VO Betonbau PDF
VO Betonbau PDF
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aus Betonbau
S-3-01/2004
Sparowitz Lutz
Institut für Betonbau
Technische Universität Graz
Präambel 6
1.1 Allgemeines 7
1.2 Umwelteinflüsse 8
1.3 Mindestbetondeckung 10
1.3.1 Allgemeines 10
1.3.2 Schutz der Bewehrung vor Korrosion 10
1.3.3 Sicherstellung der Übertragung von Verbundkräften 11
1.3.4 Mindestbetondeckung für den Brandschutz 11
1.3.5 Nominale Betondeckung 11
2.1 Allgemeines 12
2.2 Einwirkungskombinationen (EK) im ULS 15
2.2.1 Maßgebende EK für die Bemessung bei reiner Biegung (N=0) 15
2.2.2 Maßgebende EK für die Bemessung bei reiner Normalkraft (M=0) 17
2.2.3 Maßgebende EK für die Bemessung bei Biegung mit Längskraft 17
2.2.4 Maßgebende EK für die Querkraftbemessung 17
2.2.5 Maßgebende EK für die Bemessung bei Torsion 17
2.2.6 Maßgebende EK für die Bemessung bei Querkraft und Torsion 17
2.3 Mechanische Materialeigenschaften 18
2.3.1 Beton 18
2.3.2 Bewehrungsstahl 23
2.3.3 Verbundwirkung 26
2.4 Ermittlung des Querschnittswiderstandes bei Biegung 38
2.4.1 Einführung 38
2.4.2 Berechnung der reaktiven Schnittgrößen zu einem
vorgegebenen Dehnungszustand 39
2.4.3 Gleichgewicht zwischen aktiven und reaktiven Schnittgrößen 42
2.5 Grenzdehnungszustände 43
2.6 Nachweis der Tragfähigkeit bei überwiegender Biegebeanspruchung 45
2.7 Bemessung bei reiner Biegung (NSd = 0) 46
2.7.1 Fragestellung 46
2.7.2 Iterative Ermittlung des Grenzdehnungszustandes 47
2.7.3 Bemessung der Biegezugbewehrung 50
2.8 Verstärken der Druckzone mit einer Druckbewehrung 51
2.9 Bemessung bei Biegung mit Längskraft
und großer Lastausmitte 54
2.10 Bemessung eines zentrisch beanspruchten Druckstabes 55
2.11 Bemessung eines Zugstabes im ULS 56
3.1 Einführung 57
3.2 Maßgebende Einwirkungskombinationen (EK) im SLS 58
14.11.01 1
Inhaltsverzeichnis
3.3 Materialeigenschaften 59
3.3.1 Zugfestigkeiten von Beton 59
3.3.2 Elastizitätsmodul von Beton 60
3.3.3 Stoffgesetze im SLS 60
3.4 Spannungsnachweise im SLS 61
3.4.1 Druckstab 61
3.4.2 Zugstab 63
3.4.3 Biegestab 64
3.5 Rißbreitennachweis 67
3.5.1 Einführung 67
3.5.2 Rißbildungs- und Rißentwicklungsmechanismus 68
3.5.3 Rechnerische Rißbreite 73
3.5.4 Rißformeln 75
3.6 Verformungsnachweis 82
3.6.1 Verformungsgrenzen 82
3.6.2 Einführung 83
3.6.3 Berechnung der Durchbiegung nach dem Prinzip der virtuellen Arbeit
(Wiederholung aus der LV Baustatik) 84
3.6.4 Momenten-Krümmungs-Beziehung 87
3.6.5 Krümmungszunahme durch Kriechen und Schwinden 91
3.6.6 Durchbiegungsberechnung auf der Basis
der nichtlinearen M/J-Beziehung 95
3.6.7 Vereinfachte Durchbiegungsberechnung -
aus elastischer Lösung abgeleitet 96
3.6.8 Begrenzung der Durchbiegung durch eine entsprechende Festlegung der
Biegeschlankheit 98
3.6.9 Maßnahmen zur Steuerung der Verformung 100
4. Platten 101
14.11.01 2
Inhaltsverzeichnis
7. Spannbeton 184
9. Querkraft 290
14.11.01 3
Inhaltsverzeichnis
10.Torsion 324
14.11.01 4
Inhaltsverzeichnis
13.Umlenkkräfte 462
14.11.01 5
Präambel
Präambel
14.11.01 6
1. Dauerhaftigkeitskriterien bei Betonkonstruktionen
1.1 Allgemeines
Ein Tragwerk ist „dauerhaft“, wenn es während der vorgesehenen Nutzungsdauer seine Funktion hin-
sichtlich der Gebrauchstauglichkeit, Standfestigkeit, Tragfähigkeit und Stabilität bei einem angemesse-
nen Instandhaltungsaufwand erfüllt.
Die Dauerhaftigkeit gilt als gewährleistet, wenn neben den Nachweisen in den Grenzzuständen der
Tragfähigkeit und den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit auch die Betontechnologie (Festig-
keit, Dichtigkeit etc.) und die Betondeckung den Umwelteinflüssen Rechnung trägt.
Ein Tragwerk ist derart zu gestalten, daß es robust ist gegenüber flüssigen und gasförmigen Substan-
zen, die in die Struktur eindringen können. Insbesondere sind kritische Bereiche, wie Kanten, Ecken, Fu-
gen etc. entsprechend konstruktiv durchzubilden. Alle der Witterung ausgesetzten Betonoberflächen
sollten mit Gefälle planmäßig entwässert oder abgedeckt werden. (Verblechung, Abdichtung etc.)
Alle hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit kritischen Bereiche sollten für Inspektion und Wartung zugäng-
lich sein.
14.11.01 7
1. Dauerhaftigkeitskriterien bei Betonkonstruktionen
1.2 Umwelteinflüsse
Umwelteinflüsse sind chemische und physikalische Einwirkungen, denen der Beton ausgesetzt ist und
die Auswirkungen zur Folge haben, die nicht in den Lastannahmen für die Tragwerksplanung berück-
sichtigt werden können.
Chemischer Angriff kann verursacht sein durch:
• die Nutzung (z.B. Lagerung von Flüssigkeiten usw.)
• aggressive Umweltbedingungen
• Berührung mit Gasen oder Lösungen (Säurelösungen, Lösungen aus Schwefelsalzen etc.)
• im Beton enthaltene Chloride
• Reaktionen zwischen Betonbestandteilen (z.B. Alkalireaktion von Zuschlägen)
Physikalischer Angriff kann erfolgen durch:
• Abnutzung (Abrieb)
• Temperaturwechsel
• Frost-Tau-Wechselwirkung
• Eindringen von Wasser
Die Aggressivität der Umwelteinflüsse wird durch sog. Expositionsklassen (Umweltklassen) in der Ta-
belle 1.1 und der Tabelle 1.2 definiert.
Kein Angriffsrisiko
XA3 chemisch hoch aggres- Industrieabwasseranlagen mit sehr stark che- C35
sive Umgebung misch angreifendnen Abwässern (z.B. Käse-
reien)
XF4 hohe Wassersättigung mit Straßenbeläge und Randbalken bei Brücken, C30
Taumittel die mit Tausalz behandelt werden
14.11.01 8
1. Dauerhaftigkeitskriterien bei Betonkonstruktionen
XC4 zyklisch naß und trocken Außenbauteile mit direkter Beregnung, Bau- C30
teile in Wasserwechselzonen
XD3 zyklisch naß und trocken Bauteile im Spritzwasserbereich von tausalz- C35
behandelten Straßen und Parkdecks
XS2 unter Wasser Bauteile, die ständig unter Meerwasser liegen C35
Um die Bewehrung wirksam vor Korrosion zu schützen, sind folgende Kriterien zu erfüllen:
(1) ausreichende Betongüte (Dichtheit)
(2) ausreichende Betondeckung
(3) ausreichend kleine Rißbreiten
Die Forderung (1) gilt als erfüllt, wenn die in der Tabelle 1.1 und der Tabelle 1.2 angeführten Mindest-
betongüten und die Mindestbetondeckungen nach Tabelle 1.3 eingehalten sind.
Die Forderung (3) wird rechnerisch nachgewiesen (Abschnitt 3.5).
14.11.01 9
1. Dauerhaftigkeitskriterien bei Betonkonstruktionen
1.3 Mindestbetondeckung
1.3.1 Allgemeines
Die Betondeckung ist der Abstand zwischen der äußeren Oberfläche der Bewehrung (einschließlich der
Bügel) und der zugehörigen Betonoberfläche.
Die Betondeckung hat folgende Funktionen:
(1) Schutz des Stahles gegen Korrosion
(2) Sicherstellung der Übertragung von Verbundkräften
(3) angemessener Brandschutz
Der Schutz der Bewehrung gegen Korrosion hängt vom ständigen Vorhandensein eines alkalischen Mi-
lieus ab, das durch eine angemessene Dicke und gute Qualität des entsprechend nachbehandelten Be-
tons erzielt wird.
Die erforderliche Betondeckung hängt sowohl von den Umweltbedingungen als auch von der Güte des
Betons ab. Unter Einhaltung der Mindestbetongüte nach der Tabelle 1.1 und der Tabelle 1.2 kann die
Mindestbetondeckung der Tabelle 1.3 entnommen werden.
Expositions- XC1 XC2 XC3 XC4 XD1 XD2 XD3 XS1 XS2 XS3
klasse
Schlaffstahl 10 20 25 40 40
Spannstahl 20 30 35 50 50
Für plattenförmige Bauteile darf die Mindestbetondeckung nach Tabelle 1.3 um 5 mm reduziert werden
- mit Ausnahme der Klasse XC1. Dasselbe gilt auch für andere Bauteile, wenn die Betongüte um zwei
Klassen höher ist als die Mindestfestigkeiten in den Tabellen 1.1 und 1.2 und eine entsprechende Anzahl
von Abstandhaltern vorhanden ist.
Für Spannstahl sind weitere Regelungen hinsichtlich der Randabstände der Spannglieder und der
Spannanker gemäß Zulassung zu beachten.
Zusätzliche Betonüberdeckung (Opferbeton) bei Angriff durch Abrieb
∆c1 5 10 15
Bei hoher chemischer Aggressivität (XD3) kann es in speziellen Fällen erforderlich sein, die Bewehrung
vor Korrosion zu schützen (Kunststoffummantelung, rostfreie Stähle, Bewehrungen aus glasfaser- oder
kohlenstofffaser-verstärktem Kunststoff).
Die Werte der Tabelle 1.3 sind zu erhöhen, wenn es sich um massige Bauteile (h ≥ 80 cm) handelt (Min-
14.11.01 10
1. Dauerhaftigkeitskriterien bei Betonkonstruktionen
Um Verbundkräfte zwischen Stahl und Beton sicher übertragen zu können und um auch in der Beton-
deckung eine angemessene Verdichtbarkeit zu erreichen, sollte die Mindestbetondeckung der maßge-
benden Bewehrungsstäbe nicht kleiner sein als
cmin = ∅ oder ∅n
Hierin bedeuten:
∅ ......................Durchmeser der Bewehrung
∅n ....................Vergleichsdurchmesser eines Stabbündels
dg .....................Größtkorndurchmesser des Betonschotters (Zuschlag)
Die bisher besprochenen Mindestbetondeckungen können für den Brandschutz unzureichend sein. Die
erforderliche Mindestbetondeckung für eine vorgegebene Brandwiderstandsdauer hängt u.a. auch von
den Bauteilabmessungen ab. Sie ist den einschlägigen Normen zu entnehmen.
Die bisher besprochene Mindestbetondeckung ist durch ein Vorhaltemaß ∆c2 für Abweichungen von der
planmäßigen Bewehrungslage zu vergrößern:
Das Vorhaltemaß ∆c2 beträgt 10 mm für die Expositionsklasse XC1 und 15 mm für die Klassen XC2 bis
XS3 in der Tabelle 1.3.
Diese Werte dürfen abgemindert werden, wenn dies durch eine entsprechende Qualitätskontrolle ge-
rechtfertigt ist (beispielsweise bei Betonfertigteilen).
14.11.01 11
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
2.1 Allgemeines
Sd ≤ Rd (2.1)
Sd .....................einwirkende Schnittgrößen
Rd .....................den einwirkenden Schnittgrößen entgegenwirkende Querschnittswiderstände (reaktive
Schnittgrößen, auch „verallgemeinerte Spannungen“ genannt)
Bei Berechnung der Schnittgrößen nach der Elastizitätstheorie (Fall a) gilt das Superpositionsgesetz.
Die Lastfaktoren (Sicherheitsbeiwerte) γF können entweder vor der Schnittgrößenermittlung eingebracht
werden, oder erst bei der Überlagerung der Schnittgrößen zum Auffinden der ungünstigsten Einwir-
kungskombination.
Bei der Berechnung der Schnittgrößen nach nichtlinearen Verfahren oder nach der Plastizitätstheorie
gilt das Superpositionsgesetz nicht. Daher sind die Einwirkungen (Lasten) direkt mit den Sicherheitsbei-
werten zu multiplizieren und danach entsprechend zu kombinieren.
Bei der Ermittlung der Schnittgrößen lassen sich die nichtlinearen Stoffgesetze der verwendeten Bau-
stoffe Beton und Stahl nur durch nichtlineare Analysen erfassen (Bild 2.2)
Die Stoffgesetze werden auch als Arbeitslinien bezeichnet, weil die im Bild 2.2 hinterlegten Flächen un-
ter den Kurven in mechanischem Sinn einer Arbeit/Volumseinheit entsprechen.
14.11.01 12
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Q d = γ Q ⋅ Q = 1, 5 ⋅ Q
Fall a : Fall b :
Q
g gd = γg ⋅ g = 1, 35 ⋅ g
MG
g ⋅ l2
------------
8
MQ
Q⋅l
----------
4
MSd MSd
Q⋅l
1, 5 ⋅ ----------
4
g ⋅ l2
1, 35 ⋅ -----------
8
M Sd = γG ⋅ M G + γ Q ⋅ M Q = 1, 35 ⋅ M G + 1, 5 ⋅ M Q (2.2)
a σ s( + )
b
σ (+)
c
(- ) (- )
εc εs
(+ ) (+)
εc ε
s
(-)
σc
σ s( - )
14.11.01 13
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
F
σ c = ------
Ac
Beton
Stahlbeton ist ein „Verbundbaustoff“ bestehend aus den beiden Komponenten Beton und Stahl. Zwi-
schen dem Beton und dem Stahl (und umgekehrt) können Kräfte übertragen werden. Diese Verbund-
wirkung ist mit örtlichen Verformungen verbunden. D.h. es kommt zu einer Relativverschiebung δ
zwischen den beiden Materialkomponenten (verschieblicher Verbund). Das Bild 2.4 zeigt qualitativ den
Zusammenhang zwischen der übertragbaren Verbundkraft (in Form der Verbundspannung τb) und der
Relativverschiebung δ (Schlupf) zwischen Beton und Stahl.
τ
b
Auch die Verbundwirkung liefert einen Beitrag zum nichtlinearen Last-Verformungsverhalten des Stahl-
betons.
Neben der materialbedingten Nichtlinearität kann auch eine geometrisch bedingte Nichtlinearität auftre-
ten, wenn die Tragwerksverformung die Schnittgrößen beeinflußt (Theorie 2. Ordnung).
Die Tatsache, daß bei materialbedingt und/oder geometrisch-bedingt nichtlinearen Problemen das Su-
perpositionsgesetz nicht gilt, erschwert die Berechnung signifikant.
Deshalb versucht man in der Praxis mit vereinfachenden Linearisierungen auszukommen. Nichtlineare
Berechnungsmethoden werden in der Vertiefungsausbildung behandelt (LV: Betonbau VA). In der
Grundausbildung (LV: Betonbau) wird von der linear-elastischen Schnittgrößenermittlung ausgegangen
(Fall a im Bild 2.1).
14.11.01 14
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
M Sd =
å j
γ G, j ⋅ M G, j + γ Q, 1 ⋅ M Q, 1 +
å i>1
γQ, i ⋅ ψ o, i ⋅ M Q, i (2.3)
M Sd = å j
M G, j + M A + ψ 1, 1 ⋅ M Q, 1 + å i>1
ψ 2, i ⋅ M Q, i (2.4)
Hierin bedeuten:
MSd ..................Bemessungswert des Biegemoments im ULS
MG,j ..................Biegemoment aus den ständig einwirkenden Lasten j (z.B. Eigengewicht)
MQ,i ..................Biegemoment aus vorübergehend einwirkendem Lastfall i (Nutzlast, Verkehrslast, etc.)
i = 1 ..................Leiteinwirkung
i > 1 ..................Begleiteinwirkung
γG, γQ ................Teilsicherheitsbeiwerte, siehe Tabelle 2.1
ψ0,i ...................Kombinationsbeiwert, siehe Tabelle 2.3. Er erfaßt jenen Anteil des Lastfalles i, der mit
einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit gleichzeitig mit der Leiteinwirkung auftritt
ψ1,i ...................Kombinationsbeiwert, der den häufig auftretenden Anteil der Nutzlast i (z.B. 300 x pro
Jahr) definiert
ψ2,i ...................Kombinationsbeiwert, der den quasi-ständig wirkenden Anteil der veränderlichen Last i
beschreibt
MA ....................Biegemoment für eine außergewöhnliche Einwirkung (Unfalleinwirkung), beispielsweise
Anprall von Fahrzeugen, Steinschlag, Lawinen, Seilriß, Explosion (Gas), Erdbeben,
Brand.
Bei Gebäuden darf vereinfachend die Gleichung (2.3) wie folgt ersetzt werden:
1. Bemessungssituation mit einer veränderlichen Leiteinwirkung
M Sd =
å j
γ G ⋅ M G, j +
1.5
0
⋅ M Q, 1 (2.5)
M Sd = å j
γ G ⋅ M G, j + å i
1.35
0
⋅ M Q, i (2.6)
Das ungünstigere Moment MSd aus (2.5) und (2.6) ist maßgebend. Diese Vereinfachung ist in den neuen
eurocode-nahen ÖNORMEN (B 4700 und B 4750) generell zugelassen. Für die außergewöhnliche Be-
messungssituation ist in diesen ÖNORMEN folgende Vereinfachung zulässig:
14.11.01 15
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
M Sd =
å j
M G, j + M A +
å i
ψ 2, i ⋅ M Q, i (2.7)
Zum Auffinden der ungünstigsten - und damit maßgebenden Einwirkungskombination geht man derart
vor, daß jede veränderliche Einwirkung einmal zur Leiteinwirkung in den Gleichungen (2.3), (2.4) bzw.
(2.5) wird („Probierverfahren“).
Tabelle 2.1 Teilsicherheitsbeiwerte γF für Einwirkungen (EC2, 2.3.3.1, Seite 24, Tab. 2.2)
Außergewöhnliche
1,30 1,00
Kombination
Tabelle 2.2 Teilsicherheitsbeiwerte γM für Baustoffeigenschaften (EC2, 2.3.3.2, Seite 25, Tab. 2.3)
Einwirkung Kombinationsbeiwerte
ψ0 ψ1 ψ2
- Versammlungsräume;
Garagen und Parkhäuser;
Turnhallen; Tribünen; Flure 0,8 0,8 0,5
in Lehrgebäuden; Büche-
reien; Archive
14.11.01 16
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Es gilt der Abschnitt 2.2.1 uneingeschränkt, wenn man in den Gleichungen (2.3) bis (2.7) M durch N er-
setzt.
1. Erstens ist nach Abschnitt 2.2.1 vorzugehen („führende“ Auswertung der EK nach M), wobei
die Normalkraft nach demselben Kombinationsschema überlagert wird („zugehörige“ Normal-
kraft).
2. Zweitens ist zusätzlich auch noch gemäß Abschnitt 2.2.2 eine führende Auswertung der EK
nach N durchzuführen. In diesem Falle ist das jeweils zugehörige Biegemoment in der Über-
lagerung mitzuführen.
Damit ist einerseits das betragmäßig größte Biegemoment mit der zugehörigen Normalkraft und ande-
rerseits die betragsmäßig größte Normalkraft mit dem zugehörigen Biegemoment bekannt. Man erhält
die erforderliche Bewehrung, indem man für diese beiden Extremfälle eine Querschnittsbemessung
(Biegung mit Längskraft) durchführt. Die größere Bewehrungsmenge ist einzulegen.
Anmerkung: Theoretisch könnte eine andere M-N-Kombination bei der weder M noch N ihren Maximalwert erreichen, eine
etwas größere Bewehrungsmenge ergeben. Dies bleibt jedoch in der Praxis unberücksichtigt.
Es gilt der Abschnitt 2.2.1 uneingeschränkt, wenn man in den Gleichungen (2.3) bis (2.7) M durch V er-
setzt.
Ähnlich wie bei Biegung mit Längskraft ist auch hier für die beiden Grenzfälle „führende Auswertung
nach V“ (max V, zug Mx) und „führende Auswertung nach Mx“ (max Mx, zug V) in den maßgebenden
Querschnitten die Bemessung durchzuführen.
Anmerkung: Da für die Schubtragwirkung von Stahlbeton nicht nur eine Querbewehrung (Bügel), sondern auch eine
Längsbewehrung erforderlich ist, muß - wie später gezeigt wird - bei der Bemessung der Längsbewehrung
auch die Auswirkung der zugehörigen Querkraft und gegebenenfalls des zugehörigen Torsionsmomentes Be-
rücksichtigung finden.
14.11.01 17
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
2.3.1 Beton
Beton ist ein künstliches Gestein, ein künstliches Konglomerat, das aus Zement, Zuschlagstoffen
(Schotter, Kies, Sand) und Wasser hergestellt wird. Wenn erforderlich werden chemische Zusatzmittel,
wie Verflüssiger und Verzögerer sowie puzzolan reagierende Zusätze, wie Flugasche oder Mikrosilica
zugegeben.
Das Tragverhalten von Beton unter Druckbeanspruchung läßt sich mit dem Bild 2.5 veranschaulichen.
seitliche
Stützung
Füllt man ein nach einer Beton-Schotter-Sieblinie abgestuftes Kies-Sand-Gemisch in ein Stahlrohr, so
entsteht nach intensivem Verdichten ein stabiles Korngerippe. Über die Kontaktflächen der Körner kön-
nen erhebliche Druckkräfte in vertikaler Richtung übertragen werden, wenn durch das Stahlrohr die ho-
rizontalen Kraftkomponenten aufgenommen werden.
Wenn man sich den Zementstein zwischen den Körnern als eine Art Klebstoff vorstellt, kann dieser in
gewissem Rahmen die seitlichen Abtriebskräfte mit Hilfe von Querzugspannungen übernehmen. Das
„schwächste Glied in der Kette“ ist bei Normalbeton der Verbund zwischen den Zugschlagkörnern und
dem Zementstein (Bild 2.6 b) an der Oberfläche der Körner (Kontaktflächen).
Anmerkung: Bei hochfestem Beton verläuft die Bruchfläche vorwiegend durch den Zuschlagstoff.
Diese Modellvorstellung verdeutlicht, daß Beton unter einachsiger Druckbeanspruchung versagt, wenn
die seitliche Stützung durch die Klebewirkung des Zementsteines versagt (Bild 2.6).
Da die erforderliche seitliche Kraft im Vergleich zur vertikalen Druckkraft klein ist, können relativ große
Druckkräfte über das Korngerüst abgetragen werden.
Anmerkung: Wird die Querdehnung des Betons behindert (durch eine Querbewehrung oder eine Umschnürungswendel
oder ein Metallrohr gemäß Bild 2.5), so entsteht ein 3-dimensionaler Druckspannungszustand, wodurch sich
die Druckfestigkeit gegenüber der einachsigen Druckfestigkeit wesentlich erhöht.
14.11.01 18
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
a b c
Kontakt-
flächen
Die Betongüte wird mit Hilfe von Festigkeitsklassen definiert (ENV 206); siehe Tabelle 2.4. Als Druckfe-
stigkeit des Betons bei einachsiger Beanspruchung wird die charakteristische Zylinderdruckfestigkeit fck
angesetzt (Zylinder 150 x 300, 28 Tage unter Wasser gelagert).
Die charakteristische Zylinderdruckfestigkeit entspricht definitionsgemäß der 5%-Fraktile einer stati-
stisch relevanten Serie von Zylinderproben, die im Alter von 28 Tagen nach normengerechter Lagerung
in speziellen Prüfmaschinen bis zum Bruch belastet wurden. Nur maximal 5% dieser Proben dürfen die
charakteristische Festigkeit unterschreiten.
Insbesondere beim Nachweis von Bauzständen bei jungem Beton t < 28 Tage ist mit der zum Zeitpunkt
des Nachweises vorhandenen Betonfestigkeit fck (t) zu rechnen (Bild 2.7).
f ck ( t )
---------------
-
f ck ( 28 ) normalerhärtender Zement
1.5
1.0
frühhochfester Zement
0.5
0.0 t(Tage)
3 7 14 28 56 90 180
Anmerkung: Das Bild 2.7 liefert Richtwerte, wenn keine genaueren Daten zur Verfügung stehen
Bei Nachweisen zum Zeitpunkt t > 28 Tage ist mit der 28-Tage-Festigkeit zu rechnen. Als Bemessungs-
14.11.01 19
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
wert (Design-Wert) fcd der Betondruckfestigkeit bezeichnet man die um den Teilsicherheitsbeiwert γc re-
duzierte charakteristische Festigkeit. (Teilsicherheitsbeiwerte für Baustoffeigenschaften siehe Tabelle
2.2.)
Betonfestig-
C 12/15 C 16/20 C20/25 C 25/30 C 30/37 C 35/45 C 40/50 C 45/55 C 50/60
keitsklassen
fck [N/mm2] 12 16 20 25 30 35 40 45 50
fctm [N/mm2] 1,6 1,9 2,2 2,6 2,9 3,2 3,5 3,8 4,1
fctk,0.05[N/mm2] 1,1 1,3 1,5 1,8 2,0 2,2 2,5 2,7 2,9
fctk,0.95[N/mm2] 2,0 2,5 2,9 3,3 3,8 4,2 4,6 4,9 5,3
Ecm[kN/mm2] 27 29 30 31,5 33 34 35 36 37
Ecm[kN/mm2] 38 39 41 42 44 45
Der Beiwert α (Gleichung (2.8)) berücksichtigt die Tatsache, daß zwischen der Festigkeit im Bauwerk
und der Festigkeit des Prüfzylinders ein Unterschied besteht (auch hinsichtlich der Belastungsdauer
etc.). Es gilt α = 1,0 für SLS und α = 0,85 für ULS. Fallweise können auch andere Werte Anwendung
finden. In der ÖNORM B 4700 ist der Beiwert α in der Umrechnung zwischen der Würfelfestigkeit und
der charakteristischen einachsigen Festigkeit enthalten.
fc k f ck
α ⋅ f cd = α ⋅ ------- = 0, 85 ⋅ --------- (2.8)
γc 1, 5
Die Festigkeitsentwicklung des Betons und sein Verformungsverhalten hängt von vielen Parametern ab;
von der Betontechnologie (Zementart, Zementgehalt, Wasser/Zement-Faktor, Zuschlagstoffe, Kornab-
stufung (Sieblinie), chemische Zusatzmittel), der Betoneinbringung, der Verdichtung, der Nachbehand-
lung, den Umweltbedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit), der wirksamen Bauteildicke, dem
Belastungsalter, der Belastungsgeschwindigkeit, etc. Infolgedessen ist die Spannungs-/Dehnungsbe-
ziehung (Stoffgesetz, Arbeitslinie) keine konstante Materialeigenschaft, sondern eine schwer voraus-
sehbare Kurve die - wie erwähnt - von vielen Parametern beeinflußt wird.
Um trotzdem praktisch arbeiten zu können, wird für die nichtlineare Schnittgrößenermittlung und oft
auch für Verformungsberechnungen (Kurzzeitdurchbiegung) als Stoffgesetz die im Bild 2.8 skizzierte Li-
nie angenommen. Sie ist durch folgende Parameter festgelegt:
Ecm ...................Mittelwert des Elastizitätsmoduls (Sekantemodul)
fcm ....................Mittelwert der Betonfestigkeit
14.11.01 20
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
σ kη – η
2
-------c- = ------------------------------ mit η = εc ⁄ εc p
f cm 1 – ( k – 2 )η
ε cp = – 0.0022
– 1.1 ⋅ E cm ⋅ ε cp
k = --------------------------------------- (2.9)
f cm
σ c( + )
f ctm
E cm
εc(−) εcu ε cp
ε c( + )
0.4f c m
f cm
σc(−)
Bild 2.8 Spannungs-/Dehnungslinie für die Ermittlung von Verformungs- und Schnittgrößen
Für die Querschnittsbemessung läßt sich die Spannungs-Dehnungslinie dem Bild 2.9 entsprechend ver-
einfachen.
Die Grenzstauchung εcu des Betons wird wie folgt definiert:
εcu = − 0,0035
Die Prismenstauchung εcp (Index p für ’peak’) wird einheitlich mit εcp = - 0,002 angesetzt.
Anmerkung: Für hochfeste Betone (fck > 50 MPa) gelten andere Festlegungen ( ε cu < 0,0035)
14.11.01 21
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
σc
εc(−) ε cu = – 0, 0035 ε cp = – 0, 002
εc
quadratische Parabel:
σ εc æ εc ö
------c- = -------
- ⋅ 2 – -------
-
Bemessungswert f cd f cd ε cp è ε cpø
charakterist. Wert f ck
(5% Fraktile)
Mittelwert f cm f cm
σc(−)
2.3.1.3 Zugfestigkeit
Die Betonzugfestigkeit wird erst im Kapitel 3.3.1 besprochen, weil sie bei den Nachweisen in den Grenz-
zuständen der Tragsicherheit (ULS) normalerweise unberücksichtigt bleibt.
14.11.01 22
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
2.3.2 Bewehrungsstahl
Im Bild 2.10 ist das Stoffgesetz für die heute üblichen Bewehrungsstähle qualitativ dargestellt.
σs
f tk
f yk = σ s0, 2k
σ ek
Es
0, 002 εs G ε uk εs
Man kann näherungsweise den Kurvenverlauf im Druckbereich gleich annehmen wie im Zugbereich.
Vereinfachend kann das σ/ε - Diagramm bi-linear (Bild 2.11) oder elastisch/plastisch (Bild 2.12) ange-
nähert werden.
Für Bewehrungsstähle mit hoher Duktilität gilt die Anforderung
f tk
- ≥ 1, 08 und ε uk ≥ 5%
------
f yk
Im Bild 2.11 b und im Bild 2.12 b sind die um den Teilsicherheitsbeiwert γs abgeminderten Spannungs-
Dehnungs-Linien dargestellt, die bei der Bemessung bzw. beim Nachweis der Tragsicherheit Anwen-
dung finden.
f tk
f td = ------
γs
f yk σ s 0.2k
f yd = ------- = ---------------- (2.10)
γs γs
γs = 1,15 (2.11)
14.11.01 23
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
γc = 1,5 (2.12)
weil im Herstellungsprozeß die Stahlfestigkeit wesentlich exakter erreicht wird als die Betonfestigkeit
(geringere Streuung der Materialeigenschaften).
Im SLS wird γs = 1,0 und γc = 1,0 angesetzt.
a b
σs σs
f tk f tk
f yk linearisiert f yk
f td
tatsächlicher
Kurvenverlauf f yd
Es
Es
εs εs
0,002 ε yd ε yk
εsu = ε uk
a b
σs σs
f yk f yk
f yd
Es Es
εs εs
0,002 εyd ε yk
Der Elastizitätsmodul von Bewehrungsstahl darf einheitlich mit Es = 200 GPa = 20000 kN/cm2 angesetzt
werden.
14.11.01 24
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
f tk, 0.95
f yk, 0.95
f tm
fy m
f tk, 0.05
f yk, 0.05
Es
εs
εyk, 0.95
ftk,0.95Überfestigkeit (95%-Fraktile)
ftmmittlere Bruchfestigkeit
ftk,0.05charakteristische Bruchfestigkeit (5%-Fraktile)
Die Bruchfestigkeit ftk des Stahles ist ebenfalls einer Streuung unterworfen. Als charakteristische Festig-
keit bezeichnet man die 5% - Fraktile ftk, 0.05.
ftk = ftk,0.05
f tk ,0.05
Für den Rechenwert ftd der Stahlfestigkeit ergibt sich damit als untere Schranke f td ⋅ -----------------
γ s
Anmerkung: Wenn sicher zu stellen ist, daß die Bewehrung im ULS ins Fließen kommt, ist mit einer oberen Schranke für
die Fließspannung γ s ⋅ f yk,0.95 zu arbeiten.
14.11.01 25
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
2.3.3 Verbundwirkung
2.3.3.1 Bruchmechanismen
Der Verbund ermöglicht eine Kraftübertragung zwischen dem Bewehrungsstahl und dem ihn umgeben-
den Beton oder Injektionsmörtel. Er ist somit für die Tragwirkung des Verbundbaustoffes Stahlbeton
von grundlegender Bedeutung.
Als schlaffe Bewehrung werden heute ausschließlich gerippte Stäbe verwendet, bei denen eine dübel-
artige Verzahnung (Scherverbund) zwischen Stahl und Beton besteht (Bild 2.14). Für die Kraftübertra-
gung sorgen Betonkonsolen, die sich auf die aufgewalzten Rippen des Stahles abstützen.
Umlenkkraft u
bewirkt u
Ringzugkraft Längszugkraft
Sekundärrisse
Als Maß für die Güte des Verbundes dient die bezogene Rippenfläche fR (Bild 2.15)
AR
f R = -------- (2.13)
AM
AR.....................die auf eine Ebene senkrecht zur Stabachse projizierte Fläche aller Rippen am Stabum-
fang
AM ....................die Mantelfläche des Stabes zwischen den Rippen am Nenndurchmesser ds
c Betonkonsole
ds
a
σr
τbd Abscherfläche (Scherbruch)
a ⋅ ( ds + a ) ⋅ π a
f R = ------------------------------------ = ---
c ⋅ ds ⋅ π c
14.11.01 26
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Aus dem Bild 2.14 und Bild 2.15 lassen sich zwei unterschiedliche Verbundbrucharten ableiten:
1. Scherbruch: Abscheren der zylindischen Betonkonsole zwischen den Rippen
2. Ringzugbruch: Längsrisse ider Absprengungen als Folge zu hoher Ringzugspannungen
Zwischen den Sekundärrissen bilden sich im Beton um die Bewehrung Druckkegel aus, die außerhalb
der Sekundärrisse in Zylinder (Druck oder Zug) übergehen. In diesem Umlenkbereich entstehen Ring-
zugkräfte, die, wenn die Betonzugfestigkeit überschritten wird, zu Längsrissen führen.
Längsrisse
a
Querdruck
Der Verbundwiderstand wächst, wenn eine entsprechend hohe Querspannung (z.B. durch ein Lager)
vorhanden ist (Bild 2.16 b), oder wenn man die Umlenkkräfte u (Bild 2.14) durch die Querbewehrung
(Bügel) verschließt.
14.11.01 27
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
1 Betondruckkegel 3 Betonzugzylinder 2
Ts Ts
1 x Sekundärrisse 2
Bewehrungsstab
3 neuer Primärriß 3-3 Primärriß 2-2
Primärriß 1-1
Das Bild 2.17 zeigt schematisch die Verbundtragwirkung zwischen zwei Rissen. Man kann erkennen,
daß der Beton, auf Zug beansprucht, zwischen den Rissen mitträgt. Diese Tragwirkung wird als Zugver-
steifung (tension stiffening effect) bezeichnet. Wenn im Querschnitt 3-3 die Betonzugfestigkeit erreicht
wird, entsteht dort ein neuer Riß 3-3. Es kommt in der Folge zu einer Spannungsumlagerung, sodaß sich
etwa gleiche Zustände, wie im Bild 2.17 zwischen dem neuen Riß 3-3 und den beiden benachbarten
Rissen 1-1 bzw. 2-2 einstellen.
σs = 300 MPa.
εs = 0,0015.
ε ct, u ≈ 0,00015
Sie ist also um etwa eine 10er-Potenz kleiner als die tatsächlich im SLS auftretende Stahldehnung. Aus-
gehend vom Querschnitt 3-3 im Bild 2.17, der als Verschiebungsnullpunkt bezeichnet wird, verlängert
sich der Stahl mindestens zehnmal stärker als der ihn umgebende Beton. Dies ist kinematisch nur mög-
lich, wenn es zu einer Relativverschiebung zwischen den beiden Materialien kommt.
14.11.01 28
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
1 Primärriß 3
Verschiebungs-
nullpunkt
Sekundärrisse
1 3
δ6 δ5 δ4 δ3 δ2 δ1
wr
a
Das Bild 2.18 zeigt in einer vereinfachten Darstellung, wie es mit Hilfe von Sekundärrissen zu einer ver-
schieblichen Verbundwirkung kommen kann. Dabei verdrehen sich die Betonzähne zwischen den Se-
kundärrissen. Wenn man die Betondehnung vernachläßigt, entspricht die Längenänderung des Stahles
auf des Länge a
∆l s = a ⋅ ε s (2.14)
der Summe der Rißbreiten alles Sekungärrisse 1 bis 6 bzw. der halben Breite wr des Promärrisses 1-1.
Anmerkung: Das Bild 2.18 erklärt auch, warum die Rißbreite zur Bewehrung hin abnimmt.
Der Zusammenhang zwischen der Verbundspannung τbd und der Relativverschiebung δ wird als Ver-
bundgesetz bezeichnet (Bild 2.19). Das Verbundgesetz wird ähnlich ei Stoffgesetze (Arbeitslinien) von
Stahl und Beton als ein aus Versuchen abgeleitetes Materialgesetz eingeführt.
14.11.01 29
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
τb d
--------
fc m
2.3.3.4 Der Zusammenhang zwischen der Relativverschiebung δ und den Dehnungen εs und εc
Das Bild 2.20 zeigt einen in einem Betonzylinder eingebetteten Bewehrungsstab, der mit einer Zugkraft
T belastet ist. Ausgehend vom Verschiebungsnullpunkt 0-0, der aus Symmetriegründen in der Mitte
liegt, verlängert sich der Stahl bis zum Querschnitt x-x um δs(x).
ò
x
δs ( x ) = ε s ( x ) dx (2.15)
0
ò
x
δc ( x ) = ε c ( x ) dx (2.16)
0
Infolge dessen beträgt die Relativverschiebung (Schlupf) δ zwischen Stahl und Beton
δ ( x ) = δs ( x ) – δc ( x ) (2.17)
Die Integrale in den Gleichungen (2.16) und (2.17) entsprechen den im Bild 2.20 b bzw. d grau hinter-
legten Flächen.
14.11.01 30
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
a 1 0 x 2
T T
1 0 x 2
b
εs(x)
δs(x)
c
d εc(x)
e δc(x)
Das Verbundgesetz (Bild 2.19) beschreibt den Zusammenhang zwischen der Verbundspannung τbd(x)
und dem Schlupf δ(x).
14.11.01 31
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
a 0
T T
τbd
0
b x
U
∆ε s ( x ) = ------------- ⋅ A
E s As
εs0 εs(x)
ò
x
A = τ bd ( x ) dx
c 0
τbd σc(x)
d
σc0
U
e ∆ε c ( x ) = ------------- ⋅ A
E c Ac
εc0 εc(x)
ò
x
A = τ bd ( x ) dx
0
Bild 2.21 Beziehung zwischen der Verbundspannung und der Stahl- bzw. Betondeckung
a) Bewehungsstab mit der Belastung T, τbd
b) Stahldehnung εs
c) Verbundspannung τbd auf Stahl einwirkend
d) Betonstab mit Belastund τbd
e) Betondehnung εc
f) Verbundspannung τbd auf Beton einwirkend
Im Bild 2.21 ist der Zusammenhang zwischen der Verbundspannung τbd und der Stahl- bzw. Betondek-
kung dargestellt. Aus der Kraft Ts(x) im Stahl am Ort x-x
T s ( x ) = T s0 + ∆T s ( x ) (2.18)
T s0 = E s ⋅ A s ⋅ ε s0 (2.19)
14.11.01 32
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
ò
x
∆T s ( x ) = U ⋅ τ bd ( x ) dx (2.20)
0
U = 2πd s (2.21)
ε s ( x ) = εs 0 + ∆ε s ( x ) (2.22)
ò
x
U
∆εs ( x ) = ------------- ⋅ τ bd ( x ) dx (2.23)
Es A s 0
ε c ( x ) = εc 0 + ∆εc ( x ) (2.24)
ò
x
U
∆ε c ( x ) = ------------- ⋅ τ bd ( x ) dx (2.25)
E c Ac 0
a 1 0 2
T T
1 0 2
τbd(x) δ´´
b
c
δ´
εc0
δ
d δc εc0 εs0
δs δ
a a
Bild 2.22 Grundlegende Zusammenhänge zwischen den Spannungen und den Relativverschie-
bungen
a) Systemskizze des in Beton eingebetteten Bewehrungsstabes
b) Verbundgesetz
c) Dehnungsdifferenz
14.11.01 33
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
d) Relativverschiebung
Mit Hilfe dieser Beziehung lasen sich die im Bild 2.22 skizzierten Zusammenhänge zwischen den Span-
nungen und den Verschiebungen herstellen.
Wenn man den Verlauf von τbd(x) als bekannt vorraussetzt, folgt für die Dehnungsdifferenz ∆ε(x) aus
den Gleichungen (2.13), (2.14) und (2.15) die Integralfunktion
ò
x
U U
∆ε ( x ) = ε s0 – εc 0 + æ ------------- + ------------- ö ⋅ τbd ( x ) dx (2.26)
èE A E ø
s s cAc 0
Die Dehnungsdifferenz kann somit durch Integration aus der Verbundspannung gewonnen werden. Vor-
ausgesetzt der Verlauf der Funktion ∆ε(x) wäre bekannt, so folgt für die Relativverschiebung δ(x) die In-
tegralfunktion
ò
x
δ(x) = ∆ε ( x ) dx (2.27)
0
Die Relativverschiebung δ(x) geht somit durch Integration aus der Dehungsdifferenz hervor. Umgekehrt
vorgegangen stellt die Dehnungsdifferenz ∆ε die erste und die Verbundspanung τbd die zweite Ableitung
der Verschiebung δ dar. Die Differentialgleichung des verschieblichen Verbundes lautet demnach
δ″ ( x ) = C ⋅ τbd ( x )
U U
C = ------------- + ------------- (2.28)
Es As Ec Ac
Unabhängig davon ist die Relativverschiebung δ(x) mit der Verbundspannung τbd(x) über das Verbund-
gesetz (Bild 2.19) gekoppelt. Wenn man das Verbundgesetz durch analytische Funktionen annähert
(z.B. Splines) läßt sich die Differntialgleichung (2.28) geschlossen lösen. Damit sind dann die Span-
nungs- bzw. Dehnungsverläufe in Bild 2.20 bis Bild 2.22 bekannt.
Anmerkung: Einfache geschlossene Lösungen liefert eine Linearisierung des Verbundgesetzes gemäß Bild 2.19.
τ bd
τy
14.11.01 34
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Bei einem starr-plastischen Verbundgesetz sind die Verbundspannungen τbd unabhängig von der Rela-
tivverschiebung δ.
τ bd ( x ) = τ y (2.29)
Wie im Bild 2.24 dargestellt, verläuft in diesem Falle die Verbundspannung über den Bereich 0 ≤ x < a
konstant. Die Dehnungen εs(x) und εc(x) verlaufen linear und die Relativverschiebung δ(x) als quadrati-
sche Parabel. Die starr-plastische Formulierung des Verbundgesetzes eignet sich gut für glatte Schlaff-
und Spannstähle. Für Rippenstähle kann sie für eine Grenzfallbetrachtung von Nutzen sein.
T T
a a
∆ε ( x ) = ε s ( x ) – εc ( x )
δc
δc(x) = δs(x) − δc(x)
δs
2.3.3.7 Erstrißbildung
Wir betrachten nun einen langen in einem Betonzylinder eingebetteten Bewehrungsstab und nehmen
an, daß die einwirkende Zugkraft exakt jene Größe annimmt, die zur Bildung des ersten Risses an der
zufällig schwächsten Stelle des Stahlbetonzugstabes führt (Bild 2.25).
Im Rißquerschnitt übernimmt der Stahl die gesamte Zugkraft Tcr
T cr
ε s2 = ------------- (2.30)
Es As
Außerhalb des durch die Rißbildung „gestörten“ Bereiches befindet sich der Stab noch im (ungerisse-
nen) Zustand I. Dort sind die Dehnungen im Stahl εs1 und im Beton εc1 gleich groß
14.11.01 35
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
ε c1 = ε s1 (2.31)
Diese Dehnung liegt voraussetzungsgemäß geringfügig unter der Betonbruchdehnung. Im Bild 2.22 c
wird ∆ε0 = 0. Die Lasteinleitungslänge läßt sich berechnen.
a Riß
Tcr Tcr ... Rißlast
a a
τbd
εc
c
εc1
εc2
d
εs
εs2
εs1 δs
Verbundbereich
ε c1 = ε s1 durch Riß ε c1 = ε s1
gestörte Zone
Bild 2.25 Erstrißbildung
Zwischen dem Rißquerschnitt und dem ungestörten Bereich existiert ein Lasteintragungsbereich mit der
Länge a in dem ein Teil der Zugkraft Tcr über den Verbund vom Stahl auf den Beton übertragen (umge-
lagert) wird und in diesem sukzessive Zugspannungen aufbaut.
Bereits eine geringfügige Laststeigerung führt zu weiteren Rissen an stochastisch verteilten, nicht vor-
hersehbaren Schwachstellen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, daß Risse innerhalb der obern er-
wähnten Lasteintragungslänge a entstehen, weil dort die Betonspannung kleiner ist als in den
ungestörten Bereichen.
Daraus folgt, daß der Rißabstand größer oder gleich sein wird als die Eintragungslänge a
min s r = a (2.32)
Wenn der Rißabstand größer ist, als die doppelte Eintragungslänge a, verbleibt zwischen den Rissen
noch ein ungestörter Bereich, in dem sich ein weiterer Riß bilden kann. Der bei konstanter Zugkraft ein-
wirkung zu erwartende Rißabstand sr läßt sich nur in groben Grenzen voraussagen.
a ≤ s r ≤ 2a (2.33)
s r = 1, 5a (2.34)
14.11.01 36
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
angesetzt.
Die Erstrißbildung ist abgeschlossen, wenn sich überall die gestörten Bereiche überschneiden (Bild 2.26
a). Bei einer weiteren Laststeigerung entstehen kaum neue Risse, die Rißbreiten nehmen aber entspre-
chend zu. Die äußere Zugkraft kan noch bis zum Fließen des Stahles gesteigert werden. Dabei wächst
der Dehnungsunterschied gemäß Bild 2.26 b stark zu.
Riß
T T
εs
εs2
ε s1 = ε c1 ≤ ε ct εc εs1 = εc1
λ⋅T λ⋅T
εs
14.11.01 37
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
2.4.1 Einführung
a
ϑ ϑ
( -) (- )
ε2 ε2
2
Ma
Ma
1 1
(+) (+ )
ε1 ε1
( -)
ε2
b
ϑ
(+)
1 ε1
Das Bild 2.27 zeigt ein Stabelement mit der Länge „2“, welches an beiden Enden durch ein äußeres (ak-
tives) Biegemoment belastet ist. Unter dieser in Stablängsrichtung konstanten Momenteneinwirkung
verbiegt sich der Stab kreisförmig. Es gilt die Hypothese von Bernoulli-Navier: Alle Stabquerschnitte blei-
ben bei der Verformung eben und normal zur (verformten) Stabachse. Der Stab wird an der unteren
Randfaser 1 um 2ε1 länger und an der oberen Randfaser um 2ε2 kürzer. Die Längenänderung eines Sta-
belements mit der Länge „1“ wird als Dehnung ε, die gegenseitige Verdrehung der Endquerschnitte ei-
nes Stabes mit der Länge „1“ wird als Krümmung ϑ definiert.
14.11.01 38
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Das Bild 2.28 zeigt eine axonometrische Darstellung eines rechteckigen Stahlbetonquerschnittes mit ei-
ner Dehnungsebene, wie sie sich bei einachsiger (gerader) Biegung entsprechend Bild 2.27 b einstellt.
εc2 Betonstauchung
Dehnungsnullinie
Dehnungsebene
Stahldehnung εs
b( z) ε c2
dA c ( z ) = b ( z ) ⋅ dz
εc( z )
dz Biegedruckzone
z2
z ϑ
z0
y Biegezugzone
zs ε0
As
εs
z ε c1
ε ( z) = ε0 + ϑ ⋅ z (2.35)
läßt sich mit Hilfe von Stoffgesetzen an jeder Stelle z die dort vorhandene Spannung berechnen. Die
reaktiven Schnittkräfte werden durch Integration der Spannungen über die Querschnittsfläche berech-
net.
14.11.01 39
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
z2
Nc
(-)
= ò dN c
(-)
zo
z2
Mc
( +)
= ò z
( -) ( -)
⋅ dNc (2.36)
zo
dN c ( z ) = σ c ( z ) ⋅ dA c = σ c ( z ) ⋅ b ( z ) ⋅ dz (2.37)
Anmerkung: Bei einer vom Rechteck abweichenden Querschnittsform ist die Querschnittsbreite b in Gleichung (2.37) eine
Funktion von z.
( -) εc( z) εc ( z )
ε c > ε cp : σ c ( z ) = f cd ⋅ ------------- ⋅ æ 2 – -ö
------------
ε cp
è ε cp ø
( -)
ε c ≤ ε cp : σc ( z ) = fc d (2.38)
Wenn man die Gleichung (2.35) in die Gleichung (2.38) einsetzt und danach die Gleichung (2.38) in die
Gleichung (2.37), lassen sich die Integrale in Gleichung (2.36) geschlossen oder numerisch lösen. Damit
ist der Betonanteil an den reaktiven Schnittgrößen für die vorgegebene Dehnungsebene - ausgedrückt
durch die Dehnungsparameter ε0 und ϑ - berechnet:
N s( + ) = σ s( + ) ( ε s ) ⋅ A s
M s( + ) = z s( + ) ⋅ N s( + ) (2.39)
Die Stahlspannung ergibt sich für die Stahldehnung εs (Bild 2.29 und Gleichung (2.35))
ε s = ε o + ϑ ⋅ zs (2.40)
ε s ≤ ε yd : σs = Es ⋅ ε s
f td – f yd
bi-linear ε s > ε yd : σ s = f yd + ---------------------- ⋅ ( ε s – ε yd )
ε s u – ε yd
elastisch-plastisch ε s > ε yd : σ s = f yd (2.41)
14.11.01 40
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Man erhält den Stahlanteil an den reaktiven Schnittgrößen, indem man Gleichung (2.40) in Gleichung
(2.41) und Gleichung (2.41) in Gleichung (2.39) einsetzt. Wenn n-Bewehrungslagen gegeben sind, lau-
tet die Gleichung (2.39) (Bild 2.30):
å
n
Ns = Ns i
i=1
Ms =
å z si ⋅ N si
N si = σ s ( z s i ) ⋅ A s i (2.42)
A s3
z s3 εs 3
z s2
z s1
ε s2
A s2
ε s1
A s1
z
Damit sind die reaktiven Schnittgrößen für einen vorgegebenen Dehnungszustand bekannt; Gleichun-
gen (2.36), (2.39) bzw. (2.42).
N r = N c + Ns
Mr = Mc + Ms (2.43)
Anmerkung: Die reaktiven Schnittgrößen sind auf das lokale Koordinatensystem bezogen.
Nr greift im Koordinatenursprung an. Mr dreht um die y-Achse.
14.11.01 41
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Wie im vorigen Abschnitt gezeigt wurde, liefert jeder Dehnungszustand (ε0, ϑ) einen eindeutig bestimm-
ten Schnittgrößenzustand (Nr, Mr). Anders ausgedrückt bedeutet dies, daß die Gleichgewichtsbedingun-
gen zwischen einwirkenden (aktiven) Schnittgrößen und den entgegenwirkenden inneren (reaktiven)
Schnittgrößen nur für einen einzigen Dehnungszustand erfüllt sind. Für vorgegebene Einwirkungen (Na,
Ma) läßt sich der zugehörige Dehnungszustand, bei dem das Gleichgewicht
Na = Nr
Ma = Mr (2.44)
erfüllt ist, im allgemeinen nur auf iterativem Weg auffinden (siehe Abschnitt 2.7.2), wobei die Dehnungs-
ebene gezielt variiert wird, bis die Gleichgewichtsbedingungen (Gleichung (2.44)) erfüllt sind.
14.11.01 42
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
2.5 Grenzdehnungszustände
Als Grenzdehnungszustand wird eine Dehnungsebene bezeichnet, bei der innerhalb des Querschnittes
mindestens eine Grenzdehnung auftritt, gleichzeitig an keiner Stelle im Querschnitteine Grenzdehnung
überschritten wird. Das Bild 2.31 zeigt die im EC 2 definierten Grenzdehnungszustände.
εc u
εc p
B εs u
2
D
A s2
4
A 3
h 5
A s1 1
C
1
b 0 ε y k0, 95 ε su
zentrischer Druck, wenn As1 =As2 zentrischer Zug,
wenn As1 = As2
Bei zentrischem Druck ist der Grenzdehnungszustand erreicht, wenn die der rechnerischen Betondruck-
festigkeit fcd zugehörige Stauchung εcp vorhanden ist. Das heißt, für zentrischen Druck ist die Grenzdeh-
nung des Betons εcp.
Als nächsten markanten Grenzdehnungszustand betrachten wir jene Dehnungsebene, die durch die
Punkte 0 und B gegeben ist. Hier ist die Grenzdehnung durch die Bruchstauchung εc2 = εcu des Betons
am oberen Querschnittsrand festgelegt. Am unteren Querschnittsrand ist keine Dehnung vorhanden
(εc1 = 0, Zustand der Dekompression).
Aber auch bei allen anderen Dehnungszuständen zwischen den beiden oben genannten Grenzdeh-
nungszuständen sind Grenzdehnungen erreicht, solange die Dehnungsebene durch den Punkt A ver-
läuft (A ist vom äußersten Druckrand 3/7·h entfernt). Die Grenzdehnungen εc2 des Betons liegen in
diesem Dehnungsbereich (Bereich 1) zwischen εcu und εcp (εcu ≤ εc2 ≤ εcp).
Ein nächster markanter Grenzdehnungszustand ist der, wenn der Beton am Biegedruckrand ausgenützt
ist (Punkt B, εc2 = εcu ) und gleichzeitig die Bewehrung As1 mit Sicherheit ins Fließen kommt
(εs1 = εyk,0.95). (εyk,0.95 siehe Bild 2.13)
Alle Dehnungsebenen des Bereiches 2 und 3 sind Grenzdehnungszustände, solange der Beton am Bie-
gedruckrand ausgenützt ist, also solange die Dehnungsebene durch den Punkt B geht. Die Bewehrung
As1 wird im Bereich 2 gedehnt, kommt aber erst im Bereich 3 ins Fließen.
Die äußerste Grenzdehnungsebene des Bereiches 3 ist durch die Punkte B und C gegeben. Am Biege-
druckrand ist der Beton durch die Grenzstauchung εcu ausgenützt und die Bewehrung As1 hat die cha-
14.11.01 43
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Der Dehnungsbereich 5 ist dadurch gekennzeichnet, daß der Stahl in der Biegezugzone (As1) ausge-
nützt ist (εs1 = εsu) (Drehpunkt C), während am gegenüber liegendem Rand ebenfalls eine positive Deh-
nung herrscht. Dieser Dehnungsbereich stellt sich ein, wenn neben einem Biegemoment eine relativ
große Zugkraft einwirkt.
14.11.01 44
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Fragestellung: Ist der maximale Biegewiderstand MRd größer als das einwirkende Biegemoment MSd,
wenn gleichzeitig das Normalkraftsgleichgewicht
N Rd = N Sd (2.45)
erfüllt ist?
Mit anderen Worten: Ist in der Gleichung (2.46) die Bedingung λ ≥ 1 erfüllt?
λ ⋅ M Sd = M Rd (2.46)
Vorgangsweise:
M Sd
Bei überwiegender Biegebeanspruchung ( e = ----------- >> , große Ausmitte) ist jener Grenzdehnungszu-
N Sd
stand, für den das Normalkraftgleichgewicht (2.45) erfüllt ist, in den Dehnungsbereichen 2 bis 4 zu su-
chen (Bild 2.31).
Man beginnt beispielsweise mit dem Grenzdehnungszustand durch die Punkte B und C und ermittelt
sich für diesen Dehnungszustand nach Abschnitt 2.4.2 die reaktive Normalkraft NRd. Wenn NRd > NSd
ist, liegt der gesuchte Grenzdehnungszustand im Dehnungsbereich 2 oder 3 (Beton ausgenützt). Man
dreht die Dehnungsebene um den Punkt B bis das Normalkraftgleichgewicht (Gleichung (2.45)) erfüllt
ist.
Wenn NRd < NSd liegt der gesuchte Grenzdehnungszustand im Bereich 4 (Stahl ausgenützt). Man dreht
in diesem Falle die Dehnungsebene um den Punkt C, bis das Normalkraftgleichgewicht (Gleichung
(2.45)) erfüllt ist. Für den nunmehr bekannten Grenzdehnungszustand - bei dem die Bedingung
NRd = NSd erfüllt ist - berechnet man nun das reaktive Biegemoment MRd und den Faktor λ.
M Rd
λ = ----------- (2.47)
M Sd
14.11.01 45
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
2.7.1 Fragestellung
Gegeben ist ein Betonquerschnitt mit den Querschnittsabmessungen sowie die Beton- und die Stahlgü-
te. Gegeben ist auch das einwirkende Biegemoment MSd. Die Normalkraft ist Null.
14.11.01 46
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Vorgangsweise:
Wieder geht man von dem Grenzdehnungszustand B - C im Bild 2.31 aus (εc2 = εcu , εs1 = εsu). Für diesen
Dehnungszustand ermittelt man die Betonanteile (Nc, Mc) an den reaktiven Schittgrößen nach Abschnitt
2.4.2, Gleichung (2.36).
a ε cu
B
Mc M Sd
y Nc
Ns C
As ε su
Reaktion Grenzdehnungsebene B-C Aktion
z
b Druckgurt
σc B
(-) Nc M Sd
ec
y
za
zs
Ns
C
As Zuggurt
Reaktion Spannungen Dehnungen Aktion
z
Bild 2.32 Ausgangszustand für die iterative Ermittlung jenes Dehnungszustandes, der das Mo-
mentengleichgewicht erfüllt
Da voraussetzungsgemäß keine äußere (aktive) Normalkraft einwirkt (NSd = 0) lautet die Normalkraft-
gleichgewichtsbedingung (Bild 2.32 a)
(- ) (+ )
N Rd = N c + N s = 0 (2.48)
Mc
Mit e c = ------- (2.49)
Nc
ist der Angriffspunkt der resultierenden Betondruckkraft in der Biegedruckzone bekannt (Bild 2.32 b).
Der Abstand za zwischen der Druckgurtkraft N c und der Zuggurtkraft N s wird als innerer Hebelarm be-
zeichnet.
z a = ec + zs (2.50)
14.11.01 47
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
M Rd = – N c ⋅ z a (2.51)
( -) (- )
a ε c > ε cu
B
x Nc
za
As εs u
εc u
b
B
x Nc
za
As
ε yk0, 95 < ε s < ε s u
c
B
Nc
x
za
As
εs < ε yk0, 95
Fallunterscheidungen:
Fall a: Bild 2.33 a
Wenn MRd > MSd ist, liegt jener gesuchte Grenzdehnungszustand, für den das Momentengleichgewicht
erfüllt ist, im Dehnungsbreich 4 (Stahl ausgenützt εs = εsu, Beton nicht ausgenützt εc2 > εcu). Die Deh-
nungsebene wird iterativ um C verdreht bis das Momtentengleichgewicht MRd = M Sd erfüllt ist. Der Quer-
schnitt versagt durch Reißen der Biegezugbewehrung, bevor der Biegedruckgurt bricht. Das Versagen
kündigt sich durch sehr große Stahldehnungen und starke Rißbildung an (sehr duktiles Verhalten).
Anmerkung: Das reaktive Moment MRd = - Nc· z a nimmt von Fall a) nach c) zu, weil Nc stärker anwächst als za abnimmt.
14.11.01 48
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Die Biegezugbewehrung kommt nicht ins Fließen. In diesem Fall tritt ein vorwarnungsloser Spröd-
bruch der Biegedruckzone ein. Der Biegedruckgurt ist zur Aufnahme des einwirkenden Momentes M Sd
zu schwach. Derartige Querschnitte sind nicht zulässig. Der Druckgurt muß verstärkt werden.
Mögliche Maßnahmen:
• Bessere Betongüte (meist nicht zweckmäßig)
• Querschnittshöhe (Hebelarm za) vergrößern und/oder
• Druckgurt vergrößern (Breite b)
• Druckbewehrung anordnen (siehe Abschnitt 2.8)
14.11.01 49
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
M Rd = – N c ⋅ z a = M Sd (2.52)
erfüllt ist, läßt sich die Kraft Ns im Biegezuggurt entweder aus dem Momentengleichgewicht
M Sd
N s = ----------- (2.53)
za
N Rd = N s + N c = N Sd = 0
N s = – Nc (2.54)
Ns
erfA s = ---------------- (2.55)
σ s ( εs )
Grundsätzlich folgt σs über das Stoffgesetz aus dem bekannten Dehnungszustand. Weil der Fall c aus-
geschlossen wurde, ergibt sich für das bi-lineare Stoffgesetz (Bild 2.11)
f yd ≤ σ s ( ε s ) ≤ f td (2.56)
σ s = f yd (2.57)
14.11.01 50
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Wie bereits erwähnt, ist der Fall c) im Bild 2.33 c wegen der Sprödbruchgefahr unzulässig. Die Biege-
druckzone muß verstärkt werden. Als Verstärkung kann man eine Druckbewehrung am Biegedruckrand
einlegen.
