EC3 Brandschutz - Mensinger
EC3 Brandschutz - Mensinger
EC3 Brandschutz - Mensinger
Rechenbeispiele
Brandschutznachweise
Prof. Dr.-Ing. Martin Mensinger
Dipl.-Ing. (FH) Martin Stadler
Workshop Eurocode 3
Rechenbeispiele
Inhalt
1 Einleitung ..................................................................................................................... 3
1.1 Brandschutz im Bauordnungsrecht.......................................................................... 3
1.2 Europäische Normung............................................................................................. 5
2 Grundlagen der Bemessung ....................................................................................... 7
2.1 Einwirkungen im Brandfall ....................................................................................... 7
2.1.1 Thermische Beanspruchungen......................................................................... 7
2.1.2 Mechanische Beanspruchungen ...................................................................... 8
2.2 Temperaturabhängige Materialeigenschaften ........................................................10
3 Tragwerksbemessung für den Brandfall nach vereinfachten Verfahren ................15
3.1 Entwicklung der Stahltemperatur ............................................................................15
3.1.1 ungeschützte, innen liegende Stahlkonstruktionen ..........................................15
3.1.2 geschützte, innen liegende Stahlkonstruktionen ..............................................17
3.2 Nachweis auf Tragfähigkeitsebene.........................................................................18
3.2.1 Querschnittsklassifizierung ..............................................................................18
3.2.2 Zugbeanspruchte Bauteile ..............................................................................18
3.2.3 Bauteile unter zentrischer Druckbeanspruchung .............................................18
3.2.4 Biegung mit und ohne Querkraft ......................................................................20
3.2.5 Beanspruchung durch ein- oder zweiachsige Biegung und Drucknormalkraft .21
3.3 Nachweis auf Temperaturebene.............................................................................23
3.4 Bemessungshilfsmittel............................................................................................24
3.4.1 Auf Zug oder Biegung beanspruchte Bauteile .................................................24
3.4.2 Bauteile mit zentrischem Druck .......................................................................28
4 Beispiele......................................................................................................................31
4.1 ungeschützter Deckenträger ..................................................................................31
4.1.1 Nachweis unter Normaltemperatur ..................................................................32
4.1.2 Ermittlung der Stahltemperatur ........................................................................32
4.1.3 Nachweis im Brandfall auf Tragfähigkeitsebene ..............................................34
4.1.4 Nachweis im Brandfall auf Temperaturebene ..................................................35
4.1.5 Nachweis mit Bemessungs-Nomogramm ........................................................36
4.2 geschützte Stütze ...................................................................................................37
4.2.1 Nachweis unter Normaltemperatur ..................................................................38
4.2.2 Ermittlung der Stahltemperatur ........................................................................38
4.2.3 Nachweis im Brandfall auf Tragfähigkeitsebene ..............................................40
4.2.4 Nachweis im Brandfall auf Temperaturebene ..................................................41
4.2.5 Nachweis mit Bemessungs-Nomogramm ........................................................41
5 Literatur .......................................................................................................................43
1 Einleitung
Jedes Bundesland in Deutschland ist dafür verantwortlich, die öffentliche Sicherheit und
Ordnung zu gewährleisten. Wesentlicher Bestandteil dieses Ordnungsrechts ist der Brand-
schutz. Die von den Ländern gegründete Musterbauordnungskommission hat eine Muster-
bauordnung (MBO) erarbeitet, deren Vorschläge zum Brandschutz weitestgehend von allen
Ländern übernommen wurden. So sind in jeder Landesbauordnung Vorschriften zu finden,
die das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen regeln. Je nach Gebäudeklasse und
Bauteilart werden unterschiedliche Anforderungen an das Brandverhalten gestellt. Über die
Landesbauordnungen hinaus existieren desweiteren Sonderverordnungen (Garagen- und
Stellplatzverordnung, etc.), die ebenfalls Brandschutzvorschriften enthalten.
Bild 1.1: Übersicht über die Zusammenhänge der bauaufsichtlichen Vorschriften und techni-
schen Regelungen
sifizierung von Baustoffen und Bauteilen enthält. Die Verknüpfung zwischen den bauord-
nungsrechtlichen Bestimmungen und den technischen Regeln erfolgt über die Bauregellisten
(vgl. Bild 1.2). In Bild 1.1 sind die Zusammenhänge zur Veranschaulichung nochmals dar-
gestellt. Weiterführende Informationen sind in [2] zu finden.
