Vorlesung Form Konstruktion 31 03 2015
Vorlesung Form Konstruktion 31 03 2015
VORLESUNG
FORM UND
KONSTRUKTION
SS 2015
Prof. Dr.-Ing. M.-H. Kessel Institut für Baukonstruktion und Holzbau TU Braunschweig
Vorlesung Form und Konstruktion 1
Inhalt
Vorwort .............................................................................................................................................................................. 4
1 Einleitung .................................................................................................................................................................... 6
1.1 Die Entwurfsprozesse .......................................................................................................................................... 6
1.2 Entwurf der Form und Größe von Räumen und ihrer Hülle ................................................................................ 7
1.3 Entwurf der Konstruktion.................................................................................................................................... 7
1.4 Zur Kritik von Form und Konstruktion ............................................................................................................... 8
1.5 Zur Kritik an den Lehrinhalten .......................................................................................................................... 10
1.6 Verantwortlichkeiten ......................................................................................................................................... 12
2 Der moderne, rechnerunterstützte Planungsablauf von Bauwerken .......................................................................... 14
2.1 Der Einfluss von CAD auf den Planungsablauf ................................................................................................ 14
2.2 Planungsablauf für Bauwerke ........................................................................................................................... 16
2.2.1 Formentwurf .............................................................................................................................................. 16
2.2.2 Konstruktionsentwurf zur Formerhaltung ................................................................................................. 16
2.2.3 Statische Berechnung der Konstruktion .................................................................................................... 16
2.2.4 Leistungsbeschreibung, Ausschreibung, Baukosten, Vergabe - AVA ...................................................... 16
2.2.5 Realisierung und Abrechnung - AVA ....................................................................................................... 16
2.2.6 Unterhalt und umweltschonender Rückbau ............................................................................................... 16
2.2.7 Kirche Treviso ........................................................................................................................................... 19
2.2.8 Kindergarten Dänischenhagen .................................................................................................................. 20
2.2.9 Kindergarten Nordstemmen ...................................................................................................................... 22
3 Tragsysteme .............................................................................................................................................................. 26
3.1 Ebene Tragsysteme - Primärsysteme ................................................................................................................ 26
3.1.1 Übersicht der gebräuchlichen einfeldrigen Biegeträger ............................................................................ 31
3.1.2 Übersicht der gebräuchlichen Fachwerkskonstruktionen .......................................................................... 32
3.1.3 Beispiel – Dach eines Einkaufszentrums .................................................................................................. 33
3.1.4 Weitere Fachwerk- oder Binderformen ..................................................................................................... 34
3.1.5 Anpassung von Fachwerken an spezielle Entwurfsergebnisse .................................................................. 35
3.2 Parametrisierung ebener Tragsysteme ............................................................................................................... 35
3.3 Ausgesteifte ebene Tragsysteme - Sekundärsysteme ........................................................................................ 37
3.3.1 Anpassung von Tragsystemen an spezielle Entwurfsergebnisse ............................................................... 37
3.3.2 Räumliche Systeme - Sekundärsysteme .................................................................................................... 37
3.3.3 Parametrisierte Beschreibung des räumlichen Tragverhaltens .................................................................. 38
4 Optimierung der Konstruktion .................................................................................................................................. 41
4.1 Einwirkungen und Lagerungen ......................................................................................................................... 41
4.2 Einführendes Beispiel – Optimierung der Form eines Trägers ......................................................................... 42
4.3 Ein Gegenbeispiel ............................................................................................................................................. 44
4.4 Optimierung der Form aufgelöster ebener Stabstrukturen ................................................................................ 44
4.5 Michell-Kragträger ............................................................................................................................................ 47
4.6 Beispiel Brücke Martigny ................................................................................................................................. 49
4.7 Bahnsteigüberdachung Lehrter Bahnhof in Berlin ............................................................................................ 50
4.8 Optimale Platten und Trägerroste ..................................................................................................................... 51
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Vorwort
Die Vorlesung Form und Konstruktion ist Teil des Studienfachs Baukonstruktion und wird im 2. Studiensemester des
Studiengangs Bauingenieurwesen und des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen Bau gelehrt.
Ziel der Vorlesung ist es, eine Übersicht über die Vielfalt von Konstruktionen zu geben, die Studierenden für das
Tragverhalten von Konstruktionen zu sensibilisieren und die statischen Abhängigkeiten von Form und Konstruktion
und die Anforderungen an Form und Konstruktion aufzuzeigen. Mit wenigen theoretischen Vorkenntnissen aus der
technischen Mechanik soll es der Bau von charakteristischen Modellen ermöglichen, das Tragverhalten von
Konstruktionen durch Anschauung zu begreifen und ein Gespür für das Tragverhalten zu entwickeln.
Die Vorlesung folgt Pestalozzis Postulat: Lernen mit Kopf, Herz und Hand! Die Vorlesung gibt den Studierenden die
Möglichkeit, Beanspruchungen von Bauteilen durch die Erzeugung großer Verformungen am Modell sichtbar zu
machen und dadurch abstrakte Lehrinhalte anschaulich zu begreifen. Die Vorlesung gibt also den Studierenden die
Möglichkeit, Tragverhalten visuell und durch eigenes Handanlegen haptisch zu erleben und gegebenenfalls kognitiv in
dem Sinne zu verarbeiten, dass die zugehörigen statischen Gesetzmäßigkeiten begriffen werden.
Fähigkeiten und Kenntnisse, die Ergebnisse eines Baustellenpraktikums sein sollten, können im Rahmen dieser
Vorlesung und der Hausübung nicht erworben werden.
Die in dem Vorlesungsskript verwendeten Projektbeispiele wurden, wenn nichts anderes erwähnt wird, vom Autor und
seinen Mitarbeitern in seinem Ingenieurbüro bearbeitet oder er hat daran als Prüfingenieur für Baustatik oder
Sachverständiger mitgewirkt.
Der Autor des vorliegenden Vorlesungsskriptes erhebt keinen Anspruch auf dessen Vollständigkeit. Voraussetzung
hierfür wäre die Kenntnis der Lehrinhalte, die dem Anspruch an Abgeschlossenheit genügen. Das Skript ist auch kein
Lehrbuch in dem Sinne, dass seine Inhalte als allgemein anerkannt gelten. Sie spiegeln vielmehr die subjektive
Meinung des Autors wider, wenngleich dieser stets bemüht war, seiner Verpflichtung als Hochschullehrer auf
Unabhängigkeit, Objektivität und neuesten Stand von Wissenschaft und Technik gerecht zu werden.
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1 Einleitung
Diese Vorlesung hat die Anforderungen an Form und Konstruktion von Bauwerken und seinen Teilen und ihre
gegenseitigen Beziehungen (Relationen) und Abhängigkeiten (Interdependenzen) zum Inhalt.
(i) In der Regel ist zur Erfüllung des Zwecks (Gebrauchstauglichkeit) der Entwurf und die Erschaffung von Räumen
erforderlich. Diese Räume sind nicht grenzenlos, wie der euklidische Vektorraum oder gar der Weltraum, sondern
bewusst begrenzt, aber dennoch für den Zweck groß genug 3. Sie dienen z. B. zum Aufenthalt von Menschen (Wohnen,
Administration, Warenproduktion, Sport) oder zur Lagerung/Speicherung von Stoffen/Produkten (Silos, Behälter,
Parkhäuser, Schleusen). Die Räume werden durch die Bauwerkshülle begrenzt. Die Hülle ist insgesamt oder in Teilen
opak, transparent, perforiert (durchlöchert) oder auch nur imaginär, wie beim oben offenen Fußballstadion. Der Entwurf
der Räume und ihrer Hülle erfordert zuvorderst Fähigkeiten und Kenntnisse, über die Architekturschaffende verfügen.
(ii) Dem Entwurf folgt die Schaffung/Errichtung des Bauwerks. Hierzu wird u. a. die Bauwerkshülle aus einzelnen
Bausteinen (hier im übertragenen Sinne für Baustoffe, Bauelemente, Bauteile) zusammengefügt, indem die Bausteine
wie in Bild 1-1 räumlich montiert (z. B. geschichtet) werden und damit auf Grund ihrer Masse ein Potential der Lage
gegenüber der Geländeoberkante bzw. dem Baugrund gewinnen.
Nun liegt es in der Regel im öffentlichen Interesse, zumindest aber im Interesse des Bauherrn, dass jeder der Bausteine
in einer stabilen Lage gehalten wird, so dass von keinem eine Gefahr dadurch ausgeht, dass er abstürzt. Die stabile Lage
jedes Bausteins muss auch dann gewährleistet sein, wenn auf den Stein nicht nur die Erdgravitation, sondern auch
Nutzlasten, Wind, Schnee oder Erdbeben einwirken.
Um die Wahrscheinlichkeit des Absturzes irgendeines Bausteins des Bauwerks so gering wie wirtschaftlich vertretbar
zu halten (denken wir an die abgestürzten Stahlträger der Fassade des Berliner Hauptbahnhofs, Orkan Kyrill in 2007),
muss für alle Bausteine eine stabile räumliche Anordnung gefunden werden, die im Einklang mit der Form des
Bauwerks steht. Diese stabile räumliche Anordnung aller Bausteine bezeichnen wir als die Konstruktion. Sie stellt eine
technische Ordnung dar, die wissenschaftlich begründbar ist. Die Konstruktion umfasst u. U. auch Bauwerksteile, an
deren Form keine architektonischen Anforderungen bestehen (z. B. die Gründung). Der Entwurf der Konstruktion
erfordert zuvorderst Fähigkeiten und Kenntnisse, über die Tragwerksplaner verfügen.
1
Unter dem Begriff Form wird hier die gesamte Gestalt eines Bauwerks mit ihrer Wirkung nach innen und außen
subsumiert. Die Form beinhaltet also auch z. B. Fassaden und Dekorationen.
2
Der Begriff Bauwerk wird hier anstelle des in den Bauordnungen definierten Begriffs „bauliche Anlage“ verwendet.
Bauliche Anlagen sind definiert als mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen.
3
Die Raumgrößen werden häufig in Form von Lichtraumprofilen angegeben.
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(iii) Der Zweck von Bauwerken kann es auch sein, Räume oder Distanzen in einem Raum zu überwinden. Dabei geht es
in der Regel um den Verkehr/Transport von Menschen, Tieren oder Gütern. In diesem Fall besteht der Entwurfsprozess
nicht darin, Raum zu schaffen. Der Raum ist vielmehr mit seinen Abmessungen fest vorgegeben und erfordert zur
Überwindung den Entwurf und die Schaffung von Bauwerken in Form von Brücken, Tunneln 4, Straßen, Kanälen,
Schienen oder Rohrleitungen. Ihr Entwurf erfordert zuvorderst Fähigkeiten und Kenntnisse, über die Ingenieure
verfügen.
1.2 Entwurf der Form und Größe von Räumen und ihrer Hülle
Form und Größe von Räumen und ihrer Hülle ergeben sich zunächst aus den Nutzungsanforderungen, z. B. der zur
Erfüllung des Zwecks erforderlichen Nutzfläche oder Füllmenge, aus den Abmessungen von Produktionseinrichtungen,
aber auch aus der Minimierung des Energieverbrauchs der Gebäudetechnik (Beleuchtung, Klimatisierung) oder aus der
Nutzung durch Behinderte. Die Lage der Räume zueinander und im Verhältnis zu ihrer Umgebung ist meist Ausdruck
eines Strebens nach Ordnung. Der Entwurfsprozess erfordert bis dahin kreatives, schöpferisches Handeln im Umgang
mit Anforderungen, die in objektivierter Form in technischen Regeln beschrieben sind (z. B. in Verordnungen oder
Richtlinien u. a. in Form mathematischer Formeln), und deren Erfüllung damit vom Bauherrn oder von der
Allgemeinheit, wenn ein öffentliches Interesse besteht, verifizierbar ist.
Darüber hinaus kann sich Form, Größe und Anordnung der Räume und ihrer Hülle aus ästhetischen Anforderungen
ergeben. Dann rückt das Bauwerk in die Nähe einer Plastik oder Skulptur, es wird zum Kunstobjekt, und sein Entwurf
erfordert kreatives, künstlerisches Handeln z. B. im Umgang mit der Umgebung des Bauwerks, und künstlerisches
Handeln immer dann, wenn durch Form und Größe nicht nur eine spezifische Nutzung sicher gestellt, sondern eine
Wirkung auf den Betrachter erzielt werden soll, die über das originäre Ziel der Nutzung des Bauwerks hinausgeht.
Natürlich geht von jedem Bauwerk eine Wirkung auf seinen Betrachter aus, auch wenn dies im Entwurfsprozess
unbeachtet blieb, weil der Bauherr einer solchen Wirkung keine Bedeutung beimaß.
