Sia D0198
Sia D0198
Sia D0198
schweizerischer
ingenieur- und
architektenverein
société suisse
des ingénieurs et
des architectes
società svizzera
degli ingegneri e
degli architetti
swiss society
of engineers and
architects
selnaustrasse 16
ch-8039 zürich
www.sia.ch
I
SIA
Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein
Selnaustrasse 16, Postfach, 8039 Zürich
ISBN 3-908483-74-3
Dokumentation SIA D 0198
Aktuelle Probleme der Brückendynamik
D-A-CH Tagung 2003
II
Herausgeber
Glauco Feltrin Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA), Überlandstrasse 129,
CH-8600 Dübendorf
Thomas Wenk Wenk Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik GmbH, Gehrenholz H2, Postfach 6063,
CH-8023 Zürich
III
D-A-CH-Tagung 2003
Die Deutsche (DGEB), die Österreichische (OGE) und die Schweizer (SGEB) Gesellschaften für Erdbeben-
ingenieurwesen und Baudynamik führen im zweijährigen Turnus gemeinsame Tagungen durch. Die D-A-CH-
Tagung 2003 zum Thema "Aktuelle Probleme der Brückendynamik" wurde von der SGEB zusammen mit der
Fachgruppe für Brückenbau und Hochbau (FBH) des Schweizerischen Ingenieur- und Architekten-Vereins
(SIA), dem Institut für Baustatik und Konstruktion (IBK) der ETH Zürich und dem Schweizerischen Erdbeben-
dienst (SED) am 18. und 19. September 2003 an der ETH Zürich durchgeführt. Dem Organisationskomitee
gehörten T. Wenk, A. Dazio, N. Deichmann, G. Feltrin und Ph. Stoffel an.
Tagungsprogramm
Donnerstag, 18. September 2003
Fussgängerbrücken
Leitung: R. Flesch
14.40 Eröffnungsvortrag
"Lebendige" Fussgängerbrücken – eine Herausforderung H. Bachmann
15.25 Dreidimensionale aerodynamische und aeroelastische Analyse
der Fussgängerbrücke Kehl-Strasbourg C. Katz
Dynamische Untersuchung einer Segmentbrücke V. Benko
Begehbare Doppelhelix – Eine unendlich lange Fussgängerbrücke B. Schäpertöns
Kaffeepause
Zustandsüberwachung
Leitung: G. Feltrin
16.50 Dynamische Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Brückenbauwerken W. Rücker
Schadensdiagnose mit modalen Parametern: Erfahrungen an einer
Spannbetonbrücke O. Huth
Zustandsuntersuchungen dynamisch stark beanspruchter Brücken P. Fleischer
17.45 Schluss des ersten Tages
Abendanlass
19.00 Gemeinsames Abendessen im Dozentenfoyer der ETH Zürich
Gastreferat:
Baukunde und Baukunst C. Menn
IV
Freitag, 19. September 2003
Erdbebenbemessung
Leitung: S. Savidis
08.30 Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen
San Francisco-Oakland Bay Bridge (Eingeladener Vortrag) A. Dazio
Ein Schädigungsmodell für Brückenpfeiler aus Stahlbeton A. Fäcke
Beurteilung der Erdbebensicherheit von bestehenden Strassenbrücken T. Wenk
Optimierung von Sicherheitsmassnahmen gegen Erdbeben
auf der Basis moderner Risiko-Akzeptanz-Kriterien G. Faschingbauer
Kaffeepause
Schwingungsdämpfung
Leitung: A. Dazio
10.30 Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges (Eingeladener Vortrag) A. Marioni
Dynamische Untersuchungen an einem Viadukt mit seismisch
isoliertem Brückenträger S. Malla
Geregelte Schwingungsdämpfung von Seilen G. Feltrin
Beherrschung der Schwingungen von Brücken in Leichtbauweise M. Aschrafi
12.00 Mittagessen
Verkehrsinduzierte Schwingungen
Leitung: T. Wenk
13.30 Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN 1991-2 R. Flesch
Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interaktion R. Cantieni
Zur Festlegung des "dynamischen Beiwerts" bei der Überprüfung
von Strassenbrücken H. Ludescher
Dynamische Untersuchungen an Brückenbauwerken der Nationalstrasse A9
am Simplon A. Ziegler
14.40 Verabschiedung M. Koller
15.00 Schluss der Tagung
V
Referenten und Tagungsleiter
Aschrafi Mehdi Dr.-Ing., DSD Dillinger Stahlbau Gmbh, D-66740 Saarlouis
Bachmann Hugo Prof. em. Dr. sc.techn., Dr. h.c., ETH Zürich, CH-8093 Zürich
Benko Vladimír Dr. techn., Dipl.-Ing., Institut für Stahlbeton und Massivbau, Technische Universität Wien,
A-1040 Wien
Cantieni Reto Dr. sc.techn., rci dynamics, Ingenieurbüro für Baudynamik, CH-8600 Dübendorf
Dazio Alessandro Prof. Dr. sc.techn., Institut für Baustatik und Konstruktion (IBK), ETH Zürich, 8093 Zürich
Fäcke Andreas Dipl.-Ing., Institut für Massivbau und Baustofftechnologie, Universität Karlsruhe (TH),
D-76128 Karlsruhe
Flesch Rainer Prof. Dipl-Ing. Dr. techn., arsenal research, Faradaygasse 3, A-1030 Wien
Koller Martin Dr. sc.techn., Résonance Ingénieurs-Conseils SA, Rue Jacques-Grosselin 21,
CH-1227 Carouge
Ludescher Hannes Dipl.-Ing., Lehrstuhl für Erhaltung, Konstruktion und Sicherheit von Bauwerken
ENAC - IS - MCS EPFL, CH-1015 Lausanne
Marioni Agostino Dott. Ing., Presidente, Alga spa, via Olona 12, I-20123 Milano
Menn Christian Prof. em. Dr. sc.techn., Dr. Eng. h.c., Plantaweg 21, CH-7000 Chur
Savidis Stavros A. Prof. Dr.-Ing., Technische Universität Berlin, Grundbauinstitut, Gustav-Meyer-Allee 25,
D-13355 Berlin
Schäpertöns Bernhard Dr.-Ing., CBP Cronauer Beratung Planung, Georg-Muche-Str. 1, D-80807 München
Rücker Werner Dir. u. Prof., Dr.-Ing., BAM Berlin, Building and structures, D-12200 Berlin
Wenk Thomas Dr. sc.techn., Wenk Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik GmbH, CH-8023 Zürich
Ziegler Armin Dr. sc.techn., Ziegler Consultants, Gladbachstrasse 121, CH-8044 Zürich
VI
Inhalt
H. Bachmann
"Lebendige Fussgängerbrücken" – eine Herausforderung........................................................................................................ 1
C. Katz, I. Kovacs und G. Morgenthal
Dreidimensionale aerodynamische und aeroelastische Analyse der Fußgängerbrücke Kehl-Strasbourg .............................. 13
B. Vladimír, G. Roman und R. Marian
Dynamische Untersuchung einer Segmentbrücke .................................................................................................................. 21
B. Schäpertöns und D. Schäfer
Begehbare Doppelhelix – Eine unendlich lange Fußgängerbrücke......................................................................................... 27
W. Rücker, R. G. Rohrmann, S. Said und W. Schmid
Dynamische Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Brückenbauwerken ....................................................................... 35
O. Huth und G. Feltrin
Schadensdiagnose mit modalen Parametern: Erfahrungen an einer Spannbetonbrücke ....................................................... 43
P. Trombik, P. Fleischer und A. Maurer
Zustandsuntersuchungen dynamisch stark beanspruchter Brücken ....................................................................................... 51
A. Dazio und F. Seible
Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen San Francisco-Oakland Bay Bridge ............................ 59
A. Fäcke und L. Stempniewski
Ein Schädigungsmodell für Brückenpfeiler aus Stahlbeton ..................................................................................................... 71
T. Wenk
Beurteilung der Erdbebensicherheit von bestehenden Strassenbrücken................................................................................ 77
D. Diamantidis, G. Faschingbauer und R. J. Scherer
Optimierung von Sicherheitsmaßnahmen gegen Erdbeben auf der Basis moderner Risiko-Akzeptanz-Kriterien................... 83
A. Marioni
Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges ........................................................................................................................... 89
S. Malla und M. Wieland
Dynamische Untersuchungen an einem Viadukt mit seismisch isoliertem Brückenträger .................................................... 101
G. Feltrin und F. Weber
Geregelte Schwingungsdämpfung von Seilen....................................................................................................................... 107
M. Aschrafi und G. Hirsch
Beherrschung der Schwingungen von Brücken in Leichtbauweise ....................................................................................... 115
R. Flesch
Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN 1991-2 ........................................................................................... 123
R. Cantieni
Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interaktion .......................................................................................................................... 131
H. Ludescher und E. Brühwiler
Zur Festlegung des "dynamischen Beiwerts" bei der Überprüfung von Strassenbrücken..................................................... 139
A. Ziegler
Dynamische Untersuchungen an Brückenbauwerken der Nationalstrasse A9 am Simplon.................................................. 147
VII
VIII
"Lebendige" Fussgängerbrücken – eine Herausforderung
Hugo Bachmann
Zürich
1
H. Bachmann
2
"Lebendige" Fussgängerbrücken – eine Herausforderung
Abb. 2: Zeitlicher Verlauf der vertikalen Einwirkung einer Person (G = 720 N) durch Hüpfen an Ort mit 2 Hz und entspre-
chendes Amplitudenspektrum (Bachmann et al. (1997)).
Beim Laufen – je nach Art – und immer beim Hüpfen Einwirkung mit einer Schnittfrequenz von etwa 2 Hz
wird der Bodenkontakt unterbrochen. Abbildung 2 (2fp = f0).
zeigt den zeitlichen Verlauf der vertikalen Kraft einer
720 N schweren Person durch Hüpfen an Ort und das 2.3 Horizontale Einwirkungen
entsprechende Amplitudenspektrum (Bachmann et al. Beim Gehen und Laufen üben Personen auch hori-
(1997)). Wesentliche Einflussgrössen sind vor allem zontale Kräfte auf die Unterlage aus. Solche Kräfte
die Hüpffrequenz, die Art des Hüpfens (hoch/niedrig) entstehen durch das Pendeln des Massenschwer-
und das Schuhwerk. Man erkennt, dass in diesem punktes des Körpers mit Verschiebungsamplituden
Beispiel das Kraftmaximum das 6-fache (!) des Ei- von im Allgemeinen etwa 1 bis 2 cm quer zur Fortbe-
gengewichts beträgt, und dass wesentliche dynami- wegungsrichtung bzw. durch das Pendeln in Längs-
sche Kräfte bis zur 5. Harmonischen abgegeben wer- richtung im Vergleich zum Ort im Falle einer strikt
den. konstanten Fortbewegungsgeschwindigkeit. Dabei ist
Es muss hier ausdrücklich auf die grosse Bedeu- zu beachten, dass die Pendelfrequenz – als Grund-
tung hingewiesen werden, welche obere Harmonische frequenz der Einwirkung – der halben Schrittfrequenz
(2. ..... 5.) des zeitlichen Verlaufs der Einwirkung entspricht; sie liegt somit im Bereich von 0.7 bis 1.7
durch Personen für Bauwerksschwingungen haben Hz bei Schrittfrequenzen von 1.4 bis 3.5 Hz (Tabelle
können. Natürlich ist der einfachste Fall der, dass 1). Bezieht man die Bezeichnung der einzelnen Har-
Fussgängerbrücken mit relativ niedriger Grundfre- monischen weiterhin auf die Schrittfrequenz, so kön-
quenz f0 durch die 1. Harmonische der dynamischen nen die Amplituden der Harmonischen mit ǻG1/2, ǻG1,
Einwirkung mit der Schritt- oder Hüpffrequenz fp zu ǻG3/2, ǻG2 usw. benannt werden; ǻG1/2 ist in Tat und
Resonanzschwingungen angeregt werden, d.h. fp = f0. Wahrheit die 1. Harmonische des zeitlichen Verlaufs
Manchmal werden aber Brücken (ebenso Turnhallen der horizontalen Einwirkung, sie wird indessen meist
decken, Sportstadien, usw.) mit einer höheren Grund- als "Halbharmonische" bezeichnet.
frequenz durch obere Harmonische angeregt, es ist Abbildung 3 zeigt Amplitudenspektren der horizon-
dann z.B. 2fp = f0 oder 3fp = f0; in solchen Fällen übt talen Einwirkung einer 584 N schweren Person durch
die 2. bzw. 3. Harmonische gewissermassen einen Gehen mit einer Schrittfrequenz von 2 Hz (Schulze
"Stoss in jedes 2. bzw. 3. Wellental der Bauwerks- (1980)). Man erkennt, dass auch hier obere Harmoni-
schwingung" aus (mit Phasenverschiebung). sche von Bedeutung sein können. In Richtung "hori-
Beispiel: An einer Fussgängerbrücke aus Stahl traten zontal quer" treten vor allem Kräfte in der halben und
erhebliche Vertikalschwingungen auf. Unter normalen der anderthalbfachen Schrittfrequenz auf, während in
Bedingungen während des abendlichen Berufsver- Richtung "horizontal längs" vor allem solche in der
kehrs wurden Frequenz und Bewegungsamplituden ein- und zweifachen aber auch in der halben, andert-
gemessen. Die Anzahl der Passanten schwankte halbfachen, usw. Schrittfrequenz abgegeben werden.
zwischen 30 und 55 pro Minute. Es zeigte sich, dass
die Brücke hauptsächlich in ihrer Grundfrequenz von
rund 4 Hz schwingt. Die Anregung erfolgt durch die 2.
Harmonische des zeitlichen Verlaufs der dynamischen
3
H. Bachmann
Abb. 3: Amplitudenspektren der horizontalen Einwirkung einer Person (G 584 N) durch Gehen mit einer Schrittfrequenz
von 2 Hz (Schulze (1980)).
Je nach Person und Bewegungszustand der Unterla- rizontal quer zur Brückenaxe, aber auch in Längsrich-
ge kann die Grösse der Amplituden im Vergleich zu tung. Es kam zu einer panikartigen Reaktion: Ein Teil-
Abbildung 3 verschieden sein, z.B. sind für "horizontal der Fussgänger rannte vorwärts zum Ende der Brü-
quer" Werte ǻG1/2/G auf ruhender Unterlage bis ~ 0.07 cke, um sich dort in Sicherheit zu bringen, während
und auf stark quer schwingender Unterlage bis ~ 0.14 ein anderer Teil umkehrte und zurückrennen wollte.
möglich (Imperial College (2000)). Die Fussgänger erlebten die Schwingungen wie bei
Obschon die durch Personen beim Gehen und einem starken Erdbeben oder ähnlich wie auf einem
Laufen ausgeübten horizontalen Kräfte im Vergleich Schiff bei hohem Wellengang. Eine dynamische Un-
zu den vertikalen Kräften relativ klein sind, genügen tersuchung zeigte, dass die Grundfrequenz der Brü-
sie, um bei horizontal weichen und somit niedrigfre- cke horizontal quer zur Brückenaxe nur 1 Hz und in-
quenten Tragwerken starke Schwingungen zu bewir- Richtung der Brückenaxe 1.75 Hz betrug. Ein Blick
ken. auf die Amplitudenspektren von Abbildung 3 erklärt
Beispiel: Eine Fussgängerbrücke am Flughafen Genf die Schwingungen: Die Brücke wurde durch die Fuss-
ist als Stahlbeton-Durchlaufträger mit Regelspannwei- gänger in Querrichtung durch die "Halbharmonische"
ten von rund 15 m ausgebildet. Abbildung 3 zeigt die mit der Amplitude ǻG1/2 und in Längsrichtung durch die
Abmessungen. Die Stahlbetonstützen von rund 7 m Harmonische mit der Amplitude ǻG1 angeregt. Die
Höhe wiesen einen relativ kleinen Querschnitt von 65 Brücke musste ertüchtigt werden durch Versteifung
cm (in Brückenquerrichtung) mal 30 cm (in Brücken- der bestehenden Stahlbetonstützen; diese wurden
längsrichtung) auf, da sie nur für horizontale statische sorgfältig aufgerauht und mit einer neuen Bewehrung
Windkräfte bemessen worden waren. Nach Schluss und Beton ummantelt. Und um die Einspannung der
einer abendlichen Grossveranstaltung strömten zahl- verstärkten Stützen zu gewährleisten, mussten auch
reiche Fussgänger von einer Seite her über die Brü- die Pfahlkopfplatten der Fundamente verstärkt wer-
cke. Diese begann stark zu schwingen, vor allem ho- den. Durch diese Massnahmen konnten die Eigenfre-
4
"Lebendige" Fussgängerbrücken – eine Herausforderung
5
H. Bachmann
Anzahl von Personen erscheint jedoch die Annahme Frequenzen bei etwa 1 Hz, die nach späteren Schät-
einer linearen Vergrösserung als angemessen (oberer zungen Amplituden von bis zu 70 mm (!) erreichten.
