Small Modular Reactors
Sollte man die kleinen modularen Reaktoren nicht eher "Small Marketing Reactors" nennen? - Bislang gibt es nur Hochglanzprospekte!
Weltweit gibt es unzählige unterschiedliche Konzepte und Entwicklungen von Small Modular Reactors, kurz SMR. Die meisten davon befinden sich in einem frühen Entwicklungsstadium und ihre Marktaussichten sind zum derzeitigen Zeitpunkt nicht absehbar. Es gibt noch zahlreiche ungeklärte Themen und Aspekte. Dies zeigt auch eine vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Analyse von verschiedenen SMR-Konzepten.
Viele Länder – darunter auch Nachbarstaaten Österreichs – wollen mit der Kernenergie der Klima- und Energiekrise begegnen und glauben, dass kleine seriell produzierte SMR den Durchbruch bringen. Industrie und Finanzmarkt erzeugen einen Hype, weshalb derzeit für unterschiedliche – oftmals noch in der Entwicklungsphase stehende – Konzepte und Geschäftsideen um Finanzierungen geworben wird. SMRs sollen – sehr ambitionierten Planungen zufolge – bereits Anfang der 2030er Jahre in Betrieb gehen. Verschiedene Gründe lassen die tatsächliche Umsetzbarkeit im angegebenen Zeitrahmen bezweifeln sowie Sicherheit und Nutzen von SMR im Allgemeinen kritisch erscheinen.
10 Gründe, wieso SMR kritisch zu sehen sind:
Aufgrund der relativen Neuartigkeit von SMRs bestehen bisher praktisch keine Erfahrungen. Dies birgt potenzielle Sicherheitsrisiken. Die von Entwicklern verlautbarten Pläne sehen etwa vor, dass SMRs auch von Firmen aus gänzlich anderen Wirtschaftszweigen errichtet und betrieben werden können, was Fragen betreffend die erforderliche Expertise im Bereich von Kernenergie und Strahlenschutz aufwirft.
Die Industrie fordert Erleichterungen bei der Genehmigung durch eine standardisierte und vereinfachte Typengenehmigung. Die Aufsichtsbehörden verweisen jedoch auf notwendige Prüfungen. Der Druck von Industrie und Politik auf schnellere Bewilligungsverfahren steigt. Auch ist nicht geklärt, wie die Überprüfung und der Nachweis der Fertigungsstandorte durchgeführt werden könnte.
Es braucht jedenfalls dieselben Sicherheitsanforderungen für SMRs wie für große Kernkraftwerke.
Derzeit verfügbare Pläne für SMRs zeigen bei den anwendungsnahen Konzepten grundlegende Nachteile gegenüber Großanlagen im Schutz gegen arglistige, böswillige Handlungen von innerhalb und außerhalb der Anlage sowie in der vorgelagerten Fertigungsindustrie.
SMRs sollen serienmäßig gefertigt werden und sind daher nicht auf spezifische Standorte ausgelegt. Aus diesem Grund gibt es erhebliche Bedenken betreffend eine vollständig standortunabhängige Typenbewilligung ohne wesentliche weitere Prüfung durch Genehmigungsbehörden und für konkrete Standorte. Eine entsprechende Eignung für einen konkreten Standort wäre jedenfalls zu erbringen.
Aktuelle Konzepte von SMRs deuten auf grundlegende Nachteile gegenüber Großanlagen bezüglich die Weiterverbreitung von kernwaffenfähigem Material und Technologien hin, etwa aufgrund einer höheren Anreicherung von Spaltstoffen.
Es ist davon auszugehen, dass die Menge an radioaktiven Abfällen und abgebrannten Brennelementen – bezogen auf die abgegebene Leistung – nicht reduziert wird, sondern sogar ansteigt.
Es bleibt abzuwarten, in wie weit Kosteneinsparungen durch die modulare, standardisierte und serienmäßige Fertigung von SMRs an zentralen Industriestandorten erreichbar sind. Es ist unwahrscheinlich, dass der strukturelle Kostennachteil von Reaktoren mit geringer Leistung durch Lerneffekte und hohe Stückzahlen ausgeglichen werden kann.
Globale und komplexe Versorgungs- und Lieferketten für den Serienbau und Betrieb von SMRs erzeugen ein hohes Potential an Abhängigkeiten und brauchen außerdem ein stabiles politisches, rechtliches und finanzielles Umfeld. Erhebliche Investitionen wären auch vor dem Beginn des Serienbaus von SMRs zu tätigen.
Die Errichtung einer SMR-Fertigungsindustrie führt aufgrund der Festlegung auf einen oder wenige SMR-Typen außerdem zu Lock-In-Effekten.
Zusätzlich besteht ein hoher Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften an den Standorten, an denen die Module vorgefertigt werden sollen. Die Lieferketten von Einzelteilen, Dienstleistungen, et cetera müssten erst aufgebaut werden. Gerechnet auf die installierte Erzeugungsleistung benötigen SMRs einen höheren Einsatz von qualifiziertem Personal und sicherheitsrelevanten Systemen.
Erneuerbare Energieträger und die Kernenergie sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Energieerzeugungsprofile nur bedingt kombinierbar. Wenn gerade viel Strom durch erneuerbare Energiequellen erzeugt wird, müsste man die Leistungsabgabe einer SMR-Flotte drosseln, um das Stromnetz nicht zu überlasten. Da SMRs nur mit einer hohen Auslastung die großen Investitionskosten amortisieren können, ist ein Zusammenspiel der beiden Technologien aus ökonomischer Sicht nicht vertretbar.
Technische Analyse
Um einen Überblick zu erhalten, hat das Bundesministerium eine technische Analyse von verschiedenen SMR-Konzepten in Auftrag gegeben.
Untersucht wurden die sechs am weitesten fortgeschrittenen und relevantesten SMR-Konzepte. Dabei wurden die verschiedenen Konzepte aus technischer Sicht vergleichend gegenübergestellt und ihre sicherheits- sowie verfahrenstechnischen Eigenschaften analysiert. Auch wurden Fragen zur Genehmigung und Ökonomie behandelt.
Die Analyse zeigt auf, dass von den derzeit massiv beworbenen Konzepten nur wenige realistisch sind und dass selbst die am weitesten entwickelten/fortgeschrittenen mit vielfältigen Problemfeldern konfrontiert sind. Es gibt zahlreiche ungeklärte sicherheitstechnische sowie regulatorische Punkte (unter anderem neuartige Konstruktionslösungen, reduzierte Sicherheitssysteme, Materialien und Herstellungsmethoden) und Aspekte bei der Standortbewertung betreffend Auswirkung externer Gefahren sowie hinsichtlich neuer Betreiber aus anderen Wirtschaftsbereichen. Weitere offene Themen betreffen die Fertigung von SMRs und ihren tatsächlichen Einsatz.
Die SMR-Analyse bestätigt damit: Auch wenn man angesichts der geradezu euphorischen Ankündigungen der Industrie anderes erwarten würde, ist es sehr unwahrscheinlich, dass eine breite Einführung von SMRs in den nächsten 10 Jahren stattfinden wird.
Argumente gegen die Kernenergie gelten für SMRs gleichermaßen wie für große Anlagen. Die Entwicklung von SMRs ist auch deshalb abzulehnen, weil sie im Kampf gegen den Klimawandel deutlich zu spät käme. Es braucht jedenfalls dieselben Sicherheitsanforderungen für SMRs wie für große Kernkraftwerke.