Der City-Tunnel Leipzig Umfängliche Gebäudesicherungen Durch Hebungsinjektionen
Der City-Tunnel Leipzig Umfängliche Gebäudesicherungen Durch Hebungsinjektionen
Der City-Tunnel Leipzig Umfängliche Gebäudesicherungen Durch Hebungsinjektionen
Zusammenfassung
Im Zuge der Projektrealisierung des City-Tunnels Leipzig werden in bisher einzigartigem Umfang
Gebudesicherungsmanahmen durch Hebungsinjektionen durchgefhrt. Sie ermglichen nach dem
Compensation-Grouting-Verfahren einen kontinuierlichen und zeitnahen Ausgleich der unvermeidlichen Setzungen, die urschlich durch den Schildvortrieb hervorgerufen werden, der unter der
Innenstadt von Leipzig mit ihrer historischen Altbebauung hindurch erfolgt.
Der vorliegende Beitrag enthlt eine kurze Einfhrung in das Gesamtprojekt City-Tunnel Leipzig mit
einer Verdeutlichung der Projektverantwortlichkeit und der einzelnen Projektlose. Die fr die
Hebungsinjektionen eingesetzten Technologien und die entsprechenden Vorgehensweisen werden
detailliert erlutert und an Beispielen veranschaulicht. Eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung der
Manahmen zur Kompensationsinjektion schliet den Beitrag ab.
1.1
Zielstellung
Das Projekt City-Tunnel Leipzig ist der zentrale Baustein fr die Neuordnung des Eisenbahnnetzes im
Groraum Leipzig. Mit dem Bau des Tunnels wird eine unterirdische Bahnverbindung zwischen den
bestehenden Kopfbahnhfen Leipzig Hauptbahnhof und Bayerischer Bahnhof als Lckenschluss im
bestehenden Eisenbahnnetz hergestellt.
Hierdurch wird eine durchgngige Nord-Sd-Verbindung geschaffen und eine wesentlich bessere
Anbindung des Stadtzentrums an die Region erzielt. Der Tunnel ist fr S-Bahn und Regionalverkehr
konzipiert. Es knnen aber auch Fernverkehrszge verkehren.
Projektrealisierung
Fr die Phase der Projektentwicklung und Planung war eigens die S-Bahn Tunnel Leipzig GmbH
(SBTL) gegrndet worden. Unter deren Leitung wurde die Planung bis zur Erteilung des Planfest-
stellungsbeschlusses am 19.05.2000 und bis zum Abschluss der Entwurfsplanung mit Stand Mai 2002
betreut.
Die Realisierung der Manahme wird jetzt unter der Bauherrenschaft der DB AG, des Freistaates
Sachsen und der Stadt Leipzig durchgefhrt. Der Freistaat Sachsen hat dabei die Teilbauherrenschaft
fr den Hauptteil der Baumanahme, nmlich den Rampen-, Tunnel- und Stationsrohbau sowie den
Ausbau der Stationen bernommen.
Dabei bedient er sich der Deutschen Einheit Fernstraenplanungs- und bau GmbH (DEGES),
whrend die DB AG fr den bahnspezifischen Tunnelausbau, die Anbindung an das bestehende Netz
sowie die Realisierung der Netzergnzenden Manahmen (NEM) verantwortlich zeichnet. Die DB
AG hat fr die Projektdurchfhrung die DB Projektbau GmbH beauftragt. Die Kosten fr die Gesamtbaumanahme sind mit ca. 571 Mio. veranschlagt.
Bild 2: Aufgabenteilung.
Bauaufgabe
Die Gesamtlnge der neu herzustellenden Bahnverbindung betrgt rund 5 km, die Lnge der
Tunnelstrecke einschlielich der Rampen ca. 3,9 km. Die zweigleisige, elektrifizierte Strecke dient
ausschlielich dem Personenverkehr. Es werden vier unterirdische Stationen: Hauptbahnhof, Markt,
Wilhelm-Leuschner-Platz, Bayerischer Bahnhof und eine oberirdische Station, der Haltepunkt
Semmelweisstrae, zur Anbindung der Leipziger Innenstadt errichtet. Die Stationen werden
zweischalig in offener Bauweise, die Tunnelrhren unter der Innenstadt einschalig im Schildvortrieb
hergestellt und befinden sich jeweils im Grundwasser. Im Sden und Norden erfolgt die niveaufreie
Einbindung ins vorhandene Streckennetz mittels Rampen und berwerfungsbauwerken.
