlich, um die Wahrheit zu sagen, hat er behalten. Künftig sollte ihm seitens der ‚Obrigkeit’ eine
sie erst durchgesetzt, und nach vielem Verdruß mit Vergütung dafür gezahlt werden. – Vielleicht hatte man
Gemeinde und Obrigkeit jenen Kirchof zu Stande wirklich vergessen, was noch vor fünfzig Jahren Brauch
gebracht.’ war. Oder Rodenberg hat es feinsinnig unterschlagen.
‚Und wie heißt er?’ ‚Dekker.’ Schließlich ist die Sache ja viel romantischer, wenn ein
‚Ich möchte ihn kennenlernen. Wo treff ich ihn?’ Ein frommer Strandvogt sich der armen Toten annimmt,
wenig stotternd sagte der Mann, indem er sich an nachdem sie niemals zuvor ein christliches Grab
seinem Spaten aufrichtete: ‚Hier.’ bekommen haben. – Daß Decker nur mit einer
Da gab ich ihm, dem Strandvogt Dekker von Westerland, inzwischen sinnlos gewordenen Vorschrift brach, das
der die Toten des Meeres begräbt, meine Hand und braucht seiner lobenswerten Initiative keinen Abbruch zu
schloß Freundschaft mit ihm; und zurück über die Düne, tun.“
um sie noch einmal zu besuchen, gingen wir mit
einander zu der ‚Heimatstätte für Heimatlose’. (F.
Rodenberg)“ 28
Dieser Prof. Dr. Dr. Julius Rodenberg weilte 1858 auf
Sylt, wo er 1859 sein Buch „Stilleben auf Sylt“ verfasste
und sich mit seinen Ausführungen doch gewaltig irrte:
„Das Badeleben ist höchst monoton. Keine Musik, kein
Tanz, keine Gesellschaft. Fast jede Bequemlichkeit, an
die uns das Leben gewöhnt hat, hört hier auf. Dazu ist
die Verbindung mit dem Festland mangelhaft und höchst
unregelmäßig. Nein, ein Modebad ist Westerland nicht
und wird es auch schwerlich.“
33
Früher wurden die an den Nordseestränden ange- 1857 den 10ten März. Des Morgens war eine Leiche
schwemmten Leichen einfach hinter der nächsten Düne neben Erdbank angetrieben. Diese männliche Leiche
verscharrt. Im 17. Jh. erfolgte die Anordnung, dass eine war ganz frisch und gehörte sehr wahrscheinlich zu dem
Beerdigung auf ‚christliche Weise’ auf dem jeweiligen am 6. d. M. angetriebenen Boote mit Kleidungsstücken
Inselfriedhof zu erfolgen habe. Die Kosten für Sarg und und sonstigen Gegenständen, was alles hinwies, daß
Grab mussten die Strandvögte tragen, die zur Deckung das Boot von einem Schiffe geflüchtet und in den
der Kosten die evtl. Wertgegenstände der ange- Außenbrandungen gekäntert waren. Die sehr guten
schwemmten Toten oder aus den Bergungsprämien der Kleidungsstücke deuteten darauf hin, daß es eine
Wracks und geborgenen Schiffsgüter verwendet werden holländische Nation angehöre.
konnten. – Seit 1812 waren die Beerdigungskosten für Diese Person, vermutlich ein Matrose von 22 bis 23
Strandleichen, die nicht durch gefundene Habseligkeiten Jahren, führte nichts bei sich wie ein kleines Geldetui mit
gedeckt werden konnten, von der Königlichen Regierung einigen silberne und kupferne holländische Scheide-
Dänemarks zu tragen. münzen. Einen Sarg wurde geholt und die Leiche darein
gelegt, fuhr man dieselbe nach dem Kirchhofe um allda
Aus dem Friedhofsprotokoll des Strandvogts laut mündlicher Abrede mit dem Landvogt besichtigt zu
Wulf Hansen Decker werden.
Der Strandvogt war selbst nach dem Prediger gegangen
„Notirungen der angeschwemmten Leichen betreffend um dem Wunsche von Capt. Kamp u. Frau, die am 11.
und ihren Begräbnisplätzen an dem im Jahre 1855 Januar hier gestrandet waren, gemäß, eine Parentation
angelegten und erbauten Kirchhofe. zu erbitten, die zu 5 Uhr von dem Prediger angesetzt
N. B. In der Süd-West-Ecke des Kirchhofes hat man die wurde. Nachdem ich mich hierauf nach dem Kirchhofe
erste Leiche (Nr. 1) begraben und die folgenden der verfügte, fand ich zu meiner Verwunderung, daß die
Reihe nach von Süden längst dem Walle an der Leiche schon bestattet war.
Westseite, wie die übrigen Nummern folgen. Nach Aussage des Kuhlengräbers hatten Landvogt und
1855 den 3ten October trieb die erste Leiche an seitdem Strandinspector die Leiche, nachdem sie besichtigt, ohne
der neue Kirchhof fertig gewesen und bei welchem erst dieselbe wie gewöhnlich zuzunageln, in aller Eile in
zugleich die Einweihung stattfinden sollte. die Gruft hinabgesenkt und ihm befohlen, Erde aufzu-
Diese Leiche war neben Boy Jensen oder dem alten werfen. Der Strandvogt mußte mit seinem Hammer und
Klockhooggab angetrieben und wurde so bald wie Nägel die er bei sich führte um den Sarg nachdem sie
thunlich in einen nach Landes Sitte verfertigten, ge- besichtigt war, zunageln zu können und mit vergeblicher
schwärzten Sarg gelegt, darauf von dem p.t. Landvogten Freude, daß parentiert werden würde, wieder nach
Herrn Kammerjunker v. Levetzau genau besichtiget und Hause wandern; legte aber gleich darauf Protest gegen
nachgesehen und nachdem der Sarg zugenagelt ein solches Verfahren in der Landvogtei ein.“
worden, nach seinem in der Nähe stehenden Badekarren
oder Häuschen hingetragen, wobei der Herr Kammer- Die „Heimatstätte für Heimatlose“
junker selbst Hand anlegen mußte; allda die Leiche bis
zum nächsten Morgen als den 4ten Octob. stehen, Die Gräber der „Heimatstätte für Heimatlose“ in Wester-
wurde dann nach dem Kirchhofe gefahren und nach land sind mit schlichten Kreuzen versehen, auf denen
landesüblicher Sitte feierlich unter Gesang und vorher- der Fundort am Meeresstrand mit dem jeweiligen Datum
gegangenen Parentation (Totenfeier/Trauerrede) und zu lesen steht, wann der „Blanke Hans“ (Nordsee) das
Einweihungsrede ungefähr um 9 Uhr beerdigt, wozu sich „Strandgut“ – es waren wohl meist Schiffbrüchige –
eine Menge Leute eingefunden hatten. anschwemmte.
