DBBS2019 07-Geissler

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FAKULTÄT BAUINGENIEURWESEN Institut für Massivbau www.massivbau.tu-dresden.

de

29. DRESDNER
BRÜCKENBAUSYMPOSIUM
PLANUNG, BAUAUSFÜHRUNG, INSTANDSETZUNG
UND ERTÜCHTIGUNG VON BRÜCKEN

11./12. MÄRZ 2019


Brücken verstärken
mit aufgeklebten Sto S&P CFK-Lamellen

Konform mit der DAfStb-Richtlinie „Verstärken von Beton- StoCretec GmbH S&P
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bauteilen mit geklebter Bewehrung“ Bodenbeschichtung Karl-Ritscher-Anlage 5
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© 2019 Technische Universität Dresden


Alle Rechte vorbehalten.
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers.
Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichnungen in
diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden
dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetz-
lich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie als solche nicht eigens markiert sind.

Herausgeber: Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach


Technische Universität Dresden
Institut für Massivbau
01062 Dresden
Redaktion: Silke Scheerer, Angela Heller
Layout: Ulrich van Stipriaan
Anzeigen: Harald Michler

Titelbild: Beyer, Kurt: Südthailand. Zweibogige Betonbrücke im Bau, 1912/1913


Foto: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Kurt Beyer

Druck: addprint AG, Am Spitzberg 8a, 01728 Bannewitz / Possendorf

ISSN 1613-1169
ISBN 978-3-86780-585-8
Institut für Massivbau http://massivbau.tu-dresden.de

Tagungsband
29. Dresdner Brückenbausymposium
Institut für Massivbau
Freunde des Bauingenieurwesens e.V.
TUDIAS GmbH

11. und 12. März 2019


29. Dresdner Brückenbausymposium

Inhalt
Herzlich willkommen zum 29. Dresdner Brückenbausymposium……………………………………… 9
Prof. Dr.-Ing. habil. DEng/Auckland Hans Müller-Steinhagen, Rektor der TU Dresden
Verleihung der Wackerbarth-Medaille …………………………………………………………………………… 13
Laudatio für Prof. Dr.-Ing. Jürgen Stritzke aus Anlass
der Verleihung der Wackerbarth-Medaille der Ingenieurkammer Sachsen……………………… 14
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach
Christian Menn – Brückenbauer, Lehrer, Ästhet……………………………………………………………… 17
Dr.-Ing. Silke Scheerer, Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach
Aktuelles zum Regelwerk des Bundes für den Ingenieurbau…………………………………………… 25
TRDir Prof. Dr.-Ing. Gero Marzahn
Die Maputo-Katembe-Brücke, das neue Wahrzeichen Mosambiks –
Drei Bauverfahren bei der längsten Hängebrücke Afrikas……………………………………………… 29
Dipl.-Ing. Joern Seitz, Dipl.-Ing. (FH) Martin Pohl
Monitoring und Visualisierung im Infrastrukturbau……………………………………………………… 47
Prof. Dr.-Ing. habil. Peter Mark, Dr.-Ing. David Sanio, Dr.-Ing. Steffen Schindler
Verkehrsinfrastruktur für Hamburg –
Neubau der Waltershofer Brücken im Hamburger Hafen………………………………………………… 59
Dr.-Ing. Christoph Vater
Erfahrungsbericht aus Österreich über die Anwendung
von neuen Verfahren im Brückenbau……………………………………………………………………………… 73
o.Univ.Prof. Dr.-Ing. Johann Kollegger, Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Benjamin Kromoser,
Dipl.-Ing. Dr.techn. Bernhard Eichwalder
Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn
als Querschnitte mit Teilfertigteilen und Schrägstreben bzw. Konsolen …………………………… 85
Prof. Dr.-Ing. Karsten Geißler, Dipl.-Ing. Gregor Gebert
Kurt Beyers Beitrag zur Baustatik …………………………………………………………………………………101
Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Karl-Eugen Kurrer
Nachrechnungsdefizite bei Massivbrücken –
Ein Problem der Tragfähigkeit oder [doch nur] der Modellvorstellung?……………………………129
Prof. Dr.-Ing. Oliver Fischer; Sebastian Gehrlein, M.Sc.; Nicholas Schramm, M.Sc.; Marcel Nowak, M.Sc.
Was tun, wenn Annahmen und Realität nicht zusammenpassen?……………………………………149
Dr.-Ing. Hans-Gerd Lindlar, Dr.-Ing. Stefan Franz, Dipl.-Ing. Lars Dietz, Dr.-Ing. Bastian Jung,
M. Eng. Tarik Tiyma
Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte ­Bauteile
von Brücken- und Tunnelbauwerken………………………………………………………………………………161
Dr.-Ing. Angelika Schießl-Pecka, Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Anne Rausch,
Dr.-Ing., MBA und Eng. Marc Zintel, Dipl.-Ing., MBA Luzern Christian Linden
Dauerhafte und wirtschaftliche Straßenbrücken
mit Halbfertigteilen aus vorgespanntem Carbonbeton……………………………………………………173
Dr.-Ing. Frank Jesse, Dipl.-Ing. Andreas Apitz, Prof. Dr. sc. techn. Mike Schlaich
Der 30-Jahre-Zyklus der Brückeneinstürze und seine Konsequenzen………………………………185
Prof. Dr.-Ing. habil. Dirk Proske
Chronik des Brückenbaus………………………………………………………………………………………………197
Zusammengestellt von Dipl.-Ing. (FH) Sabine Wellner
Inserentenverzeichnis……………………………………………………………………………………………………207

5
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn

Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn als


Querschnitte mit Teilfertigteilen und Schrägstreben bzw. Konsolen

Prof. Dr.-Ing. Karsten Geißler1, Dipl.-Ing. Gregor Gebert2

1 Einführung

Im Bereich der Bundesfernstra-


ßen sind in den nächsten Jah-
ren zahlreiche Großbrücken mit
Stützweiten im Bereich von 50 bis
60 m und darüber zu ersetzen. Für
diesen Stützweitenbereich haben
sich Stahlverbundkonstruktionen
für die Überbauten als wirtschaft-
liche Bauweise etabliert. Insbe-
sondere bei Ersatzneubauten,
d. h. beim Bauen in Bestandsstre-
cken, weist die Stahlverbundbau-
weise aufgrund des hohen Vor- Bild 1 Typische Querschnitte von Stahlverbund-Deckbrücken;
fertigungsgrades, der schnellen oben: einzelliger Hohlkasten (Rügenbrücke, BW 1.2),
Montage ohne Traggerüste und unten: Querschnitt mit zwei Stahlhohlkästen (Böbertal-
der damit verbundenen kürzeren brücke, A4) Zeichnungen: DEGES/Schüßler-Plan
Bauzeit gegenüber der Spannbe-
tonbauweise Vorteile auf. Im o. g.
Stützweiten­bereich stellt die Verbundbauwei- In letzter Zeit werden für diese Stahlverbund-
se damit häufig die favorisierte Bauweise dar. querschnitte zunehmend Teilfertigteile für die
Herstellung der Betonplatte eingesetzt, die eine
Bei Ersatzneubauten sind in der Regel zukünf- kostengünstigere und schnellere Herstellung
tige Planungen für den Streckenausbau bzw. der Fahrbahnplatte erlauben. Zur Auflagerung
auch die Ergänzung von Standstreifen zu be- der Fertigteile ist dann eine querorientierte
rücksichtigen. Damit ergeben sich relativ brei- Stahlstruktur erforderlich. Eine Möglichkeit be-
te Querschnitte mit in Einzelfällen bis zu vier steht in der Anordnung von Schrägstreben, die
durchgehenden Fahrstreifen pro Richtung. Die durch einen außenliegenden Sekundärlängs-
Fahrbahnbreiten auf Autobahnen betragen da- träger verbunden sind, der zur Auflagerung der
mit heute zwischen ca. 12 und 18 m, womit sich Fertigteile dient. Beispiele hierfür sind die aus-
zusammen mit den Rand- und Mittelkappen geführten Bauwerke Wupper-Talbrücke Oeh-
Gesamtbreiten der Brücken von ca. 31 bis 42 m de (A1) [1] oder die Lennetalbrücke (A45) [2],
ergeben. Bei der heute üblichen Trennung der s. Bild 2. Bei diesen Querschnitten werden zwei
Richtungsfahrbahnen betragen die typischen bekannte Konstruktionsprinzipien kombiniert:
Querschnittsbreiten je Überbau zwischen Der Einsatz von Teilfertigteilen und die Abstüt-
ca. 15,5 und 21 m. zung einer weit auskragenden Fahrbahnplatte
mittels Schrägstreben.
Für diese Verbundbrücken werden heute aus-
schließlich torsionssteife Querschnitte ein- Der Einsatz von Teilfertigteilen in Kombination
gesetzt. Dabei kommen wahlweise einzellige mit einer Ortbetonergänzung für die Herstel-
Hohlkastenquerschnitte oder mehrere kleine- lung der Fahrbahnplatte erfolgte besonders
re Stahlhohlkästen zum Einsatz. Die Konfigu- ab den 1990er Jahren bei kleineren Stahlver-
ration der Stahlkonstruktion und die Dicke der bundbrücken im Stützweitenbereich von 25 bis
Betonfahrbahnplatte, die den Obergurt des 45 m. In der Regel handelte es sich um Zwei-
Querschnitts bildet, sind in der Regel so ausge- feld- oder Rahmenbauwerke mit engliegenden
legt, dass auf eine Quervorspannung der Fahr- Hauptträgern. Mit der Verbundfertigteile-Bau-
bahnplatte verzichtet werden kann, s. Bild 1. weise (VFT) wurde hier eine weitere erfolgrei-