Schildtunnel
3.1
Baugrund
Die Tunneltrasse wird in eiszeitlich geprgten, rolligen, quartren Lockergesteinen und rolligen sowie
bindigen tertiren Sedimenten aufgefahren. Von Sden nach Norden werden unter Auffllungen und
einem bis zu 10 m mchtigen Geschiebemergelpaket zunchst quartre Flussschotter, d. h. Mittel- und
Grobkiese angefahren, bevor mit fallender Gradiente tertire Mittel- bis Feinsande, die sogenannten
Thierbacher Schichten sowie abschnittsweise auch weiche bis halbfeste Schluffe, der Grngraue
Schluff, in den Tunnelquerschnitt gelangen. Erst im nrdlichen Streckenabschnitt zwischen dem
Haltepunkt Markt und dem Hauptbahnhof nehmen wieder die quartren Muldeschotter den gesamten
Querschnitt ein. Die maximale Grundwasserhhe ber der Tunnelsohle betrgt ca. 18 m.
Im Zuge der Schildfahrt muss mit natrlichen und knstlichen Hindernissen im Boden gerechnet
werden. Zu den natrlichen Hindernissen zhlen Findlinge und Sandsteinmonolithe mit Festigkeiten
bis zu 250 MN/m2. Weiterhin treten Kohleschichten und verkieselte Baumstmme auf. Als knstliche
Hindernisse sind ungengend bzw. nicht verfllte Bohrlcher sowie Brunnen nicht auszuschlieen.
Unter dem Hotel Marriott wird vor der Schildfahrt eine im Bereich des Tunnelfirsts der westlichen
Rhre befindliche bewehrte Bohrpfahlwand geborgen. Zurck bleibt ein mit Dmmer verfllter
Stollen der mit der Vortriebsmaschine durchfahren werden muss.
3.2
Schildfahrt
Der Streckenabschnitt des Tunnels im Bereich der Innenstadt kann aufgrund der engen Bebauung nur
in einem bergmnnischen Verfahren hergestellt werden. Um den heterogenen Bodenverhltnissen und
den bautechnisch schwierigen Randbedingungen im Innenstadtbereich gerecht zu werden, kommt fr
die Auffahrung des Tunnels ein Hydroschild mit flssigkeitsgesttzter Ortsbrust zum Einsatz.
Der Auendurchmesser der mit 40 cm dicken Tbbingen ausgekleideten Tunnelrhre betrgt 9,0 m.
Die Tunnelfirste verluft zwischen 8 und 16 m unter Gelnde, der minimale Abstand zu den zu
unterfahrenden Gebuden betrgt ca. 2 m. Der Abstand der beiden Rhren entspricht in der Regel
etwa dem Durchmesser. Im Bereich der Stationen wird der Abstand auf ca. Durchmesser verringert.
Im Bereich der Innenstadt mssen zahlreiche Gebude direkt unterfahren werden, bzw. befinden sich
im Einflussbereich der Setzungsmulde (max. 23 cm), die sich bei der Schildfahrt durch den Bodenentzug einstellt. Deshalb ist im Trassenbereich als setzungsmindernde bzw. setzungsausgleichende
Manahme unter mehr als 30 Gebuden der Einsatz des Compensation-Grouting-Verfahrens (CGV)
vorgesehen. Damit kann der Grndungsbereich stabilisiert und - wenn erforderlich - durch Cracken
Injektionsgut zur Volumenvergrerung eingebracht werden und damit eine Hebung erzeugt bzw. eine
Setzung ausgeglichen werden.
Dieser Crack wird aufgrund des initialen Spannungszustandes zuerst vorrangig in vertikaler Richtung
mit einer daraus resultierenden horizontalen Verspannung im Boden entstehen. Die daran
anschlieenden Injektionsvorgnge werden dann berwiegend horizontale Cracks produzieren, wobei
durch die Menge des einzubringenden Injektionsgutes der Hebungsvorgang gesteuert werden kann.
Durch mehrmalige Wiederholung der Verpressvorgnge wird ein feinversteltest System von
Zementlamellen produziert, die neben der Bodenverspannung eine zustzliche Bewehrung der
beaufschlagten Bodenschicht bewirken.
Bild 11: Schematische Darstellung eines Verpresspunktes (aus Wittke et al. (2002)); Mehrfaches
Verpressen (aus Gabener et al. (1998)).
Da dieser Prozess aufgrund der natrlichen Bodeninhomogenitten im Hinblick auf die Crackbildung
nicht detailliert vorbestimmt werden kann, bedarf es im Gebude einer ausreichenden Anzahl von
hochprzisen Messaufnehmern, die die Verschiebungen des Gebudes mglichst genau verfolgen.
Die fr die Hebungsmanahmen beim Projekt City-Tunnel vorgesehenen Ventilrohre werden aus
12 Schchten hergestellt. Diese Schchte besitzen in Abhngigkeit der lokalen Verhltnisse
Durchmesser von 3,5 m bis 6,5 m. Aus diesen werden dann fcherfrmig horizontale Bohrungen unter
den Gebuden aufgefahren. Zustzliche Bohrmglichkeiten bestehen aus dem Untergeschoss des
derzeitig im Bau befindlichen Karstadt-Gebudes heraus sowie aus einem vorhandenen Medienkanal.