Die beerdigte Leiche war eine männliche und von In nur einem halben Jahrhundert trug man hier 23
ziemlich starkem Körperbau, so wie noch überall Seeleute vom Westerlander, 15 vom Rantumer und 15
bekleidet; auf dem rechten Arm war die englische Flagge vom Hörnumer Strand zu Grabe. Als Erster wurde am
und auf dem linken: Christo am Kreuze tätowirt, weiter 04.10.1855 ein unbekannter toter Seemann beigesetzt,
aber keine besonderen Kennzeichen vorhanden. Das der tags zuvor am Westerlander Strand geborgen
Gesicht war ganz abgeschabt so wie die Hände auch worden war. – 1890 trieb ein Toter an, der später als
und daher unkennbar. Außer ein paar Schlüsseln befand Harm Müsker identifiziert werden konnte. Ihm errichtete
sich auch nichts in den Taschen; seiner Kleidung nach man eine schlichte Gedenktafel, die folgende Be-
konnte es wol ein englischer Lotze sein. schriftung trägt:
1856 den 23ten Juni. Morgens fand ein Theil eines
menschlichen Kadawers neben Michelsdeich, dem „Hier ruht in Gott Harm Müsker, geb. 24. Aug. 1872 zu
Anscheine nach ein Frauenzimmer, jedoch ohne feste Holtersehv, verunglückte bei der Strandung der
Bestimmung, da keine Kleidung mehr vorhanden waren ‚Gerhardine‘ vom 2. – 3. Octbr. 1890.“
sondern bloß ein Mitteltheil ohne Kopf und Beine. Liesen
so geschwind wie möglich einen kleinen Sarg machen Am 02.11.1905 erfolgte die letzte Bestattung, 1906 sollte
und senkte selbigen des Nachmittags ohne Sang und die „Heimatstätte für Heimatlose“ in Westerland verlegt
Klang auf dem Kirchhofe ein. Hatten Besichtigung auf werden und 1907 verfügte die Stadt die endgültige
mein Verlangen, von ein paar hiesigen Eingesessenen, Schließung. 29
die es mir beipflichteten, daß es ein menschlicher Als „Namen- oder Heimatlosenfriedhof“ werden die
Cadaver war. letzten Ruhestätten für Strandleichen auf den
34
Nordfriesischen Inseln und „Drinkeldodenkarkhof“ (Kirch- Auf Dein Woher, auf dein Wohin
hof der Ertrunkenen) die auf den Ostfriesischen Inseln Sollst du dich hier besinnen.
genannt. Noch eh’ der Abend niedersinkt,
Entblättert Ruf und Rose.
Weh dem, der nicht beim Scheiden winkt
Heimath für Heimathlose.
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„Heimathstätte für Heimathlose. Wir gehen über die Zwei Jahre nach Ummauerung des Friedhofes, im Jahre
Heide von Sylt – die Insel ist so still und man muß sagen 1857, wurde, auf Anregung eines Altonaer Arztes, das
öde wie nur immer möglich – hie und da weiden Schafe Seebad von Westerland eröffnet; und seitdem ist die
auf den mageren Triften, Schwalben und Lerchen fliegen Insel Sylt ein Lieblingsruheplatz, eine Heimstätte des
auf und Möven schweben mit dem Klageschrei eines Friedens auch für die Lebendigen. Tausend kranke,
kleinen Kindes sturmverkündend über dem Rothen Kliff – überreizte Menschenkinder zieht es im Sommer nach
unten, am Fuß desselben donnert die Brandung, die diesem äußersten Fleckchen deutscher Erde; Badegäste
Nordsee verschlingt brüllend den großartigen Strand aller Stände und jeden Alters legen den langen Weg
mitsamt den kleinen Festungen, welche die Badegäste durch Schleswig-Holstein oder den geraden Weg von
aus dem weißen Sande aufzuführen pflegen – Hamburg über Helgoland und Föhr zurück, um ein paar
Strandgüter aller Art, die Hummerkisten der englischen Wochen in dieser ....“
Fischer, zerbrochene Planken und Ruder, Rammpfähle (Anonymer Verfasser im Jahre 1863)
und Rettungsbojen, Tonnen und Flaschenposten aus
dem Atlantischen Meere, buntbemalte Gallionbilder, Die „Friedhöfe der Namenlosen“ an der
todte Tümmler werden von der Fluth ans Land geworfen, Donau nahe Wien
wieder verschlungen und wieder ausgeworfen. Da seht!
Auch der Leichnam eines Menschen kommt
angeschwommen – der Mann hat lange mit den Wellen
gekämpft, man erkennt es an den krampfhaft geballten
Fäusten, an den angstvoll zusammengezogenen Lippen;
endlich ist er dem übermächtigen Element erlegen – die
gewaltige Fluth hat ihn geknickt wie einen Strohhalm –
jetzt ist er gelandet, aber todt.
Wie heißt er? Woher ist er? Wohin fuhr er? – niemand
weiß es. Er wird aufgelesen und auf dem kleinen
Friedhof von Westerland, der den obigen Namen trägt,
begraben, heimathlos, namenlos.
Nichts steht auf den hölzernen Kreuzlein als eine
Nummer, und der Tag und der Ort, an dem ein Mensch
ertrunken gefunden ward: Den 3. Oktober 1855 W. St.“
Der Hinweis auf den ersten „Friedhof der Namenlosen“
Oder: an der Donau nahe Wien.
„Den 26. November 1863 R. St. Abb. 64
Es erinnert das an die Katakomben der Jesuiten, deren
Persönlichkeit und Name in ihrem Orden gleichfalls
untergeht und die im Gedächtnis der Nachwelt nur als
Pater I und Pater II fortleben. Die Flussschifffahrt auf allen Flüssen forderte seit ewigen
W. St. ist Westerland Strand; R. St. ist Rantum Strand – Zeiten ihre Opfer. So befanden sich nahe Wien zwei
der westerländer Friedhof dient nur für die in Westerland Friedhöfe zur Bestattung der namenlosen Donauleichen.
und Rantum angetriebenen Leichen, während List, am
Nordende der Insel, seit dreiundzwanzig Jahren seinen
eigenen Friedhof für Schiffbrüchige hat und in Keitum für
dieselben eine besondere Abtheilung auf dem allge-
meinen Friedhofe besteht. Jede Sylter Gemeinde hält in
einem Häuschen beständig einen Sarg in Bereitschaft, in
welchem die Verunglückten gebettet und auf eine jener
drei Heimathstätten übergeführt werden.
Bis vor drei Jahrzehnten verfuhr man auf Sylt anders. Es
war Sitte, die angetriebenen Leichen in den Dünen zu
verscharren, nicht bloß ohne Sarg, sondern auch ohne
Sang, wie die Leute dort sagen, das heißt: ohne Predigt
und religiöse Ceremonie. – Erst in dem oben ange-
gebenen Jahre 1855 ummauerten die Westerländer das
Plätzchen hinter den Dünen mit aufgeworfener Erde und
bestimmten es zu einer Heimathstätte für Heimathlose.