Man geht von dem in Bild 2.34 skizzierten Grenzdehnungszustand (εc2 = εcu, εs1 = εyk,0.95) aus, der de-
finitionsgemäß noch zulässig ist (Bedingung: ε s1 ≥ ε yk, 0.95 ). Für diesen Dehnungszustand läßt sich Nc
und za ermitteln und damit jenes reaktive Biegemoment Mc, welches die Betondruckzone (ohne Druck-
bewehrung) tragen kann:
M c = – Nc ⋅ za (2.58)
Ns = –Nc (2.59)
Ns Nc
A s = ------- = – ------- (2.60)
f yd f yd
∆M = M Sd – M c (2.61)
mit Hilfe zusätzlicher Bewehrungen am Zug- und Druckrand (Bild 2.34 b) aufgenommen werden. Für das
Kräftepaar ∆Ns1 und ∆N s2 gilt
∆M
∆N s1 = -------- (2.62)
a
– ∆M
∆N s2 = – ----------- (2.63)
a
∆N s2
A s 2 = ---------------------- (2.64)
σ s2 ( ε s2 )
14.11.01 51
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
f cd ε cu
Nc x0
za M Sd – ∆M
Þ Mc
Ns
∆N s2
ε s2
a Þ ∆M r ∆M
∆N s1
∆A s1 ε y k, 0.95 = ε s1
Die Stauchung εs2 folgt aus dem Grenzdehnungszustand im Bild 2.34 b. Die zugehörige Stahlspannung
σs2 erhält man aus dem Stoffgesetz (Bild 2.35).
∆N s1
∆A s1 = ------------- (2.65)
σs 1
Aus den Gleichungen (2.60) und (2.65) ergibt sich die erforderliche Gesamtbewehrung in der Biegezug-
zone:
A s 1 = A s + ∆A s 1 (2.66)
14.11.01 52
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
(+)
σs
( + ) f td
σs 1
f yd
( -)
( -) ε s2 Es (+ )
εs εs
(+ )
ε s1
( -)
σs 2
f yd
f td
( -)
σs
14.11.01 53
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
Es wird hier vorausgesetzt, daß das einwirkende Biegemoment im Vergleich zur Normalkraft derart
überwiegt, daß sich ein Grenzdehnungszustand einstellt, der innerhalb der Dehnungsbereiche 3 oder 4
im Bild 2.31 liegt. Die Querschnittsbemessung bei Biegung mit Längskraft (Zug oder Druck) läßt sich mit
einem einfachen Trick auf den im Abschnitt 2.7 behandelten Fall der reinen Biegung zurückführen:
a b c
c2
M Sd Ms 1
y N Sd
zs
N Sd
s1
As A s, M A s, N
Statt die einwirkenden Schnittgrößen gemäß Bild 2.36 a auf den lokalen Koordinatenursprung zu bezie-
hen, transformiert man sie auf die Biegezugbewehrung. Das Biegemoment Ms1 um den Zugmittelpunkt
M s1 ,Sd = M Sd – N Sd ⋅ z s (2.67)
beansprucht den Querschnitt wie im Abschnitt 2.7 besprochen. Die Biegebemessung liefert die Stahlflä-
che As,M
M s1,Sd
A s, M = ------------------ (2.68)
za ⋅ fy d
Da außerdem noch die Normalkraft NSd im Zugmittelpunkt einwirkt, ist dort noch die zusätzliche Stahl-
fläche As,N erforderlich. Sie nimmt NSd auf:
N Sd
A s, N = ---------- (2.69)
f yd
Anmerkung: Die Gleichungen (2.67) bis (2.70) gelten unabhängig vom Vorzeichen der Normalkraft NSd, d.h. sowohl für
Druck (NSd < 0) als auch für Zug (NSd > 0).
14.11.01 54
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
As 2 ε s = ε cp
a
N Rd N Sd
ε cp
A s1 Reaktion 1 Aktion
b
( -)
ε cp εs
εc εs
f cd
(- )
σs
σc
f yd
σs
Bild 2.37 zentrischer Druck im ULS
a) Grenzdehnungszustand
b) Beton- und Stahlspannung im Grenzdehnungszustand
Bei symmetrischer Bewehrungsanordnung stellt sich dem Bild 2.31 entsprechend der im Bild 2.37 dar-
gestellte Grenzdehnungszustand ein.
Mit den im Bild 2.37 b definierten Dehnungen εs = εcp und Spannungen σc = fcd und σs = Es. εcp erhält
man die reaktive Normalkraft
(-) (- )
N Rd = f cd ⋅ A c + σ s ⋅ ( A s1 + A s2 ) (2.71)
14.11.01 55
2. Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS)
A s2
NRd NSd
1
Reaktion 1 ε Aktion
A s1 su
Bei symmetrischer Bewehrung As1 = As2 stellt sich der Grenzdehnungszustand C-D (εs1 = εs2 = εsu) ge-
mäß Bild 2.31 ein. In den Rißquerschnitten (σc = 0) lautet der Querschnittswiderstand
N Rd = f td ⋅ ( A s1 + A s2 ) (2.72)
Anmerkung: Bisher wurden folgende Bemessungsfälle behandelt: „Reiner Zug“ (M = 0), „Reiner Druck“ (M = 0), „Reine Bie-
gung“ (N = 0) und „Biegung mit Längskraft“ (Zug oder Druck), wenn die Normalkraft relativ klein bzw. die La-
stexzentrizität e
M Sd
e = ------------- (2.73)
N Sd
so groß ist, daß die Biegezugbewehrung ins Fließen kommt (große Lastausmitte). Die Bemessungsfälle „kleine Lastausmitte“
und „mittlere Lastausmitte“ werden im Abschnitt 5 (Stützen) behandelt. Bei einer Druckbeanspruchung mit kleiner Ausmitte bleibt
der gesamte Querschnitt unter Druck (Zustand I). Im Falle der mittleren Ausmitte reißt der Querschnitt zwar in der Biegezugzone
auf (Zustand II), die Biegezugbewehrung kommt jedoch nicht ins Fließen (εs1< εyk,0.95).
14.11.01 56
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.1 Einführung
Mit den Nachweisen in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit soll einerseits die geplante Nut-
zung und anderseits auch die Dauerhaftigkeit über die vorgesehene Nutzungsdauer sichergestellt wer-
den.
In der Regel sind folgende Nachweise zu führen:
1. Spannungsnachweise
2. Rißbreitennachweise
3. Verformungsnachweise
Gegebenenfalls sind auch andere Gebrauchszustände, wie beispielsweise die Schwingungsanfälligkeit
oder die Wasserdichtheit zu untersuchen.
14.11.01 57
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Anmerkung: Sie werden nachfolgend am Beispiel der führenden Auswertung nach den Biegemomenten dargestellt. Sie
gelten auch für die führende Auswertung nach den Normalkräften, wenn man in den Überlagerunsformeln for-
mal M durch N ersetzt.
M0 =
å j≥1
M G, j + M Q, 1 +
å i>1
ψ o, i ⋅ M Q, i (3.1)
2. Häufig auftretende EK
Sie repräsentiert ein „mittleres“ Lastniveau der Gebrauchslasten
(hohe Auftretenswahrscheinlichkeit: etwa 300 x pro Jahr)
M1 =
å j≥1
M G, j + ψ 1 , 1 ⋅ M Q, 1 +
å i>1
ψ 2, i ⋅ M Q, i (3.2)
3. Quasi-ständig vorhandene EK
Sie repräsentiert ein „unteres“ Lastniveau im Gebrauchszustand.
M2 = å j≥1
M G, j + å i
ψ 2 , i ⋅ M Q, i (3.3)
ψ0,i ...................Kombinationsbeiwert. Er erfaßt jenen Anteil des Lastfalles i, der mit einer entsprechen-
den Wahrscheinlichkeit gleichzeitig mit der Leiteinwirkung auftritt
ψ1,1 ...................Kombinationsbeiwert für den häufig auftretenden Anteil der Nutzlast 1
ψ2,1 ...................Kombinationsbeiwert für den quasi-ständig wirkenden Anteil der Nutzlast i
Anmerkung: Beispiele für Kombinationsbeiwerte ψ finden sich in Tabelle 2.3
• Die quasi-ständige EK wird zur Berechnung der Auswirkungen des Kriechens und Schwin-
dens und in der Regel auch für die Verformungsnachweise verwendet.
14.11.01 58
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.3 Materialeigenschaften
Anmerkung: Dieser Abschnitt ergänzt das Kapitel 2.3. mit Materialeigenschaften, die für den SLS von Bedeutung sind.
Das Tragverhalten unter Zugbeanspruchung hängt in erster Linie von der Zugfestigkeit des Zementstei-
nes ab (Bild 3.1).
Deshalb ist die Betonzugfestigkeit nur etwa 10% der einachsigen Betondruckfestigkeit. Auch hier ist die
Kontaktfläche zwischen Zementstein und Zuschlagkorn für das Versagen bei normalfestem Beton ver-
antwortlich.
Anmerkung: Bei hochfesten Betonen oder bei Beton mit Zuschlägen von geringer Festigkeit (Leichtbeton) ist die Festigkeit
des Zementsteines und der Verbundschicht so groß, daß die Bruchfläche durch die Zuschlagkörner verläuft.
Gesucht erreicht normalerweise die zentrische Zugfestigkeit. Da die Versuchstechnik zur Ermittlung der
zentrischen Zugfestigkeit aufwendig ist, werden in der Regel die Biegezug- bzw. die Spaltzugfestigkeit
ermittelt. Nach EC 2 läßt sich daraus die zentrische Zugfestigkeit wie folgt errechnen:
Wenn die Zugfestigkeit nicht experimentell ermittelt werden kann, dürfen die Werte der charakteristi-
schen Zugfestigkeit für die entsprechende Festigkeitsklasse aus Tabelle 2.4 angenommen werden.
fctm ...................Mittelwert der Zugfestigkeit
fct,0.05 ...............untere Schranke der charakteristischen Zugfestigkeit (5% Fraktile)
fct,0.95 ...............obere Schranke der charakteristischen Zugfestigkeit (95% Fraktile)
14.11.01 59
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Der Rechenwert für die untere Schranke der einachsigen Zugfestigkeit lautet:
f ctk
f c td = -------- (3.8)
γc t
Bei der Berechnung von Rißschnittgrößen kann fctk,0.05 als Zugfestigkeit eingesetzt werden
( γct =1)
Die charakteristischen Zugfestigkeiten sind in der Tabelle 2.4 in Abhängigkeit von der Betonfestigkeits-
klasse nach EC 2 zusammengestellt.
Wenn keine Meßergebnisse vorliegen, kann näherungsweise der Elastizitätsmodul in Abhängigkeit von
der Betongüte der Tabelle 2.4 entnommen werden.
Sowohl für den Bewehrungsstahl als auch für den Beton darf im SLS das Hooke’sche Gesetz angesetzt
werden:
σ c = E cm ⋅ ε c (3.11)
σ s = Es ⋅ εs (3.12)
14.11.01 60
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.4.1 Druckstab
Voraussetzungsgemäß bleiben die Querschnitte bei der Verformung eben und es herrscht starrer Ver-
bund. Damit gilt gemäß Bild 3.2
ε = εc = εs (3.13)
As/2
Ns/2
N Na
Ac c
Ns/2
εs
Reaktion Aktion
As/2 εc
N c = E c ⋅ Ac ⋅ ε (3.14)
N s = E s ⋅ As ⋅ ε (3.15)
zusammen:
N r = N c + Ns (3.16)
Wenn man die Gleichungen (3.14) und (3.15) in die Gleichung (3.16) einsetzt, ergibt sich (3.17).
Es
N r = E c ⋅ æ A c + ------ ⋅ A sö ⋅ ε (3.17)
è E ø
c
Nr = Na (3.18)
(- )
(- ) Na
ε = ---------------- (3.19)
Ec ⋅ Ai
14.11.01 61
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Ai = Ac + αs ⋅ As oder A i = A c, b + ( α s – 1 ) ⋅ A s (3.20)
Ai ......................ideele Querschnittsfläche
Ac .....................Netto-Betonquerschnittsfläche
Ac,b ...................Brutto-Betonquerschnittsfläche
αs .....................E-Modulverhältnis
Es
α s = ------ (3.21)
Ec
Wenn man ε aus Gleichung (3.19) in die Gleichungen (3.14) und (3.15) einsetzt, erhält man die soge-
nannten Verteilungsgrößen.
Ac
N c = ------ ⋅ N a (3.22)
Ai
αs ⋅ As
N s = ----------------- ⋅ N a (3.23)
Ai
Das sind jene Anteile der Kraft Na, die auf die beiden Materialkomponenten Beton und Bewehrungsstahl
entfallen. Die Beanspruchung σ c lautet:
(-) ( -)
(- ) (- ) Nc Na
σc = Ec ⋅ εc = ---------- = ---------- (3.24)
Ac Ai
nicht überschreiten. Dieser Nachweis soll eine progressive Mikrorißbildung verhindern, welche
zu Längsrissen führen kann (besonders für die Umweltklassen 3+4).
Anmerkung: Wenn die Druckzone durch Bügel umschlossen ist, kann dieser Nachweis entfallen.
14.11.01 62
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.4.2 Zugstab
Wenn die einwirkende Zugkraft kleiner ist als die Rißlast Ncr (Index „cr“ für crack)
bleibt der Zugstab im Zustand I. Es gelten die Formeln (3.13) bis (3.24) mit dem Unterschied, daß
Na > 0 ist und sich damit alle Vorzeichen umkehren.
Beim Überschreiten der Rißlast Ncr entstehen in den schwächsten Querschnitten Risse.
Anmerkung: Querschnitte, in denen Bügel angeordnet sind, neigen zur Rißbildung („Perforierung“ des Querschnittes durch
die Bügel).
Na
σ s = ------- (3.28)
As
nicht überschreiten. Dieser Nachweis soll sicherstellen, daß die Stahldehnung unter Gebrauchslast im
elastischen Bereich (Hooke’scher Bereich) bleibt. Dadurch können sich Risse nach der Entlastung wie-
der schließen.
14.11.01 63
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.4.3 Biegestab
2 y Schwerpunkt des
z
c Nettobetonquerschnittes
Sn z
c i c
i i
Si zs Schwerpunkt des
h ideellen Querschnittes
h–z
i
1
As
z
Ac ⋅ zc + α s ⋅ A s ⋅ z s
z i = -------------------------------------------------- (3.31)
Ai
2 2
Ji = Jc + Ac ⋅ ( zi – z c ) + α s ⋅ As ⋅ ( zs – z i ) (3.32)
Ji
W 1i = ------------- (3.33)
h – zi
Ii
W 2i = – ---- (3.34)
zi
Hierin bedeuten:
zi..................Abstand des ideelen Schwerpunktes vom Biegedruckrand
Ai .................ideele Querschnittsfläche
Ji..................ideeles Trägheitsmoment
Wi ................ideeles Widerstandsmoment
14.11.01 64
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Beim Überschreiten des Rißmomentes Mcr fällt die Betonzugzone schlagartig aus. Der Dehnungszu-
stand des Querschnittes geht in den Zustand II über (Bild 3.4). Bei reiner Biegung (N = 0) fällt die Nullinie
in die ideele Schwerachse des gerissenen Querschnittes (bestehend aus der Biegedruckzone und der
Biegezugbewehrung). Für den Rechteckquerschnitt und den Plattenbalkenquerschnitt läßt sich der ge-
suchte Dehnungszustand direkt berechnen:
εc
y zc
xo
Nc
d i i Ma
za
Ns
As
εs
z
α s ⋅ A s1 2bd Es
x = -------------------- ⋅ æ – 1 + 1 + --------------------ö α s = ------ (3.35)
b è α s ⋅ A s1ø Ec
x
z = d – --- (3.36)
3
2M
σ c = ------------------ (3.37)
b⋅x⋅z
M αs ⋅ ( d – x)
σ s1 = ----------------- = σ c ⋅ ---------------------------- (3.38)
z ⋅ A s1 x
α s ⋅ ( A s1 + A s2 ) α s ⋅ ( A s1 + A s2 ) 2 2α s
x = – ----------------------------------------- + æ ----------------------------------------
-ö + ---------- ⋅ ( A s1 ⋅ d + A s 2 ⋅ d 2 ) (3.39)
b è b ø b
M
σ c = ------------------------------------------------------------------------------------------------------------ (3.40)
b ⋅x x – d2
---------- ⋅ ( 3d – x ) + α s ⋅ A s2 ⋅ ( d – d 2 ) ⋅ ---------------
6 x
αe ⋅ ( d – x)
σ s1 = σ c ⋅ ---------------------------- (3.41)
x
14.11.01 65
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
– k 2 + k 22 + b w ⋅ ( 2 ⋅ d ⋅ A e + hf ⋅ k 1 )
x = ---------------------------------------------------------------------------------------------- (3.42)
bw
hf
k 1 ⋅ h f ⋅ æ 3 – 2 ⋅ ----ö + b w ⋅ x 2
è xø
z = d – -----------------------------------------------------------------------
hf
3 ⋅ bw ⋅ x + k 1 ⋅ æ 2 – ----ö
è xø
Es
mit α s = ------ Ae = αs ⋅ As k1 = h f ⋅ ( b – bw )
Ec
k2 = Ae + k1 (3.43)
M
σ s = ----------------- (3.44)
z ⋅ A s1
x
σ c = – σ s ⋅ ---------------------------- (3.45)
α ⋅ ( x – d) s
σ c = E c ⋅ ε c ≤ zulσ c
σ s = E s ⋅ ε s ≤ zulσ s (3.46)
Für allgemeine Querschnittsformen ist der Dehnungszustand (εc, εs) iterativ zu variieren, bis folgende
Gleichgewichtsbedingungen erfüllt sind:
N c + Ns = 0
N s ⋅ za = Ma (3.47)
ò
x0
Nc = σc ( z ) ⋅ b ( z ) ⋅ dz (3.48)
0
ò
x0
Mc = σ c ( z ) ⋅ b ( z ) ⋅ z ⋅ dz (3.49)
0
Mc
z c = ------- (3.50)
Nc
za = d – zc (3.51)
N s = E s ⋅ As ⋅ εs (3.52)
14.11.01 66
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.5 Rißbreitennachweis
3.5.1 Einführung
Risse sind in Stahlbetonkonstruktionen nicht zu vermeiden. Erst durch Rißbildung erhält der Beweh-
rungsstahl die ihm bei der Bemessung im Zustand II zugewiesene Zugkraft.
Neuere Untersuchungen zeigen, daß unter normalen Umweltbedingungen vor allem die Dicke und Dich-
te der Betondeckung für den Korrosionsschutz ausschlaggebend ist und erst in zweiter Linie die Rißbrei-
te, soferne die Rißbreiten entsprechend klein bleiben. Bei fachgerechter Konstruktion sind Schäden
infolge von Rißbildung meist auf Zwang-Beanspruchungen zurückzuführen.
Durch eine risseverteilende und rissbreitenbeschränkende Bewehrung (kleiner Rißabstand srm und
begrenzte Stahldehnung εsm , sowie durch eine entsprechende Betontechnologie und eine zweckmäßi-
ge konstruktive Durchbildung lassen sich die Rißbreiten wirksam steuern, d.h. klein halten. In trockener
Umgebung sind Rißbreiten von 0,3 mm bis 0,5 mm zulässig. Um Dichtigkeit gegen Flüssigkeiten zu er-
reichen, sind die rechnerischen Rißbreiten mit 0,1 mm bis 0,2 mm zu begrenzen.
Die Rißbildung und Rißbreite hängt von verschiedenen Einflußparametern ab, vor allem von :
• Art und Größe der Einwirkungen (Schnittgrößen)
• Betonzugfestigkeit
• Verbundfestigkeit und Verbundwirkung (Stabdurchmesser)
• Bewehrungsgrad bezogen auf die Zugzone
• Betondeckung
• Bauteildicke und Bauteilform
• Verteilung der Zugspannungen (vor der Rißbildung)
Da von diesen Parametern insbesondere die Zugfestigkeit und die Verbundwirkung großen Streuungen
unterworfen sind, besitzen die zur Bestimmung von Rißbreite und Rißabstand abgeleiteten Rißformeln
unabhängig von ihrem Aufbau nur eine begrenzte Aussagefähigkeit. So treten Risse häufig in Quer-
schnitten auf, wo eine Querbewehrung (ein Bügel) angeordnet ist, da diese eine Querschnittsschwä-
chung bewirkt.
Um die Herleitung von Rißformeln zu verstehen, muß zunächst das Last-Verformungsverhalten eines
Zuggliedes näher betrachtet werden:
14.11.01 67
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.5.2.1 Zustand I
Wird ein Stahlbetonzugstab mit einer zunehmenden Zugkraft Na belastet, so treten zunächst keine Ris-
se auf (Zustand I) und die Dehnungen von Beton (εc) und Stahl (εs) sind gleich (Gleichung (3.13)). Unter
Ansatz der ideelen Querschnittswerte kann die Dehnung wie folgt bestimmt werden. (Gleichung (3.19)
und (3.20))
Na Na
ε s = ε c = ---------------- = ---------------------------------------------------- (3.53)
Ec ⋅ Ai Ec ⋅ A c ⋅ ( 1 + α s ⋅ ρt )
mit
Es
α s = ------ ..........E-Modul-Verhältnis
Ec
As
ρ t = ------ ...........Bewehrungsgrad
Ac
3.5.2.2 Erstrißbildung
Der erste Riß (1) tritt auf, sobald die Zugfestigkeit bzw. die Bruchdehnung des Betons auf Zug erreicht
wird und zwar in jenem (schwächsten) Querschnitt, wo der geringste Widerstand, d.h. die geringste Zug-
festigkeit vorhanden ist. Die mit der Rißbildung freiwerdende Betonzugkraft muß von der Bewehrung
übernommen werden und verursacht in dieser eine Zunahme der Dehnung und Spannung. Beidseitig
des Risses treten Verbundspannungen (Bild 3.5) auf, die dem Verbundgesetz (Bild 2.4) entsprechend
die Verträglichkeit der Verformung herstellen. Mit Hilfe dieser Verbundspannungen baut sich im Beton
die im Rißquerschnitt verlorengegangene Zugkraft wieder sukzessive auf, bis am Ende der Einleitungs-
länge a die Dehnungen von Beton und Stahl wieder gleich groß sind (Bild 3.5).
Kennzeichnend für das Stadium der Erstrißbildung ist, daß zwischen den Rissen noch ungestörte Be-
reiche (τbd = 0) existieren, für die εs = εc ist (Zustand I). Da in diesem Bereich die Betonzugspannung
gemäß Bild 3.5 konstant verläuft, entsteht der nächste Riß bei einer (geringfügigen) Laststeigerung an
einer nicht vorhersehbaren Schwachstelle, wo der Querschnittswiderstand im Zustand I mit dem Errei-
chen der Betonzugfestigkeit überwunden wird. Im Bild 3.6 ist dieser neue Riß (3) an „zufälliger“ Stelle
eingetragen.
14.11.01 68
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Risse
Na Na
ε s, ε c x 1 2
ε s, II
εs( x )
ε s, I
ε c, I
εc( x )
τ bd x
a a a a
τ bd ( x )
x
Bild 3.5 Beton-, Stahldehnungen (εc, εs) und Verbundspannungen (τbd) bei Erstrißbildung
Na Na
x 1 3 2
ε s, ε c
εs
εc a
x
τ bd a
τ bd ( x )
„ungestörter“
Verbundbereich
14.11.01 69
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Zwischen den Rissen (1) und (3) im Bild 3.6 überschneiden sich bereits die Verbundbereiche. Die Bruch-
dehnung bzw. Zugfestigkeit des Betons wird zwischen den Rissen (1) und (3) nicht mehr erreicht.
Zwischen den Rissen (1) und (3) entsteht in der Folge kein weiterer Riß mehr. Hier haben wir es bereits
mit einem abgeschlossenen Rißbild zu tun.
Zwischen den Rissen (3) und (2) ist im Bild 3.6 ’zufällig’ noch ein ungestörter Bereich verblieben, weil
der Abstand zwischen den Rissen (2) und (3) größer als 2a ist. Hier wird noch ein Riß entstehen, wenn
nach einer geringfügigen Laststeigerung örtlich die Betonzugfestigkeit erreicht wird.
Die Erstrißbildung ist abgeschlossen, wenn - entlang des Zugstabes - alle Risse einen Abstand sr zu-
einander aufweisen, der kleiner als 2a ist.
Unter einer über die Stablänge konstant verlaufenden Zugkraft Na läßt sich demnach der Rißabstand
nur in folgenden Grenzen einschränken:
a ≤ s r ≤ 2a (3.54)
s rm = 1, 5 ⋅ a (3.55)
als Rechengröße für den mittleren Rißabstand ein. Wenn, wie beispielsweise in der Biegezugzone ei-
nes Balkens sich die Zugkraft in Längsrichtung ändert, entwickeln sich die Risse bei der Erstrißbildung
- ausgehend vom Querschnitt mit der größten Zugkraft - sukzessive im Abstand a. In diesem Fall gilt
s rm ≈ a (3.56)
Das abgeschlossene Rißbild ist dadurch gekennzeichnet, daß sich die Verbundbereiche entlang der
gesamten Stablänge überschneiden.
3.5.2.4 Rißbreitenentwicklung
Während der Erstrißbildung verhält sich der Zugstab relativ weich in Bezug auf die Laständerung, weil
die Verformung bei geringer Laststeigerung mit jedem neuen Riß entsprechend zunimmt. Nach Errei-
chen des abgeschlossenen Rißbildes können bei einer weiteren Laststeigerung theoretisch zwar noch
örtlich einzelne Risse entstehen. Im wesentlichen wirkt sich die Laststeigerung jedoch auf eine Zunah-
me der Rißbreite in allen Rissen aus. Die tangentielle Dehnsteifigkeit (DT,2) des Zugstabes gegenüber
einer Laständerung ist größer als im Bereich der Erstrißbildung. Dies zeigt sich durch einen steileren
Verlauf der N/ε - Linie im Bild 3.7 zwischen den Punkten 2 und 3 (abgeschlossene Rißbildung).
Der wesentlichste Unterschied zwischen dem abgeschlossenen Rißbild und der Erstrißbildung besteht
darin, daß zwischen den Rissen die Betonzugfestigkeit nicht mehr erreicht wird.
Während im Stadium der Erstrißbildung in den ungestörten Bereichen (Zustand I) zwischen den Rissen
(Bild 3.5) die Stahldehnung gleich groß ist wie die Betondehnung, kann die Stahldehnung nach Ab-
schluß der Erstrißbildung die Betondehnung wesentlich übersteigen (Bild 3.8).
εs >> εc (3.57)
14.11.01 70
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Na
Mitwirkung des Betons 3
zwischen den Rissen
(Zugversteifung)
I
dI abgeschlossene
s ta n n itt) Rißbildung
u h
I r“ Z e rs c
nd
k t e u (Rißbeitenentwicklung)
c q
sta
„ n a R iß
( im
Zu
2
1, 3N r
1 D T, 2 Erstrißbildung
Nr
D T, 1 – 2 ungerissen
(Zustand I)
εy ε
D T, 1 = E c ⋅ A i
Bild 3.7 Zusammenhang zwischen Zugkraft Na und Dehnung ε (vereinfachte Darstellung für
Erstbelastung)
Na Na
Risse
εs
εs( x )
εc
x εc( x ) x
∆ε = ε sII – ε cI (3.58)
Die Dehnungen εs(x) und εc(x) sind über das Verbundgesetz (Bild 2.4) mit der Relativverschiebung δ
(Bild 3.9 d) gekoppelt. Zusätzlich müssen in jedem Querschnitt x die relativen Kräfte
N c ( x ) = E c ⋅ Ac ⋅ εc ( x ) (3.59)
14.11.01 71
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
und N s ( x ) = E s ⋅ As ⋅ εs ( x ) (3.60)
im Gleichgewicht stehen mit der Einwirkung Na. Damit läßt sich der Verlauf der Linien εs(x), εc(x), τbd(x)
und δ(x) berechnen.
Riß
Riß
Riß
N R N
a εs
ε sII
∆ε ( x )
b ε cI
x
sr
τb d
c
x
δ
wr
d x
Verschiebungsnullpunkte N
sr
a) Stahldehnung εs,
b) Betondehnung εc,
c) Verbundspannung τbd,
d) Relativverschiebung δ (Schlupf), zwischen Bewehrungsstahl und Beton
14.11.01 72
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Die Rißbreite wr entspricht der Summe des Schlupfes δ (Bild 3.9 d) an den Rißufern beidseits des Ris-
ses, bzw. dem Integral der Dehnungsunterschiede
∆ε ( x ) = ε s ( x ) – ε c ( x ) (3.61)
wr =
ò
sr
∆ε ( x ) d x (3.62)
Dieses Integral entspricht der im Bild 3.9 a hinterlegt dargestellten Fläche. Wenn man näherungsweise
den Dehnungsanteil εc(x) in Gleichung (3.61) vernachlässigt, ergibt sich die mittlere Rißbreite zu
w rm =
ò
s rm
ε s ( x ) dx (3.63)
w rm = ε sm ⋅ s rm (3.64)
Hierin bedeuten
wrm ...................mittlere Rißbreite
εsm....................mittlere Stahldehnung (siehe Bild 3.10)
srm ....................mittlerer Rißabstand (siehe auch Punkt 3.5.4.2)
Die mittlere Stahldehnung εsm ergibt sich aus Bild 3.10, indem man die Fläche unter dem girlandenarti-
gen Verlauf der Stahldehnung durch ein flächengleiches Rechteck ersetzt. Der Unterschied zwischen
der Stahldehnung εs2 im Rißquerschnitt und der mittleren Stahldehnung εsm wird als Zugversteifung
(tension Stiffening) ∆εsm bezeichnet.
„Girlandenkurve“ εs(x)
εs
∆ε s m
εs 2
ε sm
x
s rm
14.11.01 73
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Durch Umrechnung des Mittelwertes in den oberen Fraktilewert, erhält man die charakteristische Riß-
breite wk
Die charakteristische Rißbreite, die auch als Rechenwert (design crack width) bezeichnet wird, läßt
sich aus dem Mittelwert wm (Gleichung (3.64)) mit Hilfe des Beiwertes β ermitteln:
w k = β ⋅ wm (3.65)
Anmerkung: Die kleinste Querschnittsabmessung ist maßgebend (Zwischenwerte sind linear interpolierbar)
w k ≤ w lim (3.66)
w lim = 0, 3 mm (3.67)
w lim = 0, 15 mm (3.68)
eingehalten werden.
14.11.01 74
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.5.4 Rißformeln
w k = β ⋅ ε sm ⋅ s rm (3.69)
Bild 3.11a zeigt einen in Beton eingebetteten Bewehrungsstab auf den eine Zugkraft Na einwirkt.
N c r = f ctm ⋅ A i
εsrI ....................Stahldehnung unter der Rißlast Ncr vor der Rißbildung im Zustand I
εsrII, σsrII ...........Stahldehnung, Stahlspannung unter der Rißlast Ncr nach der Rißbildung im (nackten)
Zustand II
∆εr ....................Dehnungssprung beim Übergang vom Zustand I in den Zustand II unter der Rißlast
εsII, σsII .............Stahldehnung, Stahlspannung unter der Last Na im (nackten) Zustand II
∆εsm .................Abnahme der Stahldehnung infolge der Zugtragwirkung des Betons zwischen den Ris-
sen
εsm....................mittlere Stahldehnung infolge der Einwirkung Na unter Berücksichtigung des Tension-
Stiffening Effektes
DI,DII ................Dehnsteifigkeit des Zugstabes im Zustand I bzw. im nackten Zustand II (Rißquerschnitt)
βt ......................Beiwert zur Berücksichtigung der Belastungsdauer oder einer dynamischen Einwirkung
14.11.01 75
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
a Ac
As
Na Na
N ∆ε sm = β t ⋅ ∆ε r
Na
Tension-Stiffening
2 „nackter“ Zustand II
1, 3N cr
N cr 1
D II = E s ⋅ A s
DI = Ec ⋅ Ai ∆εr εs
ε s rI ε s rII ε s m εsII
c
Na
σ s = -------
As
∆ε sm
σ s II
2
σ s rII 1
Es
εs
ε s rI ε s rII εs m εsII
Im Bild 3.11 b ist das Last-Verformungsverhalten unter Berücksichtigung der Zugtragwirkung des Be-
tons zwischen den Rissen dargestellt.
Im Bild 3.11c wurde lediglich die Ordinate durch As dividiert. Dadurch entspricht der Ordinatenwert der
Stahlspannung σsII im Rißquerschnitt. Man kann dieses Diagramm als verschmiertes, mittleres σ/ε-Dia-
gramm für einen betonummantelten Bewehrungsstab auffassen. Für einen innerhalb eines Bauteiles lie-
genden Bewehrungsstab gilt:
A c = A c, eff (3.70)
Ac,eff .................mit dem Bewehrungsstab auf Zug mitwirkende Betonfläche (wirksame Betonzugzone,
effective area). Siehe Bild 3.13
Die mittlere Stahldehnung in Bild 3.10 ist kleiner als die Dehnung εsII im Rißquerschnitt. Durch die Mit-
14.11.01 76
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
wirkung des Betons zwischen den Rissen (Zugtragwirkung) versteift sich der Zugstab im Vergleich zum
nackten Bewehrungsstab im Rißquerschnitt. Man nennt diese Wirkung Zugversteifung oder Tension-
Stiffening-Effect. Im Bild 3.11 ist gezeigt, daß sich die Zugtragwirkung des Betons zwischen den Ris-
sen durch eine entsprechende Modifikation der Stahlarbeitslinie berücksichtigen läßt.
σ s rII
ε srII = -----------
Es
f ct
ε srI = ------ (3.72)
Ec
N cr = f ct ⋅ A i = σ s rII ⋅ A s
f ct As
σ srII ≈ ------ mit ρ = ------ und A c ≈ A i
ρ Ac
f ct
ε srII ≈ -------------- (3.73)
ρ ⋅ Es
Anmerkung: Die Formel (3.75) setzt einen guten Verbund (gerippte Bewehrungsstäbe) voraus.
Bei Bauteilen, die nur im Bauteil selbst hervorgerufenen Zwängen unterworfen sind, darf εsII unter An-
satz von σ sII = σ srI I ermittelt werden.
14.11.01 77
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
σs
σ sII
E c ⋅ Ai σ srII
---------------- Es
As
ε srII ε s m ε sII εs
Anmerkung: Häufige Lastwechsel wirken sich wie Langzeiteinwirkungen aus (β2 = 0,5)
∅
s rm = 50 + 0, 25 ⋅ k 1 ⋅ k 2 ⋅ ----- (3.77)
ρr
As
ρ r = ---------------
A c, eff
Die rechnerischen Rißbreiten nach Formel (3.77) gelten für die in Bild 3.13 grau dargestellten wirksamen
Zugzonen Ac,eff. Außerhalb dieser Bereiche können größere Rißbreiten auftreten. Aus Bild 3.13d folgt,
daß bei einer risseverteilenden Flächenbewehrung der Stababstand s nicht wesentlich größer sein sollte
als 12ds (Vorschlag: s ≤ 15d s ).
Andernfalls können sich Sammelrisse mit wesentlich größeren Rißbreiten ausbilden (Bild 3.14).
14.11.01 78
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
a Balken b Platte
Ac,eff Ac,eff
1,5 ds1 d
s1
d s1 kleinerer Wert von 2,5 (c + ∅/2)
oder (h - x) / 3
ds 12d
s
ds1
t
Bild 3.13 wirksame Fläche nach EC2 (typische Fälle)
Sammelriß
am Rand konzentrierte gleichmäßig verteilte
Bewehrung Bewehrung
14.11.01 79
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Wenn man die Rißformeln nach Abschnitt 3.5.4.1 und 3.5.4.2 etwas vereinfacht und die rechnerische
Rißbreite mit 0,3 mm begrenzt, erhält man die in Bild 3.15 und Bild 3.16 dargestellten Konstruktionsre-
geln für eine rißbreitenbegrenzende Bewehrung.
Bei überwiegendem Zwang ist der maximale Stabdurchmesser aus Bild 3.15 einzuhalten, wobei als Ein-
gangsgröße die Stahlspannung σsII für die Rißschnittgrößen im Zustand II verwendet wird.
Bei Rissen, die durch Lasten verursacht sind, ist entweder das Bild 3.15 oder das Bild 3.16 (Begrenzung
der Stababstände) anzuwenden.
Wenn die Anforderungen in Bild 3.15 und Bild 3.16 eingehalten werden und außerdem die Mindestbe-
wehrung nach Abschnitt 3.5.4.4 nirgends unterschritten wird, kann man in der Regel auf den rechneri-
schen Nachweis nach Abschnitt 3.5.4.1 und 3.5.4.2 verzichten.
σ [ MPa ]
s
400
300
Stahlbeton
200
Spannbeton
100
10 20 30 d s [ mm ]
Stabdurchmesser
σ s [ MPa ]
400
300
Stahlbeton
200
Spannbeton
100
Anmerkung: Die Stahlspannung σs im Bild 3.15 und Bild 3.16 ist für den Rißquerschnitt - d.h. im Zustand II - zu ermitteln.
14.11.01 80
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
In jenen Bereichen, wo unter SLS-Bedingungen die Zugfestigkeit des Betons überschritten werden
kann, ist eine Mindestbewehrung As,min der anzuwendenden Norm entsprechend einzulegen.
ρ
r, min [ % ] h eff en-
---------- = 0, 0 K ast and
h n rW
t he
1, 0 s ho r eine
ine e
u rt e itts od
gg n
0, 8 Zu ersch
q u
0, 6
0, 2
0, 4 0, 4
0, 6
0, 8
0, 2
tte
Dünne Pla
0, 0
50 100 150 200 250 300 s [ mm ]
h eff
---------- = 1, 0
h
t
Anmerkung: Bild 3.17 gilt für fctm = 2,9 MPa und fyk = 460 MPa. Für andere Werte gilt die Extrapolation
f ctm 460
erf ρ r, min > ρ r, min ⋅ ---------- ⋅ ----------
2, 9 fyk
In den Normen (EC2, DIN1045-1, ON B4700) und Regelwerken (MC90) bestehen unterschiedliche Vorschrif-
ten hinsichtlich einer erforderlichen Mindestbewehrung, die risseverteilend und rißbreitensteuernd wirkt.
Es versteht sich von selbst, daß innerhalb eines Projektes nur das vertraglich festgelegte Normenwerk anzu-
wenden ist. Ein Mischen von Normen ist unzulässig! Deshalb ist die risseverteilende Mindestbewehrung der
jeweils gültigen Norm zu entnehmen.
14.11.01 81
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.6 Verformungsnachweis
3.6.1 Verformungsgrenzen
Zu große Verformungen können einerseits das Erscheinungsbild stören und andererseits die ordnungs-
gemäße Nutzung beeinträchtigen. Probleme können beispielsweise auftreten bei Trennwänden, Vergla-
sungen und Außenwandverkleidungen, bei der Wasserableitung von Flachdächern, bei Abwasser-
rohren, bei der Haustechnik, bei empfindlichen Maschinen, etc.
Deshalb soll die geplante Nutzung und ein entsprechendes Erscheinungsbild durch die Begrenzung der
Verformung sichergestellt werden.
Wenn keine diesbezüglichen Vereinbarungen vorliegen, sollte man den Durchhang f unter der Verbin-
dungslinie der Lager (Bild 3.18) für die quasi-ständige Einwirkungskombination zwischen
l
----------
l
----------
und (3.79)
200 300
begrenzen:
l
f ≤ f lim = ---------- (3.80)
250
Überhöhung ü
Durchhang f δ Gesamtverformung
(Durchbiegung)
ü .......................Überhöhungsstich
f ........................Durchhang
δ .......................Durchbiegung (Biegeverformung)
........................Stützweite
Anmerkung: Bei Balken entspricht der Spannweite, bei Kragträgern ist für die doppelte Kraglänge einzusetzen.
l
ü ≤ ü lim = ---------- (3.81)
500
l
limitiert, kann die Gesamtverformung δ maximal ---------- werden (Gleichungen (3.80) und (3.81)). Die Zu-
167
satzdurchbiegung nach dem Einbau von spröden Zwischenwänden wird mit ∆δ begrenzt. Sofern keine
genaueren Angaben von der Lieferfirma vorliegen, setzt man in der Regel ∆δlim innerhalb folgender
Grenzen an:
l l
------------- ≤ ∆δ lim ≤ ---------- (3.82)
1000 500
14.11.01 82
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.6.2 Einführung
Die Verformungen von Stahlbetonbauteilen werden von vielen Parametern beeinflußt, die zum Zeitpunkt
der Projektierung meist nur abgeschätzt werden können. Daher lassen sich Verformungen nur ungefähr
voraussagen. Die wichtigsten Einflußparameter sind die Zugfestigkeit, der Elastizitätsmodul des Betons
und der Ausschalungszeitpunkt.
Aus der Statik ist bekannt, daß sich die Durchbiegung eines Bauteils durch Integration der Krümmungen
der Biegelinien über die Bauteillänge ermitteln läßt. Im Betonbau ist die Biegesteifigkeit eine lastabhän-
gige Größe. Es besteht also kein linearer Zusammenhang zwischen dem einwirkenden Moment und der
Krümmung. Darüberhinaus beeinflussen das Kriechen und das Schwinden des Betons die Verformung
von Stahlbetonbauteilen deutlich.
Als Grundlage für eine „wirklichkeitsnahe“ Verformungsberechnung dient die rechnerische Momenten-
Krümmungs-Beziehung unter Berücksichtigung der Zugtragwirkung des Betons zwischen den Rissen
(Tension-Stiffening Effekt). Das heißt, es wird mit der mittleren Stahldehnung εsm gemäß Bild 3.12 ge-
arbeitet und angenommen, daß die Querschnitte im Mittel eben bleiben.
My
Vereinfachung
(trilinear)
1, 3M rm „nackter“Zustand II
M rm
ϑ ym ϑ y2 ϑy
Damit erhält man die im Bild 3.19 qualitativ dargestellte M/ϑ - Linie. Sie stellt die Grundlage für die Ver-
formungsberechnung dar und wird deshalb auch als verallgemeinertes Stoffgesetz des Stahlbeton-
balkens bezeichnet. Das M/ϑ - Diagramm beschreibt das materialbedingt nichtlineare Querschnitts-
Verformungs-Verhalten und stellt damit die Basis für die nichtlineare Systemanalyse dar, die wirklich-
keitsnahe Verformungen und Schnittgrößen liefert. Heute ist es üblich, die Systemanalyse nach der Me-
thode der Finiten Elemente durchzuführen. Hier wird der Zusammenhang zwischen den Schnittgrößen
und den Verformungen in jedem Gauß’schen Integrationspunkt auf den Stabachsen benötigt.
In der Praxis interessieren in erster Linie die Kurzzeitverformungen für Bauzustände und die Lang-
zeitverformungen unter der quasi-ständigen EK.
Nachfolgend werden vereinfachte Methoden zur Berechnung der Durchbiegungen besprochen, die zum
Teil auch händisch durchführbar sind.
14.11.01 83
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.6.3 Berechnung der Durchbiegung nach dem Prinzip der virtuellen Arbeit
(Wiederholung aus der LV Baustatik)
v
Die äußere Arbeit, die eine virtuelle Kraft F = 1 am Wege der gesuchten Verformung δ leistet
v
Aa = F ⋅ δ , (3.83)
v
entspricht der inneren Arbeit, die die virtuellen Schnittgrößen M ( x ) am Wege der realen Verzerrungen
ϑq(x) leisten
Ai =
ò
(l )
v
M ( x ) ⋅ ϑ q ( x ) dx (3.84)
Aa = Ai (3.85)
δ =
ò
(l )
v
M ( x ) ⋅ ϑ q ( x ) dx (3.86)
Anmerkung: Bei statisch unbestimmten Systemen darf der virtuelle Lastangriff an einem beliebigen (zulässigen) statisch
bestimmten Grundsystem angebracht werden (Reduktionssatz).
Reale Belastung
q
δ
l
1
Reale Momente Mq ( x )
ql 2
M m = -------
8
2 3
--- ⋅ ϑ m
Reale Krümmungen 4
ϑq( x )
2
ql
l l ϑ m = -------------
--- --- 8 ⋅ EI
4 4 v
Virtuelle Belastung F = 1
3
Virtuelle Momente v
M(x)
l
---
4
Bild 3.20 Reale und virtuelle Momente für die Durchbiegungsberechnung nach dem Prinzip der
virtuellen Arbeiten
Das Integral der Gleichung (3.86) läßt sich numerisch z.B. mit folgenden Überlagerungsformeln lösen:
Anmerkung: Solche Überlagerungsformeln bzw. Auswertungen von Integralen finden sich in jedem Bautabellen Buch
14.11.01 84
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
ò
(a )
v a
M ( x ) ⋅ ϑ q ( x ) dx = --- ⋅ [ A ⋅ ( 2C + D ) + B ⋅ ( 2D + C ) ]
6
(3.87)
Beispiel: Biegeverformung eines frei aufliegenden Einfeldträgers unter Gleichlast auf Basis der
Elastizitätstheorie.
Mq(x )
ϑ q ( x ) = ---------------- (3.88)
EJ
v
Die Linien M ( x ) und ϑq(x) sind im Bild 3.20 dargestellt.
M(x) B
v
A
C ϑq( x) D
ò
(a)
v a
M ( x ) ⋅ ϑ q ( x ) dx = --- ⋅ [ A ⋅ ( C + 2 ⋅ E ) + B ⋅ ( D + 2 ⋅ E ) ]
6
(3.89)
B
A
C D
E
a a
--- ---
2 2
Mit der Formel (3.89) ergibt sich für die Überlagerung der Linien 3 mit 2 im Bild 3.20
l 3 l 3 5 2
δ = 2 ⋅ ----------- ⋅ 0 ⋅ æ 0 + 2 ⋅ --- ⋅ ϑmö + --- ⋅ æ ϑ m + 2 ⋅ --- ⋅ ϑ mö = ------ ⋅ ϑ m ⋅ l (3.90)
2⋅6 è 4 ø 4 è 4 ø 48
2
δ = kM ⋅ ϑ m ⋅ l
5
k M = ------
48 (3.91)
14.11.01 85
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Aus diesen Zusammenhängen lassen sich zwei unterschiedliche Vorgangsweisen ableiten, die beide
praktische Anwendung finden:
1. Unterteilung des Systems in genügend viele Abschnitte a. Dadurch läßt sich der Verlauf von ϑ q ( x )
dem Bild 3.20 entsprechend beliebig genau berücksichtigen.
In beiden Fällen ist der Momenten-Krümmungs-Zusammenhang von zentraler Bedeutung (Bild 3.19).
Nachfolgend wird der Fall der reinen Biegung (N = 0) behandelt.
14.11.01 86
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.6.4 Momenten-Krümmungs-Beziehung
3.6.4.1 Ursprungssteifigkeit
Zustand I
Zustand II
M cr
B II
ϑ
BI = Ec ⋅ Ji
Rißmoment:
M cr = f ctm ⋅ W i1 (3.92)
Mcr ....................Rißmoment
fctm ...................Mittelwert der Betonzugfestigkeit
Wi1 ...................Ideeles Widerstandsmoment auf den Biegezugrand des Querschnitts bezogen
Zustand I :
M M
ϑ I = --------------- = ----- (3.93)
E c ⋅ Ji BI
B I = Ec ⋅ J i (3.94)
BI ......................Biegesteifigkeit im Zustand I
14.11.01 87
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
nackter Zustand II :
d ϑ II M
d–x
As ε s II
M
ϑ II = -------
B II
ε s II σ sII M
ϑ II = ------------ = ---------------------------- = -------------------------------------------------
d–x Es ⋅ (d – x ) Es ⋅ As ⋅ z a ⋅ ( d – x )
B II = E s ⋅ A s ⋅ z ⋅ ( d – x ) (3.95)
M
N s = ----- (3.96)
za
im Biegezuggurt entspricht dann der Kraft Na im Bild 3.11. Der Unterschied zwischen einem Biegezug-
gurt und einem Stahlbetonzugstab besteht lediglich darin, daß beim Biegestab die Dehnungen im Zug-
gurt nicht konstant sind, sondern eine Dehnungsgradiente vorhanden ist.
Nc
Krümmung
Zugstab
(konstante
Dehnung)
A c, eff Ns Biegestab
εs (Dehnungs-
As gradiente)
An die Stelle der Normalkraft/Dehnungs-Beziehung (Bild 3.11) tritt nun die Momenten/Krümmungs-Be-
ziehung (Bild 3.24).
14.11.01 88
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
M
β t ⋅ ∆ϑ r 7 G
ϑ a,I
5
Ma 4
6
1, 3M cr
M cr 1
3 2
B II
ϑ
B I ϑ rI ϑm3 ϑ ϑ a,m ϑ a,II ϑy(εs = εy m) ϑn
rII
ϑ ym
∆ϑ r
b
M
7 G
β t ⋅ ∆ϑ r
M cr 1 3
2
ϑ
∆ϑ r
2) Berechnung der Krümmung ϑrI (Gleichung (3.93)), das ist die Krümmung zu dem Moment, das den
ersten Riß verursacht, jedoch bevor der erste Riß entstanden ist (Punkt 1).
M cr
ϑ rI = --------------- (3.97)
Ec ⋅ Ji
3) Berechnung des Dehnungszustandes (x, za) im nackten Zustand II (nachdem der Riß entstanden ist)
unter dem Rißmoment und damit BII (Gleichung (3.95)) bzw. ϑrII (Punkt 2)
M cr
ϑ rII = --------- (3.98)
B II
14.11.01 89
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Ma
ϑ a,II = ------- (3.101)
B II
Zum Vergleich: Im Anhang 4 des EC2 wird der Tension-Stiffening Effekt wie folgt berücksichtigt
ϑ m = ζ ⋅ ϑ II + ( 1 – ζ ) ⋅ ϑ I (3.103)
σ s r2 2
ζ = 1 – β 1 ⋅ β 2 ⋅ æ -----------ö (3.104)
èσ ø
s2
In der LV Betonbau VA wird ein Computeralgorithmus besprochen, mit dessen Hilfe der Kurvenverlauf
der M/ϑ-Linie unter Einhaltung der Gleichgewichts- und Verträglichkeitsbedingungen in beliebig vielen
Punkten numerisch bestimmt werden kann.
14.11.01 90
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
3.6.5.1 Einführung
Schwinden und Kriechen sind plastische Langzeitverformungen des Betons, die vorwiegend eine Folge
des Austrocknens sind und hauptsächlich von der Feuchte der Umgebung, den Abmessungen des Bau-
teils und der Zusammensetzung des Betons abhängen. Während das Schwinden ein „Schrumpfungs-
prozeß“ ohne Lasteinwirkung ist, hängt das Kriechen linear von den einwirkenden Spannungen ab (Bild
3.25).
a b
( -)
Na
ε cs∞ ε cc ε c, el
1 1
ε cc ( ∞, t 0 ) = φ ( ∞, t 0 ) ⋅ ε c, el (3.105)
Die Gleichung (3.105) (lineares Kriechen) ist nur gültig, wenn die kriecherzeugende Spannung
σ c = E c ⋅ ε c,el folgende Bedingung erfüllt:
σ c ≤ 0, 45 ⋅ f ck (3.106)
εc s a φ b
ε cs ∞ φ ( ∞, t 0 )
ε cs t ( t ) φ ( t, t 0 )
t t
t0 t
t
Bild 3.26 zeitlicher Verlauf von (a) Schwinden und (b) Kriechen
14.11.01 91
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Das Kriechen hängt auch vom Reifegrad des Betons beim erstmaligen Aufbringen der Dauerlast (Aus-
schalen), also vom Belastungszeitpunkt t0 ab. Der zeitliche Verlauf des Schwindens und des Kriechens
ist qualitativ im Bild 3.26 dargestellt.
Die nachfolgenden Tabellen (Tabelle 3.1 und Tabelle 3.2) enthalten auf der sicheren Seite liegende Nä-
herungswerte für das Endschwindmaß εcs∞ und die Endkriechzahl φ(∞,t0). Eine lineare Interpolation zwi-
schen den Tabellenwerten ist zulässig.
Tabelle 3.1 Endkriechzahl φ(∞,t0) für Normalbeton (EC2, Tab. 3.3 Seite 46)
Ac .....................Querschnittsfläche (Beton)
u .......................dem Austrocknen ausgesetzter Umfang des Querschnittes
Tabelle 3.2 Endschwindmaß εcs∞ [in ‰] für Normalbeton (EC2, Tab. 3.4, Seite 47)
Um die Krümmungsänderung infolge des Schwindens ϑcs und infolge des Kriechens ϑcc einfach abzu-
schätzen, kann man von folgenden Annahmen ausgehen (Bild 3.27):
14.11.01 92
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
2. Durch das Schwinden und Kriechen der Druckzone verändert sich der innere Hebelarm nur unwe-
sentlich. Deshalb bleibt die Stahldehnung εs näherungsweise während der Langzeitverformung kon-
stant. Unter dieser Annahme lautet die Langzeitkrümmung näherungsweise (Bild 3.28)
ε cs + ε cc εc s∞ + φ ( ∞, t 0 ) ⋅ ε cm
∆ϑ∞ = ϑ cs + ϑ cc = ---------------------- = ---------------------------------------------------- (3.107)
za za
a b c
ε cm ε cs ε cc
m
x Nc
ϑ 0, II
d z M2
Ns ϑ cs ϑ cc
As εs
Bild 3.27 Krümmungsänderung ϑcs und ϑcc infolge Schwinden und Kriechen im Zustand II
a) Dehnungszustand zu M2
b) Schwindkrümmung ϑcs
c) Kriechkrümmung ϑcc
0, 4 ⋅ ∆ϑ r 0, 25 ⋅ ∆ϑ r
t = t0
M2
t = ∞
Mc r
ϑ
ϑ 0, II ϑ ∞, m ϑ∞, II
∆ϑ r ϑ 0, m
ϑ cs + ϑcc
∆ϑ ∞
Bild 3.28 Parallelverschiebung des M/ϑ-Diagrammes durch Schwinden und Kriechen (Dauerein-
wirkung M2)
14.11.01 93
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Der Dehnungszustand im Bild 3.27a für die quasi-ständige Einwirkung M2 kann unter Berücksichtigung
des Tension-Stiffening Effekts gemäß Gleichung (3.75) mit βt = 0,25 ermittelt werden. Der innere Hebel-
arm lautet dann
M2
z a = ----------------- (3.109)
As ⋅ σ s
Wenn man davon ausgeht, daß sich der innere Hebelarm entlang der Stabachse nicht wesentlich än-
dert, verläuft die Kriechkrümmung ϑcc affin zur Momentenlinie, wogegen die Schwindkrümmung ϑcs
konstant bleibt.
Nach EC2 darf alternativ zur Gleichung (3.107) die Auswirkung des Kriechens einfach dadurch erfaßt
werden, daß der Dehnungszustand infolge M2 (Bild 3.27a) mit einem entsprechend reduzierten Ec-Mo-
dul
E cm
E c, eff = ----------------------------- (3.110)
1 + φ ( ∞, t 0 )
bestimmt wird. Die Krümmung ϑ∞ enthält dann sowohl den Kurzzeitanteil ϑ0, als auch den Kriechanteil
∆ϑcc .
M2 = As ⋅ σ s ⋅ za
M2
σ s = αs ⋅ ------- ⋅ ( d – x )
J i
Ss = A s ⋅ ( d – x )
Ji
z = -----------------
αs ⋅ Ss
ε cs∞ αs ⋅ Ss
ϑ cs∞ = ----------- = ε cs∞ ⋅ ----------------- (3.111)
za Ji
Es
α s = --------------- (3.112)
E c, eff
Je nachdem, ob es sich um den Zustand I oder II handelt, sind obige Querschnittswerte für den unge-
rissenen oder den gerissenen Querschnitt einzusetzen. In beiden Fällen fällt die Nullinie mit der ideelen
Schwerachse zusammen (reine Biegung). Daher gelten die Gleichungen (3.110) und (3.111) für beide
Fälle.
14.11.01 94
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Arbeiten läßt sich die Durchbiegung eines Biegeelementes gemäß
Gleichung (3.113) berechnen.
δ =
ò
(l )
v
M ( x ) ⋅ ϑ q ( x ) dx (3.113)
Hierin bedeuten:
δ .......................Durchbiegung (Biegeverformung)
v
M(x) ................virtuelles Moment im Querschnitt x
ϑq(x) .................Krümmung im Querschnitt infolge der die Durchbiegung verursachenden Einwirkung q
Mq(x) ................Biegemoment im Querschnitt x infolge der Einwirkung q
Der nichtlineare Zusammenhang zwischen den Biegemomenten Mq(x) und der zugehörigen Krümmung
ϑq(x) ist durch M/ϑ-Diagramme entsprechend Abschnitt 3.6.4 (Bild 3.29) gegeben.
Mq ( x )
Mq
M cr 2
q⋅l
M m = ------------
8
x
m
ϑq
ϑm „genaue“ Methode
ϑq( x )
Näherungsmethode
(ϑ affin zur Momentenlinie)
v
F = 1
v
M
l
---
v 4
M (x )
14.11.01 95
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Wie im Abschnitt 3.6.3 (Gleichung (3.91)) gezeigt wurde, läßt sich die Durchbiegung nach der Elastizi-
tätstheorie mit Hilfe des Verformungsbeiwertes kM durch die Krümmung ϑm im maßgebenden Quer-
schnitt m ausdrücken.
2
δ = k M ⋅ ϑ m ⋅ l eff (3.114)
Der Beiwert kM hängt von der Belastungsart und von den Lagerbedingungen ab. Er ist für einige häufig
vorkommende Fälle dem Bild 3.30 und dem Bild 3.31 zu entnehmen. Für andere Fälle läßt sich kM durch
eine lineare Analyse bestimmen.
q MK P
1 1
Mm ------ ---
12 3
l l
P
7 MK 1
Mm ---------- ---
120 5
l/2
Bild 3.30 Beiwerte kM für Einfeldträger und Kragarme für die Durchbiegung in Feldmitte oder am
Ende eines starr eingespannten Kragarmes
14.11.01 96
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
kM
0,12
3
ly 1 2 3
2
lx
0,11 mxm
1 lx
0,10
ly 4 5 6
5
6
0,09 lx
mxm
4
lx
0,08
ly 7 8 9
8
9
0,07 lx
mxm
7
lx
0,06
1,0 1,5 2,0 ly / lx
Bild 3.31 Beiwert kM für vierseitig gelagerte Rechteckplatten bezogen auf das Feldmoment mx in
Feldmitte und auf die kürzere Spannweite lx
Die nichtlinearen Effekte, wie Rißbildung, Tension-Stiffening, Kriechen und Schwinden werden lediglich
im maßgebenden Querschnitt durch die Krümmung ϑm zum Biegemoment Mm entsprechend Abschnitt
3.6.4 erfaßt.
Die Kurzzeitdurchbiegung erhält man mit der Gleichung (3.114), indem man für ϑm die Kurzzeitkrüm-
mung ϑ0,m (Bild 3.28) einsetzt.
Die Langzeitdurchbiegung erhält man mit der Gleichung (3.114), indem man für ϑm die Langzeitkrüm-
mung ϑ∞m einsetzt (Bild 3.28).
14.11.01 97
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Der rechnerische Nachweis der Durchbiegung von Stahlbetonbalken und -platten kann durch eine ent-
sprechende Begrenzung der Biegeschlankheit
l eff
k w = ------- (3.115)
d
ersetzt werden. Die zulässige Biegeschlankheit ergibt sich unter Berücksichtigung des statischen Sy-
stems und des Beanspruchungsniveaus aus der Tabelle im Bild 3.32. Sie wurde für die Stahlgüte S400
bzw. für eine Stahlspannung σs,häufig = 250 MPa im maßgebenden Querschnitt (Zustand II) abgeleitet.
l eff ⋅ σ s, häuf
erf d = ------------------------------ (3.116)
k w ⋅ k ⋅ 250
As
ρ = ----------- (3.117)
b⋅d
Der vereinfachte Nachweis durch Begrenzung der Biegeschlankheit liegt in der Regel auf der si-
cheren Seite. Genauere Nachweise können zu schlankeren Bauteilen führen.
14.11.01 98
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
kw
ρ ≥ 1,5% ρ ≤ 0,5%
statisches System Beton hoch Beton gering
beansprucht beansprucht
l1 = leff
Mittelfeld eines Balkens oder
Mittelfeld
einer einachsig oder zweiach- l2 25 35
sig gespannten Platte
leff
l1
Kragträger 7 10
l2 = leff
leff
Bild 3.32 Grundwert kw der zulässigen Biegeschlankheit von Stahlbetonbauteilen ohne Längs-
druck (nach EC2, Tab. 4.14)
14.11.01 99
3. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit - Serviceability Limit State (SLS)
Wenn die errechneten Durchbiegungen die Verformungsgrenzen im Abschnitt 3.6.1 überschreiten, sind
folgende Maßnahmen möglich:
• Vorspannen (Verformungsvorspannung)
leff
• kleinere Biegeschlankheit ------
- wählen
d
• Abmindern der Stahldehnung durch Überbemessen der Biegezugbewehrung. Das spröde Bruchver-
halten bei überbewehrten Querschnitten ist allerdings nicht im Sinne der „Sicherheitsphilosophie“.
14.11.01 100
4. Platten
4. Platten
4.1 Allgemeines
Mittelebene
Platten sind ebene Flächentragwerke, die normal zu ihrer Mittelebene belastet sind.
Sie sind wohl das wichtigste Tragelement des Stahlbetons, wie Tabelle 4.1 veranschaulicht. Die Wahl
eines geeigneten Plattensystems (Raster) und dessen Bemessung haben also einen erheblichen Ein-
fluß auf die Rohbaukosten von Gebäuden.
Betonvolumen %
tragende Wände 4
Stützen 5
Platten (Decken) 59
Gründungen 22
Sonstiges 10
Neben der Verwendung als Fundamentplatten und Hochbaudecken oder z.B. als Fahrbahnplatten (Stra-
ßen- und Brückenbau) werden Platten auch in vertikaler Lage als Kellerwände, Behälterwände, Silowän-
de und Stützmauern eingesetzt. Dabei werden sie meist zusätzlich in ihrer Ebene beansprucht, sodaß
neben der Plattenwirkung sich auch eine Scheibentragwirkung einstellt. In der Terminologie der tech-
nischen Mechanik handelt es sich dabei um eine „Membranplatte“ oder - allgemeiner - um eine „ebene
Schale“.
Das Bild 4.2 zeigt die Schnittkräfte eines allgemein belasteten ebenen Schalenelementes (Platte +
Scheibe) in vektorieller Indizierung (1. Index: Achse auf die die Schnittebene normal steht. 2.Index:
Achsrichtung in die die Schnittgröße orientiert ist).
nxx, nyy .............Normalkräfte
vxz, vyx ..............Querkräfte
mxy , myx ...........Biegemomente
mxx , myy ...........Drillmomente
14.11.01 101
4. Platten
a b
1 1
x x
1 1
mxx nxx mxy
mx
mxy
vxz my
z myx z
y myy y myx
vyz
nyy
a b
≥ ly Mittelbereich ≥ ly
ly
lx
y
c d e
lx
ly
14.11.01 102
4. Platten
Lagersymbolik:
ql y2
--------
eingespannte Ränder
8
3 2 4
x
−
WP
Plattenstreifen 2-2
ql y2
ly
--------
1 1
8
WP
+
w(x) w(y)
y 3 2 4 frei drehbar
my
gelagerte
Plattenstreifen 1-1 Ränder q
Lx
w(x) ≈ const
ϑx ≈ 0
mx mx ≈ 0
−
+ +
~2ly ~ly
ly
---- > 2 (4.1)
lx
erfüllt ist (Bild 4.3 b). In Richtung dieser Haupttragwirkung verläuft auch die Hauptbewehrung (Längsbe-
wehrung). Eine orthogonal dazu orientierte Bewehrung wird als Querbewehrung bezeichnet. Bei einach-
sig gespannten Platten kann die Berechnung und Bemessung in guter Näherung an frei nebeneinander
liegenden Plattenstreifen (mit der Breite b = 1m) ohne Torsionssteifigkeit durchgeführt werden.
14.11.01 103
4. Platten
1m
b=
h
x
y
d as
z mx
v xz
Anmerkung : Der Index von Biegemomenten mx unterscheidet sich vom Index bei Balken M y, weil letztere vektoriell orien-
tiert sind. Indexregel siehe Bild 4.2 b.
Damit gelten die Abschnitte 1 bis 3 sinngemäß auch für derartige Plattenstreifen. Abweichungen von der
einachsigen Tragwirkung treten auf, wenn parallel zur Spannrichtung Unterstützungen verlaufen, bzw.
wenn Öffnungen oder konzentrierte Einzellasten vorhanden sind.
Zweiachsig gespannte Platte:
In einer ersten Annäherung kann man sich die Tragwirkung einer Platte durch zwei Scharen von Plat-
tenstreifen (Bild 4.7) vorstellen. Bei Rechteckplatten verlaufen diese Streifen orthogonal zueinander. Bei
von einem Rechteck abweichender Grundrißform ist die Richtung der Plattenstreifen dem Kraftverlauf
anzupassen (z.B. bei schief gelagerten Platten oder Trapezplatten). Die Tragwirkung der Platte wird auf
diese Weise durch ein Stabwerk (Trägerrost) vereinfacht. Es handelt sich dabei bekanntlich um ein
hochgradig statisch unbestimmtes System - welches wegen seiner Fähigkeit möglicher Schnittkraftum-
lagerung - beachtliche Tragreserven aufweist.
Deshalb sind für die Bemessung von Platten in der Regel die SLS’s wie z.B. der Verformungsnachweis
von vorrangiger Bedeutung. Wenn man den Stäben (Plattenstreifen) keine Torsionssteifigkeit zuweist,
bleibt die Verformung des Stabwerkes mit der Biegefläche der Platte verträglich. Allerdings ist in diesem
Modell die Drillsteifigkeit der Platte nicht berücksichtigt, wodurch einerseits gewisse Tragreserven nicht
genützt werden und andererseits es zu einer erhöhten Rißbildung in jenen Bereichen kommt, wo we-
sentliche Drillmomente auftreten.
14.11.01 104
4. Platten
a
x
mx
1
asx
1 x
b
my
asy
c as [cm2/m]
d ... Nutzhöhe
d h ... Gesamthöhe
h
b = 1,0 m
Die obige Betrachtungsweise als Trägerrost dient in erster Linie dem ingenieurmäßigen Denken.
Mit den heute allgemein vorhandenen FE-Programmen ist die Berechnung von Platten nach der Elasti-
zitätstheorie alltägliche Praxis. Sie setzt lineare Stoffgesetze (Rissefreiheit, Zustand I) und normalerwei-
se auch Isotropie (gleiche Steifigkeit in allen Richtungen) voraus.
Nichtlineare FE-Plattenprogramme, die nichtlineare Materialgesetze (inklusive Rißbildung und ver-
schieblichen Verbund) und das Kriechen und Schwinden des Betons in den Zuständen I und II berück-
sichtigen, haben sich dagegen bisher in der Praxis kaum etabliert - nicht zuletzt deshalb, weil ihre
Bedienung ein spezifisches know how erfordert.
14.11.01 105
4. Platten
a b
2
c
x
d lx ≈ ly e lx >> ly
q2 = qy
wm
q1 = q x
ly
1 lx
2
Die obige Betrachtungsweise als Trägerrost dient nicht nur dem ingenieurmäßigen Verständnis des
Tragverhaltens, sondern kann auch als Grundlage für eine praxisgerechte Durchbiegungsberechnung
von Plattentragwerken dienen. Die Verformungsberechnung läßt sich nämlich näherungsweise mit Hilfe
von Plattenstreifen auf die Durchbiegungsberechnung von Balken nach Abschnitt 3.6 zurückführen. Die
Biegemomente im betrachteten Plattenstreifen erhält man entweder aus einer linearen FE-Analyse mit
Platten- oder Schalenelementen oder aus einer Stabwerksanalyse (Platte als Trägerrost modelliert).
Die Rechenergebnisse lassen sich verbessern, indem man unabhängig voneinander die Durchbiegun-
gen δx und δy von jenen beiden Plattenstreifen ermittelt, die sich in jenem Punkt kreuzen, der die größte
Verformung aufweist. Durch Mittelbildung erhält man einen brauchbaren Näherungswert für die gesuch-
te Durchbiegung
δx + δy
δ = ----------------- (4.2)
2
Die Langzeitdurchbiegung im Zustand II wird sich etwa fünfmal größer ergeben als die linear (Zustand
I) ermittelte Kurzzeitverformung.
14.11.01 106
4. Platten
Normalerweise werden Platten nach der FE-Methode berechnet. Zur Vorbemessung und für die Hör-
saalübungen können auch die folgenden Verfahren Anwendung finden.
4.2.1.1 Lastaufteilungsverfahren
Für eine rasche Vorbemessung der erforderlichen Bewehrung kann die weitgehende Vereinfachung
nach Bild 4.7 d und e Anwendung finden (Streifenkreuzmethode).
Durch Gleichsetzen der Durchbiegungen im Kreuzungspunkt läßt sich beispielsweise für eine frei dreh-
bar umfangsgelagerte Platte die Aufteilung der Last q in die beiden Tragrichtungen x und y wie folgt er-
mitteln:
q = qx + qy (4.3)
4
5 qx ⋅ lx
δ x = ---------- ⋅ -------------- (4.4)
384 EI
4
5 qy ⋅ ly
δ y = ---------- ⋅ -------------- (4.5)
384 EI
δ = δx = δy (4.6)
qx l 4
----- = æ ---yö (4.7)
qy èl ø
x
Demnach trägt sich die Last vorwiegend über die kürzere Spannweite ab (Bild 4.7 e). Für ly > lx wird
q y « q x (Bild 4.3 b).
In analoger Weise ergeben sich die im Bild 4.8 dargestellten Formeln für Einfeldplatten mit unterschied-
lichen Lagerungsbedingungen.
Die Verwendung dieses Verfahrens ist allerdings nur sinnvoll für Längenverhältnisse von
2/3 ≤ lx / ly ≤ 3/2, da außerhalb dieses Bereiches die Lastabtragung vorwiegend über die kurze Spann-
weite erfolgt.
14.11.01 107
4. Platten
qx qy
lx ly
Lagerung Lastanteile
4 4
y ly lx
-⋅q
q x = ------------- q y = -------------- ⋅ q
x 4 4 4 4
1.Fall l y + lx ly + lx
4 4
y 5 ⋅ ly 5 ⋅ lx
q x ≅ -----------------------------
4
-⋅q
4
q y ≅ -----------------------------
-⋅q
4 4
2.Fall
x
5 ⋅ ly + 2 ⋅ lx 5 ⋅ l y + 2 ⋅ lx
4 4
y 5 ⋅ ly lx
-⋅q
q x = --------------------- -⋅q
q y = ---------------------
4 4 4 4
3.Fall
x
5 ⋅ ly + l x 5 ⋅ ly + lx
4 4
y ly lx
q x = --------------
4 4
⋅q q y = -------------- ⋅q
x 4 4
4.Fall ly + lx ly + lx
4 4
y ly 1 ⁄ 2 ⋅ lx
q x ≅ -----------------------------
4 4
⋅q q y ≅ ----------------------------- ⋅q
x 4 4
5.Fall l y + 1 ⁄ 2 ⋅ lx l y + 1 ⁄ 2 ⋅ lx
4 4
y ly lx
q x = --------------
4 4
⋅q q y = --------------
4 4
⋅q
x
6.Fall ly + lx ly + lx
4.2.1.2 Lastscheidenverfahren
Die Erfahrung bzw. Erkenntnis, daß sich die Lasten auf dem kürzestmöglichen Weg zu den Auflagern
abtragen führt zur Lastscheidenmethode. Die Lastscheiden sind im Bild 4.9 durch strichlierte Linien dar-
gestellt (analog zur „Dachausmittlungsmethode“ im Hochbau).
45° 60°
45°
30°
30°
45° 60°
45°
60°
30° 45°
Die Lastscheiden eignen sich auch für die näherungsweise Lastaufteilung zur Bestimmung der Aufla-
gerkräfte.
14.11.01 108
4. Platten
lx
q⋅l
ly -----------y
2
ly/2 ly/2
q⋅l
----------y-
2
c c
q q
a b
q
Schnitt c-c
14.11.01 109
4. Platten
4.2.1.3 Czerny-Tafeln
14.11.01 110
4. Platten
14.11.01 111
4. Platten
14.11.01 112
4. Platten
14.11.01 113
4. Platten
14.11.01 114
4. Platten
14.11.01 115
4. Platten
14.11.01 116
4. Platten
14.11.01 117
4. Platten
14.11.01 118
4. Platten
ε y = –ν ⋅ ε x (4.8)
ν .......................Querdehnungskoeffizient ( ν ≈ 0,2 )
verformt sich jeder Plattenstreifen in Querrichtung. Die Druckzone verbreitert sich. Die Zugzone wird
schmäler. (Bild 4.12)
1
a
x
1+εy2(+)
b
mx
ϑy
1 + εy1 (−)
my my
my my my
Aus Kontinuitätsgründen ist beim „Flächentragwerk Platte“ ein Klaffen der Fugen zwischen den Platten-
streifen nicht möglich. Daher entstehen Quermomente my, die die Querdehnung εy bzw. die Querkrüm-
mung ϑy rückgängig machen (Bild 4.12 c).
my
ϑ y = ------- (4.9)
EJ
mx
ϑ y = ν ⋅ ϑx = ν ⋅ ------- (4.10)
EJ
my = ν ⋅ mx (4.11)
Diese Quermomente entstehen auch, wenn die Biegefläche in Querrichtung keine Krümmung aufweist;
beispielsweise bei einer einachsig gespannten Platte unter Gleichlast, die eine zylindrische Biegefläche
aufweist. Daraus leitet sich bei einer einachsig gespannten Platte die erforderliche Mindestbewehrung
in Querrichtung ab (20% der Längsbewehrung).
14.11.01 119
4. Platten
∂2w ∂ 2w
m x = – K ⋅ æ ---------- + ν ⋅ ---------- ö (4.12)
è ∂x 2 ∂y 2 ø
∂2w ∂ 2w
m y = – K ⋅ æ ---------- + ν ⋅ ---------- ö (4.13)
è ∂y 2 ∂x 2 ø
3 3
E⋅h E⋅h
K = ------------------------------- ≈ -------------- = EJ (4.14)
2 12
12 ⋅ ( 1 – ν )
14.11.01 120
4. Platten
4.2.3 Drillmomente
4.2.3.1 Tragverhalten
Die Biegefläche einer Platte läßt sich durch zwei orthogonale Serien von Plattenstreifen nur stetig bzw.
verträglich modellieren, wenn sich die Plattenstreifen entsprechend den Biegelinien der quer verlaufen-
den Plattenstreifen verdrillen (Bild 4.13). Die Verdrillung der Biegefläche verursacht Drillmomente, die in
orthogonalen Schnitten entgegengerichtet gleich groß wirken.
x8
a c
X1 X2 X3 X4 X5 X6 X7 X8 X9 X10 x
Y1 Y1
y3 Y2
X6 X7 Y2 X10
Y3
Y4 X10 Verdrillung
Y4
X9 des
Y5 Y5 Platten-
X8
Y6 X7 streifens Y3
Y7 X6
Y8
Y9
Y10
Y1
x8 Y2
Y3
Y4
Y5
Bild 4.13 Verdrillung einer Platte
a) Grundriß der Platte mit Biegefläche im Form von Höhenschichtlinien
b) Biegelinien entlang der Schnitte Y1 bis Y5 und Verdrillung des Plattenstreifens X8
c) Biegelinien entlang der Schnitte X6 bis X10 und Verdrillung des Plattenstreifens Y3
14.11.01 121
4. Platten
x
a b
m xy τy x τ xy
y m yx mx y
my x
c d
ϑ xy
ϑ yx ϑ xy
Es liegt nahe, die Verdrillung einer Platte mit der Torsionsverformung eines Stabes zu vergleichen :
Der Unterschied besteht darin, daß die Torsionsverformung (Verdrillung) eines Stabes (Bild 4.14 d) im
wesentlichen eine eindimensionale Verdrehung ϑx der Querschnitte um die Stabachs x darstellt
(St.Venant’sche Torsion). Die Verdrillung einer Platte ist dagegen eine zweidimensionale Verdrehung
ϑxy und ϑyx zweier normal zueinander liegender Ebenen x und y (Bild 4.14 c).
Das Drillmoment ergibt sich aus der Biegefläche wie folgt (Herleitung siehe C-Skriptum):
∂2w
m xy = – ( 1 – ν ) ⋅ K ⋅ ------------- (4.15)
∂x∂y
Entlang der „Höhenschichtenlinien“ der Biegeflächen bzw. - orthogonal dazu - entlang der Fallinien der
Biegeflächen gilt
∂2w
------------- = 0 (4.16)
∂x∂y
Damit wird - auf diese gegen x/y-verdrehte Richtung bezogen - das Drillmoment Null und die Biegemo-
mente zu Hauptmomenten m1 bzw. m2. Die Drillmomente haben demnach den Charakter einer Trans-
formationsgröße - wie die Schubspannungen τxy beim ebenen Spannungszustand σx/σy oder das
Deviationsmoment Jxy bei der Transformation von Trägheitsmomenten.
mx + my 1 2 2
m 1,2 = --------------------- ± --- ⋅ ( m x – m y ) + 4m xy (4.17)
2 2
σ x + σy 1 2 2
σ 1,2 = ------------------ ± --- ⋅ ( σ x – σ y ) + 4τ xy (4.18)
2 2
14.11.01 122
4. Platten
Jx + Jy 1 2 2
J 1,2 = ----------------- ± --- ⋅ ( J x – J y ) – 4J xy (4.19)
2 2
m xy m xy
tan α0 = --------------------- = --------------------- (4.20)
m1 – m y mx – m2
τ xy τ xy
tan α0 = ------------------ = ------------------ (4.21)
σ 1 – σy σx – σ2
J xy Jx y
tan α0 = ----------------- = ----------------- (4.22)
J1 – J y J x – J2
Das Bild 4.15 zeigt die Hauptmomententrajektorien am Beispiel von verschiedenen Rechteckplatten un-
ter Gleichlast. Überall dort, wo die Richtung der Hauptmomente von den Bewehrungsrichtungen x/y ab-
weichen, sind neben den Biegemomenten mx und my auch Drillmomente mxy wirksam.
ly
ly
lx ly : lx = 2
ly : lx = 1
lx
b c
freier Rand
ly ly
lx lx
14.11.01 123
4. Platten
Unter der Voraussetzung my ≥ mx liefert das im Bild 4.16 dargestellte Flußdiagramm jene Bemessungs-
momente mud bzw. m’ud , die der Biegebemessung im ULS zu Grunde zu legen sind. Die Momente mud
bewirken Zug an der Plattenunterseite und m’ud an der Plattenoberseite. Beispielsweise liefert die Be-
messung eines Plattenstreifens der Breite „1“ für das einwirkende Biegemoment m’udy die obere Beweh-
rung in y-Richtung. Die Begründung zu Bild 4.16 folgt im Abschnitt 6.
ist
JA m x ≥ – m xy NEIN
m udx = m x + m x y m udx = 0
m xy 2
m udy = m y + m x y m udy = m y + ----------
m x
ist
JA m x ≤ – m xy NEIN
m xy 2
m′ udx = – m x + m xy m′ ud x = – m x + ----------
m y
m′ udy = – m y + m xy m′ ud y = 0
Bild 4.16 Bestimmung der Bemessungsmomente aus den Werten von mx, my und mxy in den
Grenzzuständen der Tragsicherheit (EC2, Anhang 2)
Im Bild 4.17 sind die Biegemomente mx, my und m xy einer frei drehbar linienförmig gestützten Rechteck-
platte unter Gleichlast skizziert. Man erkennt, daß in der Plattenecke lediglich Drillmomente auftreten.
Die zur Aufnahme der Drillmomente erforderliche Bewehrung folgt aus Bild 4.16.
14.11.01 124
4. Platten
a b
my mx mxy
myx mxy
Re = 2mxy
Das Bild 4.17 b zeigt die am Plattenrand wirkenden Drillmomente in Form von Ersatzschubkräften. Wäh-
rend sich benachbarte Ersatzkräfte nahezu aufheben, addieren sich im Platteneck die entstehenden
Schubkräfte. Um die der Schnittgrößenermittlung zu Grunde gelegten Randbedingungen (Linienlage-
rung) zu erfüllen, muß die negative (abhebende) Auflagerkraft im Platteneck mit der Eckkraft
R e = 2 ⋅ m xy (4.24)
nach unten verankert werden (Bild 4.18 a), oder durch eine ständige Auflast von mindestens 1/16 der
Plattenbelastung auf die Lagerlinie gedrückt werden (Bild 4.18 b).
a Querstab, besser
Schlaufenmatte
Anker
Eckkraft Re
b Auflast
Querstab, besser
Schlaufenmatte
14.11.01 125
4. Platten
x
a myx b
1 (−)
y
my = 0
m
m
mxy 2 (+)
1
mx = 0
1
1
c d e
B
A
obere Bewehrung
m2
(+
1 (−)
)
as
Schnitt B-B
B
as
p A -A
untere Bewehrung
A
itt
2 (+)
hn
Re
m
Sc
m1
(−
)
as
p
as
as
KF
Bild 4.19 Ecke einer frei drehbar umfangsgelagerten Platte mit Eckverankerung
a) Eckschnittgrößen (Drillmomente) mxy
b) Hauptmomente (m1, m2) in der Plattenecke
c) Schnittkräfte (qualitativ) infolge der Eckverankerungskraft Re
d) Bewehrungsführung (Trajektorienbewehrung)
e) Bewehrungsführung (orthogonale Netzbewehrung)
Wenn die Plattenecken nicht belastet oder verankert sind, hebt die Platte im Eckbereich von der Lager-
linie ab (Bild 4.20a). Es entsteht ein anderes statisches System (ohne Lagerung im Eckbereich). Da-
durch nehmen die Feldmomente zu (Größenordnung : 20%)
a b
14.11.01 126
4. Platten
4.3.1 Schnittgrößen
Punktgestützte Platten liegen direkt auf den Stützen auf. Sie werden deshalb auch als unterzuglose
Decken bezeichnet. Man unterscheidet Flachdecken (Bild 4.21) und Pilzdecken (Bild 4.22), bei denen
die Platte im Stützenbereich verstärkt (pilzförmig angevoutet) ist.
Punktgestützte Platten werden heute nach der Methode der Finiten Elemente linear elastisch berechnet.
Zur Vorbemessung und zu Kontrollzwecken hat sich das nachfolgend beschriebene Näherungsverfah-
ren bewährt.
Wenn das Verhältnis der Rasterabmessung 0,7 nicht unterschreitet, darf man die punktgestützte Platte
näherungsweise in zwei einander kreuzende Rahmenstreifen zerlegen.
Pilz- und Flachdecken weisen nämlich eine ähnliche Tragwirkung auf, wie zwei Scharen sich gegensei-
tig durchdringender Rahmen. Normalerweise werden die Horizontalkräfte über die Deckenscheiben in
vertikale Aussteifungselemente (Stiegenhauskerne, Wandscheiben etc.) abgeleitet. Dann werden die
Stützen an ihren Enden durch die Deckenscheiben festgehalten. Die Tragwirkung ist vergleichbar mit
einem seitlich unverschieblichen Stockwerkrahmen.
14.11.01 127
4. Platten
y lx
fiktive Linienlagerungen
ly
ly
ly
ly
lx lx
Das Berechnungsmodell besteht aus den beiden im Bild 4.23 grau hinterlegten Plattenstreifen mit der
Breite ly in x-Richtung bzw. mit der Breite lx in y-Richtung. Dabei wird angenommen, daß beide Platten-
streifen über den Stützen linienförmig gelagert sind. Weil die Biegesteifigkeit der Stützen normalerweise
klein im Vergleich zur Biegesteifigkeit der Plattenstreifen ist, werden für die Vorbemessung meist die
Plattenstreifen als Durchlaufträger modelliert.
14.11.01 128
4. Platten
streifen
streifen
streifen
streifen
streifen
Gurt-
Gurt-
Gurt-
Feld-
Feld-
a
lx
X
lx
tatsächliche
Pilzdecke: 0,5 lx 0,5 lx 0,5 lx 0,5 lx 0,5 lx Verteilung my
abgestufte
b Verteilung my
m y = ℵ ⋅ m ym
Mittelwert mym
My
m ym = -------
lx
Anmerkung: Das Bild 4.24 gilt auch für die x-Richtung, wenn man die Indizes x und y vertauscht.
Jeder Plattenstreifen ist mit der Gesamtlast in ungünstigster Anordnung und Kombination zu be-
heben.
Die auf diese Weise erhaltenen extremalen Stützenelemente MSx bzw. MSy und Feldmomente MFx bzw.
14.11.01 129
4. Platten
MFy beziehen sich auf den jeweiligen Plattenstreifen mit der Breite by bzw. bx.
Um der Tatsache Rechnung zu tragen, daß sich die Plattenmomente m über die Breite der Plattenstrei-
fen stark unterschiedlich verteilen (Bild 4.24 b) werden die Plattenstreifen in Grut- und Feldstreifen un-
terteilt. Die Gurtstreifen, die direkt über die Punktstützungen verlaufen, werden wesentlich höher
beansprucht, als die Feldstreifen.
My Mx
m ym = ------- bzw. m xm = ------- (4.25)
lx ly
läßt sich die im Bild 4.24 b treppenförmig angenäherte Aufteilung der Biegemomente auf die Gurt- und
Feldstreifen wie folgt annehmen:
my = ⋅ m y m bzw. m x = ⋅ mx m (4.26)
FLACHDECKE PILZDECKE
Dabei sind die Bemessungsmomente mx, Sd und my, Sd für die Gurt- und Feldstreifen näherungsweise
ermittelt. Es folgt die Biegebemessung in den maßgebenden Querschnitten (Stütz- und Feldquer-
schnitt).
Neben dem Nachweis der Biegetragfähigkeit ist bei punktgestützten Platten auch die Tragfähigkeit
(ULS) hinsichtlich Durchstanzen nachzuweisen (11.Abschnitt). Für diesen Nachweis benötigt man die
auf eine Stütze entfallende maximale Auflagerkraft. Das Bild 4.26 b zeigt den zugehörigen Lastbereich.
Er ist durch die Querkraftsnullpunkte der stellvertretenden Plattenstreifen bestimmt.
14.11.01 130
4. Platten
Vx
Vy
Bild 4.26 Lasteinwirkungsbereich für die auf eine Stütze entfallende Auflagerkraft
14.11.01 131
4. Platten
Lx
Ly
w1
w2
w1
Fel
ds t
r e if
en
n
ife
rt e
s St ü
eld tz s
F tre i
n fe n
ife
rt e
zs
üt
St
Fe l
dst
r e if
en
mx x
y
my
n
ife
rt e
zs
üt
St
14.11.01 132
4. Platten
C fCx
fA
fAy
fBx
lx lx
b=1
b=1
A fA ly D
f ’A
B
f Bx + f Cx f Dy + f Ey
f A = ---------------------- + f Ay f' A = ---------------------- + f Ax
2 2
1
f = --- ⋅ ( f A + f' A )
2
14.11.01 133
4. Platten
4.4 Fundamentplatten
14.11.01 134
4. Platten
Zur Durchführung von Installationsleitungen bzw. von Treppen etc. werden häufig Öffnungen bzw. Aus-
sparungen benötigt. Selbstverständlich ist es kein Problem, derartige Öffnungen in FE-Analysen zu be-
rücksichtigen. Allerdings ist die Interpretation der Ergebnisse in unmittelbarer Nähe des Lochrandes
(insbesondere in den Ecken) nicht ganz einfach. Deshalb wird nachfolgend der Einfluß von Öffnungen
näherungsweise durch Plattenstreifen berücksichtigt:
Bei kleinen Öffnungen ist es ausreichend, die auf die Öffnung entfallende Bewehrungsmenge konzen-
triert neben der Öffnung anzuordnen (Bild 4.29). Außerdem sollten zur Beschränkung der Rißbreiten
Querzulagen vorgesehen werden. Schließlich sind die Ränder gemäß Bild 4.29 mit Steckbügeln einzu-
fassen. Den Spannungsspitzen in einspringenden Ecken kann man mit konstruktiv eingelegten Diago-
nalstäben in den Ecken Rechnung tragen.
konstruktiv
Haupttragwirkung
s s
Querzulagen
s
lx
Schnitt s-s
s
Längszulagen
14.11.01 135
4. Platten
verstärkte Plattenstreifen
in Querrichtung y
lx
ungestörte ungestörte
einachsige einachsige
Tragwirkung verstärkte Plattenstreifen Tragwirkung
in Längsrichtung x
14.11.01 136
5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung
Bei Stützen überwiegt in der Regel die Längskrafteinwirkung, sodaß die Bemessungssituation keine bis
mittlere Lastausmitte vorherrschen. Von den im Bild 2.18 definierten Grenzdehnungszuständen treten
deshalb vorzugsweise die Dehnungsbereich (1) und (2) auf. Im Dehnungsbereich (1) bleiben die Beweh-
rungen As1 und As2 unter Druckbeanspruchung. Im Dehnungsbereich (2) befindet sich die Bewehrung
As1 zwar unter Zugbeanspruchung, die Dehnungen bleiben aber im elastischen Bereich (εs1 < εy) . Zur
Stärkung der Druckzone wird deshalb meist eine zur Bewehrung As1 symmetrische Druckbewehrung
angeordnet
As1 = As2
Der Iterationsprozeß zum Aufsuchen jenes Grenzdehnungszustandes, bei dem die Gleichgewichtsbe-
dingungen erfüllbar sind und die anschließende Bemessung der Bewehrung werden üblicherweise elek-
tronisch durchgeführt. Für die Handrechnung lassen sich Bemessungsdiagramme erstellen.
Anmerkung: Die Herleitung der Interaktionsdiagramme wird in der Vorlesung gebracht (siehe auch C-Skriptum)
Die reaktiven Schnittkräfte lassen sich in eine dimensionslose Form bringen. Die bezogenen Schnittkräf-
te
N Sd ( -)
ν ( - ) = --------------------- (5.1)
f cd ⋅ A c
M sd
µ = ----------------------------- (5.2)
f cd ⋅ A c ⋅ h
sind für eine bestimmte Querschnittsform von den Querschnittsabmessungen unabhängig. Dadurch
können allgemeingültige Interaktionsdiagramme für die Handrechnung erstellt werden.
Die Tafeleingangsparameter sind:
1) die Stahlgüte (z.B. S 550),
2) das Bewehrungsverhältnis (meist A s 1 = A s2 ),
ds d2
3) die Randabstände der Bewehrung æ -----ö und ------ ; meist wird d1 = d2 angenommen
è hø h
4) die Querschnittsform
Rechteck [ - ]
Kasten [ b0 / b, h0 / h ]
Kreis [-]
Kreisring [ d0 / d ]
14.11.01 137
5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung
h0
b0 d0
d
h
Das Bild 5.2 enthält als Beispiel ein Interaktionsdiagramm für einen Rechteckquerschnitt.
14.11.01 138
5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung
Bild 5.2 Interaktionsdiagramm für die Bemessung von Stützen nach Theorie 1.Ordnung
14.11.01 139
5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung
Der Kurvenverlauf der Interaktionssdiagramme läßt erkennen, daß im Bereich kleiner bezogener Nor-
malkräfte (ν ≈ 0 bis − 0,4) eine Erhöhung der Druckkraft (bei gleichbleibendem Moment) die Tragfähig-
keit verbessert, das heißt weniger Bewehrung erforderlich macht.
Bei großer bezogener Normalkraft ( υ > 0,4) führt eine Erhöhung der Druckkraft zu einem größeren
Stahlbedarf.
Für die bezogenen Schnittkräfte ν und µ - gemäß den Gleichungen (5.1) und (5.2) - entnimmt man
dem Diagramm den Bewehrungswert ω. Damit folgt für die erforderliche Stahlfläche
fc d
A s, tot = A s1 + A s2 = ω tot ⋅ ------- ⋅ A c (5.3)
f yd
Die Tragfähigkeit gilt als nachgewiesen, wenn die vorhandene Stahlfläche größer oder gleich der nach
Gleichung (5.3) erforderlichen Fläche ist.
14.11.01 140
5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung
Auch bei zweiachsiger Biegung lassen sich die Schnittkräfte auf den Einheitsquerschnitt transformieren
(Bild 5.3).
a b
As2 b ρ2 1
ds ds/h
η µy
ν
y My N 1
h
Mz
µz
ρ1
bs/b
As1 ζ
bs
z
M Sdy
µ y = ---------------------------- (5.4)
f cd ⋅ b ⋅ h 2
M Sdz
µ z = ---------------------------- (5.5)
f cd ⋅ b 2 ⋅ h
N Sd
ν = ------------------------- (5.6)
f cd ⋅ b ⋅ h
Im Vergleich zur einachsigen Biegung kommt hier eine Variable hinzu, nämlich das Biegemoment µz
um die z-Achse. Da in einem zweidimensionalen Diagramm nur zwei Variable darstellbar sind, kann ein
Interaktionsdiagramm nur für eine bestimmte Normalkraft ν = const (Bild 5.4) erstellt werden.
14.11.01 141
5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung
µz
ν = const
Symmetrieachse
max ω
ω=0
µy
Bei symmetrischer Bewehrung A s 1 = A s2 , die bei Stützen zweckmäßig und üblich ist, verlaufen die
Kurven im Bild 5.4 symmetrisch zur Geraden µy = µz.
Deshalb genügt es, für eine bestimmte Normalkraft einen Sektor von 45° darzustellen und die Achsen
mit µ1 und µ2 zu bezeichnen. Dann gilt
µy > µz : µ1 = µy µ2 = µ z
µy < µz : µ1 = µz µ2 = µ y (5.7)
Das Bild 5.5 besteht demnach aus acht voneinander unabhängigen Diagrammen, wobei jedes einer an-
deren Normalkraft ν entspricht. Für eine einwirkende Normalkraft νSd, die zwischen den Eingangspara-
metern ν liegt, darf zwischen den Diagrammen linear interpoliert werden.
14.11.01 142
5. Bemessung von Druckstäben nach Theorie I.Ordnung
14.11.01 143
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
6.1 Allgemeines
Dieser Abschnitt behandelt schlanke Druckglieder (Stützen, Rahmenstiele, etc.), bei denen die Verfor-
mung einen signifikanten Einfluß auf die Biegemomente hat (Verformungsmomente). Dieser „second
order effect“ (Theorie II. Ordnung) läßt sich mit Hilfe der nichtlinearen M/ϑ-Beziehung erfassen, wobei
die Rißbildung, das Schwinden und Kriechen des Betons und die nichtlinearen Materialeigenschaften
im ULS zu berücksichtigen sind.
Geometrische Imperfektionen, durch die Vorkrümmung und/oder Schiefstellung der Stabachse, sowie
durch einen ungenauen Lastangriff sind in Form einer Zusatzexzentrizität ea (ungewollte Ausmitte) zu
berücksichtigen. Sie stellt ein additives Sicherheitselement dar - ähnlich den Toleranzen (Maßabwei-
chungen) der Bewehrungslage.
Zur Berechnung der Schnittkräfte sind konventionelle lineare Methoden zulässig, wenn man die Theorie
II.Ordnung, mit reduzierten Biegesteifigkeiten BII anwendet (Sekantensteifigkeit). Wie das Bild 6.1 ver-
anschaulicht, wird dadurch die Krümmung - besonders bei Beanspruchungen, die unter dem Rißmo-
ment liegen - auf der sicheren Seite liegend zu groß in Rechnung gestellt und damit die Stabverformung
überschätzt.
a b
M (- ) Tension M
N = const
Stiffening
A s = const K
My My
tatsächlicher
Kurvenverlauf
bi-lineare
Annäherung
nackter Zustand II
M cr
MD B II
B mII
ϑu ϑ ϑ
ϑym ϑ y II ϑ ym ϑ yII
Natürlich ist eine nichtlineare Analyse auf der Basis ebenbleibender Querschnitte (Hypothese von
Bernoulli) unter Annahme „wirklichkeitsnaher Stoffgesetze“ (z.B. Bild 2.8) genauer.
Eine Vereinfachung dieser Methode besteht darin, daß man nur einen Querschnitt der Stütze - den maß-
gebenden oder kritischen Querschnitt - nichtlinear betrachtet und entlang der Stabachse eine be-
stimmte Krümmungsverteilung annimmt (z.B. affin zur Momentenlinie).
14.11.01 144
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
6.2 Schlankheitsgrad λ
0l
λ = ---- (6.1)
i
Ersatzstablänge
Die Ersatzstablänge lo entspricht der Länge jener Modellstütze, die bei gleichem Querschnitt dieselbe
Tragfähigkeit aufweist, wie die tatsächlich in das Tragwerk eingebundene Stütze. Bei der Ermittlung der
Ersatzstablänge ist gebührende Umsicht zu üben, da es schwierig ist, alle relevanten Parameter auf ein-
fache Weise zu erfassen. Dies gilt insbesondere für die Randbedingungen an den Stabenden, die von
der Steifigkeit der anschließenden Elemente im Traglastzustand abhängen.
Knicklänge
Zur Abschätzung der Ersatzstablänge wird diese in der Praxis häufig mit der Knicklänge gleichgesetzt.
Die Knicklänge ist als Abstand der Wendepunkte der elastischen Knickbiegelinie definiert. Die im Bild
6.2 skizzierten Euler’schen Grundfälle liefern nützliche Schranken für die Eingrenzung der Ersatzstab-
länge.
Bei kleinen Schlankheiten sind die Auswirkungen der Stabverformung auf die Biegemomente gering,
das heißt die Verformungsmomente ∆M nach Theorie 2. Ordnung sind vernachlässigbar (∆M/M < 10%).
Wenn die Schlankheit λ das Kriterium
λ < 25 (6.2)
erfüllt, gilt die Stütze als nicht schlank. Dann dürfen die Schnittgrößen nach Theorie 1.Ordnung berech-
net werden. Die Bemessung erfolgt nach Abschnitt 5.
Stützen mit Schlankheiten
gelten als extrem stabilitätsgefährdet. Sie sind deshalb besonders vorsichtig zu untersuchen. Weitere
Angaben zu den Schlankheitsgrenzen finden sich im EC2.
14.11.01 145
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
l0 ≈ 0,7 l
l l0 = 0,5 l l0 = l
l0 = l
l0 = 2 l
14.11.01 146
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
Die Auswirkung von geometrischen Abweichungen der Stabachse von der geplanten Lage läßt sich mit
einem Knick αa der Stabachse simulieren.
ea
a b
l
αa
ea
l0
l0
ea = α a ⋅ ----
αa 2
Bei der Schnittgrößenermittlung am Tragwerk als Ganzes kann der Winkel αa berücksichtigt werden mit:
0,01
α a = ----------- im Bogenmaß, (6.4)
l
α a = 0, 005 (6.5)
l ........................Stablänge in [m]
Alternativ zu Bild 6.3 darf die Auswirkung der geometrischen Imperfektion auch durch äquivalente Hori-
zontallasten H erfaßt werden (Bild 6.4).
N N N
H
0, 35l
0, 5l
ea
0, 7l
ea H
H
H = αa ⋅ N
H = 2α a ⋅ N H = 2α a ⋅ N
Bei seitlich verschieblichen Stockwerkrahmen (Bild 6.5) wird eine mittlere Schiefstellung αam über alle
Geschoße angesetzt,
14.11.01 147
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
1
α am = α a ⋅ 0,5 ⋅ æ 1 + -----ö (6.6)
è mø
Anmerkung: Im Falle Bild 6.5 a und b geht in die Gleichung (6.6) die Gebäudehöhe l ein. Im Falle Bild 6.5 c ist l die Ge-
schoßhöhe und m die Gesamtanzahl aller Stützen in den beiden Geschoßen, die einen Beitrag leisten zu der
zu verankernden Horizontalkraft H2.
Die Imperfektionen (früher: „ungewollte Ausmitte“) bewirken Momente Ma (Theorie 1.Ordnung im maß-
gebenden Querschnitt m), entweder als Folge der Exzentrizität ea
M a = N ⋅ ea (6.7)
oder als Folge der äquivalenten Horizontallasten. Diese Momente sind den Lastmomenten nach Theorie
1.Ordnung zuzuschlagen.
a b c
α am
j Nj
H H1 H2
l i l
Ni
αam
αa m
H 1 = α am ⋅ ( N i – N j )
1 2 3 H 2 = αam ⋅ ( N i + N j )
e1 = e0 + ea
M1
e 0 = -------
N
Ma
e a = -------
N
M1 + Ma
e 1 = ---------------------- (6.8)
N
14.11.01 148
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
6.4 Einzelstütze
a) Stützenkopf gehalten
Wenn man den Verlauf der Krümmung ϑ(x) entlang der Stabachse vorgibt, läßt sich die Stabverformung
e2 mit Hilfe des Verformungsbeiwertes kM durch die Krümmung im maßgebenden Querschnitt ausdrük-
ken.
Parabolische Krümmungsverteilung
Unter der Annahme, daß die Krümmungsverteilung entlang der Stabachse einer quadratischen Parabel
entspricht, wird die Biegelinie ein Polynom 4.Ordnung.
Mit der Gleichung (3.91) erhält man e2 aus dem Bild 6.6:
2
1 l0 l0 3 l 0 ( 4 ⋅ ϑ m 2 + 6 ⋅ ϑ m2 )
e 2 = 2 ⋅ --- ⋅ ---- ⋅ ---- ⋅ æ ϑ m2 + 2 ⋅ --- ϑm 2ö = e 2 = ------ ⋅ -------------------------------------------------
6 2 4 è 4 ø 24 4
2
5 2 l0
e 2 = ------ ⋅ l 0 ⋅ ϑ m2 ≈ ------ ⋅ ϑ m 2 (6.9)
48 10
N
ϑm 2
v l0
e2 F = 1
l0 ----
4
3
--- ϑm2
4
14.11.01 149
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
a N
Theorie 1.Ordnung
Theorie 2.Ordnung
5
e 2 = ------ ⋅ l 02 ⋅ ϑ m2
ϑm 2 48
q
ϑ m1
5 1
k M = ------ = -------- = 0,104
48 9,6
quadratische Parabel
b N
ϑo
quadratische Parabel
ϑ m2 l 02
e 2 = ------ ⋅ ( 5ϑ m 2 + ϑ m 1 )
48
ϑ m1 ϑ m1
5 ⋅ æ 1 + -----------ö
è ϑ m2ø
k M = ----------------------------------
ϑu 48
N
14.11.01 150
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
rechteckige Krümmungsverteilung
N Grenzfall: rechteckige
Krümmungsverteilung
M1 ( ϑm2 = konst )
M1 l 02
e 1 = ------- » e2 = ---- ⋅ ϑ m
N ϑm 8
1
k M = ---
8
M1
dreieckige Krümmungsverteilung
N
Grenzfall: dreieckige
Krümmungsverteilung
l 02
e2 = ------ ⋅ ϑ m
12
ϑ m qq
1
H k M = ------
12
sinusförmige Krümmungsverteilung
xπ
w ( x ) = e 2 ⋅ sin ------
2
N π xπ
Grenzfall: sinusförmige w′ ( x ) = e 2 ⋅ --- ⋅ cos ------
2 2
Krümmungsverteilung
π2 xπ
w″ ( x ) = – e 2 ⋅ ------ ⋅ sin ------
l2 2
ϑm 2 π2
ϑ m 2 = – w″ ( x = l/2 ) = e2 ⋅ ------
l2
l 02
e 2 = ------ ⋅ ϑ m2
x π2
π 2 = 9, 87 ≈ 10
1
k M = -----------
9,87
14.11.01 151
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
b) Stützenkopf frei
2
e2 N l0
N e 2 = ------ ⋅ ( 5ϑ m 2 – 2ϑ m1 )
H 48
H
Für N = 0 wird
l
ϑ m2 = ϑ m1 und
ϑm2
2H e2
l0 2
ϑm 1 lo
e 2 = ------ ⋅ ϑ m1
12
ϑm 1
5 ⋅ æ 1 – -----------ö
è ϑ m 2ø
H k M = ---------------------------------
48
N
e2 N N ϑ m2 l0
2
e 2 = ------ ⋅ ( 5ϑ m 2 – 2ϑ m1 )
48
q
l Für N = 0 wird
ϑ m2 = ϑ m1 und
q⋅l
l0 ⇔
e2 ϑm 1 2
lo
l e 2 = ------ ⋅ ϑ m1
16
ϑm1
5 ⋅ æ 1 – 2 ⋅ -----------ö
è ϑm2ø
N k M = -----------------------------------------
48
Bild 6.9 Verformungsbeiwert kM für Kombination aus linearer und parabolischer Krümmungsver-
teilung
Allgemein gilt für den Zusammenhang zwischen der Krümmung ϑm2 im maßgebenden Querschnitt
und der Verformung e2
2
e2 = k M ⋅ l 0 ⋅ ϑ m2 (6.10)
1 1
mit --- > k M > ------ (6.11)
8 12
1
Für eine der Momentenlinie angepaßte Bewehrungsabstufung sollte stets kM = --- angenommen werden.
8
Nach EC2 gilt für den Verformungsbeiwert kM näherungsweise
14.11.01 152
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
1
k M = ------ (6.12)
10
Beim klassischen Knicken wird die Biegelinie und damit die Krümmungsverteilung sinusförmig ange-
nommen.
1
k M = ------ (6.13)
π2
14.11.01 153
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
Mr
ϑ m2 = ------- (6.14)
B II
2 Mr
e 2 = k M ⋅ l ⋅ ------- (6.15)
B II
Mr
B II
Reaktion M r ( e 2 ) = --------------- ⋅ e 2
2
kM ⋅ l
e2
B II
--------------- = N E ........Eulerlast
2
kM ⋅ l
M 2 = M 1 + ∆M = M 1 + N ⋅ e 2 (6.16)
∆M....................Verformungsmoment
M1 ....................Moment nach Theorie 1.Ordnung
M2 ....................Moment nach Theorie 2.Ordnung
N ....................Normalkraft (Absolutbetrag)
e2 .....................Stabauslenkung im maßgebenden Querschnitt
Ma
Aktion
M1 M a ( e 2 ) = N a ⋅ ( e1 + e 2 ) = M 1 + Na ⋅ e 2
Na e2
e1
14.11.01 154
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
Ein stabiles Gleichgewicht Ma = Mr herrscht im Schnittpunkt der beiden Geraden (Bild 6.12).
Reaktion
M2 Aktion
M1
Kugelgleichnis
NE für stabilen
Na e2 Gleichgewichtszustand
e1 e2
1
e 2 = ----------------- ⋅ e1 (6.17)
NE
------- – 1
Na
B II
N E = ----------------
k M ⋅ l 02
1
mit ------- = π2 und BII = EJ (6.18)
kM
2
EJπ
N E = ------------- (6.19)
2
l0
14.11.01 155
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
6.4.3 Instabilitätsfall
Dem Bild 6.1 entsprechend ist die Reaktion mit My begrenzt (Bild 6.13).
Wenn die Aktion die Reaktion im kritischen Knickpunkt K tangiert ist der Grenzzustand der Tragfähigkeit
erreicht. Wenn man die Normalkraft Na oder die Lastausmitte e 1 vergrößert, ist kein Gleichgewicht mehr
möglich; die Stütze wird instabil; die Verformung e2 wächst schlagartig bis Materialversagen eintritt. Im
kritischen Knickpunkt K herrscht ein labiles Gleichgewicht.
M
a b Aktion
Na K
G
M1 Reaktion
maßgebender
e1 e2 Querschnitt m
l e
Na NE
e1 e2
c Kugel-Gleichnis
Na
e2
Bild 6.13 Auswirkung einer bi-linearen M/ϑ-Beziehung auf die Tragfähigkeit eines schlanken
Druckstabes
a) Aktion M2 = N a · (e1 + e2) am verformten Stab
b) kritischer Gleichgewichtszustand im kritischen Knickpunkt K
c „Kugelgleichnis“ für labilen Gleichgewichtszustand
1
ϑ m2 = --------------- ⋅ e2 (6.20)
2
kM ⋅ l0
die Abszissenachse verzerrt, erhält man das Bild 6.14, welches das komplexe Instabilitätsproblem des
Stahlbetondruckstabes auf eine einfache Querschnittsbetrachtung zurückführt. Die Reaktion entspricht
nämlich der M/ϑ-Beziehung im maßgebenden Querschnitt.
14.11.01 156
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
M
Aktion
K
M2 = M K G
M1 Reaktion
(M/ϑ-Diagramm) Mu
2
N a ⋅ k M ⋅ l0
ϑ
B II
Momenten-/Krümmungsbeziehung
e im maßgebenden Querschnitt m
ϑ m = --------------- ϑ K = ϑ m2
2
k M ⋅ l0
Bild 6.14 Bemessung von Stahlbetonstützen: Rückführung auf eine einfache Querschnittsanalyse
14.11.01 157
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
Die Rückführung des relativ komplexen Problems der Bemessung schlanker Druckstäbe auf eine Quer-
schnittsbetrachtung zeigt anschaulich, daß für die größtmögliche Einwirkung das Gleichgewicht nur im
Punkt K erfüllbar ist (Bild 6.14).
Ma = Mr
Aktion Ma = M2 ⇔ Reaktion Mr = M K
Dieser Gleichgewichtszustand ist labil, d.h. bei einer geringen Störung wird die Stütze instabil (Ma > Mr).
Bei schlanken Stützen tritt der Instabilitätsfall ein, bevor die materialbedingte Querschnittstrag-
fähigkeit Mu erschöpft ist.
Anmerkung: Die materialbedingte Querschnittstragfähigkeit Mu entspricht dem Endpunkt G der M/ϑ-Linie im Bild 6.14. Für
diesen Grenzzustand des Querschnittswiderstandes im ULS gelten die üblichen Interaktionsdiagramme. Sie
wurden mit den normengemäßen Grenzdehnungszuständen nach Bild 2.31 erstellt. Für Stabilitätsprobleme
ist der Grenzpunkt G nur ausnahmsweise relevant, und zwar wenn er im Bild 6.14 links vor dem kritischen
Punkt K zu liegen kommt. Diesen Fall bezeichnet man als Spannungsfall 2.Ordnung. Er wird mit der oben
beschriebenen bi-linearen Näherung für die M/ϑ-Linie praktisch ausgeschlossen.
Die Reaktion im Bild 6.14 entspricht der M/ϑ-Beziehung im maßgebenden Querschnitt. Sie hängt be-
kanntlich von der Normalkraft, den Materialeigenschaften, der Querschnittsform und last not least von
der Bewehrungsfläche As = As1 + As2 ab. Bei Stützen wendet man normalerweise eine symmetrische
Bewehrungsanordnung As1 = As2 an.
Der Knickpunkt K im M/ϑ-Diagramm (Bild 6.14) ist dadurch gekennzeichnet, daß entweder in der
Biegezugbewehrung As1 die Fließdehnung εyd(+) auftritt (niedrige bezogene Normalkraft ν < 0,4)
oder daß in der Biegedruckbewehrung As2 die rechnerische Fließstauchung εyd(−) erreicht wird
(hohe bezogene Normalkraft ν > 0,4). Das Bild (6.15) zeigt ein N-M-W-Interaktionsdiagramm fü rden kri-
tischen Punkt K. An Stelle der Grenzdehnungen gemäß Bild 2.31, die für den Grenzpunkt G im Bild
(6.14) gelten, sind hier die Dehnungen εyd in der Druck- bzw. Zugbewehrung eingehalten.
N Sd N Sd
ν = ----------------------- = ---------- (6.22)
f cd ⋅ b ⋅ h N c0
M Sd M Sd
µ = ------------------------- = ----------------- (6.23)
c0 ⋅ h
2 N
f cd ⋅ b ⋅ h
A s f yd N s0
ω = ----------- ⋅ ------- = ---------- (6.24)
b ⋅ h f cd N c0
N c 0 + A s ⋅ f yd
ν 0 = ---------------------------------- = 1 + ω (6.25)
N c0
ν .......................bezogene Normalkraft
µ .......................bezogenes Biegemoment
ω.......................bezogene Stahlfläche
ν0......................bezogene Normalkrafttragfähigkeit bei zentrischer Druckeinwirkung
14.11.01 158
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
( -)
εy d ( -)
zentrischer ε yd
Druck
( -)
ε yd
( -)
εyd Dekompression
( -)
ε yd
ν
ν0
( -)
zentrischer ε yd
Druck
ω ε c1 = 0
ω
( -)
ε yd
Druckbewehrung
ν = 1,0 ε s1 = 0 ausgenützt:
ν > 0,4
( -)
ω = 0 ε yd
(+ ) µ
ε yd ( -)
ε s2 > ε yd
Das Bild 6.15 zeigt ein spezielles Interaktionsdiagramm, welches ausschließlich für den Knickpunkt K
gilt. Im oberen Bereich (ν > 0,4) wird die Stauchung der Druckbewehrung As2 mit εyd(−) festgehalten,
während die Dehnung der Bewehrung As1 innerhalb der Grenzen εyd(−) ≤ εs ≤ εyd(+) - also im Hoo-
ke’schen Bereich - liegt. Im unteren Bereich des Diagrammes (ν < 0,4) ist die Biegezugbewehrung As1
mit εyd(+) festgehalten. Die Biegedruckzone ist dagegen nicht ausgenützt (εs2 > εyd(−)).
Die rechnerische Fließdehnung εyd repräsentiert den Beginn des Stahlfließens, wodurch die M/ϑ-Linie
in den flachen Ast (Fließplateau) übergeht. Der Knickpunkt im M/ϑ-Diagramm wird also durch den Knick-
punkt im σ/ε-Diagramm des Stahles verursacht.
Im Dehnungsbereich (1) (Bild 6.16) herrscht Zustand I. Im Dehnungsbereich (2) ist die Fließstauchung
εyd(−) am Druckrand ausgenützt und im Dehnungsbereich (3) wird die Fließdehnung εyd(+) am Biegezu-
grand festgehalten.
14.11.01 159
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
(- )
ε yd
As 2
2 3
1 N Sd
y
M2 = MK
C
0
A s1
z
(+ )
ε yd
Balanced Point
Am Übergang zwischen den Dehnungsbereichen (2) und (3) liegt die Dehnungsebene (B)-(C). Sie ist
dadurch gekennzeichnet , daß in beiden Bewehrungen As1 und As2 gleichzeitig die rechnerische Fließ-
dehnung εyd mit unterschiedlichen Vorzeichen auftritt. Die zugehörigen Schnittgrößen werden mit Nbal
und Mbal bezeichnet.
(- )
ε yd f cd
b
Ns 2
As Nc 0, 8 ⋅ x
------ x
2 ec
h a N bal
y ϑ bal M bal
N s1
A εyd
z -----s-
2
Beispielsweise lauten für einen Rechteckquerschnitt mit symmetrischer Bewehrung die reaktiven
Schnittgrößen für diesen speziellen Dehnungszustand (Bild 6.17) :
N bal = N c + N s1 + N s2 (6.26)
As
N s2 = – f yd ⋅ ------ (6.27)
2
As
N s1 = +f y d ⋅ ------ (6.28)
2
14.11.01 160
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
N bal = N c = f cd ⋅ b ⋅ 0, 8 ⋅ x (6.29)
x = 0, 5 ⋅ h (6.30)
e c = 0, 3 ⋅ h (6.32)
f yd ⋅ A s ⋅ a
M bal = N c ⋅ 0,3h + -------------------------- (6.33)
2
2 ⋅ ε yd
ϑ bal = ---------------- (6.34)
a
14.11.01 161
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
a b
ν ν
zentrischer Druck
ν0
ν Sd
µ ϑ
µ bal ϑK ϑ bal
N ud f cd ⋅ A c + f y d ⋅ A s
ν 0 = ------------------ = ------------------------------------------- = 1 + ω (6.35)
f cd ⋅ A c f cd ⋅ A c
A s f yd
ω = ------ ⋅ ------- (6.36)
A c f cd
N Sd
ν Sd = ------------------ (6.37)
f cd ⋅ A c
N bal
ν bal = ------------------ (6.38)
f cd ⋅ A c
Vorgangsweise:
3) Für νSd > µbal: Schätzung von ω (Gleichung (6.36)) und Berechnung von ν0 (Gleichung (6.35))
14.11.01 162
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
ν 0 – ν Sd
α r = ---------------------- ≤ 1 (6.39)
ν 0 – ν bal
2 1
e 2 = k M ⋅ l0 ⋅ ϑ K (EC2: kM = ------ ) (6.40)
10
e to t = e 0 + e a + e 2 (6.41)
M Sd1
e 0 = -------------- .Theorie 1.Ordnung
N Sd
ea ................Imperfektion (siehe Bild 6.3)
e2 ................Stabverformung nach Theorie 2. Ordnung (Gleichung (6.41))
6) Bemessung der erforderlichen Bewehrung im maßgebenden Querschnitt für die Schnittgrößen NSd
und M Sd = N Sd ⋅ etot
Anmerkung: Streng genommen müßte die Bemessung mit den Interaktionsdiagrammen im Bild 6.15 erfolgen. Näherungs-
weise darf nach EC2 die Bemessung mit den üblichen Diagrammen durchgeführt werden, wenn diesen das
elastisch-plastische Stoffgesetz zu Grunde liegt.
7) Wenn das Ergebnis As der Bemessung wesentlich von der Schätzung im Schritt (3) abweicht, muß
der Bemessungsvorgang ab Schritt (3) mit einer neuen Annahme für As wiederholt werden.
Anmerkung: Für kleine Lastexzentrizitäten e1 < 0,1·h liefert das Verfahren zu ungenaue (auf der sicheren Seite liegende)
Ergebnisse. Auch bei Schlankheiten l > 140 sollten genauere Methoden anwendet werden.
14.11.01 163
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
Die im vorigen Abschnitt angewendeten Vereinfachungen führen zu einer für die komplexe Aufgaben-
stellung erstaunlich anschaulichen und verständlichen Bemessungsmethode (Modellstützenverfahren).
Das Problem wird auf eine einfache Querschnittsbetrachtung im maßgebenden (kritischen) Querschnitt
zurückführt (Bild 6.14).
Eine Verbesserung der Genauigkeit erreicht man, indem man an Stelle der vereinfachten bi-linearen
M/ϑ-Beziehung den theoretisch genaueren Kurvenverlauf nach Abschnitt 3.6.4 ermittelt. (Bild 6.19 und
Bild 3.24).
Mm
n
tio
Ak G
K Reaktion
M1
2
N Sd ⋅ k M ⋅ l 0 MK
M cr
ϑm
ϑK
e1
------------------
-
2
k M ⋅ l0
Bild 6.19 Rückführung des Stabilitätsproblems einer Einzelstütze auf die M/ϑ-Linie im kritischen
Querschnitt
2
e2 = k M ⋅ l0 ⋅ ϑK (6.42)
∆M = N ⋅ e 2 (6.43)
M 2 = M 1 + ∆M (6.44)
N Sd = N (6.45)
M Sd = M 2 (6.46)
e2 .....................Stabverformung
l0 ......................Ersatzstablänge (Abschnitt 6.2, bzw. Abschnitt 6.4.7.3)
kM .....................Verfomrungsbeiwert, der die Krümmungsverteilung entlang der Stabachse beschreibt
NSd, MSd ..........Bemessungsschnittgrößen (maßgebende EK im ULS)
14.11.01 164
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
• Der Beiwert kM kann näherungsweise mit kM = 1/10 angenommen werden (EC2). Eine merkliche Ge-
nauigkeitssteigerung wird erreicht, wenn man kM nach Abschnitt 6.4.1 ermittelt bzw. iterativ verbes-
sert.
• Wenn die Biegemomente nach Theorie 1.Ordnung konstant verlaufen, sollte kM = 1/8 angesetzt wer-
den.
• Wenn das Moment 1.Ordnung durch eine horizontale Einzellast in Stabmitte verursacht wird oder -
was gleichwertig ist - durch eine Horizontalkraft am Kopf einer Kragstütze angreift, kann kM= 1/12
angenommen werden.
• Wenn die Bewehrung der Momentenlinie entsprechend abgestuft wird, sollte stets kM =1/ 8 einge-
setzt werden.
Bei Querschnitten mit symmetrischer Bewehrung kann die kritische Krümmung ϑK wie folgt berechnet
werden (MC90):
ϑK = α Φ ⋅ α r ⋅ ϑ bal (6.47)
ε yd
ϑ bal = 2 ⋅ -------- (6.48)
a
M g,1
Φ eff = Φ ⋅ --------------- (6.49)
M Sd,1
Φ eff
α Φ = 1 + ---------- (6.50)
4
Φ ......................Kriechbeiwert (Endkriechzahl)
Mg,1 ..................quasi-ständig einwirkendes Biegemoment (SLS) nach Theorie 1.Ordnung
MSd,1 ................Bemessungsmoment (ULS) nach Theorie 1.Ordnung
Eine genauere Möglichkeit die Auswirkung von Kriechen und Schwinden zu berücksichtigen besteht
darin, die Zunahme der Krümmung im maßgebenden Querschnitt ϑcs + ϑcc gemäß Bild 6.20 in die M/ϑ
- Beziehung einzubringen.
14.11.01 165
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
Die Auswirkung des Kriechens darf vernachlässigt werden (Φ = 0), wenn zumindest zwei der nachfol-
genden Bedingungen erfüllt sind:
λ ≤ 40 (6.51)
e1
------ ≥ 2 (6.52)
h
Ng
---------- ≤ 0, 15 (6.53)
N Sd
2 Mg
N K ⋅ kM ⋅ l 0
ϑc s + ϑc c
ϑ
ϑK
e1
------------------
-
2
k M ⋅ l0
Mg ....................ständige Einwirkung
ϑcs ....................Krümmungszunahme durch Schwinden
ϑcc ....................Krümmungszunahme durch Kriechen
14.11.01 166
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
6.4.7 Ersatzstabverfahren
6.4.7.1 Allgemeines
Mit dem Modellstützenverfahren läßt sich eine einzelne schlanke Stahlbetonstütze mit praxisgerechter
Einfachheit und ausreichender Genauigkeit bemessen.
Normalerweise ist der Bewehrungsanteil von Stützen im Vergleich zu den übrigen Bauteilen eines Bau-
werkes gering. Deshalb ergibt sich auch aus wirtschaftlicher Sicht keine Notwendigkeit, die Bewehrung
von Stützen auf das statisch gerade noch vertretbare Mindestmaß zu minimieren. Dagegen spricht auch
die zentrale Bedeutung von Stützen als Tragelement. Häufig kommen später unvorhergesehene Last-
fälle hinzu. Dann ist der Bauherr dankbar, wenn in der Tragfähigkeit der Stützen noch gewisse Reserven
vorhanden sind. Diese Gründe sprechen dafür, bei der Bemessung von Stützen großzügig vorzugehen.