10
Zur Hebung der insgesamt 30 Gebude ist das Bohren von ca. 22.000 m Ventilrohren erforderlich. Das
Nachfolgende Bild veranschaulicht die Gesamtsituation.
6.1
Allgemeines
Vorhebungsinjektion,
Vortriebsbegleitende Injektion,
Nachinjektion.
11
Wichtig fr den Erfolg der Hebungsinjektionen in allen Hebungsphasen ist die Wahl des richtigen
Injektionsmittels. Es muss so gewhlt sein, dass dies ausreichend dick ist, um nicht in die Poren des
anstehenden Bodens einzudringen, sondern vielmehr den aufgebrachten Druck auf das Korngerst zu
bertragen und die Entstehung eines Cracks zu ermglichen. Daher werden die geplanten
Suspensions-
und
Injektionsparameter
gebudebezogen
in
jeweils
individuell
festgelegten
Kalibrierabschnitten berprft und ggf. angepasst bevor die Gesamtinjektionsflche beaufschlagt wird.
Das eingesetzte Injektionsgut zeichnet sich bei einem Wasser-/Feststoffgehalt von etwa 0,8 bis 1,0
durch ein schnelles Erreichen der Anfangsfestigkeit bei niedrigen Endfestigkeiten (< 4 N/mm) aus.
Die Injektionen werden ausgehend von den Initial-Verpreparametern:
6.2
Diese im ersten Schritt durchgefhrte Injektionsmanahme bewirkt, wie zuvor allgemein beschrieben,
die Verspannung des Bodens, eine Bewehrung des beaufschlagten Bodenbereiches durch das
feinverteilte Cracknetz sowie infolge der Erhhung der Horizontalspannung eine Dominanz des
Auftretens von horizontalen Cracks bei den nachfolgenden Injektionsvorgngen.
Um in den nachfolgenden Injektionsphasen eine mglichst zuverlssige Reaktion des Gebudes auf
weiteres Einbringen von Injektionsgut zu erhalten, ist es wichtig, dass unterhalb der Gebude dieser
vorvergtete Bodenbereich mglichst gleichmig und homogen vorhanden ist. Im vorliegenden Falle
wird die Phase der Kontakt- und Stabilisierungsinjektion als beendet betrachtet, sobald die Gebude
mit Hebungen in der Grenordnung von maximal 1 mm reagieren.
6.3
Vorhebungsinjektion
Unmittelbar an die Phase der Kontakt- und Stabilisierungsinjektion schliet die Phase der Vorhebung
an. Die Vorhebungsinjektion hat zur Aufgabe, durch Einstellung einer der prognostizierten
12
Bild 13: Prognostizierte Verformungen fr ein Gebude, Ventilrohrfcher aus Schacht und westliche
Tunnelrhre.
13
Entlang der Tunneltrasse befinden sich ca. 60 Gebude bzw. Gebudekomplexe im unmittelbaren
Einflussbereich des Vortriebs. Ca. 30 dieser Gebude werden aktiv durch Hebungsinjektionen
gesichert. Dazu zhlen so unterschiedliche Gebude wie beispielsweise das aus den Jahren 1888/89
stammende Klinger-Haus mit seiner denkmalgeschtzten Fasse oder das jngst errichtete ca. 36 m
hohe Museum der bildenden Knste.
Bild 15: Zu sichernde Gebude: Klinger-Haus und Museum der bildenden Knste.
6.4
Vortriebsbegleitende Injektion
Soweit die prognostizierten Gebudesetzungen aus berlagerung der beiden Tunnelvortriebe so gro
sind, dass etwa 50% der prognostizierten Setzungen durch eine einmalige Vorhebung nicht
gebudevertrglich aufgebracht werden knnen, sind Zwischeninjektionen auch whrend der
Tunnelvortriebsmanahme
vorgesehen.
Tunnelvortrieb
und
Hebungsmanahme
werden
so
aufeinander abgestimmt, dass weder der Tunnelvortrieb behindert, noch die Hebungsmanahme durch
diesen gestrt wird. Hierzu wurde im Projekt eine kritische Annherung der Tunnelvortriebsmaschine
an den zu hebenden Gebudebereich definiert, um eine solche unerwnschte Beeinflussung des
Vortriebes durch die Hebungsmanahme auszuschlieen. Diese sogenannte injektionsfreie Zone wird
ber die Position der Ortsbrust und unter Annahme von potentiellen Gleitflchen der Ortsbrust
vorauslaufend bzw. nacheilend festgelegt.