Bild 1.2: Verknüpfung der bauaufsichtlichen Anforderungen mit den technischen Regelungen
(aus [1])
Im Unterschied zur bisherigen Klassifizierung in Deutschland nach DIN 4102 werden nach
europäischer Regelung unterschiedliche Zeiten für jedes einzelne Versagenskriterium ange-
geben. Nach DIN 4102 wurde ein Bauteil beispielsweise dann in F 30 eingeordnet, wenn alle
Versagenskriterien mindestens 30 Minuten lang erfüllt waren. Im Gegensatz dazu kann nach
dem europäischen Klassifizierungssystem ein Bauteil beispielsweise der Klasse REI 30 / RE
60 / R 90 zugeordnet werden, wenn das Bauteil bei der Prüfung zwar nach 90 Minuten noch
eine ausreichende Tragfähigkeit besitzt (Kriterium R), jedoch bereits nach 60 Minuten seine
raumabschließende Wirkung verliert (Kriterium E) und nach mehr 30 Minuten die wärme-
dämmende Wirkung bei Brand nicht mehr gewährleistet ist (Kriterium I).
Die Tragfähigkeit eines Bauteils (Kriterium R) kann - neben Versuchen - auf Grundlage der
Eurocodes erstmals auch rechnerisch nachgewiesen werden. In den Eurocodes sind grund-
sätzlich drei Nachweisebenen vorgesehen (vgl. Tabelle 1.1):
Abschnitt in
Ebene Bezeichnung Nachweisformat
DIN EN 1993-1-3
t fi,d t fi,requ
vollständige thermische
erweiterte E fi,d ,t R fi,d ,t
3 und mechanische Analyse 4.3
Berechnungsmodelle
(FEM)
a ,d a ,cr , d
In den folgenden Abschnitten wird zuerst die Vorgehensweise bei der Bemessung nach Eu-
rocode erläutert. Dabei wird nur auf die vereinfachten Bemessungsverfahren (Ebene 2) ein-
gegangen, da derzeit keine Bemessungstabellen nach Eurocode 3 existieren (Ebene 1) und
die erweiterten Berechnungsmodelle (Ebene 3) hauptsächlich nur von Forschungseinrich-
tungen und besonders spezialisierten Ingenieurbüros angewendet werden.
Die Einführung der Eurocodes ist derzeit noch nicht abgeschlossen (vgl. Tabelle 1.2). Des-
halb existieren an einigen Stellen noch keine endgültigen Regelungen. Mit der Einführung
der nationalen Anwendungsdokumente können sich noch einige Details ändern. In dieser
Arbeit wird versucht, die aktuellsten Regelungen wiederzugeben, wie sie vermutlich nach
Meinung des Autors künftig vorgeschrieben sein werden. Bei der praktischen Anwendung
der Eurocodes muss jedoch immer überprüft werden, ob die hier angegebenen Regelungen
noch gültig sind.
Tabelle 1.2: Normen für die Brandschutzbemessung im Stahlbau nach den Eurocodes
veröffentlicht,
Norm bauaufsichtlich eingeführt
nicht eingeführt
Grundlagen der Bemessung DIN 1055-100 DIN EN 1990
Einwirkungen auf Tragwerke
DIN 1055 DIN EN 1991-1
allgemein
Brandeinwirkung auf DIN V ENV 1991-2-2
DIN EN 1991-1-2
Tragwerke DIN-Fachbericht 91
Tragwerksbemessung von DIN V ENV 1993-1-2
DIN EN 1993-1-2
Stahlbauten für den Brandfall DIN-Fachbericht 93
Dieser Satz bezieht sich jedoch vorwiegend auf die thermischen Einwirkun-
gen. Die mechanischen Einwirkungen werden größtenteils nach den glei-
chen Normen ermittelt, die auch für die Lastannahmen unter normalen
Temperaturen gelten. Nur einige Ergänzungen, die speziell den Brandfall
betreffen, werden dort noch gegeben.
1200
1000
800
Temperatur [°C]
600
400
Hydrokarbon-Brandkurve
Einheits-Temperaturzeitkurve
200 Außenbrandkurve
0
0 30 60 90 120 150 180
Zeit [min]
Der Eurocode unterscheidet zwischen zwei Arten von mechanischen Ein- DIN EN 1991-1-2
wirkungen im Brandfall: Kapitel 4
a) Direkte Einwirkungen
Dies sind die bekannten Belastungen, wie sie auch bei Raumtempe-
ratur berücksichtigt werden müssen (Eigengewicht, Verkehrslasten,
Schnee, …). Bis zur Einführung der DIN EN 1991-1 für Lastannah-
men können die Belastungen der DIN 1055 entnommen werden.
b) Indirekte Einwirkungen
… sind Beanspruchungen, die durch die Temperaturänderung im
Brandfall selbst hervorgerufen werden. Sie sind vor allem kritisch,
wenn die - im Brandfall durchaus erheblichen - Temperaturdehnun-
gen behindert werden und dadurch Zwangskräfte hervorrufen. Dies
ist beispielsweise in statisch unbestimmten Systemen der Fall.