Auch die Tatsache, daß man duktile robuste Konstruktionen anstrebt, spricht dafür, plastische Gelenke
möglichst außerhalb der Stützen in Biegequerschnitte zu verlegen und Instabilitätsfälle womöglich zu
vermeiden.
Vom restlichen Tragwerk hinsichtlich ihrer Tragwirkung isolierte Einzelstützen kommen in der Praxis
häufig vor - insbesondere in Form von Kragstützen z.B. bei Hallen oder als aussteifender Kern in Hoch-
bauten. Deshalb werden Kragstützen im Abschnitt 6.4.7.4 nochmals ausführlicher besprochen.
Mit Hilfe des Ersatzstabverfahrens kann man in vielen Fällen eine in das Tragsystem eingebun-
dene Stütze gedanklich aus diesem herauslösen und als isolierte Einzelstütze nach dem Modell-
stützenverfahren bemessen.
Selbstverständlich besteht die Forderung, daß die Modellstütze dieselbe Beanspruchung und Tragfähig-
keit aufweisen soll, wie die wirkliche in das Tragsystem (Stockwerkrahmen etc.) integrierte Stütze.
Für die Definition dieses Ersatzstabes sind folgende Größen erforderlich:
NSd ...................einwirkende Druckkraft im ULS für die maßgebende EK
e1 .....................Ersatzausmitte nach Theorie 1.Ordnung (inklusive der Imperfektion ea) im maßgeben-
den Querschnitt
kM .....................Verformungsbeiwert, der die Krümmungsverteilung entlang der Stabachse berücksich-
tigt. Er hängt von den Lagerungsbedingungen und von der Belastungsart ab, die auf die
Modellstütze einwirkt (Abschnitt 6.4.1)
l0 ......................Ersatzstablänge. Sie entspricht der Länge der Modellstütze, die zum Vergleich heran-
gezogen wird.
κ .......................Modellstützenbeiwert. Dieser Faktor ermöglicht es, spezielle Einwirkungen und Lage-
rungsbedingungen auf einfache Weise zu berücksichtigen
∆M = κ ⋅ N Sd ⋅ e2 (6.54)
Anmerkung: Hinsichtlich ea gilt Abschnitt 6.3. Der Beiwert kM wurde im Abschnitt 6.4.1 behandelt. Die Ersatzausmitte ee,
die Ersatzstablänge l0 und der Beiwert κ werden nachfolgend besprochen.
6.4.7.2 Ersatzausmitte ee
Wenn bei einem seitlich unverschieblich gelagerten Einzelstab die Momentenlinie nach Theorie 1.Ord-
nung entsprechend Bild 6.21 a verläuft, liegt die maximale Stabauslenkung nicht in der Stabmitte. Um
dieselbe Stabauslenkung in Stabmitte zu erhalten, arbeitet man mit einer entsprechend gewichteten Er-
satzausmitte ee (Bild 6.21 b).
e to t = e e + ea + e 2
e1 = ee + ea (6.55)
14.11.01 167
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
a b c
e02(+) e02(+)
N N N
e2 e2
ee e2
N N N
e01(+) e01(-)
elastische Einspannung
Unter der Bedingung e 02 > e 01 und mit den im Bild 6.21 definierten Bezeichnungen und Vorzeichen
lautet die Ersatzausmitte
Der größere der beiden Werte ee1 oder ee2 ist maßgebend
e 01 ≤ ee ≥ e 02 (6.58)
Zusätzlich zur Bemessung der schlanken Stützen nach dem Modellstützenverfahren sind die Stabenden
für die Schnittgrößen nach Theorie 1.Ordnung (e01 bzw. e02) zu bemessen. Dabei ist die Mindestaus-
mitte
h
min e 0 = ------ (6.59)
20
einzuhalten. Stützen mit einem Momentenverlauf gemäß Bild 6.21, deren Schlankheit λ die Grenze
e 01
λ lim = 25 ⋅ æ 2 – --------ö (6.60)
è e 02ø
unterschreiten (Bild 6.22), gelten als nicht stabilitätsgefährdet. Sie dürfen deshalb für die Schnittgrößen
nach Theorie 1.Ordnung (unter Berücksichtigung der Imperfektionen ea) bemessen werden.
14.11.01 168
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
λ krit
75
50
25
e 01
--------
e02 e02 e02
e 02
6.4.7.3 Ersatzstablänge l0
Die Randbedingungen und die Belastung der Modellstütze sind der Problemstellung anzupassen. Dies
geschieht mit Hilfe der Parameter kM, e1, l0.
Eine parabelförmige (Bild 6.7) oder eine sinusförmige Krümmungsverteilung (siehe Abschnitt 6.4.1) set-
zen streng genommen voraus, daß die Stabenden momentenfrei sind - also Gelenke aufweisen. Die zu-
gehörige Ersatzstablänge l0 muß infolge dessen dem Abstand der Wendepunkte der Biegelinie bzw.
dem Abstand der Momentennullpunkte entsprechen.
In der klassischen Stabilitätstheorie geht man ähnlich vor: Man ermittelt den ersten Eigenwert und
entnimmt der ersten Eigenform die Knicklängen als Abstand der Wendepunkte. Wohl als Folge der zeit-
lichen Entwicklung der Theorie wird auch heute noch die Ersatzstablänge l0 näherungsweise gleich-
gesetzt mit der Knicklänge.
Im Stahlbetonbau ist es jedoch besser, in Biegelinien zu denken unter qualitativer Berücksichtigung der
materialbedingten und geometrisch bedingten Nichtlinearität (Theorie 2.Ordnung).
Trotzdem liefern die Knicklängen eine gewisse Hilfestellung bei der Ermittlung der Ersatzstablängen :
l0 = β ⋅ l (6.61)
l0 ......................Ersatzstablänge
l ........................effektive Stablänge
β .......................Ersatzlängenbeiwert
14.11.01 169
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
a b c d
0,71 l
l 1,0 l 0,5l β⋅l
Für seitlich ausgesteifte (unverschiebliche) Rahmen kann β dem Nomogramm im Bild 6.25a entnommen
werden. Es gilt grundsätzlich 0,5 < β ≤ 1,0
å
(i)
E cm ⋅ J ci ⁄ l c i
k A ( oder k B ) = ------------------------------------------------------
åE cm ⋅ α ⋅ J bi ⁄ l bi
(i )
Beispiel
für Berechnung von kA
J c2 l c2 in Knoten A:
J b1 A J b2
J c1 J c2
-------- + --------
J c1 l c1 l c 2
l c1 k A = -------------------------------------
Jb 1 J b2
-------- + 0,5 ⋅ --------
l b1 l b2
l b1 l b2
Anmerkung: 1/kA bzw. 1/k B sind die Steifigkeiten von Drehfedern CA bzw.C B an den Stabenden.
14.11.01 170
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
N b
a α c
CB
l
---
2
l l
c
l0 CA
l0
c = ∞: l0 = 2l
c = 0 : l0 = ∞
l 0 = 2l l0 = l
β = 2 β = 1 2l < l0 < ∞ 1,0 < β < ∞
Bild 6.26 Euler’sche Knickfälle für seitlich verschiebliche Einzelstäbe (a) und (b),
sowie die Verallgemeinerung auf elastische Drehfedern an den Stabenden (c)
14.11.01 171
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
JR JR
JS l JS
JS » J R JR » JS
β = 2 l β = 1
Auch für seitlich verschiebliche Stockwerksrahmen gibt es ein Nomogramm zur Ermittlung von β (Bild
6.25 b). Grundsätzlich gilt: 1,0 < β < ∞
6.4.7.4 Kragstütze
Allgemeines
Häufig sind Kragstützen in Einzelfundamenten eingespannt. Die Nachgiebigkeit des Baugrundes läßt
sich durch eine Drehfeder am Stützenfuß als elastische Einspannung simulieren.
Der Stützenfuß ist der maßgebende und kritische Querschnitt. Das reaktive Biegemoment am Stützen-
fuß ist für die Abtragung von Horizontal- und Vertikalkräften (Theorie 2.Ordnung) notwendig.
Obwohl das Bettungsmodulverfahren in der Bodenmechanik als veraltet gilt, wird es nachfolgend an-
gewendet, weil sich die Steifigkeit CF der Drehfeder am Stützenfuß mit dieser Methode besonders ein-
fach ableiten läßt. Dabei wird der Baugrund durch ein System von lotrechten elastischen Federn mit der
Federsteifigkeit ks simuliert, die sich unabhängig voneinander zusammendrücken lassen. Die im elasti-
schen Halbraum gegebene Wechselwirkung der Federn untereinander bleibt unberücksichtigt. Unter
der Annahme eines konstanten Bettungsmoduls ks stellt sich unter einem starren Fundamentblock eine
lineare Verteilung der Bodenpressung σB ein (Bild 6.28).
14.11.01 172
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
ks
x
σB
Bodenpressung ∆σ B ( x )
M
∆σ ( x ) = ----- ⋅ x (6.62)
J
∆s ( x ) = ϕ ⋅ x (6.63)
∆σ ( x ) M
k s ( x ) = --------------- = ----------- = const (6.64)
∆s ( x ) ϕ⋅J
M
C F = ----- = k s ⋅ J (6.65)
ϕ
Anmerkung: Die Schwierigkeit liegt in der Festlegung des Bettungsmoduls ks, der in weiten Grenzen schwankt (Literatur:
Wölfer 1978). Beispielsweise: Moorboden: ks ~ 5000 kN/m3, festgelagerter Kies: ks ~ 250 000 kN/m3
14.11.01 173
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
ϕ⋅l e2 N
H
l
ϕ ϕ
CF
M2 = N ⋅ (e1 + ϕ ⋅ l + e2 ) (6.66)
M2 = ϕ ⋅ CF (6.67)
N ⋅ ( e 1 + e2 )
ϕ = ----------------------------------- (6.68)
CF – N ⋅ l
M2 = κ ⋅ N ⋅ (e1 + e2 ) (6.69)
CF
κ = -------------------------- (6.70)
CF – N ⋅ l
Die Auswirkung der elastischen Einspannung läßt sich demnach einfach dadurch erfassen, daß man die
Normalkraft um den Modellstützenbeiwert κ nach Quast vergrößert.
14.11.01 174
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
a b
e2
κ⋅N
e2
e
Biegelinie als -----2-
g 4
l quadratische
Parabel
angenähert
ò l e2
∆M = g ⋅ e 2 ( x ) dx = g ⋅ --- ⋅ e2 + 4 ⋅ ------ + 0 (6.71)
6 4
l Simpson’sche
Integrationsregel
1 1
∆M = --- ⋅ l ⋅ g ⋅ e 2 = --- ⋅ N ⋅ e2 (6.72)
3 3
1
κ = --- (6.73)
3
Eine gleichmäßig verteilte Längskraft g (z.B. Eigengewicht der Stütze, oder Fassadenlast) läßt sich
gleichwertig ersetzen durch die Einzellast κ · l · g am Stützenkopf.
In Hochbauten werden meist Stiegenhauskerne inklusive Lift und Installationsschächte als aussteifende
Kragkonstruktionen ausgebildet (Bild 6.31 - Stützenreihe a). Wenn man die Summe aller ausgesteiften
Stützen (Bild 6.31 - Stützenreihe b) zusammenfaßt, kommt durch die seitliche Verschiebung e2,i in der
i-ten Decke eine Abtriebskraft Hi hinzu. Sie kann näherungsweise dadurch erfaßt werden, daß man Fb,i
am Ort a angreifen läßt (selbstverständlich ändert sich dadurch die Normalkraft in der Stützenreihe a
nicht). Wir setzen voraus, daß alle Geschoßhöhen und alle Geschoßlasten gleich groß sind - wobei Fa
≠ Fb sein kann. Unter der vereinfachenden Annahme, daß die Biegelinie nach Theorie 2.Ordnung eine
quadratische Parabel ist, ergibt sich näherungsweise das Verformungsmoment am Stützenfuß (Reihe
a):
å
n
∆M = ( F a + F b ) ⋅ e 2i (6.74)
i=1
N = n ⋅ Fa (6.75)
und
14.11.01 175
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
∆M = κ ⋅ N ⋅ e 2 (6.76)
1 Fb
κ = --- ⋅ æ 1 + ------ö (6.77)
3 è F aø
κ⋅N
e2 Fa Fb
Hn
Fa Fb
e2
e2i Fb Fb
Fa Hi
Hi
Fa Fb
Fb Abtriebskräfte H
Fa
H2
Fb
Fa
H1
a b a
14.11.01 176
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
6.4.8 Wände
6.4.8.1 Einführung
Wände und Scheiben sind Flächentragwerke, die im Gegensatz zu Platten in ihrer Ebene belastet wer-
den. Lotrecht stehende Scheiben bezeichnet man als Wand oder Wandscheibe, horizontal angeordnete
als Deckenscheiben. Im Hochbau kommen Wände meist als raumabschließender Bauteil und werden
häufig zur Aussteifung des Gebäudes herangezogen. Wände sind kontinuierlich z.B. auf einem Funda-
ment gelagert, wandartige Träger sind wie Balken punktweise unterstützt. Wegen ihrer im Verhältnis
zur Spannweite großen Bauteilhöhe und damit geringen Verformung, werden wandartige Träger oft zum
Abfangen großer Lasten verwendet.
6.4.8.2 Wände
Wände sind meist wie Stützen überwiegend auf Druck beanspruchte Bauteile, deren Breite größer als
die vierfache Dicke ist. Wird diese Bedingung nicht erfüllt, so handelt es sich gemäß EC2 um ein stab-
förmiges Druckglied, das als Stütze zu bemessen und zu bewehren ist.
Für den Stabilitätsnachweis von schlanken Stahlbetonwänden sind in Bild 6.32 Knicklängenbeiwerte β
zusammengestellt, welche von der Art der Aussteifung bzw. Lagerung abhängen (zweiseitig, dreiseitig
und vierseitig gehalten).
Querwände dürfen als aussteifend im Sinne von Bild 6.32 betrachtet werden, wenn
• ihre Dicke mindestens gleich der Hälfte der Dicke hw der auszusteifenden Wand ist
• ihre horizontale Länge lh mindestens ein Fünftel der Höhe lw der auszusteifenden Wand beträgt. In-
nerhalb von lh weist die Querwand keine Öffnungen auf.
Die Lasteintragung darf bei Innenwänden mit beidseitig anschließenden Decken als mittig wirkend vor-
ausgesetzt werden. Bei Wänden, die Lasten aus einseitig anschließenden Decken erhalten, ist dagegen
eine Lastausmitte zu berücksichtigen.
Bei zweiseitig gehaltenen Wänden, die im Bereich der Wand-Decken-Knoten eine Bewehrung zur Über-
tragung von Biegemomenten aufweist, darf der Knicklängenbeiwert mit β = 0,85 angesetzt werden.
14.11.01 177
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
Lagerungsbedingung
lw lw
lh lh lh
1 1
β = 1, 0 β = -------------------------- lw ≤ lh β = -----------------------
lw 2 lw 2
für jeden Wert lw / lh 1 + æ -------ö 1 + æ -----ö
è 3l ø èl ø
h h
1
lw > lh β = ------------------
lw
2 ⋅ æ -----ö
èl ø
h
Bild 6.32 Beiwerte zur Ermittlung der Ersatzstablängen von zweiseitig, dreiseitig und vierseitig
gehaltenen Wänden (lw = lichte Höhe, lh = lichte Länge)
14.11.01 178
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
6.5 Systemanalyse
Bei seitlich verschieblichen Rahmenkonstruktionen ist die Abtragung von Horizontalkräften nur über
Querkräfte in den Stützen möglich, wie das Bild 6.33 veranschaulicht.
Die Querkräfte sind mit Biegemomenten (Bild 6.34) gekoppelt. Letztere verursachen Biegeverformun-
gen. Die Stützenverformung bewirkt nach Theorie 2.Ordnung Verformungsmomente ∆M, die die Ein-
spannmomente in den Endquerschnitten vergrößern und zu Instabilitätsproblemen führen können. Ob -
und in welcher Größe - an den Stützenköpfen Querkräfte aus ∆M entstehen, hängt davon ab, ob sich
die Stützen gegenseitig beeinflussen (aussteifende versus ausgesteifte Stützen). Dieser Effekt läßt sich
nur durch eine Systemanalyse nachweisen.
H
M 1o M 2o M 3o M no
H1 H2 H3 Hn
H1 H2 H3 Hn
M 1u M 2u M 3u M nu
H i ⋅ l = M iu + M i0 (6.78)
å
n
H = Hi (6.79)
i=1
å
n
H⋅l = M iu + M i0 (6.80)
i=1
14.11.01 179
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
N
∆M
Hi M io Hi ∆M o
- eo
M2
+ N
Stütze i
+ eu
Hi M iu V = Hi ∆M u
N
14.11.01 180
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
Bei verschieblichen Rahmensystemen sollte das Ersatzstabverfahren nicht oder nur in der Vorbemes-
sung angewendet werden.
Eine Systemanalyse nach Theorie 2.Ordnung ist erforderlich, wobei die materialbedingte Nichtlinearität
(Rißbildung, nichtlineare Stoffgesetze) in der heutigen Praxis meist noch mit linearen Stabwerkprogram-
men durch entsprechend reduzierte Biegesteifigkeiten (Sekantensteifigkeit) Berücksichtigung findet.
Die geometrischen Imperfektionen (Bild 6.35) werden meist durch horizontale Ersatzlasten erfaßt (Bild
6.36).
α aj
α a2
α a, i
In der Berechnung der Systemverformung und der Schnittkräfte nach Theorie 2.Ordnung können Ar-
beitslinien für die Mittelwerte der Baustoffestigkeiten Anwendung finden.
f cm = f c k + 7,5 MPa
f ym = f y k + 10 MPa (6.81)
f ym
ε ym = -------- (6.82)
Es
begrenzt wird. Der Tension-Stiffening-Effect wird im allgemeinen vernachlässigt, wodurch die Verfor-
mungsmomente auf der sicheren Seite liegend überschätzt werden.
14.11.01 181
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
H Sd, 2 H Sd, i H Sd , j
H Sd, j = α aj ⋅ N Sd , j
H Sd, 2 = α a2 ⋅ N Sd, 2
H Sd, i = α a, i ⋅ N Sd, i
Besonders im Brückenbau ist eine schwimmende Lagerung des Tragwerks auf dem Unterbau (Stüt-
zen, Pfeiler). Dieses System wird als seitlich verschieblicher Rahmen, soferne keine seitlich unver-
schieblichen Lagerungen existieren, durchaus gebräuchlich.
Durch die Verkehrslasten kommt es zu einer Vielzahl von Laststellungen bzw. Lastfällen. Durch die
nichtlinearen Effekte gilt streng genommen das Superpositionsgesetz nicht mehr. Um dennoch mit ei-
nem vertretbaren Aufwand zu den ungünstigsten Einwirkungskombinationen für die Bemessung der
Stützen im ULS zu kommen, muß man vorerst rigorose Linearisierungen vornehmen :
1) materialbedingte Nichtlinearität
Zur näherungsweisen Erfassung von Rißbildung (Zustand II) und des plastischen Materialverhaltens
werden entsprechend reduzierte Biegesteifigkeiten (Sekantensteifigkeiten) angesetzt, die die M/ϑ-Be-
ziehung linearisieren. (siehe Bild 6.1). Diese mittlere Biegesteifigkeit wird während der Ermittlung der
maßgebenden EK festgehalten.
Die Koeffizienten der lokalen geometrischen Steifigkeitsmatrix, welche die Effekte der Theorie 2.Ord-
nung bewirken, enthalten die Stablängskraft (Normalkraft N). Dadurch ist die geometrische Steifigkeits-
matrix lastabhängig. Setzt man für N den absolut größten Wert max |N| aus allen Lastkombinationen ein
und hält die auf diese Weise berechnete geometrische Steifigkeitsmatrix unabhängig von den tatsächli-
chen Einwirkungen unveränderlich fest, so erreicht man eine auf der sicheren Seite liegende Linearisie-
rung der geometrischen Nichtlinearität.
Nach diesen beiden Linearisierungen gilt wieder das Superpositionsgesetz !
Vorgangsweise:
1) Berechnung des Gesamtsystems nach Theorie 1.Ordnung unter Ansatz und Überlagerung sämtli-
cher maßgebender Einwirkungen, wobei die Steifigkeiten auch aus den ungerissenen Querschnitten
(Zustand I) ermittelt werden dürfen. Besser ist es allerdings, hier bereits mit reduzierten Sekanten-
steifigkeiten zu arbeiten. In diesem Rechenschritt werden die größtmöglichen Druckkräfte max |NSd|
in allen Druckgliedern errechnet.
2) Bemessung der Bewehrung in den kritischen Querschnitten mit der zur maßgebenden EK gehörigen
Schnittgrößen MSd, NSd (nicht max |NSd|!) und den Rechenwerten fcd bzw. fyd der Materialfestigkeit.
Mindestbewehrungen sind zu beachten.
14.11.01 182
6. Bemessung von schlanken Druckgliedern
3) Ermittlung der Querschnittsbiegesteifigkeiten und daraus der Stabsteifigkeiten auf Basis der unter (1)
berechneten Schnittgrößen und unter (2) bemessenen Bewehrungen. Für die Berechnung der Stei-
figkeit werden die Mittelwerte der Festigkeiten fcm und fym verwendet.
4) Berechnung des Gesamtsystems nach Theorie 2.Ordnung mit den unter (3) ermittelten Steifigkeiten
und den unter (1) ermittelten größtmöglichen Druckkräften max |NSd|. Dadurch wird die ungünstigste
Überlagerung (Superpositionsgesetz) sämtlicher Einwirkungen nach den genormten Kombinations-
regeln möglich.
5) Bemessung der maßgebenden Querschnitte für die aus (4) folgenden Schnittgrößen.
Anmerkung: Die Bemessung wird für zugehörige Schnittgrößen MSd, NSd durchgeführt. Die größtmöglichen Druckkräfte
max |NSd| gehen in den Bemessungsvorgang nicht ein. Der Querschnittsbemessung sind die Bemessungs-
werte der Festigkeiten fcd und fyd zu Grunde zu legen.
6) Die aus (5) berechnete Bewehrung ist mit jener Bewehrung zu vergleichen, die der Berechnung der
Steifigkeit zu Grunde liegt. Weichen die beiden Stahlflächen um mehr als 15% voneinander ab, ist
die Berechnung ab (3) mit einer veränderten (gemittelten) Bewehrungsannahme zu wiederholen. An-
dernfalls ist die größere der beiden - zuletzt ermittelten - Bewehrungen einzulegen.
Anmerkung: Wenn Betonabmessungen geändert werden, ist der Rechenablauf ab (1) zu wiederholen.
Anmerkung: Die vereinfachte Systemanalyse mit reduzierten Sekantensteifigkeiten kann selbstverständlich auch für Ein-
zelstützen angewendet werden. Damit lassen sich entsprechend adaptierte lineare Computerprogramme te-
sten.
Sekantensteifigkeit
As
Eine einfache Annahme für die sekante Biegesteifigkeit von Querschnitten mit ρ = ------ ≥ 0,01 lautet
Ac
nach MC 90:
0,4 ⋅ E c ⋅ J c
B red = ----------------------------- (6.83)
1 + Φ eff
Wenn die Bewehrung bekannt ist (oder angenommen wurde), läßt sie sich wie folgt berücksichtigen:
0,2 ⋅ E c ⋅ J c
B red = ----------------------------- + E s ⋅ J s (6.84)
1 + Φ eff
Wenn erwiesen ist, daß der Querschnitt im Zustand I bleibt (im ULS+Theorie 2.Ordnung) :
0,8 ⋅ E c ⋅ J c
B I = ----------------------------- (6.85)
1 + Φ eff
14.11.01 183
7. Spannbeton
7. Spannbeton
7.1 Allgemeines
Die Wirkungsweise einer Vorspannung wird nachfolgend für die bisher gebräuchliche Art der Vorspan-
nung - nämlich für die „innere Vorspannung mit nachträglichem Verbund“ (Abschnitt ) erklärt. Die Aus-
führungen lassen sich sinngemäß auch auf die anderen Vorspannarten im Abschnitt 7.1.3 übertragen.
Unter Spannbeton versteht man eine spezielle Bauweise, bei der Tragwerke oder Bauteile aus Stahlbe-
ton zusätzlichen Kräften unterworfen werden, die aus einer Vorspannung resultieren. Diese Kräfte über-
lagern sich den äußeren Lasten. Sie werden so gewählt, daß sie den äußeren Lasten möglichst
entgegenwirken und damit den Spannungs- und Verformungszustand der Konstruktion günstig beein-
flußen.
Die Spannkräfte werden in der Regel durch Vorspannen hochfester Bewehrungsstähle (Spannstähle)
erzeugt. Sie werden direkt im Tragwerk verankert und erzeugen damit einen inneren Gleichgewichtszu-
stand, einen Selbstspannungszustand. Bei statisch bestimmten Konstruktionen entstehen durch das
Spannen der Spannstähle keine zusätzlichen Auflagerkräfte.
Nur wenn sich die aus der Vorspannung resultierenden Verformungen nicht ungehindert entwickeln kön-
nen, entsteht ein Zwang - wie bei einer behinderten Temperaturverformung. Dieses Phänomen tritt nur
bei statisch unbestimmten Systemen auf, wie beispielsweise bei Durchlaufträgern. Es führt zu Auflager-
reaktionen und Zwangschnittgrößen. Die Vorspannung statisch unbestimmter Systeme wird in der Lehr-
veranstaltung Betonbau VA behandelt.
Durch das Vorspannen werden also Spannungen in das Tragwerk eingetragen, die den Spannungen
aus den äußeren Lasten entgegenwirken. Risse in der Biegezugzone können nicht entstehen, wenn die
Zugspannungen durch die Vorspannung vollständig überdrückt werden (volle Vorspannung). Bei teilwei-
se vorgespannten Konstruktionen entstehen zwar in den höchstbeanspruchten Querschnitten Risse in
der Biegezugzone; insgesamt reduziert die Vorspannung aber die Rißbildung. Die Querschnittsverdre-
hung (Krümmung) und damit die Verformung (Durchbiegung) nehmen stark ab. Dadurch werden schlan-
kere Tragwerke bzw. wesentlich größere Spannweiten möglich.
Das Bild 7.1 zeigt das prinzipielle Tragverhalten am Beispiel eines Einfeldträgers unter Gleichlast.
Um die Bewehrung vorspannen zu können, wird in den Beton ein Rohr einbetoniert. In diesem Hüllrohr
liegt der Spannstahl. Er wird entweder bereits mit dem Hüllrohr als fertiges Spannglied (Spannkabel) ein-
gebaut, oder nachträglich (nach Erhärten des Betons) eingefädelt. Beim Spannen gleitet der Spannstahl
innerhalb des Hüllrohres.
Um den im Bild 7.2 skizzierten gekrümmten Verlauf des Spanngliedes herzustellen, muß das Hüllrohr
flexibel sein. Es darf aber nicht zu weich sein, damit es seine Lage beim Betonieren beibehält und nicht
durch den Rüttler beschädigt wird. Selbstverständlich muß es auch wasserdicht sein. Wenn nämlich
beim Betonieren Zementmilch in das Hüllrohr eindringt, bildet sich ein „Pfropfen“, der den Spannstahl
festhält und dadurch das durchgehende Spannen des Kabels behindert.
Die Vorspannung wird nach dem Erhärten des Betons aufgebracht, indem man das Kabel am Spannan-
ker mittels einer hydraulischen Presse aus dem Hüllrohr herauszieht und dadurch anspannt. Dabei
stützt sich die Presse über die Ankerplatte gegen den Beton ab. Die Vorspannkraft wirkt also einerseits
als Zugkraft P(+) auf den Spannstahl und andererseits als Druckkraft P (-) auf den Beton (Bild 7.1).
14.11.01 184
7. Spannbeton
a q
P(+) P(+)
Schwerachse Beton
Spannstahl
Hüllrohr
x
b l
P(+) P(+)
Spannstahl
P u ... Umlenkkräfte [kN/m]
u ( x ) = ---------- P ... Längskraft [kN]
r (x )
c r .... Krümmungsradius [m]
des Spanngliedes
P(−) Hüllrohr P(−)
u(x)
Im Bild 7.1 b ist das Spannkabel alleine dargestellt, mit der Zugkraft P(+) an den Enden. Der gekrümmte
Verlauf in Längsrichtung ist dadurch vorgegeben, daß das Kabel im Hüllrohr geführt ist. Wenn man das
Spannglied als biegeweiches Seil idealisiert, müssen die vom Hüllrohr auf das Seil einwirkenden Kräfte
im Seil einen momentenfreien Gleichgewichtszustand - also eine Stützlinie - erzeugen. Im Bild 7.1 b sind
diese Kräfte eingezeichnet. Man bezeichnet sie als Umlenkkräfte u. Während des Spannungsvorganges
gleitet das Kabel im Hüllrohr, wobei Reibungskräfte zwischen Spannstahl und Hüllrohr entstehen, die
etwa proportional zu den Umlenkkräften sind und gegen die Gleitrichtung wirken. Vereinfachend sind
diese Reibungskräfte im Bild 7.1 vernachlässigt.
Auf das Hüllrohr - und damit auf den Beton - wirken exakt dieselben Kräfte ein, wie auf den Spannstahl
(Bild 7.1 c) - allerdings in entgegengesetzter Richtung.
14.11.01 185
7. Spannbeton
m
(1 − λ) ⋅ q
a
λ⋅q
P(-) Pz Pz P(-)
Schwerachse Beton
Px ep(x) f Px(−)
uz(x) ≈ u
m
l/2 l/2
x
(-)
b P P(-)
Pz
f Px
Tangente am f
Kabelanfang Tangente am
Parabel Kabelende
c uz
Pz Pz
−
(−)
x Mp(x) = Px (x) ⋅ ep(x)
Im Bild 7.2 sind die auf den Beton einwirkenden z-Komponenten uz der Umlenkkräfte dargestellt. Es wur-
de ein parabolischer Kabelverlauf angenommen. Für die z-Komponenten der Umlenkkräfte uz ergibt sich
in diesem Fall in erster Näherung
uz = const (7.1)
Das Gleichgewicht am Seil (Bild 7.1 c) liefert die z-Komponente der Verankerungskraft P.
l
P z = u z ⋅ --- (7.2)
2
Pz 2f
------ = --------- (7.3)
Px l⁄2
14.11.01 186
7. Spannbeton
8 ⋅ f ⋅ Px
u z = -------------------- (7.4)
l2
Das Bild 7.2 c zeigt den Verlauf der Biegemomente aus der Vorspannung. Für das Moment in Feldmitte
gilt
– u z ⋅ l2 (- )
M p ( l ⁄ 2 ) = --------------- = P x ⋅ f (7.5)
8
Das Biegemoment aus den Umlenkkräften verläuft demnach affin zur Exzentrität ep des Spannkabels in
Bezug auf die Schwerachse des Stabes:
( -) (- )
Mp ( x ) = P x ( x ) ⋅ ep (x ) (7.6)
Die Gleichung (7.6) gilt auch, wenn die Endverankerung des Spannkabels nicht in der Schwerachse
liegt.
Die Normalkraft lautet:
(- ) ( -)
N p ( x ) = Px ( x ) (7.7)
Mit den Gleichungen (7.6) und (7.7) hat man für Stabwerke sehr einfache Formeln für die Schnittgrößen
infolge der Vorspannung zur Verfügung. Sie gelten allerdings nur für statisch bestimmte Stabwerke. Bei
statisch unbestimmten Systemen kommen noch Zwängungsmomente hinzu.
Bei Flächentragwerken und Kontinua gelten diese Gleichungen nicht. Man muß die Umlenkkräfte als La-
sten aufbringen. Für diese Lasten ermittelt man die Schnittgrößen normalerweise mittels einer FE-Ana-
lyse.
Obwohl für Stabwerke die einfachen Formeln (7.6) und (7.7) zur Verfügung stehen, sollte man sich die
Wirkungsweise der Vorspannkraft über die Umlenk- und Verankerungskräfte vorzustellen. Für die Be-
rechnung der Schnittgrößenanteile wird man aber stets die einfachen Formeln (7.6) und (7.7) heranzie-
hen. Deshalb dienen die folgenden Betrachtungen in erster Linie dem Verständnis.
Wir zerlegen die äußere Gleichlast q im Bild 7.2 a in den Anteil λ ⋅ q , der betragsmäßig der Umlenkkraft
uz entspricht
2P z
λ ⋅ q = u z = ---------- (7.8)
l
Wenn man nur den Anteil λ ⋅ q aufbringt, wird die Last λ ⋅ q direkt durch die entgegen wirkende Um-
lenkkraft uz aufgehoben. Unter der Einwirkung λ ⋅ q bleibt der Täger momentenfrei, also vollkommen
gerade. Die äußere Last λ ⋅ q bewirkt die Auflagerreaktion R.
l
R = λ ⋅ q ⋅ --- (7.9)
2
R = Pz (7.10)
14.11.01 187
7. Spannbeton
Die Horizontalkomponente Px der Verankerungskraft wirkt in der Stabachse (Schwerachse) und verur-
sacht eine zentrische Druckbeanspruchung.
Das Bild 7.3 zeigt den Querschnitt m-m (Bild 7.2) mit den Spannungen aus der Vorspannung mit dem
Lastanteil λ ⋅ q und den Spannungen aus dem Lastanteil ( 1 – λ ) ⋅ q .
a b c d e
2
M λq −
−
Np(−) M(1−λ)q
+ = − =
+
−
Px(−)
+ +
1
Px Px M ( 1 – λ )q
------ σ c1, p + λ ⋅ q = ------ σ c 1, ( 1 – λ )q = ---------------------- σc1
Ac Ac W1
Der Lastanteil (λ ⋅ q) wird von der vertikalen Komponente der Vorspannkraft Pz, bzw. der dadurch ent-
stehenden Umlenkkraft uz aufgehoben. Aus dem Lastanteil (λ ⋅ q) gibt es also kein Moment.
Die horizontale Komponente Px (= N p) erzeugt eine zentrische Druckbeanspruchung. Das aus dem Last-
anteil (1−λ) ⋅ q entstehende Moment bezogen auf das Widerstandsmoment verursacht die Biegezugs-
pannung σc1,(1−λ)q im Bild 7.3 d. Die Druckspannung σ c1,p+λq aus der Normalkraft überlagert sich der
Biegezugspannung σc1,(1−λ)q und reduziert diese weitgehend (Bild 7.3 e).
( -)
σ c 1 = σ c1 (+ )
, p + λq + σ c1, ( 1 – λ )q (7.11)
Für
σ c 1, p + λq ≥ σ c1, ( 1 – λ )q (7.12)
werden die Biegezugspannungen vollständig überdrückt. Man bezeichnet diesen Fall als volle Vor-
spannung.
14.11.01 188
7. Spannbeton
a b c d
2
+ − −
S Np Mp=P ⋅ ep
Mq
− ϑq(+)
ep + + =
− ϑp(−)
+
(−)
1 P
Für λ = 1 gilt u z = q , das heißt die Umlenkkräfte uz aus der Vorspannung tragen exakt die Einwirkung
q. Die Momente M p = P ( - ) ⋅ ep aus der Vorspannung sind betragmäßig gleich groß wie die Momente
Mq infolge der Last q. Sie weisen aber das umgekehrte Vorzeichen auf.
Mq + Mp = 0 (7.13)
Mq Mp
ϑ q + ϑ p = ------- + ------- = 0 (7.14)
EJ EJ
Infolgedessen kommt es zu keiner Biegeverformung. Man spricht von einer formtreuen Vorspannung.
Die Normalkraft Np(−) bewirkt eine Verkürzung εc der Stabachse.
Im Bild 7.2 ist das Spannkabel an den Enden in der Höhe des Querschnittsschwerpunktes verankert. An
den Stabenden herrscht in diesem Fall ein zentrischer Druckspannungszustand,
(-)
P
σ c = --------- (7.15)
Ac
weil dort weder aus der äußeren Last q noch aus der Vorspannung Biegemomente auftreten.
14.11.01 189
7. Spannbeton
a q
P(+) ep P(+)
P(−) P(−)
A E
b q
Np Np
Mp Mp
Mp = P (- ) ⋅ ep Np = P (-)
Mp −
d
Mq
q l2
e M q = --------
8
Mp + q
− −
+
M p + q = M p( - ) + M q( + )
M p( - ) = P ( - ) ⋅ e p (7.16)
Er überlagert sich mit den Biegemomenten Mq aus der äußeren Einwirkung. Wie das Bild 7.5 e zeigt,
14.11.01 190
7. Spannbeton
entsteht an den Stabenden ein negatives Biegemoment, welches Zugspannungen am oberen Rand des
Balkens hervorruft.
Die Normalkraft aus der Vorspannung reduziert diese Zugspannungen. Sie kann sie überdrücken, wenn
die Spanngliedverankerung innerhalb des Querschnittkernes angeordnet ist.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß beim „Lastfall Vorspannung“ sowohl die Umlenkkräfte als auch
exzentrisch angeordnete Spanngliedverankerungen Biegemomente und damit Biegeverformungen be-
wirken. Sie sollen den Biegemomenten aus den äußeren Lasten entgegenwirken. Zusätzlich erzeugt die
Vorspannung im Beton eine negative Normalkraft - d.h. eine Druckkraft. Sie überdrückt oder vermindert
die Dehnungen in der Biegezugzone, d.h. sie schließt (verhindert) potentielle Biegerisse oder reduziert
zumindest deren Rißbreiten.
14.11.01 191
7. Spannbeton
Man spricht von voller Vorspannung, wenn man die Vorspannkraft so groß wählt, daß unter allen mög-
lichen Lastkombinationen des Gebrauchszustandes an keiner Stelle des Tragwerkes im Beton
Biegezugspannungen auftreten. Eine voll vorgespannte Konstruktion bleibt zumindest im Einflußbereich
der Vorspannung rissefrei, sofern alle tatsächlich auftretenden Lastfälle - auch Zwänge - erfaßt werden.
Dies ist allerdings praktisch nicht möglich, weil nicht alle während der Nutzungsdauer auftretenden Ein-
wirkungen vorhersehbar sind. Das heißt, daß man auch bei voll vorgespannten Konstruktionen mit Ris-
sen rechnen muß. Daher ist auch bei voller Vorspannung eine risseverteilende und
rißbreitenbegrenzende schlaffe Mindestbewehrung vorzusehen.
In den Anfängen der Spannbetonbauweise wurden generell voll vorgespannte Konstruktionen ausge-
führt. Der damals übliche geringe Anteil an schlaffer Bewehrung führte zur Bezeichnung Spannbeton.
Die volle Vorspannung findet heute nur noch in Ausnahmenfällen Anwendung, wenn Rissefreiheit ge-
fordert ist - beispielsweise im Behälterbau oder bei Bauwerken in korrosiver Umgebung.
In vielen Fällen führt das Prinzip der vollen Vorspannung nicht zur optimalen Lösung in wirtschaftlich und
statisch-konstruktiver Hinsicht. Meist ist es zweckmäßiger, Risse zuzulassen und die Vorspannung bei-
spielsweise so zu wählen, daß unter den ständig einwirkenden Lasten keine Risse auftreten. Damit wird
erreicht, daß sich Risse, die sich unter der Nutzlast bilden, bei Wegfallen der Nutzlasten wieder schlie-
ßen. (teilweise oder partielle Vorspannung)
Damit keine zu großen Rißbreiten unter den häufig auftretenden Lasten entstehen, ist eine entsprech-
nende schlaffe Bewehrung für diese Lastkombination zu bemessen.
Bei günstigen Umweltbedingungen, d.h. wenn keine Korrossionsgefahr für den Spannstahl besteht,
kann man auch unter den quasi ständig wirkenden Lasten Risse zulassen. Dadurch reduziert sich die
erforderliche Vorspannkraft weiter, während gegenläufig der Anteil an schlaffer Bewehrung zunimmt.
Die Vorteile beider Bewehrungsarten kommen in einer konstruktiv sinnvollen und wirtschaftlichen Kom-
bination zum Tragen. Man spricht von vorgespanntem Stahlbeton.
Auch der kontinuierliche Übergang vom vorgespannten zum schlaff bewehrten Stahlbeton ist theore-
tisch gegeben.
Allerdings darf man nicht vergessen, daß die Vorspannung ein effizientes Mittel ist, um die Durchbiegun-
gen zu verringern. Wenn der Vorspannungsgrad ausschließlich auf den Grenzzustand der Verformung
ausgelegt wird, spricht man von Verformungsvorspannung.
14.11.01 192
7. Spannbeton
7.1.3 Vorspannarten
Je nachdem, ob zwischen dem Spannkabel und dem umgebenden Beton ein Verbund hergestellt wird
oder nicht, unterscheidet man zwischen Vorspannung mit oder ohne Verbund.
Die Vorspannung mit Verbund unterteilt sich in die Vorspannung mit sofortigem Verbund (Spann-
bettvorspannung) bei der die Vorspannung vor dem Betonieren aufgebracht wird, und die Vorspannung
mit nachträglich hergestellten Verbund, bei der nach dem Erhärten des Betons vorgespannt wird.
Auch bei der Vorspannung ohne Verbund gibt es zwei Arten. Erstens die interne Vorspannung mit
innerhalb des Betons verbundlos geführten Kabeln Kabeln und zweitens die externe Vorspannung. Bei
der externen Vorspannung werden die Spannglieder außerhalb des Betons - meist im Hohlraum von Ka-
stenquerschnitten - geführt. Auch die Kabeln von Schrägseilbrücken sind als externe Spannglieder ein-
zustufen.
Dieses Verfahren wird vor allem in Betonfertigteilwerken angewendet. Das Bild 7.6 zeigt das Prinzip.
Zwischen ortsfesten Verankerungskonsolen werden dünne Spanndrähte oder Litzen gespannt, die nor-
malerweise gerade - also ohne Knick - durch die noch leeren Schalungen laufen. Erst nach dem Span-
nen erfolgt das Einbringen und Verdichten des Betons.
Aus betriebswirtschaftlichen Gründen wird normalerweise eine Serie von Spannbetonfertigteilen gleich-
zeitig gefertigt. Deshalb soll das Spannbett möglichst lang sein (Größenordnung 100 m). Der Abbinde-
prozeß des Betons wird sowohl betontechnologisch als auch durch eine entsprechende
Nachbehandlung (mit Dampf) beschleunigt.
a betoniertes Element
Spanndrähte
Spannbett
b
Nach dem Erhärten des Betons werden die Drähte von den externen Verankerungen gelöst. Ein stoß-
freies Entspannen läßt sich beispielsweise auch erreichen, indem man die Drähte an der Trennstelle bis
zum Glühen erhitzt.
Die nunmehr freie Vorspannkaft überträgt sich über die Verbundwirkung (siehe Abschnitt 2.3.3) vom
14.11.01 193
7. Spannbeton
Spanndraht auf den Beton. Die Vordehnung im Spanndraht nimmt um jene Stauchung ab, die der Beton
durch das Vorspannen erfährt. Das heißt, der Großteil der ursprünglich im Spannbett aufgebrachten in-
itialen Vorspannkraft P(0) bleibt als effektiv wirksame Vorspannung P erhalten.
Um die auf den Beton wirksame Vorspannkraft P abzuleiten, benötigt man die ideelen Querschnittswerte
des Verbundquerschnittes.
εc = 0
Schwerpunkt
Bruttoquerschnitt
Schwerpunkt
ideeler Querschnitt
ep
ei
Schwerpunkt
Spannstahl P(0)
εp(0)
b
2
Schwerpunkt P(0)
ideeler Querschnitt
P(0) ⋅ ei
ei
Schwerpunkt
Spannstahl
3
1
εp(1) εp
εp(0)
14.11.01 194
7. Spannbeton
Ep
α p = ------ – 1 (7.17)
Ec
A i = A c + αp ⋅ A p (7.18)
S 3 = A c ⋅ e p = A i ⋅ ei (7.19)
Ac
e i = ------ ⋅ e p (7.20)
Ai
Ai
bzw. e p = ------ ⋅ e i (7.21)
Ac
2 2
J i = Jc + Ac ⋅ ( e p – e i ) + α p ⋅ Ap ⋅ e i (7.22)
Ai 2
J i = J c + α p ⋅ A p ⋅ ------ ⋅ ei (7.23)
Ac
Das Bild 7.7 a zeigt den Dehnungszustand vor dem Durchtrennen der Spanndrähte. Der Beton ist span-
nungslos. Der Spannstahl ist auf die Vordehnung (initiale Dehnung) εp(0) gedehnt.
σp (0 ) (0 )
( 0) P
εp = ------ = ------------------ (7.24)
Ep Ep ⋅ Ap
Wenn man die Spanndrähte von den Verankerungen löst, wirkt die initiale Vorspannkraft P(0) wie eine
äußere Druckkraft in der Faser 3 auf den ideelen Querschnitt. Dadurch verformt sich der Querschnitt ge-
mäß Bild 7.7 b. Es kommt in der Schwerachse des Spannstahls (Faser 3) zur Lastdehnung εp(1), die sich
der Vordehnung εp(0) überlagert. Infolge des Verbunds zwischen dem Beton und dem Stahl ist die Be-
tonstauchung εc3 in der Faser 3 gleich der Lastdehnung εp(1).
(1 )
ε c3 = ε p (7.25)
Damit läßt sich die Lastdehnung aus der Betonspannung σ c3 in der Faser 3 ableiten.
14.11.01 195
7. Spannbeton
(0 )
æ P( 0) P ⋅ ei ö
σ c3 = – ç ---------- + ------------------- ei÷ (7.26)
è Ai Ji ø
2
(1 ) æ J i + A i ⋅ ei ( 0 )ö
εp = –ç --------------------------⋅ P ÷ (7.27)
è E c Ai J i ø
(0 ) (1)
ε p = ε p + εp (7.28)
2
æ 1 Ji + Ai ⋅ ei ö ( 0)
εp = ç -------------- – --------------------------÷ ⋅ P (7.29)
è Ep A p E c Ai Ji ø
P = σ p ⋅ A p = E p Ap εp (7.30)
2
A i Ji – α p Ap J i – α p Ap Ai e i (0 )
P = ------------------------------------------------------------------ ⋅ P (7.31)
A i Ji
Mit den Querschnittswerten Ai und Ji nach den Gleichungen (7.18) und (7.22) läßt sich die Gleichung
(7.31) wie folgt umformen:
Ac ⋅ J c (0 )
P = ---------------- ⋅ P (7.32)
Ai ⋅ Ji
Die effektive Vorspannkraft P ist etwas kleiner als die initiale Vorspannkraft P(0), weil sich die
Spannstahldehnung um die Betonstauchung reduziert.
Infolge der exzentrischen Vorspannung hebt sich der Bauteil durch seine Verformung entsprechend der
Schemaskizze im Bild 7.6 b vom Schalboden ab. Sein meist relativ geringes Eigengewicht g wird akti-
viert. Die Momente Mg bewirken ein Ansteigen der Kraft im Spannglied um den Wert Pg.
Mg
σ c3, g = ------- ei (7.33)
Ji
σ p, g = αp ⋅ σ c3, g (7.34)
Mg
P g = α p A p ------- ei (7.35)
Ji
Die Vorspannkraft P verläuft normalerweise über die Länge der Bauteile konstant. Lediglich an den En-
14.11.01 196
7. Spannbeton
den der Elemente wird beim Lösen der Spannbettkraft der Haftverbund der meist glatten Spanndrähte
überfordert. Der Spanndraht schlüpft in den Beton und entspannt sich dabei. Man kann den Verbund
auch künstlich aufheben, indem man beispielsweise den Spanndraht mit Bitumen streicht, oder mit ei-
nem Kunststoffüberzug versieht. Damit läßt sich lokal die Größe der Vorspannkraft steuern. In der Praxis
sieht man allerdings aus Kostengründen normalerweise von solchen Maßnahmen ab. Um Risse zu ver-
meiden werden die Fertigteile meist für den Transport zentrisch oder geringfügig exzentrisch vorge-
spannt (kleine Ausmitte).
Bisher wurde in erster Linie die Vorspannung gegen den erhärteten Beton mit nachträglichem Verbund
angewendet. Aus Wartungsgründen setzt sich neuerdings die verbundlose Vorspannung immer mehr
durch.
Bei der Vorspannung mit nachträglichem Verbund werden einzeln oder gebündelt Spannstähle in Form
von Stäben, Drähten oder Litzen zu Spannkabeln zusammengefaßt. Sie werden entweder vor dem Be-
tonieren oder auch nachher (Durchschubkabel) in die Hüllrohre eingefädelt. Die gewünschte Lage der
Hüllrohre im Bauwerk wird durch steife Unterstellungsbügel (Kabelhalter, Haltebügel) erreicht. Der Ab-
stand dieser Kabelunterstellungen hängt vom Spannverfahren bzw. vom Kaliber des Spanngliedes ab
(Größenordnung ca. 1 m). Die Spannkabel sind bis zum Herstellen des Verbundes innerhalb der Hüll-
rohre verschieblich.
Grundsätzlich hat man hinsichtlich der Kabelführung einen relativ großen Spielraum. Natürlich versucht
man die zur Verfügung stehende Querschnittshöhe auszunützen, d.h. man wird den Kabelverlauf so
wählen, daß die Umlenkkräfte und die Verankerungskräfte den äußeren Lasten möglichst effizient ent-
gegenwirken. Bei der Umlenkung der Spannglieder sind minimale Krümmungsradien einzuhalten, die
abhängig vom Spannverfahren zwischen 2,0 m und 30,0 m betragen. Im Bereich von Verankerungen
und Kupplungen müssen die Spannglieder eine entsprechende Strecke (0,5 m bis 2,0 m) gerade ver-
laufen, damit der Spannstahl genau normal zur Ankerplatte ankommt und dort beim Anspannen nicht
geknickt wird.
Nach dem Betonieren bzw. nach dem Erhärten des Betons werden die Spannglieder mittels spezieller,
hydraulischer Spanngeräte gefaßt, gespannt und verankert. Zu diesem Zweck muß im Bereich der
Spannanker ein entsprechender Raum für die Spannpresse zur Verfügung stehen. Man ist deshalb be-
strebt, die Spanneinrichtung möglichst klein, leicht und handlich auszubilden.
Im Laufe der Entwicklung der Spannbetonbauweise gab es viele Spannsysteme, wobei sich letztlich nur
wenige Konstruktionsprinzipien durchgesetzt haben. Heute scheint diese Entwicklung weitgehend ab-
geschlossen zu sein.
14.11.01 197
7. Spannbeton
Nach dem Spannen wird der Zwischenraum zwischen dem Spannstahl und dem Hüllrohr mit einem spe-
ziellen Injektionsmörtel ausgepreßt. Dadurch wird nachträglich der Verbund zwischen dem Spannstahl
und dem Beton hergestellt. Das Injektionsgut hat auch den Spannstahl vor Korrosion zu schützen.
Schlecht ausgepreßte Hüllrohre sind die häufigste Ursache von Schäden an Spannbetonkonstruktio-
nen. Die Tatsache, daß man bei der Bauabnahne nicht überprüfen kann, ob alle Hüllrohre vollständig
ausgefüllt sind, ist sicherlich als Schwäche des Verfahrens zu werten.
Für die Ausführung von Spannbetonbauten ist besonders qualifiziertes und erfahrenes Personal erfor-
derlich. Die Spannbewehrung ist stabil und exakt einzubauen. Besonders im Bereich der Anker ist auf
eine sorgfältige Betoneinbringung und Verdichtung zu achten.
Das Vorspannen selbst und schließlich das Injizieren erfordert entsprechend geschulte Fachleute. Da-
her werden diese Arbeiten heute in der Regel von Spezialfirmen durchgeführt.
Vor dem Spannen ist vor allem im Verankerungsbereich die Betonfestigkeit zu kontrollieren. Sie soll
etwa 80% der Würfelfestigkeit betragen. Auch ist die Temperatur des Spannkabels zu berücksichtigen
(Hydrationswärme, Abkühlen in der Nacht, direkte Sonneneinstrahlung am Tag). Ein Zuviel an Vor-
spannkraft kann unter Umständen schlechter sein, als ein Zuwenig.
Die Dauerhaftigkeit von Spannbetonkonstruktionen mit nachträglichem Verbund hängt wesentlich da-
von ab, ob die Hüllrohre vollständig ausgepreßt sind. Korrosionsschäden, die auf schlecht injizierte Hüll-
rohre zurückzuführen sind, werden oft erst nach Jahrzehnten akut. Der heutige Stand der
Injektionstechnik schließt dieses Risikopotential weitgehend aus.
Die Forderung nach einer einfachen Überprüfbarkeit des Erhaltungszustandes der Spannkabel führte
zur Entwicklung der verbundlosen Vorspannung. Bei dieser Methode wird der Korrosionsschutz beim
Herstellen der Kabel aufgebracht.
Das Hüllrohr - ein glattes Polyäthylenrohr - weist einen nur geringfügig größeren Innendurchmesser auf
als der Spannstahl. Den Zwischenraum füllt meist ein spezielles fettähnliches Mineralölprodukt aus, wel-
ches die Reibung stark reduziert und außerdem einen dauerhaften Korrosionsschutz gewährleisten soll.
Allerdings ist die Sicherstellung des Korrosionsschutzes im Bereich der Anker problematisch.
Der gegenüber der Vorspannung mit nachträglichem Verbund wesentlich geringere Hüllrohrdurchmes-
ser bringt statische und konstruktive Vorteile. Vor allem bei Plattentragwerken (z.B. Flachdecken) mit
ihrer naturgemäß geringen Dicke hat sich deshalb die verbundlose Vorspannung durchgesetzt.
Künftig werden die Spannglieder bei verbundloser Vorspannung nachspannbar und erforderlichenfalls
austauschbar sein..
Diesem Vorteil steht als Nachteil ein höherer Stahlbedarf gegenüber, weil der Spannstahl im Grenzzu-
stand der Tragfähigkeit meist nicht bis zum Fließen ausgenutzt wird.
Bei außerhalb des Betons geführten Spanngliedern kann man den Erhaltungszustand kontrollieren, wo-
bei die kritischen Bereiche der Anker- und Umlenkstellen nur bedingt zugänglich sind. Schadhafte Kabel
können unter Verkehr, das heißt ohne Einschränkung der Nutzung ausgetauscht werden. Weil die Kabel
extern angeordnet sind, werden schmälere Stege und damit leichtere Tragwerke möglich. Um die Kabel
vor Brandeinwirkung und Attentaten zu schützen, wählt man meist Tragwerke mit Kastenquerschnitt und
14.11.01 198
7. Spannbeton
ordnet die Spannglieder im Hohlraum an (Bild 7.9). Dabei verliert man allerdings an statischer Nutzhöhe.
Externe Spannglieder werden häufig über Umlenksattel geführt. Dadurch erreicht man eine polygonale
Spanngliedführung (Bild 7.9 b) mit konzentrierten Umlenkkräften an den Knickstellen. Diese Umlenk-
kräfte wirken der Querkraft aus den äußeren Lasten entgegen.
d
Feldquerschnitt Querschnitt über der Mittelstütze
Externe Vorspannungen lassen sich natürlich auch außerhalb des Querschnittes in Form von Unter -
oder Überspannungen (z.B. Schrägseilbrücken) realisieren. Die Verwendung von Zementmörtel mit de-
finierter Mindestdicke als Korrosionsschutz verbessert den Brandwiderstand und die Steifigkeit von
Schrägkabeln.
Es wäre grundsätzlich auch möglich eine Betonkonstruktion ohne Verwendung von Spanngliedern vor-
zuspannen. Man könnte beispielsweise den Beton vorspannen, indem man ihn gegen feste äußere Wi-
derlager preßt.
14.11.01 199
7. Spannbeton
Die äußere Vorspannung ohne Spannkabel wird durch Aufzwingen einer Verformung erreicht. Sie hat
also den Charakter eines Zwanges. Leider wird ein Zwang durch das Kriechen des Betons stark abge-
baut. Das heißt eine derartige Vorspannung verliert mit der Zeit ihre Wirkung, sie „kriecht weg“!
Grundsätzlich tritt dieses Phänomen auch bei der Vorspannung mit Hilfe von Spanngliedern auf. Aller-
dings werden die hochfesten Spannstähle beim Spannen derart stark gedehnt, daß sich die durch das
Kriechen und Schwinden des Betons bedingte Abnahme der Spannstahldehnung in Grenzen hält.
In den Anfängen der Spannbetonbauweise hat man versucht normale Bewehrungseisen vorzuspannen.
Die dabei erzielbaren geringenen Stahldehnungen lagen in der Größenordnung der Betonstauchungen
aus dem Kriechen und Schwinden des Betons. Die Vorspannung ging verloren. Die Bauweise drohte zu
scheitern. Erst als man das Problem erkannte und hochwertige Spannstähle entwickelte, gelang der
Durchbruch.
Bei den heutigen Vorspannsystemen betragen die zeitabhängigen Spannkraftverluste durch das Krie-
chen und Schwinden des Betons und durch die Relaxation des Spannstahles normalerweise weniger
als 10%.
Bei der Vorspannung durch Aufzwingen von Verformungen ohne Spannglieder die das Thema dieses
Abschnittes ist, kann dagegen der Verlust an der Vorspannwirkung bis zu 80% ausmachen. Diese Art
der Vorspannung ist also langfristig gesehen nahezu wirkungslos. Sie kommt deshalb nur in Ausnahme-
fällen meist als kurzfristige Maßnahme in Frage.
14.11.01 200
7. Spannbeton
1. Die Vorspannung führt zu einer wesentlichen Verringerung der Biegeverformung, wodurch schlanke-
re Konstruktionen möglich werden.
2. Die Vorspannung überdrückt die Biegezugzone. Dadurch werden Biegerisse über weite Bereiche der
Konstruktion vermieden bzw. reduziert.
3. Die Möglichkeit Spannkabel nachträglich in die Hüllrohre einzufädeln und an die vorhandenen Kabel
anzukoppeln bildet die unverzichtbare Voraussetzung für die meisten Bauweisen des modernen
Großbrückenbaues. Als Beispiel seien die abschnittsweisen Bauverfahren wie der klassische Frei-
vorbau und der feldweise Vorbau erwähnt. Auch die Segmentbauweise ist hier anzuführen. Sie ist
dadurch gekennzeichnet, daß das Tragwerk aus Fertigteilelementen besteht, die zusammenge-
spannt werden.
4. Hochwertige Spannstähle in Verbindung mit hochfestem Beton ermöglichen geringere Quer-
schnittsabmessungen. Dies hat leichtere Konstruktionen zur Folge.
14.11.01 201
7. Spannbeton
7. Die geringen Reibungsverluste ermöglichen eine gleichmäßigere Ausnutzung der Spannstähle und
sehr lange Kabel. (Es gibt Ausführungen mit bis zu 500 m Kabellänge).
8. Wirtschaftlich in Hinblick auf Dauerhaftigkeit und Folgekosten.(hoffentlich)
14.11.01 202
7. Spannbeton
7.1.5 Spannsysteme
Vom Prinzip her sind alle heute gebräuchlichen Spannsysteme ähnlich. Dies gilt für die Spannstähle
(Stäbe, Drähte und Litzen), für die Hüllrohre, für die Verankerungen und sogar für die hydraulischen
Pressen.
Auch das nachträgliche Ausinjizieren durch Einpressen von Zementmörtel erfolgt bei den verschiedenen
Systemen auf ähnliche Weise.
Zusätzlich zu den Spaltzugbewehrungen in den Zonen der konzentrierten Einleitung von Vorspannkräf-
ten, die der Projektant zu bemessen hat, sind um die Verankerungen Umschnürungswendel angeord-
net. Sie behindern die Querdehnung des Betons hinter den Ankerplatten. Es entsteht dadurch im Beton
ein dreiachsiger Druckspannungszustand, der hohe Betonpressungen unter der Lasteinleitungsfläche
zuläßt. Die Wendel sind meist an die Ankerplatten geschweißt. Sie werden, wenn erwünscht, mit dem
Spannsystem mitgeliefert (siehe z.B. Bild 7.22).
Man unterscheidet Einzelspannglieder aus Stabstahl, Monolitzen und Bündelspannglieder bei denen
mehrere Drähte, Stäbe oder Litzen in einem Hüllrohr zusammengefaßt (gebündelt) sind.
An den Enden und auch bei Zwischenverankerungen wird die Spannkraft über Verankerungselemente
(Ankerplatten) auf den Bauwerksbeton übertragen.
Beim abschnittsweisen Bauen sind neu hinzukommende Bauabschnitte an bereits fertiggestellte Bau-
abschnitte anzuspannen. Die neu hinzukommenden Spannkabel werden zu diesem Zweck an die Ver-
ankerungselemente von bereits eingebauten und gespannten Kabeln angekoppelt.
Spannglieder können auch mittels beweglicher Muffen gestoßen werden.
Für die im Handel angebotenen Spannsysteme stehen Arbeitsunterlagen und Firmenprospekte zur Ver-
fügung. Die Bilder dieses Abschnittes sind derartigen Unterlagen entnommen.
Nachfolgend werden zur Veranschaulichung der verschiedenen Konstruktionsprinzipien einige ge-
bräuchliche Spannsysteme vorgestellt - ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
1. Einzelspannglieder
zul.P ∗)
Nenndurch- Stahlfläche Stahlgüte P0,1k Puk
messer Ap fp0.1k / fpk 0,85 ⋅ fp0.1k ⋅
0,75 fpk ⋅ A p
Ap
[mm] [mm] [MPa] [kN] [kN] [kN]
[kN]
14.11.01 203
7. Spannbeton
Das Bild 7.10 enthält eine Tabelle mit den zur Verfügung stehenden Gewindestäben, ihrer Stahlgüte,
ihrer Tragfähigkeit nach EC2 und ihren Verankerungsmöglichkeiten.