6.5
Nachinjektion
Nach Auffahren beider Tunnelrhren ist vorgesehen, durch Nachinjektionen eine abschlieenden
Setzungsausgleich zu erzielen.
14
Wie zuvor erwhnt, ist es zur Steuerung der Kompensationsinjektionen erforderlich, in allen
betroffenen Gebuden ein Messsystem zu installieren, mit dem unmittelbar die Verformungen der
Gebude mit hoher Genauigkeit sowohl whrend der verschiedenen Hebungsphasen als auch whrend
der
Tunneldurchfahrt
verfolgt
werden
knnen.
Die
Messgenauigkeit
wird
dabei
unter
Bercksichtigung der Sensibilitt der vorhandenen Gebude auf < 0,25 mm festgelegt. Das im
vorliegenden Fall zum Einsatz kommende Messsystem besteht aus Druckschlauchwaagensystemen,
mit denen eine Online-berwachung realisiert werden kann. Die insgesamt installierten
Schlauchwaagen besitzen ca. 1.100 Messpunkte. Die Messergebnisse der Schlauchwaagen sind in den
einzelnen Gebudegruppen an Festpunkte gekoppelt, die im Verlaufe der Manahme mit
unabhngigen geodtischen Methoden, z. B. Nivellements, verfolgt werden.
Zur Sicherstellung der Funktionsfhigkeit des Messsystems ist der eigentlichen Betriebsphase eine
Kontrollphase vorgeschaltet, bei der ber ca. eine Woche das Gebudeverhalten verfolgt wird.
Hinsichtlich der Verwertung der einzelnen Messwerte wurden im Projekt vier unterschiedliche
Grenzwerte definiert. Diese sind:
Aufmerksamkeitswert
Aktivittswert
Alarmwert
Grenzwert
Sobald der Aufmerksamkeitswert erreicht wird, mssen alle Vorkehrungen getroffen sein, um am
Gebude mit den Hebungsinjektionen beginnen zu knnen. Beim Erreichen des Aktivittswertes
mssen die Injektionsmanahmen sptestens begonnen werden. Soweit der Alarmwert erreicht wird,
wird eine definierte Alarmkette in Bewegung gesetzt, um Manahmen einzuleiten, die ein Erreichen
des Grenzwertes verhindern.
Die Grenzwerte, die sich sowohl auf die Absolutverformungen der einzelnen Gebude bzw.
Gebudeteile als auch auf die Relativverschiebungen der tragenden Gebudeteile zueinander beziehen,
liegen in Abhngigkeit von der Tragstruktur und evtl. Vorschdigungen bei ca. 1 cm bzw.
Relativverschiebungen ausgedrckt durch Verdrehwinkel von bis 1/1200. Diese strengen
Grenzwertforderungen sind Ursache fr die hohen Genauigkeitsanforderungen, die an die
Hebungsinjektionen und insbesondere an die Verformungsberwachung gestellt werden.
15
Schlusswort
Literatur
Falk, E. Soil Fracturing. In: Moseley, M. & Kirsch, K. (Eds.) [2004], Ground Improvement 2nd ed.,
Spon 2004.
Fechner, H. [2005]. City-Tunnel Leipzig Vom Reibrett zur Realisierung, EIEisenbahningenieur
(56) 7/2005.
Fechner, H. und Kleffner, H.-J. [2004]. Konzeption und bautechnische Herausforderungen beim Bau
des City-Tunnel Leipzig /D. 41 Forschung + Praxis, U-Verkehr und unterirdisches Bauen,
Tunnel Neue Wege Neue Chancen, bauverlag S. 231 235.
Gabener, H.-G. et al. [1989]: Einsatz von Soil Fracturing zur Senkungsminimierung beim Tunnelvortrieb. In: DGEG (Hrsg.), Taschenbuch fr den Tunnelbau 1989, Verlag Glckauf 1989.
Glitsch, W. [2006]. Das Projekt City-Tunnel Leipzig, 71. DVW-Seminar Weimar 2006, Tagungsband S. 33-47.
Kleffner, H.-J. und Maidl, R. [2004]. Baugrundtechnische Herausforderungen beim Bau des CityTunnel Leipzig, Tiefbau 12/2004, S. 754 - 758.
Scheffler, H., Von den Berg, M., Miling, K. und Spang, R. M. [2004]. Geotechnische Verhltnisse
im Zentrum von Leipzig und deren Bedeutung fr die Planung und Ausfhrung des
Bauvorhabens City-Tunnel Leipzig, Baugrundtagung Leipzig, 13 22.
Wittke, W. et al. [2002] Hebungsinjektionen beim Auffahren des Limburger Tunnels der
Neubaustrecke Kln-Rhein/Main unter dem Hochregallager der Firma Tetra Pak. In: DGGT
(Hrsg.), Taschenbuch fr den Tunnelbau 2002, Verlag Glckauf 2002.