DIN 1055-100
Abschn. 9.4 (4) b
mit
DIN-FB 91
Das Eigengewicht (ständige Einwirkungen) wird mit dem Abschn. F.3.1
charakteristischen Wert berücksichtigt
charakteristische Werte der ständigen Einwirkungen
Bemessungswert der indirekten Einwirkungen ( ) DIN 1055-100
Tabelle A.3
Kombinationsbeiwert der veränderlichen Leiteinwirkung,
in DIN 1055-100 wird der „häufige“-Wert verwendet
(s. Tabelle 2.1) im Eurocode 1 wird für die Leiteinwirkung der DIN EN 1991-1-2
„quasi-ständige“ Kombinationsbeiwert empfohlen Abschn. 4.3.1
charakteristischer Wert der veränderlichen Leiteinwirkung
Kombinationsbeiwert der weiteren veränderlichen Einwirkun-
gen, hier wird der „quasi-ständige“ Wert verwendet
char. Wert der weiteren veränderlichen Einwirkungen
DIN 1055-100
Tabelle 2.1: Kombinationsbeiwerte Tabelle A.2
Wenn indirekte Einwirkungen nicht berücksichtigt werden müssen, wenn es DIN EN 1991-1-2
sich beispielsweise um ein statisch bestimmtes System handelt, erlaubt der Abschn. 4.3.2
Eurocode vereinfachte Regeln zur Ermittlung des Bemessungswertes der
Einwirkungen. In diesem Fall resultieren keine mechanischen
Beanspruchungen aus der Temperatureinwirkung ( ) und es wirken
nur die äußeren Lasten auf das System. Die Beanspruchungen dürfen dann
zum Zeitpunkt t=0 berechnet werden und als konstant über die Zeitdauer
der Brandbeanspruchung angenommen werden. Die Einwirkungen im
Brandfall können dann auch vereinfacht von den Einwirkungen unter
normalen Temperaturen abgeleitet werden.
mit
Bemessungswert der Beanspruchungen nach der Grundkombination
(für normale Temperaturen)
DIN EN 1993-1-2
Verhältnis der Belastungen im Brandfall zum „Kaltfall“ Abschn. 2.4.2
DIN EN 1993-1-2
Tabelle 2.2: Abminderungsfaktoren für die Materialkennwerte unter erhöhten Tabelle 3.1
Temperaturen
DIN EN 1993-1-2
Bild 3.1
Zu beachten ist auch, dass sich bei steigender Temperatur auch die
thermische Dehnung ändert. Bei der Bemessung unter normalen
Temperaturen (<100 °C) wird vereinfacht nach DIN EN 1993-1-1 von einem
Wärmeausdehnungskoeffizienten ausgegangen. Nach
DIN EN 1993-1-2, 3.4.1.1 erhöht sich dieser Wert auf bis zu
bei einer Stahltemperatur von 1200 °C. Dieser Effekt ist
bei der Ermittlung der indirekten Einwirkungen (Zwängungen) zu
berücksichtigen. In DIN EN 1993-1-2 ist anstatt des
Wärmeausdehnungskoeffizienten die thermische Dehnung gegeben
(s. Bild 2.4). Die beiden Werte lassen sich jedoch einfach ineinander
überführen:
DIN EN 1993-1-2
Bild 3.3
Weiterhin ändert sich auch die spezifische Wärmekapazität (s. Bild 2.5)
und die Wärmeleitfähigkeit (s. Bild 2.6) bei zunehmender Temperatur.
Dies ist jedoch vor allem bei den allgemeinen Berechnungsverfahren von
Bedeutung. Nur bei der vereinfachten Berechnung der Entwicklung der
Stahltemperatur (s. Kapitel 3.1) muss die spezifische Wärmekapazität
berücksichtigt werden.
DIN EN 1993-1-2
Bild 3.4
DIN EN 1993-1-2
Bild 3.5
DIN-FB 93
Tabelle 2.3: Thermische Materialkennwerte von Brandschutzbekleidungen Tabelle R1
Brandschutzmaterial Wärmeleitfähigkeit Spezifische Wärme Dichte
p [W/(m x K)] cp [J/(kg x K)] p [kg/m³]
Putze:
Mörtelgruppe P II, 0,12 1100 550
P Iva, b, c
nach DIN 18550-2
Vermiculite- und 0,12 1100 550
Perlitemörtel nach
DIN 4102-4 3.1.6.5
Platten:
Gipskarton- 0,20 1700 945
Feuerschutzplatten
(GKF) nach DIN 18180
aus [9]
Tabelle 2.4: Thermische Materialkennwerte von Brandschutzbekleidungen
Abschn. 4.2.5.1
3.1.1 ungeschützte, innen liegende Stahlkonstruktionen
DIN EN 1993-1-2
Gl. 4.25
mit
Profilfaktor
Der Profilfaktor wird als Verhältnis der beflammten Oberfläche zum Volu-
men des Bauteils angegeben. Er entspricht dem Verhältnis des Umfangs
zur Fläche des Querschnitts. Durch ihn wird berücksichtigt, dass sich ge-
drungen Querschnitte langsamer erwärmen als schlanke. In DIN EN 1993-
1-2, Tabelle 4.2 sind einige Hilfestellungen zur Berechnung des Profilfaktors
gegeben.
DIN EN 1993-1-2
3.1.2 geschützte, innen liegende Stahlkonstruktionen Abschn. 4.2.5.2
DIN EN 1993-1-2
aber Gl. 4.27
mit
DIN EN 1993-1-2
Tabelle 3.1: Profilfaktor Tabelle 4.3
Abschn. 4.2.5.2
(3)
Die restlichen Werte sind analog zur Berechnung für ungeschützte Bauteile.
DIN EN 1993-1-2
3.2.1 Querschnittsklassifizierung Abschn. 4.2.2
DIN EN 1993-1-2
3.2.2 Zugbeanspruchte Bauteile Abschn. 4.2.3.1
DIN EN 1993-1-2
3.2.3 Bauteile unter zentrischer Druckbeanspruchung Abschn. 4.2.3.2
Bei der Ermittlung der bezogenen Schlankheit wird die Schlankheit unter
Raumtemperatur (s. DIN EN 1993-1-1, Abschn. 6.3.1.3) aufgrund der ge-
ringeren Streckgrenze und Steifigkeit im Brandfall abgemindert.
Die Knicklinie variiert mit der Streckgrenze des Stahls und der Stahltempe-
TUM Lehrstuhl für Metallbau – M. Mensinger, M. Stadler - Brandschutznachweise 18
Workshop EC 3
Rechenbeispiele
1,1
1,0
0,9 a0
0,8 a
d
b
0,7 c
Abminderungsfaktor
0,6
Brandfall
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0,0
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,6 2,8 3,0
Schlankheit
Bei Stützen, die über mehrere Stockwerke durchlaufen und bei denen jedes
Stockwerk einen eigenen Brandabschnitt bildet, reduziert sich die Knicklän-
ge im Brandfall (s. Bild 3.2). Dies kann dadurch begründet werden, dass die
Steifigkeit der Stütze im beflammten Bereich sehr viel geringer ist als in den
darüber und darunter liegenden kalten Stockwerken, wodurch eine Ein-
spannwirkung entsteht.
DIN EN 1993-1-2
Bild 4.1
DIN EN 1993-1-2
Abschn. 4.2.3.3
und
3.2.4 Biegung mit und ohne Querkraft Abschn. 4.2.3.4
3.2.5 Beanspruchung durch ein- oder zweiachsige Biegung und DIN EN 1993-1-2
Abschn. 4.2.3.5
Drucknormalkraft
Für den Stabilitätsnachweis ist ähnlich dem Kaltfall ein kombinierter Biege-
knick-Biegedrillknick-Nachweis zu führen. Für Querschnitte der Klasse 1
und 2 müssen folgende Bedingungen erfüllt sein (Klasse 3 und 4 hier nicht
widergegeben):
mit
und
Bei der Gleichung zur Berechnung von wurde in der Norm offensichtlich
der Beiwert vergessen. Wie in [3] gezeigt, wurde der Formelapparat aus
der Vorstudie nicht korrekt in die Norm übernommen. Vor allem und
wurden vertauscht (s. Tabelle 3.3). Wie in [3] beschrieben, hat das zwar
keine Auswirkung auf das Sicherheitsniveau, da die Formulierung im Euro-
code überwiegend konservativere Werte liefert als die im Original. Dennoch
wird davon ausgegangen, dass in der Berichtigung des Eurocodes die For-
mulierungen aus der Vorstudie eingearbeitet werden.