Das Bild 7.11 enthält die Verankerungen und einen Muffenstoß. Durch die Längsschlitze in den keilför-
mig ausgebildeten Sechskantmuttern klemmt sich die Mutter beim Verankern an den Gewindestab. Da-
durch ist der Verankerungsschlupf größer als beim glatten Stabstahl, jedoch kleiner als bei
Keilverankerungen.
a b c
Aus walztechnischen Gründen besteht das Gewinde aus relativ groben doppelseitig aufgewalzten Ge-
winderippen; das heißt, das Gewinde ist zweigeteilt. Es läuft nicht um den Stabumfang herum. Der we-
sentliche Vorteil der Gewindestäbe besteht darin, daß das Gewinde über die gesamte Stablänge läuft.
Dadurch kann man Gewindestäbe auf der Baustelle ablängen und an beliebiger Stelle stoßen oder ver-
ankern. Deshalb eignen sie sich auch hervorragend für Bauhilfsmaßnahmen, wie z.B. Abspannungen.
Man verwendet Gewindestäbe vorzugsweise für gerade Spannglieder, weil die groben Gewinderippen
bei gekrümmten Spanngliedern relativ hohe Reibungsverluste verursachen (Bild 7.13). Diese lassen
sich reduzieren, indem man die Kabel an beiden Enden anspannt (beidseitiges Spannen).
14.11.01 204
7. Spannbeton
15 0,44 0,5
16 0,35
26,5
32,0 0,58 0,3
36,0
Nach ausreichender Erhärtung des Betons werden die Einzelstäbe mit einer hydraulischen Spannpres-
se gespannt, die sich auf die Verankerungsplatte oder die Verankerungsglocke abstützt.
Der Spannstahl wird so weit gedehnt, bis die erforderliche Stahlspannung erreicht ist. Während des
Spannvorganges wird die Verankerungsmutter laufend nachgedreht, die nach dem Ablassen des Druk-
kes der Spannpresse die Vorspannkraft auf die Verankerungsplatte überträgt. Die Umdrehungen der
Mutter werden auf ein Zählwerk übertragen, von dem man die Dehnung das Stabes ablesen kann. Au-
ßerdem wird die Stahlspannung durch Ablesen des Öldruckes kontrolliert. Die Meßwerte der Dehnwege
werden in das Spannprotokol eingetragen und mit den errechneten Werten verglichen. Wenn die Meß-
werte von den Rechenwerten wesentlich abweichen, ist die Ursache zu ergründen (z.B.“Verstopfer“).
Bis zum Verpressen des Spannkanales mit Zementmörtel kann die Stahlspannung jederzeit durch noch-
maliges Aufsetzen der Presse geprüft und erforderlichenfalls korrigiert werden. Damit kann auch vorweg
eine Teilvorspannung aufgebracht werden.(Weitere Informationen siehe Firmensprospekt).
2. Litzenspannkabel
Litzen bestehen aus sieben glatten, kaltgezogenen Einzeldrähten, die spiralartig miteinander verwun-
den sind (Bild 7.15).
14.11.01 205
7. Spannbeton
Es werden heute Stähle der Güte S 1570/1770 oder S 1670/1870 verwendet, die zu folgenden Litzen-
typen verarbeitet werden:
Litzentyp 13 mm 15 mm 15 mm 13 mm 15 mm 15 mm
(0,5“) (0,6“) (0,6‘‘) (0,5“) (0,6“) (0,6‘‘)
14.11.01 206
7. Spannbeton
Beim Verkeilen bzw. Absetzen der Spannpresse werden die Keile in die kegelstumpfartigen Ausneh-
mungen im Ankerkörper gepreßt. Dadurch klemmen sich die Ringkeile über ihre rauhe Innenfläche an
den Litzen fest. Dieser Vorgang ist mit einer Relativverschiebung zwischen Litze und Ankerkörper ver-
bunden - dem Keilschlupf. Der Keilschlupf beträgt bei Litzen normalerweise etwa 5mm. Um den Keil-
schlupf am Festanker um etwa die Hälfte zu reduzieren, können diese werkseits mit Vorverkeilung
geliefert werden. Als Verkeilkraft wird werkseits die 1,2-fache Normkraft aufgebracht.
Neuerdings kann auch der Keilschlupf durch spezielle Beilagscheiben kompensiert werden.
Nachfolgend sind die Spann- und Festanker, sowie die festen und beweglichen Kopplungen für ver-
schiedene Litzenspannverfahren abgebildet.
Litzensystem DYWIDAG
Das Bild 7.18 zeigt die typische DSI - Verankerung für Bündelspannglieder mit 3 bis 19 Litzen 0,6“.
Die Verankerungsplatte verfügt über einen Pressenbund für die Zentrierung der Spannpresse, sowie
über Löcher für das Injizieren oder Entlüften des Spannkanals. Weiters verfügt die Verankerungsplatte
über konische Bohrungen zur Aufnahme der Verankerungskeile.
1 Plattenverankerung
2 Verankerungskeil
3 Übergangsrohr 9
9
4 Abstandhalter
5 GFK--Klebeband
6 Hüllrohr 8
7 Injiziermuffe
8 Injizierhaube 2 4 3 5 6 7
1
9 Injizierschlauch 10
10 Zusatzbewehrung
(Wendel)
Als Festanker wird für vorgefertigte Spannglieder in der Regel die Schlaufenverankerung verwendet
(Bild 7.19 a). Als Alternative bietet DYWIDAG den sogenannten Verbundanker an (Bild 7.19 b).
14.11.01 207
7. Spannbeton
Sie dient zum Ankoppeln (Anspannen) eines neuen Bauabschnittes an einen bereits fertiggestellten und
vorgespannten Bauabschnitt.
Die Koppelscheibe 3, die auf einem Distanzring 2 aufliegt, weist zur Aufnahme der ankommenden und
abgehenden Litzen entsprechende konische Bohrungen für die Verankerungskeile auf. Die Litzen des
abgehenden Spanngliedes werden mit mindestens 1,2 zul P vorverkeilt und durch Keilsicherungsla-
schen gesichert.
1 Glockenring
2 Distanzrohr A-A B-B
3 Koppelscheibe
4 Verankerungskeil
5 Abschlußrohr
6 Überschubmuffe
7 Übergangsrohr
8 Abstandhalter
9 GFK-Klebeband
10 Injizierschlauch
11 Zusatzbewehrung
12 Keilsicherungslasche
Das Bild 7.21 zeigt einen beweglichen Litzenstoß mittels Muffen. Das Einzelelement (Bild 7.21 a) be-
steht aus zwei Verankerungshülsen, welche über einem Verbindungsbolzen mit Außengewinde gekop-
pelt werden. Zwei Spiralfedern pressen die Verankerungskeile auf die eingeschobenen Litzenenden.
Durchgangsbohrungen ermöglichen auch ein Injizieren der Hohlräume innerhalb der Muffen. (Weitere
Informationen siehe Firmenprospekt).
14.11.01 208
7. Spannbeton
1 Keilhülse
2 Verankerungskeil
3 Druckfeder
4 Verbindungsbolzen
5 Injizierbohrung
1 Litzenmuffe
2 Muffenrohr
3 Übergangsrohr
4 GFK-Klebeband
5 Hüllrohr
6 Abstandhalter
14.11.01 209
7. Spannbeton
14.11.01 210
7. Spannbeton
Kenndaten
Nachfolgend sind als Beispiele die Kenndaten für das Spannglied VT 16-100 (VT 160L) zusammenge-
stellt. Diese Bezeichnung bedeutet
VT ...................Firma VORSPANN-TECHNIK
16 ....................Bündel aus 16 Litzen
100 ..................Querschnitt einer Litze: 100mm2
VT 160L ...........zulässige Zugkraft 160 t
L.....Litzenspannverfahren (alte Bezeichnung)
Spannglied St 1570/1770 Lg
14.11.01 211
7. Spannbeton
Durchmesser 175 mm
Höhe 75 mm
Koppelbolzen 37 Mn Si 5
Gewinde M 80 x 4
Länge 270 mm
Hüllkasten
Durchmesser 185 mm
Länge (feste Koppelstelle) 260 mm
Länge (bewegliche Koppelstelle) 910 + 1,1 ⋅ ∆L
(weitere Informationen siehe Firmenprospekt)
Spannvorgang
Stellvertretend für alle Litzenspannverfahren wird nachfolgend der Spannvorgang für das System VT -
Freyssinet beschrieben:
Die Litzen laufen außen in einer Nut entlang der Spannpresse und werden dort mit Ringkeilen befestigt.
Das Bild 7.27 zeigt der hiefür erforderlichen Litzenüberstand.
a b
Die Presse stützt sich über den Druckring auf die Ankerplatte ab. Die Vorspannkraft wird durch Messen
des Öldruckes und des Dehnweges kontrolliert.
Vor Beginn des Spannens werden auf 4 Drähten Meßmarken angebracht, aus deren Verschiebung man
die Dehnung der Drähte und den Keilschlupf feststellen kann. Diese Werte werden ins Spannprotkoll
eingetragen und den rechnerisch ermittelten Werten gegenübergestellt.
Bild 7.28 Schnitt durch Spannpresse in den 4 Spannfasen (Ansetzen, Spannen, Verkeilen und
Lösen)
14.11.01 212
7. Spannbeton
Wenn die Spannkraft erreicht ist, drückt der Verkeilkolben mit der Verkeilplatte über Verkeilringe die
Ringkeile in die Bohrungen. Die Verkeilkraft beträgt etwa 20 kN. Nach Ablassen der Spannkraft ziehen
sich die Litzen um das Maß des Keilschlupfes (ca. 6mm) in den Ringkörper ein. Danach können die
Drahtüberstände abgeschnitten werden. (Weitere Informationen siehe Firmenprospekt)
3. Kabelhalter
Die Höhenkoten der Spannglieder sind in den Querschnitten mit Spanngliedunterstellungen im Kabel-
plan enthalten. Die Vorspannkabel müssen genau nach der plangemäßen Kabellage auf genügend stei-
fe Kabelhalter verlegt werden, sodaß sie beim Betonieren nicht verschoben oder verbogen werden. Um
ein lokales Durchhängen der Kabel zwischen den Unterstützungen zu verhindern bzw. klein zu halten
soll der Abstand zwischen den Kabelhaltebügeln den in den Arbeitsunterlagen angegebenen Wert nicht
überschreiten (Größenordnung 1m). Die Spanngliedunterstellungen bestehen aus steifen Bügeln, die
eventuell durch aufgeschweißte Diagonalstäbe ausgesteift sind. Die oberen Querstäbe im Bild 7.29 a
müssen zum Verlegen der unteren Kabellagen entfernbar sein.
.
A Schnitt A-A
1
1
5
4
4
2 2
7 3
5
6
6
A
1 Kabelhaltebügel ∅ 14-20 mm
2 oberer Tragstab, auf angeschweißtes Auflager gelegt
3 Auflagerstäbchen, an Bügel angeschweißt
4 Hüllrohr
5 Halbschale (Stützschale)
6 unterster Tragstab, direkt an Bügel geschweißt
7 Fixierdraht
Als Hüllrohre haben sich für die Vorspannung mit nachträglichem Verbund dünnwandige Wellrohre aus
Stahlblech (Blechstärke ca. 0,25) oder Kunststoff durchgesetzt. Sie sind nicht zu weich und doch an den
gekrümmten Kabelverlauf anpaßbar. Die einzelnen Hüllrohrschüsse werden mit Schraubenmuffen oder
Schrumpfmuffen verbunden. An den Kabelstössen sind die Hüllrohre erweitert. An den Hochpunkten der
Hüllrohre, am höchsten Punkt von Hüllrohrerweiterungen (Muffenstössen) und an den Verankerungen
sind Entlüftungen anzuordnen.
14.11.01 213
7. Spannbeton
• Sie steifen den Hüllrohrquerschnitt gegen örtliches Eindrücken an den Kabelunterstützungen aus.
• Sie bilden ein Gewinde zum Anschrauben von Muffen an Stoßstellen von Hüllrohranschlüssen
• Sie ermöglichen ein Durchfließen des Injektionsmörtels auch in Bereichen, wo der Spannstahl an der
Hüllrohrwandung anliegt.
Bei erhöhten Anforderungen an den Korrosionsschutz und die Ermüdungsfestigkeit der Spannglieder
bieten sich gerippte Polyäthylen - Hüllrohre an.
Litzentyp Litzentyp
Hüllrohrabmessungen
13 mm 15 mm
[mm]
(0,5“) (0,6“)
Kabeleinheit Kabeleinheit d D s
5-12 6-7 59 73 2
14.11.01 214
7. Spannbeton
4. Einstoßmethode
Die Litzen werden mit Hilfe einer Einstoßmaschine aus der Litzenrolle herausgezogen und in das Hüll-
rohr eingestossen (Bild 7.32). Dieser Vorgang kann vor oder nach dem Betonieren stattfinden.
Einziehmethode
Bei der Einziehmethode wird das Litzenbündel durch das einbetonierte Hüllrohr gezogen (Bild 7.33).
Werkseitge Vorfertigung
Im Werk vorgefertigte Kabel (mit Hüllrohr und Verankerungen) werden vor dem Betonieren als Einheit
verlegt. Die Methode ist vorteilhaft bei kleinen Kabeln und kurzen Transportwegen.
5. Injizieren
Vor dem Injizieren werden die Entwässerungsschläuche geöffnet. Der Injektionsschlauch wird an einem
Kabelende bzw. am tiefsten Punkt an die dafür vorgesehene Injektionsöffnung angeschlossen. Der Ein-
preßmörtel wird solange in das Spannglied gepumpt bis es blasenfrei in gleichmäßiger Konsistenz am
ersten Hochpunkt austritt. Dann wird diese Öffnung verschlossen. Nun wird weiter injiziert, bis der zweite
Hochpunkt gefüllt ist usw. Auf diese Weise werden Hochpunkte entlüftet (Bild 7.34). Wenn schließlich
der Mörtel am Kabelende in gleichbleibender Konsistenz wieder austritt, werden alle Entlüftungsöffnun-
gen nochmals geöffnet und entlüftet.
Der Transport des Injektionsgutes im Hüllrohr sollte mit etwa 50 m begrenzt werden.
Entsprechend den Richtlinien für Einpreßmörtel sind Prüfungen auf der Baustelle durchzuführen. Diese
betreffen die Feststellung des Fließvermögens sowie die Bestimmung des Absetzmaßes und des Quell-
maßes.
14.11.01 215
7. Spannbeton
Für die Zusammensetzung des Einpressmörtels und das Auspressen von Spannkanälen mit Zement-
mörtel gibt es Richtlinien. Das Injektionsgut hat folgende Forderungen zu erfüllen:
• Vollständige (satte) Füllung
• Verbundwirkung (Druckfestigkeit, Quellfähigkeit)
• Frostbeständigkeit
• Korrosionsschutz
• gute Verarbeitbarkeit
Diese Forderungen lassen sich durch Zementmörtel erreichen, denen Zusätze (Fließmittel, Quellmittel
etc.) beigefügt werden. Es ist darauf zu achten, daß geeignete Zemtentsorten verwendet werden.
Der Auspreßvorgang ist in einem eigenem Protokoll zu dokumentieren.
Für die verbundlose Vorspannung werden dieselben Litzenspannstähle wie für Spannsysteme mit Ver-
bund verwendet. Sie liegen in einem relativ engen glatten PE - Mantelschlauch (Polyäthylen oder Poly-
propylen) mit ca. 1mm Wandstärke. Der Raum zwischen den Litzen und dem Hüllrohr wird durch eine
spezielle Korrosionsschutzmasse ausgefüllt (extrudert), die auch als Gleitmittel wirkt und für geringe
Reibungsverluste sorgt.
a Litze PE-Schlauch
Korrosions-
schutzmasse
14.11.01 216
7. Spannbeton
Bild 7.36 Die Aue - Brücke in Sachsen (BRD) mit externer Vorspannung (Dischinger 1936)
1. VT - CMM - SYSTEM
Dieser Spanngliedtyp der Firma VORSPANN - TECHNIK (CMM steht dabei für Compact Multi Mono) ist
dadurch gekennzeichnet, daß mehrere Monolitzen nebeneinanderliegend mit einer entsprechenden PE
- Ummantelung zu flachen Bändern verbunden sind (Bild 7.37).
Verwendete Litzen: F150 (0,62“)
St 1570/1770
Ap = 150 mm2
14.11.01 217
7. Spannbeton
a b
Das Bild 7.38 zeigt als Beispiel die Verankerungen von Bündeln aus zwei und vier Monolitzen. Sie wer-
den sowohl als Spannanker als auch als Festanker verwendet. Die Festanker werden mit der 1,2-fachen
Nennkraft vorverkeilt.
Bild 7.38 Verankerungstypen für das VT - CMM System der Fa. VORSPANN-TECHNIK
14.11.01 218
7. Spannbeton
Die VT-FG-Spannpressen können ohne Hilfsmittel von Hand an die Verankerungen angsetzt werden.
Sie benötigen nur 250 mm Überstand der Litzen am Spannende (FG = Front Grip).
Das Bild 7.40 enthält die technischen Daten für das VT-CMM-System.
14.11.01 219
7. Spannbeton
Spannbündelabstände mm
60 60 60
45
50 50 50
50
62 84 84 74 108 86 132
50 45 45
90 150
(120) 170 190
70
100
100 150 (80) 100
110
70 100 150
130 210 160 270
70 100
(80) 110
100
100 110
(80)
100
Bild 7.40 Technische Daten für die Spannglieder VT-M 01 - 150, VT-CMM 02, 03, 04 - 150
Es kann entweder glatter Stabstahl oder Gewinde-Stahl Verwendung finden (Bild 7.41).
- - Ø 26 Ø 32 Ø 36
Gewinde- - Ø 15 Ø 26,5 Ø 32 Ø 36
stahl
835/1030 - 568/426 828/621 1049/787
900/1100 194/145 - - -
1080/1230 678/508 989/742 1252/939
Das Bild 7.42 zeigt ein Spannglied ohne freien Spannkanal. Hier wird das PE-Mantelrohr unmittelbar
einbetoniert. Das Spannglied bleibt nachspannbar; es ist jedoch nicht als Einheit (mit dem Korrosions-
schutz) auswechselbar.
14.11.01 220
7. Spannbeton
Das Bild 7.43 a stellt ein Spannglied dar, welches in einem Spannkanal frei geführt ist. Bis zu drei Ein-
zelstäben können zu einem Stabbündeln zusammengefaßt werden (Bild 7.43 b). Derartige Spannglieder
sind austauschbar.
1. VT - CMM - SYSTEM
Für die externe Vorspannung werden die im Bild 7.44 dargestellten doppelt extrudierten VT-CMM-
Spannglieder verwendet. Der innere Korossionschutzmantel hat eine Wandstärke von 1,5 mm und der
äußere von 3 mm.
Diese Bänder können entweder einzeln oder in Gruppen angeordnet werden (Bild 7.44).
Bild 7.44 Beispiele für die Gruppenanordnung der flachen doppelt extrudierten Bänder
Das Bild 7.45 zeigt einen typischen Ankerblock. Als Unterschied zu runden Kabeln sind hier die Bohrun-
gen für die Ankerkeile nicht versetzt sondern parallel angeordnet.
14.11.01 221
7. Spannbeton
Querbewehrung
Wendel
Das Bild 7.46 enthält die prinzipielle Ausbildung eines Umlenksattels für das gleiche Kabel.
Mit Monolitzen oder mit einem Bündel aus Litzen arbeitet ebenfalls das System VSL, die in einem runden
Hüllrohr aus Polyäthylen oder Stahl geführt werden. Der Hohlraum wird mit Zementmörtel ausgepreßt.
14.11.01 222
7. Spannbeton
a
5
2 6 7 8 10
1 9
1 Injektionskappe
2 Ankerbüchse
3 Gewindeankerbüchse
4 Ringmutter
5 Ankerplatte 11
6 Wendel b
7 Führungsrohr 5 7
4 6 8
8 Übergangsrohr 1 3 9 10
9 Stahlrohr
10 Hüllrohr
11 Klemmring (Umlenkring)
11
a
3
2 1 4
2
3
1 Polyäthylenrohr 1
2 Schlumpfschlauch
3 Stahlrohr - Umlenksattel
4 Litzenbündel b
3
1 4
1
3
1
Die Umlenkung des Litzenbündels erfolgt in einem exakt geformten steifen Stahlrohr. Der minimal zu-
lässige Umlenkradius liegt je nach Spannglied-Typ zwischen 2,5 und 5,0 m (Details siehe Firmenpro-
spekt). Wenn das PE-Rohr wie in Bild 7.49 b innerhalb des Umlenkrohres durchläuft, kann des leichter
ausgetauscht werden.
Es ist äußerst wichtig, daß die Umlenkkräfte (und die Reibungskräfte) sauber in das Tragwerk eingeleitet
werden. Das Bild 7.50 zeigt vier Varianten für die Ausbildung der Kabelumlenkung. Es ist ratsam für die
Bemessung und konstruktive Durchbildung dieser Details höhere Sicherheitsbeiwerte anzusetzen.
14.11.01 223
7. Spannbeton
a b
c d
Abgesehen von Details sind die Dywidag-Bündelspannglieder ohne Verbund dem VSL-System (vgl. Ab-
schnitt ) ähnlich. Auch hier besteht ein Kabel aus einem Bündel von Einzellitzen, die werkseitig mit Kor-
rosionsschutzmasse und PE-Mantel umhüllt werden (Monolitzen). Zusätzlich wird das gesamte Bündel
durch Verfüllen der Hohlräume innerhalb der Verrohrung mit Zementmörtel gegen Korrosion, mechani-
sche Beschädigung und Brandeinwirkung geschützt.
Das Bild 7.52 zeigt eine Verankerung, die als Spann- und Festanker Verwendung findet. An Umlenkstel-
len sorgen spezielle Abstandhalter für eine geordnet-zentrische Führung der Litzen (Bild 7.53)
Anzahl Litzen Ø 0,6“ Fläche [mm2] Bruchlast PBruch [kN] zul Last pzul = 0,7 x PBruch [kN]
14.11.01 224
7. Spannbeton
Verankerungsscheibe
7.1.5.5 Schrägkabel
Kabel für Schrägseilbrücken sind im Prinzip externe Spannglieder, die den Witterungsverhältnissen
(Temperatur, UV-Strahlung, saures Wasser, Streusalzdämpfen, Ozon, Wind, etc.) besonders ausge-
setzt sind.
Moderne weit gespannte Schrägseilbrücken mit ihren leichten, schlanken Tragwerken erfahren unter
Verkehrslast hohe Spannungsänderungen in den Kabeln. Infolge winderregten Schwingungen werden
die Kabel dynamisch beansprucht.
Ein weiterer Unterschied zur externen Vorspannung von Balkenbrücken besteht darin, daß bei großen
Schrägkabelbrücken normalerweise wesentlich größere Kabelkräfte auftreten.
Das Bild 7.54 zeigt den schematischen Aufbau eines Schrägkabels mit dem heute üblichen Parallel-Lit-
zenbündel.
Das äußere Schutzhüllrohr aus Polyäthylen sollte 10 bis 15 mm Wandstärke aufweisen. Dieses verfügt
über eine extrem niedrige Durchlässigkeit für Gase und Flüßigkeiten. Es weist eine hohe UV-Beständig-
keit auf und ist auch gegen andere atmosphärische Einflüsse resistent. Erforderlichenfalls kann auf das
HDPE-Rohr eine eingefärbte Außenschicht aufextrudiert werden.
Innerhalb dieser Schutzhülle können die Litzen entweder nackt oder in Form von Monolitzen bereits
zweifach korrosionsgschützt geführt werden. Eine weitere Verbesserung des Korrosionsschutzes wäre
durch Galvanisieren der Litzen erreichbar.
Der Hohlraum zwischen dem Litzenbündel und der äußeren Umhüllung wird heute meist mit Kunststoff-
modifiziertem Zementmörtel ausgepreßt. Diese für die Dauerhaftigkeit besonders wichtige Maßnahme
gibt dem Kabel einen wichtigen Schutz gegen die Umwelteinflüsse und im beschränkten Maße auch ge-
gen Brandeinwirkung. Auch erhöht sich das Gewicht und die Steifigkeit des Kabels wodurch sich das
Schwingungsverhalten ändert. Das Verpressen der Kabel mit Zementmörtel ist schwierig - insbesonders
bei langen Kabeln. Deshalb werden sich hier in Zukunft alternative Füllmaterialien durchsetzen.
Ein mit Monolitzen gefülltes Schrägkabel verfügt demnach über einen 4-fachen Korrosionsschutz (Kor-
rosionsschutzmasse + PE-Schlauch + Zementmörtel + Schutzhüllrohr).
14.11.01 225
7. Spannbeton
HPDE-Schlauch 12-15 mm
Zementinjektion
Litze in PE-Schlauch
Die Schrägkabel und ihre Verankerungen müssen eine entsprechende Längssteifigkeit und statische
Festigkeit aufweisen. Außerdem sollen sie eine Schwingbreite von
Besonders schwierig ist die Forderung (Gleichung (7.36)) hinsichtlich des Ermüdungswiderstandes für
die Keilverankerungen der Litzen zu erfüllen. Um einen „weichen“ Übergang der Kraft von der Litze zur
Verankerung zu erreichen, kann der Verankerungsbereich mit einem Mörtel ausgepreßt werden, der mit
einem dauerelastischen Kunststoff versetzt ist.
Beim VT-HIDYN-Schrägkabel ist das Ermüdungsproblem mit einem Doppelkeilsystem gelöst. Das Bild
7.56 veranschaulicht das VT-HIDYN-Prinzip am Beispiel der Verankerung einer Monolitze.
14.11.01 226
7. Spannbeton
a b
~ 0,9 P
Die Verankerung der Litze erfolgt mit zwei koaxial hintereinander angeordneten Keilverankerungen. Die
Verankerung S entspricht einer herkömmlichen Stahl-Keil-Verankerung mit leichten Modifikationen. Die
Verankerung P ist dagegen eine Klemmeinrichtung mit einem im Vergleich zum Stahlkeil weichen Pla-
stikkeil (Polyamide). Diese „weiche Verankerung“ übernimmt etwa 10% der Kraft P und führt zu dem im
Bild 7.56 b skizzierten Kraftverlauf in der Litze. Mit dieser Verankerungslösung erreicht man Festigkeits-
werte, die nahezu dem ungestörten (nicht geklemmten) Zugglied entsprechen.
Um den Eigenschwingungen der Kabel zu begegnen, werden an beiden Verankerungen entsprechende
Dämpfungsringe aus Neoprene eingebaut, deren Steifigkeit über Klemmscheiben beeinflußbar ist (sie-
he Bild 7.57).
14.11.01 227
7. Spannbeton
a B
5
4
1 2
8 10
7 9
6 D1
D2
D3
JO
D‘ DP DS
D3
D2
3 D1
11 12
13
H C
A
b
HPDE-Schlauch 12-15 mm
1 Abdeckkappe 8 Schutz- und Stützrohr Zementinjektion
2 Anker S (Stahlkeile) 9 Umlenkring (Führungsring)
3 Anker P (Polyamidkeile) 10 Dämpfer VT-CMM-Bänder
(doppelt extrudiert)
4 Ringmutter 11 Litzen
5 Ankerplatte 12 VT-CMM-Litzenbänder
6 Polyäthylen - Teleskoprohre 13 Zementfüllung
7 Trompete (Übergangsrohr)
VT 12-150 160 560 100 55 180/160 230 190 125/133 85/115 310 3,168.0 1,438.7
VT 19-150 170 590 110 60 210/190 280 215 156/165 110/140 370 5,044.5 2,270.0
VT 37-150 190 1000 120 70 270/250 330 300 245/232 176/200 500 9,823.5 4,420.6
VT 55-150 210 1160 130 80 310/290 380 340 263/273 226/250 610 14,602.5 6,571.1
VT 60-150 230 1330 140 90 340/320 415 370 288/299 226/250 650 15,930.0 7,168.5
VT 73-150 250 1420 150 100 360/340 440 390 313/324 256/280 700 19,381.5 8,721.7
VT 91-150 340 1710 200 140 420/400 540 450 352/368 291/315 800 24,160.5 10,872.2
VT 128-150 440 2320 260 180 490/470 640 520 399/419 331/355 940 33,718.5 15,173.3
14.11.01 228
7. Spannbeton
7.1.6 Spannkabelführung
Eine wichtige Aufgabe bei der Projektierung von Spannbetonkonstruktionen besteht in der Festlegung
der geometrischen Anordnung der Kabel (Kabelverlauf). Hier sind sowohl statische als auch konstrukti-
ve Gesichtspunkte zu beachten.
Aus der statischen Berechnung läßt sich ein sogenannter Kabelschlauch ableiten. Als Kabelschlauch
bezeichnet man zwei Grenzkurven, zwischen denen die aus allen Kabeln resultierende Vorspannkraft
liegen muß - also den zulässigen Bereich für die Anordnung der Spannkabel.
In Hinblick auf die konstruktive Durchbildung sind die Verankerungs- und Koppelstellen besonders sorg-
sam zu planen. An Koppelfugen dürfen maximal 50% aller Kabel gestoßen werden.
Wichtig ist, daß die Ankerplatten exakt an der Schalung zu befestigen sind. Um Knicke zu vermeiden,
sind die Kabel an den Enden über die Länge von ca. 1m gerade und exakt normal zu den Ankerplatten
zu führen. Dasselbe gilt beidseits von Koppelstellen.
In Verankerungsbereichen sind an allen Oberflächen rechtwinkelige Bewehrungsnetze mit einem Min-
destbewehrungsgrad von 0,15% in jede Richtung anzuordnen. Es sollen geschlossene Bügel verwendet
werden.
Selbstverständlich sind die in den Zulassungsbescheiden der Spannsysteme angegebenen Mindestab-
stände der Ankerkörper untereinander und vom Rand einzuhalten. Alle Ankerkörper sind von Wendeln
umschlossen. Zusätzlich sind noch Spaltzugbewehrungen erforderlich (siehe Kapitel 11.5.1). Bei Span-
nankern ist der erforderliche Platz für die Spannpressen bereitzustellen.
Auch für die Spannglieder bzw. Hüllrohre sind konstruktive Vorgaben zu erfüllen. Für die Spannglied-
führung sind Mindestkrümmungsradien vorgegeben. (siehe Firmenprospekte)
Auch die Betondeckung der Hüllrohre und ihr Abstand untereinander ist so festzulegen, daß der Beton
ordnungsgemäß eingebracht und verdichtet werden kann und daß eine ausreichende Verbundwirkung
vorhanden ist. Die Abstände sollten keinesfalls den Hüllrohrdurchmesser dduct und den Größtkorndurch-
messer der Betonzuschläge (+ 5 mm) unterschreiten. Weitere Angaben finden sich im Kapitel 15 (Kon-
struktive Durchbildung) und in den Arbeitsunterlagen zu den Spannsystemen.
Bei der Festlegung der Lage der Hüllrohre ist zu berücksichtigen, daß der Schwerpunkt des Spannstahls
nicht in der Mitte des Hüllrohres liegt. Vielmehr legt sich der Spannstahl entsprechend der Umlenkung
an die Hüllrohrwandung an.
Um einen möglichst großen inneren Hebelarm zu erreichen, wird man in den extremalen Momentenbe-
reichen (Bild 7.58, Querschnitte 2 und 4) die Kabel möglichst nahe beim Biegezugrand anordnen. Na-
türlich sind dabei die Mindestabstände der Hüllrohre zueinander und Mindestbetondeckungen
einzuhalten.
1 2 3 4 5
14.11.01 229
7. Spannbeton
Im Bereich der Momentennullpunkte wo aus der Verkehrslast Momente mit wechselnden Vorzeichen
(Wechselmomente) auftreten, fächert man die Kabel normalerweise auf (Bild 7.58, Querschnitt 3). Bei
Koppelfugen (Bild 7.58, Querschnitt 5), die vorzugsweise in den Momentennullpunkt verlegt werden,
muß man die Kabel auseinanderziehen um die Zwischenverankerungen unterzubringen.
Schließlich werden die Kabelverankerungen auch an den Trägerenden über die Querschnittshöhe ver-
teilt.
Als Zuggurt für das Schubfachwerkmodell (Abschnitt 11.5.2) wird man die zur Aufnahme der Kraft T er-
forderlichen Kabel knapp ober dem Auflager verankern (Bild 7.59).
Außerdem sollte der momentenfreie Endquerschnitt durch die Vorspannung überdrückt werden. Damit
die resultierende Vorspannkraft innerhalb des Querschnittskernes angreift und um die Spaltzugkräfte
klein zu halten werden die restlichen Kabel über die Querschnittshöhe entsprechend gleichmäßig ver-
teilt. Selbstverständlich sind auch hier die Mindestabstände der Ankerkörper untereinander und zu den
Berandungen hin einzuhalten.
Jedes einzelne Spannglied wird im Konstruktionsplan (Kabelplan) lagegemäß in Grundriß, Aufriß und
Schnitten dargestellt. Die Hüllrohre werden zumindest in jenen Querschnitten, wo sich Tragbündel (Ka-
belhalter) befinden, durch ihren Abstand von der unteren und von der seitlichen Schalung zahlenmäßig
(tabellarisch) im Kabelplan festgelegt.
Die Tragbügel werden numeriert und häufig im Biegeplan einzeln dargestellt, um durch eine übersicht-
liche Kotierung der Querstäbe den exakten Einbau der Spannglieder zu unterstützen.
Jedes Spannglied erhält eine Kabelnummer - analog der Posititionsnummer einer schlaffen Bewehrung.
Sie wird für die Herstellung, das Verlegen, das Spannen (Spannfolge) und die Abrechnung benötigt. Als
Arbeitsunterlage für den Spannvorgang dient das Spannprotokoll (siehe Abschnitt 7.1.10).
Zur Berechnung und Konstruktion der Kabelführung bedient man sich spezieller Modula von einschlägi-
gen CAD-Programmsystemen.
14.11.01 230
7. Spannbeton
7.1.7 Reibungsverluste
Die Längsbeweglichkeit der Vorspannkabel im Hüllrohr wird durch Gleitwiderstände beeinträchtigt. Die
beiden wichtigsten Einflüsse sind:
• Der Widerstand infolge Reibung des Kabels am Hüllrohr bei gekrümmter Kabelführung.
• Der Widerstand infolge ungewollter Umlenkungen, die durch den Durchhang des Hüllrohres
zwischen den Kabelhaltern entstehen. Damit werden auch geringfügige Ungenauigkeiten beim
Verlegen und Verschiebungen bzw. Verbiegungen beim Einbringen des Betons erfaßt.
Bringt man an einem Ende des Kabels eine Kraft P auf, so spannt und dehnt sich der Spannstahl. Dabei
verschiebt sich das Kabel im Hüllrohr in Richtung des Spannankers und aktiviert Reibungskräfte. Sie
sind eine Folge der Umlenkkräfte u.
a b
x
r ⋅ dα r ⋅ dα
dr r
du P − dr
P P0 dα P(β) = P0 − ∆Pµ
α
r
dα β
P
u = ---- (7.38)
r
du = u r dα = P ⋅ dα (7.39)
dr = µ ⋅ du (7.40)
dr = P ⋅ µ dα (7.41)
Coulomb‘sches Reibungsgesetz
P ( β ) = P 0 ⋅ e – µβ (7.42)
P ( β ) = P 0 ( 1 – µβ ) (7.43)
Die Reibungskräfte verursachen einen Spannungsverlust ∆Pµ(x). Aus Gleichung (7.42) folgt
∆P µ ( x ) = P 0 [ 1 – e – µβ ] (7.44)
∆P µ ( x ) ≈ P 0 ⋅ µβ (7.45)
14.11.01 231
7. Spannbeton
β = θ+k⋅x (7.46)
ò
x
mit θ = dθ (7.47)
0
θ2
WP ... Wendepunkt θ3
2 WP 3
1 WP θx
x
θ1 θ2
Der gesamte Umlenkwinkel zwischen den Punkten 1 und x im Bild 7.61 lautet:
θ ( x ) = θ 1 + 2θ 2 + θ 3 + θ x (7.48)
14.11.01 232
7. Spannbeton
7.1.8 Spannkraftverlauf
Um den Spannkraftverlauf zu ermitteln, benötigt man die Lage der Spannglieder (Kabelplan). Da man
die Größe der Vorspannkraft P0 bei der Berechnung der Spannkraftverluste herausheben kann (Glei-
chung (7.44)) ist eine normierte Darstellung gemäß Bild 7.62 mit Hilfe der Wirkungsfaktoren ρ(x)
zweckmäßig:
– µ ( θ + kx )
ρ ( x ) = ρ0 ⋅ e (7.49)
Das Bild 7.62 zeigt schematisch einen Balken mit zwei parabolisch verlaufenden Spanngliedern, die bei-
de vom linken Ende des Balkens vorgespannt sind. Der Spannkraftverlauf kann auf einfache Weise mit
Hilfe des Wirkungsfaktors berechnet werden:
P ( x ) = 2P mo ⋅ ρ ( x ) (7.50)
Die Vorspannkraft nimmt kontinuierlich mit dem Abstand von der Spannstelle ab. Wenn der Spannkraft-
verlust ∆ρ (L) groß ist, wird man beidseitig vorspannen. Im Bild 7.63 ist zu erkennen, daß sich die Vor-
spannkraft in Feldmitte durch das beidseitige Spannen nicht erhöht.
(a)
2. Pm0
1,0
ρ(x) ρ(L)
x
A = ò (L )
ρ ( x ) dx
2Pm0
2Pm0 ⋅ ρ(x) 2Pm0 ⋅ ρ(L/2)
14.11.01 233
7. Spannbeton
Pm0 Pm0
Wirkungsfaktor ρ(x) A2
1,0 1,0
∆ρ(L/2)
A1
2Pm0
2Pm0
2Pm0 ⋅ ρ(L/2)
14.11.01 234
7. Spannbeton
Pm0 Pm0
L
x
ρ1 ( x ) + ρ 2 ( 2 )
Kabel 1 -----------------------------------
Wirkungsfaktor ρ(x) 2
ρ1(x) ρ2(x)
1,0
ρ(L/2)
Kabel 2 ρ2(x)
1,0
2Pm0 ⋅ ρ(L/2)
Bild 7.64 Kabel 1 wird einseitig von links vorgespannt, Kabel 2 von rechts
Das Bild 7.64 zeigt eine Alternative zum Bild 7.63. Die beiden Kabel werden jeweils nur einseitig ange-
spannt, allerdings von gegenüberliegenden Balkenenden. In diesem Fall lautet die Vorspannkraft an Ort
x.
P ( x ) = P m0 [ ρ 1 ( x ) + ρ 2 ( x ) ] (7.51)
14.11.01 235
7. Spannbeton
Das Mittel aus den Linien ρ1 (x) und ρ2 (x) ist im Bild 7.64 strichliert eingezeichnet. Es verläuft bei para-
bolischer Kabelführung in Trägerlängsrichtung x konstant. Damit erreicht man über den gesamten Bal-
ken dieselbe Vorspannkraft.
Abschließend ist anzumerken, daß die Vorspannkraft in Feldmitte für alle drei Vorspannvarianten (Bild
7.62 bis Bild 7.64) gleich ist.
Wegen ρ(L/2) < 1,0 kann das Spannglied im höchstbeanspruchten Querschnitt in Feldmitte nicht ausge-
nützt werden.
Deshalb ist es gestattet, beim Spannen kurzfristig eine höhere Vorspannkraft P0 aufzubringen, um die
Reibungsverluste zu reduzieren (Bild 7.65).
Pm0 Pm0
a ρ(x) 1 ρ = 1,0
ρe(x)
1,0 ρ(x)
x
a
ρ(x)
Nach dem Überspannen, muß man die Kraft an der Spannpresse nachlassen, um an jeder Stelle x die
Bedingung
ρ ≤ 1, 0 (7.52)
14.11.01 236
7. Spannbeton
einzuhalten.
Nach EC2-1-1 gelten folgende zulässige Spannkräfte
0,8 ⋅ f pk ⋅ Ap
P0 ≤ (7.53)
0,9 ⋅ f p0,1k ⋅ A p
0,75 ⋅ f pk ⋅ Ap
Pm 0 ≤ (7.54)
0,85 ⋅ f p0,1k ⋅ A p
Pm0 Pm0
L
a
1.Aufspannen ρa,1
2.Aufspannen ρa,2
2.Nachlassen ρe,2
1.Nachlassen ρe,1
1,0
l0
14.11.01 237
7. Spannbeton
Insbesondere bei den Spannverfahren mit Keilverankerung wird nach dem zweiten Aufspannen veran-
kert. Der Keilschlupf verursacht dann einen Abfall der Spannkraft, der sich wie ein „zweites Nachlassen“
auswirkt.
Im nächsten Abschnitt wird abgeleitet, wieviel beim 2. Spannen überspannt werden muß, um den Keil-
schlupf zu kompensieren.
14.11.01 238
7. Spannbeton
7.1.9 Spannweg
Nur wenn beim Spannen der Spannglieder zusätzlich zur Spannkraft am beweglichen Ankerkopf auch
der Dehnweg gemessen wird, läßt sich kontrollieren, ob sich die planmäßige Vorspannung über die ge-
samte Trägerlänge eingestellt hat.
Eine Behinderung des Spannvorganges (durch in das Hüllrohr eingedrungenen Beton, durch unvorher-
gesehene Umlenkungen oder ganz allgemein durch einen erhöhten Reibungswiderstand) bewirkt, daß
der vorausberechnete Sollwert der Pressenkraft schon bei einem kürzeren als dem berechneten Spann-
weg erreicht wird.
Manchmal kann man „Hüllrohrverstopfer“ durch ruckartiges Anspannen und Nachlassen überwinden -
d.h. gängig machen. Man kann auch versuchen den „Pfropfen“ durch Einpressen von Wasser oder Luft
zu zerstören (Gefahr von explosionsartigen Abplatzungen). Schließlich besteht auch die Möglichkeit den
Verstopfer mit einem Draht zu durchbohren.
Die Kenntnis der zu erwartenden Dehnwege ist aber nicht nur für Kontrollzwecke wichtig, sondern bei
manchen Spannsystemen auch für die Ablängung der Kabel bzw. für die Auswahl der Ankerkonstruk-
tionen.
Der Dehnweg ∆l ist gleich dem Integral der Dehnungen εp(x) des Spannstahles, vermehrt um das Inte-
gral der Stauchungen εc(x) des Betons entlang der Spanngliedachse. Mit hinreichender Genauigkeit darf
über die Balkenlänge x integriert werden.
Der Spannweg, gemessen gegenüber dem sich gleichzeitig verkürzenden Beton, beträgt
∆l =
ò
(L )
[ ε p( + ) ( x ) – ε c( - ) ( x ) ] dx (7.55)
P m0 ⋅ ρ ( x )
mit ε p ( x ) = --------------------------- (7.56)
E p ⋅ Ap
(x) (x)
M p + g1 ( x ) N p + g1
und ε c ( x ) = ------------------ ⋅ e p + ------------------ (7.57)
Ec ⋅ Jc Ec ⋅ Ac
Neben diesen beiden wichtigsten Anteilen am Spannweg kommen noch folgende Größen hinzu.
• Ein gewisser Spannweg wird benötigt, um das Kabel im Hüllrohr zu strecken, ohne daß nenn-
enswerte Spannungen im Spannstahl auftreten. Bei gekrümmtem Hüllrohrverlauf legt sich dabei
das Kabel entlang der Bogeninnenseite an die Hüllrohrwandung an. Der hierfür erforderliche
Spannweg läßt sich durch ein leichtes Anspannen des Kabels vorwegnehmen.
• Der Verankerungsschlupf (Keilschlupf) an der Endverankerung läßt sich durch werkseitiges Vor-
verkeilen mit der 1,2-fachen Vorspannkraft weitgehend eliminieren. Man kann den Endver-
ankerungsschlupf auch durch Vorbelasten des Kabels großteils ausschalten.
• Damit der Spannstahl an der Spannpresse befestigt (verkeilt) werden kann, muß der Stahl um ein
entsprechendes Maß lü über den Ankerkörper hinaus reichen. Diese Kabelstück erfährt beim
Spannen ebenfalls eine Dehnung.
P
∆lü = -------------- ⋅ l ü (7.58)
Ep A p
Diese Überstandsdehnung muß den übrigen Dehnwegen zugeschlagen werden. Sie ist norma-
lerweise nicht im Spannprotokoll enthalten und wird vom Vorspannunternehmen gesondert be-
rücksichtigt. Sie liegt in der Größenordnung der Betonverkürzung.
14.11.01 239
7. Spannbeton
ε c « εp (7.59)
ò
Pm 0
∆l = ------------------ ⋅ ρ ( x ) dx (7.60)
Ep ⋅ Ap ( L )
Das Integral
A =
ò ( L)
ρ ( x ) dx (7.61)
stellt die Fläche unter der Kurve ρ (x) dar (Bild 7.62 b).
Beispielsweise wird im Bild 7.63 zuerst von links mit der Kraft Pm0 gespannt und danach von rechts mit
der Spannkraft Pm0. Der Spannweg am linken Anker ist affin zur Fläche A1. Der Spannweg am rechten
Anker ist affin zur Fläche A2:
P m0 ,1
∆l1 = ------------------ ⋅ A 1 = c ⋅ A 1 (7.62)
Ep ⋅ Ap
Pm 0
∆l2 = ------------------ ⋅ A 2 = c ⋅ A 2 (7.63)
Ep ⋅ Ap
Weil beim ersten Aufspannen von links auch im rechten Trägerbereich bereits ein guter Teil der Vor-
spannkraft aufgebaut wird, ist der Spannweg ∆l1 wesentlich größer als ∆l2. Erst wenn beim Spannen von
rechts die Kraft
P( L) = Pm 0 ⋅ ρ( L) (7.64)
überschritten wird, beginnt sich das Kabel am Ende aus der Verankerung 2 zu lösen.
Nun stellt sich die Frage, auf welche Last Pe die Spannkraft an der Presse zu entlasten ist, wenn man
mit der Kraft Pa > P m0 überspannt hat (siehe Bild 7.65 a und Bild 7.67).
– µ a ⋅ β1
ρa ⋅ e = ρ m0 (7.65)
– µe β1
ρe = ρ m 0 ⋅ e (7.66)
β1 = θ1 + k ⋅ a (7.67)
Hierin bedeuten
Pe .....................Index e für Entlasten
Pa .....................Index a für Aufspannen
ρa [-] .................Wirkungsfaktor an der Spannstelle beim Überspannen
ρe [-] .................Wirkungsfaktor an der Spannstelle nach dem Entlasten
14.11.01 240
7. Spannbeton
ln ρ a
β 1 = ----------- → a1 (7.68)
µa
µe µe
– ------ ln ρ a – ------
µa µa
ρe = e = ρa (7.69)
bzw. für µ a = µ e = µ
ρa ⋅ ρ e = 1 (7.70)
Mit den in Bild 7.67 hinterlegten Flächen A lautet der jeweilige Spann- oder Nachlaßweg
P m0
∆ l = -------------- ⋅ A (7.71)
Ep Ap
bzw. ∆ l = c ⋅ A [m ]
P m0
mit c = -------------- [ - ] (7.72)
Ep A p
1
ρ e, 1 = ----------- (7.73)
ρ a, 1
1
ρ e, 2 = ----------- (7.74)
ρ a, 2
14.11.01 241
7. Spannbeton
a ρa,1 b
ρa,2
1 1
1,0
2
Ae,1 Aa,2
ρe,1 a1 ρe,1 a1
c d
ρa,1
ρa,2 ρa,2
2 1 2 1
1,0 1,0
Ae,2 ρe,2
ρe,2
ρe,1 q(x)
Der Wirkungsfaktor ρa,2 muß iterativ unter der Bedingung ermittelt werden, daß die Fläche Ae,2 im Bild
7.67 c mit der Gleichung (7.70) den vorgegebenen Schlupf ∆l s ergibt.
∆l s
A e, 2 = ------- (7.75)
c
Damit ist der in den Bildern 7.66 a und 7.67 d skizzierte sägezahnartige Verlauf des Wirkungsfaktors
und damit der Vorspannkraft P(x) gefunden.
14.11.01 242
7. Spannbeton
a
S S W
A W θ2 W W θ4 θ5
W θ1 θ3
S S
B
x
Welligkeit
b k⋅L
kx
θ1 β1 β(x) β(L)/2
θ2 θ(x)
θ2
Umlenk-
θ3 winkel θ
θ3
β(L) θ4
β‘(x) θ‘(x)
θ4
θ5
kx‘ Welligkeit
k⋅L
x‘
c
1,0
Wirkungs-
ρ(x) faktor ρ
14.11.01 243
7. Spannbeton
Dem Bild 7.68 b lassen sich beim Spannen am Anker A (von links) die Umlenkwinkel β in Abhängigkeit
von Ort x entnehmen. Beim Spannen am Anker B (von rechts) benötigt man β‘ in Abhängigkeit von x‘.
Für den Wirkungsfaktor am Ort x gilt:
P ( x ) = P m0 ⋅ ρ ( x ) (7.78)
Beim Vorspannen einer Spannbetonkonstruktion treten neben den Stahldehnungen auch Betonstau-
chungen auf, die normalerweise gegenüber den Stahldehnungen gering sind. Ihr Anteil an den Gesamt-
dehnungen nimmt mit zunehmender Stahlgüte ab. Er liegt beispielsweise für eine Stahlgüte St 1570/
1770 in der Größenordnung von 2%. Aus diesem Grunde werden sie oft vernachlässigt. Jedenfalls er-
fordert ihre Berücksichtigung keine hohe Genauigkeit.
Es ist zwischen direkter und indirekter Betonverkürzung zu unterscheiden.
1. Direkte Betonverkürzung
Die Gesamtanzahl der zu spannenden Kabel sei n. Beim Spannen des Kabels i verkürzt sich der Beton
in der Faser des Kabels i um den Betrag ∆l c, ii .
ò
1 Pi ( x )
∆l c, dir = ∆l c, ii = ------ ⋅ σ ⋅ ------------- dx (7.80)
E c ( L ) c i,p+g1 P ( x )
i
Hierin bedeuten:
Pi (x).................Vorspannkraft im Kabel i und
P(x) ..................Summe der Vorspannkräfte aller Kabel im Querschnitt x
σci,p+g1 .............Spannung in der Faser i infolge der gesamten Vorspannkraft P(x) und g1
g1 .....................ständige Einwirkung während des Spannens
Es wird also die gesamte Betonstauchung infolge p und g1 im Verhältnis der Vorspannkraft auf das je-
weilige Kabel aufgeteilt.
2. Indirekte Betonverkürzung
Wird ein Spannkabel i vor dem Kabel k gespannt, so muß das Kabel i um den Betrag ∆l c, ik überspannt
werden. ∆l c, ik ist die Betonverkürzung entlang des Kabels i infolge der Vorspannung des Kabels k.
14.11.01 244
7. Spannbeton
ò
1 P k (x)
∆l c, ik = ------ ⋅ σ ci, p + g ⋅ ------------- dx (7.81)
Ec 1 P (x )
(a )
Dabei liefert selbstverständlich nur jener Bereich a des Kabels k Anteile zu ∆l c, ik in dem sich die beiden
Kabel überlappen (Bild 7.69).
i k
Alle nach dem Kabel i gespannten Kabel ( k = i+1 bis n ) liefern einen Anteil zur indirekten Betonverkür-
zung ∆l c, ind des Kabels i
å
n
∆lc, ind = ∆l c, ik (7.82)
k =i+1
Um der indirekten Betonverkürzung Rechnung zu tragen, werden alle Spannkräfte (sowohl die Auf-
spann- als auch die Nachlaßkräfte) mit dem Faktor f erhöht:
∆l s + ∆l c, dir + ∆l c, in d
f = ----------------------------------------------------- (7.83)
∆l s
Es bedeuten:
∆l c, ind wird umso größer, je früher das Kabel i in der Spannfolge vorkommt, d.h. je mehr Kabel k nach
dem Kabel i gespannt werden. Für jenes Kabel, welches zuletzt gespannt wird, gilt
14.11.01 245
7. Spannbeton
Die Spannanweisung enthält alle Angaben, die für das Vorspannen benötigt werden. Die Reihenfolge
nach welcher die Kabel zu spannen sind, wird als Spannfolge bezeichnet. Die Spannfolge ist derart
festzulegen, daß die Querschnitte in allen Spannphasen (möglichst gleichmäßig) überdrückt bleiben und
nicht zu große Spaltzugwirkungen entstehen.
Die Spannanweisung enthält ferner die errechneten Werte für die Aufspannkräfte, Nachlaßkräfte, Auf-
spannwege und Nachlaßwege (Sollwerte). Die auf der Baustelle aufgebrachten, bzw. gemessenenen
Werte (Istwerte) sind in das sogenannte Spannprotokoll einzutragen. Wenn die Istwerte stark von den
Sollwerten abweichen, ist die Ursache festzustellen (z.B. Betonplomben in einem verletzten Hüllrohr,
gerissene Litzen etc.)
Das Bild 7.70 zeigt das Formular welches sowohl die Spannanweisung (Sollwerte) als auch das Spann-
protokoll (Istwerte) enthält.
Spannsystem: Objekt:
Spannstahl: Bauabschnitt:
E-Modul: lt Statik: Datum:
tatsächl.: Temperatur:
Reibungswert lt.Statik: Spannpresse Nr.:
1.Spannstufe 2.Spannstufe 1.+2.Stufe
Spannglied Nr.
Bemerkungen
Spannfolge
soll ist soll soll ist soll ist soll ist soll soll ist soll ist soll ist
mm mm kN bar bar mm mm mm mm kN bar bar mm mm mm mm
Schließlich sollen dem Spannprotokoll noch Anweisungen für das Absenken des Gerüstes beigefügt
werden. Auf diese Problematik wird in der Lehrveranstaltung Betonbau VA eingegangen.
14.11.01 246
7. Spannbeton
Grundsätzlich sind - wie auch bei schlaff bewehrten Konstruktionen - alle Grenzzustände auf Traglast-
niveau (ULS) und für verschiedene Lastlevel auf Gebrauchslastniveau (SLS) einzuhalten. Nachfolgend
werden jene Nachweise besprochen, die der Einwirkungskombination „Biegung mit Längskraft“ zuzu-
ordnen sind.
Natürlich ist der Nachweis der Tragfähigkeit auch im Spannbetonbau von vorrangiger Bedeu-
tung.
Daneben sind folgende Nachweise im SLS zu erbringen, um die Gebrauchstauglichkeit und die Dauer-
haftigekeit sicherzustellen:
1. Grenzzustand der Dekompression (Übergang vom Zustand I in den Zustand II)
2. Begrenzung der Normalspannungen (Spannungsnachweise, zul σ)
3. Begrenzung der rechnerischen Rißbreiten (Rißbreitennachweis, Korrosion der Bewehrung,
Dichtigkeit)
4. Begrenzung der Verformungen (Nachweis der Langzeitdurchbiegung)
5. Schwingungsbeschränkung (Erregerfrequenz contra Eigenfrequenz)
Sowohl die Menge an Spannbewehrung (Spannstahl) als auch die Menge an schlaffer Bewehrung (Be-
wehrungsstahl) ist derart festzulegen (zu bemessen), daß alle Grenzzustände im ULS und SLS einge-
halten werden. Mit der Größe der Vorspannkraft läßt sich steuern, unter welchem einwirkenden Moment
MD der Querschnitt vom ungerissenen Zustand I in den gerissenen Zustand II übergeht. Dabei wird die
Betonzugfestigkeit vernachlässigt (fct = 0) (Bild 7.71 und Bild 7.72).
σc2
2
σ c0 MD
y S
ep
P
1
σc1
x
-P
σ c0 = – ------
Ac
MD – P ⋅ ep P
σ c1 = ----------------------------- – ------
W1 Ac
σ c1 = 0
14.11.01 247
7. Spannbeton
W1
M D = P ⋅ æ e p + -------- ö (7.85)
è Ac ø
a b c
ΙΙ M > MD
y
Ιε M<MD Ιε M=MD ε0
S 0 0
1
εc1 < 0 εc1 = 0 εc1 > 0
x
I P II I
Anmerkung: ε0 = ----------------- ε 0 ≠ ε0
E c ⋅ Ac
Als Vorspanngrad η kann man das Verhältnis zwischen dem Dekompressionsmoment MD und dem ma-
ximalen Moment im SLS (seltene Einwirkungskombination) bezeichnen.
MD
η = ------------------ (7.86)
max M
Bei η ≥ 1 bleibt der Querschnitt für alle einwirkenden Gebrauchslasten durch die Vorspannung über-
drückt, d.h. im Zustand I. Man spricht in diesem Fall von voller Vorspannung.
Im Gegensatz dazu bezeichnet man geringer vorgespannte Querschnitte (0 < η < 1) als teilweise vor-
gespannt. In diesem Falle ist das Dekompressionsmoment MD kleiner als max M; der Querschnitt geht
unter der Gebrauchstlast in den Zustand II über.
Mit Hilfe der Vorspannung läßt sich also steuern, ob und in welchem Bereich ein Balken in den Zustand II
übergeht.
Weil die Umlenkkräfte aus der Vorspannung normalerweise gegen die ständigen Lasten orientiert sind,
reduzieren sie die verformungswirksamen Lasten. Deshalb läßt sich mit der Vorspannung die Größe der
Durchbiegung verringern.
Neben der Tatsache, daß die Vorspanntechnik wirtschaftliche abschnittsweise Bauverfahren möglich
macht (Anspannen eines neuen Bauabschnittes an die fertiggestellten), dient sie in erster Linie zur Ver-
formungssteuerung.
Für die Bestimmung der erforderlichen Vorspannkraft ist jenes einwirkende Moment maßgebend, wel-
ches zum Grenzzustand der Dekompression führen soll. Oder die Größe der Vorspannkraft ergibt sich
aus der Forderung, daß ein bestimmter vorgegebener Grenzzustand der Verformung einzuhalten ist.
Für die Bemessung der Vorspannung sind somit in erster Linie, wie im Bild 7.74 dargestellt ist, die
Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit (SLS) maßgebend.
14.11.01 248
7. Spannbeton
a εcu = −0,0035
Nc
ϑ
zp MSd
zs Np εp
Ap
Ns
As
εs
b
σp σs
f pd
fs d
Ep Es
ε py εp εs y εs
Mit Hilfe der schlaffen Bewehrung, die zusätzlich zur Spannbewehrung eingebaut wird, kann auf wirt-
schaftliche Weise die Biegetragfähigkeit der Querschnitte sichergestellt werden. Beispielsweise ergibt
sich aus Bild 7.73 für den Fall, daß beide Bewehrungen ins Fließen kommen (εs ≥ εsy und εp ≥ εpy)
M Rd = f pd ⋅ A p ⋅ z p + f sd ⋅ A s ⋅ z s (7.87)
M Sd – ( f pd ⋅ A p ⋅ z p )
erf A s = --------------------------------------------------- (7.89)
f sd ⋅ z s
14.11.01 249
7. Spannbeton
7.2.1.1 Einwirkungskombinationen
Für die Grenzzustände im SLS sind drei Einwirkungskombinationen definiert, für die bestimmte Nach-
weise zu führen sind.
1. Der höchste Level wird als charakteristische oder selten auftretende Einwirkungskombination
(EK0) bezeichnet. Die Auftretenswahrscheinlichkeit dieser Kombination beträgt etwa einmal pro Jahr.
Sie liefert die maximal auftretenden Momente im SLS.
M0 =
å j
M g, j + M q, 1 +
å i>1
Ψ 0, i ⋅ M q, i (7.90)
2. Der mittlere Level wird als häufig auftretende Einwirkungskombination (EK 1) bezeichnet. Seine
Auftretenswahrscheinlichkeit beträgt etwa einmal pro Woche.
M1 =
å j
M g, j + Ψ 1, 1 ⋅ M q, 1 +
å i>1
Ψ 2, i ⋅ M q, i (7.91)
M2 =
å j
M g, j +
å i
Ψ 2, i ⋅ M q, i (7.92)
Der Vorspanngrad η (Gleichung (7.86)) ist ein Maß für die Intensität (Stärke) der Vorspannung. Sie wird
im Einvernehmen mit dem Bauherrn durch Vorgabe einer betimmten Anforderungsklasse festgelegt.
Mit den Anforderungsklassen werden die Nachweisbedingungen - das heißt, die maßgebenden Einwir-
kungskombinationen - hinsichtlich der Grenzzustände der Dekompression und der Rißbreite in Kate-
gorien A bis E eingeteilt.
Die maßgebenden Einwirkungskombinationen EK0, EK1, bzw. EK2 sind in Abschnitt 7.2.1.1 definiert
(Gleichung (7.90) bis (7.92)). Die nachfolgende Tabelle zeigt in Abhängigkeit von der vorgegebenen An-
forderungsklasse jene Einwirkungskombination, für die der Grenzzustand der Dekompression einzuhal-
ten ist.