Grenzwert). Z.B. können der Einwirkung "mutwillige Videoaufnahmen zeigten, dass sich ein grosser Teil
Anregung" bei Fussgängerbrücken 3 hüpfende Per- der Fussgänger den Schwingungen der Brücke ange-
sonen mit idealer Synchronisation zugrundegelegt passt und so mit diesen synchronisiert hatte. Viele
werden. Fussgänger konnten allerdings nicht mehr weiter ge-
hen und mussten sich am Geländer festhalten. Die
2.5 Lock-in Effekt Brücke musste wieder geschlossen werden. Im Rah-
Von erheblicher praktischer Bedeutung kann das men der dynamischen Ertüchtigung durchgeführte
Phänomen sein, welches als Rückkoppelungs- und Laborversuche auf einer quer schwingenden Plattform
Synchronisationseffekt oder, in Anlehnung an ähnli- ergaben, dass sich bei einer Amplitude von 5 mm
che Erscheinungen in der Aeroelastik bei Wirbelablö- bereits zwischen 30 und 50 % der Fussgänger syn-
sung an umströmten schwingenden Körpern, als chronisieren, und bei 30 mm sind es rund 80 % [40].
"Lock-in" Effekt bezeichnet wird. Es hat sich nämlich Für eine Querbeschleunigung von 2 % g (vgl. Ab-
gezeigt, dass der Mensch beim Gehen und Laufen schnitt 4) kann eine Synchronisation von ~ 30 % der
seine Bewegungen denjenigen einer vertikal oder Fussgänger angenommen werden.
horizontal schwingenden Unterlage anpasst und sich
3 DYNAMISCHE EIGENSCHAFTEN UND
synchronisiert, sobald deren Verschiebungsamplitude
SCHWINGUNGSVERHALTEN VON FUSSGÄN-
einen bestimmten Schwellenwert überschreitet. Dann
GERBRÜCKEN
ist nämlich kein unbeeinflusstes Gehen bzw. Laufen
mehr möglich, man "fällt aus dem Tritt" und passt sich Abbildung 6 (nach A.J. Pretlove et al. in (Bachmann et
bezüglich Schrittfrequenz und Phasenlage (ϕ1) den al. (1997))) zeigt die Grundfrequenz von 67 balkenar-
Schwingungen der Unterlage an. Der Schwellenwert tigen Fussgängerbrücken in Funktion der (Haupt-)
ist richtungs- und frequenzabhängig und kann je nach Spannweite. Es ist zu beachten, dass grosse Streu-
Individuum (Alter, Konstitution usw.) recht unter- ungen auftreten und die angegebene Formel nicht für
schiedlich sein. Für vertikale Schwingungen der Un- Vorhersagen in konkreten Fällen verwendet werden
terlage mit rund 2 Hz variiert der Schwellenwert (Amp- kann.
litude) etwa zwischen 10 und 20 mm (Baumann et al. Die Dämpfung von Fussgängerbrücken – beson-
(1988)). Für horizontale Schwingungen quer zur Geh- ders von Stahlbrücken und auch von Verbundbrücken
richtung mit rund 1 Hz ist er kleiner, bei manchen (Stahlträger mit Betongehwegplatte) – kann sehr ge-
Personen beginnt die Anpassung an die Schwingun- ring sein, womit beim Passieren von Fussgängern
gen der Unterlage bereits bei Amplituden von 2 bis starke Schwingungen entstehen können. Tabelle 2
3 mm. gibt Hinweise für das äquivalente viskose Dämp-
Wenn der individuelle Schwellenwert einer Person fungsmass ȗ aus einer Auswertung von Messungen
überschritten und die Synchronisation mit der Brü- an 43 balkenartigen Brücken, die durch einen einzel-
ckenschwingung erfolgt ist, so tritt die Person nun nen Fussgänger angeregt wurden (nach A.J. Pretlove
gewissermassen in jedes Wellental der Schwingung et al. in (Bachmann et al. (1997))). Bei grossen
(mit Phasenverschiebung), womit die Brücke eine
resonanzähnliche und somit ungünstigere dynami-
sche Anregung erfährt. Dadurch nehmen die Ver-
schiebungsamplituden zu, wodurch weitere Personen
sich mit der Brückenschwingung und somit auch un-
tereinander synchronisieren. Es werden also immer
mehr Personen gemäss der englischen Bedeutung
von "to lock" in die Synchronisation "eingeschlossen"
oder – deutsch – in diese "hereingelockt". In bestimm-
ten Fällen wurde eine Synchronisation von mehr als
80 % der beteiligten Personen beobachtet.
Beispiel: Anlässlich der Eröffnung der neu erbauten
Millenniumsbrücke mit Spannweiten von 80 m – 140
m – 100 m über die Themse in der Londoner City im
Juni 2000 strömten zahlreiche Fussgänger über die Abb. 6: Grundfrequenz von 67 Fussgängerbrücken in
Brücke. Es entstanden starke Querschwingungen mit Funktion der Spannweite (Bachmann et al. (1997)).
6
"Lebendige" Fussgängerbrücken – eine Herausforderung
7
H. Bachmann
überschritten werden, sofern der "Lock-in" Effekt und bis 1.3 Hz) bekannt sind, ist dies von solchen mit etwa
somit eine Synchronisation der Bewegungen der ein- 2 oder gar 3 Hz nicht der Fall; deren Steifigkeit und
wirkenden Personen vermieden werden soll (Ab- Masse dürfte im Allgemeinen so gross sein, dass
schnitt 2.4). Differenziertere Angaben zu bestimmten durch die relativ geringen Seitenkräfte der Fussgän-
Arten von Anhaltswerten sind z.B. in (Bachmann et al. ger keine störenden Schwingungen angeregt werden.
(1997)) zu finden. In allen Fällen liegt eine Frequenzabstimmung auf f >
3.4 Hz auf der sicheren Seite.
5 FREQUENZABSTIMMUNG In Richtung "horizontal längs" können analoge
Gegen übermässige Schwingungen von Fussgänger- Überlegungen angestellt und kritische Frequenzberei-
brücken kommen im Wesentlichen die folgenden che identifiziert werden, insbesondere bei etwa 1 Hz
Massnahmen in Betracht: sowie möglicherweise bei 2 Hz und allenfalls auch bei
3 Hz (Abb. 3 rechts). Häufig ist es allerdings so, dass
– Frequenzabstimmung bei in Längsrichtung rechnerisch weichen Brücken die
– Berechnung einer erzwungenen Schwingung und Lagerreibung Schwingungen verhindert. Bei Rahmen-
Begrenzung der Amplituden brücken jedoch ist Vorsicht geboten.
– Sondermassnahmen Abbildung 7 zeigt die kritischen Frequenzbereiche
– Einsatz von Schwingungstilgern für Fussgängerbrücken, die bei einer Frequenzab-
Bei einer Frequenzabstimmung wird das Tragwerk so stimmung zu vermeiden sind.
gestaltet, dass seine Eigenfrequenzen – insbesondere Die Frequenzabstimmung von Tragwerken ist eine
seine Grundfrequenz – bestimmte Anforderungen relativ grobe und pauschale Massnahme, die sich
erfüllen; das Tragwerk wird also bezüglich seiner aber im Allgemeinen in der Praxis bewährt hat; sie
Schwingungseigenschaften ähnlich "abgestimmt" wie kann vor allem bei den häufig vorkommenden "norma-
ein Musikinstrument. Für die Berechung der Eigenfre- len" Balkenbrücken mit Spannweiten bis etwa 50 m
quenzen werden als Bauwerksparameter nur die Stei- zur Anwendung empfohlen werden.
figkeiten und Massen nicht aber die oft schwierig vor-
herzusagende Dämpfung benötigt. 6 BERECHNUNG EINER ERZWUNGENEN
SCHWINGUNG UND BEGRENZUNG DER
In Richtung "vertikal" ist aufgrund der häufigsten
AMPLITUDEN
Schrittfrequenzen von Fussgängern (Tabelle 1) und
des entsprechenden Amplitudenspektrums (Abb. 1) Bei einer vorerst nur für statische Lasten entworfenen
die Gefahr am grössten, dass eine Fussgängerbrücke Fussgängerbrücke kann die Frequenzabstimmung je
zu erheblichen Schwingungen angeregt wird, wenn nach Umständen zu einem erheblichen Mehraufwand
eine ihrer Frequenzen zwischen 1.6 und 2.4. Hz liegt. führen. In solchen Fällen können eingehendere Un-
Eigenfrequenzen f im Bereich von tersuchungen angezeigt sein. Im Vordergrund steht
meist die Berechnung einer erzwungenen Schwin-
1.6 Hz < f < 2.4 Hz
gung und Vergleich der resultierenden Amplituden mit
sind deshalb zu vermeiden. Und wegen des Phäno- Anhaltswerten. Wenn nötig müssen Massnahmen
mens der 2. Harmonischen (Abschnitt 2.2) sollten bei getroffen werden, um die Amplituden zu begrenzen.
Bauwerken mit verhältnismässig geringer Dämpfung Für eine stationäre harmonische Resonanz-
und Masse (vor allem Stahl- und Verbundbrücken) schwingung (Zustand nach dem Einschwingvorgang)
auch Eigenfrequenzen f im Bereich bei Einwirkung einer einzelnen Person in Feldmitte
3.5 Hz < f < 4.5 Hz gilt:
8
"Lebendige" Fussgängerbrücken – eine Herausforderung
Abb. 7: Kritische Frequenzbereiche für Fussgängerbrücken, die bei einer Frequenzabstimmung zu vermeiden sind.
9
H. Bachmann
lich verringert werden, sind grosse Verschiebungs- etwas kleiner als die Eigenfrequenz des Hauptsys-
amplituden des Zusatzsystems erforderlich. Die durch tems (~ 95 bis 99 %), und sie ist – wie auch die opti-
die dynamische Einwirkung zugeführte Energie geht male Dämpfung – abhängig vom Massenverhältnis
zu einem grossen Teil in den stark schwingenden mt/ms, das zweckmässigerweise etwa im Bereich von
Tilger; sie wird vor allem im oder den Dämpfern des 0.01 bis 0.05 gewählt wird. Bemessungshilfen sind in
Tilgers dissipiert. (Bachmann et al. (1995)) und weitere Hinweise in
In den allermeisten Fällen sind die Schwingungen (Petersen (2001)) gegeben.
in einer bestimmten Eigenfrequenz des Hauptsystems Für die Anwendung von Tilgern zur Schwingungs-
problematisch und müssen reduziert werden. Das beruhigung von Fussgängerbrücken können die
Hauptsystem kann dann als äquivalenter Einmassen- folgenden praktischen Hinweise nützlich sein:
schwinger mit der entsprechenden modalen Masse
– Die maximalen Amplituden des Hauptsystems kön-
usw. modelliert werden. Zusammen mit dem Zusatz-
nen durch Tilger wesentlich reduziert werden. Die
system ergibt sich ein 2-Massen Schwinger gemäss
Reduktion ist jedoch sehr empfindlich auf kleine
Abbildung 8.
Änderungen der Tilgerfrequenz ft; diese muss da-
Dabei bedeuten: her möglichst gut mit der optimalen Frequenz fopt
mt: Tilgermasse übereinstimmen.
ms: Modale Masse des Hauptsystems (Brücke) – Demgegenüber haben auch erhebliche Abwei-
kt, s: Federkonstante des Tilgers bzw. Hauptsys- chungen der Tilgerdämpfung ȗt von der optimalen
tems Dämpfung ȗopt relativ geringe Folgen.
ct, s: Dämpfungskonstante des Tilgers bzw. Haupt- – Ein Schwingungstilger vom oben dargestellten Typ
systems mit Dämpfungsmass ist nur in einem engen Frequenzband wirksam und
ȗ t = c t /( 2 k t / m t ) bzw. ȗ s = cs /(2 ks / ms ) wenn er auf eine bestimmte Eigenfrequenz des zu
xt, s: Verschiebung der Tilgermasse bzw. modalen beruhigenden Systems abgestimmt ist. Er arbeitet
Masse des Hauptsystems nicht befriedigend sofern das Hauptsystem mehrere
Eigenfrequenzen nahe beieinander aufweist (z.B.
Für die beiden Massen können je die Bewegungs- Biege- und Torsions-Grundfrequenz), die durch die
Differentialgleichung des Gleichgewichts aufgestellt dynamische Einwirkung angeregt werden.
und das gekoppelte Gleichungssystem gelöst werden – Ein Tilger ist umso wirksamer, je grösser die Til-
(Bachmann et al. (1997)). Die Ausdrücke für die opti- germasse verglichen mit der modalen Masse des
male Eigenfrequenz fopt und die optimale Dämpfung Hauptsystems und je kleiner die Dämpfung des
ȗopt des Tilgers ergeben sich zu Hauptsystems ist. Tilger sind daher besonders effi-
zient bei Stahl- und Verbundbrücken, die im Ver-
fs 3( m t / ms ) gleich zu Betonbrücken im Allgemeinen eine gerin-
f opt = ; ȗ opt = (4)
1 + m t / ms 8(1 + m t / ms )3 gere Masse und eine kleinere Dämpfung haben
und deshalb besonders schwingungsanfällig sein
mit den Eigenfrequenzen fs = k s / ms /(2ʌ ) des
können.
Hauptsystems und f t = k t / m t /( 2ʌ ) des Tilgers.
– Die Verschiebungsamplituden der Tilgermasse
Die optimale Eigenfrequenz des Tilgers ist somit
müssen durch Berechnungen überprüft werden
(Bachmann et al. (1995)), und es muss dafür genü-
gend Platz (inkl. Reserve für den Fall übermässiger
Einwirkungen) vorgesehen werden.
– Die Feinabstimmung eines Tilgers (Frequenz) muss
nicht nur bei dessen Herstellung in der Werkstätte
sondern auch am Bauwerk – meist am besten
durch Beifügen oder Wegnehmen von kleinen Tei-
len der Tilgermasse und weniger durch Verände-
rung der Tilgerfedern – vorgenommen werden kön-
nen. Denn Berechnungsergebnisse zu Bauwerk
und Tilger weichen oft von den wirklichen Werten
ab.
– Insbesondere die Bauwerksfrequenzen können sich
Abb. 8: Dynamisches Modell des Hauptsystems (Trag- mit der Zeit verändern, z.B. durch den Einbau eines
werk) mit Tilger (Imperial College (2000)).
10
"Lebendige" Fussgängerbrücken – eine Herausforderung
11
H. Bachmann
12
Dreidimensionale aerodynamische und aeroelastische
Analyse der Fußgängerbrücke Kehl-Strasbourg
13
C. Katz, I. Kovacs und G. Morgenthal
14
Dreidimensionale aerodynamische und aeroelastische Analyse der Fußgängerbrücke Kehl-Strasbourg
wendigen Windkanalmessungen wurden in dem da der gesamte Brückenquerschnitt, d.h. die beiden
Windlaboratorium der Universität Aachen, Lehrstuhl miteinander verbundenen Fahrbahnen und die Lücke
für Stahlbau, durchgeführt. zwischen ihnen, eine starke Anfälligkeit zu Torsions-
Es hatte sich schon früh für alle Beteiligten ge- galloping schon bei sehr niedrigen Windgeschwindig-
zeigt, dass die ursprüngliche Konstruktion ohne spe- keiten zeigt.
zielle Gegenmaßnahmen nicht funktionieren würde, Die Abbildung 5 zeigt die unter einem gleichmäßi-
gen Wind numerisch ermittelten aerodynamischen
Dämpfungen in Abhängigkeit von der Windgeschwin-
digkeit. In der Beurteilung des aeroelastischen Verhal-
tens der Brücke selbst waren sich der Aufsteller und
der Prüfingenieur in allen Punkten einig.
3 WINDBELASTUNG
Die Ermittlung des Systemverhaltens unter Windbe-
lastung stellt bei solchen schlanken Bauwerken immer
eine besondere Herausforderung dar. Wir bemühen
uns, nach Davenport die vollständige Windkette als
Abfolge von sich wechselweise beeinflussenden Ef-
fekten und Berechnungen rechnerisch zu erfassen:
– Windklima (der globale Wind),
– Geländeform (lokaler Wind),
– Aerodynamik (Druckbeiwerte),
– Dynamik (Antwort des Bauwerks),
– Bemessung des Bauwerks.
Abb. 5: Negative aeroelastische Dämpfungen
15
C. Katz, I. Kovacs und G. Morgenthal
Als grundlegendes Sicherheitskriterium für das wind- Das Bauwerk wird in dieses Strömungsfeld ge-
belastete Bauwerk wird in den Bauvorschriften oder in setzt, die Reaktionen werden in der Zeit verfolgt und
den Entwurfsbedingungen von Ausschreibungen fest- aufgezeichnet. Es sei einschränkend erwähnt, dass
gelegt, dass es innerhalb des Zeitraums, in welchem die Rückwirkung des Bauwerks als räumliches Hin-
das Bauwerk bestehen soll (bei Brücken in der Regel dernis auf das Strömungsfeld nicht berücksichtigt ist.
in 100 Jahren) mit einer vorgegebenen Sicherheit Es wird dagegen berücksichtigt, dass das Bauwerk in
nicht versagt. Der Nachweis der Tragsicherheit wird in diesem Strömungsfeld Bewegungen vollzieht und
der Praxis auf die Prüfung eines kurzen Zeitabschnitts dadurch die Relativgeschwindigkeiten zwischen Strö-
- in Europa: 10 Minuten - beschränkt, in welchem mung und Körper Punkt für Punkt modifiziert. Dieser
einerseits die höchste Windgeschwindigkeit (der 100- Teil der Interaktion ist der wichtigste, weil er unter
Jahres-Wind) auftritt, andererseits genügend Zeit anderem die Ursache der aerodynamischen Dämp-
vorhanden ist um das Bauwerk zu erregen. Die Wind- fung, aber auch von jeder Art von Instabilitäten (z.B.
geschwindigkeiten können in diesem kurzen Zeitab- Potentialflattern und Torsionsgalopping) ist. Nur mit
schnitt interpretiert werden als die Summe von einer solchen nichtlinearen Berechnung kann man
aber auch Effekte wie z.B. die Veränderung der Wind-
– einer zeitlich konstanten, räumlich veränderlichen
kraft bei Ablösung der Strömung oder die Wirkung von
Grundgeschwindigkeit (10-Minuten-Wind) und
Tilgern erfassen. Die wichtigsten aerodynamischen
– einem überlagerten, zeitlich und räumlich verän-
Effekte dabei sind:
derlichen Turbulenzanteil.
– Durch die Bewegung des Bauwerks erhält man
Der zweite Verfasser hat schon in früheren Veröffent-
relative Geschwindigkeiten durch eine vektorielle
lichungen (Kovacs 1989, 1993, 1995) über die Vortei-
Addition von Bauwerksgeschwindigkeit und Wind-
le einer realistischen Simulation der Windkräfte be-
geschwindigkeit.
richtet. Mit der jetzt vorliegenden Implementation in
– Durch die Verdrehung des Brückenquerschnitts
einem allgemeinem FE-Programm (SOFiSTiK) stehen
verändert sich der Anströmwinkel und somit auch
solche Möglichkeiten auch anderen Anwendern zur
die Windkraftbeiwerte.
Verfügung. Die Erzeugung der Windbelastung erfolgt
in drei Schritten: Weiter ist der dynamische Effekt abhängig von der
Ausdehnung der Böen. Da die deutschen Normen mit
– Genauere Windprofile erhält man aus dem globa-
zu großen Böen arbeiten (Davenport’sches Modell mit
len Wind unter Berücksichtigung der Umgebung
konstanter Böengröße für alle Höhen), und außerdem
des Bauwerks (Oberflächenrauhigkeit, Gelände-
zeitliche Verzögerungen im Antreffen der Böen eine
erhöhungen) ähnlich wie sie in neueren Vorschrif-
deutliche Rolle spielen (die Böen ergreifen in Wirk-
ten wie z.B. im EC 1 vorgesehen sind.
lichkeit zuerst nur die Bauwerkspitze, und rollen von
– Eine Ermittlung eines Windspektrums nach den
oben nach unten ab), ergeben sich auch hierdurch
allgemeinen Verfahren von Davenport, Harris oder
günstigere Ergebnisse.
Karman. Damit ist die statistische Wahr-
Abschließend stehen die Zeitverläufe der Verfor-
scheinlichkeit der Amplituden in Abhängigkeit von
mungen, der Schnittkräfte sowie aller anderen charak-
der Frequenz definiert.
teristischen Größen zur Verfügung und können für die
– Eine genauere Berechnung mit einer Zeitverlaufs-
Bemessung statistisch analysiert werden.
simulation. Dem Verfahren liegt eine mathemati-
Abbildung 6 zeigt das verwendete 10-Minuten-
sche Turbulenzgenerierung zugrunde, die zufälli-
Windprofil, das Turbulenzprofil und das Profil der In-
ge dreidimensionalen Windabläufe entlang einer
tegralmaße über dem Rhein.
(zweidimensionalen) vertikalen Referenzfläche er-
Das in das SOFiSTiK-Programm integrierte Wind-
zeugt, die durch die Hauptachse des Bauwerks
modell basiert auf dem zweidimensionalen Grenz-
festgelegt ist.
schichtmodell, beschrieben in (Kovacs, 1993+1995):
Der synthetisch generierte Wind soll die aktuellen Die Grundlösung ist ein logarithmisches Windge-
Parameter, das Wind- und Turbulenzprofil und die schwindigkeitsprofil über einer ebenen oder leicht
wichtigsten statistischen Eigenschaften, Spektren und unebenen Geländeoberfläche mit homogener oder
Kohärenzen des reallen Windes abbilden. Nachdem leicht veränderlicher Rauhigkeit. Im aktuellen Fall war
die Erfüllung der Strömungsgleichungen sich auf eine die Oberfläche eben und glatt. Das Turbulenz- und
zweidimensionale Fläche beschränkt, kann auf die das Kohärenzmodell der ESDU entspricht einer etwas
(aufwendige) Behandlung der Kompatibilitätsbedin- abgewandelten Karman’schen Formulierung.
gungen verzichtet werden.
16
Dreidimensionale aerodynamische und aeroelastische Analyse der Fußgängerbrücke Kehl-Strasbourg
Der Aufsteller hat die 10-Minuten-Windge- deutlich höher als die von ENV 1991-2-4 Anhang E
schwindigkeiten am Standort aus den 25 Jahre lang definierte Regelung liegt. ENV 1991-2-4 verlangt hier
geführten Messungen der meteorologischen Station eine Einsetzgeschwindigkeit der Flatter- oder Gallo-
von Lahr, unter Berücksichtigung der bei diesem kur- pingschwingungen von
zen Zeitraum relativ niedrigen Konfidenz, abgeleitet,
V CG ≥ 1.25 V m = 31.6 m/s
was in der Deckhöhe einen Wert von 27.2 m/s ergab.
Wir haben das Windprofil an früheren meteorologi- Wir haben in unserem Konzept, anstelle des 10-
schen Messungen und Auswertungen, hauptsächlich Minuten-Windes V m , eine kürzere Bö mit einer Dauer
an Ergebnissen von Caspar geeicht. Als Oberflächen- von nur ∼ 40 Schwingungsperioden = 1 Minute als
rauhigkeit haben wir z0 = 0.01 m angesetzt, sie ist Grundlage der Stabilitätsgrenze gewählt. Es sei hierzu
etwas gröber als für eine Wasseroberfläche. So ergab bemerkt, dass in Europa, und auch weltweit, sehr
sich bei uns verschiedene und nicht immer logische und konse-
quente Regelungen zum Stabilitätsnachweis üblich
V m = 25.3 m/s (100 Jahres-Wind in Deckhöhe)
sind. Wir waren grundsätzlich der Meinung, dass die
Sicherheit gegen Instabilität bei der ENV-Regelung zu
I lon = 14.7 %
kurz kommt, im aktuellen Falle sprach, neben der
f S lon 4 X lon hohen Frequenz des Torsionsgalloping, auch die sehr
= (Karman, longitudinal)
stark progressive negative aeroelastische Torsions-
σ 2
lon (1+ 70.8 X ) 2
lon
5/ 6
dämpfung für eine strengere Grenze. Hätte man also
zum Beispiel die Stabilität für den 10-Minuten-Wind
X lon = f lon L lon / V 10 min sichergestellt, dann hätte man für den 1-Minuten-Wind
ein durchschnittliches negatives Dämpfungsdekre-
Das Bild zeigt auch, dass die von uns definierte ae-
ment von δ = -0.075 erhalten, das bei der aktuellen
roelastische Stabilitätsgrenze mit
Flatterfrequenz zu einer 20-fachen Vergrößerung
V G ≥ 36.5 m/s (Stabilitätskriterium in Deckhöhe) einer anfänglichen Torsionsschwingung geführt hätte.
17
C. Katz, I. Kovacs und G. Morgenthal
18
Dreidimensionale aerodynamische und aeroelastische Analyse der Fußgängerbrücke Kehl-Strasbourg
19
C. Katz, I. Kovacs und G. Morgenthal
20
Dynamische Untersuchung einer Segmentbrücke
Fuge 18
Fuge 17
Fuge 16
Fuge 15
Fuge 14
Fuge 13
Fuge 12
Fuge 11
Fuge 10
Fuge 9
Fuge 8
Fuge 7
Fuge 6
Fuge 5
Fuge 4
Fuge 3
Fuge 2
Fuge 1
jährigen Bestehen zu beurteilen.
Das Institut für Stahlbeton- und Massivbau der TU
Seg: 18 Seg: 17 Seg: 16 Seg: 15 Seg: 14 Seg: 13 Seg: 12 Seg: 11 Seg: 10 Seg: 9 Seg: 8 Seg: 7 Seg: 6 Seg: 5 Seg: 4 Seg: 3 Seg: 2 Seg: 1
Wien führte in Zusammenarbeit mit der Firma A. Landstraße - Donaubrücke Altmannsdorf - Wienerneustadt
lysiert.
52,04
0,40
sprucht. Die Lasteinleitung erfolgte über einen quer Abb. 2: Geometrie des Tragwerkes
zur Fahrbahn liegenden Stahlträger mit an beiden
Enden aufgesetzten Spannpressen. Durch Spannka-
bel, die in der Mittelwand des Absbergtunnels und an 2 GEOMETRIE DES TRAGWERKS (EICHINGER
ET AL. (2003))
den Spannpressen verankert waren, war es möglich
das Tragwerk kontrolliert zu belasten. Bei dieser Brücke handelt es sich um eine Segment-
Insgesamt wurden zehn Belastungsversuche brücke mit geklebten Fugen. Das Einfeldtragwerk (ca.
durchgeführt. Zwischen den einzelnen Belastungs- 380 to Gewicht) mit einer Stützweite von 44,0 m und
phasen wurden die Spannkabel an verschiedenen einer lichten Weite von 43,5 m bietet bei einer Ge-
Stellen durchtrennt, um den Einfluss geschädigter samtbreite von 6,2 m eine Fahrbahnbreite von 4,8 m
Kabel auf das Trag- und Verformungsverhalten der (Abb.2).
Struktur zu simulieren.
21
V. Benko, R. Geier und M. Ralbovský
Messanordnung: 24.09.2002
29.09.2002
Stahlrahmen
Fuge 9,11
Fuge 6,14
Fuge 8,12
Fuge 1,19
Fuge 2,18
Fuge 3,17
Fuge 4,16
Fuge 5,15
Fuge 7,13
Fuge 10
Spannpresse
A B A
Symmetrieachse
9,10
7,8
4,6
1,3
5
2
Altmannsdorf -
Seg: 1,18 Seg: 2,17 Seg: 3,16 Seg: 4,15 Seg: 5,14 Seg: 6,13 Seg: 7,12 Seg: 8,11 Seg: 9,10 Landstraße - Donaubrücke
Wienerneustadt
Grundriss Tunnelmittelwand
Detail A: Ansicht Nord-Ost
Spannglied: 9,10
Spannglied: 7, 8 Spannglied: 9, 10
Spannglied: 4, 6 Spannglied: 7, 8
Spannglied: 1,3 Spannglied: 5
Spannglied: 4, 5, 6
Spannglied: 2 Spannglied: 1, 2, 3
Der einzellige Hohlkasten wies eine konstante besonders in Hinblick auf den Ausfall einzelner
Stegstärke von 40 cm und eine Konstruktionshöhe Spannglieder einzutragen, und die Auswirkungen auf
von 2,10 m auf. Die Kastenbreite betrug 3,80 m, wo- die dynamische Charakteristik zu beurteilen.
mit eine Auskragung der Fahrbahnplatte beiderseits
mit 1,20 m verblieb. 3.1 Ziele der Untersuchung
Die Brücke wurde mit 20 Spanngliedern VT 120 L Die maßgebenden Ziele der Untersuchung bezie-
(10 pro Steg) mit nachträglichem Verbund vorge- hen sich zum einen auf die Veränderung der dynami-
spannt. Die Anordnung der Spannstähle erfolgte in schen Charakteristik durch die Schädigung und zum
den Segmenten 6 bis 13 in vier Lagen, in erster und anderen auf die Spannglieder sowie den Verlust an
zweiter Lage je drei und in dritter und vierter Lage je Vorspannkraft über die Zeit. VCE Holding GmbH. und
zwei Spannkabel. Der Verlauf der Spannkabel ist in Arsenal Research haben dabei die messtechnischen
Abb. 3 dargestellt. Untersuchungen an dem Brückentragwerk durchge-
Die Brücke sollte in der Brückenmitte belastet wer- führt, wobei beide Institute Beschleunigungsaufneh-
den. Da die nötige Verankerung des Zuggliedes in mer mit hoher Sensibilität eingesetzt haben, die ent-
diesem Querschnitt nicht möglich war, entschied man lang der Längsachse der Brücke aufgestellt waren.
sich die Brücke rund 1,2 m von der Brückenmitte ent- Brücken stellen einen wichtigen Faktor für die Ver-
fernt zu belasten. Dieser Querschnitt entspricht ziem- kehrsinfrastruktur eines Landes dar. Der Höhepunkt
lich genau der Lage der Fuge 9. des Brückenbaus war in Europa nach dem 2. Welt-
Als Zugglieder kamen zwei Spannkabel mit 12 Lit- krieg sowie zwischen 1960 und 1970 festzustellen.
zen zum Einsatz. Diese Zugglieder wurden in Ausspa- Aus bisher gemachten Erfahrungen der Brückenerhal-
rungen in der Mittelwand des Absbergtunnels mit Mör- ter zeigt sich, dass im Laufe der Nutzung ein soge-
tel verpresst. nanntes „kritisches Bauwerksalter“ erreicht wird, ab
Während der Versuche wurde die Last durch zwei dem aufwendige und kostspielige Erhaltungs- bzw.
hydraulische Pressen (VT 12-100, Gewicht 170 kg je Instandsetzungsarbeiten erforderlich werden, um wei-
Presse) mit einer maximalen Kraft von 2.119 kN je terhin eine gefahrlose, uneingeschränkte Nutzung des
Presse auf den Brückenüberbau aufgebracht. Diese Bauwerkes zu gewährleisten. Dieses kritische Alter
belasteten über einen Querriegel die zwei Stege des wird im Schnitt nach etwa 30-jährigem Betrieb auftre-
Brückenquerschnittes. Der Brückenbelag war im Be- ten. Daraus lässt sich ableiten, dass etwa ab dem
reich der Lasteinleitung entfernt worden. Jahr 2005 mit einem erheblichen Investitionsaufwand
An drei Tagen wurden zerstörende Belastungsver- für die Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur zu rechnen
suche durchgeführt, wobei in 6 Schädigungsstufen ist. In Zeiten, die von reduzierten Geldern für Erhal-
insgesamt 10 Spannkabel durchtrennt wurden (Abb. tung und Sanierung gezeichnet sind, ist daher ein
4). Die Belastung wurde jeweils in Lastschritten von alternativer Ansatz erforderlich, der eine Früherken-
100 kN, dies entspricht 50 kN pro Spannpresse, bis nung von Schäden bzw. problematischen Tragwerken
zu einer Maximalbelastung von 2.000 kN gesteigert. ermöglicht. Dieser alternativer Ansatz kann durch die
Anwendung der dynamischen Zustandsüberwachung
3 MESSTECHNISCHE UNTERSUCHUNGEN (Health Monitoring) gefunden werden.
Im Rahmen eines nationalen Forschungsprojektes Brücken, aber auch viele andere Bauwerke, besit-
war es möglich, an der Brücke künstliche Schäden, zen ein individuelles Schwingungsverhalten, das als
22
Dynamische Untersuchung einer Segmentbrücke
Eigenfrequenzen vertikal in Hz
Messung
1. Mode 2. Mode 3. Mode 1,20
Porr 1 2,64 9,61 11,63 1,00
0,80
Porr 2 2,64 9,60 11,57 0,60
0,40
Porr 3 2,66 9,63 11,61 0,20
0,00
Porr 4 2,66 9,75 11,56
12,00
16,00
20,00
24,00
28,00
32,00
36,00
40,00
44,00
0,00
4,00
8,00
Porr 5 2,62 9,63 11,53
R e K5_g
f _ gK7_g K8_g K9_g K10_g K12_g
K15_g
µg
120
8.00
110
6.00
100 4.00
90 2.00
80 0.00
0.00
4.00
8.00
12.00
16.00
20.00
24.00
28.00
32.00
36.00
40.00
44.00
70
-2.00
60
-4.00
50
-6.00
40
30
20
Abb. 7: Zweite vertikale Biegschwingung bei 9,65 Hz
10
0
0.00 1.36 2.73 4.09 5.45 6.82 8.18 9.55 10.91 12.27 13.64 15.00
Hz
samte Tragwerk wurde aus den ambienten Messda-
ten durch einfaches Ablesen der Eigenfrequenzen
Abb. 5: Frequenzspektrum vertikal bei der Basismessung
(„peak picking“) aus den ambienten Messdaten
durchgeführt. Für die Basismessung wurde ein dich-
Schwingungscharakteristik bezeichnet werden kann.
tes Sensorennetz angewendet, um die Eigenfrequen-
Dieses für ein Bauwerk typische dynamische Verhal-
zen (Tabelle 1 und Abb. 5) und Eigenschwingungs-
ten kann durch Messungen erfasst und nach entspre-
formen (Abb. 6 und Abb: 7) ausreichend genau erfas-
chender Auswertung zur Beurteilung der Tragstruktur
sen zu können.
und zur Feststellung von möglichen Schäden heran-
gezogen werden. Diese Strukturantwort kann durch 3.3 Schädigungsversuche
die modalen Parameter Eigenfrequenzen, Eigenfor-
men sowie die zugehörigen Dämpfungswerte gut be- Da das Tragwerk im Zuge der Bauarbeiten in seiner
schrieben werden. Höhenlage verändert wurde, erfolgte bevor überhaupt
die erste Schädigung vorgenommen wurde, eine neu-
3.2 Basismessung erliche Untersuchung der modalen Parameter. Die
dabei identifizierten Eigenfrequenzen wurden mit den
Um eine entsprechende Datenbasis für die Interpreta-
bei der Basismessung vorhandenen Werten vergli-
tion der Ergebnisse während der Schädigung zu
chen, wobei keine Abweichungen festgestellt werden
erstellen, wurde bereits im April 2000 eine Basismes-
konnten. Die Randbedingungen (Lagerung) des
sung – die sogenannte Nullmessung – erstellt. Die bei
Tragwerkes sind somit durch die Hebung nicht verän-
der Untersuchung identifizierten Eigenfrequenzen und
dert worden.
Eigenschwingungsformen stellen somit die Referenz-
Die Schädigung des Tragwerkes wurde progressiv
werte dar, auf welche die Schädigungsversuche be-
durchgeführt, wobei in den Pausen zwischen den
zogen werden.
Belastungsschritten Nivellierungsmessungen und
Die Systemidentifikation, das heisst die Bestim-
Schwingungsmessungen stattfanden. Nach dem Er-
mung der modalen Parameter Eigenfrequenzen, Ei-
reichen der maximalen vorgesehenen Belastungskraft
genformen und Dämpfungskoeffizienten für das ge-
23
V. Benko, R. Geier und M. Ralbovský
3,80
2 3,60
1,5 3,55
1 3,50
0,5 3,45
0 1 2 3 4 5 6
0 Schädigungsstufe
0 2 4 6 8 10 12 14
Frequenz [Hz]
9,60
Abb. 8: Beispiel eines ANPSD aus einer Messung bei
24
Dynamische Untersuchung einer Segmentbrücke
Eigenfrequenzen [Hz]
Schädigung
1. 2.
0 2,63 9,42
6 2,31 8,75
25
V. Benko, R. Geier und M. Ralbovský
4,0 0
3,7 5
3,5 0
3,2 5
3,0 0
2,7 5
2,5 0
2,2 5
-2 -1 0 1 2 3 4 5 6
Zu stan d
ARSENAL VCE FE M
10,00
9,7 5
9,5 0
9,2 5
9,0 0
8,7 5
8,5 0
8,2 5
8,0 0
7,7 5
7,5 0
-2 -1 0 1 2 3 4 5 6
Zu stan d
ARSENAL VCE FE M
LITERATUR
Eichinger, E.M.; Joksch, R.; Kirchweger, T.; Köberl, B.;
Kolleger, J. (2003) : Durchführung und Auswertung von
Belastungsversuchen und Baustoffuntersuchungen an einer
vorgespannten Segmentbrücke. Bericht Nr. 99/08 Institut für
Stahlbeton- und Massivbau, TU Wien.
Pukl, R., Novak, D., Eichinger, E.M.; (2002) : Stochastic
Nonlinear Fracture Analysis. Proceedings IABMAS Confe-
rence, Juli, Barcelona.
Bergmeister, K., Pukl, R., Novak, D., Kollegger, J. und Ei-
chinger, E.M.; (2002) : Structural Analysis and Safety As-
sesment of Existing Concrete Structures. Proceedings fib-
Conference, September, Osaka.
Veit, R. (2002) : POOR Brücke Dynamische Analyse, Gros-
ser Entwurf Teilgebiet Stahlbeton- und Massivbau, TU
Wien.
26
Begehbare Doppelhelix – Eine unendlich lange Fußgängerbrücke
ZUSAMMENFASSUNG
Für die begehbare Doppelhelix des Künstlers Olafur
Eliasson wurde die Schwingungsanfälligkeit unter-
sucht. Zur Reduktion der erheblichen Schwingungen
sind Schwingungstilger vorgesehen, die im Tragrohr
des Bauwerks untergebracht sind, und so die Gestalt
des Kunstwerks nicht verändern. Mit dieser Maßnah-
me werden die zu erwartenden Schwingungen auf ein
befriedigendes Maß bei planmäßiger Benutzung und
auf ein erträgliches Maß bei unplanmäßiger Nutzung
reduziert. Erst mit diesen Maßnahmen kann die Idee
des Künstlers in die Realität umgesetzt werden.
1 BAUWERKSBESCHREIBUNG
Die begehbare Doppelhelix des Künstlers Olafur Eli-
asson wird im Hof eines Bürogebäudes an der There-
sienhöhe im Münchner Westen aufgestellt. Die Form
des Bauwerks ist die Projektion einer Doppelhelix, auf
die Oberfläche einer Kugel mit etwa 8 m Durchmes-
ser. An einem Stahltragrohr werden Holzstufen und Abb. 1: 3D-Ansicht des Kunstwerks
Edelstahlgeländer angebracht, so dass das Kunst-
werk als Endlos-Treppe begangen werden kann. fungsmaß der geschweißten Stahlkonstruktion eine
Das Helix-Tragrohr wird am Tiefpunkt mit einem hohe Schwingungsanfälligkeit erwarten.
größeren Rohrstück eingefasst und an ein Stahl- Für die dynamische Untersuchung wird das Tragwerk
Fußkreuz angeschlossen. Die Endpunkte des Fuß- mit FE-Stabelementen abgebildet. Die Knotenpunkte
kreuzes lagern auf der Decke bzw. den Stahlbeton- der Stäbe folgen der Raumkurve des gewundenen
stützen der Tiefgarage. Das Fußkreuz wird von dem Tragrohrs. Die Stablänge beträgt ca. 0,5 m.
Bodenbelag des Innenhofs überdeckt. So entsteht der Als Eigendämpfung des Systems wird ein Lehr-
Eindruck das Kunstwerk schwebe über dem Boden. sches Dämpfungsmaß von ζ = 0,4% angenommen.
Abb. 1. Für die numerischen Berechnungen werden daraus
Der Außendurchmesser des Tragrohrquerschnitts die massen- und steifigkeitsproportionalen Rayleigh-
beträgt konstant 323,9 mm. Die Wandstärke ist ent- Dämpfungsparameter ermittelt.
sprechend der Belastung über die Bauwerkshöhe
zwischen 16 mm und 60 mm abgestuft. Das Fußkreuz 2.1 Eigenformen
besteht aus Walzprofilen HEM-400. Für die Bewertung des Schwingungsverhaltens des
Kunstwerks wurden die ersten 12 Eigenformen be-
2 DYNAMISCHE UNTERSUCHUNG stimmt. Dabei werden neben der Bauwerksmasse
Ohne weitere Maßnahmen lassen die Form und die keine zusätzlichen Masse berücksichtigt. Der Aufent-
leichte Tragkonstruktion sowie das geringe halt einer größeren Anzahl von Personen wird hier
Dämpfungsmaß der geschweißten Stahlkonstruktion
27
B. Schäpertöns und D. Schäfer
2.2 Erregerlasten
Die typischen Schrittfrequenzen liegen beim Gehen
zwischen 1,6 und 2,2 Hz. Darüber beginnt der Bereich
des Laufens bzw. Rennens mit maximal 3,5 Hz.
Schrittfrequenzen unter 1,6 Hz sind bei gemütlichem
Schlendern denkbar. Bachmann (1988, 1997), Peter-
sen (2000, 2001). Menschen verursachen beim Ge- Abb. 2: Die ersten vier Eigenformen des Tragweks
hen Lasten in alle räumliche Richtungen: Vertikal,
horizontal-längs (longitudinal) und horizontal-quer schen Anteilen die ersten elf Bauwerkseigenformen
(lateral). anregen können. Zum Beispiel kann der 2. harmoni-
Tabelle 1 zeigt in der linken Spalte die ersten 12 sche Anteil der Vertikallasten (vertikal, #2) bei einer
Eigenfrequenzen des Tragwerks. Daneben sind die Schrittfrequenz von fS = 0,841 Hz Eigenform Nr. 4
Belastungen durch Fußgänger in den drei Raumrich- anregen.
tungen mit ihren harmonischen Anteilen aufgelistet.
Zu jedem harmonischen Anteil ist diejenige Schrittfre- 3 SCHWINGUNGSREDUZIERENDE
quenz fS aufgeführt, welche die entsprechende Eigen- MASSNAHMEN
form anregt. Man erkennt an den markierten Tabel- Vergleicht man die Bauwerkseigenfrequenzen mit den
lenwerten (gewählte Schrittfrequenz 0,8 – 2,2 Hz), möglichen Erregerfrequenzen der einwirkenden Las-
dass alle Lastrichtungen mit nahezu allen harmoni- ten, so sind aufgrund der relativ geringen Bauwerks-
28
Begehbare Doppelhelix – Eine unendlich lange Fußgängerbrücke
masse und der sehr geringen Dämpfung starke Anre- 3.3.1 Entwurf der TMD
gungseffekte zu erwarten.
Um das Erscheinungsbild des Kunstwerks nicht zu
Deswegen sind unbedingt Maßnahmen zur Reduk-
beeinträchtigen, wurden TMD zur Unterbringung im
tion der Schwingungsanfälligkeit zu ergreifen.
Rohrquerschnitt entworfen. Dabei werden Massen,
Stahl-Druckfedern und viskose Dämpfer verwendet.
3.1 Verschiebung der Eigenfrequenzen
Es sind TMD für die erste und zweite Eigenform (hori-
Ist ein Tragwerk mit Fußgängerlasten so ausgelegt, zontale Kippschwingungen) sowie für die vierte Eigen-
dass zum Beispiel die erste vertikale Eigenfrequenz form (vertikales Einfedern) vorgesehen. Diese wie-
größer als etwa 5 Hz ist, sind i.d.R. keine nennens- derum müssen in mehrere einzelne TMD aufgeteilt
werten vertikalen Schwingungen zu erwarten. werden.
Eine sichere Maßnahme gegen die Schwingungs- Insgesamt werden vier TMD für die vertikale Rich-
anfälligkeit wäre demnach, die Steifigkeit der Kon- tung (V1, V2) und insgesamt vier Stück für die hori-
struktion zu erhöhen. Dies würde für das Tragrohr zontalen Eigenformen (H1, H2) eingebaut.
jedoch mindestens eine Verdreifachung des Durch- Die Einbauorte befinden sich im oberen Teil der
messers bedeuten, was wiederum das Erscheinungs- Spirale, wo die Wandstärke des Rohrs nicht mehr als
bild des Kunstwerks zu stark verändert. 25 mm beträgt und die Wirksamkeit der TMD am bes-
Um die Konstruktion auszusteifen, wären ferner ten ist. Auf die Anordnung weiterer TMD im unteren
Seilabspannungen denkbar, die aber ebenfalls zu Bereich der Spirale muss wegen der extrem beengten
stark in die Gestaltung des Bauwerks eingreifen. Platzverhältnisse im Tragrohr mit Wandstärken von 50
oder 60 mm verzichtet werden. Die TMD Massen incl.
3.2 Erhöhung der Strukturmasse/-dämpfung Führungskonstruktion müssen vor der Endmontage
Durch Einsatz einer Füllung mit Beton können oft der Tragrohre eingebaut werden. Durch kleine Monta-
ausreichend hohe Bauwerksmassen und Dämp- geöffnungen können danach die Federn, Dämpfer
fungswerte erreicht werden, um störende Schwingun- eingebaut und die Masse zur Anpassung des TMD an
gen zu verhindern. Dies führt hier aber nicht zu einer die gemessenen Bauwerksfrequenzen verändert wer-
wesentlichen Verbesserung des Schwingungsverhal- den.
tens. Die TMD-Kenngrößen Masse, Frequenz, Feder-
steifigkeit, Dämpferkonstante wurden nach dem Opti-
3.3 Einsatz von Schwingungstilgern mierungskriterium von Den Hartog (1984) festgelegt.
Die kinetisch äquivalenten Massen m des Bau-
Als geeignete Maßnahme gegen die Schwingungsan-
werks werden für die zu bedämpfenden Eigenformen
fälligkeit erweist sich hier der Einsatz von Schwin-
und die TMD-Einbauorte nach Gleichung (1) be-
gungstilgern, englisch Tuned Mass Dampers (TMD).
stimmt. Petersen (2001).
29
B. Schäpertöns und D. Schäfer
Frequenz Bauwerk
äquivalente Masse
Tilgerbezeichnung
Dämpferkonstante
ΣFederkonstanten
V2
Wirkungsrichtung
H2
Anordnung mittig
Massenausgleich
Frequenz Tilger
je Einzel- Tilger
je Einzel-Tilger
je Einzel-Tilger
in Rohrschuss
H1
kinetisch
Anzahl
Masse
V1 V1 1)
f 5) f m 2)
m 2) ∆m 3) CF CD
4)
Z [-] [-] [-] [-] [Hz] [Hz] [t] [kg] [%] [kN/m] [kNs/m]
Y H1
V1 Z (vertikal) 2 1 oben 1,60 1,47 6,67 150 ± 10 12,8 0,45
V2 Z (vertikal) 2 3 oben 1,60 1,47 6,63 150 ± 10 12,8 0,45
X V2
H2
H1 X (horizontal) 2 2 oben 1,10 1,08 6,07 140 ± 10 6,39 0,17
6.00 4.00 2.00 0.00 -2.00 -4.00
Y Z
Systemausschnitt Gruppe 0...5 20
Struktur
H2 Y (horizontal) 2 4 oben 1,06 1,04 8,79 200 ± 10 8,47 0,23
X
30
Begehbare Doppelhelix – Eine unendlich lange Fußgängerbrücke
3,0
4 NUMERISCHE SIMULATION FUSSGÄNGER Ergebnisse Gehen ohne TMD max aZ = 5,1 m/s²
ax
Die ermittelten Beschleunigungen in Kapitel 3.3.2 2,5
ay
az
stellen eine Abschätzung der möglichen Schwingun- 2,0
wird eine konstante Schrittfrequenz während der ge- 0,80 1,00 1,20 1,40
fp [Hz]
1,60
1,681
1,80 2,00 2,20 2,40
die Lastbilder biomechanisch sinnvoll miteinander zu 0,80 1,00 1,20 1,40 1,60
fp [Hz]
1,80 2,00 2,20 2,40
Fp = α 0 ⋅ G + ¦ G ⋅ α i ⋅ sin (2π ⋅ i ⋅ f p − φi )
n 1,2 0,6
0,6 0,3
vertikal longitudinal lateral
0,4 0,2
i αi φi I αi φi i αi φi
horizontal
0,2 0,1
0,0 0,0
1 0,4 0 1/2 -0,1 4π/5 1/2 0,1 π/5 -0,2
0 0,5 1 1,5 2 2,5
-0,1
t [s]
-π/2 2π/5 3π/5
-0,4 -0,2
2 0,1 1 -0,2 3/2 0,1
-0,6 -0,3
vertikal
Gehen
3 0,1 -π/2 2 0,1 π/5 -0,8 G -0,4
vorwärts
-1,0 lateral -0,5
α0 = 1,0 α0 = 0 α0 = 0
-1 2 -0 6
31
B. Schäpertöns und D. Schäfer
1,5
vorwärts R
lateral
4.2.2 Halbsinusmodell mit TMD
Last [kN]
5 SCHWINGUNGSBEWERTUNG
-0,5 -0,125
Die Ergebnisse aus Kapitel 3.3.2 und Kapitel 4 sind
Abb. 11: Lasten des Halbsinusmodells
hinsichtlich der vom Menschen tolerierbaren Be-
schleunigungen zu bewerten. Die zulässigen Be-
8,0 schleunigungswerte für Personen auf schwingenden
Ergebnisse Halbsinusmodell ohne TMD
7,0 Untergrund beim Gehen oder Stehen sind in Deutsch-
ax
6,0 ay land nicht normativ geregelt. In der Literatur findet
az
man oft weit von einander abweichende Angaben.
aZ, aX, aY [m/s²]
5,0
Einige Anhaltswerte werden hier zusammengefasst
4,0
(Komfortgrenze | evtl. störend | kritisch):
3,0
Vertikalbeschleunigung : 0,5 | 1,0 | 3,5 m/s²
2,0
Horizontalbeschleunigung : 0,1 | 0,5 | 2,0 m/s²
1,0
0,0
Der Stufenabstand von etwa 0,42 m bedingt natür-
0,80 1,00 1,20 1,40 1,60 1,80
fp [Hz]
2,00 2,20 2,40 liche Schrittfrequenzen zwischen 0,8 und 1,6 Hz
(Schneider 1991) , was bei der angestrebten Nutzung
Abb. 12: Beschleunigungen Halbsinusmodell ohne TMD. plausibel erscheint. Für Schrittfrequenzen kleiner
1,6 Hz entsprechen die einwirkenden Lasten eher
4.1.2 Gehen mit TMD dem Lastbild Gehen. Die Lasten des Halbsinusmo-
dells erwartet man ab einer Schrittfrequenz von 1,8 –
Die Ergebnisse der numerischen Simulation mit TMD
2,0 Hz, oder auch bei geringeren Frequenzen, falls
werden ebenfalls nach den Beschleunigungen aus-
der Fußgänger eine Schrittlänge von zwei oder mehr
gewertet, die zusätzlich für die maßgebenden Punkte
Stufen wählt.
des Tragwerks im Zeitbereich dargestellt werden. Man
32
Begehbare Doppelhelix – Eine unendlich lange Fußgängerbrücke
7,0 ax
Die Ergebnisse aus Kapitel 4.1.1 und 4.2.1 zeigen, ay
Oberschwingung,
Eigenform (f4 = 1,68 Hz) besteht die Gefahr der Syn- 3,0
Hüpfen
Gehen
Eigenform 7
chronisation mit der natürlichen Schrittfrequenz. In Hüpfen
2,0 Eigenform 5
diesem Fall sind Resonanzschwingungen zu erwar-
1,0
ten, die wegen der schlechten Dämpfungseigenschaf-
ten des Tragwerks erst nach sehr langer Zeit auf ein 0,0
0,80 1,00 1,20 1,40 1,60 1,80 2,00 2,20 2,40
erträgliches Maß abklingen. Gleiche Effekte können fp [Hz]
– Gehen
fp = 2.10 Hz
Die Bewertung der Schwingungen im Bereich der 2.00
2.00
Schrittfrequenzen bis maximal 1,8 Hz erfolgt nach
dem Lastmodell Gehen. Hierbei werden fast im
gesamten Schrittfrequenzbereich kurzzeitig maximale 1.00
Vertikalbeschleunigungen von aZ = 1,3 m/s² erreicht.
Das Beschleunigungsniveau liegt aber im Mittel weit 0.00 Zeit
unter 0,5 m/s². Abb. 9. [sec]
10.0 20.0 30.0 40.0 50.0
Horizontale Beschleunigungen von 0,5 m/s² kön- -1.00
nen bei einer Schrittfrequenz von 1,5 Hz kurzzeitig
überschritten werden. Ansonsten liegt das Beschleu-
-2.00
nigungsniveau deutlich unter 0,4 m/s². Abb. 8, 10. 2.00
Die Ergebnisse sind für einen Fußgänger mit Abb. 14: aZ (Knoten 46), Halbsinusmodell mit TMD.
Schrittfrequenzen unterhalb von 1,8 Hz befriedigend.
Die Schwingungen werden zwar für den Benutzer
spürbar sein, jedoch nicht sonderlich beunruhigend. Beschleunigung AY [m/sec2]
Wird die Treppe durch mehrere Benutzer gleich-
zeitig begangen, so ist zu erwarten, dass sich höchs-
tens drei Fußgänger ideal synchronisiert bewegen 1.00 fp = 2.10 Hz
0.75
werden. Schneider (1991). Dabei würden sich die
mittleren Beschleunigungsamplituden maximal ver-
0.50
dreifachen. Dadurch könnten die Schwingungen für
den Benutzer zwar unangenehm, aber nicht gefährlich
werden. Die Einzelpersonen können dem durch Ste- 0.00 Zeit
hen bleiben entgegenwirken. Die Schwingungen [sec]
verringern sich innerhalb weniger Sekunden wieder 10.0 20.0 30.0 40.0 50.0
auf ein erträgliches Maß. -0.50
Verweilen auf dem Kunstwerk Personen, die sich
passiv verhalten, so wirken diese dämpfend gegen die 0.75
angeregten Schwingungen und verhindern mit ihrer -1.00
Sperrwirkung eine weitere Anregung. Abb. 15: aY (Knoten 31), Halbsinusmodell mit TMD.
– Schnelles Gehen, Rennen, Hüpfen
Betrachtet man die Ergebnisse des Halbsinusmodells, Die Anregung der Eigenformen 5 und 6 ist un-
so ist ersichtlich, dass die Oberschwingungen durch wahrscheinlich. Eigenform 7 könnte durch Hüpfen an
den wesentlich größeren Stoßfaktor der geeigneter Stelle angeregt werden. Die dabei mögli-
2. Harmonischen der Vertikallast angeregt werden. chen Beschleunigungen bleiben aber im unkritischen
Bereich.
33
B. Schäpertöns und D. Schäfer
– Fazit
Durch die vorgesehenen TMD werden die zu erwar-
tenden Schwingbeschleunigungen bei planmäßiger
Nutzung auf ein befriedigendes Maß reduziert. Für
Einzelpersonen können gängige Komfortkriterien ein-
gehalten werden.
Wird das Kunstwerk durch gezielte Anregung wie
z.B. Hüpfen oder synchrones Gehen mehrerer Perso-
nen angeregt, können deutlich spürbare Schwingun-
gen auftreten. Die zugehörigen Beschleunigungen
34
Dynamische Verfahren zur Sicherheitsüberwachung
von Brückenbauwerken
Werner Rücker, Rolf Günter Rohrmann, Samir Said und Wolfgang Schmid
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Berlin
35
W. Rücker, R. G. Rohrmann, S. Said und W. Schmid
36
Dynamische Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Brückenbauwerken
37
W. Rücker, R. G. Rohrmann, S. Said und W. Schmid
38
Dynamische Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Brückenbauwerken
39
W. Rücker, R. G. Rohrmann, S. Said und W. Schmid
40
Dynamische Verfahren zur Sicherheitsüberwachung von Brückenbauwerken
4.3 Beanspruchungsüberwachung
Die Beanspruchungsüberwachung an der Put-
litzbrücke hat zum einem die Aufgabe, die maximalen
Spannungen unter Schwerlastverkehr in jenen Berei-
chen des Bauwerks zu messen, die durch eine vor-
hergehende detaillierte FE - Berechnung als kritisch
ermittelt wurden. Zum anderen wird überprüft, ob
mögliche Schäden in besonders kritischen Bereichen Abb. 12: Viadukt Zittau. Verlauf der gemessenen Dehnun-
der Brücke, speziell am Übergang orthotrope Platte – gen ε1 und der Temperatur (oben) sowie
Querträger, durch verstärkte Schadensakkumulatio- Korrelation ε1 und ε2 (unten).
nen aus der Kombination aus Schwerlastverkehr und
normalem LKW-Verkehr entstanden sind. Dazu wird Kontakt der Steine im Bogen sehr verschiedenen
für jede Messstelle die Rainflow–Matrix ermittelt und Pfaden folgt.
mit Hilfe der Palmgren–Miner-Regel ein Schadens- Trennt man die per Dauerüberwachung gemesse-
index errechnet. nen Dehnungen, die keine Anteile aus dynamischer
Dehnungsmessungen an Natursteinbrücken zum Belastung enthalten, in jene, die aus Verkehrsbelas-
Zwecke der Beanspruchungsüberwachung oder auch tungen stammen, und solche, die von Temperaturän-
für Probebelastungen weisen ein großes Maß an derungen im Bauwerk hervorgerufen werden, ergeben
Unsicherheiten auf. Am Neiße-Viadukt in Zittau sich die für die Westendbrücke in Abb. 13 dargestell-
konnte festgestellt werden, dass die temperaturbe- ten Verhältnisse. Der Beobachtungszeitraum beträgt
dingten Beanspruchungen jene aus Verkehr um ein hier etwa ein halbes Jahr. Es ist deutlich zu erkennen,
Mehrfaches übersteigen. Darüber hinaus wurde er- dass die Schwankungsbreite der Belastungen aus
mittelt, dass die langzeitlichen Dehnungen zwar Temperatur betragsmäßig etwa zehnmal so groß ist
generell dem Temperaturverlauf folgen, jedoch Ab- wie jene aus der Verkehrsbelastung. Damit kann
weichungen davon aufweisen, die nicht durch den festgestellt werden, dass der Temperaturlastfall an
Einfluss des oben beschriebenen Verlaufs der Riss- der Westendbrücke der weitaus dominante ist. Trennt
weiten (Abb. 12) gesteuert werden. Darüber hinaus man nun wiederum die Temperaturdehnungen in
gibt es große Unsicherheiten in den Ergebnissen des einen Langzeitanteil (0) mit Periodendauern t > 24 h
gemessenen Kraftflusses im Bogen des Viaduktes. und einen solchen (d), der vom Tag-Nacht-Rhythmus
Abb. 12 (unten) zeigt die Korrelation der Ergebnisse der Temperaturraten bestimmt wird, ergeben sich die
zweier Dehnungsmessstellen ε1 und ε2, die im glei- Verhältnisse in Abb. 14.
chen Messquerschnitt mit gleicher Messrichtung, nur Man sieht, dass beide Anteile ε(T(0)) und ε (T(d))
ca. 1 m voneinander entfernt angeordnet sind. Man in ihrer Schwankungsbreite etwa gleich groß sind
erkennt, dass die Ergebnisse völlig unkorreliert sind. (≈ 50 µm/m). Die zugehörigen Anteile der Temperatu-
Dies bedeutet, dass der Kraftfluss im gleichen Mess- ren (langzeitig mit t > 24 h und Tag-Nacht-Rhythmus)
querschnitt durch den offensichtlich unterschiedlichen T(0) und T(d), dargestellt durch ihre jeweiligen Bau-
werksmitteltemperaturen, zeigen ein völlig anderes
41
W. Rücker, R. G. Rohrmann, S. Said und W. Schmid
LITERATUR
Andersen, M. E. et al. (2000), Optimized Bridge Man-
agement with Permanent Monitoring Systems, Proceedings
Bridge Management 4, Guilford, UK.
Cantieni, R. (1991), Beitrag zur Dynamik von Stra-
ßenfahrzeugen unter der Überfahrt schwerer Fahrzeuge.
Dissertation ETH Zürich.
Krieger, J., Kaschner, R. & Haardt, P. (2000), Die ob-
jektbezogene Untersuchung und Bewertung von Brücken im
Rahmen des Bauwerks-Management-Systems,. Bautechnik
77, Heft 7.
Rohrmann, R. G., Said, S., Schmid, W. & Rücker, W. F.
(1996-1998), Ergebnisse der automatischen Dauer-
Abb. 14: Westendbrücke. Langzeitanteil (0) und Tag- überwachung an der Westendbrücke in Berlin,
Nacht-Anteil (d) gemessener Dehnungen ε Forschungsberichte A, B und C, BAM Berlin.
(oben) und Temperaturen T (unten). Rohrmann, R. G., Baeßler, M., Said, S., Schmid, W. &
Rücker, W. F. (2000), Structural Causes of Temperature
Verhalten (Abb. 14). Während die Schwankungen der Affected, Modal Data of Civil Structures obtained by long
Tag-Nacht-Temperaturen etwa 5 K betragen, haben Time Monitoring,. Proceedings 18th IMAC, San Antonio.
die sich langzeitig ändernden Temperaturen eine Rohrmann, R. G., Said, S. & Schmid, W. (2001), Dauer-
Schwankungsbreite von etwa 20 K, also das überwachung des Neiße-Viaduktes bei Zittau/Sachsen der
Deutschen Bundesbahn, Forschungsbericht Teil A, BAM
Vierfache. Die Ergebnisse dieser Messungen liefern
Berlin.
für die Westendbrücke eine Grundlage, um die real
Steffens, K. et al. (1996), Experimentelle Tragsicher-
vorhandenen Temperaturbeanspruchungen mit den heitsbewertung von Massivbrücken, Bautechnik 76, Heft 1.
Annahmen nach DIN 1072 vergleichen zu können.
Zilch, K. & Penka, E. (2000), Long Term Measurements for
Fatigue Loading of Prestressed Concrete Bridges,
5 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Proceedings Bridge Management 4, Guilford, UK.
Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass Merkblatt über automatisierte Dauerüberwachung im
mit den bewährten Verfahren der Bauwerksprüfung Ingenieurbau. DGZfP-Merkblatt B9, Ausgabe Oktober 2000.
42
Schadensdiagnose mit modalen Parametern:
Erfahrungen an einer Spannbetonbrücke
43
O. Huth und G. Feltrin
V5
V7 V8 V9 V11
V3 T1 V12 L1
V2 V10
V1 V4 V6 T2 T3
TS2
P1 TS1
C1
C2
A1
C3
C4 C5
A2
Abb. 1: Übersicht der Zwillingsbrücken (Romeo und Lora) nem Betonfundament und am Nordende auf vier Be-
des Obkirchen Viaduktes. Aufriss der Romeo Brü- tonstützen mit Betongelenken gelagert.
cke.
3.2 Langzeitüberwachung
größeren Brücken untersucht. Innerhalb des For-
Vom Mai bis Dezember 2000 wurde ein Langzeit-
schungsprojektes EXTRA II (Steffens et al. (1997))
überwachungssystem mit dem Ziel, den Einfluss von
wurden an mehreren fortschreitend geschädigten
Umweltparametern auf die Schwingungseigenschaf-
Brückenträgern sehr geringe Veränderungen der Ei-
ten der Brücke zu studieren, installiert. Dieses Über-
genfrequenzen festgestellt. Verschiedene Methoden
wachungssystem bestand aus 16 Beschleunigungs-
zur Bestimmung von Schädigungen an der I40 Brücke
und 19 Thermosensoren, davon waren 12 Beschleu-
erprobten Farrar et al (1998). Trotz weiterer Verfeine-
nigungssensoren (V1...V12) in vertikaler, 3 (T1...T3) in
rung der Identifikationsmethoden konnten für moderat
transversaler und einer in longitudinaler Richtung
eingebrachte Schädigungen keine eindeutigen Ergeb-
positioniert (Abb. 2). 9 Thermosensoren waren an den
nisse erzielt werden. Anhand von Experimenten an
Querschnitten TS1 und TS2 installiert. Die Sensoren
der dreifeldrigen vorgespannten Z24 Brücke (Krämer
innerhalb des Querschnittes nahmen die Temperatur
et al. (1999)) konnten Maeck et al. (2003) mit Hilfe der
des Betons und die Lufttemperatur (A1) im und unter
Methode der direkten Bestimmung der Steifigkeit grö-
(A2) dem Querschnitt auf. Der Sensor P1 maß die
ßere eingebrachte Schädigungen erfolgreich lokalisie-
Temperatur im Strassenbelag und der Sensor S1 die
ren und quantifizieren. Die an der I40 und Z24 durch-
Temperatur an der Betonoberfläche im Querschnitt.
geführten Untersuchungen zeigten, dass Umweltpa-
Ein weiterer Sensor war am Pfeilerfundament instal-
rameter wie z.B. Temperatur modale Parameter stark
liert. Die Daten wurden stündlich über einen Zeitraum
beeinflussen können. Flesch et al. (1989) verwiesen
von 10 Minuten aufgenommen. Die Beschleunigungen
auf große Schwankungen der Tragwerkstemperaturen
wurden mit einer Abtastrate von 100 Hz und die Tem-
innerhalb eines Tages und deren massgeblichen Ein-
peraturen mit einer Messung pro Minute aufgezeich-
fluss auf modale Parameter. Peeters et al. (2001a)
net.
ermittelten Änderungen für die ersten 4 Eigenfrequen-
zen an der Z24 Brücke von 14-18%. Rohrmann et al. 3.3 Eingebrachte Schädigung
(2000) bestimmten an der Westend–Brücke in Berlin
Änderungen für die ersten 4 Eigenfrequenzen von 8- Die Brücke wurde nach der Langzeitüberwachung in
12% innerhalb eines Jahres. zwei verschiedenen Szenarios geschädigt. Zuvor
wurden die Betonpfeiler am Nordende der Brücke
3 TESTS durch hydraulische Pressen ersetzt. Um ein Versagen
des Querschnittes gegenüber Scherkräften auszu-
3.1 Romeo Brücke
schliessen, wurden zwei der acht Spannkabel in je-
Die Tests wurden an der Romeo Brücke des Obkir- dem Steg getrennt. Dies führte zu einer besseren
chen Autobahnviadukts (jetzt ersetzt) in der Nähe von Balance zwischen dem Biege- und Querkraftwider-
Luzern in der Schweiz durchgeführt. Das Viadukt be- stand der Brücke und unterstützte die Rissbildung im
stand aus einem leicht gekrümmten Brückenpaar Beton schon bei geringeren Laststufen.
(Romeo und Lora). Die Romeo Brücke bestand aus Im ersten Schadensszenario wurde der Überbau
einem vorgespannten Hohlkastenträger mit einer mitt- am nördlichen Auflager in zwei Stufen bis zu 60 cm
leren Spannweite von 37.0 m und zwei seitlichen Trä- abgesenkt. Dieses produzierte nur einige wenige klei-
gern mit je 29.0 m Spannweite (Abb. 1). Die Romeo ne Risse im Brückendeck in der Nähe des nördlichen
Brücke war 40 Jahre alt und befand sich in einem all- Pfeilers. Vor dem Start und nach jeder Stufe des
gemein guten Zustand. Sie war am Südende auf ei- Schadenszenarios wurde ein Modaltest durchgeführt.
44
Schadensdiagnose mit modalen Parametern
26
27
28
1 4/1/2001 1. Referenz
24 25
23
22
20
21
2 8/1/2001 Absenkung 46.3 cm
19
18
16
17
3 10/1/2001 Absenkung 59.2 cm
15
14
13
12
10
11 4 11/1/2001 2. Referenz
9
2.05 2.05 2.05 2.05
5 15/1/2001 3. Referenz
8
7
6
5
4
2
3
6 16/1/2001 Belastung Fmax = 2370 kN
1
Diese Tests enthielten 140 (28x5) Messpunkte auf 9 19/1/2001 Belastung Fmax = 4800 kN
dem Brückendeck und wurden durch 28 Konfiguratio-
nen realisiert. Für die Schätzung der modalen Para- Tabelle 1: Durchgeführte Modaltests während der Scha-
densszenarien
meter mit Hilfe der reinen Ausgangsgrößen- (engl.:
output-only) Identifikationsverfahren wurden drei Re-
realisiert und mit drei im Winkel von 120° versetzten
ferenzpunkte in die Messungen eingeführt. In jedem
Kraftmessdosen aufgezeichnet.
Messpunkt wurden die Beschleunigungen in allen drei
Verschiebungsrichtungen gemessen. Die Aufzei-
4 RESULTATE DER LANGZEITÜBERWACHUNG
chungslänge des Signals betrug 200 s mit einer Ab-
tastrate von 100 Hz. 4.1 Zeitliche Entwicklung der Eigenfrequenzen
Im zweiten Schadensszenario (Test 5
…9; Tabelle Bei den Messungen unter Betriebsbedingungen stellte
1) wurde die Brücke in der Mitte des nördlichen Trä- der Verkehr die im Sinne der Anregung der Brücke
gers durch zwei 3200 kN starke hydraulische Pressen relevante Größe dar. Die Schätzungen der Eigenfre-
belastet. Diese spannten zwei Bündel von Stahlstan- quenzen erfolgten mit den Polen eines AR-Modells,
gen vor, die an den unteren Enden in Fundamenten dessen Parameter durch die Lösung der Yule-Walker
verankert waren. Vier Belastungs- bzw. Entlastungs- Gleichung bestimmt wurden (Ljung (1999)). Aus die-
zyklen mit Spitzenkräften von 2370 kN, 3440 kN, 4090 sen wurden die Mittelwerte für die ersten drei Biege-
kN und 4800 kN wurden angewendet. Nach der letz- Eigenfrequenzen extrahiert (andere Frequenzen
ten Belastung wies der Überbau in der Mitte des Trä- konnten nicht durchgängig bestimmt werden).
gers eine Verschiebung von 20 mm auf. Die ersten Die Entwicklung der Eigenfrequenzen während
Risse traten bei einer Last von 1288 kN auf. Während 200 Tage (vom 12. Mai bis zum 27. November 2000)
des letzten Belastungsregimes wurden sehr viele ist in der Abb. 4 zu verfolgen. Im Vergleich zu der
Risse mit einer Länge von 60
…100 cm, die über die ersten Hälfte der Zeitserie (Mai bis August) weisen die
Hälfte der Länge des Überbaus verteilt waren, festge- ersten drei Eigenfrequenzen zu der zweiten Hälfte der
stellt. Diese Risse begannen an der unteren Platte Zeitserie (September bis November) einen signifikan-
des Hohlkastens und wiesen unter Volllast eine Riss- ten Anstieg auf. In den ersten 100 Tagen schwankten
breite von 1...3 mm auf. Aufgrund der Vorspannung die Eigenfrequenzen stark (z.B. Tage 55...70). Das
wurden diese bei Entlastung wieder geschlossen. Vor Leistungsspektrum der Zeitserien der Eigenfrequen-
dem Schadensszenario wurde ein Modaltest am un- zen zeigt Abb. 5. Zwei signifikante Spitzen mit einer
geschädigten Zustand des Systems durchgeführt. Periode von einem und einem halben Tag lassen
Während der Modaltests befand sich die Brücke im erkennen, dass die Eigenfrequenzen tägliche Variati-
unbelasteten Zustand, um zusätzliche Einflüsse aus onen aufweisen.
den Randbedingungen der Belastungseinrichtung zu
vermeiden. Die Schwingungen wurden während 240 s 4.2 Einflüsse der Temperatur auf die Eigenfre-
mit einer Abtastrate von 100 Hz aufgezeichnet. quenzen
Die Brücke wurde mit einem servohydraulischen
Ein Vergleich der beiden Zeitserien der Eigenfrequen-
Schwingungserreger mit einer maximalen Kraft von 20
zen (Abb. 4) und der Temperatur offenbart (Abb. 6)
kN angeregt. Die Erregung wurde als stationäres
eine ähnliche Beziehung. Der starke Temperaturrück-
Breitbandrauschen in einem Bereich von 2...20 Hz
45
O. Huth und G. Feltrin
3.4
3.2
3
2.8
1. Biege−Eigenschwingung
2.6
0 50 100 150 200
4.8
Frequenz [Hz]
4.6
4.4
4.2
2. Biege−Eigenschwingung
4
0 50 100 150 200
5.4
5.2 Abb. 6: Zeitlicher Verlauf der Temperatur im Brücken-
5 deck
4.8
3. Biege−Eigenschwingung
4.6
0 50 100 150 200
Zeit [d]
3 Frequenz
−3
-1
Normalisierte Temperatur
1. Biege−Eigenschwingung
10 −3 3
Normalisierte Frequenz
0 5 10 15 20
LSD Eigenfrequenz [Hz2/d]
1. Biege-Eigenschwingung
2. Biege-Eigenschwingung 3 −3
Temperatur C1
-2 3. Biege-Eigenschwingung
10
0 0
-3
10 −3
2. Biege−Eigenschwingung
3
0 5 10 15 20
3 Temperatur C3
−3
-4
10
0 0
-5
10 3. Biege−Eigenschwingung
0.1 0.5 1 5 10 −3 3
0 5 10 15 20
Periode [d] Zeit [d]
Abb. 5: Leistungsspektrum der Eigenfrequenzen Abb. 7: Vergleich der Kurzzeitänderungen der Tempera-
turen und der Eigenfrequenzen
gang am Tag 55 wird durch einen signifikanten An-
stieg der ersten drei Eigenfrequenzen widergespie- nem Bereich von 0.54...0.6. Dies weist auf eine eher
gelt, was einen direkten Zusammenhang zwischen moderate Korrelation hin. Offenbar besitzen auch
beiden Größen erkennen lässt. noch andere Parameter als die Temperatur einen
Die Korrelationskoeffizienten zwischen Eigenfre- nachhaltigen Einfluss auf die Eigenfrequenzen. Dies
quenzen und Temperatur weisen für den Belag (P1) steht in Übereinstimmung zu Rohrmann et al. (2000).
(0.868
…0.910) und für die obere Kastenplatte (C1) Die Eigenfrequenzen korrelieren wesentlich bes-
(0.794
…0.919) die höchsten und im Kontrast dazu der ser, wenn nur die Langzeitänderungen der Tempera-
Steg des Hohlkastens (C3) (0.739
…0.870) die ge- tur berücksichtigt werden. Nach einer Tiefpass-
ringsten Werte auf. Die höhere Korrelation von C1 Filterung der Zeitserien folgen die normalisierten Ei-
und P1 betont die täglichen Schwankungen der Tem- genfrequenzen eng der normalisierten Temperatur
peratur zum Verhalten der Eigenfrequenzen. Wie Abb. (C1). Damit kann die Beziehung zwischen Frequenz
7 (Eigenfrequenzen und Temperaturen auf ihren Mit- und Temperatur durch ein lineares Regressionsmodel
telwert über eine 200 Tage Periode normalisiert) zeigt, beschrieben werden. Ein Ansteigen von ungefähr
folgen die täglichen Änderungen der Eigenfrequenzen ∆f1 = 0.09 Hz für die erste, von ∆f 2 = 0.09 Hz für die
den Temperaturänderungen des Brückendeckes wäh- zweite und von ∆f 3 = 0.13 Hz für die dritte Eigenfre-
rend der Tage 10
…20. Hingegen verändern sich die quenz konnte bei einem Anstieg der Temperatur von
Eigenfrequenzen z.B. während den Tagen 5...10 sig- 10° C ermittelt werden. Ähnliche Werte konnten aus
nifikant, obwohl die Temperaturen nur geringfügige Messungen an der Westend-Brücke in Berlin Rohr-
Schwankungen besitzen. Nach einer Filterung der mann et al. (2000)) bestimmt werden.
Zeitserien liegen die Korrelationskoeffizienten in ei-
46
Schadensdiagnose mit modalen Parametern
4 −2 Test 5 6 7 8 9
Normalisierte Frequenz Normalisierte Temperatur
2 0 Risslänge [% der Trägerhöhe]
0 2
1. Biege−Eigenschwingung 15-25 40-60 50-90 60-100
Normalisierte Temperatur
−2 4
Normalisierte Frequenz
0.1
rer breitbandiger Erregung die reinen Ausgangsgrö-
0.05
ßen-Identifikationsverfahren besonders, da sie das
0
Wissen über die Eingangsgrößen nicht benötigen. In 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
47
O. Huth und G. Feltrin
Normalisierte Flaechen
50–90 0.992 0.997 0.986 1.1
2. Biege-Eigenform
0.9
Tabelle 3: Einfluss der Schädigung auf die MAC-Werte
der ersten drei Biegeschwingungen. 0.8
5 6 7 8 9
WERTE
1
Ein einfacher Index für die Charakterisierung von Ein- 0.9
flüssen der Schädigung auf die Eigenformen stellt der
0.8
engl.: Modal Assurance Criterion (MAC) Wert (Natke 5 6 7 8 9
Test
et al (1997)) dar, der das Mass der Korrelation zwi-
schen zwei Vektoren misst. Die Tabelle 3 listet die Abb. 10: Relative Änderungen des Eigenformflächenindex
MAC-Werte der ersten drei Biege-Eigenformen B1, B2
und B3 für die Tests 6 bis 9 im Bezug zum Test 5 auf. Bezogen auf diese Art der Normalisierung werden die
Die ersten beiden MAC-Werte weisen eine monoton Änderungen der normalisierten Fläche A i (φ ) kom-
sinkende Tendenz mit zunehmender Schädigung auf, pensiert durch Änderungen der Flächen in anderen
der MAC-Wert der dritten Eigenform zeigt einen star- Teilen der Struktur. Für die Analyse der Biege-
ken Abfall bis zum Test 7 und verbleibt relativ kon- Eigenformen der Romeo Brücke wurde eine solche
stant bis zum Test 9. Die relativen Änderungen der Partitionierung vorgenommen. Die Grenzen wurden
MAC-Werte fallen geringer aus als die Änderungen an den Enden der Träger definiert. So entstanden drei
der Eigenfrequenzen aus. Flächen A i (φ ) mit i = 1,2,3. Abb. 10 veranschaulicht
die Änderungen dieser Flächen in Abhängigkeit der
6.1 Einfluss der Schädigung auf die Änderungen eingebrachten Schädigung für die ersten drei Biege-
der Eigenformenflächen Eigenformen. Die Flächen A i (φ ) wurden auf den Test
Die Grundidee der Eigenformflächen beruht auf einer 5 normalisert. Die grauen Flächen verdeutlichen die
Unterteilung entlang der longitudinalen Achse der Schätzung des Fehlers (der Standardabweichung) der
Brücke in n Teile. In diesen Teilen werden die Ände- Flächen A i (φ ) . Die erste Biege-Eigenform zeigt signi-
ungen der Fächen, die von den Funktionen der Eigen- fikante, mit zunehmender Schädigung monoton an-
formen φ(x) eingeschlossen werden, ausgewertet. Die steigende Änderungen der Flächen A1 (φ ) und
Fläche, die von den Magnituden der Eigenform einge- A 3 (φ ) und die zweite Biege-Eigenform monoton an-
schlossen ist, berechnet sich zu steigende Änderungen der Flächen A 2 (φ ) und
A 3 (φ ) an. Eine solche systematische Tendenz wurde
L n zi n
bei der dritten Biege-Eigenform nicht festgestellt, eine
³ φ( x) dx = ¦ ³ φ( x) dx =¦ A (φ),
i =1 z i −1 i =1
i (1)
Folge ihrer besonderen Unstetigkeit im nördlichen
0
Trägerteil.
mit z i −1 und z i als der linken und rechten Grenze des
Teiles i. Für einen Vergleich der unterschiedlichen 6.2 Detektion und Lokalisierung von Schäden mit
Schädigungsstufen werden die Flächen Ai (φ ) norma- Hilfe der Änderung der Flexibilitätsmatrix
lisiert Die Flexibilitätsmatrix mit der Ordnung n wird durch
zi
n 1
n ³ φ( x)dx n
Fn = ¦
i =1
φ φT
2 i i
ωi
(3)
¦ ¦ A (φ) = 1.
z i −1
L
= i (2)
mit der Eigenkreisfrequenz ω i und den zugehörigen
³ φ( x)dx
i =1 i =1
48
Schadensdiagnose mit modalen Parametern
10
x 10
2 2
6 Test 5
1 1
5
4 0 0
50 80 80
pos
itio 40
60 pos 50 40
60
3 n [m 0 0
20
n [m ] itio
n [m 0 0
20
[m]
] ion
positio ] posit
1 1
Test 6
1.3 Test 7
0 0
Test 8
1.2 Test 9 80 po 80
pos 50 60 sitio50 60
itio 40 40
20 n[ 20
n [m 0 0 ion [m
] m 0 0 n [m]
1.1 ] posit
] positio
49
O. Huth und G. Feltrin
Unbestimmtheit des Systems treten diese Änderun- Ljung, L. (1999), System Identification: Theory for the User,
gen auch an den nichtgeschädigten Teilen der Brücke Prentice-hall information and system sciences series, Pren-
tice Hall PTR, Upper Saddle River, NJ, second edition
auf. Für eine Detektion der Schädigung mit Hilfe der
Peeters, B. & de Roeck, G. (2001a), One-year Monitoring of
Eigenformen erscheint der Eigenformflächenindex als
the Z24 Bridge: Environmental Effects versus Damage
besser geeignet als die weniger sensitiven MAC- Events. Earthquake Engineering and Structural Dynamics,
Werte. Relative Änderungen von >10% wurden nach 30(1), 149-171
dem letzten Belastungszyklus festgestellt. Damit lie- Peeters, B. & de Roeck, G. (2001b), Stochastic System
gen diese relativen Änderungen auch über denen der Identification for Operational Modal Analysis: A Review,
Änderungen der Eigenfrequenzen. Journal of Dynamic Systems, Measurements and Control,
Für eine Detektion und Lokalisierung von Schädi- 123(4), 659-667. Using Smart Source Parsing.
gungen erscheinen die Änderungen der Flexibilitäts- Kraemer, C., de Smet, C.A.M., de Roeck, G. (1999), Brite-
matrix als begrenzt geeignet, eine eindeutige Zuord- Euram Project SIMCES, Task A1 and A2: Long Term Moni-
toring and Bridge Tests. Report 168‘349/21, Swiss Federal
nung konnte erst ab dem Test 8, bei dem zahlreiche
Laboratories for Materials Testing and Research (EMPA),
Risse in den Überbau eingetragen worden waren, Duebendorf, Switzerland, Los Alamos, USA
erfolgen. Maeck, J. & de Roeck, G. (2003), Damage Assessment
Die Lokalisierung und Quantifizierung mit der sen- using Vibration Analysis on the Z24-Bridge, Mechanical
sitivitätsbasierten Modell-Abgleich Methode war mit Systems and Signal Processing, 17(1), 133-142
der Anzahl von 27 frei gewählten Parametern nicht Mayes, R. (1992), Error localization using mode shapes –
eindeutig. Der nördliche Träger wurde aber als ein an application to a two link robot arm, Proceedings of the
Kandidat einer möglichen Schädigung identifiziert. 10th International Modal Analysis Conference, San Diego,
California, 886-891
Diese Mehrdeutigkeit liegt in der Schlechtgestelltheit
des inversen Problems begründet. Die Schlechtge- Natke, H. G., Cempel, C. (1997) Model-Aided Diagnosis of
Mechanical Systems. Springer Verlag, Berlin Heidelberg
stelltheit bedingt auch die relativ hohen Unterschiede
Pandey, A., Biswas, M., Samman, M (1991), Damage De-
in der Biegesteifigkeit.
tection from Changes in Curvature Mode Shapes, Journal of
Die Resultate dieser Studie zeigen, dass es nicht Sound and Vibration, 145(2), 321-332
möglich war, Schäden in einem frühen Stadium zuver-
Pandey, A. & Biswas, M., (1994) Damage Detection in
lässig zu detektieren, lokalisieren und zu quantifizie- Structures using Changes in Flexibility, Journal of Sound
ren. Hauptgründe dafür sind einerseits in der starken and Vibration, 169(1), 3-17
Beeinflussung der Umweltparameter auf die modalen Rohrmann, R. G. (1985), Theoretische Ermittlung von Bau-
Parameter zu sehen. Andererseits ist der Effekt zu werksschäden mit Hilfe dynamischer Methoden, Procee-
berücksichtigen, dass nach der eingebrachten Schä- dings Symposium Nondestructive Testing in Civil Enginee-
digung die Risse wieder durch den Spannbeton über- ring, ZFB-Bau, Berlin 1985
drückt und damit der Steifigkeitsverlust teilweise kom- Rohrmann, R. G. (2000), Baessler, M., Said, S., Ruecker,
W.F., Structural Causes of Temperature affected Data of
pensiert wurde.
Civil Structures obtained by Long Term Monitoring, Procee-
dings of the 18th International Modal Analysis Conference,
LITERATUR San Antonio, Texas, 1-7
DDS, (2002), FEMTools, Leuven, Belgium, 2.2 edition Salawu, O.S. (1997), Detection of Structural Damage
Flesch, R. & Kernbichler, K., (1989) Dynamische Untersu- through Changes in Frequency: a review. Engineering
chung des TÜ Lavant / Entwicklung eines dynamischen Structures, 19(9), 718-723
Brückeninspektionsverfahrens, Bundesministerium für wirt- Steffens, K., Bucher, C., Opitz, H., Quade, J., Schwesinger,
schaftliche Angelegenheiten, Abt. Straßenforschung P., (1997), EXTRA II-Zwischenbericht, Hochschule Bremen
Farrar, C. R. & Jauregul, D. A. (1998), Comparative Study of SVS, (2002), Artemis, Aalborg, Denmark, 2.05 edition
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Huth, O. (2002), Ein adaptiertes Polyreferenz-Verfahren und
seine Anwendung in der Systemidentifikation, Institut für
Strukturmechanik, Bauhaus-Universität Weimar
Lenzen, A. (1994), Untersuchung von dynamischen Syste-
men mit der Singulärwertzerlegung – Erfassung von Struk-
turveränderungen, Institut für Mechanik, Ruhr-Universität
Bochum
50
Zustandsuntersuchungen
dynamisch stark beanspruchter Brücken
51
P. Trombik, P. Fleischer und A. Maurer
2.1.2 Beurteilungskriterien
Die dynamische Beurteilung sollte in erster Linie ei-
nerseits über die Brückeneigenfrequenzen (Fre-
quenzabstimmung) und andererseits über bei simu-
liertem Publikumsverkehr gemessenen Betriebs-
Beschleunigungen erfolgen.
Frequenzabstimmung
Die Frequenzabstimmung ist eine grobe und pauscha-
le, aber bewährte Methode zur Schwingungsbegren-
zung. Dies berücksichtigt ebenfalls die Schweizer Abb. 2: Messanordnung in Abhängigkeit der ersten Eigen-
Norm SIA 160, Ausgabe 1989. frequenzen.
Art. 3 34 8 Bei Bauwerken für Fussgänger und
Radfahrer sind Eigenfrequenzen zwischen 1,6 und
2,4 Hz sowie zwischen 3,5 und 4,5 Hz zu vermeiden. 2.2 Planung und Durchführung
Läufer können auch bei Bauwerken mit Eigenfrequen-
2.2.1 Messkonzept
zen zwischen 2,4 und 3,5 Hz Schwingungen anregen.
Dies betrifft die vertikalen Schwingungen. Horizon- Alle möglichen Eigenfrequenzen inklusive deren hö-
tal sind Eigenfrequenzen zwischen 0.7 und 1.3 Hz zu here Eigenformen sollten überprüft werden. Dies be-
vermeiden. Um sicher zu gehen, wird sogar vorge- trifft insbesondere die Festkörperschwingungen, die
schlagen, dass die erste horizontale Eigenfrequenz vertikalen sowie horizontalen Biegeschwingungen und
nicht kleiner als 3.4 Hz sein soll. Aktuelle Beispiele auch die Torsionsschwingungen. Aus diesem Grund
der Nichtbeachtung dieser Entwurfsregel sind die wurden jeweils an vier Messpunkten gleichzeitig
Millennium Bridge, London, sowie die Solférino gemessen. Dies ermöglichte bei der Auswertung die
Footbridge, Paris. Beide Brücken mussten kurz nach Unterscheidung der gemessenen grundlegenden Ei-
der Eröffnung infolge starker horizontaler Schwingung genformen, und auch höhere Eigenformen bei einem
wieder geschlossen und nachträglich ertüchtigt wer- überlagernden Mitschwingen.
den. Die Erschütterungsmessungen erfolgten an jedem
Dies wird auch von der neuen Norm SIA 260, Aus- Messort dreikanalig: vertikale Richtung (z) und zwei
gabe 2003, Tabelle 10 (Richtwerte für Eigenfrequen- zueinander rechtwinklige, horizontale Richtungen (x:
zen von Fuss- und Radwegbrücken) berücksichtigt. entlang der Brückenlängsachse und y: quer zur Brü-
Horizontale Schwingungen dürfen in Querrichtung ckenlängsachse).
1,3 Hz und in Längsrichtung 2,5 Hz nicht unterschrei-
ten. Vertikal muss der Bereich zwischen 1,6 und 2.2.2 Brückenanregung
4,5 Hz vermieden werden.
Für die Bestimmung der Eigenfrequenzen und der
Dämpfung erfolgte die Anregung der Brücke jeweils
Betriebsbeschleunigung
durch den Sprung einer Person in die entsprechende
Die Brücke wurde einem 1:1 Test ausgesetzt, dass
Richtung.
heisst verschiedene Nutzungszustände der Brücke
Die verschiedenen Betriebszustände wurden durch
durch einzelne Personen und vor allem durch Perso-
vorübergehende Einzelpersonen und Perso-
nengruppen erzeugt. Eine Extrapolation auf eine volle
nen(gruppen) simuliert. Dabei handelte es sich um die
Belastung der Brücke wurde nicht durchgeführt. Hier
typischen, dynamischen Erregungsarten bei einer
hätten vertiefte Überlegungen zum Beispiel in Bezug
Fussgängerbrücke (normales und zügiges Gehen,
auf die Bewegungsfreiheit der Personen in Abhängig-
Laufschritt, Hüpfen am Ort, mutwilliges Aufschaukeln).
keit der Gangart angestellt werden müssen.
52
Zustandsuntersuchungen dynamisch stark beanspruchter Brücken
Abb. 3: Gruppenanregung: Gehen, gemeinsames Über- Abb. 4: Gruppenanregung: Gehen, regelloses Überqueren
queren der Brücke der Brücke in beiden Richtungen
Die Anregung durch eine Person beschränkte sich auf Aktivität Aktivitätsfrequenz
folgende Zustände: Gehen 1,6 – 2,4 Hz
Laufen 2,0 – 3,5 Hz
– Gehen, überqueren der Brücke entlang der Mit-
Springen 1,8 – 3,4 Hz
telachse und am Brückenrand
– Joggen, überqueren der Brücke entlang der Mit-
Horizontal kann die Anregungsfrequenz noch tiefer
telachse und am Brückenrand liegen: Eigenfrequenzen mit der halben Schrittfre-
– Hüpfen, absichtliches Anregen der Brücke in der quenz, also unter 1,0 Hz, können durch schlangenar-
Brückenmitte und am Brückenrand tiges Gehen angeregt werden. Dies wurde unter an-
derem auch aufgrund der Schwingungsprobleme
Die Anregung durch mehrere Fussgänger (20 Perso-
„Millenium Bridge, London“ genauer untersucht.
nen) lässt sich wie folgt unterteilen:
2.3 Messresultate
N° Beschrieb der Anregung
2.3.1 Eigenfrequenzen
1 Gehen, regelloses Überqueren der Brücke in
beiden Richtungen Das Bestimmen der Eigenfrequenzen erfolgte über
das Auswerten des Ausschwingens der Brücke nach
2 Gehen, gemeinsames Überqueren der Brücke
dem Anregen durch den Sprung einer Person. Wie
3 Joggen, gemeinsames Überqueren der Brücke
erwartet traten die maximalen Schwinggeschwindig-
4 Hüpfen, Absichtliches Anregen der Brücke in der
keiten bei allen Versuchen in vertikaler Richtung in
Brückenmitte
der Brückenmitte / Feldmitte auf.
5 Joggen, gemeinsames Überqueren der Brücke
im Gleichschritt 1. Vertikale Biegeschwingung: 3.2 Hz
Als Normalzustand der Brückenbelastung dürfen die Diese erste vertikale Grundschwingung dominiert die
Messungen „Regelloses Überqueren der Brücke in Messresultate derart stark, dass durch reines Betrach-
beiden Richtungen“ betrachtet werden. Dabei handel- ten der verschiedenen Amplitudenspektren nur be-
te es sich grösstenteils um Breitbandanregungen schränkt Rückschlüsse auf die weiteren und höheren
(Fußgängergruppe mit phasenverschobenen und/oder Eigenformen abgeleitet werden konnten.
unterschiedlichen Schrittgeschwindigkeiten). Bei eini- Die ausgeprägte vertikale Grundeigenfrequenz der
gen Messungen handelte es sich um Schmalbandan- unbelasteten Brücke mit einem Wert von 3.2 Hz liegt
regungen: die Brücke wurde mit einer durch die zwischen den gemäss Schweizer Norm definierten
Schrittart oder durch das bewusste Anregen der Ei- Bereich und genügte somit den an die Brücke gestell-
genschwingung der Brücke vorgegebenen Frequenz ten Anforderungen.
belastet. Die Hauptfrequenzen der vertikalen Anre-
gungsspektren entsprechen den nachfolgenden Wer-
ten:
53
P. Trombik, P. Fleischer und A. Maurer
24.9
Schwinggeschwindigkeit stieg das Dämpfungsmass
16.6 der verbolzten Stahlfachwerkträgerkonstruktion an;
8.3
ein noch grösseres Aufschaukeln als bei der durchge-
mm/s
0.0
-8.3
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28.
führten Messkampagne einzig durch Personengrup-
-16.6 pen erschien nur noch begrenzt möglich.
-24.9
In erster Linie dank der guten Dämpfung (verbolz-
-33.2
Time (s) ten Stahlfachwerkkonstruktion) konnte die Brücke
ohne zusätzliche Massnahmen der Öffentlichkeit
Abb. 6: Typischer Schwingungsverlauf: Messungen N° 2,
übergeben werden.
Gehen, gemeinsames Überqueren
54
Zustandsuntersuchungen dynamisch stark beanspruchter Brücken
55
P. Trombik, P. Fleischer und A. Maurer
entsprechend den zu erwartenden Eigenschwingun- konnten. Die grössten Schwingungen wurden in verti-
gen entworfen – die verschiedenen Eigenwerte sollten kaler Richtung (z) gemessen.
erfasst werden können. Die Messung der Erschütte- Für die Schwingungserregung wurden keine spe-
rungssituation erfolgte durch das Registrieren der ziellen Geräte verwendet. Wie bereits erwähnt, wurde
räumlichen Schwinggeschwindigkeiten (mm/s). Weite- bei der Begehung festgestellt, dass beim Überfahren
re Parameter konnten durch Bearbeiten der Schwin- der offenen Fahrbahnübergänge die Brücke beträcht-
gungsverläufe mit entsprechender Software berechnet lich angeregt wird. Wäre die Anregung ungenügend
werden. Die Messungen wurden an total 8 Messpunk- gewesen, so hätte die Brücke durch das Überfahren
ten durchgeführt: eines Brettes zusätzlich angeregt werden können.
– Stützenfundament
3.3.2 Technische Angaben
– Stütze
– Fahrbahn Aussen Feld 1 (Randfeld) Die Messungen und Resultatauswertungen fanden mit
– Fahrbahn Aussen Feld 2 (Gerbergelenkfeld) Hilfe von hochwertigen Messgeräten und unter Be-
– Fahrbahn Aussen Feld 3 (Brückenmitte) achtung der gängigen Verfahren statt. Die Erschütte-
– Fahrbahn Mitte Feld 1 rungsmessungen erfolgten je Messort dreikanalig. In
– Fuge links Feld 2 vertikaler Richtung (z) und in zwei zueinander recht-
– Fuge rechts Feld 2 winkligen, horizontalen Richtungen (x und y). Die x-
Richtung wurde in Fahrbahnquerrichtung und die y-
Die Messpunkte im Feld 2 waren zugleich die Stellen,
Richtung in Fahrbahnlängsachse gewählt.
an denen die stärksten Erschütterungen auftraten und
deutliche Schwingungsverläufe registriert werden 3.4 Analyse der Messsignale
Schwinggeschwindigkeiten wurden vertikal bis maxi-
mal 30 mm/s registriert. Doch auch horizontal traten
starke Schwingungen auf: Gemessen wurden in Brü-
ckenlängsrichtung bis 3 mm/s und in Brückenquerrich-
tung bis 6 mm/s. Die grössten Schwinggeschwindig-
keiten wurden in der Brückenmitte bei dem Fugen-
übergang im Feld 2 gemessen.
N° Frequenz N° Frequenz
1 3.25 3 6.25
2 5.08 4 7.42
Tab. 2: Gemessene erste Eigenfrequenzen.
0.30
Abb. 8: Messpunkte Brückenmitte
0.20
0.10
mm/s
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
3.5 Dämpfungen
Zur Bestimmung der Dämpfungen wurden Teile aus
den gemessenen Daten ausgesucht, die einem
Ausschwingvorgang gleichen.
Der Dämpfungsgrad z der Auswertungen beträgt
1.1 % der kritischen Dämpfung. Es handelt sich somit
um eine schwach gedämpfte Brücke, d.h. die Schwin-
Abb. 9: Messpunkte Fuge (Gerbergelenk)
56
Zustandsuntersuchungen dynamisch stark beanspruchter Brücken
18
16
D = 1.1 % gerechnet werden kann, was in unserem Falle nicht
F = 3.2 Hz
14
12 zutrifft.
10
8
6
Zeitverlaufsberechnungen der Spannungen könn-
4
2
mm/s
ten hier detaillierten Aufschluss über die vorhandene
-2
-4
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Situation geben. Dabei müssten die Stosskräfte der
-6
-8
-10 einzelnen Fahrzeuge simuliert werden, und über die
-12
-14
-16
anschliessende Berechnung der Querschnittsspan-
nungen in Abhängigkeit der Anzahl Lastwechsel könn-
-18
gungen bleiben relativ lange spürbar und klingen nur 3.7 Vorgeschlagenes Sanierungskonzept
langsam ab, wie aus der untenstehenden Grafik er-
sichtlich ist. Aufgrund der Messungen wurden die Rechenmodelle
bzw. das dynamische Verhalten der „Cavalcavia Pob-
3.6 Beurteilung der Messresultate bia“ kalibriert und überprüft. Bei der Überprüfung wur-
den in erster Linie die dynamischen Schwachpunkte
3.6.1 Beurteilung der Schwingungen auf Menschen
der Brücke eruiert. Basierend darauf wurden ver-
Um die Auswirkungen der Schwingungen auf Men- schiedene Sanierungsmassnahmen ausgearbeitet
schen zu beurteilen, wurde hier die Bewertung nach und anhand des Modells auf ihre Wirksamkeit hin
DIN 4150, Teil 2 (1975) angewandt. Es werden dabei überprüft. Das vorgeschlagene und nachfolgend be-
Erschütterungen im Frequenzbereich von 1 bis 80 Hz schriebene Sanierungskonzept zielt in erster Linie
beurteilt, die mit Hilfe der gemessenen Schwingungs- darauf hin, die Schwingungsproblematik durch
grössen und der folgenden Formel in sogenannte KB- konstruktive Massnahmen zu entschärfen und
Werte umgerechnet werden können: dadurch die Lebensdauer der Brücke zu verlängern.
2
0.8 ⋅ f 3.7.1 Fugenschliessen
KB = d ⋅
2
1 + 0.032 ⋅ f Aufgrund der schlechten Fugenausbildung (Fugen-
wobei d = Schwingweg [mm] und f = Frequenz [Hz] breiten bis 9 cm), respektive der stark beschädigten
Fahrbahnübergänge in den Gelenken des Gerbersys-
tems, wird die Brücke bei passierenden Fahrzeugen
Feld KBmax Beurteilung
durch impulsartige Schläge stark angeregt und
1 2.93 deutlich wahrnehmbar
schwingt dann aus. Diese Hauptanregungsquelle der
2 5.29 stark fühlbar
Brückenschwingungen wird bei der Fugenschliessung
3 1.76 deutlich wahrnehmbar
eliminiert – es ist mit keinen stossartiger Anregung der
Tab. 3: Beurteilung der maximale KB-Werte (vertikal). Brücke mehr zu rechnen.
57
P. Trombik, P. Fleischer und A. Maurer
LITERATUR
Norm SIA 160 (1989), Einwirkungen auf Tragwerke,
Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein, Zürich.
Norm SIA 260 (2003), Grundlagen der Projektierung von
Tragwerken, Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-
Verein, Zürich.
Norm SIA 261 (2003), Einwirkungen auf Tragwerke,
Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein, Zürich.
Norm DIN 4150-2 (1975), Erschütterungen im Bauwesen,
Teil 2: Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden. DIN Deut-
sches Institut für Normung, Berlin.
Bachmann, H. & Ammann, W. (1987), Schwingungsproble-
me bei Bauwerken. Internationale Vereinigung für Brücken-
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Bachmann, H. et al. (1995), Vibration Problems in Struc-
tures: Practical Guidelines, Birkhäuser Verlag, Basel.
Bachmann, H. (1995), Erdbebensicherung von Bauwerken.
Birkhäuser Verlag, Basel.
Cantieni, R. (1992), Beitrag zur Dynamik von Strassenbrü-
cken unter der Überfahrt schwerer Fahrzeuge, Bericht Nr.
220, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsan-
stalt (EMPA), Dübendorf.
Meskouris, K. (1999), Baudynamik: Modelle, Methoden,
Praxisbeispiele. Ernst und Sohn Verlag, Berlin.
58
Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen
San Francisco-Oakland Bay Bridge
W2
E2 E9 E15
Hauptpylon
Gesamtlänge: 3.9 km
Dilatationsfuge ”A”
Dilatationsfuge ”B”
Dilatationsfuge ”K”
Dilatationsfuge ”C”
Dilatationsfuge ”D”
Bestehende Brücke
Neue Brücke
Dilatationsfuge ”E”
Abb. 2: Schematische Darstellung der neuen Ost-Spannweite der “San Francisco-Oakland Bay Bridge”
von 0.78 m und wird in einem Stück gebaut. Es wird Um dieses Ziel zu erreichen, wurden zwei Bemes-
am Pfeiler E2 verankert, über den Hauptpylon geführt, sungsbeben definiert: (1) Ein Schadenkontrollbeben
um den Querträger von Pfeiler W2 gewickelt (Bild 4), (“Functional Evaluation Earthquake”, FEE) mit einer
nochmals über den Hauptpylon geführt und am Pfeiler Wiederkehrperiode von 450 Jahren und ein 1500-jäh-
E2 verankert. Beim Pfeiler E2 ist das Hauptkabel hori- riges Sicherheitsbeben (“Safety Evaluation Earth-
zontal und erzeugt deshalb nur eine Normalkraft im quake”, SEE). Für jedes Bemessungsbeben wurden
Brückenträger. Beim Pfeiler W2 hingegen ist das drei Sätze von Zeitverläufen aus der San Andreas-Ver-
Kabel geneigt und erzeugt zusätzlich eine vertikale werfung und drei aus der Hayward-Verwerfung defini-
Zugkraft, die vom Pfeiler W2 aufgenommen wird. ert. Die Bemessung eines Bauteils erfolgte basierend
Diese unausgeglichene Zugkraft wird durch die auf den grössten Bedarf der sechs Zeitverlaufsberech-
längere vordere Spannweite verursacht und wird durch nungen.
das Eigengewicht des Querträgers vom Pfeiler W2
Infolge FEE werden nur minimale Schäden akzepti-
und durch 28 Vorspannkabel à 61 Litzen aufgenom-
ert und während des SEE darf die Brücke nur reparier-
men. Die Vorspannkabel sind im Querträger und im
bare Schäden erfahren. Die genauen Anforderungen
Fundationsblock verankert.
Der Brückenträger besteht aus zwei parallelen
Schadenkontrollbeben Sicherheitsbeben
orthotropischen Stahlhohlkasten, die je fünf Fahr- (“Functional Evaluation (“Safety Evaluation
spuren tragen (Bild 16). Die zwei Kasten sind alle 30 m Earthquake”, FEE) Earthquake”, SEE)
durch steife Querträger verbunden, die die Lasten in 1) Unwesentliche inelastische Beschränkte plastische
Querrichtung tragen und eine Zusammenwirkung des Systemantwort Verformung der Stahlbau-
Kastens zur Aufnahme von Wind- und Erdbebenkräf- teile
ten gewährleisten. Die Hänger sind alle 10 m angeord- 2) Nur Haarrisse im Beton Beschränkte Schäden an
net und sind am äusseren Rand jedes Kastens den Pfeilern (Fliessen der
befestigt. Bewehrung und Abplatzen
Die neue Brücke wird neben die Bestehende der Betonüberdeckung)
gebaut (Bild 2), die nachher abgebaut wird. 3) Keine sichtbaren Bleibende Verformungen
bleibenden Verformungen kleiner als 300 mm und
kompatibel mit
2 BEMESSUNGSKONZEPT
Gebrauchstauglichkeit
4) Schäden an Dilatationsfu- Schäden an Dilatationsfu-
2.1 Bemessungsbeben
gen mit Stahlplatten tem- gen mit Stahlplatten tem-
Die “San Francisco-Oakland Bay Bridge” ist eine porär überbrückbar porär überbrückbar
sogenannte “Lifeline” und muss nach einem Erdbeben Tabelle 1: Anforderungen an das Brückenverhalten
seine fast volle Gebrauchstauglichkeit gewährleisten. während der Bemessungsbeben.
60
Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen San Francisco-Oakland Bay Bridge
Abb. 3: Zusammenstellung der Bauteile der “San Francisco-Oakland Bay Bridge”, die im Grossmassstab getestet wurden.
an das Brückenverhalten während beiden Bemes- wandgebäuden in Gebieten mässiger Seismizität vor-
sungsbeben sind in Tabelle 1 aufgelistet. geschlagen und Bachmann et al. (2002) hat bewiesen,
dass damit eine gute Beherrschung der Verformungen
2.2 Erdbebenbemessung und eine hohe Sicherheit gegen Einsturz erreicht wer-
den kann. Dabei entstehen praktisch keine zusätzli-
Hauptzielsetzungen der Erdbebenbemessung waren
chen Kosten gegenüber konventionell bemessenen
(1) die Definition einer klaren Reihenfolge von plastifi-
Tragwerken.
zierenden Bauteilen bei Überbeanspruchung und (2)
das Vermeiden von Schäden an schwererreichbaren
2.3 Versuchsprogramm
Bauteilen.
Um diese Ziele, trotz der höheren Seismizität der Der seismische Bedarf der einzelnen Bauteilen wurde
“Bay Area”, zu erreichen, wurde die Brücke anhand von nichtlinearen Zeitverlaufsberechnungen
kapazitätsbemessen. Die Entwicklung von plastifi- festgelegt und das Angebot wurde entweder mittels
zierenden Bereichen ist am Fuss und am Kopf jedes etablierten analytischen Verfahren oder durch detailli-
Pfeilers der Vorlandbrücke, sowie bei den Pfeilern W2 erte numerische Modelle der Bauteile geschätzt.
und E2 vorgesehen. Dies um die heiklen Pfahlfunda- Wegen der sehr strengen Anforderung an das
tionen und den Brückenträger vor allfälligen Über- Brückenverhalten und der aussergewöhnlichen Wich-
beanspruchungen zu schützen. Zusätzlich dazu ist die tigkeit des Bauwerks – das mit einem Budget von 3
Entwicklung von plastischen Schubgelenken in den Milliarden USD als das grösste Brückenprojekt Kali-
Schubverbindungen des Hauptpylons vorgesehen, um forniens zählt – wurde beschlossen, alle plastifi-
die vier vertikalen Stahlhohlkasten gegen Fliessen zu zierenden Bauteile der neuen Brücke, siehe Abschnitt
schützen (siehe Abschnitt 4.2). 2.2, im grossen Massstab experimentell zu testen.
Um die Anforderungen von Tabelle 1 zu erfüllen, Diese sogenannten Prüfversuche (“Proof Test”)
wurde eine beschränkte Bemessungsduktilität ang- wurden an der “University of California San Diego”
enommen. Die konstruktiven Details der plastifi- gemäss Tabelle 2 durchgeführt. Zusätzlich zu den
zierenden Bereiche wurden aber für volle Duktilität plastifizierenden Bauteilen wurden auch zwei vorfabri-
ausgelegt. Somit weist die Brücke ausgezeichnete zierte Brückenträger der Vorlandbrücke und zwei
Gebrauchstauglichkeitseigenschaften auf, besitzt aber Bereiche der orthotropischen Fahrbahnplatte der
auch wesentliche Tragreserven, die zusätzliche Ein- Hauptspannweite getestet. Im ersten Fall wurden ver-
sturzsicherheit gegen unvorhergesehene Belastun- schiedene Varianten für die Ausbildung der Fugen
gen gewährleistet. Eine ähnliche Strategie wurde bei zwischen den Segmenten untersucht, um die Aus-
Dazio (2000) zur Bemessung von Stahlbetontrag- führung zu optimieren (Megally et al. (2003)). Im
61
A. Dazio und F. Seible
7m
1:1 2 2 1
E Schubverbindung des Hauptpylons
1:2 2 (UNR)
44 m
F Pfeiler W2 der Hauptspannweite 1:4 1
Orthotropische Fahrbahnplatte
G 1:2.2 2 Nordpfeiler
der Hauptspannweite (Stahl)
10 m
Vorfabrizierte Brückenträger der Südpfeiler
I 1:5 2 Längsrichtung
Vorlandbrücke
Tabelle 2: Versuchsmatrix. Zwei Schubverbindungen wur- Abb. 4: Isometrische Darstellung des Pfeilers W2 (a) und
den an der “University of Nevada, Reno” (UNR) Querschnitt des Südpfeilers (b).
getestet.
sächlich anhand von nichtlinearen Zeitverlaufsberech-
zweiten Fall wurde die Fähigkeit der Fahrbahnplatte nungen durchgeführt. Im Fall vom Pfeiler W2 wurde
untersucht, grosse Stauchungen mitzumachen ohne ein Modell der gesamten Hauptspannweite mit dem
auszuknicken (Siehe Abschnitt 4.3). Alle getesteten Programm “Ruaumoko 3D” von Carr (2001) zusam-
Bauteile sind in Bild 3 dargestellt. mengestellt (siehe Bild 5).
Das Versuchsprogramm wurde vom Zweitautor
geleitet. Der Erstautor war an den Aufgaben A bis G 1.0
Verschiebung [m]
beteiligt, die in der Folge beschrieben werden. 0.5
0.0
100 a) Reaktionswand
Belastung
2 x 1 MN
50
Seitliche
Normalkraft [MN]
0
Führung
-50
-100
4 3
-150 Stutze 1
2 1 Stutze 2
14.0 m
-200
-1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0
Langsverschiebung [m]
80
70
Lage des Momentennullpunks [m]
Mitte des
60 Querträgers
Normalkraft
4 x 1 MN
50
Aufspannboden
40
30
b)
20
Abb. 8: Analytische (a, b) und numerische (b, c) Modelle zur Vorhersage des Versuchskörperverhaltens des Pfeilers W2.
3.4 Vorhersage des Versuchskörperverhaltens Schritt mit dem PMM berechnet wurde. Das monoto-
nische Kraft-Verformungs-Verhalten des Pfeilers wird
Das Verhalten von Pfeiler W2 ist durch die Rahmen-
inkrementell ausgerechnet.
wirkung zwischen den Stützen stark geprägt und um
sie auch im inelastischen Bereich richtig zu erfassen, (3) Das “Beam Element Model” (BEM) besteht aus
wurden vier unterschiedliche Modelle entwickelt. Diese gewöhnlichen 2-Knoten Faserelementen mit verein-
Modelle sind in Bild 8 dargestellt und werden in der fachten zyklischen konstitutiven Gesetzen für Bewe-
Folge kurz beschrieben. hrungsstahl und Beton (Dazio (2000)). Nebst der
(1) Das “Plastic Mechanism Model” (PMM) basiert Geometrie der Stützenquerschnitte können alle Einga-
auf der Plastizitätstheorie. Unter Anwendung einer beparameter aus im Voraus durchgeführten Material-
polinomialen Annährung des Momenten-Normalkraft- versuchen einfach bestimmt werden. Das BEM
Interaktionsdiagramms der Stützen, können alle berücksichtigt automatisch die Interaktion zwischen
Schnittkräfte in geschlossener Form ausgerechnet Biegung und Normalkraft. Hauptnachteil dieses Mod-
werden. Das monotonische Kraft-Verformungsverh- ells ist, seine Unfähigkeit die Ausbreitung der plas-
alten des Pfeilers kann dann durch Integration der tischen Deformationen entlang der Stützen (“spread of
Krümmungen in den plastischen Gelenken geschätzt plasticity”) korrekt zu erfassen.
werden. Dabei wird berücksichtigt, dass beide Stützen (4) Das “Solid Element Model” (SEM) ist im Pro-
einen unterschiedlichen Widerstand aufweisen. Es gram ABAQUS (Hibbit et al. (1997)) implementiert. Der
wird aber angenommen, dass beide Stützen das Beton wird mit 8-Knoten Kontinuumelementen modelli-
gleiche Verformungsverhalten aufweisen. ert und jeder einzelne Bewehrungsstab wird mit einem
(2) Im “Matrix Analysis Model” (MAM) wird die Stei- 1-dimensionalen “Subelement” modelliert. Es werden
figkeitsmatrix des Pfeilers algebraisch zusam- dabei die ANACAP-U konstitutive Materialgesetze ver-
mengestellt. Die erwarteten inelastischen wendet (Anatech (1997)). Hines et al. (2002) zeigt,
Verformungen werden in starr-plastische Gelenken am dass der SEM, im Gegenteil zum BEM, die Ausbrei-
Fuss und am Kopf jeder Stütze konzentriert. Die effek- tung der plastischen Deformationen recht gut abbilden
tive Biegesteifigkeit EIcr i der Elemente 1) und 3) wird kann, was wesentliche Vorteile bei der Identifizierung
als Verhältnis des ideellen Fliessmoments zur ideellen des Versagens des Versuchskörpers haben kann.
Fliesskrümmung berechnet und variiert somit im Laufe Resultate von Vorhersagen durchgeführt mit diesen
der Belastung (Dazio (2000)). Die effektive axiale Stei- Modellen werden im nächsten Abschnitt mit Versuch-
figkeit EA cr i der Elemente 1) und 3) spielt eine wes- sresultaten verglichen.
entliche Rolle beim Verformungsverhalten des Pfeilers
und wird hier als EA cr i = EIcr i e EI g i EA g i definiert, 3.5 Durchführung des Versuches und Analyse
wobei das Indizes g die Steifigkeit des ungerissenen der Resultate
Querschnitts kennzeichnet (Priestley et al. (1996)). Die
plastische Steifigkeit der Gelenke wird konstant ang- Der Versuch wurde quasi-statisch durchgeführt. