DBBS2019 07-Geissler
DBBS2019 07-Geissler
DBBS2019 07-Geissler
de
29. DRESDNER
BRÜCKENBAUSYMPOSIUM
PLANUNG, BAUAUSFÜHRUNG, INSTANDSETZUNG
UND ERTÜCHTIGUNG VON BRÜCKEN
Konform mit der DAfStb-Richtlinie „Verstärken von Beton- StoCretec GmbH S&P
Betoninstandsetzung Clever Reinforcement GmbH
bauteilen mit geklebter Bewehrung“ Bodenbeschichtung Karl-Ritscher-Anlage 5
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ISSN 1613-1169
ISBN 978-3-86780-585-8
Institut für Massivbau http://massivbau.tu-dresden.de
Tagungsband
29. Dresdner Brückenbausymposium
Institut für Massivbau
Freunde des Bauingenieurwesens e.V.
TUDIAS GmbH
Inhalt
Herzlich willkommen zum 29. Dresdner Brückenbausymposium……………………………………… 9
Prof. Dr.-Ing. habil. DEng/Auckland Hans Müller-Steinhagen, Rektor der TU Dresden
Verleihung der Wackerbarth-Medaille …………………………………………………………………………… 13
Laudatio für Prof. Dr.-Ing. Jürgen Stritzke aus Anlass
der Verleihung der Wackerbarth-Medaille der Ingenieurkammer Sachsen……………………… 14
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach
Christian Menn – Brückenbauer, Lehrer, Ästhet……………………………………………………………… 17
Dr.-Ing. Silke Scheerer, Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach
Aktuelles zum Regelwerk des Bundes für den Ingenieurbau…………………………………………… 25
TRDir Prof. Dr.-Ing. Gero Marzahn
Die Maputo-Katembe-Brücke, das neue Wahrzeichen Mosambiks –
Drei Bauverfahren bei der längsten Hängebrücke Afrikas……………………………………………… 29
Dipl.-Ing. Joern Seitz, Dipl.-Ing. (FH) Martin Pohl
Monitoring und Visualisierung im Infrastrukturbau……………………………………………………… 47
Prof. Dr.-Ing. habil. Peter Mark, Dr.-Ing. David Sanio, Dr.-Ing. Steffen Schindler
Verkehrsinfrastruktur für Hamburg –
Neubau der Waltershofer Brücken im Hamburger Hafen………………………………………………… 59
Dr.-Ing. Christoph Vater
Erfahrungsbericht aus Österreich über die Anwendung
von neuen Verfahren im Brückenbau……………………………………………………………………………… 73
o.Univ.Prof. Dr.-Ing. Johann Kollegger, Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Benjamin Kromoser,
Dipl.-Ing. Dr.techn. Bernhard Eichwalder
Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn
als Querschnitte mit Teilfertigteilen und Schrägstreben bzw. Konsolen …………………………… 85
Prof. Dr.-Ing. Karsten Geißler, Dipl.-Ing. Gregor Gebert
Kurt Beyers Beitrag zur Baustatik …………………………………………………………………………………101
Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Karl-Eugen Kurrer
Nachrechnungsdefizite bei Massivbrücken –
Ein Problem der Tragfähigkeit oder [doch nur] der Modellvorstellung?……………………………129
Prof. Dr.-Ing. Oliver Fischer; Sebastian Gehrlein, M.Sc.; Nicholas Schramm, M.Sc.; Marcel Nowak, M.Sc.