4
Bei Tunneln ist das Überwinden des Raumes in dem Sinne zu verstehen, dass ein Erdraum durchdrungen wird.
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Der Konstruktionsentwurf stellt also eine Optimierungsaufgabe dar, die durch eine Fülle von Variablen
(Freiheitsgraden) und Restriktionen geprägt ist. Restriktionen können sein: Das Klima, ökologische, bauphysikalische,
statische Anforderungen, Anforderungen an Modulmaße, tektonische und klimatische Randbedingungen und
Montagebedingungen, Eigenschaften von Baustoffen und deren Verträglichkeit untereinander, Eigenschaften von
vorkonfektionierten und vorgefertigten Bauprodukten, z. B. Dachziegeln, Mauersteinen, Schaltafeln,
Verbindungsmitteln.
Der Konstruktionsentwurf lässt sich selbst im Zeitalter höchst leistungsfähiger Computer nur in seltenen Fällen als
mathematischer Optimierungsprozess abbilden, weil zu zeitaufwendig, und daher entsteht der Entwurf überwiegend
empirisch im Stil der alten Baumeister oder mit Hilfe des Entscheidungsprinzips von Versuch und Irrtum. Dass das
Entwurfsergebnis tatsächlich optimal im oben beschriebenen mathematischen Sinne ist, wird in der Regel nur
behauptet, unterstellt, erhofft, selten jedoch überprüft, weil es viel zu kostspielig wäre.
Die geschaffene Konstruktion dient der Formerhaltung und besitzt in dieser Funktion gleichzeitig eine eigene Form, wie
die Formvarianten in Bild 1-2 zeigen, die in vielen Fällen sichtbar bleibt, so dass auch von ihr eine Wirkung auf den
Betrachter ausgeht. Konstruktionsform und Bauwerksform stehen dann unvermeidbar in einer Beziehung, die jedoch
nicht frei gestaltet werden kann, da die stabile Lage aller Teile der Konstruktion und aller von ihr zu tragenden Teile des
Bauwerks insgesamt gewährleistet sein muss. Daraus ergeben sich z. B. Mindestabmessungen der einzelnen Bauteile
oder eine Mindestanzahl von Verbindungsmitteln.
Die geschaffenen Formen von Bauwerk und Konstruktion, z. B. in Bild 1-3 und Bild 1-4, lassen sich in ihrer
Einzigartigkeit nicht verifizieren oder falsifizieren, sondern nur subjektiv z. B. unter Berufung auf den Zeitgeist oder
einen bevorzugten Kunststil kritisieren. Vor diesem Hintergrund wäre eine Vielzahl anderer Formen ebenso möglich
und natürlich kritisierbar. Ansätze einer Evaluation von Entwurfsvarianten beschreiben Bergmeister et al. (2000) am
Beispiel einer Brückenplanung. Eine Auswahl der Entwurfsvarianten ist in Bild 1-8 dargestellt.
5
Bewertung, Begutachtung oder kritische Beurteilung eines wissenschaftlichen oder künstlerischen Werkes
6
Wissenschaft im Sinne von Schaffung rational begründeten Wissens
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Bauwerksform und Konstruktion stehen nicht nur in einer ästhetischen Beziehung über ihre jeweiligen Formen, sondern
Form und Konstruktion stehen auch in einer statischen Beziehung. So entscheidet die Bauwerksform über die
Geometrie der Konstruktion, z. B. die Lage von Knotenpunkten eines Stabwerks oder die Krümmung eines Bogens. Die
Form der Bauwerkshülle entscheidet über Lage und Größe der Einwirkungen aus Wind und Schnee. Insofern bedingen
sich Bauwerksform und Konstruktion gegenseitig und die Kritik an dem einen hat u. U. ihre Berechtigung aus dem
anderen. Die Kritik an der Form einer Brücke und ihrer Teile kann ihre Berechtigung in dem der Konstruktion zu
Grunde liegenden statischen Modell haben. Die Kritik an der erdrückenden Form der Konstruktion kann ihre
Berechtigung in der Schneeansammlungen begünstigenden Bauwerksform haben, wie bei der Turnhalle in Bild 1-5.
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Anders als die Bauwerksform, die der Architekt in Absprache mit dem Bauherrn in der Regel im Wesentlichen frei nach
seinen subjektiv festgelegten Anforderungen gestaltet, muss die Konstruktion neben den subjektiven Anforderungen an
die Form insbesondere objektive Anforderungen an die Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit
erfüllen. Trotz dieser objektiven Anforderungen, deren Erfüllung durch die Eigenschaften der Konstruktion
überwiegend anhand von Berechnungsergebnissen (Zahlen) überprüft (entweder bewiesen, nachgewiesen, verifiziert
oder zum Widerspruch geführt, also falsifiziert) werden kann, kann die Konstruktion selbst im Fall der Erfüllung aller
objektiven Anforderungen kritisiert werden, da es in der Regel eine Vielzahl anderer möglicher Konstruktionen gibt, die
die Anforderungen ebenso erfüllen. Hier sind nicht diejenigen anderen Konstruktionen gemeint, von denen nur
behauptet, aber nicht bewiesen wird, dass sie die Anforderungen erfüllen.
Neben den bereits erwähnten subjektiven und objektiven Anforderungen an beides, die Bauwerksform und die
Konstruktion, darf die Forderung des Bauherrn nach Wirtschaftlichkeit von beidem, im Sinne der Minimierung des
Kosten-Nutzen-Verhältnisses (einschließlich der Kosten für die Planung), nicht unerwähnt bleiben. Kritik an den
Baukosten ist schon deshalb zulässig, obwohl oder gerade weil in den seltensten Fällen die Baukosten alternativer
Bauwerksformen und/oder Konstruktionen bekannt sind. Anders als bei Serien- oder gar Massenprodukten, z. B. bei
Automobilen, lässt der Bauherr sein Bauwerk in der Regel ein einziges Mal als Unikat bauen (herstellen). Kein Bauherr
möchte die Planungskosten für die Ermittlung der Baukosten alternativer Lösungen oder gar für die Herstellung eines
Prototyps finanzieren.
Im Streben der Ingenieure nach Ordnung und Wahrheit, nach der exakt bestimmten, optimierten Konstruktion, wird
ebenso wie im Streben der Menschen nach Ordnung und Wahrheit im Leben, nach dem Guten und Bösen, häufig nicht
beachtet, dass es solche Ordnung und Wahrheit nur in den Grenzen einer Theorie oder einer Weltanschauung gibt, die
jeweils auf Axiomen begründet ist. Als ein Beispiel möge das Axiom in der Philosophie Albert Schweizers dienen:
Alles, was dem Leben nützt, ist gut. Wer wollte dieses Axiom anzweifeln. Außerhalb Schweizers philosophischen
Gebäudes, im wahren Leben (in der Realität) führt es jedoch bei konsequenter Umsetzung im Handeln zu unauflösbaren
Widersprüchen, da die Ressourcen des Lebens, wie Energie, Nahrung und Lebensraum begrenzt sind.
Ein Axiom, das in der Theorie der Statik (der Baustatik) keines Beweises bedarf, ist die Existenz des statischen Systems
mit seinen Einwirkungen und Lagerungen. Gegenstand der Theorie und damit auch der Lehre der Baustatik ist also
nicht die Frage nach dem Ursprung des statischen Systems. Es ist einfach da! Und es ist nicht kritisierbar, aber
berechenbar, und zwar exakt berechenbar, was zu zeigen genau Gegenstand der Baustatik ist. Beim Verlassen des
theoretischen Gebäudes der Baustatik und dem Eintauchen und anschließenden Auftauchen in und aus dem wahren
Leben, der Ingenieurpraxis, dem Suchen nach dem statischen System der formerhaltenden Konstruktion stellt der
Ingenieur jedoch fest, dass es kein statisches System gibt, das das Tragverhalten seiner Konstruktion exakt beschreibt.
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Ebenso wie er im Leben vielleicht keine Weltanschauung findet, mit der er widerspruchsfrei sein Leben in der
Gesellschaft gestalten kann. Er muss sich vielmehr selbst auf die Suche nach einem statischen System machen und dann
bei genauer kritischer Betrachtung feststellen, dass er kein System finden kann, dass das Tragverhalten seiner
Konstruktion exakt beschreibt. Er findet aber eine Vielzahl statischer Modelle 7, die das Tragverhalten mehr oder
weniger gut beschreiben, und entscheidet sich „heureka“ rufend für das Beste!8 Die Modellfindung findet außerhalb der
Theorie der Statik statt, aber mit Kenntnis ihrer Methoden, da nur solche Tragmodelle möglich sind, die statisch
berechenbar und dadurch objektivierbar sind. Zur Modellfindung gehört auch die Modellierungen der Einwirkungen,
die sogenannten Lastannahmen.
a Traufdetail b Stabmodell
Bild 1-6: Entwicklung eines ebenen Stabmodells der Giebelwand eines Wohngebäudes in Kenntnis der Methoden der
Stabstatik
a Traufdetail:
Sparren – Fußpfette - Deckenbalken c Modell für Wind von rechts
Bild 1-7: Modelle einer Fußpfette in Kenntnis der Methoden der Statik starrer Körper
Die Modellierung erfordert kreatives statisches Handeln des Ingenieurs, die Entwicklung (Entwurf) eines Tragmodells,
das das Tragverhalten möglichst zutreffend beschreibt, aber eben nicht exakt, wie auch von Duddeck (1983) gezeigt
7
Wesentliche Eigenschaft des Tragmodells im Unterschied zum Tragsystem ist die Vereinfachung des eigentlich
komplexen Tragverhaltens einer Konstruktion, die eine Berechnung mit Hilfe der Methoden der Baustatik erst möglich
macht.
8
Archimedes soll „heureka“ gerufen haben (ich habe es gefunden), als er das Gesetz vom statischen Auftrieb fand.
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Vorlesung Form und Konstruktion 12
wird. Die mit den statischen Methoden an dem Modell erzielten Berechnungsergebnisse sind Abschätzungen9,
bestenfalls Näherungen der wirklichen Beanspruchungen der Konstruktionsteile.
Zum kreativen Schaffen des Ingenieurs zählt also neben dem Entwurf der formerhaltenden Konstruktion die
Entwicklung des Tragmodells. Dabei besteht die Gefahr, dass der Ingenieur mit Blick auf den Planungsaufwand einem
individuellen Modellentwurf aus dem Wege geht und Formen und Konstruktionen so lange „verbiegt“, bis er dafür ein
ihm bekanntes, in der Theorie bereits gelöstes oder von seiner Statiksoftware lösbares statisches Modell gefunden hat.
Ein solches Handeln ist nicht kreativ, sondern lässt sich bestenfalls als reproduzierend bezeichnen. Nun kann natürlich
Grund hierfür Trägheit oder Inkompetenz des Ingenieurs sein. Häufig kann der Ingenieur aber gar nicht anders handeln,
weil ihm der Bauherr eine aufwendigere kreative Lösung nicht bezahlt. Ziel des Bauherrn ist natürlich nicht die
Anwendung komplexer statischer Methoden, sondern die Minimierung der Planungskosten bei gleichzeitiger
Minimierung der Baukosten und Maximierung der Nutzbarkeit des Bauwerks. Der Bauherr hat also kein Interesse an
einer aufwendigen Theorie, die im Vergleich zu einer Näherungslösung oder vielleicht sogar Daumenformel
übermäßige Planungskosten und Planungszeit verursacht, wenn sich dadurch die Baukosten nicht zumindest im
gleichen Umfang reduzieren.
1.6 Verantwortlichkeiten
Zusammenfassend und vereinfachend lässt sich sagen, dass
verantwortlich sind. Allein wegen der Vielzahl von Konstruktionsmöglichkeiten erfordert der Entwurfsprozess von
Konstruktionen kreatives Handeln des Ingenieurs.
a b c d
1
9
Eine Abschätzung ist von einer Näherung deutlich zu unterscheiden. Um eine Näherung im mathematischen Sinne
handelt es sich erst dann, wenn eine Aussage über die Größe des Fehlers gemacht werden kann.
10
Weitere Ideen zu Brückenkonstruktionen nach Falter, Kahlow und Kurrer: Vom geometrischen Denken zum statisch-
konstruktiven Ansatz im Brückenentwurf (2001)
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Unbestritten ist, dass der Einsatz von CAD zu einer besseren Zeichnungsqualität und damit zu einer besseren
Verständigung zwischen den einzelnen Fachplanern führt. Es musste jedoch sehr schnell erkannt werden, dass das
eigentlich gewinnbringende Ziel, nämlich die Verkürzung der erforderlichen Arbeitszeit, nur in Ausnahmefällen und
nach einer erheblichen Einarbeitungszeit realisiert werden konnte. Bis heute konnten dank deutlich verbesserter
Arbeitsoberflächen die notwendigen Einarbeitungszeiten zum effizienten Einsatz eines CAD-Systems zwar verringert
werden, jedoch rechtfertigt die ausschließliche Forderung nach einer Beschleunigung der Zeichnungserstellung auch
heute nicht den Einsatz eines CAD-Systems.