14.11.01 250
7. Spannbeton
Anforderungs- maßgebende
Nachweis
klasse Einwirkungskombination EK
D ρ · EK2: 1>ρ>0
ρ · M2 ≤ MD
E
Tabelle 7.1 Definition der Maßgebenden EK für den Nachweis des
Grenzzustandes der Dekompression
Mit der Anforderungsklasse wird auch jene Einwirkungskombination festgelegt, die dem Rißbreitennach-
weis zu Grunde zu legen ist:
Anforderungs- maßgebende
klasse Einwirkungskombination EK
C
EK1 ..... häufig auftretende EK
D
Tabelle 7.2 Definition der maßgebenden EK für den Nachweis des Grenzzustandes der Rißbreite
Die rechnerisch einzuhaltenden Grenzrißbreiten sind im Kapitel 3.5 angeführt. Im Entwurf der DIN1045-
1 (1997) sind in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen und von der Art der Vorspannung Mindest-
anforderungsklassen festgelegt (siehe folgende Tabelle).
Vorspannung mit
Expositions-
sofortigem nachträgli- Stahlbeton
klasse ohne Verbund
Verbund chem Verbund
X0, XC1 D D E E
1) wird der Korrosionsschutz anderwertig sichergestellt, darf die Anforderungsklasse D verwendet werden
14.11.01 251
7. Spannbeton
Von der Anforderungsklasse A bis E nimmt der Vorspanngrad η sukzessive ab. Im internationalen
Spannbetonbau besteht ein Trend hin zu geringeren Vorspanngraden und zur verbundlosen Vorspan-
nung. Mit dieser Entwicklung sind Begriffe wie vorgespannter Stahlbeton und Verformungsvorspan-
nung verbunden.
Mit abnehmendem Vorspanngrad kommt es gegenläufig zu einer Zunahme des Bewehrungsgrades an
schlaffer Bewehrung (Bild 7.75). Der höhere Anteil an schlaffer Bewehrung macht das Tragwerk robu-
ster (z.B. gegen Zwänge im jungen Betonalter), duktiler (gute Risseverteilung durch schlaffe Beweh-
rung) und auch wirtschaftlicher.
a Spannbeton b vorgespannter
Stahlbeton
Spann- Bewehrungs- Spann- Bewehrungs-
stahl stahl stahl stahl
100% 100%
Beschränkte Verformungs-
Vorspannung vorspannung
Je nach vorgegebener Anforderungsklasse ist der Grenzzustand der Dekompression in allen Quer-
schnitten für die in Tabelle 7.1 definierten EK einzuhalten.
Beispielsweise gilt für die Anforderungsklasse C: MD = M2
Das Dekompressionsmoment MD ist demnach vorgegeben. Gesucht ist jene Vorspannkraft Pinf, die er-
forderlich ist, um exakt den Grenzdehnungszustand der Dekompression im Bild 7.76 zu bewirken.
14.11.01 252
7. Spannbeton
a b c
σc2
2
K1 MD P
y k1 P/A
P
K2 ep MK1
MP
P
1
σc1 = 0 MP = −P · ep MK1 = −P ( ep + k1)
z
Durch das Verschieben der Kraft P zum oberen Kernpunkt entsteht das Biegemoment MK1.
M K1 = – P inf ⋅ ( e p + k 1 ) (7.93)
Die nunmehr im Kernpunkt wirkende Kraft P verursacht allein das im Bild 7.76 skizzierte Spannungsbild
(σ c1 = 0). Infolge dessen müssen die Biegemomente einander aufheben.
( + ) + M ( -) = 0
MD (7.94)
K1
MD
P inf = ------------------ (7.95)
ep + k 1
Der Index „inf“ weist darauf hin, daß die Gleichung (7.95) für einen unteren Grenzwert der Vorspannkraft
einzuhalten ist. Dieser tritt üblicherweise zu Zeit t = ∞ nach Abzug aller Kurz- und Langzeitverluste auf.
Die Formel (7.95) zur Bemessung der erforderlichen Vorspannkraft aus dem Grenzzustand der Dekom-
pression gilt auch für statisch unbestimmte Tragwerke, wenn in der Gleichung (7.96)
M
e p = -------p (7.96)
P
Mp auch die statisch unbestimmten Momente (Zwängungsmomente) des Lastfalles „Vorspannung“ ent-
hält (Bild 7.76 b). Näheres siehe LV - Betonbau VA.
Ermittlung der Kernweiten k1 und k2:
Der Abstand k1 des Kernpunktes K1 vom Schwerpunkt wird aus der Bedingung σc1 = 0 ermittelt (Bild
7.77)
14.11.01 253
7. Spannbeton
a b
σ c2 σc2 = 0
K1 N(-)
y h k1
k2
K2
N(-)
σc1 = 0 σc1
z
( -)
N ⋅ k1 N(- )
a) σ c1 = -------------------- + ---------- = 0
W1 A
-W 1
k 1 = – ---------- (7.97)
A
(- )
N ⋅ k2 N ( - )
b) σ c2 = – -------------------- + ---------- = 0
W2 A
W2
k 2 = + -------- (7.98)
A
b ⋅ h2
W 1 = W 2 = -------------- und A = b ⋅ h
6
h
– k 1 = k 2 = --- (7.99)
6
7.2.1.4 Kernpunktsmomentendeckung
Durch den Trick, die Vorspannkraft in die Kernpunkte zu transfomieren, wird die Auswirkung der Nor-
malkraft auf den jeweils verschränkten Querschnittsrand zu Null. Die Spannungen infolge der Vorspan-
nung an diesen Rändern ergeben sich dadurch ausschließlich aus den Kernpunktsmomenten:
M k1
σ c1, p = + ---------- (7.100)
W1
– M k2
σ c2, p = ------------- (7.101)
W2
mit M k1 = – P ⋅ ( e p – k 1( - ) ) (7.102)
M k2 = – P ⋅ ( e p – k 2( + ) ) (7.103)
14.11.01 254
7. Spannbeton
Mq
σ c1, q = + -------- (7.104)
W1
Mq
σ c2, q = – -------- (7.105)
W2
Normalerweise sind die Kernpunktsmomente gegen die Lastmomente Mq orientiert. Das Bild 7.78 zeigt
schematisch eine grafische Darstellung der Momente Mk1(x), Mk2(x) und Mq(x), wobei die Kernpunkts-
momente mit umgekehrten Vorzeichen aufgetragen sind und die Kraft P(x) in den Gleichungen (7.102)
und (7.103) mit einem unteren Grenzwert Pinf einzusetzen ist.
σc2 > 0
b
a
-P·k2 Mk2
-P·k1
Mk1
Mk1 ∆Mm Mq ≤ M D
Mq
σ c1 > 0
Der Bereich zwischen den beiden Kernpunktsmomentenlinien Mk1 und Mk2 wird als Kabelschlauch be-
zeichnet. Wo einwirkende Momente Mq innerhalb des Kabelschlauches (im Bild Bild 7.78 hellgrau hin-
terlegt) liegen, bleiben die Querschnitte durch die Vorspannung überdrückt (im Zustand I).
σ c, p + σ c, q < 0 (7.106)
In jenen Bereichen, wo das einwirkende Moment Mq betragsmäßig größer ist, als das zugehörige Kern-
punktsmoment, entstehen Zugspannungen
σ c, p + σ c, q > 0 (7.107)
Im Bild 7.78 ist dieser Bereich im linken Feld dunkelgrau hinterlegt dargestellt. Mit dem Differenzmoment
14.11.01 255
7. Spannbeton
∆M m = M q, m – M k1, m (7.108)
∆M
σ c1 = -------- > 0 (7.109)
W1
Da Betonzugspannungen bei den Spanngliednachweisen nicht in Rechnung gestellt werden, gehen alle
Querschnitte σc1 > 0 in den Zustand II über. Folglich sind die Spannungsnachweise (siehe Abschnitt
7.2.1.5) für diese Querschnitte im Zustand II zu führen.
Wenn man die Vorspannung vorh P derart erhöhen will, daß im Querschnitt m unter Mq,m keine Zug-
spannungen auftreten, lautet die hiefür erforderliche Kraft
M q, m
erf P = vorh P ⋅ ----------------- (7.110)
M k1, m
Wenn Mq der maßgebenden EK für den Grenzzustand der Dekompression entspricht (Tabelle 7.1), so
läßt sich die Nachweisbedingung
Mq ≤ MD (7.111)
mit Hilfe der Kernpunktsmomentendeckung durch eine entsprechende Anpassung der Spanngliedfüh-
rung und der Vorspannkraft optimal erfüllen.
Die Kernpunktsmomentendeckung ist ein anschauliches Verfahren zur zielsicheren Auslegung (Bemes-
sung) der Spannbewehrung.
7.2.1.5 Spannungsnachweise
1. Grundlagen
Mit den Nachweisen in den Grenzzuständen der Gebrauchsspannungen soll das Gebrauchsverhalten
und die Dauerhaftigkeit günstig beeinflußt werden.
Um eine „Zermürbung“ des Betons durch progressive Mikrorißbildung zu verhindern, wird die größte Be-
tondruckspannung unter der seltenen EK (SLS) limitiert mit
zul σ c0 = 0, 60 ⋅ f c k ( t ) . (7.112)
Bei jungem Beton ist die Entwicklung der Betonfestigkeit mit der Zeit t in Rechnung zu stellen:
zul σ c∞ = 0, 45 ⋅ f ck (7.114)
nicht übersteigen. Dieser Nachweis kann beispielsweise beim Aufbringen der Vorspannkraft Probleme
bereiten (LK: Mg1+p, N g1+p), wenn dieser Zustand über längere Zeit erhalten bleibt.
Um zu vermeiden, daß die schlaffe Bewehrung übermäßig gedehnt wird, wird die maximale Stahlspan-
nung unter der seltenen EK0 im SLS auf
14.11.01 256
7. Spannbeton
zul σ s = 0, 8 ⋅ f yk (7.115)
beschränkt. Dies soll verhindern, daß plastische Stahldehnungen und große Risse auftreten, die sich
nach der Entlastung nicht mehr schließen.
Beim Spannstahl fürchtet man seine Empfindlichkeit hinsichtlich der Spannungsrißkorrision. Deshalb
ist die Zugspannung in den Spanngliedern mit dem Mittelwert der Vorspannung unter der quasi-ständi-
gen EK2 nach Abzug der Spannkraftverluste auf folgenden Wert zu begrenzen.
zul σ p = 0, 7 ⋅ f pk (7.116)
Für die Spannungsnachweise ist die Streuung der Vorspannkraft wie folgt zu berücksichtigen:
p 0 ( x ) = r sup ⋅ P m0 ( x )
P ∞ ( x ) = r inf ⋅ P m∞ ( x ) (7.117)
Vorschlag zur Abschätzung der Spannkraftverluste infolge Kriechen & Schwinden für die Vorbemessung
Anforderungs- ∆P ∞
κ = -----------
klassen P0
A 0,20
B 0,15
C 0,10
D 0,05
E 0
P∞ = ( 1 – κ ) ⋅ P0 (7.118)
Kriechen & Schwinden wirkt sich in einer Abnahme der Vordehnung εp(0) aus.
Die Beiwerte rsup und rinf sind von den Spannkraftverlusten abhängig.
14.11.01 257
7. Spannbeton
mit Verbund
1,1
rsup
ohne Verbund
1,0
ohne Verbund
rinf
mit Verbund
0,9
10 20 30 % Spannkraftverluste κ
Bild 7.79 Streuung der Vorspannkraft
2. Querschnittswerte
∆ Ai = b i ⋅ h i (7.119)
∆ S yi = ∆ A i ⋅ z i (7.120)
3
bi h i 2
∆ J yi = ----------- + ∆ A i⋅ z i (7.121)
12
Bedeutung:
A.......................Fläche
Syi .....................statisches Moment
Jyi .....................Trägheitsmoment
Rechteckige Hohlräume lassen sich in den Gleichungen (7.119) bis (7.121) einfach mit negativem Vor-
zeichen erfassen.
14.11.01 258
7. Spannbeton
Das Bild 7.80 zeigt schematisch einen aus Rechtecken zusammengesetzten Querschnitt. Das Bild 7.81
enthält eine tabellarische Übersicht, wie man die Brutto-, Netto- und ideelen Querschnittswerte ermittelt.
Der Zähler i läuft über alle Betonquerschnittsteile (Rechtecke); der Zähler j läuft über alle Stabquer-
schnitte der schlaffen Bewehrung und der Zähler k über alle Spannglieder.
In der Praxis vernachlässigt man oft die schlaffe Bewehrung bei der Ermittlung der Querschnittswerte.
Diese Vereinfachung kann bei der Berechnung des Rißmomentes problematisch werden.
a A, J b A n , Jn c Ai, Ji
i = 1 bis n j = 1 bis nj k = 1 bis nk
Betonteile Bewehrungsstäbe Spannstähle
k = 1 bis nk
Hüllrohre
b1
A1 z1 h1
c z2 cn ci
SP brutto SPnetto SPideel
z3 h
b2 2 Asj
A2 A2
A3 h3 Adk
b3 SP...Schwerpunkt
å å å å å
Es Ep
A A = ∆ Ai An = A – ∆A s – ∆A d + ------ ∆ As A i = A n + ------ ∆A p
(i ) ( j) (k )
Ec ( j)
E c (k)
å å å å å
Es Ep
Sy S = ∆ Si Sn = S – ∆S s – ∆S d + ------ ∆ Ss S i = S n + ------ ∆S p
(i ) ( j) (k )
Ec ( j)
E c (k)
14.11.01 259
7. Spannbeton
å å å å å
Es Ep
Jy Jy = ∆ Ji Jy n = J – ∆J s – ∆J d + ------ ∆ Js J y i = J y n + ------ ∆J p
(i ) ( j) (k)
Ec (j )
E c (k )
S Sn Si
c c = ---- c n = ------ c i = -----
A An Ai
2 2 2
J J = Jy – A ⋅ c J n = J yn – A n ⋅ c n J i = J yi – A i ⋅ c i
A.......................Querschnittsfläche
Sy .....................Statisches Moment um die y-Achse
Jy ......................Trägheitsmoment um die y-Achse
c .......................Abstand des Schwerpunktes von der y-Achse
J .......................Trägheitsmoment um die Schwerachse
yi+1
y yi
zi
zi+1
i
i
i+1 z
∆y i = y i + 1 – y i (7.122)
∆y i
∆A i = -------- ( z i + z i + 1 ) (7.123)
2
∆y i 2
∆S yi = -------- [ ( z i + z i + 1 ) – z i ⋅ z i + 1 ] (7.124)
6
∆y i 2 2
∆J yi = -------- ( z i + z i + 1 ) – ( z i ⋅ z i + 1 ) (7.125)
12
14.11.01 260
7. Spannbeton
Sie ersetzen die Gleichungen (7.119) bis (7.121). Der Zähler i durchläuft alle Umfangsabschnitte. Au-
ßenkonturen werden gegen den Uhrzeigersinn, Hohlräume im Uhrzeigersinn umlaufen. Dadurch regelt
sich automatisch das Vorzeichen des Beitrages, die das jeweilige Trapez zu den Querschnittswerten lie-
fert. Das Bild 7.83 a zeigt einen Querschnitt mit 10 Umfangsabschnitten, die Bilder Bild 7.83 b bis g die
trapezförmigen Teilquerschnitte, die aus den Umfangsabschnitten gebildet werden. Die Umfangsab-
schnitte 3,5,7 und 10 liefern keine Beitrag zu den Querschnittswerten,weil für diese Abschnitte ∆y = 0 ist
(Gleichungen (7.122) bis (7.125)).
a b c d
∆y(+) ∆y(+) ∆y(−)
y y y y
9
8
9 10
8 10 +
7 1 1 −
+
7 6 6
5 1
4 1
4 5 5
4
3 4
3 2 2 2 3 2 2
z z z z
e f g
∆y(+) ∆y(−) ∆y(−)
y y y
− −
+ 9
8 9 9 10
8
7
6
6
z z z
Bild 7.83 Aufbau eines polygonal begrenzten Querschnittes aus einer Serie von Trapezen (pro
Umfangsabschnitt)
Obwohl die volle Vorspannung, wo unter der seltenen EK0 keine Zugspannungen auftreten dürfen, heu-
te nur in Ausnahmefällen Anwendung findet (z.B. Segmentbauweise) wird nachfolgend an Hand dieses
Grenzfalles die prinzipielle Vorgangsweise gezeigt.
Allgemein gilt für einachsige Biegung (M = My):
N M
σ x ( z ) = ---- + ----- ⋅ z (7.126)
A J
Als Querschnittswerte im Nenner der Gleichung (7.126) werden in der Vorstatik die Bruttowerte des rei-
nen Betonquerschnittes eingesetzt. In der Endstatik sind für alle Lastfälle, die vor dem Injizieren der Hüll-
rohre auftreten die Nettoquerschnittswerte und für alle Einwirkungen nach dem Injizieren die ideelen
Querschnittswerte anzusetzen.
Während der Bauphasen (Systemwechsel) und nach Fertigstellung sind alle auftretenden Lastfälle in
ungünstigster Kombination zu überlagern und damit die Randspannungen unten (σc1) und oben (σc2 )
nachzuweisen.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind dabei folgende Lastfälle zu berücksichtigen:
1. Vorspannung p
2. Zwänge infolge P bei statisch unbestimmten Systemen
14.11.01 261
7. Spannbeton
Für die Betonrandspannungen sind folgende vier Fälle nachzuweisen: „Unten“ befindet sich die „vorge-
drückte Zugzone“.
σc2 EK:
2 entweder Fall 1, oder:
min M 1. P0,sup
S
y 2. min M aus seltender EK oder Bauzustand
Nachweise:
P0,sup (-)
1 σ c1 ≥ zul σco
z σc1
σ c2 ≤ 0
σc2
2 EK:
max M 1. P∞,inf
S
y 2. max M für seltender EK 0
oder
Pinf 1. Pt,inf
1
σc1 2. max M für Bauzustand
z
Nachweise:
σ c1 ≤ 0
(-)
σ c2 ≥ zul σco
14.11.01 262
7. Spannbeton
σ c2
2 EK:
Mg 1. P∞,inf
S
y 2. Dauerlast (quasi-ständige EK)
P∞,inf Nachweise:
1 σc2 ≥ zul σco = 0,45 fck
z σc1
Bei voller Vorspannung (Zustand I) braucht die Spannung in der schlaffen Bewehrung nicht nachgewie-
sen werden.
Für die Spannung im Spannstahl gilt allgemein:
σ p = E p ⋅ εp (7.127)
ε p = εp( 0 ) + ε p( 1 ) – ∆ε p ( t ) (7.128)
εp(0) ..................Vordehnung
εp(1) ..................Lastdehnung
ε p( 1 ) = εc p (7.129)
∆P ( t )
∆εp ( t ) = ------------------ (7.130)
Ep ⋅ Ap
∆εp(t) ................Abnahme der Stahldehnung εp durch die Langzeitverluste (Kriechen & Schwinden, Re-
laxation)
Für die Betonstauchung εcp in der Spanngliedfaser gilt mit den im Bild 7.85 definierten Bezeichnungen:
( -)
M g1 + p M g2 + q
–P
ε cp = ------------------ + ------------------- ⋅ epn + ------------------ ⋅ e pi (7.131)
Ec ⋅ An Ec ⋅ Jn Ec ⋅ Ji
14.11.01 263
7. Spannbeton
a b
Ep
An A i = A n + ------ ⋅ A p
E c
n n
y
y i Si
epn epi i
z z
4. Vordehnung
Die Vordehnung εp(0) oder initiale Dehnung ist jene Dehnung, die im Spannstahl auftritt, wenn die Be-
tondehnung in der Faser des Spannstahles zu Null wird.
Anmerkung: Im Falle einer Spannbettvorspannung entspricht die Vordehnung jener Dehnung im Spannstahl, die im
Spannstahl vor dem Betonieren herrscht.
Um die Vordehnung εp(0) abzuleiten betrachten wir den Dehnungszustand unmittelbar nach dem Vor-
spannen (Bild 7.86).
P
------------------
E c ⋅ An
An
Mg1+p
Sn P
y
epn εcp
εp(1) εp
z εp (0)
Die Dehnung im Spannstahl lautet mit den im Bild 7.86 definierten Bezeichnungen:
ε p = εp( 0 ) + ε p( 1 ) (7.132)
(0 ) (1)
εp = ε p – εp (7.133)
14.11.01 264
7. Spannbeton
σp
ε p = ------ (7.134)
Ep
P
σ p = ------ (7.135)
Ap
σ cp
ε p( 1 ) = εc p = --------- (7.136)
Ec
M g1 + p P
σ cp = ------------------ – ------ (7.137)
W pn An
1 Ep
ε p( 0 ) = ------ ⋅ æ σ p – ------ ⋅ σ cp
( - )ö (7.138)
Ep è Ec ø
Anmerkung: (+) – P ⋅ e
M g1 + p = M g1 pn
Einführung
Wenn zusätzlich zur Vorspannung ein Moment M(0) einwirkt, welches den in Bild 7.87 skizzierten Deh-
nungszustand bewirkt, so wird die Lastdehnugn εp(1) zu Null. Die Dehnung im Spannstahl εp entspricht
dann der Vordehnung εp(0).
Die Vordehnung läßt sich demnach als jene Dehnung definieren, die im Spannstahl verbleibt, wenn die
Lastdehnung zu Null wird.
εc2
−
Sn M(0)
epn
Ap εp = εp(0)
εc1
Bild 7.87 Wenn die Lastdehnung zu Null wird, entspricht die Spannstahldehnung εp der Vordeh-
nung εp(0)
Wenn man in der Höhe des Spannstahls zusätzlich eine schlaffe Bewehrung anordnet (Bild 7.88), so
entspricht die Dehnung εs der Lastdehnung εp(1).
14.11.01 265
7. Spannbeton
εc2
−
M > M(0)
Ap
As εp(1) εp(0)
εs
εp
Bild 7.88 Lastdehnung εp(1) und Vordehnung εp(0) in einem gerissenen Querschnitt
Das Bild 7.89 zeigt die Arbeitslinien des Spannstahls und des Schlaffstahls um die Vordehnung εp(0) ge-
geneinander verschoben.
σp σs fpd
fsd = fyd
σ p( 1 ) σs
εs
σp
σ p( 0 )
εs εp
εp(0)
εp(1)
εp
Bild 7.89 „gemeinsame Wirkung“ von Spannstahl und Schlaffstahl in derselben Dehnungsfaser
Die Kraft P im Spannstahl läßt sich in zwei Anteile P(0) und P(1) aufsplitten.
P = P (0 ) + P( 1 ) (7.139)
mit P ( 0 ) = E p ⋅ A p ⋅ ε p( 0 ) (7.140)
P ( 1 ) = E p ⋅ A p ⋅ ε p( 1 ) (7.141)
P(0) wird als initiale Vorspannungkraft bezeichnet. Sie ist unabhängig vom Dehnungszustand.
Der Anteil P(1) ist dagegen vom Dehnungszustand abhängig. P(1) entspricht der Kraft einer in derselben
Dehnungsfaser liegenden schlaffen Bewehrung mit der Dehnungsteifigkeit Ep · Ap.
14.11.01 266
7. Spannbeton
T s = E s ⋅ A s ⋅ ε s = E s ⋅ A s ⋅ εp( 1 ) (7.142)
Mit dem Anteil P(1) trägt die Spannbewehrung demnach wie eine schlaffe Bewehrung.
Da die Kraft P(0) vom Dehnungszustand unabhängig (konstant) ist, kann man sie auf die Einwirkungs-
seite verschieben. Dabei ändert sie ihr Vorzeichen, das heißt sie wird zu einer einwirkenden Druckkraft.
Widerstand Einwirkung
C
M
ϑ
d z
P(1) εp(1) εp(0) P(0)
Ap Ts+p
As
Ts
εs
Bild 7.90 Spannungsnachweis im Zustand II: Die initiale Vorspannkraft P(0) wird auf der Lastseite
berücksichtigt
Der Kraftanteil P(1) läßt sich mit der Kraft T im Schlaffstahl zu der resultierenden Zugkraft Ts+p zusam-
menfassen. Sie greift im Schwerpunkt der gewichteten Stahlfläche
Ep
A s + p = A s + ------ ⋅ A p (7.143)
E s
Ts + p = Es ⋅ As + p ⋅ εs + p (7.144)
Damit kann der Spannungsnachweis eines vorgespannten Querschnittes im Zustand II wie bei einem
schlaff bewehrten Querschnitt erfolgen, der die Bewehrung As+p aufweist und entsprechend Bild 7.90
durch ein Biegemoment und die exzentrisch in der Spannstahlachse angreifende Druckkraft P(0) bela-
stet ist.
Bei Vorspannung ohne Verbund ist und bleibt die aufgebrachte Vorspannkraft P auf Gebrauchslastni-
veau eine von den einwirkenden Schnittgrößen nahezu unbeeinflußte (konstante) „äußere“ Einwirkung.
Sie wird deshalb auf der Lastseite als in der Schwerachse der Spannstahlfläche angreifende äußere
Druckkraft angesetzt (Bild 7.91).
14.11.01 267
7. Spannbeton
Widerstand Einwirkung
C
ϑ M
z
d
P
Ap
Ts
As
εs
Bild 7.91 Vorspannung ohne Verbund; die Vorspannkraft P wird auf der Einwirkungsseite berück-
sichtigt
7.2.1.6 Langzeitverluste
7.2.1.7 Rißbreitennachweis
7.2.1.8 Verformungsnachweis
14.11.01 268
7. Spannbeton
7.2.2.1 Einwirkungskombinationen
Im Grenzzustand der Tragsicherheit (Ultimate Limit State - ULS) sind folgende Einwirkungskombinatio-
nen zu unterscheiden.
1. Bemessungssituation (Grundkombination)
M Sd =
å j
γ G, j ⋅ M G, j + γ P ⋅ M p + γ Q, 1 ⋅ M Q, 1 +
å i>1
γ Q, i ⋅ ψ o, i ⋅ M Q, i (7.145)
Tabelle 7.5 Teilsicherheitsbeiwerte γF für Einwirkungen (EC2, 2..3.3.1, Seite 24, Tab. 2.2)
Die Vorspannung wird mit ihrem Mittelwert in Rechnung gestellt (für die statisch Unbestimmten). Der sta-
tisch bestimmte Anteil (−P · ep, −P) tritt auf der Widerstandsseite in Erscheinung.
Der Kombinationsbeiwert Ψ0,i erfaßt jenen Anteil der Einwirkung MQ,i, der mit hoher Wahrscheinlichkeit
gleichzeitig mit der vollen Leiteinwirkung MQ,1 auftritt.
M Sd =
å j
M G, j + M p + M A + ψ 1 , 1 ⋅ M Q, 1 +
å i>1
ψ2, i ⋅ M Q, i (7.146)
Bei der Biegebemessung im ULS auf Querschnittsebene ist den mit den Gleichungen (7.145) und
(7.146) definierten Einwirkungen MSd ein gleich großes reaktives Moment MRd entgegenzustellen.
M Rd = M Sd (7.147)
14.11.01 269
7. Spannbeton
1. elastisch-plastisches Stoffgesetz
σp
f p ;0, 1 0, 9 ⋅ f pk
f py = -------------- = ---------------------
f py γp 1, 15
Ep
εp
ε py
Unter der Annahme des im Bild 7.92 definierten vereinfachten Stoffgesetzes für den Spannstahl, bei
dem die Bruchdehnung εpu unbegrenzt bleibt, erreicht die Betonstauchung εc2 am Biegedruckrand ihren
Grenzwert εcu.
Druckmittelpunkt
εcu = −0,0035
C
ϑ MSd
d z
Tp εp(1) εp(0)
Ap T
As
Ts
εs
Zugmittelpunkt
Das Bild 7.93 zeigt jenen Grenzdehnungszustand, bei dem das reaktive Biegemoment
M Rd = – C ⋅ z (7.148)
ε s ≥ ε sy
ε p ≥ ε py (7.149)
Für den Rechteck- und den Plattenbalkenquerschnitt wurden unter der vereinfachenden Annahme eines
14.11.01 270
7. Spannbeton
rechteckigen Spannungsblockes geschlossene Formeln angegeben, wobei hier allerdings die Lage des
Zugmittelpunktes von der Größe As abhängt. Dadurch muß die Nutzhöhe d iterativ korrigiert werden.
M Rd = T p ⋅ z p + T s ⋅ z s = A p ⋅ f pd ⋅ z p + A s ⋅ f y d ⋅ z s (7.150)
M Sd – A p ⋅ f pd ⋅ z p
erf A s = ---------------------------------------------- (7.151)
f yd ⋅ z s
Vorgangsweise:
Anmerkung: Bei einer allgemeinen Querschnittsform, wo keine Formeln zur Ermittlung des Dehnungszustandes existieren,
muß in Punkt 2. ϑ iterativ variiert werden, bis die Gleichgewichtsbedingung
M Sd + C ⋅ z = 0 (7.152)
erfüllt ist.
2. bi-lineares Stoffgesetz
σp
f pk
f pk
f pd = -------
γp
0, 9 ⋅ f pd
Ep
ε py εpu εp
Unter der Annahme des im Bild 7.94 definierten vereinfachten Stoffgesetzes für den Spannstahl ist die
14.11.01 271
7. Spannbeton
εcu
εp(0)
A
Ap
As
εpu
εcu
Ap
As
εsy
ε c2 = ε cu = – 0, 00035
Die Stahldehnung im Spannstahl liegt innerhalb der Grenzen εpy und εpu
ε py ≤ ε p < ε pu
und ε s ≥ ε sy
In diesem Fall wird ähnlich wie im Abschnitt vorgegangen, wobei die Spannung σp im Spannstahl im
Bereich der plastischen Verfestigung vom Dehnungszustand εp abhängt (Bild 7.94):
M Sd – A p ⋅ σ p ⋅ z p
erf A s = --------------------------------------------- (7.153)
f yd ⋅ z s
14.11.01 272
7. Spannbeton
Um festzustellen, welcher der beiden obigen Fälle für eine vorliegende Aufgabe relevant ist, berechnet
man für den Dehnungszustand
ε p = εpu
ε c2 = ε cu (7.154)
M Rd = – C ⋅ z (7.155)
Wenn MRd ≥ MSd ist, liegt der gesuchte Dehnungszustand, für den das Gleichgewicht erfüllt ist
(MRd = MSd) im Dehnungsbereich A (Fall1). Der Betondruckgurt ist nicht ausgenützt. ( εc2 < ε cu ).
Wenn MRd ≤ M Sd ist, liegt der gesuchte Dehnungszustand im Dehnungsbereich B (Fall2). In diesem Fall
ist der Stahl-Zuggurt nicht ausgenützt (εp < εpu).
Die im Sinne der Statik „richtige“ Berechnung der Traglast bei Vorspannung ohne Verbund setzt eine
iterativ - nichtlineare Systemanalyse voraus und ist deshalb nicht Stoff der Grundvorlesung.
Im Bild 7.96 ist das prinzipielle Tragverhalten bei Vorspannung ohne Verbund gezeigt.
My MF
εp < εpy
εpy εp ε (0) εp
p
εp > εpy
∆εp
εp(1) wr
wr
sr
Bild 7.96 Tragverhalten im ULS bei Vorspannung ohne Verbund
Bei Vorspannung mit Verbund wirkt die Spannbewehrung auch risseverteilend und rissesteuernd - je-
doch mit einer schlechteren Verbundwirkung. Dadurch läßt sich die Einwirkung bis zum Fließen der Be-
wehrung steigern ohne daß extrem große Rißbreiten entstehen.
Bei Vorspannung ohne Verbund führt eine relativ geringe Erhöhung der Vorspannkraft zu großen Riß-
breiten, weil sich die Dehnungsänderung im Spannstahl über die gesamte freie Länge des Spannstahles
aufsummiert und in Form eines einzigen konzentrierten Risses auswirkt. Diese Rißbreite
14.11.01 273
7. Spannbeton
w = ∆ε p ⋅ l (7.156)
führt zu einer extremen Einschnürung der Druckzone, die nicht nur die Druckkraft C, sondern auch die
Querkraft VSd übertragen muß.
Häufig kommt es zu einem Schubdruckbruch der Biegedruckzone bevor die Spannbewehrung ins Fließ-
ne kommt. Im Vergleich zur Vorspannung mit Verbund ist bei Vorspannung ohne Verbund ein höherer
Anteil an schlaffer Bewehrung zur Sicherstellung der Tragfähigkeit (ULS) erforderlich.
Vereinfachte Bemessung im ULS
MSd
z
P
Ap
T = erf As · fyd eps
As
εs
Bild 7.97 Vorspannung ohne Verbund: vereinfachte Bemessung der schlaffen Bewehrung
Wenn man auf der sicheren Seite liegend die Zunahme ∆P beim Anheben der Einwirkung vom SLS zum
ULS vernachlässigt, läßt sich die erforderliche schlaffe Bewehrung wie bei einem Stahlbetonquerschnitt
unter Biegung mit Längsdruckkraft (große Ausmitte) bemessen (Bild 7.97):
M Sd + P eps P
erfA s = ------------------------------ – -------- (7.157)
z ⋅ fyd fyd
14.11.01 274
7. Spannbeton
7.3.1 Tragwirkung
d [m]
0,45
0,45
0,40
on
0,35
et
lb
ah
on
St
et
in
0,30 nb
ke
an ton
ec
p
S l be
hd
n
0,25 e i Stah
ac
k
e c in
Fl
h d ke ton
a c c n be
l
F lzde a n
0,20 Sp
Pi e in
ck
0,15 ilzde
P
0,10
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 l [m]
Punktgestützte Platten weisen wesentlich größere Durchbiegungen auf als liniengestützte Platten mit
14.11.01 275
7. Spannbeton
gleicher Spannweite und Plattenstärke h. Deshalb werden Flachdecken ab einer Spannweite von ca. 8
m vorzugsweise vorgespannt ausgeführt. Heute wird in erster Linie mit verbundloser Vorspannung (Mo-
nosotzen, bzw. CMM-Bänder) gearbeitet.
Kunststoffmantel
Litze
Dauer-Korrosionsschutzfett
Die Vorspannung dient zur Verringerung der Durchbiegung (Verformungsvorspannung). Die Tragfähig-
keit und die Veschränkung der Rißbreite wird mit schlaffer Bewehrung sichergestellt.
Bild 7.101zeigt schematisch die Tragwirkung einer Vorspannung. Bei Flächentragwerken läßt sich die
Vorspannung nur mit den Umlenkkräften als Linienlast und den Ankerkräften als konzentrische einzel-
lasten modellieren (Bild 7.102). Die Schnittgrößen werden nach der Methode der Finiten Elemente er-
mittelt.
Lasten
Stütze Stütze
Stütze Stütze
Spannglieder im Feld
P P
u
Das Bild 7.103 zeigt am Beispiel eines liniengestützen Plattenfeldes die Flächentragwirkung - bestehend
aus einem hängenden Seilnetz (Membran aus Spannstahl) und einem Druckgewölbe (Betonmembran)
- umschlossen von einem Druckring in dem die Stahlmembran hängt, bzw. einem Zugring, auf den sich
das Betongewölbe abstützt. Wenn auf Traglastniveau die Bewehrung ins Fließen kommt, überwiegt im
Umschließungsring die Zugkraft. Das Druckgewölbe versagt, wenn der Zugring nachgibt.
14.11.01 276
7. Spannbeton
δ2
Im Falle der punktgestützten Platten bildet sich eine Haupttragwirkung über die Stützstreifen aus. Man
kann sich vorstellen, daß die im Bild 7.103 dargestellte Membranplatte auf den Stützstreifen aufliegt. Die
Durchbiegung in Feldmitte setzt sich zusammen aus einem Anteil δ1, der der Verformung der Stützstrei-
fen entspricht und aus einem Anteil δ2, der auch bei der liniengestützten Platte auftritt (Bild 7.103 b).
14.11.01 277
7. Spannbeton
7.3.2 Spanngliedführung
Um den Anteil d1 zu verringern, kann man eine sogenannte Stützstreifenvorspannung anordnen (Bild
7.104 a). Um den Anteil d2 zu reduzieren, ist eine verteilte Vorspannung in den Feldstreifen zweckmäßig
(Bild 7.104 b).
c d
Häufig weisen die Randfelder von Flachdecken dieselben Spannweiten auf wie die Innenfelder. Dann
sind nicht nur die Feldmomente sondern auch die Durchbiegungen in den Randfeldern und besonders
im Eckfeld wesentlich größer als in den Innenfeldern. Wenn es möglich ist, die Innenfelder lediglich ent-
lang der Stützstreifen vorzuspannen, bietet sich für die Randfelder die im Bild 7.105 skizzierte Anord-
nung der Spannbewehrung an.
14.11.01 278
7. Spannbeton
P = Px
P = 1,2 Px
P = 0,5 Px
14.11.01 279
8. Stahlbeton - Schubelement
8. Stahlbeton - Schubelement
8.1 Schubfluß
Der Schubfluß t ist definiert als auf die Längeneinheit bezogene aus den Schubspannungen τ resultie-
rende Schubkraft (Bild 8.1).
t = τ ⋅ b0 (8.1)
τ t
b0 1
14.11.01 280
8. Stahlbeton - Schubelement
Das Bild 8.2 zeigt das orthogonal bewehrte Scheibenelement unter reiner Schubbeanspruchung. Die
Rißrichtung θ ist vorgegeben.
a · tan θ
t
θ
t
a
Das Bild 8.3 enthält das zum Bild 8.2 gehörige diskrete Fachwerkmodell unter der reinen Schubeinwir-
kung tSd auf Traglastniveau (ULS).
t Sd = τ Sd ⋅ b 0 (8.2)
Riß tSd
tSd · tan θ
hd 2
tan θ
Riß
θ 1
1 b0
t c
c = ------------- ns (8.3)
cos θ θ
t
14.11.01 281
8. Stahlbeton - Schubelement
c 2t
n c = ------ = --------------- (8.4)
hd sin 2θ
aus der Gleichung (8.4) ergibt sich die Betonspannung σc für t = tSd zu
nc 2t Sd
σ c = ------ = -------------------------- (8.5)
b0 b 0 ⋅ sin 2θ
σc muß kleiner oder gleich der zweiachsigen Druckfestigkeit f2cd unter Zug/Druck-Einwirkung sein:
f 2cd = ν 2 ⋅ f 1c d (8.6)
f ck
ν 2 = æ 1 – ----------ö ≥ 0, 7 (8.7)
è 200ø
Der Abminderungswert ν2 für die einachsige Betondruckfestigkeit f1cd begründet sich mit der Tatsache,
daß infolge der Dehnung der Bewehrung in x- und z-Richtung quer zur Druckstrebe Zugdehnugnen herr-
schen.
Der vom schrägen Druckspannungsfeld aufnehmbare Schubfluß lautet:
f 2cd ⋅ b0 ⋅ sin 2θ
t Rdc = ----------------------------------------- (8.8)
2
t Sd ≤ t Rdc (8.9)
Die Kraft im vertikalen Zugstab nsz folgt aus dem Kräftegleichgewicht am Knoten 1.
t Sd ⋅ tan θ
erf as z = ------------------------- [cm2/m] (8.12)
f yd
t Sd ≤ t Rd (8.13)
Die Kraft im horizontalen Zugstab nsx folgt aus dem Kräftegleichgewicht am Knoten 2 (Bild 8.3).
14.11.01 282
8. Stahlbeton - Schubelement
t ⋅ tan θ n sx ⋅ tan θ
sin θ = ------------------ θ
c
t ⋅ tan θ (8.15)
t c
c = -------------
cos θ
n sx,Rd = a sx ⋅ f yd (8.17)
n sx t Sd ⋅ cot θ
erf as x = -------- = ------------------------ (8.18)
f yd f yd
t Sd ≤ t Rd (8.19)
14.11.01 283
8. Stahlbeton - Schubelement
t·a
ß
Ri
θ α 2
t·z
z
ß
Ri
t·z
θ θ
t·a t·a
a b0
Nachfolgend werden die auf die Längeneinheit bezogenen Stabkräfte des Fachwerkmodelles im Bild 8.4
ohne Ableitungen angeführt. Es wird den Studierenden dringend geraten, diese Formeln in Anlehnung
an die Vorgangsweise in Abschnitt 8.2 selbstständig abzuleiten.
ns......................auf die Längeneinheit bezogene Kraft in der schrägen Bewehrungsschar
nsx ....................auf die Längeneinheit bezogene Kraft in der Längsbewehrungsschar
nc......................auf die Längeneinheit bezogene Kraft im Betonspannungsfeld
t
n s = ------------------------------------------------------- (8.21)
sin α ⋅ ( cot θ + cot α )
2
n sx = t ⋅ cot θ (8.22)
–t
n c = ------------------------------------------------------- (8.23)
sin2 θ ⋅ ( cot θ + cot α )
Sonderfälle:
1) α = 90°: n sz = t ⋅ tan θ
n sx = t ⋅ cot θ
– 2t
n c = --------------- (8.24)
sin 2θ
2) α = 90°; θ = 45°
n sz = t
n sx = t
n c = – 2t (8.25)
14.11.01 284
8. Stahlbeton - Schubelement
3) α = 45°; θ = 45°
n sz = t
n sx = t
nc = t (8.26)
14.11.01 285
8. Stahlbeton - Schubelement
nz
nx t nx
nz
Im Bild 8.5 sind zum Bild 8.3 die Längskräfte nx und nz hinzugefügt. Damit erweitern sich die Gleichun-
gen (8.10), (8.16) udn (8.17) auf
n sx = n x + t ⋅ cot θ (8.27)
n sz = n z + t ⋅ tan θ (8.28)
2t
n c = – --------------- (8.29)
sin 2θ
Die bezogenen Normalkräfte nx und nz werden demnach direkt von der jeweiligen Bewehrungsschar
aufgenommen, soferne es sich um Zugkräfte handelt.
Unter der Beanspruchungskombination „Druck - Druck“ herrscht ein zweiachsiger Druckspannungszu-
stand, wenn die Bedingung
n x ⋅ nz > t 2 (8.30)
erfüllt ist.
Unter der Kombination „Druck - Zug - Schub“ wird die Kraft nsx negativ, wenn folgende Bedingung erfüllt
ist (Gleichung (8.27)):
14.11.01 286
8. Stahlbeton - Schubelement
nz
nx t nx
t
θ1
t
nz
In diesem Fall (Bild 8.6) kann aus der Gleichung (8.27) jene Rißrichtung θ1 ermittelt werden, für die
nsx = 0 und damit asx = 0 ist.
t
tan θ 1 = – ----- (8.32)
nx
nsx
a sx = -------- = 0 (8.33)
f yd
nz + t ⋅ tan θ 1
a sz = --------------------------------- (8.34)
f yd
nc
σ c = ------ (8.35)
b0
14.11.01 287
8. Stahlbeton - Schubelement
Stahlbetonplatten lassen sich hinsichtlich ihrer Biegetragwirkung vereinfacht in zwei Gurtscheiben zer-
legen, die die Biegezugzone bzw. die Biegedruckzone bilden. Häufig überlagert sich der Plattenwirkung
auch eine Scheibenwirkung, wenn die Platte nicht nur normal zur Plattenebene, sondern auch in ihrer
Ebene belastet ist.
a b
y y
x x
m yx m xy t yx
a ---------- ---------
- ------
- t xy
zy zx b 2 ------
-
2
nx /2
n y/2
zy zy mx /z zx zy tyx /2 t xy/2 nx /2 zx
m y/ x n y/2
Bild 8.8 Aufteilen der Schnittgrößen auf die Ersatzscheiben liefert folgende Scheibenkräfte:
a) infolge der Biege- und Drillmomente aus der Plattenwirkung
b) infolge der Normal- und Schubkräfte aus der Scheibenwirkung
Das Bild 8.8 zeigt, wie die im Bild 8.7 definierten Schnittgrößen die Ersatzscheiben belasten. Dabei wird
davon ausgegangen, daß die Scheibenkräfte nx bzw. ny im Bild 8.7 entweder positiv oder klein genug
sind, um in den Plattenquerschnitten in Kombination mit den Biegemomenten mx bzw. m y eine „große
Lastausmitte“ zu bewirken. Andernfalls sollte der zwischen den Gurten liegende Plattenlayer in die Mo-
dellbildung einbezogen werden.
Um den inneren Hebelarm zx bzw. zy zu bestimmen, kann man den Spannungsblock gemäß Bild 8.9
ansetzen, wobei man für die Betonspannung σc nur etwa 50% der einachsigen Druckfestigkeit anneh-
men sollte:
f cd = 0, 5 ⋅ f 1 cd (8.36)
Die Höhe 0,8 · x des Spannungsblocks sollte den zweifachen Randabstand der Druckbewehrung nicht
unterschreiten.
14.11.01 288
8. Stahlbeton - Schubelement
Zuglayer T εs
h1
ds1
1
Damit sind die Einwirkungen entsprechend Bild 8.5 bekannt. Als Scheibendicke b0 ist für die Zugscheibe
h1 = 2ds1 und für die Druckscheibe h2 = 0, 8x ≥ 2d s 2 einzusetzen. Wenn die Biegemomente mx und my
unterschiedliche Vorzeichen aufweisen, entstehen in beiden Ersatzscheiben Zug-, Druck- und Schub-
beanspruchungen.
14.11.01 289
9. Querkraft
9. Querkraft
9.1 Einführung
Die Tragwirkung von Stahlbetonbalken läßt sich durch ein einfaches Fachwerkmodell beschreiben (Bild
9.1 b).
z
θ
Schubrisse
b
2 m 3
O2 O
D33
D1 D z
V2 2 V3
θ
U1 U2 U3
2 m 3 4 5
c 1 2 3 4 5
Betondruckfeld
Bügelschar zur Zugstrebe V3
Bild 9.1 Beschreibung des Biege- und Schubtragverhaltens eines Balkens durch ein diskretes
Fachwerkmodell
a) Balken mit Streckenlast q und Rißbild
b) Diskretes Fachwerkmodell
c) Spannungsfelder im diskreten Fachwerk (verschmiertes Fachwerkmodell)
Der Obergurt C im Bild 9.1 b entspricht der Biegedruckzone (Druckgurt); der Untergurt T repräsentiert
die Biegezugbewehrung.
Die Druckdiagonalen D ersetzen die Tragwirkung der schrägen Betondruckspannungsfelder (Bild 9.1 c).
Die Vertikalkomponente Dz der Diagonalkraft D entspricht der Querkraft V. Sie wird auch von den verti-
kalen Zugstreben V getragen, die als Resultierende aller Bügelkräfte innerhalb der Bereiche a aufzufas-
sen sind.
Der Winkel θ, den die Diagonalen D mit der Horizontalen einschließen, entspricht ungefähr jener Rich-
tung, in der sich Risse einstellen. Um schleifende Schnitte zwischen den Fachwerkstäben zu vermeiden,
sollte der Winkel θ innerhalb folgender Grenzen angenommen werden.
14.11.01 290
9. Querkraft
Anmerkung: Das Fachwerk im Bild 9.1 b ist für jeden Winkel θ innerhalb des in Gleichung (9.1) definierten Bereich tragfä-
hig. Daher kann θ frei gewählt werden.
Wenn neben dem Biegemoment auch eine Normalkraft wirkt, so wirkt sich diese auf die Rißrichtung ten-
denziell wir folgt aus (Bild 9.2). Dies sollte aus Verträglichkeitsgründen bei der Wahl von θ berücksichtigt
werden, obwohl auch bei Biegung mit Längskraft das Fachwerkmodell im Bild 9.1 unabhängig vom Win-
kel θ tragfähig ist.
a Risse
N N N N
b
Risse
N N N N
14.11.01 291
9. Querkraft
9.2 Gurtkräfte
In einem echten Fachwerk sind die Stäbe an den Knoten gelenkig angeschlossen. Sie bekommen des-
halb nur Normalkräfte ab. Die Spannungsverteilung über den Querschnitt von Fachwerkstäben ist kon-
stant. Deshalb ist die Annahme eines Spannungsblockes in der Druckzone eines Biegebalkens (Bild
9.3) mit dem Fachwerkmodell (Bild 9.1) verträglich.
f cd = 0, 85 ⋅ f 1cd ε cu = – 0, 0035
Druckgurt C
0, 8x x
M Sd
z
Zuggurt
T = As ⋅ σ s ( εs )
εs
Reaktion Aktion
Bild 9.3 Biegequerschnitt im ULS: Definition des Druckgurtes mit Hilfe eines Spannungsblockes
nach EC2
Nach EC2 lautet der Design-Wert fcd für die einachsige Betondruckfestigkeit
f cd = 0, 85 ⋅ f 1cd (9.2)
14.11.01 292
9. Querkraft
a i m i+1
C
T m
a
b
Momentenlinie M(x)
Mi Mi+1
∆Mi+1
abgerückte
Momentenlinie
M + ∆M z
∆M i = V i ⋅ --- ⋅ cot θ
2
a
a v = --- (Versatzmaß
2 Abrückmaß)
Vi+1 V(x)
Vi
Vi-1(+)
Das Bild 9.4 zeigt einen Ausschnitt aus dem Bild 9.1 und die zugehörigen Schnittgrößen M(x) und V(x).
Der Querschnitt m liegt in der Mitte zwischen den Querschnitten i und i + 1.
Die Gurtkräfte im Schnitt m - m lauten:
–M
C = -------- i (9.3)
z
Mi + 1
T = + -------------- (9.4)
z
a
M i = M m – V i ⋅ --- (9.5)
2
a
M i + 1 = M m + V i ⋅ --- (9.6)
2
a = z ⋅ cot θ (9.7)
14.11.01 293
9. Querkraft
Mm V
C = – --------- + ---- ⋅ cot θ (9.8)
z 2
Mm V
T = + --------- + ---- ⋅ cot θ (9.9)
z 2
Infolge der Querkraft bzw. durch die geneigten Betondruckstreben entsteht im Balken eine innere
Längszugkraft (Bild 9.6) Dx.
D x = V ⋅ cot θ (9.10)
Diese teilt sich je zur Hälfte auf die beiden Gurte auf (Gleichungen (9.8) und (9.9). Diese „innere Spreiz-
kraft“ entlastet den Druckgurt und belastet den Zuggurt zusätzlich. Die Kraft im Biegezuggurt nimmt um
V
---- ⋅ cot θ zu.
2
Wenn man die tatsächliche Momentenlinie M(x) um das Versatzmaß av=a/2 horizontal verschiebt (Bild
9.4), entsteht beispielsweise im Querschnitt i ein ∆Mi, welches exakt dem zweiten Term in der Gleichung
(9.5) und (9.6) entspricht.
a z
∆M i = V i ⋅ --- = V i ⋅ --- ⋅ cot θ (9.11)
2 2
z
a v = --- cot θ (9.12)
2
Ein Vergleich der Gleichungen (9.9) und (9.11) zeigt, daß die Auswirkung der Querkraft auch durch Er-
höhen des Biegemomentes um ∆M erfaßt werden kann; das heißt, in dem man eine Biegebemessung
für die abgerückte Momentenlinie durchführt:
14.11.01 294
9. Querkraft
9.2.3 Zugkraftdeckungslinie
Mit Hilfe der Gleichung (9.9) läßt sich die Kraft im Biegezuggurt wie folgt darstellen
M Sd V Sd
T Sd = ----------- + ---------- cot θ (9.13)
Z 2
T Sd
erf As = ---------- (9.15)
f yd
Normalerweise wird man die erforderliche Bewehrung erf As auf eine konstruktiv sinnvolle Anzahl von
Bewehrungskalibern aufrunden. Die tatsächlich vorhandene Stahlfläche vorh As liefert die reaktive
Zugkraft
Das Bild 9.6 veranschaulicht, wie man mit Hilfe einer grafischen Darstellung der Gleichung (9.13) und
(9.14) die Biegezugbewehrung austeilt.
An Stelle der Zugkraftdeckungslinien (Bild 9.7) kann man auch Momentendeckungslinien oder Stahldek-
kungslinien verwenden. Bei der letzteren wird die erforderliche Stahlfläche
M Sd 1 V Sd
erfA S = -------------- + --- ---------- cot θ (9.17)
z ⋅ f yd 2 f yd
14.11.01 295
9. Querkraft
Die Querkrafttragfähigkeit der Betondiagonalen D im Fachwerkmodell (Bild 9.1 b) ist neben der Tragfä-
higkeit der Vertikalstreben (Bügel) für die Schubtragsicherheit bestimmend.
a b
C Dx/2 i+1
m
σc
-
Dx
z
hd
Dz = V
D σc
θ
T m
Dx/2
a
bw
Bild 9.6 a) Diagonalkraft D und Gurtkraftänderung Dx/2 infolge der Querkraft V
b) Querschnittsfläche Ad = bw ⋅ hd einer Betondruckdiagonalen
Das Bild 9.6 a zeigt, wie sich die Diagonalkraft aus der Querkraft ableitet.
Dz = V (9.19)
D x = V ⋅ cot θ (9.20)
V
D = ----------- (9.21)
sin θ
Im Bild 9.6 b ist gezeigt, wie sich die Querschnittsfläche Ad der Betondruckdiagonalen errechnet
A d = b w ⋅ h d = b w ⋅ z ⋅ cos θ (9.23)
D V
σ c = ------ = – ------------------------------------------------ (9.24)
Ac bw ⋅ z ⋅ cos θ ⋅ sin θ
2V
σ c = – ---------------------------------- (9.25)
bw ⋅ z ⋅ sin 2θ
V
σ c = – -------------- ⋅ ( tan θ + cot θ ) (9.26)
bw ⋅ z
wegen
14.11.01 296
9. Querkraft
1
sin θ ⋅ cos θ = ------------------------------ (9.27)
tan θ + cot θ
f 2cd = ν 1 ⋅ f 1c d (9.28)
f ck
ν 1 = 1 – ---------- ≥ 0, 7 (9.29)
200
nicht überschreiten. Die Reduktion ν1 gegenüber der einachsigen Druckfestigkeit f1cd ist dadurch be-
gründet, daß quer zum Druckspannungsfeld infolge der Bügeldehnung Zugspannungen herrschen.
σ c ≤ f 2cd (9.30)
Aus der Gleichung (9.26) läßt sich die Querkrafttragfähigkeit VRdc der Betondruckstreben ableiten.
1
V Rdc = --- ⋅ ν 1 ⋅ f 1cd ⋅ b w ⋅ z ⋅ sin 2θ (9.31)
2
V Sd ≤ V Rdc (9.32)
14.11.01 297
9. Querkraft
T B = ns ⋅ a
a b
i i+1
m
TB
V z
V
TB
θ
m
Bügel
a
T B = V Sd (9.33)
Diese Kraft wird von einer Serie von vertikalen Bügeln übernommen, die auf jener Länge a angeordnet
sind. Auf diese Bügel stützt sich das schräge Betondruckspannungsfeld ab.
a = z ⋅ cot θ (9.34)
TB V Sd
n s = ------- = ---------- ⋅ tan θ (9.35)
a z
Aus ns ergibt sich die erforderliche Querschnittsfläche erf as der Bügel pro lfm (z.B. [cm2/m]).
ns V Sd
erf as = ------- = -------------- ⋅ tan θ (9.36)
f yd z ⋅ f yd
as ⋅ s
A s 1 = ------------- (9.37)
n
14.11.01 298
9. Querkraft
bw
bw
2-schnittiger 4-schnittiger
Bügel (n = 2) Bügel (n = 4)
Die von den Vertikalbügeln aufnehmbare Querkraft VRds lautet (aus Gleichung (9.36)):
V Sd ≤ V Rds (9.39)
14.11.01 299
9. Querkraft
9.5 Schrägbügel
Das Bild 9.9 zeigt das Fachwerkmodell bei schräger (von der Vertikalen abweichender) Bügelanord-
nung.
Riss Riss
h
d
α Θ
a
a1 a2
a
a 1 = z ⋅ cot θ
a 2 = z ⋅ cot α
a = z ⋅ ( cot θ + cot α ) (9.40)
– V Sd
D = ------------- (9.41)
sin θ
D – V Sd 1
σ c = ------ = – -------------- ⋅ ------------------------------------------------------- (9.43)
Ac bw ⋅ z sin2 θ ⋅ ( cot θ + cot α )
einzuhalten. Alternativ zu Gl. (9.44) kann man die Tragfähigkeit der Betondruckstreben wie folgt nach-
weisen (aus Gl.(9.37) mit σc = f2cd):
V Sd ≤ V Rdc (9.46)
Im Bereich a2 wird die Querkraft vom schrägen Zugstab getragen, das heißt die z-Komponente von Ts
entspricht der Querkraft.
V Sd
T s = ------------ (9.47)
sin α
14.11.01 300
9. Querkraft
Ts V Sd
n s = ------ = -------------------------------------------------------- (9.48)
a z ⋅ sin α ( cot θ + cot α )
ns
erf a s = ------- (9.49)
f yd
V Sd ≤ V Rds (9.50)
erfüllt ist. Die von den Schrägbügeln aufnehmbare Querkraft VRds lautet (aus Gl. (9.42) und (9.43)):
14.11.01 301
9. Querkraft
b Schnitt A - A
Cx
Cz α2
C
z
Vw
β(+)
α1 T
Tz
Tx
Bild 9.10 geneigte Gurte übernehmen mit der z-Komponente der Gurtkräfte Anteile der Querkraft
VSd
a) Systemskizze
b) Schnitt A - A
Das Bild 9.10 zeigt einen Balken mit geneigten Gurten. Für die Gurtkräfte gilt:
M Sd
T x = – C x = ----------- (9.52)
z
T z = T x ⋅ tan α 1 (9.53)
C z = C x ⋅ tan α2 (9.54)
C z + V w + T z = V Sd (9.55)
Für den reduzierten Querkraftanteil Vw, der im Steg mittels Bügel und Druckstreben (Betondiagonalen)
abzutragen ist, ergibt sich damit:
M Sd
V w = V Sd – ----------- ⋅ ( tan α 1 + tan α 2 ) (9.56)
z
α1, bzw. α2 werden als positiv angenommen, wenn C z bzw. Tz die gleiche Richtung wie Vw aufweisen,
das heißt, wenn h mit dem Biegemoment M anwächst.
14.11.01 302
9. Querkraft
Anmerkung: Bei geneigten Gurten erfolgt die Querkraftdeckung wie in den Abschnitten 9.1 bis 9.5, wobei man statt VSd die
reduzierte Querkraft Vw einsetzt.
a A b Schnitt A - A
h(x) VSd
Vw
α1
Tx
α1(-)
A
Tz
T
x
M(x)
Das Bild 9.11 zeigt einen der seltenen Fälle, wo sich das Vorzeichen in Gleichung (9.56) umdreht.
(+ ) (+ )
V w = V Sd + T z (9.57)
( +)
(+ ) M Sd (- )
Vw = V Sd – ----------- ⋅ tan α 1 (9.58)
z
Im Bild 9.12 heben die z-Komponenten der Gurtkräfte einander auf. Dadurch gilt
V w = V Sd (9.59)
a m b Querschnitt m - m
U
a
α α
Cz Cz
Cz Cz Tz Tz
α α
m U
Tz Tz
In jenen Querschnitt m - m, wo die Stabachse im Bild 9.12 einen Knick aufweist, addieren sich die z-
Komponenten zu Umlenkkräften U.
14.11.01 303
9. Querkraft
U = 2 C z = 2T z (9.60)
C z + Vw = 0 (9.61)
m
a
C
T T
− VSd
+ VSd,m-m = 0
Cz Cz
Vw Vw
14.11.01 304
9. Querkraft
Grundsätzlich gelten die im Abschnitt 9.6 dargelegten Zusammenhänge auch für geneigte Spannglieder
(Bild 9.14).
VSd Vw
α Pcz
Pc
dx
Bild 9.14 Die z-Komponente der auf den Beton wirkenden Vorspannkraft Pcz (-) reduziert die aktiv
einwirkende Querkraft VSd
(- )
V w = V Sd + P cz (9.62)
(- )
P c z = P c ⋅ sin α (9.63)
Die über den Steg abzutragende Querkraft Vw ist normalerweise um Pcz kleiner als die einwirkende
Schnittkraft VSd. Infolge der Neigung α der Spannglieder wird die Schubbeanspruchung des Steges und
damit auch die erforderliche Schubbewehrung (Bügel) kleiner. Deshalb ist in die Gleichung (9.63) (bei
positivem α gemäß der Definition im Bild 9.14) ein unterer Grenzwert Pinf für die Vorspannkraft einzu-
setzen. Pinf versteht sich als Vorspannkraft nach Abzug aller Kurz- und Langzeitverluste mit folgenden
Sicherheitsbeiwerten:
A p ⋅ f p, 0,1k
Für σ p ≥ f p, 0,1k : P inf = --------------------------- mit γp = 1,15 (9.65)
γp
P c = – P inf (9.66)
Anmerkung: Die Reduktion der Stegbeanspruchung durch Pcz setzt voraus, daß die in Rechnung gestellte Neigung α im
Bauwerk sicher vorhanden ist. Im Zweifelfall ist ein unterer Grenzwert für α einzusetzen.
14.11.01 305
9. Querkraft
Schubtragwirkung
Pt
uz ... Umlenkkräfte
Wendepunkt q1 = λ ⋅ q Wendepunkt
Pz = Pt ⋅ sin α
Pt Pt
Px
α uz ... Umlenkkräfte
Px = Pt ⋅ cos α
λ⋅R
P ⋅ sin α P inf = γP ⋅ P m t
V≈0 --> λ ≈ --------------------
R
γP = 0,9
t = ∞
14.11.01 306
9. Querkraft
Anmerkung: Die nachfolgenden Ausführungen dienen in erster Linie dem Verständnis der Querkrafttragwirkung in vorge-
spannten Konstruktionen
Wenn man die Vorspannung als „externes Lastsystem“ betrachtet, kann man den Umlenkkräften einen
Teil λ der äußeren Lasteinwirkung q zuordnen. Die Last λ ⋅ q steht also mit den Umlenkkräften uz im
Gleichgewicht (Bild 9.15).