Was tun, wenn Annahmen und Realität nicht zusammenpassen?……………………………………149
Dr.-Ing. Hans-Gerd Lindlar, Dr.-Ing. Stefan Franz, Dipl.-Ing. Lars Dietz, Dr.-Ing. Bastian Jung,
M. Eng. Tarik Tiyma
Lebenszykluskostenbetrachtungen für chloridexponierte Bauteile
von Brücken- und Tunnelbauwerken………………………………………………………………………………161
Dr.-Ing. Angelika Schießl-Pecka, Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Anne Rausch,
Dr.-Ing., MBA und Eng. Marc Zintel, Dipl.-Ing., MBA Luzern Christian Linden
Dauerhafte und wirtschaftliche Straßenbrücken
mit Halbfertigteilen aus vorgespanntem Carbonbeton……………………………………………………173
Dr.-Ing. Frank Jesse, Dipl.-Ing. Andreas Apitz, Prof. Dr. sc. techn. Mike Schlaich
Der 30-Jahre-Zyklus der Brückeneinstürze und seine Konsequenzen………………………………185
Prof. Dr.-Ing. habil. Dirk Proske
Chronik des Brückenbaus………………………………………………………………………………………………197
Zusammengestellt von Dipl.-Ing. (FH) Sabine Wellner
Inserentenverzeichnis……………………………………………………………………………………………………207
5
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn
1 Einführung
85
29. Dresdner Brückenbausymposium
che Bauweise entwickelt, die jedoch wegen der umgesetzt, weitere solche Bauwerke werden
größeren Bauteilgewichte bei Stahlverbund- aktuell bei der DEGES mit der Gottleubatal-
brücken im mittleren und großen Stützweiten- brücke (B 172), der Rader Hochbrücke (A7) und
bereich an ihre Grenzen stößt. der Hochbrücke im Zuge der Hafenpassage in
Hamburg (A26) umgesetzt (s. Abschnitt 4). In
Die Ausbildung von Schrägstreben zur Stüt- den folgenden beiden Abschnitten wird auf die
zung von weit auskragenden Fahrbahnplatten Entwicklung sowie die Bemessungs- und Kon-
ist seit langem bei Großbrücken mit einteiligem struktionsgrundlagen dieser Bauwerke näher
Überbau üblich. Als Beispiele seien genannt die eingegangen.
Kochertalbrücke, die bestehenden Rheinbrü-
cken Leverkusen und Duisburg-Neuenkamp
oder die neue Niederrheinbrücke Wesel. In 2 Aktuelle Entwicklungen für
jüngerer Vergangenheit wurde diese Lösung Großbrücken in Stahlver-
durch die DEGES bei den großen Talbrücken bundbauweise zur Erhöhung
in Stahlverbundbauweise im Thüringer Wald des Vorfertigungsgrades und
(A71, A73) realisiert [3], s. Bild 3. Hierbei sind
Kragplattenspannweiten von ca. 8–9 m ausge-
Verkürzung der Bauzeit
führt, wobei die Fahrbahnplatte monolithisch
mittels Schalwagen hergestellt wurde. 2.1 Verbundquerschnitte mit Kon-
solträgern und Teilfertigteilen
Eine andere Entwicklung der vergangenen Jah-
re ist die Anordnung von stählernen Konsolen Mit der Anordnung der stählernen Konsolen
zur Auflagerung der Teilfertigteile. Diese Ent- im Querträger- bzw. Querrahmenabstand be-
würfe wurden z. B. bei der Talbrücke Heidings- steht die Möglichkeit, die Fahrbahnplatte in
feld (A3) [4] oder der Langenfelder Brücke (A7) Längsrichtung auf diesen Quertragelemen-
ten aufzulagern, s. Bild 4.
Der lokale Lastabtrag der
Fahrbahnplatte erfolgt ab-
hängig von der gewählten
Plattengeometrie als drei-
seitig gelagerte Platte, d. h.
ein wesentlicher Anteil der
Lasten wird zunächst in
Plattenlängsrichtung über-
tragen und überlagert sich
mit der Beanspruchung
aus der Haupttragwirkung.