Neununddreißig Heimathlose, also mehr als einer auf
das Jahr, hatten bis zum vergangenen Sommer hier eine
Heimathstätte gefunden, die auf den beiden andern,
jüngeren Friedhöfen Beerdigten nicht gerechnet – sanft Nur noch dieses schlichte Kreuz mit der Hinweis-
Tafel zeugt auf den ersten „Friedhof der Namenlosen“
ruhen sie, vom Rauschen des Meeres eingewiegt, alle an der Donau nahe Wien.
ihre Kreuzchen sind bekränzt, und Schiffchen, aus Abb. 65
Binsen geflochten, schwanken als harmlose Angedenken
auf den Gräbern.
36
Den ersten überlieferten so genannten alten „Friedhof
der Namenlosen“ hatte man 1840 im Bereich zwischen
Damm-Kapelle und Hafeneinfahrt (Albener Hafen an der
Donau) angelegt. Er wurde 1900 – nach der Bestattung
von 478 Opfern des Donau-Stromes – im Jahre 1900
aufgelassen.
Einen Steinwurf von dieser Stelle entfernt und vor
Hochwasser besser geschützt eröffnete man 1900 den
zweiten „Friedhof der Namenlosen“. Der Großteil der
über 100 Grabhügel ist mit einfachen namenlosen
Metallkreuzen versehen. Dieser schlichte Charakter des
Friedhofes, der schon über 100 Jahren so besteht, soll in
dieser Form beibehalten werden. Die letzten Beisetzun-
gen von Toten, die die Donau ans Ufer spülte, erfolgten
1935. Von da an erhalten die namenlosen „Donau-Opfer“
eine Grabstätte auf den jeweiligen städtischen oder Das Gedicht eines Unbekannten auf dem letzten
gemeindlichen Friedhöfen. „Friedhof der Namenlosen“ an der Donau nahe Wien.
Abb. 67
37
Anmerkungen: Oktober begangen. Die dem Namenstag entsprechende Bauern-
regel lautet: „Wenn’s Sankt Severin gefällt, so bringt er mit die
erste Kält’.“ – Das wohl älteste Relikt in der St. Severin-Kirche in
1. Es wird auf den Aufsatz: „Die Taufzeugen (Taufpaten) und die
Keitum auf Sylt ist das um 1250 aus rheinischem Sandstein
Trauung der späteren Königin Elisabeth von Rumänien alias
gefertigte Taufbecken. Der spätgotische Kirchturm – um 1450 aus
Carmen Sylva“ verwiesen, der im Internet unter
Ziegel- und Feldsteinen errichtet – war bis 1603 Seezeichen bzw.
http://mhhmohr.cadae.de aufgerufen werden kann.
Fixpunkt für die Seefahrer. Er diente bis 1806 zeitweilig auch als
2. Eine erneute Missionierung von Sylt, und zwar durch Köln ist zwar Gefängnis.
denkbar, doch im Historischen Archiv des Erzbistums Köln 3. Noch 1713 sollen Sylter Strandräuber gestrandete Schiffbrüchige
(25.03.2008) lassen sich keine entsprechenden Hinweise finden. aus reiner Habgier ermordet haben. 1699 mussten sich 19
– In altgermanischer Zeit sollen sich auf dieser Erhebung in Insulaner aus Rantum vor Gericht verantworten, weil sie „Oxhoft
Keitum ein Odin-Heiligtum und auch schon Begräbnisplätze Wein vom Strande paredieret“ hatten (alte Burgenländer
befunden haben. – Seit 1240 ist die St. Severin-Kirche in Keitum Bezeichnung für Spitzenweine, die 24 Monate in einem
urkundlich belegt. – Der Dänenkönig Knut den Stor = Knut der Barriquefass/Holzfass gereift waren). Kurz vorher war die
Große (* etwa 995, † 12.11.1035 in Shaftesbury) soll bereits Geld gesamte Einwohnerschaft dieses Dünendorfes wegen
und Steine zum Bau der Kirche in Keitum, die im romanischen Stil Strandräuberei zum Amtshause in Tondern „einbestellt“ worden.
aus rheinischem Tuff, Feldsteinen, Granit und Ziegelsteinen Bis ins 16. Jh. galt Rantum – älteste Erwähnung des Namens
errichtet wurde, zur Verfügung gestellt haben. – Knut der Große findet sich in einer alten Seekarte von 1142 – als eine Hochburg
wurde zu Weihnachten 1016 zum König von England gekrönt und der Strandbanditen. Die Insulaner plünderten Schiffe und
machte es zur Ausgangsbasis seines Nordsee-Reiches. Im Jahre bestritten mit der erbeuteten „Sore“ bzw. dem Geraubten ihren
1019 wird er König von Dänemark und eroberte 1028 Norwegen. Lebensunterhalt. Durch die Sturmfluten um 1362 und 1634 wurde
Vermutlich mit der zweiten Eheschließung konvertierte er zum Rantum – wo Sylt derzeit am schmalsten und die Inselgemeinde
christlichen Glauben. Mit der Christianisierung seines Herrschafts- am kleinsten ist – so stark zerstört, dass ein Aufbau an anderer
gebietes begannen zunächst angelsächsische Priester. – Der hl. Stelle vonnöten war.
Severin war der dritte bekannte Bischof von Köln. Er wurde im 4. Desaströse Stürme gab es auf der Insel Sylt schon immer. Aber in
Zusammenhang mit dem Tod (397) des hl. Martin von Tours Zukunft werden sie wegen der allgemeinen Erderwärmung häufi-
(Bischof) erwähnt. St. Martin, in Ungarn geboren, war zunächst ger sein, wie Wetterprognosen prophezeien. Bei der „großen Flut“,
Offizier des römischen Kaisers. Mit 18 Jahren ließ er sich taufen, die etwa um das Jahr 1342 ganz Friesland überschwemmte, sind
mit 40 J. quittierte er den Dienst im Heer und wurde Missionar. einige Dörfer und Ansiedlungen auf Sylt untergegangen. Die
Seit 371 wirkte er als Bischof von Tours. Im Text der Lebens- verheerende Sturmflut am 11.10.1634 („Burchardiflut“) ließ in
beschreibung wird Severin als „heilig“ und als „ein lobenswerter einer einzigen Abendstunde das alte Nordstrand verschwinden.