TU Berlin, FG Entwerfen und Konstruieren – Stahlbau


1

DEGES Berlin, Abteilungsleiter Konstruktiver Ingenieurbau


2

85
29. Dresdner Brückenbausymposium

Bild 2 Typische Stahlverbund-Deckbrücken mit Teilfertigteilen: Ausführung mit Schrägstreben (Lenne-


talbrücke, A45) und Ausführung mit Konsolen (Talbrücke Heidingsfeld, A3) Fotos: Gregor Gebert

che Bauweise entwickelt, die jedoch wegen der umgesetzt, weitere solche Bauwerke werden
größeren Bauteilgewichte bei Stahlverbund- aktuell bei der DEGES mit der Gottleubatal-
brücken im mittleren und großen Stützweiten- brücke (B 172), der Rader Hochbrücke (A7) und
bereich an ihre Grenzen stößt. der Hochbrücke im Zuge der Hafenpassage in
Hamburg (A26) umgesetzt (s. Abschnitt  4). In
Die Ausbildung von Schrägstreben zur Stüt- den folgenden beiden Abschnitten wird auf die
zung von weit auskragenden Fahrbahnplatten Entwicklung sowie die Bemessungs- und Kon-
ist seit langem bei Großbrücken mit einteiligem struktionsgrundlagen dieser Bauwerke näher
Überbau üblich. Als Beispiele seien genannt die eingegangen.
Kochertalbrücke, die bestehenden Rheinbrü-
cken Leverkusen und Duisburg-Neuenkamp
oder die neue Niederrheinbrücke Wesel. In 2 Aktuelle Entwicklungen für
jüngerer Vergangenheit wurde diese Lösung Großbrücken in Stahlver-
durch die DEGES bei den großen Talbrücken bundbauweise zur Erhöhung
in Stahlverbundbauweise im Thüringer Wald des Vorfertigungsgrades und
(A71, A73) realisiert [3], s. Bild  3. Hierbei sind
Kragplattenspannweiten von ca. 8–9 m ausge-
­Verkürzung der Bauzeit
führt, wobei die Fahrbahnplatte monolithisch
mittels Schalwagen hergestellt wurde. 2.1 Verbundquerschnitte mit Kon-
solträgern und Teilfertigteilen
Eine andere Entwicklung der vergangenen Jah-
re ist die Anordnung von stählernen Konsolen Mit der Anordnung der stählernen Konsolen
zur Auflagerung der Teilfertigteile. Diese Ent- im Querträger- bzw. Querrahmenabstand be-
würfe wurden z. B. bei der Talbrücke Heidings- steht die Möglichkeit, die Fahrbahnplatte in
feld (A3) [4] oder der Langenfelder Brücke (A7) Längsrichtung auf diesen Quertragelemen-
ten aufzulagern, s. Bild  4.
Der lokale Lastabtrag der
Fahrbahnplatte erfolgt ab-
hängig von der gewählten
Plattengeometrie als drei-
seitig gelagerte Platte, d. h.
ein wesentlicher Anteil der
Lasten wird zunächst in
Plattenlängsrichtung über-
tragen und überlagert sich
mit der Beanspruchung
aus der Haupttragwirkung.
Es ist allerdings ein Vorteil
der dreiseitigen Plattenla-
gerung, dass bei nicht zu
großen Kragarmlängen ein
nicht unerheblicher Anteil
Bild 3 Einteiliger Stahlverbundquerschnitt: Reichenbachtalbrücke der auf den Kragbereichen
(A71) Foto: Gregor Gebert befindlichen (ermüdungs-

86
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn

wirksamen) Belastung direkt quer


zum Hauptträger abgetragen
wird.

Konstruktion
des Stahltragwerkes

Der Querträger- sowie Konsol-


trägerabstand sollte nach der- Bild 4 Langenfelder Brücke (A7) in Hamburg mit Konsolträgern
zeitigen Erfahrungen zwischen und Teilfertigteilen Fotos: Gauthier
4,0 bis 4,5  m betragen. Die Aus-
bildung der seitlich auskragen-
den Konsolträger erfolgt vorzugsweise mit Bzgl. des Anschlusses des Konsolträger-Unter-
offenen Profilen, um den Anschlussbereich an gurtes gibt es derzeit verschiedene Überlegun-
den Hauptträger aus konstruktiver und vor al- gen:
lem schweißtechnischer Sicht nicht unnötig zu
komplizieren. Die insbesondere im Bauzustand q Bei den bisher ausgeführten Brücken wird
auftretende Torsionsbeanspruchung der Krag- der Konsolträger-Untergurt mit Stumpfnäh-
träger wird über den vorhandenen Wölbwider- ten an den Hauptträgersteg angeschlossen
stand abgetragen. Es besteht die Möglichkeit, und setzt sich an der Innenseite mit Stei-
bei sehr weit spannenden Konsolträgern an fen gleichen Querschnitts fort. Dabei sind
deren Enden Hilfslängsträger zur Aussteifung besondere Vorkehrungen zur Vermeidung
im Bauzustand anzuordnen. Zur Reduzierung eines Achsversatzes der gegenüberliegen-
der ermüdungswirksamen Beanspruchungen den Querschnitte (Konsolträger-Untergurt
im Anschlussbereich an den Hauptträger sollte zum Gurt des Querrahmens) zu treffen. Der
die Konstruktionshöhe der als Stahlverbund- relativ ungünstige Kerbfall 56 für den Haut-
querschnitte wirksamen Konsolträger im An- trägersteg ergibt sich aufgrund der Länge
schnitt mindestens h  =  0,2  ·  LKrag (mit LKrag als der Längsnaht, d. h. der Breite des Konsol-
Kragarmlänge) betragen. träger-Untergurtes, wird sich aber hier nicht
stark auswirken, da die Längsspannungen
Für den Anschluss der Konsolträger an den in dieser Höhe des Hauptträgersteges nor-
Hauptträger sind bestimmte konstruktive malerweise nicht groß sein dürften.
Festlegungen zu beachten, s. [5]. Dadurch
sollen die zahlreich wiederkehrenden Konst- Der wesentliche Vorteil des Anschlusses des
ruktionsdetails möglichst ermüdungsarm ge- Konsolträger-Untergurtes mit Stumpfnähten
staltet werden. Allerdings zeigt sich, dass eine ist, dass kein Freischnitt im Hautträgersteg
allgemein sinnvolle Forderung von Kerbfall 71 notwendig wird. Die auftretenden Querzug-
nach [6] oder besser nicht für alle Details ver- beanspruchungen der Hauptträgerstege we-
nünftig erreicht werden kann und ggf. auch gen beidseitiger Schweißnahtschrumpfun-
nicht muss. Man muss bei der Umsetzung die- gen sind mit Stählen ausgewiesener Z-Güte
ser Zielforderung auch zwischen direkt ermü- beherrschbar. Ein Nachteil ist der mögliche
dungsbeanspruchten Bauteilen und Bereichen geometrische Versatz gegenüber den im
mit untergeordneter Ermüdungsbeanspru- Kasten angeordneten Blechen. Es ist noch
chung unterscheiden. Folgende Punkte sind durch Forschungsarbeiten zu klären, ob hier
wesentlich: notwendigerweise bei der Bemessung beim
Ermüdungsfestigkeitsnachweis ein bestimm-
Der Konsolträger-Obergurt soll nach derzei- ter Achsversatz (bspw. von 5 mm) zu berück-
tigem Stand der Diskussion mit einem Radius sichtigen ist. Sicherlich muss nicht das volle
R ≥ 150 mm an den Hauptträger-Obergurt an- rechnerische Biegemoment infolge der even-
geschlossen und der Dickenübergang mit einer tuell geringfügig versetzten Schwereachsen
Neigung von 1:4 ausgeführt werden. Das ent- nachgewiesen werden (was sehr ungünstig
spricht den aus dem Eisenbahnbrückenbau für wäre), denn das Hauptträgerstegblech kann
ermüdungsbeanspruchte Bauteile bekannten einen Anteil dieses Biegemomentes aufneh-
Details. Es muss jedoch diskutiert werden, ob men – es handelt sich um einen teilweise
der dadurch bedingte zusätzliche Fertigungs- gestützten Anschluss. Allerdings fehlen für
aufwand wirtschaftlich angemessen ist und ob dieses Detail mit der mehrachsigen Bean-
in definierten Fällen eine Reduzierung dieser spruchung für die Schweißnähte annähernd
recht hohen Anforderung vorgenommen wer- realistische Wöhlerlinienkennwerte (s. Ab-
den kann. schnitt 3.2).

87
29. Dresdner Brückenbausymposium

q Eine andere derzeit diskutierte Lösung ist, ten besonders wichtig. Im Teilfertigteil sollte
den Konsolträger-Untergurt durch den grundsätzlich nur eine Lage, im Aufbeton zwei
Hauptträgersteg durchzuführen. Dabei sind (maximal drei) Lagen Längsbewehrung einge-
der Hauptträgersteg auszunehmen und baut werden. Dies sollte für die Bauweise mit
die Ausschnitte mit stirnseitigen Radien Konsolträgern und längsspannender Fahr-
≥  50  mm zu versehen. Vorteil dieser Aus- bahnplatte unter Beachtung der maximalen
führung ist, dass kein Versatz im Stoßbe- Konsolträgerabstände von 4,5  m ausreichen,
reich (Gurte innerhalb/außerhalb des Hohl- s.  Bild  5. Eine eventuell erforderliche Schub-
kastens) auftreten kann. Der maßgebende bewehrung in der Fahrbahnplatte sollte ent-
Nachteil ist allerdings der erforderliche sprechend den Konstruktionsregeln die untere
Freischnitt des Hauptträgersteges auf einer Lage der Längsbewehrung im Teilfertigteil und
Länge von ca. 500 bis 600 mm. Damit wird die obere Lage der Längsbewehrung im Ortbe-
zum einen der Querkraftabtrag des Haupt- ton umschließen.
trägers auf nicht unbeträchtlicher Länge
unterbrochen, was grundsätzlich nicht gut Die Fahrbahnplatten sind, gerade auch we-
ist. Gravierender ist jedoch, dass der Gurt gen der zusätzlichen Fugen bei Teilfertig-
des inneren Querrahmens (den das Haupt- teilen, sorgfältig zu bemessen. Infolge der
trägerstegblech bildet) unterbrochen wird, Haupttragwirkung kann es im Stützbereich
was hinsichtlich dessen Tragfähigkeit als zu Trennrissen in der Platte kommen. Ob
auch Ermüdungssicherheit zu deutlich hö- und wie sich dieser Sachverhalt auf den lo-
heren Beanspruchungen und Spitzen führt. kalen Lastabtrag insbesondere von ermü-
Der Freischnitt kann fallweise sogar zu einer dungswirksamen Querkräften über Trenn-
notwendigen Verstärkung des Hauptträger- risse hinweg in der Fahrbahnplatte auswirkt,
stegbleches führen, was konstruktiv nach- ist noch nicht vollständig bekannt und muss
teilig ist. noch experimentell abgeklärt werden (s. Ab-
schnitt 3.2).
Konstruktion der Betonfahrbahnplatte
Für die Bemessung der Stahlverbund-Haupt-
Die Dicke der Fahrbahnplatten sollte nach der- träger ist das mittlere Bauteilverhalten in den
zeitigem Stand 1/12 der Stützweite in Längs- Innenstützbereichen möglichst realistisch
richtung nicht unterschreiten, so dass sich bei- durch die mittlere Steifigkeit Ea·Its zu beschrei-
spielsweise bei einem Querträgerabstand von ben, s. [7]. Neben den Steifigkeiten in Zustand
4,2 m eine Plattendicke von 35 cm ergibt. I und Zustand II (abgeschlossenes Rissbild) ist
bei der Bauweise mit Teilfertigteilen mögli-
Die realitätsnahe Erfassung der Rissbildung in cherweise der Zustand I/II zu beachten, d.  h.
den Innenstützbereichen der Hauptträger ist das Fertigteil mit seiner meist höheren Fes-
bei allen Fertigteilbauweisen zur Gewährleis- tigkeit ist ungerissen und die Ortbetonergän-
tung robuster und dauerhafter Fahrbahnplat- zung gerissen. Neben den globalen Effekten
infolge anderer Steifigkeiten resultiert also
auch eine lokale Beanspruchungsumordnung
– der Traganteil des Teilfertigteils ist zunächst
größer. In Bild 6 ist prinzipiell dargestellt, wie
der Betonanteil aus dem Ortbeton auf die Ort-
betonbewehrung und das Fertigteil (Beton +
Bewehrung) verteilt wird. Infolge der frühen
Sammelrissbildung an den Fugen ist allerdings
schon relativ früh eine Abminderung gegen-
über dem Zustand I zu berücksichtigen, was
wiederum zur Vergleichmäßigung der Bau-
teilsteifigkeit in diesen Bereichen führt. Der
Zeitpunkt der Rissbildung an den Fugen kann
unter Ansatz einer reduzierten Betonzugfes-
tigkeit fct,red  =  0,3·fctm und unter Berücksichti-
gung der Schwindbehinderung abgeschätzt
Bild 5 Langenfelder Brücke – Längsschnitt im werden. In diesem Zusammenhang ist auch
Konsolträgerbereich mit Längsbewehrung das Schwinden der unterschiedlichen Betone
im Fertigteil d = 14 mm/15 cm, auf dem innerhalb des Bauablaufs zu bedenken. Hin-
Fertigteil d = 20 mm/s = 15 cm, oben sichtlich der ausführlichen theoretischen Zu-
d = 20 mm/s = 10 cm Zeichnung: LAP sammenhänge wird auf [8] verwiesen.

88
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn

Für die Gebrauchstauglich-


keit der Fahrbahnplatte ist
– bis zum (späteren) Auf-
reißen der Fertigteile – die Bild 6 Prinzipielle Beanspruchungen bei der Bauweise mit Teilfertig-
Sammelrissbildung an den teilen in den Zuständen I, II bzw. I/II, dargestellt sind im Zustand
Stirnseiten der Teilfertig- I/II nur die Umlagerungsgrößen aus dem gerissenen Ortbeton
teile in Betracht zu ziehen, Zeichnung: aus [8]
s. Bild  7. Die Sammelrisse
reduzieren aufgrund des
Einzelrisscharakters lokal
die Verbundwirkung. Zwar
würden diese möglicher-
weise recht breiten Risse
aufgrund der aufgebrach-
ten Ortbetonergänzung Bild 7 Längsschnitt Fahrbahn am Querträger mit lokaler Tragwirkung
hinsichtlich der Dauerhaf- bei möglichen Sammelrissen Zeichnung: aus [18]
tigkeit der Fahrbahnplatte
keine Rolle spielen, wenn
sie nicht bis nach oben in dieser Breite durch- ger und die außen am Fahrbahnplattenrand
gehen. Es ist aber zumindest in Betracht zu angeordneten Hilfslängsträger bilden die Lini-
ziehen, dass dies bei ungünstigen Beanspru- enauflagerung für die Fahrbahnplatte. Der Vor-
chungsverhältnissen aus der Haupttragwir- teil dieser Konstruktion ist, dass keine direkte
kung gerade in den Innenstützbereichen der Überlagerung aus globalem Lastabtrag (Längs-
Fall sein kann. Diese eventuellen Trennrisse richtung) und aus lokalem Lastabtrag (Quer-
müssen gegen eine maximale Rissbreite nach- richtung) in der Fahrbahnplatte stattfindet.
gewiesen werden. Für die Nachweise der Min-
destbewehrung und der Rissbreitenbegren- Konstruktion des Stahltragwerkes
zung sollte deshalb, bis weitere Erkenntnisse
dazu vorliegen, die stark reduzierte Betonzug- Vor allem unter Beachtung der Ermüdungsfestig-
festigkeit an den Stirnseiten der Teilfertigtei- keit sind bestimmte konstruktive Festlegungen
le sowie die daraus resultierende (Sammel-) für die Verbundquerschnitte mit Schrägstreben
Rissbildung und damit örtlich abgeminderte zu beachten. So sind die obenliegenden Zug-
Verbundwirkung näherungsweise durch eine bänder mit einem Radius R  ≥  150  mm an den
Abminderung des Stabdurchmessers der Fer- Hauptträger-Obergurt sowie den Hauptträger-
tigteilbewehrung ds,*FT,SR berücksichtigt wer- steg anzuschließen. Der Dickenübergang ist mit
den: ds,*FT,SR = ds,*FT/1,75. einer Neigung von 1:4 auszuführen. Diese Emp-
fehlungen sind ähnlich denen für den Obergurt­
Der Anpassungsquotient 1,75 ergibt sich durch anschluss der Konsolträger. Die Anschlüsse der
Abminderung der Verbundwirkung und Beton- Schrägstreben an die Knotenbleche sind zu-
mitwirkung in der Bestimmungsgleichung für nächst in Anlehnung an die Ergebnisse eines
die Erstrissbreite, aus der die Stabdurchmes- Gutachtens [11], innerhalb dessen Ermüdungs-
sertabellen, s. [9] bzw. [10], abgeleitet sind, auf versuche für die vorgeschlagenen Rohranschlüs-
jeweils ~2/3. Implizit kann dann die Wirksam- se durchgeführt worden sind, auszuführen. Für
keit einer vorhandenen Fertigteilbewehrung die z.  B. in Bild  8 prinzipiell dargestellte Konst-
entsprechend reduziert werden. Für den Nach- ruktion des unteren Schrägstrebenanschlusses
weis der Mindestbewehrung am Ort der Sam- sowie auch für den oberen Strebenanschluss
melrissbildung gilt dann A s  =  A sOB  +  A sFT/1,75². bleibt festzuhalten, dass mit dieser Ausführung
Für den Nachweis der Rissbreitenbegrenzung des direkt lastabtragenden Bauteils derzeit nur
kann diese Abminderung entsprechend für die Kerbfall 50 bzw. 56 erreicht werden kann – was
Bestimmung der Stahlspannung σs angewen- verglichen mit früheren Lösungen zwar gut, aber
det werden. noch nicht optimal ist. In den nächsten Jahren
wird man deshalb weiter an der Optimierung
dieser Details hinsichtlich Ermüdung mit dem
2.2 Verbundquerschnitte mit Schräg- Ziel, möglichst KF 71 zu erreichen, arbeiten. Man
streben und Teilfertigteilen muss in diesem Zusammenhang gerade auch
unter dem Aspekt zukünftig autonomen Ver-
Bei Stahlhohlkästen mit äußeren Schrägstre- kehrs in Betracht ziehen, dass heutige Standspu-
ben erfolgt der Lastabtrag der Fahrbahnplatte ren möglicherweise später einmal planmäßig für
hauptsächlich in Querrichtung. Die Hauptträ- Schwerverkehr genutzt werden.

89
29. Dresdner Brückenbausymposium

2.3 Allgemeine
konstruktive Regelungen

Die Rahmeneckmomente können bei Hohl-


kastenbrücken beachtliche Größenordnungen
auch infolge ermüdungswirksamer Belastung
aufweisen. Entsprechend kommt der kons-
truktiven Ausführung hinsichtlich deren Er-
müdungsfestigkeit große Bedeutung bei. Es
ist länger bekannt, dass aufgrund von Ermü-
dungsaspekten die Gurte der Quersteifen mit
Stumpfnähten an die Hauptträger-Obergurte
anzuschließen sind. Allerdings müssen die
Kräfte auch in den oberen Rahmenriegel, d. h.
Bild 8 Auszug aus dem Gutachten Hanswille [11] bei Ortbetonplatten in die Stahlbetonplatte
zum unteren Diagonalenanschluss eingeleitet werden. Die bekannt gewordenen
Schäden im Bereich der Schalwagenstühlchen
sind hauptsächlich in deren unplanmäßiger
Der Vorteil der Variante mit Schrägstreben ist, Mitwirkung an der Querrahmenwirkung mit
dass die Beanspruchungen aus der Haupttrag- den erhöhten lokalen Beanspruchungen – und
wirkung senkrecht zur Tragrichtung aus lokalem damit weniger in der Beteiligung an der Schub-
Lastabtrag sind, d. h. im Innenstützbereich kei- krafteinleitung des Hauptträgers – zu suchen.
ne (lokalen) ermüdungswirksamen Querkräfte Für die Verbundbrücken mit Ortbetonplat-
über eine gerissene Fahrbahnplatte abzutragen ten, wo die im Querschnitt vorhandenen Rah-
sind. Allerdings haben die Verfasser die Erwar- meneckmomente in die als oberer Rahmenrie-
tung, dass sowohl für die Bauweise mit Schräg- gel wirkende Betonplatte übertragen werden,
streben als auch mit Konsolträgern bei guter wird deshalb derzeit an einer allgemeingültigen
konstruktiver Ausbildung (entsprechend vor- konstruktiven Empfehlung seitens des BMVI
genannten Hinweisen) und ordnungsgemäßer gearbeitet. Für die vorbeschriebenen neueren
Bauausführung ermüdungsseitig keine realen Entwurfslösungen mit stählernen oberen Rie-
Probleme mit der schlaff bewehrten Betonfahr- geln für die Querrahmen entfällt dieses Prob-
bahnplatte auftreten, denn auch für deutlich lem natürlich.
schlankere Fahrbahnplatten älterer Bauwerke
sind keine systematischen Ermüdungsschäden
bekannt geworden (insofern sie sachgerecht 2.4 Bauweise für die Fahrbahnplatte
ausgeführt wurden). Entsprechend ist vor al- mit Ganzfertigteilen
lem der Blick auf die ermüdungsgerechte De-
tailgestaltung und weitere Optimierung der Ganzfertigteile (GFT) für Fahrbahnplatten von
Konsolträger- oder Schrägstreben- und Zug- Verbundbrücken sind in Deutschland, anders
bandanschlüsse sowie auch der Querrahmen als im Ausland, bisher auf wenige Einzelfälle
zu richten. Man wird sicherlich in den nächsten beschränkt geblieben. Im Ausland werden die
Jahren sukzessive vor allem an ausführungssei- GFT auch bei Brücken größerer Länge und
tig weiter optimierten Lösungen arbeiten. Breite zum Einsatz gebracht, denn gerade hier
ergeben sich wesentliche Vorteile in Hinblick
Man muss in diesem Zusammenhang immer auf Qualität, Bauzeit und Baukosten durch die
im Auge behalten, dass selbst bei noch so fabrikmäßige Herstellung und Trennung der
durchdachter Begründung einer Kerbfallabstu- Bauvorgänge. Die einzelnen Varianten unter-
fung neben den damit sicherlich gut erfassten scheiden sich durch die verschiedenartige An-
geometrischen Verhältnissen der Details ein-
schließlich der Schweißnähte immer auch die
Ausführungsqualität der Schweißnähte stärker
streuen kann. Die handwerklichen Fähigkei-
ten der Schweißer sind unterschiedlich, was
sich gerade bei komplizierten Nähten auf der
Baustelle deutlich auswirkt. Daher sollen alle
schwierigen Schweißarbeiten in der Werkstatt Bild 9 Möglichkeiten zur Anordnung der in
erfolgen können und auf der Baustelle nur die Längsrichtung durchlaufenden Ortbe-
eher einfachen Schweißnähte bzw. Schweißpo- tonstreifen und der Ortbetonquerfugen
sitionen ausgeführt werden. Zeichnung: aus [12]

90
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn

Bild 10 Ansicht der Bahretalbrücke mit Stützweiten von 36 – 52 – 72 – 76 – 64 – 52 m Foto: aus [12]

ordnung der Ortbetonstreifen, die hinsichtlich terschiedlichen Schwindvorgänge etc. ist in [8]
der Rissbildung günstig (da verteilend) wirken. umfassend dargestellt.
Man kann sich mit Bezug auf Bild 9 natürlich
auch noch weitere Varianten für die Fertig- Die Verbundbrücke Bahretal (Bild  10), bei der
teilgeometrie, abhängig von handhabbaren die GFT zur Anwendung gekommen sind, ist
Abmessungen und Gewicht, vorstellen. Neue mit ca. 350 m Länge und 30 m Höhe eine grö-
Entwicklungen sind die von der Firma Max ßere Brücke und normalerweise hätte man die
Bögl bei kleineren Stützweiten bereits reali- Fahrbahnplatte mit Schalwagen hergestellt.
sierten Segmentbrücken. Hier werden werk- In Verbindung mit dem Einsatz eines dichten
seitig produzierte Ganzfertigteile aus Hoch- Kastens als Stahltragwerk wurden die GFT
leistungsbeton auf den Hauptträgern verlegt, der Fahrbahnplatte mit Abmessungen von
ohne dass eine Ergänzung mit Ortbeton erfor- 3,5 × 3,45  × 0,30  m und einem Gewicht von
derlich ist. knapp 10  t so eingesetzt, dass eine kontinu-
ierliche Verbindung der GFT mit einem längs
Besonderes Augenmerk ist bei der Bemessung durchlaufenden Ortbetonstreifen vorhanden
und Konstruktion auf die zuerst entstehenden ist. Diese Bauweise kann auch bei breiteren
Querrisse an den Fertigteilstirnseiten zu le- Brücken mit mehreren Kästen angewandt wer-
gen. Diese Sammelrisse begründen sich in den den. Vorteilhaft ist, dass die oben geschlosse-
unterschiedlichen Materialeigenschaften und nen Kästen relativ einfach für Materialtrans-
Herstellungszeitpunkten der Fertigteile und porte nutzbar sind.
Ortbetonergänzungen, vor allem jedoch in der
reduzierten Betonzugfestigkeit an den Fugen Die Querfugen über den Konsolträgern wurden
(eine Abschätzung kann durch fct,red =  0,3·fctm als Ortbetonstreifen mit Übergreifungsstößen
vorgenommen werden). Die Beanspruchungen der Längsbewehrung ausgeführt, s. Bild 11. Kle-
der in den Querfugen mit Sammelrissen an- be- oder Injektionsfugen würden eine Längs-
geordneten Anschlussbewehrungen der Fer- vorspannung voraussetzen, die grundsätzlich
tigteile liegen deutlich über den Spannungen zu vermeiden ist. Die Bewehrung wurde längs/
der Ortbetonbewehrung und können deshalb quer/oben/unten mit d = 14 mm/s = 10 cm aus-
nicht einfach am Zustand-II-Querschnitt be- geführt. Die Breite der Querfugen von 54  cm
rechnet werden. Erst wenn auch die Fertigteile ergibt sich aus der erforderlichen Länge des
(mit oft relativ hoher Festigkeit) bei höheren Übergreifungsstoßes der Schlaufen. Die Auf-
Beanspruchungen im Innenstützbereich ein lagerung der Fertigteile erfolgte über in die
abgeschlossenes Rissbild aufweisen, werden Fertigteile einbetonierte Trägerstummel und
die Sammelrisse bei Laststeigerung nicht mehr jeweils vier höhenverstellbare Schrauben, die
bzw. nur unterproportional höher belastet. Die ihre Last auf die Stege der Konsolträger (hier
zugehörige Theorie unter Berücksichtigung der noch mit Kastenquerschnitt) abgeben. Mit-
unterschiedlichen Betoneigenschaften, der un- tels der Schrauben wäre eine nachträgliche

91
29. Dresdner Brückenbausymposium

[14] für Stahlbauteile zu beachten. Die spezi-


fischen Fragestellungen insbesondere zu den
Ermüdungsanforderungen der Stahlbaudetails
werden aktuell in einem Facharbeitskreis beim
BMVI erörtert. Vom BMVI wurde dazu Ende
2018 ein Obmann-Schreiben [5] mit wesentli-
chen Hinweisen zu dieser Bauweise herausge-
geben. Weiterhin werden derzeit Richtzeich-
nungen zu den erforderlichen Regeldetails für
die Konstruktionen erstellt [15], die sich in der
fachlichen Abstimmung befinden.

Zur besser abgesicherten Einschätzung der


Ermüdungssicherheit und Dauerhaftigkeit der
Fahrbahnplatten bedarf es noch weitergehen-
der Überlegungen vor allem hinsichtlich Ermü-
dung mit versuchstechnischer Absicherung
für die Betonplatte unter Zug und gleichzeiti-
ger Querkraft. Günstig hinsichtlich eventueller
Schubrisse wirkt sich gegenüber einer reinen
Ortbetonlösung die dritte Lage der Längsbe-
Bild 11 Schnittdarstellungen Bahretalbrücke; wehrung auf den Teilfertigteilen aus. Weiterhin
oben: Prinzipquerschnitt, unten: Längs- günstig wirkt die ohnehin erforderliche Ver-
schnitt der Ortbeton-Querfugen über den bundbewehrung zwischen Fertigteil und Ort-
Konsolen (hier mit Kastenquerschnitt) betonergänzung, die den Anforderungen an
Zeichnungen: aus [12] Querkraftbewehrung entsprechend ausgebil-
det werden muss. Bis zur abschließenden Klä-
rung dieser Sachverhalte und Validierung bzw.
J­ustierung der Fertigteilplatten möglich, was Erweiterung der gegenwärtigen Bemessungs-
sich aber als nicht nötig erwies. Mit Hilfe des ansätze sollten aber die Rissbreiten für die
baubegleitenden Messprogramms konnten die Beanspruchungen in Bauwerkslängsrichtung,
Rissbildungen sowie insbesondere die gegen- d.  h. auch für Überlagerung der Schnittgrö-
über der Ortbetonvariante zunächst deutlich ßen aus globaler und lokaler Beanspruchung,
höheren Spannungen in den übergreifenden auf den Rechenwert w  =  0,15  mm begrenzt
Längsbewehrungen der Fertigteile (vorge- werden, um eventuelle Auswirkungen aus ge-
nannte Sammelrissproblematik) gut nachvoll- genseitigen Verschiebungen der Rissufer für
zogen werden. Zusammenfassend wurde die Querkraftbeanspruchung unter besonderer
GFT-Bauweise der Bahretalbrücke gut beur- Beachtung der (hinsichtlich der Maximalwerte
teilt, s. [12]. Grundsätzlich ist es allerdings von allerdings nicht unbedingt zeitgleichen) Ermü-
Nachteil, dass kein Ausgleich von größeren dungsbeanspruchung für die Längsbewehrung
Abweichungen Soll/Ist der Stahlkonstruktion zu minimieren, s. [5].
mehr möglich ist.
Nach Abschluss der vom BMVI vorgesehenen
weitergehenden Untersuchungen könnte man
3 Aktuelles Regelwerk und spezifi- sich für die Bemessung der Fahrbahnplatte fol-
sche Festlegungen zur Bemessung gende Regelung vorstellen:

3.1 Normative Regelungen und Unter reiner Haupttragwerksbeanspruchung


­spezifische Festlegungen zur in Längsrichtung sind die Rissbreiten auf der
Bauweise mit Fertigteilen Fahrbahnplattenoberseite auf den Rechen-
wert w  =  0,15  mm zu begrenzen. Unter kom-
Für die Berechnung und Bemessung von Stahl- binierter Beanspruchung aus globaler und lo-
verbundbrücken ist bekanntermaßen Euroco- kaler Tragwirkung in Längsrichtung gilt der für
de 4, Teil  2 [10] anzuwenden, der die für den reine Ortbetonplatten bekannte Rechenwert
Brückenbau relevanten Bemessungsregeln der maximalen rechnerischen Rissbreite von
des Stahlverbundbaus ergänzend zu den allge- w = 0,2 mm. Mit dieser Festlegung würde man
meinen Grundregeln des Eurocode  4, Teil  1-1 eine zu hohe Längsbewehrung vermeiden, was
[9] enthält. Fallweise sind Bezüge zu Eurocode zu einer günstigeren Betonierbarkeit der Platte
2-2 [13] für Massivbauteile und Eurocode 3-2 und damit einer besseren Konstruktion führt.

92
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn

[16] mit resultierenden Schlussfolgerungen


derzeit den Stand der Technik dar.

Der Einfluss von Ermüdungsbeanspruchungen


auf das Querkrafttragverhalten von gerisse-
nen Betonfahrbahnplatten (s. Bild  13) ist bis-
Bild 12 Anteile der Querkrafttragfähigkeit von her nicht ausreichend untersucht worden und
Bauteilen ohne Querkraftbewehrung entsprechend nicht normativ geregelt. Infolge
Zeichnung: aus [17] einer wiederholten Beanspruchung kann es
zu einer Zustandsänderung des Betongefüges
kommen. Durch den Verlust der Rissuferver-
Hinsichtlich der Bemessung der stählernen zahnung wird gleichzeitig die Dübelwirkung
Konsolen bzw. Schrägstreben, Zugbänder der Bewehrungsstäbe stärker aktiviert und ein
und deren Anschlüsse auf Ermüdung ist Eu- örtliches Versagen der Verbundzone zwischen
rocode  3-1-9 [6] zu beachten. Dabei sind die Beton und Bewehrungsstahl ist möglich. Zur
vorgenannten stählernen Bauteile und deren Untersuchung dieser Thematik sind Versuche
Anschlüsse zunächst als Haupttragglieder unter Ermüdungsbeanspruchung mit variab-
einzustufen, d.  h. in der Bemessung mit ei- lem Spannungsverhältnis zur Erstellung einer
nem widerstandsseitigen Teilsicherheitsfak- spezifischen Wöhlerlinie vorgesehen.
tor ɣMf = 1,25 zu berücksichtigen.
Dynamische Messungen an der neuen Langen-
felder Brücke in Hamburg (A7) zeigen (Bild 14),
3.2 Weitergehende Untersuchungen dass die Fahrbahnplatte im Innenstützbereich
auch nach schwerem Verkehr durchaus sehr
Die Ziele eines aktuellen, weitergehenden For- lange ungerissen sein kann. Das darf zwar im
schungsprojektes des BMVI sind: Grenzzustand der Tragfähigkeit nicht ausge-
nutzt werden, hat aber Bedeutung für die Un-
1. Endgültige Festlegungen zur Schlankheit, tersuchungen zur Ermüdungssicherheit. Dabei
Bewehrungsführung und Rissbreitenbe- muss auch der Effekt beurteilt werden, dass
grenzung einer gezogenen ermüdungsbe- die Ortbetonplatte gerissen, aber das Fertigteil
anspruchten Betonplatte mit Teilfertigteilen noch ungerissen ist (Zustand I/II). Zusätzlich
einschließlich Aussagen zum sicheren Quer- muss der Einfluss von Sammelrissen (s. Ab-
kraftabtrag, schnitt 2) bedacht werden, die von unten nicht
erkennbar wären, da der Obergurt des Konsol-
2. Ergänzende Festlegungen zu Ermüdungs- trägers die Risse verdeckt. Im Auftrag des BMVI
festigkeitskennwerten sowie dem Ermü- werden deshalb Bauwerksmessungen noch an
dungsnachweis und konstruktive Empfeh- anderen Bauwerken mit dieser und ähnlicher
lungen optimierter Anschlussdetails der Zielstellung zur besseren Verallgemeinerbar-
Konsolträger. keit der Aussagen durchgeführt.

Zu 1.: Das Querkraftverhalten von Platten Zu 2.: Insbesondere für die Konstruktionen
ohne Querkraftbewehrung kann, zwar durch mit ungewolltem geometrischem Versatz der
vorwiegend empirisch-experimentelle Analy- Konsolträger zu den inneren Aussteifungen
sen, seit längerer Zeit als geklärt angesehen existieren keine belastbaren Ermüdungsun-
werden. Die Tragwirkung für Bauteile ohne tersuchungen an Bauteilen. Definitiv ist eine
Querkraftbewehrung setzt sich im Wesentli- gewisse Stützwirkung des Hauptträgersteges
chen aus dem Anteil der ungerissenen Druck- vorhanden und es ist auf theoretischer sowie
zone (Druckbogen), der Rissverzahnung im experimenteller Basis zu klären, ob und in wel-
Schubriss, der Dübelwirkung der Längsbe- cher Höhe das Versatzmoment im Ermüdungs-
wehrung und der Zahnbiegung zusammen, nachweis in Ansatz gebracht werden muss.
s.  Bild  12. Für ermüdungs-
beanspruchte Platten ohne
Querkraftbewehrung gibt
es einige wenige experimen-
telle Ergebnisse. Für das
Querkraftverhalten zugbe-
anspruchter Platten unter
statischer Belastung stellt Bild 13 Überblick zum Zusammenwirken globaler und lokaler Bean-
die Dissertation Ehmann spruchungen Grafik: aus [18]

93
29. Dresdner Brückenbausymposium

Auflagerachsen wurde ge-


genüber dem Bestands-
bauwerk von 8 auf 7 redu-
ziert, so dass eine früher
vorhandene Pfeilerstellung
Bild 14 Gemessener Spannungsgradient in einem Innenstützbereich zwischen den Fernbahn-
der Langenfelder Brücke im Vergleich zu den rechnerischen gleisen entfallen konn-
Nulllinienlagen im Zustand I (ganz links) bzw. Zustand II (zweites te. Die Gesamtlänge des
Bild von links) Grafik: aus [18] Neubaus beträgt 400,9 m
(West) bzw. 385,4 m (Ost)
bei Stützweiten zwischen
Weiterhin ist zu klären, wie sich der mehraxiale 48,6 m bis maximal 80,6 m. Der Neubau weist
Spannungszustand auf die Ermüdungsfestig- eine Gesamtbreite von 51,1 m zwischen den
keit des Schweißanschlusses des Konsolträger- Lärmschutzwänden auf.
Untergurtes bzw. des Konsolträger-Steges aus-
wirkt. Die Ergebnisse sollen zu einer möglichst Das Konzept für den Neubau war maßgeb-
optimalen Konstruktion der Anschlussdetails lich auf eine Minimierung von Verkehrsbeein-
hinsichtlich Schweißbarkeit, Wirtschaftlichkeit trächtigungen für die Bahn und die A7 sowie
und Ermüdungsfestigkeit führen. eine möglichst kurze Bauzeit ausgerichtet.
Für den Neubau wurde daher der Ausführung
als Stahlverbundkonstruktion mit Verwen-
4 Beispiele dung von Teilfertigteilen für die Herstellung
aktueller Bauwerksentwürfe der Fahrbahnplatte der Vorzug gegeben. Die
Überbauten bestehen jeweils aus zwei be-
4.1 Langenfelder Brücke in Ham- gehbaren Trapezkästen aus Stahl und einer
burg (A7) Fahrbahnplatte aus Stahlbeton, die sich aus
Fertigteilen und einer Ortbetonergänzung zu-
Die A7 quert zwischen den Anschlussstel- sammensetzt. Die Herstellung des Überbaus
len Hamburg-Stellingen und Volkspark mit erfolgte mittels Taktschieben über die inne-
der Langenfelder Brücke das Bahngelän- ren Stege der Hohlkästen. Die Trapezkästen
de des Betriebsbahnhofs Langenfelde und sind oben offen ausgebildet, nur in den Berei-
zahlreiche Gleise der Fern- und S-Bahn so- chen, wo aus dem Taktschieben hohe Torsi-
wie Stadtstraßen und Wege. Das originäre onsbeanspruchungen auftreten, erfolgte auf
Spannbetonbauwerk war für die im Zuge der eine Länge von ca. 50 m die Ausführung mit
Erweiterung der A7 geplanten Verkehrsbrei- geschlossenem Deckblech. Die Konstruktions-
ten nicht breit genug. Zudem waren sowohl höhen der insgesamt vier Hauptträger variie-
die Überbauten als auch die Pfeiler nicht in ren zwischen ca. 2,7 m und 4,3 m. Die Haupt-
der Lage, die zusätzlichen Belastungen aus träger werden im Abstand von 4,1 m durch
einer erforderlichen Verbreiterung und den radial angeordnete Querträger miteinander
ca. 8  m hohen Lärmschutzwänden aufzu- verbunden, welche die Hauptträger durch-
nehmen. Das vorhandene Bauwerk wurde dringen und sich in den Kragarmbereichen als
daher abgebrochen und durch einen Neubau Konsolen fortsetzen. Das dadurch gebildete
ersetzt. Die Verkehrsfreigabe erfolgte im Ok- Quersystem dient zum einen der Auflagerung
tober 2018. der Teilfertigteile und beteiligt sich zum an-
deren an der Querverteilung der Lasten. Die
Das neue Bauwerk ersetzt die vorhandene kontinuierliche Anordnung von Querträgern
Brücke bei weitgehender Beibehaltung der ermöglicht den vollständigen Verzicht auf
vorhandenen Trassierung. Die Anzahl der ­separate Stützenquerträger.

Bild 15 Langenfelder Brücke – Regelquerschnitt und Draufsicht auf den Trägerrost mit teilweise aufgeleg-
ten Fertigteilen, s. a. Bild 4 Zeichnung: DEGES/Schüßler-Plan, Foto: DEGES

94
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn

Das Entwurfskonzept hat sich in der Bauaus- Über den Wettbewerb und den Entwurf wurde
führung vollständig bewährt, die Eingriffe in bereits auf dem 18. Dresdner Brückenbausym-
den Bahnverkehr konnten auf ein Minimum posium 2008 [19] berichtet. Der Baubeginn ist
reduziert werden. Zudem konnte das Bauvor- Ende 2018 endlich erfolgt und die Verkehrs-
haben unter den sehr komplexen und schwie- freigabe für die Gesamtstrecke wird für 2022
rigen Randbedingungen für beide Überbauten erwartet.
inkl. Rückbau der Bestandsüberbauten in der
relativ kurzen Bauzeit von knapp 5 Jahren rea-
lisiert werden. 4.3 Rader Hochbrücke über den
Nord-Ostsee-Kanal in
Schleswig-Holstein (A7)
4.2 Gottleubatalbrücke in Sachsen
(B 172) Das 1.500 m lange Bauwerk aus dem Jahre 1972
überführt die A7 über den Nord-Ostsee-Kanal
Der Entwurf der Gottleubatalbrücke ist das (NOK), die Rader Insel und den Borgstädter
Ergebnis eines 2006 von der DEGES durchge- See. Die derzeitige Stützweite über dem NOK
führten Realisierungswettbewerbs. Das gera- beträgt 221,5 m bei einer Durchfahrtshöhe von
de, 9-feldrige Bauwerk hat eine Gesamtlänge 42 m. Der einteilige, 29,5 m breite Stahlüberbau
von 916 m bei Einzelstützweiten zwischen ist ein zweistegiger Plattenbalken mit offenen,
68 und 124 m. Die Breite des Querschnitts zwischen 5,0 und 9,5 m hohen Hauptträgern
beträgt 15,5 m. Die Ausführung erfolgt als und orthotroper Fahrbahnplatte. Gravierende
Stahlverbundüberbau, der im Bereich der Schäden an den Pfeilerköpfen führten 2013 zu
fünf Talpfeiler durch massive Betonvouten einer Teilsperrung für LKW, die nach einer In-
verstärkt wird. Die Herstellung des Überbaus standsetzung wieder aufgehoben wurde. Ein
erfolgt durch Taktschieben. Die Betonvouten Gutachten von 2016 ergab eine eingeschränkte
werden nachträglich ergänzt und als Teil des Restnutzungsdauer des Überbaus bis 2026, so
Pfeilers monolithisch mit dem Überbau ver- dass umgehend die Planung für einen Ersatz-
bunden. neubau eingeleitet wurde.

Der Querschnitt besteht aus einem geschlosse- Der Ersatzneubau wird im Hinblick auf einen
nen, trapezförmigen Kastenträger aus Stahl, der 6-streifigen Ausbau der A7 geplant. Die neue
durchgängig begehbar ist. Die mit dem Kasten- Gesamtbreite beträgt ca. 37 m und damit
träger in Verbund stehende, insgesamt 38 cm 18,5  m je Überbau. Das neue Bauwerk wird
dicke Stahlbeton-Fahrbahnplatte setzt sich aus wie der Bestand als Durchlaufträger ausgebil-
Teilfertigteilen und einer Ortbetonergänzung det. Die Regelstützweiten betragen ca. 80 m.
zusammen und wird über Konsolen gestützt. Im Bereich des NOK wird eine Stützweite von
Die 5,4 m auskragenden Konsolen werden als 224 m erforderlich. Hier erfolgt die Ausführung
offene Querschnitte ausgebildet und schließen wie bei der Gottleubatalbrücke mit Betonvou-
stumpf an die Hauptträgerstege an. Der Wett- ten, die monolithisch mit der Stahlkonstruktion
bewerbsentwurf sah noch eine Abstützung mit verbunden sind und somit ein Rahmensystem
Schrägstreben vor. Aufgrund der Vorteile hin- erzeugen. Der Überbau wird im Taktschieben
sichtlich der Bauwerksprüfung erfolgte 2008 im hergestellt, das Mittelteil über dem NOK wird
Zuge der Entwurfsplanung die Umstellung auf per Litzenhub montiert. Die Herstellung der
die Konsollösung (s. Bild  16). An dieser Lösung Betonvouten erfolgt nach dem Abschluss des
wurde dann trotz zwischenzeitlicher Diskussio- Taktschiebens, vor dem Einheben des Mittel-
nen für die Ausführung festgehalten. teils. Die Bauhöhe des Verbundüberbaus va-
riiert zwischen 4 m in den
Regelbereichen und 6 m im
Kanalfeld. Die Betonvouten
haben eine maximale Höhe
von ca. 15 m und erstrecken
sich über eine Länge von
ca.  45 m beidseitig der Ka-
nalpfeiler.

Bild 16 Gottleubatalbrücke – Regelquerschnitt mit Schrägstreben aus Das Fahrbahndeck besteht


dem Wettbewerb (links), Regelquerschnitt mit Konsolen aus der jeweils aus einem trapez-
Entwurfsplanung mit ergänzten Wind- und Kollisionsschutz- förmigen, geschlossenen
wänden (rechts) Grafiken: DEGES/Schüßler-Plan/A. Keipke Verbundhohlkasten mit ei-

95
29. Dresdner Brückenbausymposium

ner ca. 5,7 m auskragenden


Fahrbahnplatte, die durch
Konsolen abgestützt wird.
Die stählernen Hauptträ-
ger sind oben durchgängig
geschlossen, was günstig
für die Bauzustände beim
Einschieben ist und tech-
nologische Vorteile hat, da Bild 17 Querschnitte mit Konsolträgern oder mit äußeren Schrägstre-
das geschlossene Deck- ben für Stahlverbund-Großbrücken mit Teilfertigteilen
blech wie auch bei der Zeichnungen: DEGES/SSF/Schüßler-Plan
Talbrücke Heidingsfeld als
Fahrweg für das Verlegen
der Fertigteile genutzt wer-
den kann.

Es wurden beide Quer-


schnittsvarianten – mit
Konsolträgern und mit Bild 18 Rader Hochbrücke – Regelquerschnitt der abgeschlossenen
Schrägstreben – in der Bau- Vorplanung Zeichnung: DEGES/SSF/Schüßler-Plan
weise mit Teilfertigteilen
bzgl. Konstruktion, Bau-
zeit und Wirtschaftlichkeit gegenübergestellt,
Bild 17.

Nach ausgiebiger Fachdiskussion erfolgt die Bild 19 Berücksichtigung der Rissbildung bei der
Ausführung mit Konsolträgern als Vorzugsva- Schnittkraftermittlung, links Näherungs-
riante für die jetzt beginnende Entwurfspla- methode III, rechts Methode IV
nung. Zurzeit erfolgt eine Optimierung des Zeichnung: aus [7]
Querschnitts zum einen bzgl. der Einspannung
an den Kanalpfeilern und zum anderen bzgl.
der Beanspruchungen der Konsolen inkl. Fahr- häufig angewendete Bauweise dar. Im Beitrag
bahnplatte. Aktuell ist vorgesehen, die Kasten- wurde auf bestimmte aktuelle Entwicklungen
breite noch etwas zu vergrößern, womit sich eingegangen und es wurden dazu beispielhaft
die Konsollängen entsprechend noch verrin- Projekte der DEGES vorgestellt.
gern werden.
Im Hinblick auf den weiter steigenden Schwer-
Aufgrund der ausgeprägten Voutungen im verkehr ist es besonders wichtig, die Bauwerke
Bereich der Kanalpfeilerachsen und den so zu konstruieren, dass eine dauerhafte und
sich anschließenden stark unterschiedlichen ermüdungssichere Ausbildung und Bemessung
Stützweiten müssen die Schnittkräfte für die der Stahlkonstruktionen sowie der Fahrbahn-
Hauptträger mit dem genauen Verfahren IV platten gewährleistet ist. Für die immer wie-
mit ausgerundetem Steifigkeitsverlauf, siehe derkehrenden Konstruktionsdetails werden
z.  B. [7], berechnet werden, s. Bild  19. Es ist durch das BMVI Regellösungen entwickelt, die
auch in verschiedenen Schnitten im Bereich sich aktuell zur Abstimmung in den Fachgremi-
der einzelnen Innenstützen zu überprüfen, ob en befinden und noch einer gründlichen Dis-
die Teilfertigteile aufreißen und welchen Ein- kussion bedürfen. Man muss nach Auffassung
fluss ggf. die Steifigkeiten im Zustand I/II auf der Autoren sehr gründlich abwägen, welche
die (globalen) Schnittgrößen der Hauptträger Details unbedingt vorgegeben werden sollten
haben. und was den Planern bzw. Firmen im Projekt
überlassen bleiben muss. Auch dürfen bei bau-
herrenseitigen allgemeinen Vorgaben keine
5 Zusammenfassung und Ausblick Widersprüche zu bestehenden Bemessungs-
und Herstellungsnormen auftreten. Eine gute
In den nächsten Jahren sind zahlreiche Groß- und möglichst einfache Umsetzbarkeit in der
brücken im Netz der Bundesfernstraßen durch Fertigung ist neben guten Konstruktionsregeln
Neubauten zu ersetzen. Hierbei stellt die Stahl- entscheidend für die angestrebte qualitativ
verbundbauweise aufgrund der Vorteile bzgl. hochwertige und wirtschaftliche Ausführung.
der Vorfertigung und schnellen Montage eine Zu mehreren dieser im Beitrag angeschnitte-

96
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn

nen Aspekte wurde aktuell ein umfangreiches ton- und Spannbetontragwerken – Teil 2:
Forschungsvorhaben vom BMVI initiiert. Betonbrücken – Bemessungs- und Kon-
struktionsregeln. Deutsche Fassung EN
1992-2:2005 + AC:2008.
Literatur [14] DIN EN 1993-2:2010-12: Eurocode 3: Be-
messung und Konstruktion von Stahl-
[1] Hamme, M.; Marzahn, G.; Prehn, W.; Swad- bauten – Teil 2: Stahlbrücken. Deutsche
lo, J.: Die Wupper-Talbrücke Oehde – eine Fassung EN 1993-2:2006 + AC:2009, Natio­
moderne Verbundbrücke. Stahlbau 75 naler Anhang.
(2005) 7, S. 558–564 [15] BMVI; BASt (Hrsg.): Richtzeichnungen für
[2] Sprinke, P.: Ersatzneubau der Lennetalbrü- Deckbrücken mit Stahlverbund-Hohlkäs-
cke. Bauingenieur 92 (2017), S. 138–142 ten. Entwurf, 2018 (wird noch im BMVI dis-
[3] Denzer, G.; Schmackpfeffer, H.: Entwick- kutiert), bearbeitet von Meyer und Schu-
lungen im Stahlverbundbrückenbau bart
– Autobahnbrücken mit einteiligen Ver- [16] Ehmann, J.: Querkrafttragfähigkeit gezo-
bundquerschnitten. Stahlbau 74 (2005) 9, gener zugbeanspruchter Stahlbetonplat-
S. 649–656 ten in Verbundbrücken. Diss., Universität
[4] Mansperger, T.; Jung, R.; Köberlin, T.; Stuttgart, 2003 – erschienen in: Mittei-
­Hertle, R.: Planung und Prüfung der Tal- lungen des Instituts für Konstruktion und
brücke Heidingsfeld. Stahlbau 86 (2017) 2, Entwurf, Nr. 2003-3
S. 139–147 [17] Zilch, K.; Zehetmaier, G.: Bemessung im
[5] BMVI 2018-22 (Hrsg.): Empfehlungen für konstruktiven Betonbau. 2. Aufl., Springer
die Gestaltung von großen Stahlverbund- Verlag, 2010
Hohlkastenbrücken. Ausgabe 12/2018 [18] GMG-Ingenieurgesellschaft im Auftrag
[6] DIN EN 1993-1-9:2010-12: Eurocode 3: Be- der DEGES: Bauwerksmonitoring an In-
messung und Konstruktion von Stahlbau- nenstützbereichen der Langenfelder Brü-
ten – Teil 1-9: Ermüdung. Deutsche Fas- cke Hamburg. Unveröffentlichter Bericht,
sung EN 1993-1-9:2005 + AC:2009. 2017
[7] Geißler, K.: Handbuch Brückenbau. Berlin: [19] Reintjes, K.-H.; Gebert, G.: Die Talbrücke
Ernst und Sohn, 2014 Gottleuba – Realisierungswettbewerb
[8] Mager, M.: Zur Erfassung der Rissbreiten und Siegerentwurf. In: Stritzke, J. (Hrsg.):
an durchlaufenden Stahlverbundträgern Tagungsband zum 18. Dresdner Brücken-
mit Teil- und Ganzfertigteilen. Diss., TU bausymposium – Planung, Bauausfüh-
Berlin, Fachgebiet Entwerfen und Konst- rung, Instandsetzung und Ertüchtigung
ruieren – Stahlbau, 2018 von Brücken am 11.3.2008 in Dresden,
[9] DIN EN 1994-1-1:2010-12: Eurocode 4: Be- Dresden: Institut für Massivbau der TU
messung und Konstruktion von Verbund- Dresden, 2008, S. 145–159
tragwerken aus Stahl und Beton – Teil 1-1:
Allgemeine Bemessungsregeln und An-
wendungsregeln für den Hochbau; Deut-
sche Fassung EN 1994-1-1:2004 + AC:2009.
[10] DIN EN 1994-2:2010-12: Eurocode 4: Be-
messung und Konstruktion von Verbund-
tragwerken aus Stahl und Beton – Teil 2:
Allgemeine Bemessungsregeln und An-
wendungsregeln für Brücken; Deutsche
Fassung EN 1994-2:2005 + AC:2008.
[11] Hanswille, G.; Steffen, A.: Untersuchungen
zur Ermüdungsfestigkeit der Anschlüsse
der äußeren Diagonalen an der Talbrücke
Rinsdorf. Gutachten vom 6.6.2017
[12] Geißler, K.; Reintjes, K.-H.; Rodemann, J.:
Ganzfertigteile bei der Verbundfahrbahn-
platte der Bahretalbrücke – Eine Revision
nach Ausführung und baubegleitender
messtechnischer Überwachung. Stahlbau
78 (2009) 12, S. 897–906
[13] DIN EN 1992-2:2010-12: Eurocode 2: Be-
messung und Konstruktion von Stahlbe-

97
9 Herzlich willkommen zum 29. Dresdner Brückenbausymposium

13 Verleihung der Wackerbarth-Medaille

14 Laudatio für Prof. Dr.-Ing. Jürgen Stritzke aus Anlass


der Verleihung der Wackerbarth-Medaille der Ingenieurkammer Sachsen

17 Christian Menn – Brückenbauer, Lehrer, Ästhet

25 Aktuelles zum Regelwerk des Bundes für den Ingenieurbau

29 Die Maputo-Katembe-Brücke, das neue Wahrzeichen Mosambiks –


Drei Bauverfahren bei der längsten Hängebrücke Afrikas

47 Monitoring und Visualisierung im Infrastrukturbau

59 Verkehrsinfrastruktur für Hamburg –


Neubau der Waltershofer Brücken im Hamburger Hafen

73 Erfahrungsbericht aus Österreich über die Anwendung


von neuen Verfahren im Brückenbau

85 Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn


als Querschnitte mit Teilfertigteilen und Schrägstreben bzw. Konsolen

101 Kurt Beyers Beitrag zur Baustatik

129 Nachrechnungsdefizite bei Massivbrücken –


Ein Problem der Tragfähigkeit oder [doch nur] der Modellvorstellung?

149 Was tun, wenn Annahmen und Wirklichkeit nicht übereinstimmen?

161 Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile


von Brücken- und Tunnelbauwerken

173 Dauerhafte und wirtschaftliche Straßenbrücken


mit Halbfertigteilen aus vorgespanntem Carbonbeton

185 Der 30-Jahre-Zyklus der Brückeneinstürze und seine Konsequenzen

197 Chronik des Brückenbaus

209 Inserentenverzeichnis

ISSN 1613-1169
ISBN 978-3-86780-585-8

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