Es ist allerdings ein Vorteil
der dreiseitigen Plattenla-
gerung, dass bei nicht zu
großen Kragarmlängen ein
nicht unerheblicher Anteil
Bild 3 Einteiliger Stahlverbundquerschnitt: Reichenbachtalbrücke der auf den Kragbereichen
(A71) Foto: Gregor Gebert befindlichen (ermüdungs-
86
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn
Konstruktion
des Stahltragwerkes
87
29. Dresdner Brückenbausymposium
q Eine andere derzeit diskutierte Lösung ist, ten besonders wichtig. Im Teilfertigteil sollte
den Konsolträger-Untergurt durch den grundsätzlich nur eine Lage, im Aufbeton zwei
Hauptträgersteg durchzuführen. Dabei sind (maximal drei) Lagen Längsbewehrung einge-
der Hauptträgersteg auszunehmen und baut werden. Dies sollte für die Bauweise mit
die Ausschnitte mit stirnseitigen Radien Konsolträgern und längsspannender Fahr-
≥ 50 mm zu versehen. Vorteil dieser Aus- bahnplatte unter Beachtung der maximalen
führung ist, dass kein Versatz im Stoßbe- Konsolträgerabstände von 4,5 m ausreichen,
reich (Gurte innerhalb/außerhalb des Hohl- s. Bild 5. Eine eventuell erforderliche Schub-
kastens) auftreten kann. Der maßgebende bewehrung in der Fahrbahnplatte sollte ent-
Nachteil ist allerdings der erforderliche sprechend den Konstruktionsregeln die untere
Freischnitt des Hauptträgersteges auf einer Lage der Längsbewehrung im Teilfertigteil und
Länge von ca. 500 bis 600 mm. Damit wird die obere Lage der Längsbewehrung im Ortbe-
zum einen der Querkraftabtrag des Haupt- ton umschließen.
trägers auf nicht unbeträchtlicher Länge
unterbrochen, was grundsätzlich nicht gut Die Fahrbahnplatten sind, gerade auch we-
ist. Gravierender ist jedoch, dass der Gurt gen der zusätzlichen Fugen bei Teilfertig-
des inneren Querrahmens (den das Haupt- teilen, sorgfältig zu bemessen. Infolge der
trägerstegblech bildet) unterbrochen wird, Haupttragwirkung kann es im Stützbereich
was hinsichtlich dessen Tragfähigkeit als zu Trennrissen in der Platte kommen. Ob
auch Ermüdungssicherheit zu deutlich hö- und wie sich dieser Sachverhalt auf den lo-
heren Beanspruchungen und Spitzen führt. kalen Lastabtrag insbesondere von ermü-
Der Freischnitt kann fallweise sogar zu einer dungswirksamen Querkräften über Trenn-
notwendigen Verstärkung des Hauptträger- risse hinweg in der Fahrbahnplatte auswirkt,
stegbleches führen, was konstruktiv nach- ist noch nicht vollständig bekannt und muss
teilig ist. noch experimentell abgeklärt werden (s. Ab-
schnitt 3.2).
Konstruktion der Betonfahrbahnplatte
Für die Bemessung der Stahlverbund-Haupt-
Die Dicke der Fahrbahnplatten sollte nach der- träger ist das mittlere Bauteilverhalten in den
zeitigem Stand 1/12 der Stützweite in Längs- Innenstützbereichen möglichst realistisch
richtung nicht unterschreiten, so dass sich bei- durch die mittlere Steifigkeit Ea·Its zu beschrei-
spielsweise bei einem Querträgerabstand von ben, s. [7]. Neben den Steifigkeiten in Zustand
4,2 m eine Plattendicke von 35 cm ergibt. I und Zustand II (abgeschlossenes Rissbild) ist
bei der Bauweise mit Teilfertigteilen mögli-
Die realitätsnahe Erfassung der Rissbildung in cherweise der Zustand I/II zu beachten, d. h.