Mann von lauterem Lebenswandel in jeder Hinsicht“ beschrieben. Aus der einen großen Insel bildeten sich die heutigen, kleineren
Gesicherte Erkenntnisse über das Wirken Severins in Köln fehlen. Inseln Nordstrand und Pellworm sowie die Halligen Nord-
– Als Ort seiner Beisetzung soll der Überlieferung nach eine – strandischmoor, Hamburger Hallig und Südfall. In denkbar
angeblich von ihm gegründete oder zumindest vergrößerte – kürzester Zeit wurden 20 Kirchspiele mit 19 Kirchen (3 blieben
Kapelle in einem Begräbnis-Feld an der Ausfallstraße nach Süden erhalten), 1332 Häusern und 30 Windmühlen vernichtet, mehr als
von Köln aus römischer Zeit gewesen sein. Es waren Bestattungs- 6400 Menschen, darunter 9 Prediger, fanden den Tod in den
orte privilegierter Bevölkerungskreise und zweier späterer Kölner Wellen. 2.633 Menschen überlebten die Schreckensnacht. Vor
Bischöfe Giso (etwa 711) und Anno I. (um 715), die sich hier dieser Flut hatte Nordstrand eine Fläche von 22.169 Hektar, um
hatten beerdigen lassen. Ein St. Severin-Patrozinium und das 1905/1906 nur noch 9.000 durch Deiche geschützte Hektar. Da
Severin-Stift in Köln sind an dieser Stelle um 800 und 866 belegt. die seit 1867 als vermeintlicher Küstenschutz am Nordseestrand
– Seit 1925/1926 durchgeführte Grabungen an der Severin-Kirche auf Sylt eingerammten Buhnen – ob aus Holz, Stahl oder Stein
aus dem 13. bis 15. Jahrhundert in der Kölner Südstadt haben bzw. Beton – den gefräßigen Wellen und insbesondere den
neben römischen Gräbern einen Raum aus dem 4. Jh. mit Apsis, Sturmfluten bisher keinen Einhalt bieten konnten (durch
aber ohne christliche Zeichen gefunden – möglicherweise Seve- Strömungsverwirbelungen wird der Abtransport des Sandes und
rins Grab. Die Stätte wurde im 5./6. Jh. als Grablege und später die Dünen-Verluste noch begünstigt), begann man schon 1972 mit
mehrfach für sakrale Zwecke ausgebaut. – Schon früh wurde Sandvorspülungen in einer Größenordnung von mehreren
Severin als Heiliger in Köln hoch verehrt. Seine Gebeine werden hunderttausend Kubikmetern, um die Erosion des bedrohten
seit dem 11. Jh. in der St. Severin-Kirche in Köln aufbewahrt. Sylter Festlandes zumindest zu verlangsamen. Eine weitere
Dieser Goldschrein war wohl nach dem Dreikönigsschrein der Abtragung der Insel ist nicht zum Stillstand gekommen. – „Um
kostbarste und bedeutendste im mittelalterlichen Köln. St. Severin Strand-Abschnitte oder Inseln vor Landverlust durch Erosion zu
ist der Schutzpatron der Stadt Köln. In Notzeiten (Wassernot schützen, wird mit Baggerschiffen, so genannten Hopper
1421, unaufhörlichem Regen 1438, Dürre 1442, Pest 1607, Dredgern, Sand vom Meeresboden angesaugt und an die
Cholera 1849) wurden seine Reliquien in feierlichen Prozessionen betroffene Küste gefahren. Hier wird der von Stürmen
durch Köln getragen und St. Severin um Hilfe angerufen. 1795 abgetragene Sand dann ersetzt. Auch wird der Meeresboden vor
musste der Goldschrein leider eingeschmolzen werden, um die Deichen abgeflacht, um den Wellen die Kraft zu nehmen. – ‚Futter
französische Besatzung zu bezahlen. Nur wenige Teile (wie eine vorwerfen’, nennen es die Insulaner, wenn jeden Frühling die
Email-Scheibe) sind noch erhalten. Die lateinische Inschriften- Baggerschiffe vor Sylt kreuzen. In hellgelben Fontänen schießen
Tafel, die sich einst auf dem Severin-Schrein befand, lautete sie Tonnen von Sand in das flache Wasser vor sich, um so die
übersetzt: „Dieser ist es, der seine Brüder und das Volk Israel von den Winterstürmen abgetragenen Landmassen wieder
liebt, der vieles für das Volk und die ganze Stadt erfleht.“ – Nach aufzufüllen. Doch der Überlebenskampf des Eilands wird bis 2100
den vorgenommenen Untersuchungen sind die Gebeine aus der immer härter werden. Denn statt wie in der Vergangenheit nur um
Zeit um 400, also aus der Zeit, zu der Bischof Severin der 20 Zentimeter pro Jahrhundert zu steigen, wird sich der
Überlieferung nach gelebt haben soll. An einer Zahnwurzel wurde Meeresspiegel mit bis zu 58 Zentimeter um mehr als das Doppelte
festgestellt, dass der Verstorbene 55 Jahre alt geworden sein anheben.“ – So sagen es die Wissenschaftler der Vereinten
muss. – Als das Zentrum der Severin-Verehrung galt in den ersten Nationen in der neuesten Ausgabe ihres Weltklima-Berichts
Jahrhunderten der Kölner Raum. Erst allmählich setzte eine voraus. – Die Zukunft Sylts – „ein Splitter aus der Eiszeit, der
Ausweitung des Severin-Kultes ein, der sich unter anderem in den durch Ebbe und Flut sowie durch eine pausenlose Sand-
heute belgisch-niederländischen Raum und bis nach Dänemark Verdriftung umformt wird“ – scheint also zumindest offen zu sein.
hinein verbreitete. Als Relikt haben sich dort die von Severin – „Einer Studie amerikanischer Wissenschaftler zufolge wären in
abgeleiteten Vor- und Zunamen „Sören“ und „Sörensen“ erhalten. Mitteleuropa ohne weitere oder neue Schutzmaßnahmen in den
– Im Rheinland wurde Severin als Volksheiliger und „Regen- Niederlanden, in Belgien, Dänemark, Polen und Deutschland
patron“ sowie auch „St. Pluvialis“ (Heiliger Regen) genannt. Und mehr als 13 Millionen Menschen und eine Fläche von 44.833
von der mundartlichen Form „Vrings“ für Severin ist nicht nur das Quadratkilometern von Sturmkatastrophen betroffen.“ – Auch die
„Vringsveedel“ abgeleitet, sondern auch der Familienname Orkan-Flut am 16./17.02.1962 hatte Sylt nicht verschont. Mit aller
„Frings“. Eine Brücke und ein ganzer Stadtteil in Köln – das Gewalt war der „Blanke Hans“ gegen die Strandpromenade von
„Vringsveedel“ = Fringsviertel – tragen den Namen von St. Westerland gestürmt und durchlöcherte die Strand-Mauer. Wie
Severin. Der Gedenktag des hl. Severin wird in Köln am 23. eine Vermessung ergab, verlor Sylt seit 1870 etwa 400 Meter an
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Inselküste, allein 1962 fast 40 Meter. In den vergangenen 9000 minister fühlte sich als Logiergast in der „Villa Roth“ sehr wohl. Die
Jahren gab es einen Sandverlust von einem etwa acht Kilometer „Gründerjahre“ waren „Boom“-Jahre für Westerland. Jährlich
breiten Küstenstreifen. Derzeit gehen jährlich ein bis zwei Meter wurde die „Villa Roth“ durch An- und Neubauten erweitert. Als
der Insel verloren. „Es wird so weit kommen, dass die Insel Carl Roth 1913 starb, hinterließ er die „Villa Roth“ seiner Ehefrau