Die Ziele, die mit Hilfe des Einsatzes von CAD in der Planung erreicht werden sollen, müssen anders definiert werden.
Dazu darf das CAD-System nicht mehr als ein rein geometrieverarbeitendes Werkzeug zur Reproduktion bereits
bekannter Daten verstanden werden. Das CAD-System muss vielmehr in der Lage sein, die Lösung von Entwurfs- und
Konstruktionsaufgaben effizient zu unterstützen. Das CAD-System muss darüber hinaus über eine gewisse "Intelligenz"
verfügen (Bild 2-1) um auch die kreativen Teile des Entwurfs- und Konstruktionsprozesses effizient unterstützen zu
können.
Die häufig hohe Komplexität räumlicher Konstruktionen erfordert einen vergleichsweise großen Planungsaufwand.
Viele der notwendigen Detailplanungen werden auch heute noch erst im Zuge der Fertigung gelöst. Eine effiziente
Unterstützung der verschiedenen Fachplaner durch CAD-Daten in einer möglichst frühen Phase des Planungsprozesses
sollte zu einer Entlastung der Fertigung führen.
Zur Lösung räumlicher Knotenpunktdetails sind bei der konventionellen Bearbeitung immer wieder Modelle im
Maßstab 1:1, wie in Bild 2-2, notwendig, die einen erheblichen Kostenfaktor innerhalb der Planung darstellen. Der
Einsatz vollständiger 3D-CAD-Systeme sollte die Anfertigung aufwendiger Modelle überflüssig machen.
Durch die dreidimensionale Bearbeitung mit Hilfe von CAD wird ein immer konsistentes redundanzfreies
Gebäudemodell erzeugt. Dadurch kann die Minimierung von Planungsfehlern und eine Vergrößerung der
Planungsqualität erzielt werden. Auch Übertragungsfehler, wie sie bei der konventionellen Planung beispielsweise bei
der Übertragung der Grundrissdaten in den Schnitt möglich sind, können vollständig vermieden werden. Dies gilt
ebenso für Übertragungsfehler zwischen verschiedenen Fachplanern. Alle Fachplaner können beim Einsatz von CAD
auf der Grundlage desselben Gebäudemodells arbeiten.
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b Montagezustand
Ein weiteres Ziel der CAD-Bearbeitung sollte das stärkere Zusammenwachsen der Bereiche Entwurf, Planung und
Fertigung sein. Dazu ist es notwendig, dass das CAD-System neben den geometrischen Daten auch eine Vielzahl von
Sachdaten, wie beispielsweise Materialkennwerte, Zuordnungen zu Baugruppen und Kennungen nach
Standardleistungsbuch verwalten kann. Durch die gemeinsame Verarbeitung graphischer und nicht-graphischer Daten
ist das CAD-System in der Lage, Daten für die statische Berechnung, Ausschreibung und Fertigung automatisch zu
generieren.
Die Ansammlung der verschiedensten Bauwerksdaten während der CAD-Bearbeitung ist auch im Hinblick auf die
Unterhaltungsphase von Bedeutung. Die Existenz nur eines kompletten Gebäudemodells macht alle relevanten Daten
jederzeit verfügbar. Diese können beispielsweise als aktuelle Grundlage für Umbauplanungen genutzt werden. Gleiches
gilt auch für kurzfristige Planungsänderungen. Mit Hilfe umfangreicher Editierfunktionen können die Änderungen sehr
schnell im Gebäudemodell realisiert werden, wobei die Konsistenz des Modells jederzeit gewährleistet ist.
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2.2.1 Formentwurf
Schaffung von begrenzten Räumen
Überwinden von offenen Räumen
Überwinden von Distanzen in offenen Räumen oder festen Medien
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Beispiele
Den folgenden Beispielen, die vor mehr als 10 Jahren noch ohne den Einsatz von 3D-CAD geplant wurden, ist
gemeinsam, dass die Formen der einzelnen Bauteile oder Bauteilabschnitte jede für sich mathematisch eindeutig, z. B.
in 2D-Schnittzeichnungen, beschreibbar sind. Das ist immer der Fall bei orthogonalen (rechteckigen) Strukturen,
Strukturen mit regelmäßigem Raster und ebenen oder einfach gekrümmten Flächen. Die Übergänge von einer Form zur
anderen (Verschneidungen) ergeben jedoch häufig komplexe räumliche Kurven (Kehlen, Grate), die sich mit
konventionellen Mitteln nur schwer zeichnerisch darstellen lassen. In diesen Fällen muss die Planung heute zwingend
mit 3D-CAD durchgeführt werden.
Bild 2-8
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Bild 2-15
Bild 2-16
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3 Tragsysteme
Flach geneigte
Dächer Steildächer Rahmen Bogendächer Zeltdächer
Grundsysteme
unterspannt
als Fachwerke
gereiht
gedreht
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Die Lage jedes Elementes der Statik orientiert sich an der M: Schnittgröße des eindimensionalen Stabes an der
Lage des zugehörigen realen Bauteils oder der Stelle (x)
zugehörigen realen Verbindung: x: Koordinate der realen Schwerachse
Transformation x → x1 mit dem Ziel, ein geschlossenes x1: Koordinate der Stabachse des Modells
statisches System zu schaffen.
J: Flächenträgheitsmoment
Eindeutige Umrechnung der Schnittgrößen der statischen Elemente des Tragmodells in J(x) = ∫z² dA
Beanspruchungen der Bauteile und Verbindungen
Definitionsmenge M(x) → Bildmenge (x,z)
(x,z)=M(x)z/J(x)
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Flach geneigte
Dächer Steildächer Rahmen Bogendächer Zeltdächer
Grundsysteme
unterspannt
als Fachwerke
gereiht
gedreht
Tabelle 3.1-3: Eigenständige Primärsysteme – statische Modelle der Konstruktionen in Tabelle 3.1-1
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Abstützung auf
horizontale
Dachscheibe
Abstützung auf
geneigte
Dachscheibe
Abstützung auf
Längsträger
(Pfetten)
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Abstützung
auf
horizontale
Dachscheibe
Abstützung
auf geneigte
Dachscheibe
Abstützung
auf
Längsträger
(Pfetten)
Tabelle 3.1-5: Nicht eigenständige Primärsysteme – statische Modelle der Konstruktionen in Tabelle 3.1-4
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Binder- Dach-
Be- Statisches Spannweite ℓ Binderhöhe
System-Skizze abstand neigung
zeichnung System (m) (m)
(m) (α)°
Einfeldträger
geknicktes 10 bis 35 / 5 bis 7,5 8 bis 12
Satteldach 16 30
Einfeldträger
Pultdach 10 bis 35 / 5 bis 7,5 -
18 25
Trägerrost in Trägerrost in
Brettschicht- Brettschicht- /
bauweise bauweise 18 25
bis 25 - -
der kürzeren
Stützweite
Tabelle 3.1-6
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Binder- Dach-
Be- Statisches Spannweite ℓ Binderhöhe
System-Skizze abstand neigung
zeichnung System (m) (m)
(m) (α)°
Fachwerk- Dreieck-
träger förmiger Binder 7,5 bis 40 h 4 bis 10 12 bis 30
10
7,5 bis 20 h 4 bis 10 12 bis 30
m 10
Trapez-förmiger
Binder 7,5 bis 30 h 4 bis 10 3 bis 8
12
7,5 bis 30 h 4 bis 10
m 12 3 bis 8
Parallelbinder
7,5 bis 60 h bis 4 bis 10 -
12 15
7,5 bis 60 h bis 4 bis 10 -
12 15
7,5 bis 60 h bis 4 bis 10 -
12 15
Fachwerk- Dreigelenk- Kantholz-
Kantholz-
rahmen rahmen rahmen 15 bis
rahmen e=4 20
30
bis 6
12 weitge-
Rahmen mit
spannte
Stäben aus
Rahmen -
Brettschicht-
e=6 bis 10
holz 25 bis 50
Dreigelenk-
rahmen 10 bis 20 e=4 bis 6 3 bis 8
einhüftig 12
Zweigelenk-
Kantholz-
rahmen Kantholz-
rahmen e=4
rahmen 15 bis 3 bis 8
bis 6
40
12 weitge-
Rahmen mit
spannte
Stäben aus -
Rahmen
Brettschicht-
e=6 bis 10
holz 25 bis 60
Tabelle 3.1-7
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Vorlesung Form und Konstruktion 33
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Vorlesung Form und Konstruktion 34
Studiobinder
Scherenträger
Tabelle 3.1-8
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Vorlesung Form und Konstruktion 35
Tabelle 3.1-9
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Vorlesung Form und Konstruktion 36
3.2-1 angegebenen Bestimmungsgleichungen auch für gebogene Systemteile Gültigkeit haben. Besondere Beachtung
verdient die horizontale Auflagerreaktion H, die für das Gleichgewicht aller 4 Varianten erforderlich ist, obwohl nur
vertikale Kräfte (Lasten) FF und FT auf die Systeme einwirken.
Auflagereaktionen B, H und
Variante Parameter System
Biegemoment MT
(i) L>0 B FT FF
ℓ>0
h>0 FT FF L FT L
s>0 2 2
H
s
M T B Hh
(ii) L>0 B FT FF
ℓ=0
L
h>0 FF
s>0 H 2 F L
F
s 2s
M T Hh
(iii) L>0 B FT FF
ℓ=0
L
h=0 H FF
s>0 2s
MT 0
(iv) L>0 B FT FF
ℓ=0
L
s=h H FF
2s
L L
M T Hh FF h FF
2h 2
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Vorlesung Form und Konstruktion 37
Tabelle 3.3-1
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Vorlesung Form und Konstruktion 38
Imperfektion von Rahmen ist die in Bild 3-4 dargestellte Schrägstellung. Während die Wahrscheinlichkeit für das
Einwirken einer bestimmten Größe der Windlast wegen der in der Region, in der die Baubestimmungen gültig sind,
herrschenden klimatischen Bedingungen mit zunehmender Größe der Windlast abnimmt, wird die Wahrscheinlichkeit
für das Auftreten großer Imperfektionen dadurch gering gehalten, dass wiederum durch Technische Baubestimmungen
Baustoff-, Produkt- und Ausführungstoleranzen definiert und gefordert werden.
Der Einfluss des senkrecht zur Rahmenebene wirkenden Windes und der Imperfektionen auf die Grenzzustände der
Tragfähigkeit kann nur durch die Berechnung der Beanspruchungen am räumlichen Sekundärsystem ermittelt werden,
das aus einem Teil der Primärsysteme und den verbindenden Bauteilen besteht. In Bild 3-5 sind beispielhaft die
Auflagerreaktionen eines Rahmentragwerks dargestellt, auf das eine Windlast F im First einwirkt.
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Vorlesung Form und Konstruktion 39
Die vertikalen Auflagerreaktionen B1 und B2 lassen sich sehr einfach aus dem globalen Momentengleichgewicht um die
Achse 1-1 bestimmen. Die horizontalen Auflagerreaktionen H1 und H2 lassen sich nur schrittweise aus
Gleichgewichtsbetrachtungen an den 3 in Bild 3-6 dargestellten aus dem Gesamtsystem herausgeschnittenen
Teilsystemen bestimmen.
Die Systemvariante (iv)a wurde durch zwei weitere Varianten ergänzt, die sich nicht durch geänderte
Geometrieparameter unterscheiden, sondern durch Konstruktionsvarianten der biegesteifen Rahmenecke der
Primärsysteme. In der Systemvariante (iv)b wurde die biegesteife Rahmenecke in einen gelenkigen Knoten
umgewandelt und der dadurch entstandene Freiheitsgrad in Form einer Verdrehung durch eine Strebe zwischen
Auflager- und Firstknoten wieder unterdrückt. In der Systemvarianten (iv)c wurde zusätzlich eine horizontale Lagerung
(Festhaltung) auf jeweils einer Seite der beiden Primärsysteme gelöst, wodurch ein Freiheitsgrad in Form einer
Verschiebung entsteht, und dafür ein Horizontalstab von Auflagerknoten zu Auflagerknoten eingebaut, der die
gegenseitige Verschiebung der gegenüberliegenden Auflagerknoten wieder unterdrückt. Die beiden zusätzlichen Stäbe
werden gemäß Variante (iv) in Tabelle 3.2-1 durch eine Normalkraft der Größe H beansprucht. Infolge der
Horizontalkraft F bleiben sie unbeansprucht, da die horizontalen Auflagerreaktionen H 1 und H2 wie zuvor Null sind.