den Innenstützbereichen der Hauptträger ist das Fertigteil mit seiner meist höheren Fes-
bei allen Fertigteilbauweisen zur Gewährleis- tigkeit ist ungerissen und die Ortbetonergän-
tung robuster und dauerhafter Fahrbahnplat- zung gerissen. Neben den globalen Effekten
infolge anderer Steifigkeiten resultiert also
auch eine lokale Beanspruchungsumordnung
– der Traganteil des Teilfertigteils ist zunächst
größer. In Bild 6 ist prinzipiell dargestellt, wie
der Betonanteil aus dem Ortbeton auf die Ort-
betonbewehrung und das Fertigteil (Beton +
Bewehrung) verteilt wird. Infolge der frühen
Sammelrissbildung an den Fugen ist allerdings
schon relativ früh eine Abminderung gegen-
über dem Zustand I zu berücksichtigen, was
wiederum zur Vergleichmäßigung der Bau-
teilsteifigkeit in diesen Bereichen führt. Der
Zeitpunkt der Rissbildung an den Fugen kann
unter Ansatz einer reduzierten Betonzugfes-
tigkeit fct,red = 0,3·fctm und unter Berücksichti-
gung der Schwindbehinderung abgeschätzt
Bild 5 Langenfelder Brücke – Längsschnitt im werden. In diesem Zusammenhang ist auch
Konsolträgerbereich mit Längsbewehrung das Schwinden der unterschiedlichen Betone
im Fertigteil d = 14 mm/15 cm, auf dem innerhalb des Bauablaufs zu bedenken. Hin-
Fertigteil d = 20 mm/s = 15 cm, oben sichtlich der ausführlichen theoretischen Zu-
d = 20 mm/s = 10 cm Zeichnung: LAP sammenhänge wird auf [8] verwiesen.
88
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn
89
29. Dresdner Brückenbausymposium
2.3 Allgemeine
konstruktive Regelungen
90
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn
Bild 10 Ansicht der Bahretalbrücke mit Stützweiten von 36 – 52 – 72 – 76 – 64 – 52 m Foto: aus [12]
ordnung der Ortbetonstreifen, die hinsichtlich terschiedlichen Schwindvorgänge etc. ist in [8]
der Rissbildung günstig (da verteilend) wirken. umfassend dargestellt.
Man kann sich mit Bezug auf Bild 9 natürlich
auch noch weitere Varianten für die Fertig- Die Verbundbrücke Bahretal (Bild 10), bei der
teilgeometrie, abhängig von handhabbaren die GFT zur Anwendung gekommen sind, ist
Abmessungen und Gewicht, vorstellen. Neue mit ca. 350 m Länge und 30 m Höhe eine grö-
Entwicklungen sind die von der Firma Max ßere Brücke und normalerweise hätte man die
Bögl bei kleineren Stützweiten bereits reali- Fahrbahnplatte mit Schalwagen hergestellt.
sierten Segmentbrücken. Hier werden werk- In Verbindung mit dem Einsatz eines dichten
seitig produzierte Ganzfertigteile aus Hoch- Kastens als Stahltragwerk wurden die GFT
leistungsbeton auf den Hauptträgern verlegt, der Fahrbahnplatte mit Abmessungen von
ohne dass eine Ergänzung mit Ortbeton erfor- 3,5 × 3,45 × 0,30 m und einem Gewicht von
derlich ist. knapp 10 t so eingesetzt, dass eine kontinu-
ierliche Verbindung der GFT mit einem längs
Besonderes Augenmerk ist bei der Bemessung durchlaufenden Ortbetonstreifen vorhanden
und Konstruktion auf die zuerst entstehenden ist. Diese Bauweise kann auch bei breiteren
Querrisse an den Fertigteilstirnseiten zu le- Brücken mit mehreren Kästen angewandt wer-
gen. Diese Sammelrisse begründen sich in den den. Vorteilhaft ist, dass die oben geschlosse-
unterschiedlichen Materialeigenschaften und nen Kästen relativ einfach für Materialtrans-
Herstellungszeitpunkten der Fertigteile und porte nutzbar sind.
Ortbetonergänzungen, vor allem jedoch in der
reduzierten Betonzugfestigkeit an den Fugen Die Querfugen über den Konsolträgern wurden
(eine Abschätzung kann durch fct,red = 0,3·fctm als Ortbetonstreifen mit Übergreifungsstößen
vorgenommen werden). Die Beanspruchungen der Längsbewehrung ausgeführt, s. Bild 11. Kle-
der in den Querfugen mit Sammelrissen an- be- oder Injektionsfugen würden eine Längs-
geordneten Anschlussbewehrungen der Fer- vorspannung voraussetzen, die grundsätzlich
tigteile liegen deutlich über den Spannungen zu vermeiden ist. Die Bewehrung wurde längs/
der Ortbetonbewehrung und können deshalb quer/oben/unten mit d = 14 mm/s = 10 cm aus-
nicht einfach am Zustand-II-Querschnitt be- geführt. Die Breite der Querfugen von 54 cm
rechnet werden. Erst wenn auch die Fertigteile ergibt sich aus der erforderlichen Länge des
(mit oft relativ hoher Festigkeit) bei höheren Übergreifungsstoßes der Schlaufen. Die Auf-
Beanspruchungen im Innenstützbereich ein lagerung der Fertigteile erfolgte über in die
abgeschlossenes Rissbild aufweisen, werden Fertigteile einbetonierte Trägerstummel und
die Sammelrisse bei Laststeigerung nicht mehr jeweils vier höhenverstellbare Schrauben, die
bzw. nur unterproportional höher belastet. Die ihre Last auf die Stege der Konsolträger (hier
zugehörige Theorie unter Berücksichtigung der noch mit Kastenquerschnitt) abgeben. Mit-
unterschiedlichen Betoneigenschaften, der un- tels der Schrauben wäre eine nachträgliche
91
29. Dresdner Brückenbausymposium
92
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn
Zu 1.: Das Querkraftverhalten von Platten Zu 2.: Insbesondere für die Konstruktionen
ohne Querkraftbewehrung kann, zwar durch mit ungewolltem geometrischem Versatz der
vorwiegend empirisch-experimentelle Analy- Konsolträger zu den inneren Aussteifungen
sen, seit längerer Zeit als geklärt angesehen existieren keine belastbaren Ermüdungsun-
werden. Die Tragwirkung für Bauteile ohne tersuchungen an Bauteilen. Definitiv ist eine
Querkraftbewehrung setzt sich im Wesentli- gewisse Stützwirkung des Hauptträgersteges
chen aus dem Anteil der ungerissenen Druck- vorhanden und es ist auf theoretischer sowie
zone (Druckbogen), der Rissverzahnung im experimenteller Basis zu klären, ob und in wel-
Schubriss, der Dübelwirkung der Längsbe- cher Höhe das Versatzmoment im Ermüdungs-
wehrung und der Zahnbiegung zusammen, nachweis in Ansatz gebracht werden muss.
s. Bild 12. Für ermüdungs-
beanspruchte Platten ohne
Querkraftbewehrung gibt
es einige wenige experimen-
telle Ergebnisse. Für das
Querkraftverhalten zugbe-
anspruchter Platten unter
statischer Belastung stellt Bild 13 Überblick zum Zusammenwirken globaler und lokaler Bean-
die Dissertation Ehmann spruchungen Grafik: aus [18]
93
29. Dresdner Brückenbausymposium
Bild 15 Langenfelder Brücke – Regelquerschnitt und Draufsicht auf den Trägerrost mit teilweise aufgeleg-
ten Fertigteilen, s. a. Bild 4 Zeichnung: DEGES/Schüßler-Plan, Foto: DEGES
94
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn
Das Entwurfskonzept hat sich in der Bauaus- Über den Wettbewerb und den Entwurf wurde
führung vollständig bewährt, die Eingriffe in bereits auf dem 18. Dresdner Brückenbausym-
den Bahnverkehr konnten auf ein Minimum posium 2008 [19] berichtet. Der Baubeginn ist
reduziert werden. Zudem konnte das Bauvor- Ende 2018 endlich erfolgt und die Verkehrs-
haben unter den sehr komplexen und schwie- freigabe für die Gesamtstrecke wird für 2022
rigen Randbedingungen für beide Überbauten erwartet.
inkl. Rückbau der Bestandsüberbauten in der
relativ kurzen Bauzeit von knapp 5 Jahren rea-
lisiert werden. 4.3 Rader Hochbrücke über den
Nord-Ostsee-Kanal in
Schleswig-Holstein (A7)
4.2 Gottleubatalbrücke in Sachsen
(B 172) Das 1.500 m lange Bauwerk aus dem Jahre 1972
überführt die A7 über den Nord-Ostsee-Kanal
Der Entwurf der Gottleubatalbrücke ist das (NOK), die Rader Insel und den Borgstädter
Ergebnis eines 2006 von der DEGES durchge- See. Die derzeitige Stützweite über dem NOK
führten Realisierungswettbewerbs. Das gera- beträgt 221,5 m bei einer Durchfahrtshöhe von
de, 9-feldrige Bauwerk hat eine Gesamtlänge 42 m. Der einteilige, 29,5 m breite Stahlüberbau
von 916 m bei Einzelstützweiten zwischen ist ein zweistegiger Plattenbalken mit offenen,
68 und 124 m. Die Breite des Querschnitts zwischen 5,0 und 9,5 m hohen Hauptträgern
beträgt 15,5 m. Die Ausführung erfolgt als und orthotroper Fahrbahnplatte. Gravierende
Stahlverbundüberbau, der im Bereich der Schäden an den Pfeilerköpfen führten 2013 zu
fünf Talpfeiler durch massive Betonvouten einer Teilsperrung für LKW, die nach einer In-
verstärkt wird. Die Herstellung des Überbaus standsetzung wieder aufgehoben wurde. Ein
erfolgt durch Taktschieben. Die Betonvouten Gutachten von 2016 ergab eine eingeschränkte
werden nachträglich ergänzt und als Teil des Restnutzungsdauer des Überbaus bis 2026, so
Pfeilers monolithisch mit dem Überbau ver- dass umgehend die Planung für einen Ersatz-
bunden. neubau eingeleitet wurde.
Der Querschnitt besteht aus einem geschlosse- Der Ersatzneubau wird im Hinblick auf einen
nen, trapezförmigen Kastenträger aus Stahl, der 6-streifigen Ausbau der A7 geplant. Die neue
durchgängig begehbar ist. Die mit dem Kasten- Gesamtbreite beträgt ca. 37 m und damit
träger in Verbund stehende, insgesamt 38 cm 18,5 m je Überbau. Das neue Bauwerk wird
dicke Stahlbeton-Fahrbahnplatte setzt sich aus wie der Bestand als Durchlaufträger ausgebil-
Teilfertigteilen und einer Ortbetonergänzung det. Die Regelstützweiten betragen ca. 80 m.
zusammen und wird über Konsolen gestützt. Im Bereich des NOK wird eine Stützweite von
Die 5,4 m auskragenden Konsolen werden als 224 m erforderlich. Hier erfolgt die Ausführung
offene Querschnitte ausgebildet und schließen wie bei der Gottleubatalbrücke mit Betonvou-
stumpf an die Hauptträgerstege an. Der Wett- ten, die monolithisch mit der Stahlkonstruktion
bewerbsentwurf sah noch eine Abstützung mit verbunden sind und somit ein Rahmensystem
Schrägstreben vor. Aufgrund der Vorteile hin- erzeugen. Der Überbau wird im Taktschieben
sichtlich der Bauwerksprüfung erfolgte 2008 im hergestellt, das Mittelteil über dem NOK wird
Zuge der Entwurfsplanung die Umstellung auf per Litzenhub montiert. Die Herstellung der
die Konsollösung (s. Bild 16). An dieser Lösung Betonvouten erfolgt nach dem Abschluss des
wurde dann trotz zwischenzeitlicher Diskussio- Taktschiebens, vor dem Einheben des Mittel-
nen für die Ausführung festgehalten. teils. Die Bauhöhe des Verbundüberbaus va-
riiert zwischen 4 m in den
Regelbereichen und 6 m im
Kanalfeld. Die Betonvouten
haben eine maximale Höhe
von ca. 15 m und erstrecken
sich über eine Länge von
ca. 45 m beidseitig der Ka-
nalpfeiler.
95
29. Dresdner Brückenbausymposium
Nach ausgiebiger Fachdiskussion erfolgt die Bild 19 Berücksichtigung der Rissbildung bei der
Ausführung mit Konsolträgern als Vorzugsva- Schnittkraftermittlung, links Näherungs-
riante für die jetzt beginnende Entwurfspla- methode III, rechts Methode IV
nung. Zurzeit erfolgt eine Optimierung des Zeichnung: aus [7]
Querschnitts zum einen bzgl. der Einspannung
an den Kanalpfeilern und zum anderen bzgl.
der Beanspruchungen der Konsolen inkl. Fahr- häufig angewendete Bauweise dar. Im Beitrag
bahnplatte. Aktuell ist vorgesehen, die Kasten- wurde auf bestimmte aktuelle Entwicklungen
breite noch etwas zu vergrößern, womit sich eingegangen und es wurden dazu beispielhaft
die Konsollängen entsprechend noch verrin- Projekte der DEGES vorgestellt.
gern werden.
Im Hinblick auf den weiter steigenden Schwer-
Aufgrund der ausgeprägten Voutungen im verkehr ist es besonders wichtig, die Bauwerke
Bereich der Kanalpfeilerachsen und den so zu konstruieren, dass eine dauerhafte und
sich anschließenden stark unterschiedlichen ermüdungssichere Ausbildung und Bemessung
Stützweiten müssen die Schnittkräfte für die der Stahlkonstruktionen sowie der Fahrbahn-
Hauptträger mit dem genauen Verfahren IV platten gewährleistet ist. Für die immer wie-
mit ausgerundetem Steifigkeitsverlauf, siehe derkehrenden Konstruktionsdetails werden
z. B. [7], berechnet werden, s. Bild 19. Es ist durch das BMVI Regellösungen entwickelt, die
auch in verschiedenen Schnitten im Bereich sich aktuell zur Abstimmung in den Fachgremi-
der einzelnen Innenstützen zu überprüfen, ob en befinden und noch einer gründlichen Dis-
die Teilfertigteile aufreißen und welchen Ein- kussion bedürfen. Man muss nach Auffassung
fluss ggf. die Steifigkeiten im Zustand I/II auf der Autoren sehr gründlich abwägen, welche
die (globalen) Schnittgrößen der Hauptträger Details unbedingt vorgegeben werden sollten
haben. und was den Planern bzw. Firmen im Projekt
überlassen bleiben muss. Auch dürfen bei bau-
herrenseitigen allgemeinen Vorgaben keine
5 Zusammenfassung und Ausblick Widersprüche zu bestehenden Bemessungs-
und Herstellungsnormen auftreten. Eine gute
In den nächsten Jahren sind zahlreiche Groß- und möglichst einfache Umsetzbarkeit in der
brücken im Netz der Bundesfernstraßen durch Fertigung ist neben guten Konstruktionsregeln
Neubauten zu ersetzen. Hierbei stellt die Stahl- entscheidend für die angestrebte qualitativ
verbundbauweise aufgrund der Vorteile bzgl. hochwertige und wirtschaftliche Ausführung.
der Vorfertigung und schnellen Montage eine Zu mehreren dieser im Beitrag angeschnitte-
96
Karsten Geißler, Gregor Gebert: Stahlverbund-Großbrücken mit obenliegender Fahrbahn
nen Aspekte wurde aktuell ein umfangreiches ton- und Spannbetontragwerken – Teil 2:
Forschungsvorhaben vom BMVI initiiert. Betonbrücken – Bemessungs- und Kon-
struktionsregeln. Deutsche Fassung EN
1992-2:2005 + AC:2008.
Literatur [14] DIN EN 1993-2:2010-12: Eurocode 3: Be-
messung und Konstruktion von Stahl-
[1] Hamme, M.; Marzahn, G.; Prehn, W.; Swad- bauten – Teil 2: Stahlbrücken. Deutsche
lo, J.: Die Wupper-Talbrücke Oehde – eine Fassung EN 1993-2:2006 + AC:2009, Natio
moderne Verbundbrücke. Stahlbau 75 naler Anhang.
(2005) 7, S. 558–564 [15] BMVI; BASt (Hrsg.): Richtzeichnungen für
[2] Sprinke, P.: Ersatzneubau der Lennetalbrü- Deckbrücken mit Stahlverbund-Hohlkäs-
cke. Bauingenieur 92 (2017), S. 138–142 ten. Entwurf, 2018 (wird noch im BMVI dis-
[3] Denzer, G.; Schmackpfeffer, H.: Entwick- kutiert), bearbeitet von Meyer und Schu-
lungen im Stahlverbundbrückenbau bart
– Autobahnbrücken mit einteiligen Ver- [16] Ehmann, J.: Querkrafttragfähigkeit gezo-
bundquerschnitten. Stahlbau 74 (2005) 9, gener zugbeanspruchter Stahlbetonplat-
S. 649–656 ten in Verbundbrücken. Diss., Universität
[4] Mansperger, T.; Jung, R.; Köberlin, T.; Stuttgart, 2003 – erschienen in: Mittei-
Hertle, R.: Planung und Prüfung der Tal- lungen des Instituts für Konstruktion und
brücke Heidingsfeld. Stahlbau 86 (2017) 2, Entwurf, Nr. 2003-3
S. 139–147 [17] Zilch, K.; Zehetmaier, G.: Bemessung im
[5] BMVI 2018-22 (Hrsg.): Empfehlungen für konstruktiven Betonbau. 2. Aufl., Springer
die Gestaltung von großen Stahlverbund- Verlag, 2010
Hohlkastenbrücken. Ausgabe 12/2018 [18] GMG-Ingenieurgesellschaft im Auftrag
[6] DIN EN 1993-1-9:2010-12: Eurocode 3: Be- der DEGES: Bauwerksmonitoring an In-
messung und Konstruktion von Stahlbau- nenstützbereichen der Langenfelder Brü-
ten – Teil 1-9: Ermüdung. Deutsche Fas- cke Hamburg. Unveröffentlichter Bericht,
sung EN 1993-1-9:2005 + AC:2009. 2017
[7] Geißler, K.: Handbuch Brückenbau. Berlin: [19] Reintjes, K.-H.; Gebert, G.: Die Talbrücke
Ernst und Sohn, 2014 Gottleuba – Realisierungswettbewerb
[8] Mager, M.: Zur Erfassung der Rissbreiten und Siegerentwurf. In: Stritzke, J. (Hrsg.):
an durchlaufenden Stahlverbundträgern Tagungsband zum 18. Dresdner Brücken-
mit Teil- und Ganzfertigteilen. Diss., TU bausymposium – Planung, Bauausfüh-
Berlin, Fachgebiet Entwerfen und Konst- rung, Instandsetzung und Ertüchtigung
ruieren – Stahlbau, 2018 von Brücken am 11.3.2008 in Dresden,
[9] DIN EN 1994-1-1:2010-12: Eurocode 4: Be- Dresden: Institut für Massivbau der TU
messung und Konstruktion von Verbund- Dresden, 2008, S. 145–159
tragwerken aus Stahl und Beton – Teil 1-1:
Allgemeine Bemessungsregeln und An-
wendungsregeln für den Hochbau; Deut-
sche Fassung EN 1994-1-1:2004 + AC:2009.
[10] DIN EN 1994-2:2010-12: Eurocode 4: Be-
messung und Konstruktion von Verbund-
tragwerken aus Stahl und Beton – Teil 2:
Allgemeine Bemessungsregeln und An-
wendungsregeln für Brücken; Deutsche
Fassung EN 1994-2:2005 + AC:2008.
[11] Hanswille, G.; Steffen, A.: Untersuchungen
zur Ermüdungsfestigkeit der Anschlüsse
der äußeren Diagonalen an der Talbrücke
Rinsdorf. Gutachten vom 6.6.2017
[12] Geißler, K.; Reintjes, K.-H.; Rodemann, J.:
Ganzfertigteile bei der Verbundfahrbahn-
platte der Bahretalbrücke – Eine Revision
nach Ausführung und baubegleitender
messtechnischer Überwachung. Stahlbau
78 (2009) 12, S. 897–906
[13] DIN EN 1992-2:2010-12: Eurocode 2: Be-
messung und Konstruktion von Stahlbe-
97
9 Herzlich willkommen zum 29. Dresdner Brückenbausymposium
209 Inserentenverzeichnis
ISSN 1613-1169
ISBN 978-3-86780-585-8