Anmerkung: Die z-Komponente uz der Umlenkkräfte kann konstant angesetzt werden, wenn der Spanngliedverlauf nähe-
rungsweise einer quadratischen Parabel entspricht.
a Pp(+) Pp(+)
uz
Pz
α0 α0
q1 = λ ⋅ q
b
Pc(-)
Pcz
α0 Pcx
uz
λ ⋅ Rq λ ⋅ Rq
Auflager bzw. Wendepunkte
Bild 9.15 Lastanteil λ ⋅ q , den die Spanngleider mit den Umlenkkräften u abtragen
a) das durch die Umlenkkräfte u und die Vorspannkraft Pp belastete Seil
b) der durch den Lastanteil q1 und die Vorspannung belastete Beton
Damit bleibt der Balken gerade (keine Biegeverformung). Er erfährt lediglich eine Längsrichtung durch
Pcx (-). Die z-Komponente der Ankerkraft Pcz(0) entspricht der anteiligen Auflagerreaktion λ ⋅ R .
14.11.01 307
9. Querkraft
q⋅l
R = --------- # (9.69)
2
Aus Gleichung (9.68) folgt mit Pinf nach den Gleichungen (9.64) und (9.65):
P inf
λ = ---------- ⋅ sin α 0 (9.70)
R
F
q2 = ( 1 – λ ) ⋅ q
schlaffe Bewehrung
vorgespannte Bewehrung
q2 = ( 1 – λ ) ⋅ q (9.71)
q Sd = q 1 + q 2 (9.72)
Bei Vorspannung ohne Verbund ist der Spannstahl im Fachwerkmodell nicht wirksam. Der Zuggurt im
Bild 9.16 besteht nur aus schlaffer Bewehrung.
Wenn es sich um eine Vorspannung mit Verbund handelt, kann der Spannstahl mit seiner rechnerischen
Resttragfähigkeit wie eine schlaffe Biegezugbewehgung im Fachwerkmodell Berücksichtigung finden
(Bild 9.17).
14.11.01 308
9. Querkraft
σp σp2 f pk
f pk f pk
f pd = ------- = -----------
γp 1,15
f p, 0,1d = 0,9 f pd
γ p ⋅ f p, 0,1d
γp = 0,9 σp2
σp1 εp2
σp(0)
εp
εpu
εp1 εp2
(0 ) ( 1)
ε p1 = ε p + ε p, q1 (9.73)
14.11.01 309
9. Querkraft
Bei fehlender Stegbewehrung (Bügel) stellt sich eine Druckbogen-mit-Zugbandtragwirkung gemäß Bild
9.18 ein. Die Vertikalkomponente der Längskraft im Druckbogen entspricht dann im wesentlichen der
Querkraft. Diese Bogen-mit-Zugbandtragwirkung wächst mit zunehmender Stegbreite und abnehmen-
der Biegeschlankheit (Scheibenwirkung).
a F
Sie stehen einerseits derart nahe beim Auflager, daß die Querkraft dominant wird und sie sind anderer-
seits so weit vom Auflager entfernt, daß eine direkte Lastabtragung über Sprengwerkwirkung (Bild
12.36) nicht mehr möglich ist. In Hinblick auf die Querkrafttragwirkung in unbewehrten Stegen wirkt sich
eine Einzellast, die im Abstand x0 = 2,5 bis 3,0 d vom Auflager angreift, besonders günstig aus.
Bei schlanken Balken und Platten - insbesondere bei Durchlauftragwirkungen - kann eine lokale Schub-
bewehrung (Aufhängebewehrung) ein „Zwischenauflager“ für die Bogen-mit-Zugband-Wirkung bilden
(Bild 9.20).
14.11.01 310
9. Querkraft
14.11.01 311
9. Querkraft
Bei Balken und Platten mit Schubbewehrung überlagert sich die Fachwerkwirkung die im Abschnitt 9.8
beschriebene Bogen-mit-Zugband-Wirkung gemeinsam mit weiteren sekundären Tragwirkungen. Des-
halb sind die in Versuchen gemessenen Bügeldehnungen oft wesentlich kleiner als die mittels Fach-
werkmodellen berechneten (Bild 9.21)
Vu
(Bruch) VRd1 ... Betonanteil
g
un
e hn
g eld
B ü °)
e 5
en =4
es
s (θ
m ie
ge alog VS&T... Fachwerkanalogie
Vr n
ka
(Riß) w er
ch
Fa
εs
Bild 9.21 Vergleich der gemessenen Bügeldehnungen mit den rechnerischen Werten nach der
klassischen Fachwerkanalogie (45° Fachwerk)
σ2/fcc τ/fcc
τ/fcc
14.11.01 312
9. Querkraft
Rißverzahnung
Als Folge der Verzahnung der rauhen Rißufer können in den Rißufern Schubkräfte übertragen werden
- soferne die Rißbreiten klein bleiben (Bild 9.23).
Vw1
Va1 Va2
Vw2
Fs Vd1 Fs + ∆Fs
Vd2
Vc C1
Vw
Va
Vd
14.11.01 313
9. Querkraft
0, 25f ctk,0,05
τ Rd = --------------------------------- (9.75)
γc
A s1
ρ 1 = -------------- ≤ 0, 02 (9.77)
bw ⋅ d
As1 ....................Fläche der Biegezugbewehrung, die mindestens um das Maß d + lbd über den betrach-
teten Querschnitt hinausreicht
lbd .....................Verankerungslänge
N Sd
σ cN = ---------- (9.78)
Ac
14.11.01 314
9. Querkraft
A A
M V M + ∆M
V
A A
∆x
C C + ∆C
tA
z
C T + ∆T
Schubbewehrung im Steg
Im Bild 9.24 sind die Anschlußfugen zwischen den Gurten und dem Steg dargestellt, sowie der in diesen
Fugen wirkende Schubfluß tA-A.
– ∆C ∆M
t A – A = ----------- = -------------- (9.79)
∆x ∆x ⋅ z
dM ∆M
V = -------- = --------- (9.80)
dx ∆x
V
t A – A = ---- (9.81)
z
Alle weiteren Nachweise entsprechen den Abschnitten 9.3 und 9.4. Beispielsweise folgt die erforderliche
Anschlußbewehrung aus Gleichung (8.12) oder (9.30):
tA – A V
erf as = ------------- tan θ = -------------- tan θ (9.82)
f yd z ⋅ f yd
14.11.01 315
9. Querkraft
b
bF bF b = bW + 2bF
bW
B B
B B
CW
CF CF
tB-B
∆x
CF + ∆CF CF + ∆CF
CW + ∆Cw
bF – ∆M b F
∆CF = ∆C ------ = ------------ ------ (9.83)
b z b
– ∆C F ∆M 1 bF
tB-B = -------------- = --------- --- ------ (9.84)
∆x ∆x z b
V bF
t B – B = ---- ------ (9.85)
z b
tB – B
erf as = ------------- tan θ2 (9.86)
f yd
14.11.01 316
9. Querkraft
b
bF bF
bW
As = AsW + 2AsF
C C
AsF AsF
C C
AsW
TW
TF TF
tC-C
∆x
TF + ∆TF TF + ∆TF
TW + TCw
A sF ∆M A s F
∆F F = ∆T --------- = --------- --------- (9.87)
As z As
∆T F ∆M A sF
tC-C = ---------- = --------- --------- (9.88)
As z As
V A sF
tC-C = ---- --------- (9.89)
z As
Aus der Gleichung (8.28) erhält man damit die erforderliche Anschlußbewehrung
14.11.01 317
9. Querkraft
tC – C
erf as = ------------- tan θ1 (9.90)
f yd
∆T + ∆C = 0 (9.91)
∆M = ∆T · z = V · ∆x (9.92)
Das Bild 9.27zeigt jenes Fachwerkmodell, welches diesen Gleichgewichtszustand herstellt. Im Druck-
gurt kann für die Rißrichtung θ 2 ≤ 45° angesetzt werden. Im Zuggurt sollte dagegen der Winkel
θ 1 ≥ 45° angenommen werden.
a
y Druckgurt (Grundriß) ∆x
∆CF
Flansch
x a2 θ2 ∆C
Steg ∆CW
∆CF
Flansch
b
Steg (Aufriß)
Flansch hF
Steg x z
θ
Flansch
∆T
z
c y Zuggurt (Grundriß)
∆Tf
Flansch
a1 θ1
Steg ∆Tw ∆T
x
Flansch
∆Tf
Bild 9.27 Fachwerkmodell zur Änderung der Gurtkräfte infolge der Querkraft
14.11.01 318
9. Querkraft
14.11.01 319
9. Querkraft
9.11.1 Allgemeines
Sogenannte Plattenbalkenquerschnitte (Bild 9.29) mit einer breiten Biegedruckzone und einem relativ
schlanken Steg werden dem Verbundbaustoff Stahlbeton in besonderem Maße gerecht. Bei relativ ge-
ringem Gewicht bieten sie ein optimales Biege- und Querkraftverhalten. Der Plattenbalkenquerschnitt
ist neben dem Rechteckquerschnitt die häufigste Querschnittsform im Stahlbetonbau.
h h
bw
Wie im vorigen Abschnitt ausgeführt wurde, stellt sich auch in der Druckgurtscheibe eine Fachwerkwir-
kung ein, die eine Querbewehrung erfordert.
Bei breiten Druckgurten entzieht sich die Gurtscheibe (infolge der Dehnung der Querbewehrung) mit zu-
nehmender Entfernung vom Steg der Druckkraftaufnahme. Die Querschnittsverformung weicht von der
Bernoulli-Hypothese ab. Das Bild 9.30 zeigt qualitativ die Verteilung der Längsspannungen σcx in der
Biegedruckzone.
σx
x
obere Randspannung
gekrümmt
Nullinie
(gekrümmt)
max σcx
Bild 9.30 Verteilung der Betonspannungen σcx und Verlauf der Nullinie
Die mitwirkende Plattenbreite beff entsprechend Bild 9.31 ist die Ersatzbreite, die unter Annahme einer
konstanten Spannung max σc in der Gurtscheibe zu der gleichen Druckkraft C führt, wie die tatsächliche
Spannungsverteilung σc(y).
14.11.01 320
9. Querkraft
+b ⁄ 2
1
b eff = ------------------- ⋅ ò σ ( y ) dy (9.93)
max σ c – b ⁄ 2 c
a b
σc(y) max σc
Das Bild 9.32 zeigt einen mehrstegigen Plattenbalken, bei dem der Druckgurt gleichzeitig in Querrich-
tung als Platte trägt. Von dieser Plattenwirkung leitet sich die Bezeichnung „Plattenbalken“ ab. Streng
genommen müßte die mitwirkende Plattenbreite als „mitwirkende Scheibenbreite“ bezeichnet werden.
14.11.01 321
9. Querkraft
a b
beff beff
b1 bw b2 b2 bw b2
b
a1 bw a bw
0,15 (l1 + l 2)
0,85 l 1 0,7 l 2 2lk
l1 l2 lk
a) b eff = b w + b 1 + b2 (9.94)
b) b eff = b w + 2b 2 (9.95)
l0
b 1 = ------ und b1 ≤ a1 (9.96)
10
l0 a
b 2 = ------ und b 1 ≤ --- (9.97)
10 2
2
b eff = b w + b eff,i (9.98)
å
i=1
Der Verlauf der Breite beff hängt von der Belastung (Einzellast, Streckenlast), der Entfernung vom Auf-
lager, vom statischen System und vom Verhältnis der Plattensteifigkeit zur Steifigkeit des Steges ab
(Bild 9.33). Im EC2 wird die mitwirkende Breite stark vereinfacht ermittelt, wobei die Ergebnisse auf der
sicheren Seite liegen.
14.11.01 322
9. Querkraft
Bild 9.33 Beispiele für den Verlauf der mitwirkenden Breite beff (qualitativ)
14.11.01 323
10. Torsion
10. Torsion
Man unterscheidet zwischen der Last- oder Gleichgewichtstorsion und der Verformungs- oder Verträgli-
chkeitstorsion. Während bei der Lasttorsion die Torsionsmomente benötigt werden, um das Gleichge-
wicht herzustellen (Bild 10.1), hat die Verformungstorsion den Charakter eines Zwanges; (Bild 10.2)
x’
F
MT = F ⋅ e
MT −
Mx
+
14.11.01 324
10. Torsion
F
B
elastisch
eingespannt
α
MT M
B
frei drehbar
gelagert β
Mit abnehmender Torsionssteifigkeit im Balken A nimmt die Verdrehung α im Bild 10.2 zu und gegen-
läufig die Torsionseinwirkung MT ab. Der Grenzfall α = β würde nur erreicht werden, wenn die Torsion-
ssteifigkeit im Balken A Null wäre oder wenn der Balken A nicht torsionssteif gelagert wäre. Auch in
letzterem Fall bleibt das System stabil - ohne Mitwirkung eines Torsionsmomentes. In der Praxis weist
man bei Verträglichkeitstorsion die Torsionstragwirkung oft gar nicht nach - oder nur näherungsweise,
indem man im Kreuzungspunkt i auf den Balken A als oberen Grenzwert die Verdrehung β aufzwingt.
14.11.01 325
10. Torsion
Tordierende Lasten werden nachfolgend mit MT [kNm] bzw. mit mT [kNm/m] bezeichnet (Bild 10.3).
MT
mT
y x
Vy
N
z
My Mx
Vz
Mz
14.11.01 326
10. Torsion
Wenn man eine verteilte Torsionseinwirkung mT [kNm/m] durch eine Streckenlast q = mT [kN/m] ersetzt
und eine konzentrierte Torsionseinwirkung MT [kNm] durch eine Einzellast F = MT [kN], so entsprechen
die Querkraftslinien für diese Ersatzlasten formal dem Torsionsmomentenverlauf. Torsionseinspannun-
gen werden für die Querkraftanalogie durch Kräfteauflager ersetzt. Die in Bild 10.5 bis Bild 10.7 skizzi-
erten Beispiele zeigen die Vorgangsweise.
tatsächliches System MT = F ⋅ e
und tatsächliche a
Einwirkung
l
Querkraftanalogie:
MT
b
Ersatzsystem und
Ersatzeinwirkung x x’
a
c
–MT ⋅ x
− ------------------
l
Querkraftlinie am Ersatzsystem
entspricht der Torsions-
M T ⋅ x’ +
momentenlinie Mx ----------------
-
am Originalsystem l
Querkraftanalogie:
mT
Ersatzsystem und
Ersatzeinwirkung
Mx(x):
− mt ⋅ l
14.11.01 327
10. Torsion
Beidseitige Torsionseinspannung
a
a
MT
mT
b
mT MT
tatsächliches System
und tatsächliche
Einwirkung
l
c a
MT
Ersatzsystem und mT
Ersatzeinwirkung
a
d
−
Querkraftanaogie
V ( x ) = Mx ( x )
14.11.01 328
10. Torsion
10.4 Torsionsverformung
Um ein Stabelement der Länge „1“ um das Maß ϑx zu verdrillen (Bild 10.8) ist ein Torsionsmoment der
Größe
Mx = G ⋅ JT ⋅ ϑ x (10.1)
erforderlich.
1
ϑx
Mx
E
G = --------------------- (10.2)
2(1 + υ)
Mx .....................Torsionsmoment
G ......................Schubmodul (Beton: G ≈ 0, 4 E)
JT .....................Drill- oder Verdrehwiderstand
ϑx .....................Verdrillung
E ......................Elastizitätsmodul
1
ν .......................Querdehnungszahl (Beton υ ≈ --- )
6
Mit zunehmender Torsionseinwirkung gehen Stahlbetonstäbe in den gerissenen Zustand II über, wobei
die Torsionsrisse etwa unter 45° spiralenartig den Stab umlaufen. Im Zustand II fällt die Torsionssteifig-
keit stark ab. Näherungsweise kann angenommen werden.
( GI T ) II 1
----------------- ≈ --- (10.3)
( GI T ) I 4
Beispielsweise errechnet sich die Verdrehung α des Balkens A im Bild 10.2 nach dem Prinzip der vir-
tuellen Arbeiten wie folgt
v Mx
α = Mx ⋅ --------- dx (10.4)
ò GI T
14.11.01 329
10. Torsion
p(u)
b(u)
du
u
τ(u)
y dA(u)
z dt =
= τ ( u ) ⋅ b ( u ) ⋅ du
min b Ak
max τ
1. Bredt’sche Formel
Der Schubfluß t bleibt über den gesamten Umfang des Hohlquerschnittes konstant
Mx =
°ò t ⋅ p( u) ⋅ du (10.6)
°
Mx = 2t ò dA ( u ) = 2t Ak (10.7)
2. Bredt’sche Formel
Mx
t = ---------- (10.8)
2A k
Hohlquerschnitte (Kastenquerschnitte) eignen sich umso besser zur Aufnahme von Torsionsmomenten,
je größer die Mittelfläche Ak ist.
Die St. Venant’sche Torsion erzeugt reine Schubspannungszustände τ in den Wandungen der
Hohlquerschnitte. Daher gelten die Ausführungen des Abschnitts 8.2 hier uneingeschränkt.
14.11.01 330
10. Torsion
t
asx
t ⋅ a1
Ak
t ⋅ a2
a2
t
a1 asz θ = 45° : asx = asz
quadratisches Netz
Auch bei einer Torsionseinwirkung entsteht - wie bei der Querkraft - eine innere Zugkraft.
Für die Längsbewehrung gilt
t
a sx = ------- cotθ (10.9)
f yd
t
a sz = ------- tanθ (10.10)
f yd
– 2t
σ c = -------------------------- (10.11)
b 0 ⋅ sin 2θ
σ c ≤ υ 2 f cd1 (10.12)
14.11.01 331
10. Torsion
fc k
ν 2 = 0,7 æ 0,7 – ----------ö ≥ 0,35
è 200ø
f ck
ν 2 = 0,7 – ---------- ≥ 0,50
200
14.11.01 332
10. Torsion
τ
a τ b
max τ
Das Bild 10.12 zeigt die Schubspannungsverteilung in einem Rechteckquerschnitt nach der Elastizität-
stheorie. In Querschnittsmitte sind die Schubspannungen klein und außerdem ist der Abstand zur Sta-
bachse gering. Im Vergleich zur Randzone beteiligt sich der Kernbereich des Querschnittes kaum an
der Torsionstragwirkung. Dies gilt besonders auch für gerissene Stahlbetonquerschnitte
TBü
TL
TL
TL
TBü
TL
Deshalb kann man wie im Bild 10.13 den Querschnittskern hinsichtlich der Torsionstragwirkung vernac-
hlässigen. Das heißt, man kann auch vollwandige und dickwandige Querschnitte als Kastenquerschnitte
nach Abschnitt 10.5 bemessen. Als Wandstärke b0 des Ersatzkastenquerschnittes (Bild 10.14) gilt nach
EC2.
A
b 0 ≤ ---- (10.13)
u
b 0 ≥ 2c (10.14)
14.11.01 333
10. Torsion
b0
A = b⋅h
h u = 2(b + h)
b0
b0 b0
b
A.......................Bruttobetonfläche
u .......................Umfang des Querschnittes
c .......................Betondeckung
b0 .....................Wandstärke des Ersatzkastenquerschnittes
Kastenquerschnitte gelten definitionsgemäß als dickwandig, wenn ihre Wandstärke größer als b0 ist. In
diesem Falle ist mit dem Ersatzquerschnitt gemäß Bild 10.14 zu rechnen. Die innere Bewehrung im Bild
Bild 10.11b darf für Torsion nur in Rechnung gestellt werden, wenn ihr Randabstand b0 nach Gleichung
(10.14) nicht überschreitet.
14.11.01 334
10. Torsion
Die Schubspannungsverteilung bei Torsionseinwirkung ist im Bild 10.13 nach der Elastizitätstheorie
qualitativ skizziert. Das Bild 10.15 zeigt dieselbe Darstellung für eine Querkraftseinwirkung. Man erken-
nt, daß die beiden Spannungsbilder völlig unterschiedliche Spannungsverteilungen darstellen. Die
Überlagerung dieser beiden Einwirkungen liefert schon nach der Elastizitätstheorie eine komplizierte
Spannungsverteilung. Noch komplizierter wird sie, wenn sich bei Stahlbeton noch Risse einstellen.
max τ
V
t V = ---- (10.15)
z
Mx
t T = ---------- (10.16)
2Ak
tV
t = ----- + t T (10.17)
2
wogegen sie in der rechten Scheibe einander entgegenwirken (reduzieren). Daher ist die linke Scheibe
für die Bemessung der Bewehrung maßgebend.
Es gelten wieder die bereits bekannten Formeln (Gleichung (10.9)bis (10.12)) für t nach Gleichung
(10.17)
14.11.01 335
10. Torsion
Zug
Druck
tV
V
b Druck
Zug
tT
Mx
Druck
Bei mehrstegigen Kastenquerschnitten kann die Querkraft auf alle Stege aufgeteilt werden. Die Torsion
wird dagegen meist nur dem äußeren einzelligen Kasten zugewiesen.
1 2 2 1
c Außensteg Innensteg
1 2 3 4 5 6 7 8
ba bi
Bild 10.17 Anzahl der wirksamen Bügelschnitte bei einem dreizelligen Brückenquerschnitt
a) Modellbildung (Schubscheiben)
b) Torsionskastenquerschnitt
c) Querkraftsschubscheiben
14.11.01 336
10. Torsion
1 V
t v = --- ⋅ ---- (10.18)
8 z
1 Mx
t T = --- ⋅ ---------- (10.19)
2 2A k
14.11.01 337
11. Durchstanzen von Platten
Konzentriert auf Platten einwirkende Einzellasten können auf Traglastniveau zu einem Schubbruch füh-
ren, der mit Durchstanzen bezeichnet wird (Bild 11.1).
14.11.01 338
11. Durchstanzen von Platten
c d
v v
C v
C v
Wie erwähnt wachsen die Durchstanzlasten mit dem Bewehrungsgrad der Biegebewehrung an. Weiters
steigt der Durchstanzwiderstand mit der Betongüte, mit der Plattendicke und mit der Querschnittsfläche
der Stütze.
14.11.01 339
11. Durchstanzen von Platten
Das Bild 11.3 a zeigt den sogenannten kritischen Rundschnitt im Aufriß und das Bild 11.3b im Grundriß.
Es ist dies die Schnittlinie des Durchstanzkegelstumpfes (Rißneigung 33,7°) mit der Biegebewehung
(mittlere statische Nutzhöhe d)
dx + dy
d = ------------------ (11.1)
2
a Durchstanz- kritischer
kegelstumpf Umfang
Deckenplatte
d h
θ θ
kritischer
1,5 d 1,5 d Rundschnitt
Fundament- kritischer
platte 1,5 df 1,5 df Rundschnitt
θ df
θ hf
Durchstanz-
b kegelstumpf
Acrit
1,5 df
In diesem Rundschnitt ist der Nachweis der Tragfähigkeit (ULS) hinsichtlich Durchstanzen zu führen. Es
gilt die halbempirische Formel für den Durchstanzwiderstand ohne Schubbewehrung:
14.11.01 340
11. Durchstanzen von Platten
d
v = 1,2 ⋅ τ d ⋅ k c ⋅ æ 1,2 + 2000 ⋅ --- ⋅ ρö ⋅ d (11.2)
è l ø
ρ = ρ x ⋅ ρ y ≤ 0,015
a sx
ρ x = -------- .........Bewehrungsgrad der Biegezugbewehrung in x- und in
dx
a sy
ρ y = -------- .........y-Richtung innerhalb des kritischen Rundschnittes
dy
l ........................bei Flachdecken: die größere an die betrachtete Stütze anschließende Stützweite;
bei Einzelfundamenten: die doppelte größere Grundrißabmessung
d .......................mittlere Nutzhöhe (sihe Gleichung (11.1))
l ⁄ d ≥ 20 ...........kleinere Schlankheiten als l/d = 20 dürfen in Gleichung (11.2) nicht in Rechnung gestellt
werden
14.11.01 341
11. Durchstanzen von Platten
V Sd
v Sd = ---------- (11.3)
u
VSd ...................Rechenwert der gesamten auf den kritischen Rundschnitt u einwirkenden Querkraft
Anmerkung: Bei Platten sollte die Querkraft VSd der absolut größten Normalkraft im Ausschnittsquerschnitt der Stütze
entsprechen.
Bei Fundamenten darf die Stützenkraft um die Sohlpressung innerhalb des kritischen Rundschnittes abgemi-
ndert werden
1,5d 1,5d
1,5d
1,5d
b1/2 ì a
ï
1,5d a1 ≤ í
2b
b ï 5,6d – b1
î
b1/2 ìb
a1/2 a1/2 b1 ≤ í
î 2,8d
a>b
maßgebend für Durchstanzen
l1 ≤ l2
≤ 6d
l1 ⋅ l2
zu ersetzen
freier Rand
freier Rand
1,5d
14.11.01 342
11. Durchstanzen von Platten
Die mittlere bezogene Schubkraft vSd,m stellt sich nur ein, wenn eine axial-symmetrische Einwirkung und
Geometrie vorliegt. Praktisch tritt meist eine gewisse Lastexzentrizität auf:
β .......................Beiwert, der den Maximalwert vSd,sup entlang des kritischen Rundschnittes wider-
spiegelt
β = 1,15 ............für Innenstützen
β = 1,40 ............für Randstützen
β = 1,50 ............für Eckstützen
Wenn die auftretende Lastexzentrizität genauer nachgewiesen wird, können verbesserte β-Werte ein-
gesetzt werden.
14.11.01 343
11. Durchstanzen von Platten
11.4 Nachweisverfahren
Der Nachweis der Tragfähigkeit hinsichtlich Durchstanzen bei Platten ohne Durchstanzbewehrung gilt
als erbracht, wenn
14.11.01 344
11. Durchstanzen von Platten
11.5 Durchstanzbewehrung
Duch Anordnen einer Schubbewehrung innerhalb des kritischen Umfanges kann der Durchstanzwider-
stand um maximal 40% erhöht werden,
v Sd ≤ 1,4 ⋅ v Rd 1 (11.6)
v Sd ≤ v Rds (11.7)
k s ⋅ A sv ⋅ f yd ⋅ sin α
v Rds = v Rd1 + ------------------------------------------------ (11.8)
n
a c
≤0,75 d <0,5 d
~1,5 d
k s = 0, 5 (11.9)
Für andere Bewehrungssysteme (Dübelleisten, etc.) darf der Durchstanzwiderstand durch Versuche er-
mittelt und in Zulassungen geregelt werden.
Schrägaufbiegungen dürfen nur in Rechnung gestellt werden, wenn diese Bewehrungsstäbe nicht wei-
ter als d/4 vom Stützenquerschnitt entfernt an der Stütze vorbeigeführt werden (Bild 11.6).
14.11.01 345
11. Durchstanzen von Platten
<0,5 d
~2 d
~2 d
0,25 d
14.11.01 346
11. Durchstanzen von Platten
Die Querkrafttragwirkung wird wesentlich durch die über den Stützen durchlaufende Biegebewehrung
bestimmt. Um sicherzustellen, daß sich der im Abschnitt 11.1 beschriebene Durchstanzmechanismus
einstellen kann, darf die Stützbewehrung nicht vorzeitig beim Auftreten der ersten Radialrisse ins Flie-
ßen kommen. Daher ist in den im Bild 11.9 hinterlegt dargestellten Wirkungsbereich beff folgende Min-
destbewehrung anzuordnen,
V Sd e
a s,min = -------------- ⋅ --------- (11.10)
z ⋅ f y d b eff
ex ey
--------
- für asx,min --------
- für asy,min
Lage der Stütze b e ff beff b e ff beff
Randstütze
Rand in x-Richtung 0,250 0 0,15 ly 0,125 0,125 0,3 lx
Rand in y-Richtung 0,125 0,125 0,3 ly 0,25 0 0,15 lx
14.11.01 347
11. Durchstanzen von Platten
0,3 ly
x x my x
A A mx
ly y
a 0,15 lx 0,3 lx y
0,15 ly x
lx
Bei Rand- und Eckstützen ist die normal zum Plattenrand verlaufende Biegebewehrung mittels U-Bügel
(Haarnadeln) zu verankern (Bild 11.10).
14.11.01 348
11. Durchstanzen von Platten
β β d
hH hH
β β
Lasteinleitungsfächer
lH ≤ 1,5 hH lH ≤ 1,5 hH
lc
Bild 11.11 kritischer Rundschnitt für eine Stützenkopfverstärkung mit lH < 1,5 hH
Bei Stützenkopfverstärkungen mit einer Breite lH, die größer als 1,5 (d+h H) ist, muß der Durchstanz-
nachweis in zwei kritischen Rundschnitten geführt werden. Der zweite Nachweis betrifft die Platte au-
ßerhalb der Stützenkopfverstärkung (Bild 11.12)
dcrit,ex dcrit,ex
dcrit dcrit
d d
β
β
hH hH
β
β
kritische
Rundschnitte
lH > 1,5 (d+hH) lH > 1,5 (d+hH)
lc
Bild 11.12 kritischer Rundschnitt für eine Stützenkopfverstärkung mit lH > 1,5 (d+hH)
14.11.01 349
11. Durchstanzen von Platten
Die Vorspannung reduziert mit ihrer z-Komponente Pz die auf den Durchstanzkegel einwirkende Quer-
kraft.
Heute ist es üblich, bei Flachdecken die sogenannte freie Spanngliedlage anzuwenden. Dabei werden
die Monolitzen zu Bändern aus zwei bis vier Litzen zusammengefaßt. Sie liegen im Feld direkt auf dem
orthogonalen Netz der schlaffen Bewehrung auf und werden über den Stützen an die obere schlaffe
Stützenbewehrung aufgehängt. Dazwischen hängt die Spannbewehrung wie ein Seil ohne weitere Un-
terstützung (Abstandhalter).
Deshalb kann jener Winkel αi in Gleichung (11.11), unter dem das Spannglied i den Durchstanzkegel
durchdringt, nur unsicher vorausgesehen werden. Er kann sehr klein werden. Deshalb sollte man zur
Sicherheit auf die Reduktion der Querkraft auf der Einwirkungsseite gemäß Gleichung (11.11) verzich-
ten.
Weiters erhöht die Vorspannung den Durchstanzwiderstand auf der Widerstandsseite um vRdp.
( -) ( -)
mit v Rdp = – 0,1 ⋅ n p = – 0,1 ⋅ σ c p ⋅ d (11.13)
14.11.01 350
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.1 Allgemeines
Die Fachwerkmodelle sind einfache Stabwerkmodelle (meist statisch bestimmte Fachwerke), die zur Lö-
sung von Scheibenproblemen im konstruktiven Stahlbeton Anwendung finden. Daß sich Fachwerkmo-
delle hiefür eignen, läßt sich mit dem statischen Grenzwertsatz der Plastizitätstheorie begründen. Dieser
sagt aus, daß ein Belastungssystem, welches zu einem „statisch zulässigen Spannungszustand“ führt
und die Fließbedingungen nicht verletzt, einem unteren Grenzwert für die Traglast entspricht. Ein „sta-
tisch zulässiger Spannungszustand“ erfüllt die Gleichgewichtsbedingungen und die statischen Randbe-
dingungen (Lagerbedingungen).
Die Zugstäbe (ties) sind meist die Resultierenden einer Bewehrungsschar. Die Druckstäbe (stuts) ent-
sprechen den Resultierenden eines Druckspannungsfeldes (Bild 12.1).
a C b C
C
C
xc xc
14.11.01 351
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Obwohl normalerweise Zugkräfte durch eine Bewehrung aufgenommen werden, gibt es Fälle, wo die
Tragfähigkeit von der Betonzugfestigkeit abhängt. Beispielsweise im Falle von Balken ohne Schubbe-
wehrung (Bild 12.2) oder in Verbund-, Stoß- bzw. Verankerungsbereichen.
θ TC
σ1 bw ⋅ z
T C = σ 1 ⋅ --------------
V ct = σ 1 ⋅ bw ⋅ z ⋅ cot θ sin θ
f ctm
f 1cd = ---------- (12.1)
γ ct
Im ULS kommt die Bewehrung normalerweise ins Fließen. Die reaktive Zugkraft lautet:
T s = A s ⋅ f yd (12.2)
14.11.01 352
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Ac = b ⋅ x c (12.4)
f ck
f 1cd = α ⋅ ------- (12.6)
γc
α = 0,85............Faktor, der das Verhältnis zwischen der einachsigen Festigkeit im Bauwerk und der ex-
perimentell ermittelten Zylinderfestigkeit erfaßt.
γc = 1,5 .............Teilsicherheitsbeiwert für Beton
ν2 = 1,0 ............für gerissene Druckstreben mit gleichmäßiger Spannungsverteilung
ν2 = 0,8 ............Druckspannungsfelder, die von Querbewehrungen mit Verbund durchsetzt sind. Die Ab-
minderung ist auf den Querzug in der Bewehrung und auf Störungen des Kraftflusses in
den Druckstreben durch die Bewehrung, sowie auf unregelmäßige Rißoberflächen zu-
rückzuführen
ν2 = 0,6.............Druckstreben, die Druckkräfte über Risse mit normaler Rißbreite übertragen, z.B. in Ste-
gen von Balken
ν2 = 0,45 ..........Druckstreben, die Druckkräfte über große Risse übertragen, z.B. in Flanschen (Gurt-
platten) mit nahezu zentrischem Zug
Wenn parallel zu den Druckspannungen Druckbewehrungen angeordnet sind, die durch eine entspre-
chende Querbewehrung gegen Ausknicken gesichert sind, darf diese Druckbewehrung wie in Druckgur-
ten von Balken oder bei Stützen in Rechnung gestellt werden.
Die Tragfähigkeit von Druckstreben kann durch eine Wendel oder eine entsprechende Querbewehrung
erhöht werden, weil diese die Querdehnung behindert und dabei einen 3D-Druckspannungszustand be-
wirkt.
14.11.01 353
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
σ1
σ2 = σ 3
Spannungs-Dehnungs-Beziehung
für ein-, zwei- und dreiachsig beanspruchten Beton
σ2 = σ3 = 0
σ 3 =0
ε1
σ1 σ1 σ1
oder
σ2 σ2
σ3
σ2 σ2
σ3
σ1 σ1 σ1
= =0 =0
Bild 12.3 Erhöhung der Druckfestigkeit durch Querdehnungsbehinderung
Das Anwachsen der Festigkeit kann näherungsweise durch folgende Beziehung in Rechnung gestellt
werden.
f cc d = ( 1 + 1, 6 ⋅ α ⋅ ω W ) ⋅ f 1cd (12.9)
C Rd = A cc ⋅ f c cd (12.10)
14.11.01 354
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a
Asw str
Acc Asw
sl x bc
dc=bc
d
4A sw f yd
Asw 4A s w f yd ω w = ----------------- ⋅ -------
ω w = -------------- ⋅ ------- b c ⋅ s tr f cd
d c ⋅ s l f cd
Acc
9A sw f yd
ω w = -------------- ⋅ -------
bc bc ⋅ s l f cd
b
b c
α
0,4 f ccd
0,4 s --------
- f ccd
α = 1, 6 ⋅ ------ f 1cd - = 1 + 1, 6 ⋅ α ⋅ ω w
--------
bc f 1cd
0,3
0,2
1,0
0,1 0,25
s
------
0,4 α ω w
0 0,1 0,2 0,3 0,4 b 0 0,1 0,2 0,3
c
Bild 12.4 Tragfähigkeit von umschnürtem Beton
Wenn eine Druckstrebe mit der Breite b von Stäben oder Hüllrohren durchkreuzt wird und die Summe
ihrer Durchmesser b/6 überschreitet, sind die Druckspannungen auf der Basis der reduzierten Breite
nachzuweisen.
b red = b – η ⋅ ∅ (12.11)
å
η.......................Koeffizient, der von der Steifigkeit der Stäbe oder Hüllrohre abhängt
η = 0,5..............für Stäbe im Verbund und mit Injektionsmörtel ausgepreßte Hüllrohre
η = 1,2..............für Spannglieder ohne Verbund und nicht injizierte Hüllrohre
Die reduzierte Tragfähigkeit der Druckstrebe lautet
14.11.01 355
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.4 Fachwerkknoten
b mittels Haken
e mittels Bügelschlaufe
c
Splintstab
f mittels Ankerplatte
Kegelstumpf Zylinder
u σx
C = -T
σc
u
T
lbd
Die Verankerungslänge lbd hängt von der Art der Verankerung und von der aktuellen Spannung im Be-
wehrungsstab ab
erf A s
l bd = αa ⋅ l b ⋅ -------------------- (12.13)
vorh A s
14.11.01 356
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
d s ⋅ f yd
l b = ----------------- (12.14)
4 ⋅ fbd
f bd = 1, 05 ⋅ f ctm (12.15)
( a ) 45° ≤ α ≤ 90°
(c) 250 mm < h < 600 mm
für alle Werte von h
h
α h/2
300 mm
h/2
14.11.01 357
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Koeffizient αa für
Verankerung in
Verankerungstyp
Zug Druck
∅
1,0 1,0
lb net
≥ 5∅
≥ 5∅
db db
135° > α ≥ 90° db ∅ 0,7 1,0
α ≥ 135° ∅ ∅
∅
0,7 0,7
lb net
≥ 5∅ Querbewehrung
≥ 5∅
db db
α ≥ 135° 135° > α ≥ 90° db ∅
∅ ∅ 0,5 0,7
lb net lb net lb net
Ts
Td = vorh As · fyd erf A s ( x )
T ( x ) = ---------------------------- ⋅ T d
vorh A s ( x )
T(x) = erf.As(x) · fyd erf A s
l bd = l b ⋅ --------------------
vorh A s
lbd x
lb lb ... Grundverankerungslänge
Bild 12.9 Reduktion der Verankerungslänge, wenn die Tragfähigkeit der Bewehrung
nicht ausgenützt ist
14.11.01 358
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.4.2 Überlappungsstoß
a ohne Querbewehrung
Betonzugspannungsfeld
l0
14.11.01 359
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.4.3 Druck-Druck-Zug-Knoten
Dx
σc
θ
T
horizontale Schlaufen
σc1 oder liegende Haken
Dx T
Dx T
14.11.01 360
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b
a2 a2
C2 C2
σ σ
c2 c2
T T
u 0 C u
σ σ
c1 c1
C1 C1
≥ 2c
a1 = lb a1
lb
a2
c
C2
C2
σ
c2
T
T u
C1
σ
c1
C1
a1
14.11.01 361
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
db
2c
db/2 2c
c lb, net
Beispiele:
Endauflager von Balken
Konsolen
14.11.01 362
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.4.4 Druck-Druck-Druck-Knoten
D
σc3
C a D
θ
C
R
σc2
σc1
b F
c D
D
C C2 C1
θ C
C2 C2
R R
14.11.01 363
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.4.5 Zug-Zug-Zug-Knoten
T1
≥l
bd
Betonankerkörper T2
(oder Stahlankerplatte)
T1
2D - Druck T2
≥ l bd
≥ l bd
T2 T2
14.11.01 364
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.4.6 Zug-Druck-Zug-Knoten
T1
T1 D
D
T2
θ
ohne Splintstab:
dB ≥ 40 ds
dB
T2 = T1
Bü
Riß s ge
u
lle
s s u i te
s r
s s
s s
d B ≥ 2, 0d s
Splintstab
14.11.01 365
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
T1 /2 T1 /2 T1
σc D
T2
T2 /2
T2 /2
D
D
D
V V
V V V V ---- ----
---- ---- ---- ---- 2 2
2 2 2 2
D V V
---- ----
2 2
Dx
∆T
Bild 12.18 Abstützung von Betondruckstreben auf die Bügelecken (Schub in Balkenstegen)
14.11.01 366
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.5 Diskontinuitätsbereiche
Als Diskontinuitätsbereiche (D-Bereiche) werden jene Zonen in Stabtragwerken bezeichnet, die nicht
nach der Stabtheorie (Ebenbleiben der Querschnitte, σy = 0, σz = 0, etc.) behandelt werden können. Es
handelt sich dabei im weitesten Sinne um (örtlich begrenzte) Scheibenprobleme, die man näherungs-
weise mit Hilfe einfacher Fachwerke (stuts and ties) modellieren kann.
Als B-Bereiche bezeichnet man jene Bereiche, für die in guter Näherung die Stabtheorie gilt.
Das Bild 12.19 zeigt die Aufteilung in B- und D-Bereiche am Beispiel eines Rahmentragwerkes
lastbedingte Diskontinuitäten
D0DD1
D B D1 B D1 B D1 D0
D1 D1 D1 h
B B
D1 D1 h
D0 D2 D2 D0
D1 D1
D2
D0 D0 - Bereich
B Rahmenknoten
B
geometrisch bedingte
D1 D1 Diskontinuitäten
D1 D1
h1
D3 h2
h1 h2
12.5.1.1 Teilflächenpressung
Einzellasten werden über entsprechende Aufstandsflächen (Lastplatten) in den Beton eingeleitet (Bild
12.20). Direkt unter der Lasteinleitungsfläche stellt sich ein dreidimensionaler Druckspannungszustand
ein. Dort kann die Betonfestigkeit wie folgt nachgewiesen werden.
A
f 3cd = f 1c d ⋅ ------ ≤ 3, 3 ⋅ f 1c d (12.16)
A1
F
σ c = ------ (12.17)
A1
σ c ≤ f 3cd (12.18)
14.11.01 367
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
-x
a b a
-y
-z AI = a ⋅ c F
F A = b⋅d
c a
C C
le
le
Ts Ts
d σx
b
d
F
σ x = konst = σ II = ----------- = σ 0
b⋅d
c
a1
F/2 F/2
~ a/2
~ a/2
12.5.1.2 Spaltzug
Das Bild 12.20 b zeigt schematisch den Verlauf der Druckspannungstrajektorien. Unter der Aufstands-
fläche, wo die Trajektorien konkav verlaufen, sind die Umlenkkräfte nach innen zur Wirkungslinie der
Kraft hin orientiert. Es entstehen hier Querdruckkräfte C. Im mittleren Bereich, wo die Trajektorien kon-
vex verlaufen, wirken die Umlenkkräfte nach außen. Es entstehen Querzugkräfte T, die als „Spaltzug-
kräfte“ bezeichnet werden.
Für die Spaltzugkraft ergibt sich aus Bild 12.20 c
14.11.01 368
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a–a
Ts --------------1-
4
----------- = --------------- (12.19)
F⁄2 a
---
2
a1 F
T s = æ 1 – ------ö ⋅ --- (12.20)
è aø 4
Das Bild 12.21 zeigt weitere mögliche Fachwerkmodelle zur Festlegung einer geeigneten Spaltzugbe-
wehrung.
a
F
a
T
b1
a + b1
b
b F F
F
a1
a1
a F
a1
F
Bild 12.21 Fachwerkmodelle
a) Scheibe (z.B. Vorspannung)
b) Druckstrebe (oder Stütze)
14.11.01 369
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Das Bild 12.22 zeigt den linear-elastisch berechneten Trajektorienverlauf bei zentrischer und exzentri-
scher Lasteinleitung.
a a
F F
d d
F σx
σ 0 = ----------- = σ x
b⋅d
Bild 12.22 Trajektorienverlauf und Lasteinleitungszonen
a) zentrische Lasteinleitung
b) exzentrische Lasteinleitung
σc ⋅ b2
b2
F2
Schwer-
punkt
F
F3 b3
σc ⋅ b3
F1
σc ⋅ b1 b1
T
b c
F/2 a
F C T=-C
F⋅e=T⋅a
F/2 F
F e
σc
14.11.01 370
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a2 e
a1
F Ersatzprisma
a
σy
a = 2a2
a1
a2 a = 2 a2
F
0,1 a Querdruck
0,6 a Querzug
a
0,3 a „keine“
Querspannungen
F F
--- ---
2 2
Das Bild 12.24 zeigt die örtlichen Spaltzugwirkung hinter der Lasteinleitungsplatte bei exzentrischer La-
steinleitung. Die Spaltzugkraft
a1
T s = 0, 3 ⋅ F ⋅ æ 1 – ------ö (12.21)
è aø
14.11.01 371
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b
P P
0,25 P
P P
0,25 P
P P
0,25 P
Im Spannbeton werden hohe Vorspannkräfte häufig innerhalb von Scheiben eingeleitet - beispielswei-
see in den Gurtscheiben oder Stegen von Kastenquerschnitten.
Um die Rißbildung im Bereich der Lasteintragung klein zu halten, muß die hinter der Lasteinleitung lie-
gende „spannungslose“ Scheibenzone gezwungen werden, sich mit der vor der Last liegenden gedrück-
ten Scheibenzone zu verformen. Dies wird durch ein „Rückhängen“ eines Teiles P2 der Vorspannkraft
erreicht.
14.11.01 372
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b
P
RISSE
c d e
P1/2 P1/2 T2
a b c P
Sprengwerk
0,125P
0,03P
0,63P 0,63P
0,123P
0,18P
P/2
P/2
0,18P
P2/2
P2/2 1/8P 1/8P
P1/2 P1/2
3/8P 3/8P
14.11.01 373
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Das Bild 12.28 a zeigt, wie unter einer Einzellast das Betondruckspannungsfeld fächerartig ausstrahlt.
Zwischen den Betonstreben können sich Risse ausbilden. Die Fußknoten der Druckstreben werden ei-
nerseits durch die Querbewehrung (Bügel) hochgehängt. Andererseits werden die horizontalten Spreiz-
kräfte durch eine entsprechende Längsbewehrung verschlossen.
F
a
Bügelkräfte
2D - Druck
1D - Druck
14.11.01 374
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
D - Bereich B - Bereich
(Fächer)
B - Bereich D - Bereich
(Fächer)
F F
„echter“ B-Bereich
M = const
V=0
B
14.11.01 375
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Im Bild 12.30 ist das fächerförmige Druckspannungsfeld in Abhängigkeit von der Rißrichtung θ geome-
trisch definiert.
a1 d 1 ⋅ cot θ
------ z z
2 --- ⋅ cot θ --- ⋅ cot θ
2 2
C
NSd
z
Tsz
zs
θR θ Riss
Ts
d1
Tsx
R = VSd
a1/2 a1/2
Bild 12.30 Fachwerkmodell für direkte Endauflagerung
zs
T sx = V Sd ⋅ cot θ R + N Sd ⋅ æ 1 – -----ö (12.22)
è zø
1
cot θ R = ------ ⋅ [ a 1 + ( 2d 1 + z ) ⋅ cot θ ] (12.23)
2z
Für die resultierende Bügelkraft Tsz ergibt sich nach Abzug der direkt auf den Auflagerfächer einwirken-
den Belastung q
a1
T sz = V Sd – q ⋅ æ ------ + ( d 1 + z ) ⋅ cot θö (12.24)
è 2 ø
A sw T sz
a sw = ---------- = ------------------------------- (12.25)
s f y d ⋅ z ⋅ cot θ
14.11.01 376
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Haarnadeln
Das Bild 12.32 zeigt das Fachwerkmodell am Ende eines vorgespannten Balkens mit der Auflagerreak-
tion R und den beiden Vorspannkräften P1 und P2. Bemerkenswert ist, daß die Kräfte P 1 + P 2 die aus
der Querkraft resultierende Zugkraft Ts = V · cot θ1 überdrückt. Infolgedessen ist hier im Auflagerbereich
keine schlaffe Bewehrung erforderlich.
Steg
P1
P2 φ1
Untergurt (Zuggurt)
14.11.01 377
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
lasttragender Träger A
Aufhängebügel
lastbringender Träger B
V1 V1 Träger B
Träger A
„Aufhänge-
bügel“
Träger A V1
„Aufhängebügel“
V2 V3
V2
V3
V2 V3
Träger B
Das Bild 12.33 zeigt das Fachwerkmodell im Bereich der indirekten Lasteinleitung und die für das Hoch-
hängen der Querkraft V1 erforderlichen Aufhängebewehrung.
14.11.01 378
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Träger A 4
Träger B
Haarnadeln 2
3 4
Träger B
5 5
Träger A
Haarnadeln 2
14.11.01 379
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Das Bild 12.35 zeigt einen Balken, auf den eine Einzellast F im Abstand x0 vom Auflager einwirkt, sodaß
die beiden Lasteinleitungsfächer einander berühren. In diesem Fall müssen die Bügel im Bereich a die
gesamte Querkraft R über den Riß tragen.
aF
F=R+V
a R
a = z · cot θ V
V
Riß
θ
1
x0 x 0 = a + --- ⋅ ( a R + a F )
R 2
aR
R V
b
C
Wenn die Einzellast F in einem Abstand x > x0 angreift, stellt sich zwischen den Lasteinleitungsfächern
ein normaler Schubbereich (B-Bereich) ein.
Greift die Einzellst F in einem Abstand x < x0 an, so trägt sich ein Teil F1 der Last F über eine Spreng-
werkwirkung direkt zum linken Auflager ab. Der Teil F2 wird mit Hilfe der Bügel über eine Fachwerkwir-
kung zum linken Auflager getragen. Der (kleine) Lastanteil F3 trägt sich zum rechten Auflager ab.(Bild
12.36)
14.11.01 380
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
F2
F1 F = F1 + F2 + F3
F3
Fachwerk rk
g we
n
pre
S
Fachwerk
V=F3
Mit abnehmedem Abstand x wird die Sprengwerkwirkung dominant F1 → F (Bild 12.37). In diesem Fall
stellt sich ein schräge Druckstrebe ein, die sich vom Bild 12.22 nur dadurch unterscheidet, daß die Spalt-
zugbewehrung nicht normal zur Achse der Druckstrebe angeordnet ist.
14.11.01 381
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
F F
a x b x
x ≤ 0,5 z
R R
c F d
V1 V2
θ θ
e = z/2 e = 2z
R
θ = 63,4° θ = 26,6°
e = z/2 e = 2z
Bei der Laststellung im Bild 12.37 c sind keine vertikalen Bügeln erforderlich (volle Sprengwirkung). Bei
der Laststellung im Bild 12.37 d ist die Querkraft V1 voll von vertikalen Bügeln zu übernehmen. Für Last-
stellungen dazwischen (z/2 < x < 2z) kann der Anteil α · V1, den die Bügel abtragen, linear interpoliert
werden.
x
2 --- – 1
z
α = ---------------- (12.26)
3
14.11.01 382
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.5.5 Konsolen
a H b
Sd e > 2z
∆ a = ----------- ⋅ a
V Sd 1
a
e
VSd
VSd
HSd
a1 HSd z
z h
Stütze, z
c --- ≤ e ≤ 2z
Wand, 2
etc. Konsole
e
e VSd
HSd
z
d
0, 3z ≤ e ≤ 0, 5z
e
F
H
z
Im statischen Sinne wirkt eine Konsole als Scheibe (ebenes Flächentragwerk), wogegen der Kragbalken
(Bild 12.38 b) nach der Stabtheorie behandelt wird.
Konsolen tragen ihre Last wie auflagernahe Lasten direkt über schiefe Druckstreben auf ihre Auflager
ab. Man erhält das Bild 12.39 aus dem Bild 12.37, indem man letzteres auf den Kopf stellt. Das heißt,
die Tragwirkung von Konsolen ist mit jender von Balken unter auflagernahen Lasten identisch.
14.11.01 383
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a VSd b
e VSd
z
horizontale
Stegbewehrung
R R
Direkt an die Konsole schließt stets ein weiterer Diskontinuitätsbereich (D-Bereich) meist in Form eines
Rahmenknotens an. Stets sind die Fachwerkmodelle für beide D-Bereiche gemeinsam zu betrachten;
das heißt, der Kraftfluß ist stets konsequent bis in die Gründung des Bauwerkes hinaus zu verfolgen!
a b c
VSd VSd
a+∆a
HSd HSd
T1
T1 N1 N1
z/2
zd h
T2
N2 T2 z/2
θ
a3
Cx
b
Cz
e VSd α·e
e
a2
V Sd
a 2 = --------------- (12.27)
b ⋅ f cd
f cd = ν 1 ⋅ f 1cd (12.28)
14.11.01 384
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
f ck
ν 1 = 0, 7 – ---------- (12.29)
200
a2
e = ------ + a + ∆a (12.30)
2
a3 e
cot θ = ------ = --- (12.31)
a2 z
a3
mit z = d – ------ (12.32)
2
a3 = d – d 2 – 2 ⋅ a2 ⋅ e (12.33)
e
T 1 = V Sd ⋅ --- + H Sd (12.34)
z
T1
erf A s1 = ------- (12.35)
f yd
e
T 2 = ( 2α – 1 ) ⋅ V Sd ⋅ --- (12.36)
z
e
T 2 = 0, 4 ⋅ V Sd ⋅ --- (12.37)
z
T2
erf A s 2 = ------- (12.38)
f yd
Neben der Bemessung der Bewehrung As1 sind die Nachweise für den Druck-Druck-Zug-Knoten N 1 (La-
gerpressung σ c ≤ 0, 8 ⋅ f cd , Verankerung der Kraft T1), sowie dessen konstruktive Durchbildung von
besonderer Bedeutung.
Bei kleinen Konsolabmessungen ist es ratsam, eine Zeichnung der Bewehrungsführung im Maßstab 1:1
anzufertigen, die den Platzdurchmesser der Bewehrung und die Biegeraden berücksichtigt und Proble-
me bei der Ausführung vermeiden hilft. Um eine entsprechende Betonqualität sicherzustellen, muß der
Beton leicht einzubringen und gut verdichtbar sein. Daher sind extreme Bewehrungsführungen zu ver-
meiden.
14.11.01 385
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a F
Pos 1
Pos 1
Pos 2
D
Pos 4
Pos 2
Pos 5
Pos 3
≥ lbd Pos 5
D > 5 ds für ds < 20
D > 6 ds für ds ≥ 20
Pos 1 Pos 2
Pos 3
Pos 5
Pos 4
b
Pos 2
Pos 1
Pos 4
Pos 5
Pos 3
Pos 1,3
Pos 4
Pos 5
Pos 2
14.11.01 386
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b
F1 F1 F2 F2
T1 T2
a b
1,2F 1,2F
1,2T1
1,2T 2
Im Bild 12.42 sind zwei verschiedene Fachwerkmodelle für einen symmetrisch belasteten Hammerkopf
skizziert, wie er beispielsweise am oberen Ende von Brückenpfeilern vorkommt. Im Bild 12.43 sind die
zugehörigen Betonspannungsfelder dargestellt.
Die beiden Fachwerkmodelle können auch miteinander kombiniert werden, wobei man die Aufteilung
der Last FSd auf die beiden Fachwerke frei wählen kann. Es ist jedoch zweckmäßig, dem Modell a einen
14.11.01 387
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
F1 = 0,6 FSd
F2 = 0,4 FSd
Wegen der Bedeutung derartiger Konsolen für die Tragsicherheit des gesamten Bauwerkes sollte bei
der Konsolbewehrung nicht gespart werden. Sie macht nur einen unbedeutenden Anteil an den Gesamt-
kosten des Bauwerkes aus. Deshalb sollte die Konsole mit einen um etwa 20% erhöhten Lastfaktor be-
messen werden - d.h. für die Last 1,2 FSd.
Im Bild 12.44 ist die Bewehrung für die Kombination beider Fachwerkmodelle skizziert. Zusätzlich ist
noch eine konstruktive (risseverteilende) Netzbewehrung anzuordnen.
Unsymmetrische bzw. einseitige Lasten werden im Abschnitt xx11.6.1.3 xxbehandelt.
Das Fachwerkmodell im Bild 12.42 wird häufig bei abgeschrägten Konsolen verwendet (Bild 12.45). Die
Einbindung der Schrägbügel oder Haarnadeln in die Stütze ist mit Fachwerkmodellen zu verfolgen.
As
≥ 0,6 h
≥ 0,4 As
Bügel oder Haarnadeln
14.11.01 388
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Bisher wurden im wesentlichen Diskontinuitätsbereiche behandelt, die im Umfeld von konzentrierten La-
steinleitungen (Einzellasten) auftreten.
Höhensprünge und Löcher in Balken verursachen geometrisch bedingte D-Bereiche, die nachfolgend
diskutiert werden.
Das Bild 12.46 zeigt einen Balken mit Höhensprung unter unterschiedlichen Schnittkräften.
a M > 0, V > 0
C1
C2
z1
V
V
T1 z2
b M > 0, V < 0
T2
C1
C2
V
T1 z2
V
c M < 0, V > 0
T2
T1 Riß
T2
z1
V
V
C1 z2
d M < 0, V < 0 C2
T1 Riß
T2
V
C1 z2
V
C2
Riß
14.11.01 389
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Das Bild 12.47 zeigt ein Gerbergelenk, bestehend aus einer negativen und einer positiven Ausklinkung.
„Haarnadeln“
„Haarnadeln“
14.11.01 390
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
T T
T T
T T
T T
C C
C C
Anmerkung: Die linke Bildhälfte zeigt das Fachwerkmodell ohne Spannungsfelder, die rechte Bildhälfte zeigt dasselbe
Fachwerk mit Spannungsfelder
Die im Bild 12.48 dargestellten Fachwerkmodelle für Scheiben lassen sich sinngemäß auch auf Platten
mit Durchbrüchen übertragen.
P/2
P/2
P/2 P/2
P/2 P/2
P/2 P/2
14.11.01 391
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a 1 2
M1 M2
V
a
b C1 ∆
V0
C2
z
T1
T2
c
∆
V0 V0
V0 V0
V = Vo + Vu (12.39)
12 ⋅ EJ
V o = ------------------ ⋅ ∆ (12.40)
3
a
12 ⋅ EJ
V u = ------------------ ⋅ ∆ (12.41)
3
a
Vo J
------ = -----o (12.42)
Vu Ju
Jo
V o = ------------------ ⋅ V (12.43)
Ju + J o
14.11.01 392
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Ju
V u = ------------------ ⋅ V (12.44)
Ju + J o
a a
Biegebemessung für M o = V o ⋅ --- und M u = V u ⋅ ---
2 2
Das Bild 12.51 Balken mit Loch im Stegzeigt Fachwerkmodelle in Abhängigkeit von der Lage und Ab-
messung der Öffnung.
14.11.01 393
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.6 Rahmenknoten
12.6.1 Rahmenecken
positives negatives
Rahmeneck Rahmeneck
− Biegemomente
+ −
Verformung
− +
positives negatives
Rahmeneck Rahmeneck
M(+) M(-)
T2 b T2
a z2
h2
C2
C2
T1 C1
h1
z1
T2 T2
c d
C2 C2
T1
C1
z1
Bild 12.53 Fachwerkmodell für ein negatives Rahmeneck mit ungefähr quadratischem Rahmeneck
a) Grundmodell: Kraftumlenkung im Z-Z-D- Knoten mittels Ankerplatten
b), c) Kaftumleitung über Umlenkkräfte (entsprechend xxx)
d) Kraftumlenkung über Schub
14.11.01 394
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a d B = 0, 8 ⋅ h 1 Pos 1 b
Pos 4
Pos 6
h2
Pos 5
AF AF
M
Pos 3
h1 < h2
Pos 2
Anmerkung:
Pos 2 bis 5 sind konstruktiv
Pos 4 und 5: Eckbewehrung
Pos 1: Hauptbewehrung
h1 Pos 6: Bügelleiter M
Spannungsfelder
Fachwerkmodelle
Bild 12.55 negatives Rahmeneck unter Berücksichtigung von Normal- und Querkräften
14.11.01 395
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a T2 b
V
z2
C2
T1 C1
z1
Bild 12.56 Rahmeneck bei großem Unterschied der Querschnittshöhe zwischen Riegel und Stiel
a) Fachwerkmodell
b) Bewehrungsführung
Der symmetrisch belastete Hammerkopf wurde unter 12.5.5 besprochen (Bild xxx). Der einseitig bela-
stete Hammerkopf verhält sich wie ein negatives Rahmeneck (Bild 12.57).
Bei einer schlanken Stütze im Vergleich zöur Höhe der Konsole stellt sich das Fachwerkmodell im Bild
12.56 ein. Das Bild 12.57 b zeigt schematisch die Bewehrungsführung, die sich aus der Überlagerung
der Modelle in den xx und Bild 12.57 a ergibt.
a b F1 F = F1 + F2
F2
TF1
TF
2
M = F2 · e
14.11.01 396
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b
h2 M2 z h2 M2
h1 h1
M1
c d
Schrägbügel
h2 M2
AF
„Haarnadeln“
h1
M1
14.11.01 397
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a Hackenausbildung
C (Alternativen)
T
Riß
C T
b verschlossenes
Bügelnetz
C2
AF T2 AF
C1 T1
c
s 1
Riß
Die Fachwerkmodell a und b im Bild 12.59 repräsentieren diskrete Schubscheibenmodelle. Das Modell
b eignet sich für Momenteneinwirkungen mit wechselndem Vorzeichen.
Das Modell c wird häufig zwischen Platten und Wänden angewendet. Es ist dem Modell im Bild 12.59
ähnlich. Man erkennt aus dem linken Bild, daß zur Aufnahme der Umlenkkraft im Knoten 1 keine Be-
wehrung zur Verfügung steht. Das heißt, die Kraft muß mittels Betonzugspannungen umgelenkt werden.
Im Bruchzustand gleitet der Druckgurt entlang der Scherfläche s-s an der Bewehrung ab.
Bei höheren Mometeneinwirkungen sollte deshalb die Umlenkkraft durch zusätzliche Bügel oder Haar-
nadeln aufgenommen werden (rechtes Bild). Bei Platten sollten abwechselnd liegende und aufgestellte
Schlaufen angeordnet werden.
14.11.01 398
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Bei einem großen positiven Biegemoment ordnet man eine schräge Zulage entsprechend Bild 12.60 an.
Diese Bewehrung reduziert die Biegerisse am einspringenden Eck (siehe Bild 12.59). Seine Tragwir-
kung wird mit dem Fachwerkmodell nach Bild 12.60 a beschrieben. Wenn möglcih sollte man bei gro-
ßem Biegemoment die einspringende Ecke abschrägen (Bild 12.60 c).
C2
a b
z2
T2 V+M
M
C1 T1 z1
z1
C2
c d
z2
T2
C1 T1 e
z1
Mit Hilfe der im Bild 12.61 dargestellten verteilten Bügelbewehrung kann die Druckgurtstrebe kontinuier-
lich umgelenkt werden.
14.11.01 399
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b
c d
Das Bild 12.62 zeigt eine Kombination der Spannungsfelder nach Bild 12.59 b und Bild 12.61, wie sie in
Versuchen zu beobachten ist.
a b
14.11.01 400
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b
Verankerung der
vertikalen Zugkraft T1
C2
T2 T4
T2 z2 h2 Haarnadeln für T2
T3
T2 T1
T2
Verankerung der
horizontalen Zugkraft T2
C1 T1
z1
h1
Bild 12.63 positives Rahmeneck
a) Fachwerkmodell
b) Bewehrungsführung (schematisch)
14.11.01 401
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.6.2 T-Knoten
T-förmige Rahmenknoten treten in der Form von Verbindungen zwischen Balken und Stützen häufig auf
(Bild 12.64).
A B A
Das Bild 12.65 zeigt die Biegemomentenverläufe im Bereich eines Randknotens. Im Riegel sind die Nor-
malkräfte in der Regel klein. Die Größe der Lastexzentrizität e = M/N in der Stütze kann jeden Wert an-
nehmen. Wie man sieht, wechseln die Stützenmomente im Knoten ihr Vorzeichen.
M1
M1− (x)
( )
KennfaserKF
M2(−) M = M + M
3 1 2
M1(+) M3
M2− (x) −
( )
KF
M2
M3− (x)
( )
M3(−)
14.11.01 402
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Im Bild 12.66 wird das Grundmodell aus zwei Rahmenecken zusammengesetzt, wobei vereinfachend
nur die Biegemomenet betrachtet werden.
a M1(+) b c M1
Detail d
A1 A2 Detail e
M1(+) M2(−) M3
M2(−) M2
d e
A1
A2
Bild 12.66 Entwicklung des Fachwerkmodells für einen T-Knoten aus dem Modellen zweier Rah-
menecken
a) positives Rahmeneck für M1
b) negatives Rahmeneck für M2
c) Grundmodell für T-Knoten
d) Fachwerkknoten (Detail d)
e) Fachwerkknoten (Detail e)
Im Bild 12.67 wurde dasselbe Fachwerkmodell dahingehend verfeinertm daß einerseits die Querkräfte
und andererseits die Normalkräfte in den Stützen einbezogen sind.
14.11.01 403
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a C1 b
N1(−) T1
V1
As1
3 As3
1 1 T3
As4
T4
V3
C3
2 2
3 As2 Bügel oder
C1 Haarnadeln
N1
T1
c
V1
V2
T2
N1 + F
Anmerkung: Wie das Bild 12.67 a und Bild 12.67 c zeigt, sind die Fachwerkmodelle in den T-Knoten gleich, obwohl im Fall
a ein Rahmenriegel und im Fall c eine Konsole anschließt.
Bei biegesteif in den Riegel eingespannten Stützen (beispielsweise bei Brücken) sind die Differenzen
∆M der Riegelmomente in die Stützen abzuleiten (Bild 12.68).
∆M
Abhängig von der Lastexzentrizität e = -------- in der Stütze stellen sich die im Bild 12.69 skizzierten Fach-
N
14.11.01 404
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
werkmodelle ein.
∆M = M1 − M2
M1 Momentenlinie
M2 im Riegel (Tragwerk)
∆M
Tragwerk
M1 M2 +
Momentenlinie
V1 V2 im Stiel (Pfeiler)
M3 = ∆M
N = V1 + V2
Pfeiler
-
14.11.01 405
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b
V1 V2
M1 M2
V1 + V2 + C3 T3
M3
N=V 1+V2
c d
a a
V1 V2
θ1 θ2
M1 M2
M1
M2 ≈ M 1
AF AF
θ2 < θ1 V1 · (a − e) = V2 · (a + e)
N = C = V1 + V2
εc M3 = M1 – M 2 = C ⋅ e
σc
M3 <<
N
e
14.11.01 406
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.6.3 Kreuzknoten
Kreuzknoten (Bild 12.71) kommen unter anderem als Innenknoten bei Stockwerkrahmen (Bild 12.70)
vor.
RK KK
Riegel
Stiel RK ... Randknoten (T-Knoten)
KK ... Kreuzknoten
Kreuzknoten lassen sich ähnlich wie T-Knoten aus einer Kombination von positiven und negativen Rah-
menecken zusammensetzen.
a M1 b
M1 M2
M2
d M1
c
M3 M3 M3 M4=M1+M2+M3
M2
Bild 12.71 Kreuzknoten (d) aus den Rahmenecken (a) und (b) und der Durchlaufwirkung (c) zu-
sammengesetzt
14.11.01 407
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
M1 M1
a V1 b V1
N4 N4
N3 N3
M3 M4 M3 M4
V2 V2
M2 M2
14.11.01 408
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Balken sind Tragelemente, deren Querschnittshöhe h wesentlich geringer ist als ihre Länge l (Spann-
weite). Ihre Schlankheit l/h liegt normalerweise innerhalb der Grenzen 10 < l/h < 20. Sie können nach
der Stabtheorie auf Basis der Hypothese von Bernoulli-Navier („Ebenbleiben der Querschnitte während
der Verformung“) als „quasi eindimensionale Tragelemente“ betrachtet werden. Jene Zonen von Balken,
wo die Stabtheorie gilt, also wo die Längsdehnungen εx über die Querschnittshöhe linear verlaufen, wer-
den als B-Bereiche bezeichnet.
Bei Stabelementen treten die Längsspannungen σ x in den Vordergrund. Wenn man ein linear elasti-
sches Material voraussetzt, sind die Längsspannungen σx über den Querschnitt linear verteilt („ebene
Spannungsverteilung“). Die Querkräfte werden über Schubspannungen τxz abgetragen. Normalspan-
nungen quer zur Stabachse werden vernachlässigt (σy = 0, σz = 0).
Im Gegensatz dazu sind Scheiben zweidimensionale ebene Tragelemente, die in ihrer Ebene belastet
sind. Ihre Schlankheit l/h ist gering.
Scheiben, die wie Balken gelagert sind, werden auch als wandartige Träger (deep beams) bezeichnet
(Bild 12.73).
In wandartigen Trägern verlaufen die Dehnungen εx über die Höhe h nicht linear.
a q
l
h --- < 2,0
h
l
q
b
l
h --- < ∼ 2,5
h
l
q
c
l
h --- < ∼ 3,0
h
l l l
14.11.01 409
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a
--- < 1,0
h
14.11.01 410
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Die Differentialgleichung der Scheibe (Airy’sche Spannungsfunktion) läßt sich nur für einfache Randbe-
dingungen bei linearem Materialverhalten geschlossen lösen.
Die numerische Methode der Finiten Elemente liefert dagegen hervorragende Näherungslösungen für
beliebige Scheibenformen, Lagerungsbedingungen und Einwirkungen. Als Lösung erhält man die Ver-
schiebungen u und w in den Elementknoten. Aus den Knotenverformungen lassen sich die bezogenen
Schnittgrößen nx, nz, txz bzw. die Spannungen σx, σz und τxz innerhalb der Elemente ableiten.
Das Bild 12.75 a), b), c) und d) zeigt den Verlauf der Spannungen σx im Mittenschnitt einer einfeldrigen
Scheibe in Abhängigkeit von der Schlankheit l/h. Man erkennt, daß die Spannungsverteilung σx mit ab-
nehmender Schlankheit l/h immer stärker von der linearen Verteilung nach der Stabtheorie abweicht.
Für h > l ändert sich die Spannungsverteilung σx im unteren Scheibenbereich nur mehr geringfügig, das
heißt der obere Teil der Wand beteiligt sich kaum mehr an der Biegetragwirkung. Deshalb setzt man in
der Rechnung h = l ein, wenn die Wand höher als l ist.
14.11.01 411
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
l/h=4 q
a
0,67 h h=l/4
0,5 h T = 0,75 ⋅ q ⋅ l
12,0 ⋅ q
σ x1 = -------------------
b
l/h=2 3,0 ⋅ q
b σ x2 = ---------------- (Navier)
b
0,67 h h=l/2
0,4 h T = 0,38 ⋅ q ⋅ l
4,5 ⋅ q
σ x 1 = ----------------
b
b
l
0,42 ⋅ q
c σ x2 = ------------------- d
b
C
C
− 0,4 ⋅ q / l
− 0,3 ⋅ q / l h=l h
> 0,67 h
0,67 h
< 0,16 h
T < 0,20 ⋅ q ⋅ l
T = 0,20 ⋅ q ⋅ l T > 0,16 ⋅ q ⋅ l
0,28 h 0,28 h
1,6 ⋅ q 1,6 ⋅ q
σ x1 = ---------------- σ x1 = ----------------
b b
l l
Das Bild (Bild 12.76) zeigt den zweiachsigen (ebenen) Spannungszustand, der durch die achsbezoge-
nen Spannungen σx, σz und τxz beschrieben ist.
14.11.01 412
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
σx(+)
τxz(+)
τzx(+)
σz(+)
z
Bild 12.76 Ebener Spannungszustand σx, σz, τxz
x
(+)
σ1 σ2(−)
α0
σ1(+)
σ2(−) 1.Hauptachse
2. Hauptachse
z
σx + σz 1
σ 1 = ------------------ + --- ( σ x – σ z ) 2 + 4τ 2 xz (12.45)
2 2
σx + σ z 1
σ 2 = ------------------ – --- ( σ x – σ z ) 2 + 4τ 2 xz (12.46)
2 2
τ xz τ xz
tan α 0 = ------------------ = ------------------ (12.47)
σ1 – σ z σx – σ2
lassen sich aus den im Bild 12.76 skizzierten Spannungen die Hauptspannungen ermitteln (Bild 12.77).
Diese Formeln wurden in der Vorlesung „Festigkeitslehre“ abgeleitet. Mit Hilfe der Hauptspannungstra-
jektorien läßt sich der Spannungsverlauf graphisch veranschaulichen (Bild 12.78 b). Die beiden Trajek-
torienscharen verlaufen orthogonal zueinander (Bild 12.77 und Bild 12.78).
14.11.01 413
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
li re
q
a
− − −
σx σz σx
σz
+
+ +
Das Bild 12.78 zeigt eine Wandscheibe, auf die eine Gleichlast einwirkt. Im linken Bild greift die Last am
oberen Rand an, im rechten Bild am unteren. Die Spannungen σ x und τxz sind vom Lastangriff nahezu
unabhängig;
σz ändert sich dagegen wesentlich (Vorzeichen!). Dadurch sieht auch das Trajektorienbild anders aus.
Während sich links die Last flaschenhalsförmig direkt in die Auflager ableitet, entstehen rechts ausge-
prägte Druckbögen, an der sich die Last über die Zugtrajektorienschar aufhängt.
14.11.01 414
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.9 Stahlbetonscheiben
Infolge der im Vergleich zur Druckfestigkeit geringen Zugfestigkeit des Betons entstehen in Stahlbeton-
scheiben - ähnlich wie beim Balken - bereits unter einer relativ geringen Belastung Risse. Das Material
verhält sich nichtlinear.
Infolge der Rißbildung stellt sich ein Gleichgewichtssystem ein, welches sich vom ungerissenen System
(gemäß Abschnitt 12.8) dadurch unterscheidet, daß sich durch die Rißbildung ausfallende Zugkräfte
vom Beton auf die Bewehrung umlagern.
Eine relativ geringe Umlagerung findet statt, wenn die Bewehrung in Richtung der Hauptzugspannungen
nach der Elastizitätstheorie angeordnet ist. Eine derartige Bewehrungsanordnung wird als „Trajektorien-
bewehrung“ bezeichnet. Sie kommt praktisch kaum vor.
Eine relativ große Umlagerung ergibt sich dagegen im Falle einer reinen Schubbeanspruchung. Sie wird
im nächsten Abschnitt besprochen.
Bei Stahlbetonstabwerken ist es nach wie vor üblich, die Schnittkräfte linear-elastisch zu ermitteln, wo-
gegen die anschließende Querschnittsbemessung unter Berücksichtigung der nichtlinearen Materialei-
genschaften erfolgt.
Dieselbe Vorgangsweise wird häufig auch bei Stahlbetonscheiben angewendet: Die Spannungen wer-
den linear-elastisch ermittelt - meist nach der Methode der Finiten Elemente (FEM). Für jeden beliebigen
Punkt der Scheibe sind damit die Schnittkräfte in Form einer Spannungskombination σx, σz, τ bekannt.
Sie werden als Belastung für ein Stahlbeton-Stabwerkmodell aufgefaßt, an welchem man auf der Grund-
lage der Plastizitätstheorie die Gleichgewichtsbedingungen im gerissenen Zustand formulieren kann.
Dieses einfache Scheibenelement im „nackten Zustand II“ - also unter Vernachlässigung der Betonzug-
festigkeit - wurde im Abschnitt xxxx behandelt.
Diese Vorgangsweise berücksichtigt die Spannungs- oder Kräfteumlagerungen nur örtlich. Sie eignet
sich daher eher für Nachweise der Gebrauchstauglichkeit. Eine systemübergreifende wirklichkeitsnahe
Erfassung der durch die Rißbildung geänderten Steifigkeitsverhältnisse kann nur mit Hilfe einer nichtli-
nearen Analyse erreicht werden.
Nachfolgend werden Fachwerkmodelle (nach der Plastzitätstheorie) besprochen, die sich besonders für
den Nachweis der Tragfähigkeit (ULS) von Stahlbetonscheiben eignen.
Die Ergebnisse einer linearen Analyse - insbesondere in Form von grafischen Darstellungen der Haupt-
spannungstrajektorien - dienen als wichtige Entscheidungshilfe bei der Auswahl eines geeigneten Fach-
werkmodelles.
Je weiter das Fachwerkmodell von der elastischen Lösung abweicht, desto größere Kräfteumlagerun-
gen stellen sich ein. Sie sind verbunden mit einer entsprechenden Rißbildung - häufig bereits auf Ge-
brauchslastnieveau (SLS).
Man sollte darauf achten, daß die Richtung der Druckstreben (struts) des Stabwerkmodells nicht
wesentlich von der Richtung der Resultierenden des elastisch berechneten Hauptdruckspan-
nungsfeldes abweicht.
Bei der Anordnung der Zugbänder (ties), die die Hauptbewehrungen repräsentieren, hat man dagegen
einen größeren konstruktiven Freiraum. Vorzugsweise wendet man eine orthogonale Bewehrungsfüh-
rung parallel zu den Scheibenrändern an.
Die Betondruckstreben sind normalerweise steifer, als die Zugbänder aus Bewehrungsstahl. Deshalb
erfolgt die Lastabtragung bevorzugt über den gedrückten Beton.
Bei der Wahl des Fachwerkmodelles ist darauf zu achten, daß sich Zug- und Druckstäbe nicht unter ei-
nem sehr spitzen Winkel schneiden. Winkel unter 30° führen zu Inkompatibilitäten (Unverträglichkeiten)
in der Verformung und sind deshalb zu vermeiden.
Die Kräfte in den Fachwerkstäben lassen sich aus den Gleichgewichtsbedingungen ermitteln. Beispiels-
weise ergibt sich für das Zugband im Bild 12.81 ungefähr die Kraft
14.11.01 415
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
T = 0,4 ⋅ R (12.48)
Statisch unbestimmte Fachwerke werden in statisch bestimmte Tragsysteme zerlegt. Diesen werden
entsprechende Anteile an der abzutragenden Last zugewiesen.
Zur Aufnahme der Kräfte in den Zugstäben ist eine ausreichende Bewehrung einzulegen. In den Druck-
streben ist nachzuweisen, daß die Betonspannung σ c unter der Druckfestigkeit bleibt. Dabei sollte eine
Verminderung ν der Druckfestigkeit infolge von Querzugspannungen berücksichtigt werden.
σc = ν ⋅ fc d (12.49)
ν = 0,6 (12.50)
Bei Scheiben mit konstanter Dicke ohne großen Aussparungen kann auf den Nachweis der Druckstre-
benspannungen verzichtet werden, weil hier die Auflager- und Lasteinleitungsknoten maßgebend sind.
Der Nachweis der Tragfähigkeit eines Fachwerkes muß auch die Knotenbereiche umfassen:
Man unterscheidet zwischen verschmierten und konzentrierten Fachwerkknoten. Verschmierte Knoten
erstrecken sich über einen größeren Bereich, wie z.B. der Knoten VK im Bild 12.81. Derartige Knoten-
bereiche sind unproblematisch.
In konzentrierten Knoten (z.B. Bild 12.81, Knoten KK) laufen Stabkräfte und konzentrierte Einzellasten
(z.B.: Auflagerreaktionen) auf engem Raum zusammen. Sie verursachen im Knoten hohe Spannungs-
konzentrationen. Knoten, die an die Zugstäbe anschließen, stellen mit den Verankerungszonen der Be-
wehrungsstäbe Schwachstellen dar, die sorgfältig zu konstruieren und rechnerisch nachzuweisen sind.
Wegen der Bedeutung der örtlichen Nachweise in den Fachwerkknoten ist ihnen eine eigener Abschnitt
(10.5) gewidmet.
Wenn Druckspannungsfelder (Druckstreben) in konzentrierte Knoten einzuleiten sind, kommt es zu fla-
schenhalsartigen Spannungsverläufen (siehe Bild 12.79 a), die Spaltzugkräfte (deviation forces) bewir-
ken (Bild 12.79 b).
a2
a b
F/2 F/2
σc2
a Ts Ts
~a/2
σ c1 F/2 F/2
a = a 2 − a1
a1
14.11.01 416
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Ein quadratisches Bewehrungsnetz ist in der Lage, in jeder beliebigen Richtung dieselbe Zugkraft auf-
zunehmen, wie in der Richtung einer der beiden Bewehrungsscharen (Bild 12.80).
t s = t sx = t sz = a s ⋅ f sd (12.51)
tsz
ts
tsx tsx
1
tsz 1 ts
1
An Stelle der schrägen Spaltzugbewehrung kann man demnach ein orthogonales Bewehrungsnetz an-
ordnen, welches alle, aus einem gekrümmten Verlauf des Kraftflusses, resultierenden Zugkräfte aufneh-
men kann.
Nachfolgend wird in erster Linie jene statisch erforderliche Bewehrung diskutiert, die sich aus den Fach-
werkmodellen ergibt. Darüber hinaus sind zur Beschränkung von Rißbreiten noch konstruktive Beweh-
rungen anzuordnen.
14.11.01 417
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
q ⋅ 1,1 ⋅ l
----------------------
2
VK
z = 0,6 ⋅ l
KK
R1 R2
a1 ≈ 0,1 ⋅ l a1
Das in Bild 12.81 skizzierte Stabwerkmodell wurde aus der elastischen Lösung (Bild 10.4 oder Bild 10.7
li) abgeleitet. Es erlaubt die einfache Berechnung der Kraft Ts im Zugband. Die Zuggurtkraft ist in den
Auflagerbereichen sorgfältig zu verankern. Dies kann durch horizontale U-Bügel (Schlaufen oder Haar-
nadeln) oder durch Ankerplatten (Ankerwinkel) erreicht werden (Bild 12.82)
σc2
Druckstrebe
σc1
horizontale Schlaufen
R
dreiachsiger Druckspannungszustand
14.11.01 418
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Bei einem mehrachsigen Druckspannungszustand σc, wie er im Bild 12.82 infolge der Schlaufenveran-
kerung im Auflagerbereich herrscht, darf beim Nachweis der Auflagerpressung σc1 mit ν = 1,0 gerechnet
werden. Zusätzlich ist noch die Spannung σc2 im Bereich der Druckstrebe nachzuweisen.
σ c1 < f cd (12.52)
Das Zugband sollte zur besseren Risseverteilung auf eine Höhe von etwa 0,15 h verteilt werden (siehe
Bild 12.83).
a q b
h
min ρ = 0,15% pro Seite
0,15 h
c
b
Für die orthogonale Netzbewehrung schreibt der EC2 zur Risseverteilung folgende Mindestbewehrung
vor, die an beiden Außenflächen anzuordnen ist:
Der in Bild 12.81 skizzierte wandartige Träger kann auch umgekehrt zur Abtragung von Einzellasten auf
Streifenfundamente herangezogen werden (Bild 12.84).
14.11.01 419
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
z = 0,6 ⋅ l
Streifen-
fundament
σy
Bodenpressung
Bild 12.84 Beispiel für die Abtragung von Einzellasten auf ein Streifenfundament (vgl. Bild 12.81)
Da sich an der σx-Spannungsverteilung nach der Elastizitätstheorie (Bild 10.7) gegenüber der Lastein-
leitung von oben nichts ändert, kann das gleiche Sprengwerk wie im Bild 12.81 angenommen werden.
Aufhängebügel
(oder
Schlaufenmatten)
z = 0,6 ⋅ l
Die unten angreifende Last, sowie jener Anteil der Eigenlast, der unter dem Druckbogen liegt, sind mit
Hilfe von lotrechten Bewehrungen am Druckbogen aufzuhängen (Bild 12.86).
Für die Länge a1 dieser Aufhängebewehrung kann angenommen werden:
l <h: a1 ≥ l
l >h: a1 = h (12.55)
14.11.01 420
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a1
a2
aufzuhängende
l Eigenlast
Für die Höhe des aufzuhängenden Scheibenteiles gilt gemäß Bild 12.87
l
--- ≤ 1 : a2 = 0,5 ⋅ l
h
l
--- > 1 : a2 = 0,5 ⋅ h (12.56)
h
a
b
l/h≤1 l/h>1
a2 h
a2
l l
Einzellast
Das Bild 12.88 zeigt diverse Stabwerksmodelle für Einzellasten. Neben den Auflagerzonen sind auch
die Spannungen in den Lasteinleitungszonen nachzuweisen.
14.11.01 421
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b c d
e f
oder
Das Bild 12.88 zeigt eine wandartige Scheibe, die unter reiner Schubbeanspruchung steht. Das im Ab-
schnitt xxx besprochene Fachwerkmodell für ein kleines Scheibenelement (Bild 10.16) läßt sich auch als
globales Fachwerkmodell einsetzen (Bild 12.88 b), wenn über die gesamte Scheibe ein konstanter
Schubspannungszustand herrscht.
Bei monolithisch an die Decken angeschlossenen Wände können die Decken als Gurtplatten ausge-
nützt werden.
Im weiteren werden typische Bemessungsfälle von Schubwänden untersucht. Solche Wände sind in
Hochbau üblicherweise durch horizintale Kräfte (Wind, Erdbeben) und vertikale Kräfte (Eigengewicht,
Nutzlast) beansprucht. Bild 12.89 zeigt Wände, die nur auf Schub beansprucht sind. Die vertikale Be-
wehrung kann grundsätzlich verteilt oder konzentriert werden.
a b
Falls eine vertikale Last vorhanden ist, kann diese die vertikale Bewehrung zum Teil oder ganz kompen-
sieren (Bild 12.90).
14.11.01 422
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b c
a b
14.11.01 423
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Bild 12.90 b zeigt einen Grenzfall, bei dem keine vertikale Bewehrung erforderlich ist.
Bewehrungskräfte
14.11.01 424
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b
a b c
d e
Bild 12.94 diverse Fachwerkmodelle für den wandartigen Träger mit Loch
14.11.01 425
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Der Scheibenbereich links neben der Tür ist als Stütze anzusehen (und entsprechend zu bewehren).
Der ober der Tür befindliche Scheibenteil verhält sich ähnlich wie die Konsole einer ‘Trägerausklinkung‘.
Selbstverständlich ist zusätzlich zu den Zugbändern der Fachwerkmodelle stets eine Mindestnetzbe-
wehrung an beiden Außenflächen der Scheibe anzuordnen.
14.11.01 426
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Das Bild 12.96 zeigt ein Fachwerkmodell für ein Mittelfeld in einem Durchlaufträger.
Das Bild 12.97 enthält ein Fachwerkmodell für Randfelder am Beispiel einer zweifeldrigen Wandscheibe
Wandartige Durchlaufträger sind sehr empfindlich auf Setzungen der Lager. Das Bild 12.98 zeigt jene
Fachwerkmodelle, die sich beim Ausfall eines Lagers einstellen.
14.11.01 427
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a
q⋅l q⋅l b q⋅l q⋅l
q q
w w
1 2 3 1 2 3
14.11.01 428
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.10 Fundamente
12.10.1 Anmerkungen
Dieses Kapitel behandelt nur jene Teile von Bauwerksgründungen, deren Tragwirkung sich mit Hilfe von
Fachwerkmodellen beschreiben läßt, also in erster Linie Flachgründungen (Streifenfundamente, Einzel-
fundamente) und Pfahlkopfblöcke (Platten oder Balken).
Schlanke Fundamentplatten werden im Kapitel 4.6 als elastisch gebettete Platten modelliert. Tragele-
mente von Tiefgründungen wie Pfähle, Schlitzwände, Brunnen etc. werden in der LV Grundbau bespro-
chen. Pfähle werden meist als elastisch gebettete Stäbe modelliert. Stützmauern, Brunnen und andere
massive Fundamentkörper werden oft als Starrkörper betrachtet, die mittels geeigneter Ansätze für die
Erdlasten und Erdwiderstände mit den Bauwerkslasten ins Gleichgewicht gebracht werden. Die statisch
erforderliche Bewehrung dieser massiven Grundbaukörper läßt sich ebenfalls mit Hilfe von Fachwerk-
modellen bemessen.
Linearisierung der Sohldruckverteilung (Bodenpressung)
Während die Lastannahmen in den Normen eindeutig geregelt sind und damit feststehen, ist die Reak-
tion des Baugrundes (Sohldruckverteilung) nur grob erfaßbar.
Die Verteilung der Spannungen im Boden unter der Fundamentsohle hängt vom Verhältnis der Steifig-
keiten des Bauwerkes bzw. des Fundamentes zum Boden ab. Das Bild 12.99 zeigt den qualitativen Ver-
lauf der Bodenpressung in Abhängigkeit von der Steifigkeit des Fundamentes und des Bodens.
a b
starr biegeweich
steifer
steifer Boden
Boden
c d
starr biegeweich
weicher
weicher
Boden
Boden
14.11.01 429
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Zur rechnerischen Ermittlung der Bodenpressung und der Nachgiebigkeit des Untergrundes gibt es
mehrere Näherungsverfahren. Bei starren Fundamenten bauen sich die Spannungsspitzen an den Rän-
dern durch plastische Verormungen des Baugrundes ab. Deshalb darf eine lineare Verteilung der Bo-
denpressung angenommen werden (Bild 12.100).
N
σN
M
σ2 b
σM
M a
e = ------- ≤ k = --- (12.57)
N 6
N(- ) N(-)
σ N = ---------- = ----------- (12.58)
A a⋅b
–M –6 ⋅ M
σ M = -------- = ---------------- (12.59)
W b ⋅ a2
σ 2( - ) = σ N
( -) + σ (- )
M (12.60)
14.11.01 430
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b
cϕ
1
c ϕ = ---------------- (12.61)
c e ⋅ JF
Ed
c e = --------------------------- (12.62)
0,25 ⋅ A F
ba 3
J F = ---------- (12.63)
12
AF = b ⋅ a (12.64)
cϕ .....................Federsteifigkeit
cϕ = 0 ...............gelenkige Lagerung
cϕ ≠ 0 ...............elastische Einspannung
cϕ = ∞ ...............starre Einspannung
AF .....................Aufstandsfläche des Fundamentes
JF .....................Flächenmoment 2.Grades (Trägheitsmoment) der Fundamentsohle (Aufstandsfläche)
ce ......................Bettungsziffer
Ed .....................Steifeziffer des Bodens für Kurzzeitbelastungen
a .......................Länge der Fundamentsohle
k .......................Kernweite
M
e = ----- .............Lastexzentrizität
N
14.11.01 431
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a
Lastausmitten k < e ≤ --- führen zu einer "klaffenden Bodenfuge", weil zwischen der Fundamentsohle
3
und dem Baugrund keine Zugspannungen übertragbar sind. Es ist von Fall zu Fall zu entscheiden, ob
eine klaffende Fuge zugelassen wird oder nicht. Keinesfalls sollte die Aufstandsfläche kleiner als die hal-
be Sohlfläche AF werden.
No
Mo
Ho
Nu E
h Mu
c
Hu
a
x ≥ ---
2
sB
Nu
e
a
--- – e
2
1/3 x 2/3 x
a
Mu = Mo + Ho ⋅ h + E ⋅ c (12.65)
Nu = No + GF (12.66)
Hu = Ho + E (12.67)
Mu
e = ---------- (12.68)
Nu
1
N u = --- ⋅ σ B ⋅ x ⋅ b (12.69)
2
a
x = 3 æ --- – eö (aus der Geometrie) (12.70)
è2 ø
2 ⋅ Nu
σ B = ------------------------- (12.71)
a
3 æ --- – eö b
è2 ø
14.11.01 432
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Bei einseitig ausmittiger Fundamentbelastung kann die Sohlfläche auch exzentrisch zur Stützenachse
angeordnet werden.
Für die Wahl der Fundamentabmessungen (a, b) ist nicht nur die rechnerische Randpressung σ B maß-
gebend, sondern auch die Setzungsberechnung..
Für biegeweiche Fundamentplatten ist die Annahme einer linearen Verteilung des Sohldrucks zu unge-
nau. Zur Erfassung der Interaktion zwischen der Verformung der Bodenplatte und der Baugrundsetzung
sind verschiedene Näherungsverfahren gebräuchlich. (Bettungsmodulverfahren, Steifemodulverfah-
ren). Sie werden in der LV Grundbau besprochen.
b Grundriß
d
e
N
Ansicht
e = 0 N
σ σ σ = -----------
(N in der Mitte) b⋅d
e
N 6⋅e
N d
e < --- σ = ----------- ⋅ æ 1 – -----------ö
6 b⋅d è d ø
σ1 σ2 N 6⋅e
(N innerhalb des Kerns) σ = ----------- ⋅ æ 1 + -----------ö
b⋅d è d ø
e
N d σ1 = 0
e = ---
6
σ1 2⋅N
σ2 (N am Kernrand) σ 2 = ------------
b⋅d
e c
d d 2⋅N
N --- < e < --- σ = ------------------
6 3 3⋅c⋅b
e c d 4⋅N
e = --- σ = ------------
N 3 b⋅d
σ = 0 σ
3c
14.11.01 433
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Streifenfundamente unter Wänden können unbewehrt bleiben, wenn die Lastausbreitung nicht flacher
als α = 60° gegen die Horizontale geneigt ist (Önorm B 4200 Teil 3). Nach DIN 1045 sind in Abhängigkeit
von der Bodenpressung auch flachere Ausbreitungswinkel (bis zu α = 45°) zugelassen.
h
α = arc tan æ ------ö
èa ø
2
Die infolge der Lastausbreitung auftretenden Querzugspannungen werden vom Beton aufgenommen.
Wenn man von Reibungskräften in der Sohlfuge absieht, werden dem Beton Zugspannungen zur Last-
abtragung zugemutet, die bis zu 50% der Biegezugfestigkeit betragen.
a b
OEN: α ≥ 60×
a
A
h
1 α
σc1 σgd
A
Breitere Fundamentstreifen sind als Konsole zu bewehren (Bild 12.104), wobei meist eine linear verteilte
Sohlpressung zu Grunde gelegt wird.
14.11.01 434
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
N/2 N/2
a2
h d
N/2 N/2
Wenn die seitliche Auskragung a2 größer wird als die Konsolenhöhe h (a2 > h), so wird der Fundament-
streifen in Querrichtung als Kragbalken behandelt (Bild 12.105).
14.11.01 435
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a N
Risse
< 25°
Rollierung
Sauberkeitsschicht
(Magerbeton)
Das Bild 12.105 a zeigt, wie sich die Last N fächerartig ausbreitet, wobei die Risse ungefähr in Richtung
der Druckstreben orientiert sind. Der steile Abfall der Momentenlinie (Bild 12.105 b) bewirkt eine entspre-
chende Änderung der Zugkraft in der Bewehrung und damit hohe Verbundbeanspruchungen, die zum
Abspalten der Bewehrung samt der Betondeckung führen können. Bei hochbeanspruchten Fundamen-
ten von Großbauten, wo vier und mehr Lagen dicker Bewehrungsstäbe angeordnet sind, baut man zur
Sicherung gegen den Verbundbruch vertikale Bügelleitern ein. Bei Gefahr des Durchstanzens werden
diese Bügel gleichzeitig als Durchstanzbewehrung genützt und deshalb bis zur Fundamentoberseite ge-
führt.
Wie dem Bild 12.105 a und b zu entnehmen ist, wird der Beton oberhalb der Lastausbreitungspyramide
nur gering beansprucht. Deshalb ist eine Abschrägung der Oberfläche gemäß Bild 12.105 c statisch
gleichwertig. Eine Neigung der Oberfläche von etwa 20° läßt sich ohne obere Gegenschalung wirtschaft-
lich ausführen. Die Abschrägung führt auch zu einer weicheren Randlagerung der elastisch gebetteten
Kellerbodenplatte (Bild 12.105 c).
Die Wahl der Breite von Streifenfundamenten in Gebäuden mit unterschiedlichen Wandlasten ist so ab-
zustimmen, daß die Fundamente möglichst gleiche Setzungen erfahren.
14.11.01 436
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Bei gleichmäßigem Baugrund und durchgehender Wandscheibe genügt in Längsrichtung der Streifen-
fundamente eine schwache Bewehrung ( a sx ≈ 0,2 ⋅ a sy ). Bei ungleichmäßigen Bodenverhältnissen ist
zu prüfen, wie weit die Wandscheibe mitwirkt. Bei Mauerwerk hat das Streifenfundament die Setzungs-
unterschiede auszugleichen, wobei Längsbiegebeanspruchungen entstehen.
In Bereichen, wo die Wand unterbrochen ist (z.B. bei Türöffnungen), muß das Streifenfundament zu-
sätzlich als Balken gemäß Bild 12.106 bewehrt werden.
Belastung
Bewehrungskorb
x
h
z
Bodenpressung p
statisches System
und Belastung
Biegemomente M
+
+ Querkräfte V
Bild 12.106 Streifenfundament: zusätzliche Längs- und Bügelbewehrung bei unterbrochenen Wän-
den
Wenn in der Anschlußfuge zwischen Wand und Fundament Querbiegemomente auftreten, läßt sich das
im Bild 12.107 skizzierte Fachwerkmodell (entsprechend einer Rahmenecke) anwenden. Derartige Plat-
tenbeanspruchungen der Wände können beispielsweise durch Erddruck entstehen.
Die Anschlußbewehrung wird in diesem Fall in Richtung der resultierenden Bodenreaktion umgebogen
und mit ausreichender Stoßlänge an die Hauptbewehrung der Stütze angeschlossen.
14.11.01 437
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
M
e = -----
N
2ltd
Wenn sich die Lastausmitte e durch die Nutzlast nicht wesentich ändert, bietet es sich an, das Funda-
ment entsprechend exzentrisch anzuordnen.
Man erreicht damit eine gleichmäßige Bodenpressung und infolge dessen eine geringere Verdrehung
des Fundamentes.
Ausmittige Fundamentbelastungen treten auch bei einseitigen Fundamenten (z.B. an Grundstücksgren-
zen) auf (Bild 12.108).
a b Aufriß Grundriß
Schnitt 1-1 Schnitt 2-2
Rippe
2 2
~12h
Rippe
2 2
Bodenpressung
14.11.01 438
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Wenn die Abmessungen von Einzelfundamenten bei relativ schlechtem Baugrund zu groß werden, oder
wenn das Bauwerk gegen eine ungleichmäßige Stützensenkung empfindlich ist, kann man die Funda-
mente mehrerer Stützen durch Streifenfundamente verbinden (Fundamentbalken oder Trägerrost).
Die Verteilung der Bodenpressung hängt vom Verhältnis der Biegesteifigkeit EJ des Fundamentbalkens
zur Steifigkeit des Bodens ab. Man wählt für die Höhe des Fundamentbalkens
l
h ≥ --- (12.72)
6
also eine relativ geringe Schlankheit , um ein relativ steifes Fundament zu erreichen.
Bei steifem Boden entstehen unter den Stützen wesentlich höhere Bodenpressungen als im Feldbereich
des durchlaufenden Fundamentbalkens. Dies führt zu einer Verringerung des Stahlbedarfs. Um die
Sprengwerkstragwirkung (Bild 12.109 a) zu unterstützen, läßt man die Gurtbewehrungen größtenteils
durchlaufen. Lediglich unter den Stützen sind Zulagen zweckmäßig (Bild 12.109 b).
F1 + F3 F1 + F3
a
F2 F2
F2 F2 F2 F2
F3 F3
F1 F1 F1 F1
b
14.11.01 439
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Anschluß-
bewehrung
(Steckeisen)
14.11.01 440
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.10.4 Einzelfundamente
12.10.4.1Einzelfundamenttypen
Einzelfundamente werden ausgeführt, wenn die Lasten über Stützen konzentriert in den Baugrund ab-
zutragen sind und ein tragfähiger Baugrund in mäßiger Tiefe ansteht (z.B. Skelettbauweise im Hoch-
bau).
Unbewehrte Einzelfundamente
Wenn Einzelfundamente unbewehrt ausgeführt werden (C5/10 bis C20/25), ist die Lastausbreitung ge-
mäß anzunehmen.
Aus der Bedingung, daß die Biegezugrandspannung σ c1 den Bemssungswert fctd nicht überschreiten
darf, läßt sich für die Lastausbreitung a die Ungleichung (12.76) ableiten.
unbewehrtes Einzelfundament
Mit den im a definierten Bezeichnugnen lautet das Moment im Anschnittsquerschnitt A-A
a
M A-A = ( σ gd ⋅ a ⋅ b ) ⋅ --- (12.73)
2
M A-A
σ c1 = ------------- = f c td (12.74)
W1
b ⋅ h2
W 1 = -------------- (12.75)
6
h 3 ⋅ σ gd
tan α = --- ≥ ----------------
- (12.76)
a f ctd
Hierin bedeuten
σgd....................Bemessungswert für die Bodenpressung (ULS)
fctd ....................Bemessungswert für die Zugfestigkeit des Betons
f ctk, 0.05
f ctd = --------------------
γc
γc ......................Teilsicherheitsbeiwert für unbewehrten Beton
γ c = 1,5 ⋅ 1,2 = 1,8
h
Vereinfachend kann auch --- ≥ 2 ausgeführt werden.
a
Bei großen Abmessungen kann das Fundament gemäß b abgetreppt werden (1 bis 2 Stufen sind üblich).
Bewehrte Einzelfundamente
Entsprechend der Art der Ausführung lassen sich die im Bild 12.111 skizzierten Varianten unterschei-
den. Das monolithische Einzelfundament (Bild 12.111 a) wird in Ortbetonkonstruktionen verwendet.
Das Blockfundament (Bild 12.111 b) ist ein Ortbetonfundament, welches eine vorgefertigte Stütze auf-
nimmt. Auch Köcherfundamente (Bild 12.111 c) werden im Fertigteilbau eingesetzt. Manchmal wird der
Köcher (1) vorgefertigt und nur der untere Fundamentblock (2) in Ortbeton hergestellt.
14.11.01 441
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b c
(1)
(2)
14.11.01 442
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Biegeriß
Scherfläche
(Verbundbruch)
Riß (Schubbruch)
~40 °
14.11.01 443
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.10.4.3Monolithisches Einzelfundament
Das Bild 12.113 zeigt die Lastabtragung in einem zentrisch belasteten Einzelfundament durch ein räum-
liches Fachwerkmodell.
a Schrägriß
(2)
(1)
(2)
(3)
(4)
(3)
(2)
(1)
(2)
a
b Grundriß a1
(1)
(2) (2)
A A
(3) (3)
b b1
(2) (2)
(1)
B
a
c Schnitt A-A d Schnitt B-B b1
a b
14.11.01 444
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Die Lastabtragung über die Mittelstreben (1) und (3) im Bild 12.113 ist steifer als die über die schrägen
Streben (2). Das Bild 11.xx zeigt den Verlauf und die Verteilung der Biegemomente entsprchend der li-
nearen Plattentheorie. Vereinfachend sollte man bei breiten Fundamenten (b > a1 + 2h) die Bewehrung
unter der Stütze auf die Breite b1 = a1 + 2h doppelt so dicht anordnen als außerhalb (Bild 12.114).
b1
~b2
b
Um ein korrektes Gleichgewichtssystem aufzubauen, geht man am zweckmäßigsten von den Resultie-
renden der über die Teilflächen integrierten Bodenpressungen aus.
Im Bild 12.113 wurden z.B. 3 ⋅ 3 = 9 gleichgroße Teilflächen angenommen werden. Man kann aber
auch eine engere Unterteilung der Sohlfläche wählen. Im Bild 12.115 sind zwei Fachwerkmodelle für 16
und 36 Teilflächen skizziert. Sie liefern eine veränderliche Kraft im Zugband. Trotzdem verzichtet man
in der Regel darauf, die Bewehrung entsprechend abzustufen.
14.11.01 445
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a
N
Bei einer exzentrischen Einwirkung muß die Stützenzugkraft ähnlich einer negativen Rahmenecke um-
gelenkt werden (Bild 12.116).
14.11.01 446
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
N
M
N M
b1
b 2 = b1 + h b
h
Die zur Abtragung des Stützenfußmomentes erforderliche Bewehrung ist auf der Breite
b2 = b1 + h (12.77)
14.11.01 447
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.10.4.4Blockfundament
a
vorgefertigte Stütze mit
profiliertem Fuß
≥ 1, 5a
h
Nach dem Versetzen und Ausrichten der Stütze wird der Zwischenraum ausbetoniert. Das Bild 12.119
zeigt das zugehörige Fachwerkmodell für eine reine Normalkrafteinwirkung. Die Druckstreben verlaufen
schräg über die Fuge. Bei entsprechender Verzahnung des Stützenfußes und der Köcherwandung, die
eine den Köcher horizontal umschließenden Bewehrung voraussetzt, wirkt das Blockfundament wie ein
monolithisches Fundament (vgl. Bild 12.113 a).
a b
14.11.01 448
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
~4g
Vergußbeton
g > Größtkorn
g > 1,5 cm
f > 5 cm
f g
Das Bild 12.120 zeigt ein Detail der Vergußfuge. Der Schlitz zwischen Stütze und Köcherfundament soll
einerseits möglichst klein sein. Andererseits soll der Vergußbeton problemlos eingebracht und verdich-
tet werden können.
Wenn am Stützenfuß ein relativ zur Normalkraft großes Biegemoment vorhanden ist (große Lastausmit-
te), entsteht eine Biegezugkraft T1, die von der Stütze in das Fundament zu übertragen ist. Dies erfolgt
- ähnlich wie bei einem Übergreifungsstoß - über schräg nach oben verlaufende Betondruckstreben.
Durch die Schrägstellung der Druckstreben entstehen horizontale Spreizkräfte, die über in den Seiten-
wänden des Köchers angeordnete Horizontalbügel verschlossen werden müssen.
14.11.01 449
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
T1
a0
a0
t1 t
lbd
T2
Bild 12.121 Übertragung der Zugkraft über die Fuge (links Fachwerkmodell, rechts Bewehrung)
Um die Zugkraft sicher über die Fuge übertragen zu können, muß die Einbindetiefe t der Stütze minde-
stens so groß gewählt werden, daß sich die Enden der Bewehrung um das Maß
t 1 = a 0 + l bd (12.78)
überlappen.
a0 .....................Abstand der Bewehrung
lbd .....................Verankerungslänge
14.11.01 450
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
z2
a z1
N
e
M
T1 C1
2
lbd 1
4 C2 Zone a
T2
lbd 3
C2 Zone b
6
T2
7 8
M
e = -----
N
T1 ⋅ z1 = T2 ⋅ z 2
e R=N
b Grundriß c Grundriß
4 1 7 6 8
3 2
3 2
4 1 7 6 8
14.11.01 451
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.10.4.5Köcherfundament
Becher- oder Köcherfundamente weisen einen aufgesetzten Köcher auf, über den die Einspannmomen-
te einer vorgefertigten Stütze in den Fundamentblock übertragen werden können. Nach dem Versetzen
(Einrichten) der Stütze wird die Fuge mit Mörtel verfüllt.
Während bei Blockfundamenten wegen der Durchstanzgefahr im Einbindebereich sowohl die Stütze als
auch die Becherwand eine tragfähige Profilierung aufweisen, kann dieser Bereich beim Becherfunda-
ment auch glatt ausgeführt werden (Bild 12.123 b).
a
a
d0
b a
d0
t ≥ 1, 5a
t
Bei rauhen Kontaktflächen ist das Tragverhalten ähnlich dem des Blockfundamentes, mit der Einschrän-
kung, daß die Ausbreitung des Druckspannungsfeldes am Druckrand durch die Köcherabmessung be-
grenzt wird. Dadurch fällt die Zone a in den Becher, wogegen die Zone b normalerweise im Block
unterhalb des Köchers liegt (Bild 12.124). Abgesehen davon gelten sinngemäß die Ausführungen des
Abschnittes 11.4.4.
Um den Schalungsaufwand zu verringern, kann der Köcher selbst als Fertigteil ausgebildet werden, der
meist in einem Ortbetonblock steckt. Damit der Köcher und das Fundament steif genug werden, sollen
die Einbindetiefe t, die Wandstärke des Köchers d0 und die Höhe h des Fundamentblocks großzügig
gewählt werden.
Das Bild 12.124 enthält die Skizze eines geeigneten Fachwerkmodells. Das Modell unterscheidet sich
vom Bild xx dadurch, daß die Zone b in den Bereich des Fundamentblocks fällt.
14.11.01 452
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
T1 C1
V
Zone a
T2 C2
~N C2
Zone b
T2
~N C2
Bei glatten Fugen zwischen Stütze und Köcher wird das Biegemoment am Stützenfuß gemäß Bild
12.125 durch Horizontalkräfte in die Stirnwände des Bechers eingeleitet.
t
M m = M + V ⋅ --- (12.79)
2
Mm V 3 M 5
H o = --------- + ---- = --- ⋅ ----- + --- ⋅ V (12.80)
z 2 2 t 4
Mm V 3 M 1
H u = --------- – ---- = --- ⋅ ----- + --- ⋅ V (12.81)
z 2 2 t 4
14.11.01 453
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
M
N
Ho
z = 2/3 t t
Mm
Hu
Bild 12.125 Glatter Köcher: Horizontalkräfte Ho und H u (auf die Becherwand einwirkend)
Das Bild 12.126 zeigt ein Fachwerkmodell für den Einspannbereich der Stütze.
T1 C1 + N
Ho
z ~ 2/3 t
t
Hu
Das Bild 12.127 enthält die entsprechenden Fachwerkmodelle für den Bereich des Köchers und das Bild
12.128 die zugehörige Bewehrung.
14.11.01 454
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Aufriß Köcherseitenwand
A T2 Ho/2 A
Ho
T = -------
2 2
D
H o – Hu V
--------------------- = ---- T3
D
2 2
B B
Hu/2
T3 C3
Ho Hu
Schnitt A - A T = ------- Schnitt B - B
2 2 T = -------
4 2
T2 T2 T4 T4
Ho/2 Hu/2
Ho/2
Hu/2
T2 T2 T4 T4
a
Pos.1
3
Pos.2 Pos.3
(statt Pos.3 ist auch
Pos.2 möglich)
14.11.01 455
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
2
1
1 3 Pos.1
2 Ringbügel
Pos.2
Pos.3 Standbügel
14.11.01 456
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
C1 + N
T1
V
Zone a
Ho
Ho
Ho - Hu
Zone b
T2
Das Bild 12.129 enthält eine Aufrißskizze des räumlichen Fachwerkmodells für ein Köcherfundament mit
glatter Köcherinnenseite. Die Zone b liegt unterhalb des Köchers im Fundamentblock.
Das Bild 12.130 zeigt schematisch eine Möglichkeit, wie man den Stützenfuß einjustieren kann. Die Hö-
henjustierung kann entweder mit einem einnivellierten Mörtelbett oder mit einer Justiermutter erfolgen.
a Hartholzkeil
b
Stütze
schräge
Justiermutter Gerüststreben
Mörtelbett
genaue Höhe
rohe Höhe
14.11.01 457
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
12.10.4.6Pfahlkopfplatten
Pfahlkopfplatten tragen die Lasten ähnlich wie Einzelfundamente ab. An die Stelle der gleichmäßig ver-
teilten Bodenpressungen treten jedoch konzentrierte Querpressungen über den längssteifen Pfählen
(Bild 12.131).
a b
Stütze
Pfahlkopfplatte N/2 N/2
Stütze
Pfahlkopfplatte
Pfahl
tragfähige Schicht
Es stellt sich ein räumliches Fachwerk ein, bei dem sich die schrägen Druckstreben vorzugsweise auf
die Pfähle abstützen (Bild 12.132 a).
Die Pfahlkopfplatten werden möglichst steif ausgebildet; d.h. die Höhe wird so gewählt, daß sich die
1
Druckstreben relativ steil einstellen. Ihre Neigung soll das Verhältnis tan α = --- nicht unterschreiten.
2
Die Horizontalkomponenten der Druckstreben werden mit Zugbändern verschlossen, die man auch vor-
spannen kann. Sie verlaufen streifenförmig über den Pfählen (Bild 12.132, Bild 12.133 a und Bild
12.134). Falls sich zu geringe Abstände zwischen den Bewehrungsstäben ergeben, ist es besser, meh-
rere Lagen übereinander anzuordnen, statt einen Teil der Bewehrung außerhalb der Pfahlbreite zu ver-
legen.
Durch die hohe Querpressung über den Pfählen hat man selten Probleme mit der Verankerung der Be-
wehrung (Haken sind nicht erforderlich). Eine Umschließung der Ankerzone durch Bügel ist zweckmä-
ßig, wenn hohe Kräfte (in mehreren Lagen) zu verankern sind oder wenn doch ein Teil der Bewehrung
außerhalb der Pfahlbreite liegt (Bild 12.132).
14.11.01 458
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Aufriß Schnitt A - A
A
Stütze
Pfahl
Umschnürung
A
der Ankerzone
Grundriß
a Sprengwerk 1
Obwohl sich die Sprengwerke bevorzugt über den jeweils kürzesten Weg direkt auf die steifen Auflager
(Pfahlköpfe) abstützen (Bild 12.133), stellt sich bei großem Pfahlabstand auch noch eine zweite Spreng-
werkwirkung ein, die - weil weicher - einen kleineren Lastanteil indirekt über das im Bild 12.134 skizzierte
Fachwerkmodell abträgt.
14.11.01 459
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
Druckstreben 2
A
Sprengwerk 3
Druckstreben 3
B
Sprengwerk 2
Zugbänder 2
Aufhänge=
Aufhänge=
A bewehrung
bewehrung
Sprengwerk 3
Zugbänder 3
Aufhängestab
(Bügel)
Zugband 2 Zugband 3
Wichtig ist, daß für diese Tragwirkung nicht nur die entsprechenden Zugbänder 2, sondern auch Auf-
hängebügel (Bild 12.135) erforderlich sind, die die Druckstreben des Sprengwerkes 2 in Bild 12.134 in
das Sprengwerk 3 einhängen. Das Bild 12.136 zeigt ein Bruchbild bei fehlender Aufhängebewehrung.
14.11.01 460
12. Fachwerkmodelle - strut and tie models
a b Zugband zu den
Sprengwerken 1 und 3
Aufhängebügel
zu Sprengwerk 2
Zugband zu
Sprengwerk 2
Bild 12.135 Vollständige Bewehrung einer Pfahlkopfplatte über Pfählen mit großem Pfahlabstand
a Schnitt A-A
gleichmäßig verteilte
Druckstrebe geht
orthogonale Bewehrung
“ins Leere”
A A
b
14.11.01 461
13. Umlenkkräfte
13. Umlenkkräfte
13.1 Allgemeines
a
T
C
M
b
T T
C
C
c u
C C
T T
d
C C
T T
14.11.01 462
13. Umlenkkräfte
Achtung: Eine Zugbewehrung um eine einspringende Ecke zu führen, ist einer der schwerwiegend-
sten Fehler, die man im Betonbau begehen kann!!!
Achtung: Stets ist die Auswirkung von Umlenkkräften zu verfolgen. Die gegenwirkenden Kräfte, die
den Umlenkkräften das Gleichgewicht halten, können in anderen Bereichen des Quer-
schnittes auftreten (z.B. in den Gurten von Kasten- oder I-Querschnitten).
s
a b
Ts
U
Ts dϕ
-------
Ts 2
dϕ-
------ dϕ
-------
2 2
dϕ
U = 2 ⋅ T s ⋅ sin ------- (Bild 13.2) (13.1)
2
dϕ
s = 2 ⋅ r ⋅ sin ------- (13.2)
2
dϕ dϕ
Für kleine Winkel gilt sin ------- = ------- .
2 2
U = T s ⋅ dϕ (13.3)
s = r ⋅ dϕ (13.4)
U Ts
u = ---- = ------ (13.5)
s r
Wenn man zur Aufnahme der Umlenkkraft Bügel im Abstand s anordnet, lautet die Zugkraft Tu je Bügel
s
T u = T s ⋅ --- (13.6)
r
Tu T s
erf A s, u = ------- = ------- ⋅ --- (13.7)
f yd f yd r
14.11.01 463
13. Umlenkkräfte
zentrationen an der gekrümmten Hauptbewehrung auftreten (Bild 13.4), sind für den Bügelabstand und
die Betondeckung folgende Bedingungen einzuhalten:
s ≤ 10d s (13.8)
c ≥ 1, 5d s (13.9)
s
Bügel
C C
T T
14.11.01 464
13. Umlenkkräfte
a b
c td
σ
vorh As
Riß c u
c ca.30°
bc ≤ 3, 5c ≤ e – ds bc = 3,5c
bc bc 1,75 c
----- -----
2 2
ds
3,0 σctm
σctm
Die maximale Betonzugspannung σctd tritt neben der Hauptbewehrung auf (Bild 13.4).
u
σ ctd = 3,0 ⋅ σ ctm = 3,0 ⋅ ----- (13.10)
bc
f ctk f c tk
f ctd = -------- = -------- (13.11)
γc 2
f ctk ⋅ b c
u Rd = ------------------- (13.12)
6,0
Die einwirkende Umlenkkraft läßt sich aus dem Rechenwert der Fließspannung aus dem vorhandenen
Bewehrungsquerschnitt As ableiten.
vorh A s ⋅ f y d
u Sd = -------------------------------- (13.13)
r
Die Gleichung (13.12) setzt voraus, daß sich den aus der Umlenkung der Zugkräfte resultierenden Be-
tonzugspannugen keine anderen Zugspannungen überlagern. Es können Zugspannungen aus einer
Querkraft und/oder Tosionseinwirkung sein, aber auch Zugspannungen in Umgebung der Bewehrung
aus der Verbundwirkung.
14.11.01 465
13. Umlenkkräfte
Wenn die umgelenkte Bewehrung nicht nahe dem Biegezugrand angeordnet ist (z1 <<), sondern inner-
halb des Querschnittes, dann gilt für die rückzuankernde Umlenkkraft u2:
T z2
u 2 = --- ⋅ ----- (13.14)
r h
u2(+)
σx σx
C2 z2 C2
u1(-) z1
T T
r C1
C1
Anmerkung: Für z2 = 0 wird die Kreiszylinderschale “umwickelt“. Die Umlenkkräfte verursachen Querdruckspannungen.
14.11.01 466
13. Umlenkkräfte
Bei schlanken Stützen unter einer relativ geringen Normalkraft (ν < 0,4) erhöht eine Vorspannung das
Rißmoment und damit die Tragfähigkeit nach Theorie 2.Ordnung.
mit Vorspannung
M
2
n Reaktion
tio
Ak
1 ohne Vorspannung
tion
Ak
Mcr,N+P
2
N 1 ⋅ kM ⋅ l0
2
Mcr,N
N 2 ⋅ kM ⋅ l0
ϑ
e1
---------------
2
kM ⋅ l0
Bild 13.6 Erhöhen der Stabilität N2 durch zentrische Vorspannung (N1 ohne Vorspannung)
Die Umlenkkräfte uc,P aus dem Lastfall Vorspannung, die infolge der Stabauslenkung e2 nach Theorie
2.Ordnung entstehen (Bild 13.7 a), wirken in gleicher Größe den Umlenkkräften up,P (Bild 13.7 b) ent-
gegen, die im Spannglied infolge der Stabauslenkung e2 entstehen. Daher verursacht die Vorspannung
kein zusätzliches Stabilitätsproblem, wenn der Spannstahl in engen Hüllrohren geführt wird.
14.11.01 467
13. Umlenkkräfte
a b
N P
Umlenkkräfte up,p
Umlenkkräfte uc,p infolge P
infolge Nc,P
e2 e2
u c, P = u p, P
N P
Bild 13.7 Der „Selbstspannungszustand“ infolge der Vorspannung wird durch die Stabauslen-
kung e2 nicht verändert
a) Umlenkkräfte uc,P im verformten Betonstab (Stabauslenkung e2)
infolge der Vorspannung P
b) Umlenkkräfte up,P im verformten Spannglied (Auslenkung e2)
14.11.01 468
13. Umlenkkräfte
Bei Knickwinkel α der Betonleibung, die höchstens 10° betragen, dürfen die Zugeinlagen elastisch ge-
krümmt oder mit großem Biegerollendurchmesser gebogen werden. Die Umlenkkraft jedes Zugstabes
ist im Krümmungsbereich durch mindestens zwei Bügel zu sichern. An der Knickstelle der Leibung muß
die Mindestbetondeckung auch für die Bügel eingehalten werden (siehe Bild 13.8).
Bei Knickwinkel der Betonleibung, die größer als 10° sind, müssen die Zugeinlagen ausgekreuzt und in
der Druckzone ausreichend verankert werden (siehe Bild 13.9).
Für Knickwinkel 45° < α ≤ 95° ist bei hoher Ausnutzung (ρ > 1%) außerdem gemäß Bild 13.10 eine
Schrägbewehrung As anzuordnen, die mindestens die halbe Querschnittsfläche des stärkeren Zuggur-
tes hat. Diese Schrägbewehrung ist bis in die Druckzone zu führen. Beidseits der einspringenden Ecke
muß mindestens die Verankerungslänge vorhanden sein.
Bei Winkeln > 95° ist die spitzwinkelig einspringende Ecke durch eine Voute zu brechen. Es ist stets eine
Schrägbewehrung anzuwenden, die dann in der Voute verläuft. Sie ist auf das Eckmoment einschließ-
lich allfällig wirkender Normalkräfte unter Annahme eines realistischen Hebelarms der inneren Kräfte zu
bemessen (siehe Bild 13.11).
M M
α
α ≤ 10°
Bild 13.8 geknickte Betonleibung mit nach außen wirkender Umlenkkraft; Knickwinkel α ≤ 10°
Fu U
lb,erf lb,erf
U
Dd Dd Dd Dd Wirkungslinie von Dd
α
M M
rd
rf
l b,e
≥
rf
l b,e
≥
M
α Ass h1
As1
h2 As2
14.11.01 469
13. Umlenkkräfte
α h1 M
Ass As1
h2 As2
α > 95°
Bild 13.11 geknickte Betonleibung mit nach außen wirkender Umlenkkraft; Knickwinkel α > 95°
14.11.01 470
13. Umlenkkräfte
Die Umlenkkräfte der Druckzone erzeugen die Radialzugspannungen σr. Wenn die nachstehende Be-
dingung eingehalten ist, können die Radialzugspannungen vom Beton aufgenommen werden.
Cd f ctk
σ rd = --------------- ≤ --------- (13.15)
r d ⋅ b 0 4, 5
Wenn die Bedingung nach Gleichung (13.15) nicht eingehalten ist, müssen die Umlenkkräfte durch Bü-
gel, in deren Ecken Querstäbe eingelegt werden, erfasst und rückverankert werden. Der Abstand der
Bügelschenkel darf in beiden Richtungen 20 cm bzw. die Hälfte der Querschnittsdicke nicht überschrei-
ten.
Bei geknickten Außenleibungen ist eine rechnungsmäßige Ausrundung anzunehmen und dafür die Ra-
dialzugspannung nachzuweisen. Wenn die so ermittelte Radialzugspannung σrd den Grenzwert gemäß
Gleichung (13.15) überschreitet, ist die Umlenkkraft U durch Bügel oder mit Schlaufen der gekreuzten
Bewehrung rückzuverankern.
Die sich bei der Ausrundung ergebende geringste Nutzhöhe des Bauteils ist bei der Bemessung auf Bie-
gung zu verwenden. Wenn σrd über dem Grenzwert gemäß Gleichung (13.15) liegt, darf die Betondeck-
schicht beim Biegungsnachweis nicht als Druckzone mitgerechnet werden.
Wenn die Druckzone breiter ist als der Steg (Plattenbalken), können die auf die Flansche entfallenden
Umlenkkräfte nicht direkt rückverhängt werden. Es kommt zu einer Querbiegebeanspruchung oder Kon-
solwirkung im Bereich des Knickes (Bild 13.12 c). Bei breiten Flanschen stellt sich eine Faltwerkwirkung
ein, die auf ein „Einschnüren“ der Druckzone (mittragende Plattenbreite) hinausläuft.
U = 2Cz
m
C C
Uf Uw Uf Uf Uf
bf
bf U f = U ⋅ ----
b
14.11.01 471
Dies ist eine Veröffentlichung des
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