irgendwann weg ist, das sind aber normale Veränderungen“ – Marie, doch die Witwe entfloh den damals eintönigen Sylter
meinte der Geologe Ekkehard Klatt auf Sylt. Wintermonaten nach Monte Carlo und versuchte dort ihr Glück im
5. Diese lateinische Urkunde (ein unscheinbares Büchlein, das sich Roulettspiel. 1928 verkaufte Frau Roth auch das so genannte
in der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen befindet) lautet „Schloss Segenhaus“ in Westerland an die Familie Hayo und
übersetzt: „Erich III., König der Dänen, gewährt den im Kloster Emilie Feikes. Die „Villa Roth“ stand damals kurz vor einer
Odense Gott dienenden Mönchen alljährlich 30 Mark (Kleider- möglichen Umwandlung zu einem Kinderheim. – (Welches
Beihilfe) von der Insel Sild. – Geschehen vor dem Hochaltar in der „Segenhaus“, die Neuwieder Landvilla, die am 22.12.1872 als
Kirche des Hl. Knud im Jahre 1141 nach des Herrn Geburt, am 7. Witwensitz eingeweiht und 1961 während einer Bundeswehr-
Dezember. Als Zeugen waren der Kaplan Asker, Aki Pik, Ubbo Übung „platt gemacht“ wurde, oder das in Westerland ist wohl
Bothildas Sohn, Turo Stafns Sohn, die Töchter Knuds, Christina älter? Die Mutter und auch Carmen Sylva wollten aus ihrem
und Katharina, mit Frau Margaretha sowie Bothilda und mehrere „Segenhaus“ eine „Heimstätte für Künstler aus aller Welt machen,
andere gegenwärtig.“ – Das dänische Odense (Othensve = das ein „Musenhof“, ein „Heim für müde Seelen“, wie Carmen Sylva zu
Heiligtum Odins) ist kultureller und wirtschaftlicher Mittelpunkt der sagen pflegte.) – Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte in der „Villa
Insel Fünen. Es wurde 987 erstmals erwähnt. In seinen Mauern Roth“ der Generationswechsel, als der Betriebswirt/Dipl.-
befinden sich die gotische St. Knuds Kirke (1100), die Frue Kirke Kaufmann Dr. Ernst Feikes zum Hotelier in Westerland avancierte.
(1180), die St. Hans Kirke des ehemaligen Johanniter-Klosters Er plante, das „Segenhaus“ abzureißen und eine Eigentumswohn-
und das Geburtshaus (Museum) des dänischen Märchendichters anlage zu errichten. Mit dem Erlös und nach Abriss der „Villa
und Schriftstellers Hans Christian Andersen (1805 bis 1875). Von Roth“, die 1956 für 60.000 DM ein „Einfamilienhaus“-Anbau
1654 bis 1658 war Odense die Hauptstadt Dänemarks. erhielt, wollte er ein neues Hotel bauen. Doch am 03.02.1963
6. Es gab 2008 auf Sylt 57.517 Betten, 818.386 Gäste und verunglückten die Eheleute Dr. Ernst Feikes und Ilse Feikes im
6.720.953 Übernachtungen. In den gewerblichen und privaten Alter von 56 und 49 Jahren tödlich. Sie hinterließen vier Kinder.
Unterkünften waren es 686.753 Gäste und 5.346 Übernachtun- Jens Feikes, als gelernter Konditor mit Hotel-Fachschul-
gen. Die Kinderheime und Jugendherbergen hatten 81.334 Gäste Abschluss, und Hayo Feikes, der 1963 sein Abitur ablegte,
und 602.109 Übernachtungen. Auf den Campingplätzen zählte „spuckten“ nun in die Hände. Das heutige „Hotel Roth am
man 39.089 Gäste mit 304.127 Übernachtungen. Und von den Strande“ in Westerland, Strandstraße 31, entstand auf dem
Jahres-Kurkarten-Inhabern kamen im Jahre 2008 nicht weniger Grundstück der früheren „Villa Roth“ zusammen mit dem
als 11.210 Gäste nach Sylt, wobei 491.354 Übernachtungen Gesamtkomplex des „Neuen Kurzentrums“ in Westerland und
verzeichnet wurden. wurde am 01.08.1967 nach fast zweijähriger Bauzeit eröffnet. Der
7. Die Friesen von Sylt waren im Mittelalter so gut wie unabhängig, Hotel-Unternehmer, Hayo Feikes, erinnert sich, dass sein
bis die Insel mit dem übrigen Nordfriesland 1435 an das Herzog- Großvater in den „Goldenen Zwanzigern“ die Sängerin und
tum Schleswig kam, ausgenommen einem kleinen nördlichen Schauspielerin Marlene Dietrich im Regen noch selbst vom
Gebiets-Streifen (Listland), der an Dänemark fiel und bis 1864 als Bahnhof in Westerland abholte und in seine „Villa Roth“
Exklave von der dänischen Krone verwaltet wurde. – Bei der begleitete. Jens Feikes eröffnete 1969 im neuen Hotel eine
Teilung Schleswig-Holsteins von 1581 wurde Sylt dem so genann- renommierte Diskothek. In der Bierstube des Hotels sind
ten Herzoglichen (Gottorper) Anteil zugeteilt, den man 1721 mit nostalgische Erinnerungsstücke und historische Bilder von Sylter
dem Königlichen Anteil vereinigte. Bei der Volkszählung 1769 Provenienz sowie alte Messing-Teller und andere
hatte Sylt 2.814 Einwohner. Nach den Deutsch-Dänischen Kunstgegenstände aus der „Villa Roth“ zu sehen.
Kriegen, die 1848 bis 1850 und 1864 zwischen Dänemark, 10. Sie sind inzwischen am Strand zur Plage geworden, weil sie auf
Preußen und Österreich um Schleswig-Holstein geführt wurden, Futtersuche nicht selten die Touristen attackieren. – Nach der
kam Sylt 1866/1867 zur damaligen preußischen Provinz bzw. zum Kur-Zeitung von 1890 scheint „das Möwen-Füttern auch damals
heutigen Land Schleswig-Holstein. Sylt genoss bis 1867 weit- schon eine beliebte Beschäftigung der Gäste gewesen zu sein,
gehende Selbstverwaltung. Die Herzogtümer Schleswig und der sie sich aber entweder mit zu großem Eifer unterzogen – oder
Holstein zählten noch bis 1864 zu Dänemark. Nach dem am die hinsichtlich des Benehmens der Möwen etwas sehr zu
30.10.1864 in Wien geschlossenen Friedensvertrag verzichtete wünschen übrig ließ, sieht sich doch die Badedirektion
der König von Dänemark auf die Herzogtümer Schleswig, Holstein gezwungen, infolge mehrfach an sie gerichtete Beschwerde, um
und Lauenburg zugunsten des Königs von Preußen und des ernstere Maßregeln zu vermeiden, das geehrte Badepublikum zu
Kaisers von Österreich. Noch 1860 hatte der König von Dänemark ersuchen, vor dem Neutralstrand, im Bereiche der Strandhallen
der Insel Sylt einen Besuch abgestattet. und der Wandelbahn das Füttern der Möwen unterlassen zu
8. Als Schlacht im „Königshafen“ wird die Seeschlacht während des wollen.“ – .Von der „Heimatstätte für Heimatlose“ – einst völlig
Torstenssonkrieges zwischen dänischen-niederländischen-schwe- einsam und abseits gelegen und inzwischen völlig umbaut – sind
dischen Schiffen am 16.05.1644 im Bereich des Lister Hafens es nur wenige Schritte bis zu den Dünen und zum Nordseestrand,
genannt. Die dänische Flotte unter ihrem König Christian IV. von aber auch zum Glamour des Fremdenverkehrs in Westerland.