Auf diese Weise werden die Rahmen in System (iv)a in Fachwerke in System (iv)c verwandelt. An den
Auflagerreaktionen bzw. Knotenkräften infolge der Horizontalkraft F hat sich jedoch nichts geändert. Aus den
Rahmenriegeln in System (iv)a werden Fachwerkgurte (Obergurte) in System (iv)c. Die zusätzlichen Stäbe sind die
Untergurte der beiden Fachwerke.
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Vorlesung Form und Konstruktion 40
(ii) L>0 F s
ℓ=0 B1 B 2 ,
2 b
h>0 F L 1 sh
s>0 H1 H 2 ,
2 2 b s
F L 1 h
O1 O 2 .
2 2 b s
(iii) L>0 F s
h=0 B1 B 2 ,
2 b
s>0 F L 1
H1 H 2 ,
2 2 b
O1 O 2 0.
(iv)a L>0 F s
ℓ=0 B1 B 2 ,
2 b
h>0
H1 H 2 0,
s=h
F L 1
O1 O 2 .
2 2 b
(iv)b
(iv)c
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Vorlesung Form und Konstruktion 41
Wirtschaftliche Anforderungen münden fast immer in der Minimierung der Kosten. Der Entwurfsprozess der
Konstruktion ist insofern ein Optimierungsprozess mit der Zielfunktion Kosten und einer Vielzahl von Restriktionen.
Die wichtigsten Restriktionen ergeben sich aus den Anforderungen aller am Bau Beteiligten an die dauerhafte
Tragfähigkeit.
Wenn auch Baukonstruktionen grundsätzlich räumliche Strukturen sind, wird der Entwurfsprozess im Sinne eines
Optimierungsprozesses zunächst an ebenen Strukturen, unterschieden nach Strukturen die in ihrer Ebene und senkrecht
zu ihrer Ebene belastet werden, gezeigt, bevor die eigentlich räumlichen Strukturen behandelt werden.
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Vorlesung Form und Konstruktion 42
a aus den Anforderungen an das Bauwerk b gewählte Konstruktion zur Lösung der Bauaufgabe,
abgeleitete Bauaufgabe Kräftegleichgewicht, aber kein Momentengleichgewicht
Obwohl der Bauherr mit dem durch die Form vermittelten, vielleicht der Werbung dienenden Eindruck der
Konstruktion in Bild 4-2 zufrieden ist und aus Sicht des Ingenieurs alle Anforderungen erfüllt sind, wird er, sobald ihm
die Kosten für die Herstellung (Material-, Herstellungs-, Transport- und Montagekosten) und den Unterhalt der
Konstruktion bekannt gemacht worden sind, aus wirtschaftlichen Gründen wahrscheinlich doch als Konstruktion eher
den in Bild 4-3 dargestellten geraden Biegeträger mit konstantem Querschnitt wählen. Er leitet die Kraft F vom Punkt 1
zum Punkt 2 auf kürzestem Wege weiter. Damit ist die Form der Konstruktion bis auf die Querschnittsform, die auch
die Größe der seitlichen Ansichtsfläche bestimmt, festgelegt. In Bild 4-3 sind zwei Formvarianten dargestellt.
11
Siehe Vektoranalysis der Mathematik-Vorlesung
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Vorlesung Form und Konstruktion 43
Nehmen wir an, dass für die Wahl von Form und Abmessungen des Querschnitts der Nachweis der
Gebrauchstauglichkeit maßgebend ist. Voraussetzung dafür ist, dass das Verhältnis ℓ/h hinreichend groß ist.
1 F 3
v ,
3 EI
und die beiden Kragträger 1 und 2 in Bild 4-3 mit rechteckigem Querschnitt, aber unterschiedlicher Querschnittsform,
haben die gleiche Durchbiegung v und erfüllen damit die Gebrauchstauglichkeit gleichermaßen, wenn für die
Trägheitsmomente I2 = I1 gilt. Das ist z. B. der Fall für
b1
b2 , h 2 2h 1 ,
8
denn es gilt
b1
2h 1 3 b h 3
I2 8 1 1 I1 .
12 12
Die Frage ist nun, ob einer der Kragträger wirtschaftlicher ist als der andere. Wenn die Kosten der beiden
Konstruktionen durch das verbrauchte Material und damit durch die jeweiligen Bauteilvolumen V1 und V2 bestimmt
werden, folgt
b1 1
V1 b1h1 V2 2h1 V1 .12
8 4
Wenn die Kosten der beiden Konstruktionen im Wesentlichen durch die Größe ihrer Oberfläche A1 und A2 (Kosten für
Oberflächenbehandlung, Anstrich) bestimmt werden und der Querschnitt der Konstruktion 1 quadratisch ist (b 1 = h1=a),
folgt
b
A1 2b1 h 1 4a A 2 2 1 2h1 4,25a 1,0625A1 .
8
Im ersten Fall ist also die Konstruktion 2 und im zweiten Fall die Konstruktion 1 wirtschaftlicher.
12
Hinweis: Das Bauteilvolumen strebt bei festem Trägheitsmoment gegen Null, wenn b gegen Null strebt. Wegen der
Gefahr des Kippens ist b jedoch stets nach unten beschränkt.
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Vorlesung Form und Konstruktion 44
Ein deutlich geringeres Konstruktionsvolumen stellt sich ein, wenn die Konstruktion aus aufgelösten Stabstrukturen
besteht, wie in Bild 4-5 und Bild 4-6 dargestellt. Die einzelnen Bauteile werden dann nicht auf Biegung 14, sondern im
Wesentlichen auf Zug und Druck beansprucht. Dann entscheiden nicht die inneren Hebelarme eines einzelnen
Querschnitts über die Größe der Biegebeanspruchung, sondern die äußeren Hebelarme, die die Stäbe (Bauteile)
untereinander bilden. In Bild 4-5 und Bild 4-6 sind dies die Abstände der Punkte 2 und 3, die den Winkel bestimmen.
Im Folgenden soll nun untersucht werden, wie dieser Winkel das Konstruktionsvolumen beeinflußt.
13
Da die Konstruktion in Bild 4-3 nur aus einem Bauteil besteht, ist dort das Konstruktionsvolumen gleich dem
Bauteilvolumen.
14
Bis auf die Auswirkungen von Imperfektionen.
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Vorlesung Form und Konstruktion 45
Dazu bestimmen wir zunächst die Normalkräfte in den beiden Stäben 1 und 2 über das Kräftedreieck im Punkt 1.
Anschaulich machen wir uns zuvor klar, dass der Stab 1 in beiden Konstruktionen durch eine Zugkraft und der Stab 2
durch eine Druckkraft beansprucht wird.
F
N1
tan
F
N2
sin
1
2
cos
F
N2
tan
1
cos
2
A1 a 12 und A 2 a 2 2 .
Für die Wahl der Abmessungen der Querschnitte der beiden Konstruktionen ist der Nachweis der Tragfähigkeit
maßgebend. Voraussetzung dafür ist, dass der Winkel hinreichend groß ( > 15°) ist. Für die Zugstäbe folgt dann aus
dem Zugspannungsnachweis
N1
1,
A 1 f t , 0, d
mit dem Bemessungswert ft,0,d der Zugfestigkeit von Holz parallel zur Faser die einfache Bestimmungsgleichung
N1
a1 .
f t , 0,d
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Vorlesung Form und Konstruktion 46
N2 N 2 v0 6
1
A 2 f c,0,d 1 N b 2 3 f m,d
Druck Biegespannungen
spannungen aus Im perfektion
deutlich komplexer, da bei ihnen neben den reinen Druckspannungen aus der Normalkraft N 2 zusätzliche
Beanspruchungen aus einer Imperfektion v0 (Amplitude oder Stich einer möglichen Stabkrümmung) berücksichtigt
werden müssen. Mit
N2 N N 2 12
N 2 2 2 2 42 2 ,
N crit
EI 2 E b2
Eulerkraft
2
der Imperfektion v0
und der vereinfachenden Annahme f m,d f c,0,d , dass der Bemessungswert der
400
Biegefestigkeit ungefähr gleich dem Bemessungswert der Druckfestigkeit parallel zur Faser des Holzes ist, ergibt sich
die Bestimmungsgleichung für a2
f c,0,d 1 N
a 23 a 2 1 N 6 v 0 0 .
N2
V a 12 1 a 2 2 2
als Summe der beiden Bauteilvolumen berechnen. Seine Abhängigkeit von der Form der Konstruktion, hier dem
Winkel , ist für beide Konstruktionsvarianten in Bild 4-7 dargestellt.
Die mathematische Formulierung dieses Problems führt auf ein Optimierungsproblem mit der Zielfunktion
V() a 12 1 a 2 2 2 ,
wobei a1, a2, ℓ1, und ℓ2 Funktionen in sind. V wird dann extremal (hier für 0 < < 90 minimal) für
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Vorlesung Form und Konstruktion 47
dV()
0.
d
K() 1 a 12 1 2 a 2 2 2 .
Die Wirtschaftlichkeit der Konstruktion ist jedoch nicht nur vom Volumen der Bauteile abhängig, sondern auch vom
Aufwand für die Verbindungen der einzelnen Bauteile untereinander und mit den Lagern. Für die Stabstrukturen 1 und
2 sind es die Kosten für die Herstellung von Verbindungen in 3 Knotenpunkten. Hierfür könnte die Kostenfunktion z. B.
mit dem Kostenansatz i in €/kN für jeden Knoten i in der Form
geschrieben werden. Der Kostenansatz ist also proportional zur Größe der anzuschließenden Kraft. Bei
Kostenminimierungen dieser Art darf jedoch nie vergessen werden, dass in den Kostenansätzen i auch die Kosten für
die Herstellung der Lager berücksichtigt werden müssen. Dies gilt für Kraftlager, wobei Zuglager in der Regel teurer als
Drucklager (Kraftübertragung durch Kontakt) sind, und insbesondere für Momentlagerungen, also Einspannungen, wie
die in Bild 4-3.
4.5 Michell-Kragträger
Bereits 1904 beschäftigte sich Michell in einer sehr allgemeinen Form mit der wirtschaftlichen Optimierung von ebenen
Stabstrukturen und kommt dabei zu Lösungen, wie sie in Bild 4-8und Bild 4-9 wiedergegeben sind. Michell führte
dabei als zusätzliche Variablen oder freie Parameter die Lage von inneren Knoten ein. Zur Lösung solcher und
ähnlicher Probleme der Strukturoptimierung steht heute Software, z. B. das Optimierungssystem APEX, zur Verfügung.
a Lastfall 1 b Lastfall 2
11
11
8
8
10 9
2,50 10 9
0,50
0,50 0,16
5 6 7
5 6 7
3 4
2,50 3 4
0,50
0,50 0,16
y 2
y 2
1
x 1
x
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Vorlesung Form und Konstruktion 48
11 11
0,31C
8 8
0,34C
0,35C 0,51T 0,22T 0,12C
0,56T
10 9 0,08T 10 0,21C 9
2,50 0,5C 0,50
0,41C
0,50 0,87T 0,59T 0,16 0,38T
0,84C 0,02T 0,0C
0,2T
0,6T 0,56C
1,35T 5 0,0T 6 0,0T 7 5 0,15C 6 7
1,35C
0,6C
0,02T 0,0C
0,84T 0,2T
0,87C 0,59C 0,41C
3 4 3 0,21C 4
2,50 0,5T 0,50 0,38T
0,56C 0,08C 0,12C
0,50 0,16 0,34C
y 0,35T 2 y 0,22T 2
0,51C 0,31C
1 1
x x
Bild 4-8: Für Lastfall 1 optimierte Stabstruktur, Verformungen und Normalkräfte für Lastfall 1 und 2
Den Optimierungsmöglichkeiten mit dem Ziel einer Kostenminimierung sind enge Grenzen gesetzt, da die
mathematische Optimierung immer nur für einen bestimmten Lastfall durchgeführt werden kann und die Konstruktion
damit nur für diesen einen Lastfall optimal ist. Daher ist eine solche Optimierung nur dann sinnvoll, wenn die
Beanspruchungen aus einem bestimmten Lastfall bei weitem überwiegen, wenn also die Konstruktion z. B. sehr schwer
ist und daher die Beanspruchungen z. B. aus Wind und Schnee eher unbedeutend sind. Letzteres ist eher bei
Stahlbetonkonstruktionen als bei Stahl- oder Holzkonstruktionen der Fall.
Wegen des großen Aufwandes der mathematischen Optimierung für verschiedene konkurrierende Lastfälle wird daher
häufig auf Vorbilder in der Natur zurückgegriffen. Die Optimierung natürlicher Konstruktionen erfolgt durch natürliche
Anpassung an die Beanspruchungen, was als adaptives Wachstum bezeichnet wird. Siehe hierzu auch Mattheck (1990).
Da es im Bauwesen anders als z. B. im Maschinenbau in der Regel darum geht, die Kosten von Unikaten zu
minimieren, und wegen des üblichen Zeitdrucks, der sich nicht nur aus dem vom Bauherrn festgesetzten
Fertigstellungstermin, sondern auch aus dem vom Bauherrn begrenzten Ingenieurhonorar ergibt, wird in der
Ingenieurpraxis ein pragmatisches Vorgehen bevorzugt. Dabei wird die Form überwiegend aus Erfahrung gewählt. Teil
der Erfahrung sollte die Kenntnis der Form optimaler Strukturen sein.
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Vorlesung Form und Konstruktion 49
Bild 4-10: Statisches Modell, bestehend aus beidseitigen Kragarmen und dazwischen eingehängtem Einfeldträger
b
Bild 4-11: Fuß- und Radwegbrücke über die Dranse in Martigny (CH)
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Vorlesung Form und Konstruktion 50
Bild 4-12: Primärsystem der Bahnsteigüberdachung des Lehrter Bahnhofs in Berlin, Literatur von H. Schober (2002)
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Vorlesung Form und Konstruktion 51
Für diese Platten und Trägerroste hat Rozvany (1976) in Abhängigkeit der Lagerung ihrer Ränder Regeln aufgestellt,
die bei Stahlbetonplatten zu einem Minimum des Bewehrungsvolumens und bei Trägerrosten zu einem Minimum des
Bauteilvolumens führen.
Als Zielfunktion wählt Rozvany das Momentvolumen Vm, das er als ein Maß für das Bauteilvolumen und damit für die
Kosten ansetzt. Zur Erläuterung der Bestimmung des Momentvolumens V m ist in Bild 4-13a eine quadratische Platte in
der Draufsicht dargestellt, auf die die Flächenlast p in kN/m² einwirkt. Die Platte ist an zwei gegenüberliegenden
Rändern so gelagert, dass sie sich frei verdrehen kann (v’ = φ ≠ 0), aber vertikal nicht verschiebt (v = 0).
b Momentvolumen
a einachsig gespannte Platte
Für diese und weitere Lagerungs- bzw. Randbedingungen sind in Bild 4-14 die zugehörigen Maßzahlen β des
Momentvolumens Vm angegeben.
15
Hier unterscheidet sich ausnahmsweise die fachsprachliche nicht von der umgangssprachlichen Bedeutung des
Begriffs Platte
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Vorlesung Form und Konstruktion 52
a einachsig gespannte Platte b auskragende Platte (Eckbalkon) c zweiachsig (kreuzweise) gespannte Platte
Die Maßzahlen β von Bild 4-14 können auch zur Abschätzung der Kosten für die in Bild 4-15 dargestellten,
unterschiedlich gelagerten Trägerroste verwendet werden. In den Maßzahlen sind jedoch nicht die Kosten für die in
Bild 4-15b im Feld erforderlichen Verbindungen der Träger untereinander enthalten.
Bei Decken kommt es sehr häufig vor, dass der Raum unter der Decke vierseitig durch Wände geschlossen und die
Decke dennoch nur einachsig gespannt wird. Dann kommt es zur Verletzung der Kompatibilität der Verschiebungen v
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Vorlesung Form und Konstruktion 53
an den nicht unterstützten Rändern der Decke. Dieses Phänomen lässt sich sehr anschaulich an dem Träger eines
Trägerrostes beschreiben, der nahe der Wand liegt, die nicht als unterstützend wirkend (nicht tragend 16) angenommen
wurde. Der einachsig gespannte Träger wird sich unter seiner Belastung durchbiegen und dabei gegenüber der sehr
steifen Wand verschieben, was zu Rissen im Eckbereich von Wand und Decke führen kann. Bei Balkendecken wurde
früher zwischen Wand und benachbartem Träger der Balkenabstand eingehalten, um die Verschiebungsdifferenz über
den Dielenbelag auszugleichen. Dann wird aber die eigentlich als nicht tragend angenommene Wand doch belastet.
16
Auf besondere Regeln für nicht tragende Wände wird hingewiesen.
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Vorlesung Form und Konstruktion 54
Bild 4-16: Zwei nebeneinander liegende, vierseitig gelagerte Trägerroste einer Geschossdecke
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Vorlesung Form und Konstruktion 55
Bild 4-18: Stichbalken bei einachsig gespannter Balkendecke und auskragendem Giebel
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Vorlesung Form und Konstruktion 56
Heuristik: Lehre von der methodischen Gewinnung neuer Erkenntnisse mithilfe von Denkmodellen, Analogien und
Gedankenexperimenten. Die Logik lehrt die Erkenntnisse zu begründen.
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Vorlesung Form und Konstruktion 57
Die Ableitung des Regen- und Schneewassers zur Traufe ist die wirtschaftlichste und wartungsfreundlichste
Art der Entwässerung eines Daches.
Bei freistehenden Gebäuden sind auf einem Satteldach keine Schneeansammlungen möglich. Es müssen
zusätzlich zur Regelschneelast nur Verwehungs- und Abtaueinflüsse berücksichtigt werden.
Wie in Bild 4-21 gezeigt wird, hat die Konstruktionshöhe h erheblichen Einfluss auf die Größe der
Beanspruchungen der Bauteile. Bei Konstruktionen, die wie hier ein Feld überspannen, hier die gesamte Breite
B oder Länge L mit B = L = a, sollte die Konstruktionshöhe in Hallenmitte am größten sein, weil dort das
Moment aus Einwirkung q und Auflagerkraft maximal ist.
Große Dachhöhe,
Langweilige Form.
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Vorlesung Form und Konstruktion 58
1 M1,max
2 M 2,max M1,max T
qL 4 h
M1,max
8
f Biegebeanspruchung g Zugbeanspruchung
M1,max h M1,max 6 bh 3 T
m mit I t
z A
Iz 2 bh 2 12
Bild 4-21: Einfluss der Konstruktionshöhe auf die Beanspruchungen der Bauteile
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Vorlesung Form und Konstruktion 59
Die wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus einer einfachen Entwässerung des Dachs und aus der Vermeidung von
Schneeansammlungen auf dem Dach ergeben, sind naheliegend. Es ist jedoch nicht sofort einzusehen, warum eine
große Konstruktionshöhe in Hallenmitte einen wirtschaftlichen Vorteil bringt. Zur Erläuterung wird in Bild 4-21
zunächst gezeigt, welchen Einfluss die Verteilung des Biegemoments M = M(x), das Beanspruchungen in Form von
Biegespannungen m verursacht, in einem einfeldrigen Träger auf die Konstruktions- und die Bauteilform, in diesem
speziellen Fall auf die Höhe, besitzt, wenn eine möglichst wirtschaftliche Konstruktionslösung angestrebt wird.
Wir hatten bereits kennen gelernt, dass sich das Bauteilvolumen und damit in der Regel auch die Kosten reduzieren
lassen, wenn möglichst schlanke Träger mit einem großen Verhältnis h/b wie in Bild 4-21a gewählt werden. Dieses
Volumen lässt sich durch die Anpassung der Höhe h, die in Bild 4-21b linear zur Feldmitte anwächst, an M(x), das
quadratisch anwächst, noch weiter reduzieren. Diese Anpassung der Bauteilform berücksichtigt zunächst nur die
Tragfähigkeit des Trägers durch Einhaltung der Bedingung
m ,d
1.
f m ,d
Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass eine Reduktion des Volumens immer auch eine Reduktion
der Steifigkeit, hier der Biegesteifigkeit verursacht, was zu einer Vergrößerung der Durchbiegung
L L M( x ) M ( x )
v max v x dx
2 x 0 EI z ( x )
führt. Wegen der Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit des Trägers ist jedoch die Durchbiegung ebenso begrenzt
wie die Biegespannungen m. Die Biegespannungen sind an jeder Stelle x (in jedem Querschnitt) des Trägers begrenzt,
während eine Begrenzung der Durchbiegung in der Regel nur an ihrer maximalen Stelle notwendig ist.
Des weiteren hatten wir bereits kennen gelernt, dass das Konstruktionsvolumen reduziert werden kann, wenn als
Konstruktion Stabstrukturen mit großen inneren Hebelarmen verwendet werden. Diese Erkenntnis wurde in Bild 4-21c
in eine Satteldachkonstruktion umgesetzt. Die einzelnen Bauteile werden nun wesentlich weniger auf Biegung, dafür
aber zusätzlich auf Druck oder nur auf Zug beansprucht. Die Größe der Zugkraft T ergibt sich aus dem am Einfeldträger
berechneten Biegemoment M1,max dividiert durch die Konstruktionshöhe h. Sie ließe sich auch durch Zeichnen des
Kraftdreiecks an einem der Auflager bestimmen.
Der mit dem Entwurf der Dachkonstruktion der Sporthalle beauftragte Ingenieur Martial Chabloz wählte eine in
doppelter Hinsicht optimierte Konstruktion. Zum einen eine ebene aufgelöste Stabstruktur (als Träger oder auch als
Binder bezeichnet) mit großen inneren Hebelarmen und zum anderen ordnete er diese ebenen Träger nach Art eines
Trägerrostes kreuzweise über einer quadratischen Öffnung an. Das Modell der Dachkonstruktion ist in Bild 4-22 zu
sehen.
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Vorlesung Form und Konstruktion 60
Kehlriegeldächer charakteristischen Horizontalschub an den Auflagern auf und kann daher auf von Traufe zu Traufe
gespannte Zugstangen verzichten. Killer (1985) schreibt hierzu: „Schon Jakob Grubenmann hatte klar erkannt, dass die
damals im Barock üblichen gewölbten Decken architektonisch nur dann voll zur Wirkung kommen konnten, wenn
keine störenden Zugstangen vorhanden waren. Er erkannte aber auch, dass bei Wegfall der Zugstangen der Dachschub
ohne besondere Vorkehrungen unmittelbar auf die Längsmauern übertragen und diese nach außen drücken würde.“
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Vorlesung Form und Konstruktion 61
c Einhängen eines Fachwerkträgers in den Bogenträger d Einhängen eines Fachwerkträgers in den Bogenträger von
von rechts betrachtet links betrachtet
Bild 4-24: Transport und Montage
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4
a
p
pa 3 a 1 1 pa
4
pa 4 pa 4
Vm 4 83 83
2
83 4 0,75 83 62,5 .
1000
1000
2 16 2 1000 1000 1000
Fachwerkträger Bogenträger
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Vorlesung Form und Konstruktion 63
Bild 4-27: Horizontalschnitte 30 cm unterhalb (linke Spalte) und 30 cm oberhalb (rechte Spalte) Unterkante
Dachkonstruktion, Blick nach oben (obere Zeile) und Blick nach unten (untere Zeile)
Interessante Dachform, die im Einklang mit der vorhandenen Bebauung steht. (Keine Verunstaltung)
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Vorlesung Form und Konstruktion 64
Ein großer Teil des Regen- und Schneewassers muss von den inneren Kehlen zur Traufe geführt werden. Wie
in Bild 4-29 zu erkennen ist, ist die Entwässerung der Kehlen kostenintensiv und wartungsempfindlich.
In den Tälern der Zeltdachlandschaft muss mit erheblichen Schneeansammlungen gerechnet werden, wie in
Bild 4-28 angedeutet ist.
Aus der verschwindenden Konstruktionshöhe in Hallenmitte und der geringen maximalen Konstruktionshöhe
von h/2 < h in den Spitzen der Zeltdächer muss zunächst gefolgert werden, dass sich sehr große
Beanspruchungen der Bauteile und damit sehr hohe Kosten ergeben.
Bild 4-28: Geringe Gebäudehöhe, aber Schneesackbildung im Bereich der inneren Kehlen
Die zu jedem Zeltdach gehörige Konstruktion besteht aus zwei Hauptträgern in Form von dreieckigen Fachwerkträgern,
die in Bild 4-30 aus dem Dach herausgeklappt dargestellt sind. Der Hauptträger 1 spannt diagonal von Außenwand zu
Außenwand als Einfeldträger mit einer Spannweite von a/2. Der Hauptträger 2 ist als Einfeldträger mit Kragarm auf
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Vorlesung Form und Konstruktion 65
der Außenwand und dem Hauptträger 1 gelagert und kragt bis zur Hallenmitte aus. Beide Hauptträger haben eine Länge
von a/2.
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Vorlesung Form und Konstruktion 66
Zur Abschätzung des Momentenvolumens dient der in Bild 4-31 dargestellte auf zwei benachbarten Seiten gelagerte
Trägerrost über einem Viertel des Grundrisses. Er leitet die Flächenlast p zu den Außenwänden.
Die Schätzwerte der Momentenvolumen der Sporthalle in Chateau d’Oex und der in Savigny sind also gleich, obwohl
die Konstruktionshöhen in Hallemitte extrem verschieden sind. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Konstruktion in
Savigny dem Trägerrost in Bild 4-15b mit β = 52 sehr nahe kommt, während die Konstruktion in Chateau d’Oex nicht
viel besser ist als der einachsig gespannte Trägerrost in Bild 4-15a mit β = 83. Die wirtschaftlichen Nachteile der
Konstruktion in Savigny, die sich aus der Entwässerung und der Schneesackbildung ergeben, bleiben natürlich
bestehen.
b c
Bild 4-32: Sporthalle Savigny während der Montage
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Bild 4-34: Fuß- und Radwegbrücke über die alte Oder zum Ziegenwerder in Frankfurt/Oder
Bevor über den Entwurfprozess der beiden Konstruktionen berichtet wird, soll zunächst das charakteristische
Tragverhalten des geraden und des gebogenen Trägers und schließlich des Bogens erläutert werden.
17
Süddeutsch: Bögen
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Mz,max = 25 kNm
Qmax = 7,071 kN
V = 7,071 kN
ux = 0; uy = 131
Bild 4-35: Der gerade Einfeldträger
7,07 7,07
Nmax = 4,80 kN
y
7,07 7,07
x
Mz,max = 25 kNm
V = 7,071 kN
y
7,07 7,07
x
Qmax = 5,19 kN
7,07 7,07
x
ux = 148; uy = 135
Bild 4-36: Der gekrümmte Einfeldträger
x
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Vorlesung Form und Konstruktion 69
Während das Biegemoment Mz und die Durchbiegung uy unverändert groß bleiben, ergibt sich infolge der Krümmung
eine erhebliche horizontale Verschiebung ux des rechten Auflagers. Nicht nur die Durchbiegung sondern auch die
horizontale Verschiebung muss die Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit erfüllen.
7,94 7,94
7,07 7,07
Nmax = 10,63 kN
7,94 7,94
x
a 7,07 7,07
V = 7,071 kN
H = 7,94 kN
y
7,94 7,94
x
7,07 7,07
Vmax = 0,72 kN
y
7,94 7,94
7,07 x 7,07
Würde für die Form des Bogens in Bild 4-36 die Kettenlinie
x a
x x
y a cosh e a e a
a 2
gewählt, würde das Biegemoment Mz bei starrer Lagerung vollständig verschwinden. Eine solche Bogenform heißt
Stützbogenform.
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4.12.4 Der kreisbogenförmige Zweigelenkbogen mit vertikaler Linienlast auf die Grundfläche bezogen
Ist die vertikale Linienlast nicht auf die Bogenlänge (Eigengewicht) sondern auf die Grundfläche (Schnee) bezogen, wie
in Bild 4-38 dargestellt, ändern sich die Schnittgrößen nur unwesentlich gegenüber denen in Bild 4-37.
Die Schnittgrößen im Bogen ändern sich nicht, wenn die horizontalen Lagerungen in Bild 4-38b durch ein (starres)
Zugband ersetzt werden.
8,33 8,33
7,07 7,07
Nmax = 10,92 kN
8,33 8,33
x
7,07 7,07
Mz,max = 1 kNm
b y
8,33 8,33
x
V = 7,071 kN, H = 8,33 kN 7,07 7,07
Vmax = 0,89 kN
8,33 8,33
x
7,07 7,07
c
Bild 4-38: Der kreisförmige Zweigelenkbogen mit vertikaler Linienlast auf die Grundfläche bezogen
y
Die Stützbogenform für diesen Lastfall ist, wie in Bild 4-38c dargestellt, der Parabelbogen.
x
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4.12.5 Der kreisbogenförmige Dreigelenkbogen mit vertikaler Linienlast auf die Grundfläche bezogen
Wird aus Transport- und Montagegründen als Konstruktion ein Dreigelenkbogen gewählt, wie in Bild 4-39 dargestellt,
ändern sich die Schnittgrößen nur unwesentlich gegenüber denen in Bild 4-37 und Bild 4-38. Das Biegemoment Mz
wird etwas größer.
8,54 8,54
7,07 7,07
Nmax = 11,07 kN
8,54 8,54
x
7,07 7,07
V = 7,071 kN
H = 8,54 kN
y
8,54 8,54
x
7,07 7,07
Vmax = 1,02 kN
8,54 8,54
x
7,07 7,07
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7,08 7,08
7,07 7,07
7,08 7,08
x
7,07 7,07
V = 7,071 kN
H = 7,08 kN
y
7,08 7,08
x
7,07 7,07
Vmax = 0,40 kN
7,08 7,08
x
7,07 7,07
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4.12.7 Der kreisförmige Zweigelenkbogen mit einseitiger Linienlast auf die Grundfläche bezogen
Im Vergleich zu symmetrischen Linienlasten erzeugen unsymmetrische Lasten (hier einseitig, z. B. Schnee) bei Bogen
große Biegemomente Mz. Darüber hinaus erzeugen sie große Querkräfte Q in Querschnitten, die in der Symmetrieebene
liegen, wie in Bild 4-41 zu erkennen ist.
4,17 4,17
5,30 1,77
Nmax = 6,66 kN
4,17 4,17
x
5,30 1,77
4,17 4,17
x
5,30 1,77
Vmax = 1,93 kN
4,17 4,17
x
5,30 1,77
ux = 3,3; uy = 4,5
Bild 4-41: Der kreisförmige Zweigelenkbogen mit einseitiger Linienlast auf die Grundfläche bezogen
Für diesen Lastfall gibt es natürlich keine symmetrische Stützbogenform.
y
x
4.12.8 Zur Bedeutung der Stützbogenform
Veränderliche Einwirkungen besitzen die inhärente Eigenschaft, dass ihr Betrag Werte zwischen Null und einem
Größtwert annehmen kann unabhängig vom Ort, z. B. feldweise veränderlich oder wandernde Lasten. Für veränderliche
Einwirkungen kann es daher nicht die „eine“ Stützbogenform geben, sondern nur für ständige Einwirkungen. Die Wahl
der Stützbogenform der ständigen Einwirkungen für die Form eines Bogens kann demnach nur dann die Kosten günstig
beeinflussen, wenn die Beanspruchungen aus ständigen Einwirkungen für die Querschnittswahl maßgebend sind, wenn
die Konstruktion also sehr schwer ist, z. B. Bauteile aus Stahlbeton. Für leichte Konstruktionen aus Stahl und Holz
spielt die Stützbogenform keine wesentliche Rolle.
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Bild 4-52: Vorderansicht zeigt die nach außen gekrümmten Bild 4-53: Montage der Lärchenholzschalung zur
Zugbänder und die dadurch nach oben gekrümmte Geh- und Abdeckung der direkt bewitterten Außenseite der
Fahrbahn Bogen
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Vorlesung Form und Konstruktion 82
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4.13 Stabwerkskuppeln
4.13.1 Entwurfsvarianten
Die Stabstruktur der Schwedler-Kuppel besteht aus Stäben, die den Meridianen folgen und als Rippen bezeichnet
werden, und aus Stäben, die den Breitenkreisen folgen und als Ringe bezeichnet werden.
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4.13.3 Netzwerkkuppeln
Netzwerkkuppeln haben gegenüber den üblichen Kuppeln mit radialer Rippenanordnung den Vorteil, dass Kräfte
gleichmäßiger im Tragwerk verteilt werden. Das räumliche Netz aus unbeweglichen Dreiecken nähert sich mit kleiner
werdenden Stablängen den gewünschten Eigenschaften der Membran an. Es gibt keine deutliche Trennung zwischen
Primär- und Sekundärtragwerk, alle Stäbe können sowohl lastabtragende wie aussteifende Funktionen übernehmen.
Neben der kinematischen Stabilität werden aus konstruktiven und wirtschaftlichen Gründen bestimmte Anforderungen
an die Netzstruktur gestellt:
Der für seine Kuppelbauten in den sechziger Jahren bekannt gewordene R.B. Fuller konstruierte seine geodätischen
Kuppeln auf Basis des Ikosaeders, indem er die Begrenzungsflächen „aufzeltete“. Bild 4-68 zeigt den Ikosaeder als
Basis mit zunächst einem fertigen Segment und dann im Endzustand.
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Neuere Konstruktionen zeigen meist die Projektion eines Netzes auf flache Kugelkalotten. Ausführlich beschäftigt sich
Klimke (1986) mit der Netzgenerierung und verweist auf Spezialprogramme für diesen Zweck.
Durch die Wahl des ebenen Rasters aus gleichseitigen Dreiecken ergeben sich sechs gleiche Kuppelsegmente zwischen
den drei Hauptachsen, die sich im Pol der Kuppel schneiden. Jedes Segment ist in sich spiegelsymmetrisch, was bei der
Konstruktion des Knotendetails ausgenutzt werden kann.
Bei der senkrechten Projektion werden die Stäbe zum Kuppelrand länger. Die Winkel zwischen den Stäben bleiben in
der Projektionsebene gleich 60°. Bei dieser Konstruktion würden die Binder wie Gratsparren senkrecht zur Grundfläche
stehen.
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Um eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Stablängen zu erreichen, wird das Netz auf einen Punkt außerhalb der
Kugel projiziert. Durch diese Projektion liegen nur noch die Knoten der Hauptachsen in der Kugeloberfläche, während
die Nebenachsen in den Segmenten einem flacheren Bogen folgen. Da die Abweichung relativ gering ist, ist diese
Modifikation der Kugelform nicht wahrnehmbar.
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x r cos t
Px, y, z : y r sin t
z c t
mit 0 t 2, der Kreisfläche A = r² als Grundfläche und der Ganghöhe 2c. Wahrscheinlich in dem Bewusstsein,
dass die Herstellung gekrümmter Hüllflächen sehr großen Aufwand und damit hohe Kosten verursacht, hat der
Architekt die Kreisform verfremdet und durch eine sechseckige Form ersetzt. Dadurch konnte er die Gewindeoberfläche
durch 6 ebene, gleichseitige Dreiecke unterschiedlicher Seitenlängen approximieren. Darüber hinaus verfremdete er die
Schraubenform dadurch, dass er den eigentlich horizontalen Radien (Kanten) der Dreiecke eine Neigung gab.
a Schraubenlinie b Spirale
Bild 5-1: Ausgangsgeometrien zum Entwurf der Gebäudeform
Die Seitenlängen folgen den Radien der logarithmischen Spirale in Bild 5-1b
Der architektonische Reiz der Form besteht unter anderem darin, dass durch die Ganghöhe ein Sprung in der
Dachfläche entsteht, der durch ein Lichtband (eine vertikale Glasfassade) geschlossen wurde, durch die der zentrale
Versammlungsraum durch Tageslicht beleuchtet wird.
Die Entwurfsidee entspringt also geometrischen Formen, die mathematisch beschreibbar sind. Bei kritischer
Betrachtung der mathematischen Beschreibung stellt sich die Frage, wem oder was nützt sie in diesem Fall. Jedenfalls
hat der Architekt die in seinen Ausführungsplänen dargestellte Geometrie nicht mit Hilfe der Funktionen von Schraube
und Spirale berechnet.
Bevor die Form in Ausführungsplänen präzisiert werden konnte, mußte erst die Konstruktion entworfen werden, durch
die die Hülle getragen wird. Dabei war zu beachten, dass der Zweck des Tagungszentrums die Schaffung eines
zentralen, stützenfreien Raumes war, der 1000 Tagungsteilnehmern Platz bieten sollte. Die Hüllform besitzt ein
Zentrum, die Schraubenachse. In dieses Zentrum laufen 6+1 Grate (Radien), die die 6 ebenen gleichseitigen
Dreiecksflächen voneinander trennen. Jeder Grat liegt also in zwei Ebenen gleichzeitig, so dass die Grate im Zentrum
nicht gestapelt sondern nur höhengleich miteinander verbunden werden können. Diese geometrische
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Vorlesung Form und Konstruktion 90
Übergangsbedingung steht jedoch im Widerspruch zur Geometrie einer Schraube, bei der jeder horizontale Radius eine
andere Höhe besitzt. Das gilt eigentlich auch hier für die geneigten Grate.
Zur Auflösung des Widerspruchs hat sich der Tragwerksplaner zunächst Gedanken über das Tragverhalten der
Konstruktion gemacht. Dabei ging es insbesondere um das räumliche Zusammenwirken der 6+1 Grate im Zentrum, da
keine wirtschaftliche Lösung zu erwarten war, wenn die Grate von der Umfassungswand des Versammlungsraums bis
zum Zentrum über eine Länge von bis zu 15 m auskragen würden. Das statische Modell für die Grate wäre dann ein
S
Einfeldträger mit Kragarm gewesen: Einfeldträger im Bereich der Versorgungsräume und Kragarm im Bereich des
Versammlungsraumes.