Tabelle 3.3: Vergleich der Beiwerte und im Original und EC3 (aus [3])
DIN EN 1993-1-2
Bild 4.2
DIN EN 1993-1-2
3.3 Nachweis auf Temperaturebene Abschn. 4.2.4
1000
900
a,cr
800
kritische Stahltemperatur
700
600
500
a,cr =540 °C
400
300
200
100 0=0,65
0
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1
Ausnutzungsgrad 0
Zur Berechnung von siehe Kapitel 2.1.2. Nach derzeitigem Stand der
Normung kann auch vereinfacht
3.4 Bemessungshilfsmittel
Da auch die vereinfachten Berechnungsverfahren noch relativ aufwendig in der Anwendung
sind, werden hier Nomogramme zur Bemessung gegeben, in denen die vereinfachten Ver-
fahren grafisch ausgewertet sind. Die Nomogramme sind ähnlich dem Euro-Nomogramm.
Sie wurden jedoch weiterentwickelt und auf den aktuellen Stand der Normung angepasst.
In der linken Diagrammhälfte ist jeweils die kritische Temperatur zum Ausnutzungsgrad
aufgetragen. Die Kurven ergeben sich aus dem Nachweisverfahren auf Temperaturebene
(s. Kap. 3.3). Zusätzlich ist der Anpassungsfaktor
für Biegeträger mit ungleichmäßiger Temperaturverteilung integriert (s. Kap. 3.2.4). Mit dem
Ausnutzungsgrad, der vereinfacht folgendermaßen berechnet werden kann (s. Kap. 2.1.2)
lässt sich die kritische Temperatur ablesen. Wie beim Nachweisverfahren auf Tempera-
turebene dürfen diese Nomogramme nur angewendet werden, wenn Stabilitätsversagen
(Knicken, Biegedrillknicken) ausgeschlossen werden kann.
Die rechte Seite der Bilder 3.5 und 3.7 geben die Erwärmungskurven von geschützten und
ungeschützten Stahlbauteilen für verschiedene Profilfaktoren wider (s. Kap 3.1). Die Brand-
einwirkung ist die Einheits-Temperaturzeitkurve. Die Bilder 3.6 und 3.8 enthalten die gleichen
Werte, nur dass dort der Profilfaktor auf der horizontalen Achse angetragen ist und die ver-
schiedenen Kurven für die üblichen Feuerwiderstandsdauern von 30, 60, 90 und 120 Minu-
ten stehen. Bei den Kurven für geschützte Bauteile (Bild 3.7 und 3.8) ist zu beachten, dass
vereinfacht gesetzt wurde. Das ist der Fall, wenn die spezifische Wärmekapazität der
Verkleidung wäre. Die Bauteiltemperaturen liegen somit etwas zu hoch und auf der
sicheren Seite.
700
15
650
600
0,60 550 10
0,70
500
0,85
450
1,0 400
350
300
1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60
t [min]
750
700
650
600
0,60 550
0,70
500
0,85
450
1,0 400
350
300
1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130
ksh Am/V [1/m]
650 800
700
600
600
0,60 550
0,70 500
500
0,85
450 400
350
1,0 400
300
350
250
300
1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 15 30 45 60 75 90 105 120
t [min]
t [min]
a,cr a [°C]
120
800
750 90
700
650 60
600
0,60 550
0,70
500
0,85
450
30
1,0 400
350
300
1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000
(Ap/V)( p/d p) [W/m³K]
1
3
Muss bei Bauteilen der Einfluss der Verformungen auf die Tragfähigkeit berücksichtigt wer-
den (Th. II. O., Stabilität), kann die kritische Temperatur nicht ohne weiteres aus dem Aus-
nutzungsgrad unter Raumtemperatur wie in Kapitel 3.3 beschrieben ermittelt werden, da zu
der materiellen Nichtlinearität zusätzlich eine geometrische Nichtlinearität hinzu kommt.
Nach Eurocode kann hierfür folglich nur die Bemessung auf Tragfähigkeitsebene durchge-
führt werden. Für die Ermittlung der erforderlichen Dicke der Brandschutzverkleidung ist das
jedoch sehr aufwendig, da der Nachweis nur iterativ möglich ist. Für eine geschätzte Verklei-
dung muss die Stahltemperatur berechnet werden, der Stabilitätsnachweis geführt werden,
die Dicke der Verkleidung evtl. angepasst und die Berechnung wiederholt werden.
Deshalb werden hier Diagramme zur Ermittlung der kritischen Stahltemperatur für zentrisch
gedrückte Bauteile vorgestellt, mit welcher durch die Bemessungs-Nomogramme einfach die
erforderliche Brandschutzverkleidung ermittelt werden kann. Die geometrische Nichtlinearität
wird hierbei über die Schlankheit im Kaltzustand berücksichtigt. Drei verschiedene Diagram-
me stehen zur Verfügung:
1. Für den allgemeinen Fall, wenn die Knicklänge im Brandfall und Kaltfall gleich groß
sind (Pendelstützen, Fachwerkdiagonalen, etc., s. Bild 3.9)
2. Für durchlaufende Stützen, bei der sich im Brandfall die Knicklänge wie in Kapitel
3.2.3 beschrieben reduziert.
a) Es entsteht eine Einspannung an einem Ende der Stütze (s. Bild 3.10)
b) Es entsteht eine Einspannung an beiden Enden der Stütze (s. Bild 3.11)
Ausnutzungsgrad
N fi, Ed
0
N b , fi, 0, Rd
N b, fi,0, Rd ist die Normalkrafttragfähigkeit unter Raumtemperatur, die mit der Knicklänge
Lcr ,0 1,0L wie in Kapitel 3.2.3 beschrieben ermittelt wird.
0 ist die bezogene Schlankheit unter Raumtemperatur mit Lcr ,0 1,0L ermittelt.
Die Knicklinie und somit auch die kritische Temperatur ist genau genommen nach Eurocode
Abhängig vom Material. Für die üblichen Baustähle liegt der Fehler jedoch unter 0,5%, wenn
dieser Effekt vernachlässigt wird. Die Diagramme sind für einen Stahl S235 ermittelt.
Lfi,cr=1,0 L
800
750
700
650
600
550
a,cr
500
450 0,1
0,5
400 1,0
1,5
350 2,0
300
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9
Bild 3.9: kritische Temperatur für Druckbeanspruchte Bauteile mit gleicher Knicklänge im Kalt-
und im Brandfall (Lfi,cr=1,0 L)
Lfi,cr=0,7 L
800
750
700
650
600
a,cr
550 2,0
1,5
1,0
500
0,5
450 0,1
400
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9
Bild 3.10: kritische Temperatur für rein auf Druck beanspruchte, durchlaufende Stützen mit
reduzierter Knicklänge im Brandfall durch einseitige Einspannung (Lfi,cr=0,7 L)
Lfi,cr=0,5 L
800
750
700
650
2,0
600
a,cr 1,5
550 1,0
500 0,5
0,1
450
400
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9
Bild 3.11: kritische Temperatur für rein auf Druck beanspruchte, durchlaufende Stützen mit
reduzierter Knicklänge im Brandfall durch beidseitige Einspannung (L fi,cr=0,5 L)
4 Beispiele
Querschnitt:
HEM 280
S235
Lasten:
Nutzlast Kategorie G
je Träger:
Nachweis:
Der Temperaturverlauf über die Zeit wird wie in Kapitel 3.1.1 beschrieben ermittelt.
Der Profilfaktor gibt das Verhältnis der beflammten Oberfläche zum Volumen wider. Hier ist
er gleich dem Umfang des Stahlprofils abzüglich der Breite des oberen Flansches, der durch
die Decke abgeschattet ist, im Verhältnis zur Querschnittsfläche.
Der Profilfaktor für den das Profil umschließenden Kasten ergibt sich zu:
Daraus folgt für den Korrekturfaktor zur Berücksichtigung von Abschattungseffekten des Pro-
fils:
Die spezifische Wärmekapazität von Stahl ist abhängig von der Stahltemperatur (s. Kapi-
tel 3.1.1). Die Schrittweite für das Zeitschrittverfahren wird zu 5 s gewählt. Die Rohdichte
von Stahl beträgt . Als Brandlast ist die Einheits-Temperaturzeitkurve (ETK)
vorgeschrieben:
Als Anfangstemperatur wird für den Stahl und für die Brandgastemperatur jeweils von
Raumtemperatur 20 °C ausgegangen. Die Erwärmung des Stahls kann Schrittweise für
jeden Zeitabschnitt berechnet werden. Die Stahltemperatur für den nächsten Zeitschritt
ergibt sich aus der Summe der Stahltemperatur des vorhergehenden Schritts und der Er-
wärmung . In Tabelle 4.1 ist ausschnittsweise die Entwicklung der Stahltemperatur wi-
dergegeben. In Bild 4.3 ist ihr Verlauf bis zur geforderten Feuerwiderstandsdauer von 30 min
im Vergleich zur ETK dargestellt.
900
800
700
Temperatur [°C]
600
500
400
300
ETK
200
Stahltemperatur
100
0
0 5 10 15 20 25 30
Zeit [min]
abgelesen werden.
Für die mechanischen Einwirkungen im Brandfall ist ebenfalls das Moment in Feldmitte
maßgebend. Die Lasten werden nach der Vorschrift für außergewöhnliche Bemessungssi-
tuationen kombiniert. Es treten keine indirekten Einwirkungen auf , da es sich um ein
statisch bestimmtes System handelt und somit keine Zwangskräfte aus Verformung entste-
hen.
Querschnittsklassifizierung:
Flansch:
Steg:
Bei der Ermittlung des Bemessungswertes der Momententragfähigkeit muss die Streckgren-
ze aufgrund der erhöhten Temperatur abgemindert werden. Bei einer Stahltemperatur
(s. o.) ergibt sich der Abminderungsfaktor für die Streckgrenze interpoliert aus
Tabelle 4 zu:
Desweiteren wird berücksichtigt, dass die Temperatur im Querschnitt wegen der Betondecke
ungleichmäßig verteilt ist ( ). Über die Länge ist die Temperatur gleichmäßig verteilt
( ).
Nachweis:
Für den Nachweis auf Temperaturebene wird der Ausnutzungsgrad im Brandfall benötigt.
Dieser kann vereinfacht folgendermaßen berechnet werden:
Nachweis:
Der Nachweis kann sehr einfach mit Hilfe von Bild 3.6 geführt werden. Mit dem Ausnut-
zungsgrad
kann man bei einer geforderten Feuerwiderstandsdauer von 30 Minuten aus Bild 3.6 den
maximal möglichen Profilfaktor ablesen.
Der vorhandene Profilfaktor ist geringer und der Nachweis somit erbracht (s. Kap. 4.1.2)
750
700
650
600
0,60 550
0,70
500
0,85
450
1,0 400
350
300
1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130
ksh Am/V [1/m]
Querschnitt:
HEB 240
S235
Brandschutzverkleidung:
Lasten:
Nutzlast Kategorie B
maßgebende Einwirkung:
Im Kaltfall wird für die Knicklänge vereinfacht die Stockwerkshöhe angenommen, obwohl
eine gewisse Einspannwirkung aufgrund der geringeren Belastung der darüber liegenden
Stützen vorhanden ist. Der Schlankheitsgrad für Ausweichen senkrecht zur z-Achse ergibt
sich damit zu
Mit der Knickspannungslinie c erhält man für den Knickbeiwert (Berechnung nicht vorge-
führt):
Nachweis:
Der Temperaturverlauf über die Zeit wird wie in Kapitel 3.1.2 beschrieben ermittelt. Der Pro-
filfaktor für einen allseitig beflammten Querschnitt mit Kastenverkleidung konstanter Dicke
ergibt sich zu (s. Tabelle 3.1):
Die spezifische Wärmekapazität von Stahl ist abhängig von der Stahltemperatur (s. Kapi-
tel 3.1.1). Die Schrittweite für das Zeitschrittverfahren wird zu 30 s gewählt. Die Rohdichte
von Stahl beträgt . Als Brandlast ist die Einheits-Temperaturzeitkurve (ETK)
vorgeschrieben:
Zusammen mit den Materialkennwerten der Brandschutzverkleidung (s. Angabe), kann das
Zeitschrittverfahren durchgeführt werden. Als Starttemperatur beträgt wieder 20 °C. In Tabel-
le 4.2 ist die Berechnung ausschnittsweise widergegeben und in Bild 4.5 grafisch dargestellt.
mit
t g a ca a
[min] [°C] [°C] [J/kgK] [-] [°C]
0,0 20 20,00 440 1,0540 0,00
0,5 261 20,00 440 1,0540 0,00
1,0 349 20,00 440 1,0540 0,00
1,5 404 20,00 440 1,0540 0,00
2,0 445 20,00 440 1,0540 0,00
2,5 476 20,00 440 1,0540 0,00
3,0 502 20,00 440 1,0540 0,00
3,5 525 20,00 440 1,0540 0,00
4,0 544 20,00 440 1,0540 0,29
1000
900
800
700 ETK
Temperatur [°C]
600 Stahltemperatur
500
400
300
200
100
0
0 15 30 45 60 75 90
Zeit [min]
Vereinfacht könnte die Stahltemperatur auch mit Bild 3.8 ermittelt werden. Mit
kann für eine Branddauer von 90 Minuten folgende Temperatur abgelesen werden:
Wie in Kapitel 3.4 erläutert, liegt die Temperatur aus dem Nomogramm wegen der Vereinfa-
chung etwas zu hoch.
TUM Lehrstuhl für Metallbau – M. Mensinger, M. Stadler - Brandschutznachweise 39
Workshop EC 3
Rechenbeispiele
Für die mechanischen Einwirkungen im Brandfall werden die Lasten nach der Vorschrift für
außergewöhnliche Bemessungssituationen kombiniert. Es treten keine indirekten Einwirkun-
gen auf , da Verformungen aus Temperatur nicht behindert werden und somit keine
Zwangskräfte entstehen.
Der Querschnitt kann im Brandfall der Klasse 1 zugeordnet werden (Berechnung nicht vorge-
führt).
Mit einer Stahltemperatur von 427 °C erhält man für die Abminderungsfaktoren der Material-
kennwerte aus Tabelle 2.2 interpoliert:
und
Da die Stütze biegesteif über die gesamte Gebäudehöhe durchläuft, der Brand aber nur im
1. Obergeschoss angenommen wird, ergibt sich aufgrund der Steifigkeitsunterschiede der
heißen und kalten Stützen Einspannwirkung am Stützenkopf und -fuß. Die Knicklänge redu-
ziert sich dadurch auf
Mit dieser Knicklänge kann die Schlankheit der Stütze für eine Stahltemperatur von 427 °C
ermittelt werden:
Mit und
Nachweis:
Der Nachweis kann bei stabilitätsgefährdeten Bauteilen nicht ohne weiteres auf Temperatur-
ebene geführt werden. Mit den Diagrammen aus Kapitel 3.4.2 ist dies jedoch möglich (s.
Kap. 4.2.5).
Die kritische Temperatur wird mit Bild 3.11 ermittelt. Mit der Knicklänge Lcr ,0 1,0L erhält
man für die Schlankheit unter Raumtemperatur:
Lcr ,0 400
0 0,70
iz 1 6,084 93,9
a ,cr 580 C
Lfi,cr=0,5 L
800
750
700
650
2,0
600
a,cr 1,5
550 1,0
500 0,5
0,1
450
400
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9
Aus Bild 3.8 kann hiermit der erforderliche Profilfaktor für die Brandschutzverkleidung abge-
lesen werden.
Ap p
erf 890W / m³ K
V dp
t [min]
a,cr a [°C]
120
800
750 90
700
650 60
600
0,60 550
0,70
500
0,85
450
30
1,0 400
350
300
1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000
(Ap/V)( p/d p) [W/m³K]
1
Mit A p / V 90,6m für den verkleideten HEB 240 (s. Kap. 4.2.2) und p 0,20W / mK für
Gipskartonplatten kann die erforderliche Dicke der Verkleidung ermittelt werden.
0,20
erfd p 90,6 0,0204m 20,4mm vorhdp 25mm
890
5 Literatur
[1] DIBt Mitteilungen Sonderheft 36: Bauregelliste A, Bauregelliste B und Liste C - Ausga-
be 2008/1 -. 39. Jahrgang, Ernst & Sohn, Berlin 2008
[2] Bauphysik-Kalender 2006, Ernst & Sohn, Berlin 2006
[3] Talamona, D., et. al.: Comparison between EC3 and the original proposal for beam-
columns in case of fire. Eurosteel 2008, Graz, Austria
[4] DIN 1055-100: Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 100: Grundlagen der Tragwerkspla-
nung, Sicherheitskonzept und Bemessungsregeln. März 2001
[5] DIN EN 1991-1-2 Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 1-2: Allgemeine Ein-
wirkungen, Brandeinwirkung auf Tragwerke. September 2003
[6] DIN EN 1993-1-2 Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten, Teil 1-2:
Allgemeine Regeln, Tragwerksbemessung für den Brandfall. Oktober 2006
[7] DIN-Fachbericht 91: Nationales Anwendungsdokument (NAD), Richtlinie zur Anwen-
dung von DIN V ENV 1991-2-2:1997-05, Eurocode 1. 1. Auflage 2000
[8] DIN-Fachbericht 93: Nationales Anwendungsdokument (NAD), Richtlinie zur Anwen-
dung von DIN V ENV 1993-1-2:1997-05, Eurocode 3. 1. Auflage 2000
[9] Steeldoc 02/06: Brandschutz im Stahlbau, Grundlagen, Brandschutzplanung, Bemes-
sung (tec 02). SZS Stahlbauzentrum Schweiz, Zürich, 2006