Dänemark und Norwegen bestand aus 9 dänischen Dickschiffen, 11. Der Name „Blanker Hans“ geht nach Aufzeichnungen des
die die Durchfahrt in der Sylt-Rømø-Bucht für die schwedischen Chronisten Anton Heimreich – * 1626, † 1685, Pfarrer, Prediger
Schiffe blockierten und so den Gegner im Lister-Tief festsetzen auf Nordstrand, Verfasser der ältesten erhaltenen Chronik
konnten. Die Schweden besaßen 33 kleinere, dafür aber auch Nordfrieslands, der auch Schilderungen über die zweite „Große
wendigere Schiffe. Gegen 10.00 Uhr morgens begann die Maandränke“ (auch „Burchardiflut“ genannt, die am 11.10.1634
Schlacht, die sich bis nachmittags gegen 16.00 Uhr hinzog Die die Küste Nordfrieslands verwüstete, wobei 9.000 Menschen
schwedische Flotte konnte schließlich bei starkem Seegang die starben) der Nachwelt hinterließ – auf den Deichgrafen von Risum
dänische Blockade durchbrechen und in die Nordsee flüchten. Bei (Gemeinde in Nordfriesland) zurück. Dieser soll nach Fertig-
der Schlacht kamen etwa 800 bis 1.100 Menschen ums Leben. stellung eines neuen Deiches der Nordsee herausfordernd „Trutz
Die Leichen, die später bei List und an der schließlich 1998/1999 nun, blanker Hans“ entgegen gerufen haben. Kurze Zeit später
untergegangenen Hallig Jordsand anschwemmten, wurden brach der Deich in der „Burchardiflut“. – Der Lyriker Detlev
einfach im Sand verscharrt. Freiherr von Liliencron, * 03.06.1844 in Kiel, † 22.07.1909 in Alt-
9. Die „Villa Roth“ war 1882/1884 als zweites Haus auf der Düne von Rahlstedt bei Hamburg, war Offizier, wanderte nach Amerika aus,
Westerland von dem Apotheker Carl Roth erbaut worden. Etwas Gesanglehrer, 1882/1883 Landesvogt (Hardesvogt) auf der Insel
weiter vorne – am Strandübergang und dem „Strandweg“, der Pellworm, 1884 bis 1887 Kirchspielvogt in Kellinghusen und dann
heutigen „Strandstraße“ – nordwestlich befand sich noch die Villa freier Schriftsteller, machte den Namen in seinem Lied „Trutz,
des Barons von Baur-Breitenfeld. Sehr bald entwickelte sich die blanke Hans“ allgemein bekannt. – Mit Freiherr von Liliencron, der
„Villa Roth“ aufgrund ihrer hervorragenden Lage am Nordsee- durch formvollendete impressionistische Natur- und Liebeslyrik
strand zu einem der erstrangigen Logierhäuser in Westerland und und realistische Kriegserzählungen bekannt wurde, hatte Carmen
wurde Treffpunkt von Adel, Diplomatie und Großbürgertum. – Sylva stellenweise inhaltliche und stilistische Annäherungspunkte
Auch Walther Rathenau (* 29.09.1867 in Berlin, † 24.06.1922 in (Kriegs-Motivi und impressionistische Aspekte der Lyrik).
Berlin ermordet), Jude, Industrieller und zuletzt Reichsaußen-
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12. Die Kirche, die ehemalige Burgkapelle, ursprünglich eine freiwillig und bald zum Wohle und der Neugestaltung
römische Wachstation, heute katholische Pfarrkirche St. Klemens, Deutschlands ihrer Souveränität entsagten.
ist eine 1151 geweihte Doppelkapelle mit Zwerggalerie und 17. Vorausgegangen waren zähe diplomatische Verhandlungen der
Vierungsturm, die zu den schönsten Werken romanischer Großmächte in London, die sich am 29.07.1913 auf die Schaffung
Architektur im Rheinland gehört. – Zunächst ein Zentralbau über eines selbständigen Albanien geeinigt hatten, um dem serbischen
Vierpassgrundriss, wurde die Westkonche (Nischenwölbung) bei Ansinnen nach einem Adria-Hafen in Albanien und den griechi-
der Neubestimmung als Klosterkirche um 1173 durch ein schen Ansprüchen auf Süd-Albanien zuvorzukommen.
ebenfalls doppelgeschossiges Schiff ersetzt. Bedeutend wie die 18. Der 1531 in Schmalkalden von protestantischen Fürsten und
Architektur sind die Wand- und Gewölbemalereien (1151), Reichsstädten unter Führung des Landgrafen Philipp von Hessen
besonders in der Unterkirche. – Nach Beschädigungen erfolgte und des Kurfürsten Johann von Sachsen geschlossene Bund
die Wiederherstellung des Kirchenbaues (1747 bis 1752) unter hatte das Ziel, Glauben und politische Selbständigkeit zu wahren.
dem Kölner Kurfürsten und Erzbischof Klemens August von Zugeständnisse Kaiser Karls V. förderten zunächst seinen
Bayern (1723 bis 1761). 1803 wurde die Kirche säkularisiert (als Einfluss, doch nahm die Bedeutung wegen unterschiedlicher
Stall und Scheune benutzt), 1832 erfolgte die Rückgabe des Zielsetzungen der Mitglieder seit 1541 ab. 1546 verhängte Karl V.
Obergeschosses und 1865 die des Untergeschosses an die die Reichsacht über die Bundeshauptleute Philipp und Johann
Kirche. und ging militärisch gegen sie vor (Schmalkaldischer Krieg). Die
13. Es war der 5. Kreuzzug (Zählung nach Steven Runciman) von Niederlage des Schmalkaldischen Bundes am 24.04.1547 führte
1217/1218 bis 1221, der nach Anfangserfolgen aufgrund von zu seiner Auflösung.
Führungsfehlern des päpstlichen Legaten Pelagius scheiterte. 19. Er lehnte einen Eid auf die vom Trienter Konzil erneuerte römisch-
Dieser Feldzug, der erste und einzige Kreuzzug, in dessen Verlauf katholische Kirche ab, sodass er keine päpstliche Bestätigung
der Deutsche Orden eine bedeutende militärische Rolle spielte, seiner Wahl erhielt. Der Papst beharrte auf die Ablegung des
wurde im Wesentlichen von Streitkräften aus dem Westen des Glaubensbekenntnisses und den Empfang der Priester- und
Reiches und speziell den Rheinlanden getragen. Der Deutsche Bischofsweihe. Auch lag er beständig mit dem Domkapitel im
Orden hatte in den Rheinlanden um 1216 durch die Schenkung Streit. Am 07.08.1567 trat Graf Friedrich IV. von Wied als
eines Hospitals als Keimzelle der Kommende/Komturei in Koblenz Erzbischof und Kurfürst von Köln zurück.
erst Fuß gefasst. Initiator war der Trierer Erzbischof Theoderich II. 20. In Italien hatte der Komponist und Dichter, der spätere Professor
von Wied (1212 bis 1242). – Dieser 5. Kreuzzug – an dem Graf August Bungert (* 1845 in Mülheim/Ruhr, † 1915 in Leutesdorf),
Heinrich III. von Sayn und auch Arnold von Rennenberg (Bruder die Bekanntschaft von Carmen Sylva gemacht, die für sein
des Klostergründers von St. Katharina) teilnahmen – wurde von späteres Leben und sein künftiges Schaffen bestimmend werden
vielen Adeligen aus dem Rheinland „frequentiert“. Einige der sollte. Durch Carmen Sylva erhielt er endlich den erstrebten
militärischen Führer, die Grafen Wilhelm III. von Jülich und Adolf Zugang zu höchsten Adelskreisen. – August Bungert war
V. von Berg, hatten schon 1212 beim Albigenser-Feldzug in nunmehr häufiger Gast in den fürstlich-wiedischen Schlössern
Südfrankreich entsprechende Kreuzzugs-Erfahrung sammeln sowie am schwedischen und rumänischen Königshof. – 1890
können. – Als der logistisch führende Kopf galt der Kölner Dom- schenkte Carmen Sylva ihm einen kostbaren „Bechstein-Flügel“
Scholast (seit 1201), Magister und Kreuzzugs-Prediger, Thomas (Die Klavierfabrik wurde 1853 von Carl Bechstein in Berlin
Oliver Saxo. Die Grafen Wilhelm I. von Holland und Georg von gegründet und ist heute einer der größten deutschen Klavier- und
Wied, Bruder des Trierer Erzbischofs Theoderich (Dietrich) II. von Flügel-Hersteller.) und 1894 übereignete sie ihm ein Haus (Villa)
Wied, stachen als militärische Führer am 29.05.1217 gut mit großem Garten am Rheinufer in Leutesdorf (August-Bungert-
vorbereitet und ausgerüstet mit 100 Schiffen von Rotterdam aus in Allee). Als evangelischer Christ durfte er nicht – seinem Wunsche
See. Graf Georg von Wied hatte in Vlaardingen an der Maas das entsprechend – auf dem Friedhof im streng katholischen
Kreuz genommen und verstarb am 15.06.1218 in Ägypten. Leutesdorf beerdigt werden. Seine letzte Ruhestätte fand er
14. Erzbischof Dietrich II. von Wied in Trier war eine charaktervolle, schließlich auf dem Friedhof der Feldkirche in Neuwied.
ehrfurchtgebietende Persönlichkeit, ein treuer Anhänger der 21. Der Brâncoveanustil geht auf Constantin Brâncoveanu, Fürst der
Staufenkaiser, wirkte auf dem 4. Laterankonzil für Kaiser Heinrich Walachei von 1688 bis 1714, zurück. Zu seiner Zeit wurde die
II., begleitete ihn 1221 nach Syrien und 1226 nach Italien. Aber rumänische Renaissance geboren, der so genannte
trotz dieser eifrigen politischen Geschäfte verwendete er viel Brâncoveanustil, der sich vor allem durch seine kunstvolle
Sorgfalt auf sein Bistum und die Seelsorge. Er förderte die Steinmetzarbeit auszeichnet. – „Dort stand im Thal der Prahova,
Niederlassung der Bettelorden und Deutschritter in Trier und 2900' hoch auf vorspringendem Felsberg das alte Kloster Sinaia.
Koblenz, hielt 1238 eine Provinzialsynode und gab dem Ein Fürst Cantacuzène hatte es dem Gotteshause auf dem Berge
künstlerischen Schaffen starke Antriebe. Man bezeichnete ihn als Sinai nachgebaut und nachbenannt. Es diente bisher als Hospiz
den ersten Kurfürsten in Trier. Auch betrieb er aktive für die vielen Karawanen von Ochsenfuhrwerken, die mit Kukuruz
Territorialpolitik (Bau von Montabaur rechtsrheinisch und Kyllburg (Mais) beladen, Tag und Nacht in fast ununterbrochener Reihe
gegen Luxemburg). Der Plan zur Errichtung eines Suffragan- über den Gebirgspaß nach Siebenbürgen zogen. Hinter dem
Bistums (Prüm, 1236) misslang. Die frühgotische Liebfrauenkirche Kloster thürmten sich die Berghäupter der Karpathen in zum Theil
in Trier (der Bau, mit dem 1235 begonnen wurde, ist neben der abenteuerlichen Formen. Carmen Sylva’s dichtendes Wort hat sie
Elisabethkirche in Marburg der älteste gotische Kirchenbau in mit poetischen Sagen belebt.“ – Die Kantakuzenos, ein einfluss-
Deutschland), ein schönes Denkmal gotischer Baukunst, verdankt reiches byzantinisches Geschlecht, das im 14. Jh. die Kaiser
ihm ihre Entstehung. Erzbischof Dietrich von Trier verstarb am stellte, zählte unter der Türkenherrschaft zu den vornehmsten
28.03.1242 – seine Grabstätte befindet sich im Dom zu Trier. Fanariotenfamilien (Fanarioten = aus Fanar, dem Stadtviertel von
15. Ein am 12.07.1806 auf Veranlassung Napoleons I. gegründeter Konstantinopel stammend) in Konstantinopel. Seit dem 17. Jh. trat
Bund zwischen 16 süd- und südwestdeutschen Fürsten, die sich der Zweig der Cantacuzinos in der Region der Moldau-Walachei
unter französischem Protektorat für souverän erklärten und am und in Rumänien hervor. Es stellte Hofpodare (Fürsten) und in
01.08.1806 vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation Rumänien Minister und Ministerpräsidenten.