Def
All
Das schließlich vom Tragwerksplaner gewählte und in Bild 5-5 dargestellte statische Modell leitet sich aus dem
Tragmodell in Bild 5-2 ab. Es zeigt zwei für die Spannweite L zu kurze Träger der Länge mit L/2< < L.
a Statisches Modell
b Belastung
2
y 3
5
1 4
x
2
y 3
c Durchbiegungen 5
1 4
(Verformungen) x
2
y 3
d Momente 5
1 4
x
Load Case 1
e Querkräfte 2
y 3
5
1 4
x
Bild 5-2: Zwei Stäbe der Länge > L/2 überspannen die Spannweite L >
Dadurch, dass > L/2 ist, überlappen sich die Träger um das Maß 2-L. Werden die Träger jeweils an ihren Enden mit
dem jeweils anderen Träger verbunden, entsteht ein inneres Kräftepaar, das jeden Träger für sich mit seiner Belastung
und Auflagerkraft ins Gleichgewicht bringt. Die inneren Kräfte und damit die Querkräfte im Überlappungsbereich
wachsen für L/2 über alle Grenzen bis die Konstruktion für = L/2 kinematisch wird. Werden die beiden Träger
gegeneinander geneigt, muss die eine Verbindung der beiden Stäbe über einen Pendelstab hergestellt werden. Es
entsteht ein Sprung in der Dachfläche und damit eine vertikale Hüllfläche, die als Glasfassade zur Beleuchtung des
Innenraums durch Tageslicht genutzt werden kann. Dieser Teil der Hüllfläche wird als Lichtband bezeichnet.
In Bild 5-3 wird das Tragprinzip auf einen ebenen Trägerrost aus 4 Trägern übertragen.
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Sections
20/100/GL28h
Default Colour
All loads
y x
y x
z
z
a Belastung b Durchbiegungen
y x y x
z z
c Biegemomente d Querkräfte
Bild 5-3: Quadratischer Trägerrost der Seitenlänge L aus 4 Trägern der Länge < L
Der quadratische Trägerrost in Bild 5-3 ist in Bild 5-4 als Tragmodell abgebildet. Das Modell unterscheidet sich von der
ase 1 My' (kN-m) Wirklichkeit dadurch, dass die
Static einzelnen
Case: Load Case 1Grate
Vz' (kN) gestapelt und nicht höhengleich miteinander verbunden sind. Dieser
Unterschied hat nur geometrische18, aber keine statische Bedeutung, wenn von dem Entwurf der Verbindung selbst
abgesehen wird.
18
Die geometrische Bedeutung besteht darin, dass die durch die Modellstäbe aufgespannten Dreiecke nicht eben sind.
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Vorlesung Form und Konstruktion 92
a Draufsicht
b Seitenansicht
c Seitenansicht Zentrum
Bild 5-5: Statisches Modell zum Konstruktionsentwurf
Das Ersetzen der gekrümmten Schraubenfläche durch 6 ebene Dreiecke hatte zur Konsequenz, dass auch die
Konstruktion innerhalb jedes Dreiecks in der Form eines dreieckigen Rasters gewählt wurde. Natürlich hätte auch ein
viereckiges Raster gewählt werden können. An den Rändern wären dann aber doch Dreiecke verblieben, was hier als
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Vorlesung Form und Konstruktion 93
inkonsequent in der Formgestaltung der Konstruktion angesehen wurde. Für die Triangulierung sprach auch, dass eine
Vielzahl der Bauteile austauschbar und damit die Verwechselungsgefahr bei der Montage geringer war.
Bild 5-6: Triangulierung der Schraubenform und der von innen sichtbaren Teile der Dachflächen
Schließlich stand der Tragwerksplaner vor der Entscheidung, wie die Verbindung der Substruktur (Träger der inneren
Dreiecke) mit den Graten statisch sinnvoll und wirtschaftlich gestaltet werden kann. Zwei Alternativen standen zur
Auswahl: Einteilige Grate mit Rechteckquerschnitt und räumlich komplizierten Verbindungsteilen (schiefwinklige
Schnittwinkel), oder zweiteilge Grate mit 2 Rechteckquerschnitten in V-förmiger Anordnung, so dass die eine
Hauptachse jedes Gratteils senkrecht auf der angrenzenden Dachfläche steht, mit relativ einfachen Verbindungsteilen
(Schnittwinkel 60° und 90°). Der Tragwerksplaner vermutete, dass die V-förmige Anordnung günstiger sei, und brachte
sie zur Ausführung.
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Vorlesung Form und Konstruktion 94
Das in Bild 5-2 erläuterte Tragprinzip lässt sich verallgemeinern, indem nicht nur 2 sondern 3 und mehr Stäbe auf
dieselbe Art mit einander verbunden werden. Dadurch lassen sich mit kurzen Stäben große Spannweiten überbrücken.
Werden mehrere der in Bild 5-4 dargestellten aus 4 Stäben bestehenden Trägerroste aneinander gereiht, entsteht zum
Beispiel der Trägerrost in Bild 5-9.
Bild 5-9: Trägerrost entstanden durch Aneinderreihung eines Trägerrostes aus 4 Trägern
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Vorlesung Form und Konstruktion 95
Fritz Zollinger wählte 1904 für seine Bauart einen spitzen Winkel zwischen den sich kreuzenden Stabzügen. Er
verwendete für die Stäbe gleichartige, hochkant stehende Brett- oder Bohlenabschnitte, Lamellen genannt, wobei in der
Mitte einer Lamelle 2 andere Lamellen angeschlossen wurden. Für den Anschluss mit Hilfe eines Schraubenbolzens
wurden die Lamellen an den Enden abgeschrägt (Schmiege). e steuert die Krümmung.
a b
c d
Bild 5-10: Zollinger-Bauart
Bei der Kostenermittlung von Konstruktionen aus Trägerrosten der hier beschriebenen Art ist zu beachten, dass die
Kosten für die Vielzahl von Verbindungen der einzelnen Träger untereinander und für eine Vielzahl von
Montagetürmen berücksichtigt werden müssen.
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Vorlesung Form und Konstruktion 96
Statisch
modellieren Versuch und Irrtum
Mathematische
Statische Modelle Darstellungen
berechnen verwenden
Mathematisch Kommunizieren
argumentieren
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Vorlesung Form und Konstruktion 97
Den Grundriss der Kohlelagerhalle in Bild 5-13 bildet ein regelmäßiges 16-Eck mit einem Durchmesser von ca. 60 m.
Das Primär-Tragsystem besteht aus 16 radial angeordneten Rippen aus Brettschichtholz, die auf ca. 2 m hohen
Stahlbetonwiderlagern ruhen.
Das Zusammenwirken der Stabachsen in Bild 5-14 könnte derart geplant werden, dass jeweils 2 gegenüber liegende
Rippen einen Rahmen bilden, wie er in Bild 5-15 als Modell abgebildet ist. Dann werden die Rippen durch
Normalkräfte und insbesondere durch Biegemomente beansprucht. Die horizontale Auflagerreaktion nH in MN/m (pro
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Vorlesung Form und Konstruktion 98
laufenden Meter des Kuppelumfangs L) infolge der auf die Grundfläche der Kuppel bezogenen vertikalen Flächenlast
p in MN/m² ergibt sich aus dem Momentengleichgewicht am halben System
L pL L pL L pL L pL2
nH h nV nH
2 4 3 4 2 4 3 24h
d Verformngen
c Belastung
y y
x x
e Normalkräfte f Biegemomente
Bild 5-15: Jeweils 2 gegenüber liegende Rippen wirken als Dreigelenkrahmen
Da die Biegemomente große Rippenquerschnitte erfordern, kann es wirtschaftlich sein, das Zusammenwirken der
Konstruktionsteile durch ein Tragprinzip zu erzeugen, dass dem einer Schale entspricht. Eine ideale Schale wird nur
durch Membranspannungen, die in der Schalenfläche wirken, und nicht durch Biegespannungen beansprucht. Für eine
Konstruktion, die diese Tragwirkung ermöglicht, sollten also geringere Rippenquerschnitte und damit ein geringeres
Konstruktionsvolumen möglich sein.
Zur Veranschaulichung des Tragprinzips einer Schale kann das zuvor für den Rahmen genutzte Modell verwendet
werden, indem die Streben, die zuvor die biegesteife Rahmenecke erzeugten, gelöst werden. Dieser Zustand ist in Bild
5-16a dargestellt. Er zeigt Rahmen mit 5 Gelenken, die beweglich (kinematisch) sind und daher keinen Widerstand
leisten können.
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Vorlesung Form und Konstruktion 99
Im Modell in Bild 5-17 wurden die Rahmen durch Stäbe ergänzt, die die 4 Rahmenecken miteinander verbinden. Diese
Stäbe, die hier ein Quadrat bilden, bilden in der Kohlelagerhalle ein 16-Eck und werden verallgemeinernd als Ring
bezeichnet. Bei symmetrischer Belastung in Bild 5-17a wird der Ring auf Zug beansprucht und alle anderen Stäbe, die
Rippen, auf Druck. Es entstehen keine Biegemomente. Der angestrebte Zustand ist aber noch nicht vollständig erreicht,
da die Konstruktion bei unsymmetrischer Belastung, wie in Bild 5-17b gezeigt, keinen Widerstand leisten kann..
Erst wenn wie in Bild 5-18 weitere Stäbe eingefügt werden, die jede Rippenecke mit dem Fußpunkt jeder benachbarten
Default Colour
All loads
Rippe verbinden, besitzt das Modell ein Tragverhalten, das dem einer idealen Schale entspricht.
Bei der Kohlelagerhalle hatte sich der Tragwerksplaner für das Tragprinzip der Schale entschieden. In Bild 5-19 sind
ein oberer und ein unterer Ring und die Diagonalen, die die Rippen in Höhe des Rings mit den Fußpunkten der
benachbarten Rippen verbinden, gut zu erkennen. Dem Tragprinzip der Schale folgend könnten die Rippen in Höhe
jedes Ringes ein Gelenk besitzen. Dann müßte die Montage so erfolgen, dass die Konstruktion unterhalb eines Ringes
solange durch Montagetürme gestützt wird, bis der Ring geschlossen ist. Da für jeden Ring eine Vielzahl von
Montagetürmen (hier 16 Türme) zu errichten sind, ist es wirtschaftlich, die Rippen im Bereich eines Ringes biegesteif
durchlaufen zu lassen, also möglichst wenig Gelenke zu wählen. Der Montageaufwand wächst also in dem Maße an,
wie das Stabtragwerk dem Schalentragverhalten angepasst wird. Andererseits sind die Längen der Rippen auch wegen
ihrer Krümmung durch die Transportmöglichkeiten begrenzt.
Durch den Transport bedingt, wurde hier neben dem First- und Fußgelenk in jeder Rippe in Höhe des oberen Ringes ein
Gelenk angeordnet. Damit bildet jedes der 8 Rippenpaare, als ebenes Tragwerk betrachtet, ein 5-Gelenk-System, dessen
räumliches Tragverhalten in Verbindung mit den beiden Ringen und den Diagonalen dem Schalentragverhalten sehr
nahe kommt.
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Vorlesung Form und Konstruktion 100
Bild 5-19: Konstruktion mit Ring und Diagonalen nach Art einer Schale
Zur Abschätzung der Normalkräfte in den Rippen und Ringen wird im Folgenden als statisches Modell anstelle eines
Stabmodells das in Bild 5-20 dargestellte rotationssymmetrische Schalenmodell verwendet.
: Meridianwinkel Auflagerneigung:
: Umfangswinkel y(h ) tg
L
a=y(x): Breitenkreisradius 4h
Elliptisches:
𝑥 2 𝑦2 Membranbeanspruchungen:
+ −𝑧=0
𝑎2 𝑏 2 pL2 1
n
16h cos
Paraboloid:
pL2
n cos
16h
t0
Auflagerkräfte:
pL
nV
4
pL2
nH
16h
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Vorlesung Form und Konstruktion 101
Der Membranspannungszustand der Schalen erinnert an den Bogen, der infolge einer gewählten Belastung dann
ausschließlich durch Normalkräfte beansprucht wird, wenn seine Form der Stützlinie dieser Belastung folgt. Dabei
wurde der Bogen immer als symmetrisch vorausgesetzt. Nun ist es naheliegend, auch bei Schalen die Existenz einer
solchen speziellen Stützform zu vermuten. Dies ist jedoch nur bei Tonnenschalen der Fall. Ihre Stützform ist identisch
der des Bogens. Bei Rotationsschalen und rotationssymmetrischer Belastung ist keine spezielle Stützform erforderlich,
um einen idealen Membranspannungszustand zu erzeugen.
Abschließend muss nun geklärt werden, wie die Membranspannungen n und n in Stabkräfte umgerechnet werden
können. Hierzu dient Bild 5-21. Die Rippen und die Ringe werden auf Druck beansprucht. Die Ersatzstablänge ef ist
für den Druckspannungsnachweis der Rippen von Bedeutung. Die Ersatzstablänge ef der Ringe ist gleich dem
Rippenabstand in Höhe des jeweiligen Rings.
Wie bereits bei den Bogenkonstruktionen muss darauf hingewiesen werden, dass hier nur die Auswirkungen von
rotationssymmetrischen Belastungen behandelt wurden. Diese Belastungen sind nur bei großem Eigengewicht der
Konstruktion für die Wahl der Querschnittsform der Bauteile maßgebend. Bei leichten Stahl- oder Holzkonstruktionen
sind jedoch die unsymmetrischen Belastungen aus z. B. Schnee und Wind maßgebend. Ihre Auswirkungen auf
schalenartige Konstruktionen können hier noch nicht behandelt werden.
Durch Insolvenz eines der beteiligten Unternehmen wurde vom Bauherrn versucht, die Lagerhalle ohne Kenntnis des in
der statischen Berechnung zu Grunde gelegten Tragprinzips zu montieren. Aus Bild 5-22a lässt sich schließen, dass das
Montageunternehmen bei seinem Versuch davon ausging, dass jeweils 2 gegenüberliegende Rippenpaare einen
Dreigelenkrahmen bilden. In Wirklichkeit bilden sie jedoch wegen der beiden Gelenke in Höhe des oberen Ringes ein
5-Gelenksystem. Ohne Montagetürme unter den oberen Ringabschnitten bilden die beiden Rippenpaare eine
kinematische Kette.
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Vorlesung Form und Konstruktion 102
a b
c d
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Vorlesung Form und Konstruktion 103
Wegen ihrer Bogenform werden die Hauptträger auch als Linsenträger bezeichnet. Sie bestehen aus Ober- und
Untergurt, die durch die Füllstäbe (Vertikale und Diagonale) gespreizt erscheinen. Die Hauptträger sind also eine Art
Fachwerkträger. Die Spreizung war von Laves ausdrücklich gewollt, da er damit seine Idee des unterspannten Trägers
verwirklichte. Seine Idee, die damals nicht neu war, entsprang seinen Erfahrungen mit Holzbalken, deren Tragfähigkeit
(Bild 5-24a) er dadurch wesentlich vergrößern konnte, dass er sie in halber Höhe über die ganze Länge auftrennte (Bild
5-24b) und durch einen oder mehrere kurze Stäbe spreizte. Er vergrößerte also den inneren Hebelarm ohne dabei das
Konstruktionsvolumen wesentlich zu vergrößern.
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Vorlesung Form und Konstruktion 104
a Rahmentragwerk b Biegebalken
Bild 5-25: Statisches Modell der Schale im Vergleich zum unterspannten Träger
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Vorlesung Form und Konstruktion 105
Bild 5-27
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Vorlesung Form und Konstruktion 106
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Vorlesung Form und Konstruktion 107
6 Der Einfluss der Statik auf Konstruktion und Form oder: Wenn die Statik die Form
bestimmt
Zum kreativen Schaffen des Tragwerksplaners zählt also neben dem Entwurf der formerhaltenden Konstruktion die
Entwicklung des Tragmodells. Dabei besteht die Gefahr, dass der Tragwerksplaner mit Blick auf den Planungsaufwand
die Konstruktion und ihre Form so wählt, dass sie mit den ihm verfügbaren Rechenmethoden berechenbar ist. Zu den
Rechenmethoden zählen neben den aufwendigen analytischen Verfahren der Mechanik und Statik insbesondere die
numerischen Näherungsverfahren und Daumenformeln. Die beiden letzteren Verfahren stehen dem Ingenieur heute als
Software mit benutzerfreundlichem Pre- und Postprozessing zur Anwendung zur Verfügung.
Zu Beginn des Ingenieurwesens in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts standen nur zwei Näherungsverfahren zur
Verfügung. Das waren der Rechenschieber, der die Eigenschaften des Logarithmus nutzt, und graphische Verfahren.
Die Verfügbarkeit von Näherungsverfahren war also im Vergleich zum heutigen Ingenieuralltag sehr begrenzt.
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e Messestand der Keller AG auf der Swissbau 1984 f seitliche Ansicht der gekrümmten Ringträger
Bild 6-2: Beispiele für Ringträger
Für den Versuchsträger in Bild 6-2a ist das statische Modell in Bild 6-3 dargestellt. Die darin enthaltenen fiktiven Stäbe
sind in Wirklichkeit nicht vorhanden. Sie dienen zur Modellierung des Abstandes der Stabachsen der Gurte und der
Ringe.
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Der Übergang vom Fachwerkträger zum Ringträger ist in Bild 6-4 dargestellt.
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Bild 6-7: Für das statische Modell verwendetes Stabwerk der Holzkonstruktion der Gingko Bar
Ähnlich wie bei den Ringträgern kann es durchaus auch heute im Einzelfall vorkommen, dass der Tragwerksplaner
einem individuellen Modellentwurf aus dem Wege geht und Formen und Konstruktionen so lange „verbiegt“, bis er
dafür ein ihm bekanntes, in der Theorie bereits gelöstes oder von seiner Statiksoftware lösbares statisches Modell
gefunden hat. Ein solches Handeln ist nicht kreativ, sondern lässt sich bestenfalls als reproduzierend bezeichnen. Nun
kann natürlich der Grund hierfür Unkenntnis des Ingenieurs sein. Häufig kann der Tragwerksplaner aber gar nicht
anders handeln, weil ihm der Bauherr eine aufwendigere kreative Lösung nicht bezahlt.
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7.2 Beispiel
Bild 7-7
Bild 7-8
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Bild 7-13
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19
Assoziationen: provokativ
Querdenken
Crash von Ideen
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Als menschliches Versagen kommen z. B. für den in Bild 8-1 dargestellten Fachwerkbinder in Nagelplattenbauart in
Betracht:
Bild 8-1: Satteldachförmiger Fachwerkträger nach Eintritt eines lokalen Versagens im Zuggurt des mittleren
Trägerfeldes
Das außergewöhnliche Ereignis E kann z. B. im lokalen (spröden) Versagen eines Binders als Haupttragelement nach
1.5.10 des EC1-1-7 im Bezugszeitraum nach dem Aufsetzen auf die Ringbalken bestehen.
Nach Prinzip (5) ist die mögliche Schädigung – richtig müsste es heißen: … sind die Auswirkungen einer möglichen
Schädigung (als Folge menschlichen Versagens) – durch die angemessene Wahl einer oder mehrerer der folgenden
Maßnahmen zu begrenzen bzw. zu vermeiden:
dass die Gefährdungen, denen das Tragwerk ausgesetzt sein kann, verhindert, ausgeschaltet oder gemindert
werden, z. B. durch Anprallschutz, Abtauen von Schnee, Überhöhung zur Vermeidung von
Wassersackbildung, Beschränkung der Besucherzahl,
dass die Anfälligkeit gegen die hier betrachteten Gefährdungen gering bleibt, z. B. Bemessung für Anprall,
Explosion, … (Entwurfsziel: angemessene Sicherheit gegen lokales Versagen)
dass das zufällige (durch die Schädigung eintretende) Versagen eines einzelnen Bauteils oder eines begrenzten
Teils des Tragwerks nicht zum Versagen des Gesamttragwerks führt, z. B. alternative Lastpfade, die ein
mehrfach redundantes Tragwerksmodell voraussetzen,
dass, wenn möglich, Tragsysteme vermieden werden, die ohne Vorankündigung total versagen können,
dass Tragelemente gekoppelt oder entkoppelt werden.
Bild 8-2: Schlecht: Versagen in einem Feld führt zum progressiven Kollaps
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Kollapsmechanismus Das Dach- oder Deckentragwerk aus Holz Nachweise in der Nachweis der
und Maßnahme zur besteht aus einem oder mehreren Biegeträgern gewöhnlichen vereinbarten
Verbesserung der als Haupttragelementen und Nebenträgern Situation Begrenzung der
Robustheit Schadensfolgen
A Kollapsresistenz durch Die Biegeträger Versagt ein
alternativen Lastpfad werden als Biegeträger, wird er
Einfeldträger geplant nach Vereinbarung
und für MGQ von quer über L
nachgewiesen. durchlaufenden
Nebenträgern
gestützt. Sie werden
als alternativer
Lastpfad geplant.
Biegenachweis der
Nebenträger in der
außergewöhnlichen
Situation für MA.
Bild 8-4: Versagensarten von Tragwerken und Begrenzung der Schadensfolgen - Robustheitsnachweis
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9 Multifunktionale Strukturen
9.1 Wandaufbau
Bild 9-1
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10 Wissensbasierte Tragwerksplanung
Die programmtechnische Umsetzung der Punkte 1-6 führt zur wissensbasierten Tragwerksplanung.
Bild 10-1: Die programmtechnische Umsetzung der Punkte 1-6 führt zur wissensbasierten Tragwerksplanung.
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Bild 10-2
Bild 10-3
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Bild 10-4
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Klasse Wandelement
Inhalt der Slots
Attribute:
- Position im Gebäude
- Länge
- Höhe
- Rastermaß
- Querschnittsabmessungen und Material von Schwelle, Stielen, Rähm und Beplankung
- Materialdaten
- Anzahl und Position der Stiele
- Kosten
- Anschluss Schwelle, Rähm, Stiel an die Beplankung
- Dämmmaterial (Art, Dicke)
- Auflagerkräfte (Größe und Position)
- Auflagerausbildung (Klasse Anschluss)
Methoden:
- Vertikale Last [Parameter: Lastgröße Position]
- Horizontale Last [Parameter: Lastgröße, Position]
Bild 10-5
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Bild 10-6
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10.6.1 Eichenfachwerkknoten
Bild10-13: Explosionsdarstellung
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Bild 10-14
Bild 10-15
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Bild 11-55
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Aufbauend auf die im Teil 1 der Aufgabe gemachten Erfahrungen mit einfachen Stäben soll im Teil 2 das Verhalten
einfacher Tragwerke aus mehreren Stäben, der Einfluss der Art der Lagerung und Verbindung der Stäbe auf das
Tragverhalten oder die Möglichkeit von Verstärkungsmaßnahmen untersucht werden.
Ihre Aufgabe besteht darin, das Verhalten und die Konstruktion folgender Bauteile zu untersuchen und anschaulich
darzustellen:
1. Einfeldträger im Vergleich mit Durchlaufträgern, Gerberträgern und Koppelträgern
2. Biegesteifer Stoß (z. B. bei Teilersatz eines im Auflagerbereich zerstörten Holzbalkens oder als Verbindung Stütze-
Riegel bei Rahmenecken)
3. Verbindung von Hauptträgern mit ein- und beidseitig angeordneten Nebenträgern, Übergang zum Trägerrost
4. Schiefwinklige Anschlüsse Haupträger-Nebenträger
5. Auflagerausbildung bei gelenkiger Lagerung (Stahlbeton, Stahl, Holz) im Hochbau
6. Verstärkungen von Balken (Ergänzung des Querschnitts oben oder/und unten mit gleichem Material oder mit steifen
Deckschichten)
7. Verstärkungen von Balken (Ergänzung des Querschnitts einseitig und beidseitig mit gleichem oder mit steiferen
Werkstoffen)
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Vorlesung Form und Konstruktion 139
12 Literaturverzeichnis
Addis, W. (1990) Structural Engineering: the Nature of Theory and Design. Ellis
Horwood Ltd. Chichester, England
Cox, H. (1965) The Design of Structures of Least Weight. Pergamon Press, Oxford
Engel, Heino (1997) Tragsysteme. Structure Systems. 4. Aufl./2009 Heino Engel und
Hatje Cantz Verlag
Falter, H.; Kahlow, A.; Kurrer, K.-E. (2001) Vom geometrischen Denken zum statisch-konstruktiven Ansatz im
Brückenentwurf. Bautechnik 12/78 889-902
Führer, W. et al. (1995) Der Entwurf von Tragwerken. 2. Aufl. Verlagsgesellschaft Rudolf
Müller Köln
Heinle, E. und Schlaich, J. (1996) Kuppeln, aller Zeiten – aller Kulturen. DVA Stuttgart
Killer, J. (1985) Die Werke der Baumeister Grubenmann. Birkhäuser Verlag, Basel
Michell, A.G. M. (1904) The Limits of Economy of Material in Frame-structures. Phil. Mag.
(Series 6), 8, 589-597
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