lösten. 22. Stephan III., Stephan (cel Mare) der Große (rum. Stefan cel
16. Er selbst veröffentlichte unter Pseudonym zwei vom Mare), Fürst (Wojewode), 1457 bis 1504, * um 1435, † 02.07.1504
Mesmerismus (Lehre von der heilenden Wirkung magnetischer in Suceava, war der bedeutendste Herrscher der vorosmanischen
Kräfte) und Okkultismus (Lehre vom Übersinnlichen) beeinflusste Zeit in der Moldau. Er siegte gegen Türken (1475/1481), Ungarn
philosophische Werke. – Nachdem der Fürst die Studienjahre in und Polen (1467, 1498), musste seit 1489 dem Sultan Tribut
Göttingen beendet, Reisen durch Deutschland und Frankreich zahlen, behauptete aber die Unabhängigkeit seines Landes von
gemacht, dann eine Zeitlang in Berlin bei der Garde gedient hatte, der türkischen Oberherrschaft, vollendete den gesellschaftlichen
übernahm er nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1836 die und kirchlichen Aufbau des Landes und gewann beherrschenden
Verwaltung der weitläufigen Besitzungen. Durch ein unvorsichti- Einfluss in der Walachei. Durch ihn wurden – nach jedem Sieg
ges Bad während des großen Feldlagers in Kalisch 1835 hatte kunstgeschichtlich bedeutsame Kloster und Kirchenbauten – wie
sich der Fürst eine Krankheit zugezogen, die in ihren Folgen auf Putua, Voronet und Neamtu begünstigt bzw. errichtet, die heute
sein ganzes Leben hemmend einwirkte und auch die Ursache zum Weltkulturerbe zählen.
seines frühen Todes wurde. Er war „männlich schön und vornehm 23. Nach der Revolution von 1868 wählten ihn die spanischen Regen-
in seiner äußeren Erscheinung“ und von echt deutscher ten zum Thronfolger in Spanien, was von Bismarck unterstützt,
Gesinnung. Seine Hoffnung war, dass die deutschen Fürsten von Napoleon III. jedoch scharf abgelehnt wurde. Nach Annahme
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der Kandidatur Leopolds am 02.07.1870 verzichtete sein Vater
(Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen) auf den
spanischen Thron. Trotzdem kam es zur Kriegserklärung
Frankreichs (Emser Depesche vom 13.07.1870) und schließlich
zum Deutsch-Französischen Krieg (1870/1871).
24. Am 11.07.1901 eröffnete die „Sylter Südbahn“ von Hörnum nach
Westerland eine weitere Strecke. Sie endete am Westerlander
Südbahnhof in der (heutigen) Käpt’n Christiansen Straße (oben
am Strandübergang), heute ein Parkplatz. – Der erste Teil der
Nordbahn wurde am 07.07.1903 eröffnet und führte von
Westerland über Wenningstedt nach Kampen. Die erste Bahn, die
auch nach List fuhr, startete am 31.05.1908. Und am 29.12.1970
kam für alle Bahnen die Stilllegung. – Die Trassen werden derzeit
als Wander- und Fahrradwege genutzt. Viele Sylter und Touristen,
die die Inselbahn von früher noch kennen, vermissen sie heute.
25. Mite Kremnitz geb. Marie von Bardeleben (Pseudonyme „George
Allan“, „Dito und Idem“, * 04.01.1852 in Greifswald, † 18.07.1916
in Berlin) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie war die Tochter
des renommierten Chirurgen Heinrich Adolf von Bardeleben und
wuchs in Greifswald, London und Berlin (ab 1868) auf. Später
heiratete sie den praktischen und späteren Chef-Arzt Dr. Wilhelm
Kremnitz und übersiedelte mit ihm 1875 nach Bukarest. Das
Ehepaar hatte zwei Kinder. In Rumänien befreundete sie sich mit
Königin Elisabeth von Rumänien und wurde offiziell ihre
Vorleserin und Hofdame. Zusammen mit ihr veröffentlichte Mite
Kremnitz Briefromane und ein Drama unter dem Pseudonym „Dito
und Idem“. Und ab 1890 schrieb sie unter dem Pseudonym „Mite
Kremnitz“. Nach dem Tode ihres Mannes 1897 kehrte Mite
Kremnitz nach Berlin zurück. Mite Kremnitz stand neuen
Literaturauffassungen wie dem Realismus und dem Naturalismus
aufgeschlossen gegenüber, Carmen Sylva dagegen verachtete
moderne Strömungen in der Literatur und Kunst. Diese
Unstimmigkeit und die okkultistischen Neigungen der Königin
führte schließlich zum Bruch der Freundschaft dieser ungleichen
Frauen.
26. Es ist das 1888 entstandene Gemeinschaftswerk von Carmen
Sylva und Mite Kremnitz (Pseudonym: „Dito und Idem“) – „Rache
und andere Novellen“ (Inhalt: 1. Carmen Sylva: Rache!; Pablo
Domenich/Domenech; Hora. 2.: Mite Kremnitz: Zoe's Roman;
Wera.).
27. „Bevor ein eigenes Heim auf dem von der Gemeinde Westerland
geschenkten Grundstück errichtet werden konnte, war 1887 schon
von dem Sylter Lokalkomitee des Vereins für Kinderheilstätten an
deutschen Seeküsten ein bescheidener Grundstein für die Anstalt
gelegt worden, aus dem dann mit der finanziellen Erstarkung
durch freiwillige Spenden sich diese immer mehr entwickelte.“ –
„Am 03.07.1890 konnte das eigene Heim der Kinderheilstätte,
dies großzügige Werk der Nächstenliebe, das minderbemittelten
Kindern Aufenthalt und Erholung gibt, eingeweiht werden. Eine
am Abend des 29. Juli (1890) abgehaltene Wohltätigkeitsveran-
staltung im Kurhaus, zu der sich namhafte Künstler als
Mitwirkende zur Verfügung gestellt hatten, ergab den reichen
Ertrag von 2.019,50 Mark. Auch weitere Zuwendungen aus
Überschüssen von Festlichkeiten und Sammlungen gingen der
Anstalt in der Folge zu. Wohltätigkeitsveranstaltungen für die
Kinderheilstätte wurden in den nächsten Jahren ständige
Einrichtungen des Kur-Programms.“ – Der Name „Bethesda“ geht
auf einen Teich in Jerusalem zurück, dem heilende Kräfte
zugesprochen wurden.
28. Wahrscheinlich identisch mit dem Dichter, Journalist und Schrift-
steller Julius Rodenberg, eigentlich Levy, * 26.06.1831 in Roden-
berg in Hessen, † 11.07.1914 in Berlin, der 1858 auf Sylt weilte,
wo er sein Buch „Stilleben auf Sylt“ verfasste.
29. Auf der Stadtratssitzung in Westerland vom 17.09.1906 „wurde
der von der Regierung bestimmte kommissarische Bürgermeister,
Gerichtsassessor Dr. Pauli aus Kiel, durch Landrat Rogge in sein
Amt eingeführt. In der gleichen Sitzung des Stadtverordneten-
kollegiums wurde beschlossen, wegen einer evtl. Verlegung des
„Heimatlosenfriedhofes“ an die Kirchengemeinde heranzutreten
und die verstärkte Baukommission beauftragt, Vorschläge wegen
der Vergrößerung des Kurhauses auszuarbeiten.“
30. Albrecht Graf von Wickenburg, 1838 bis 1911, ein österreichischer
Lyriker, ein feinsinniger Poet und Übersetzer fremder Poesien,
verfasste 1898 den Text des Liedes „Heidelberg du Jugend-
bronnen“. In diesen Reimen – er kam 1898 als Diplomat nach
Heidelberg – hielt er seine Wahrnehmungen über Heidelberg fest.
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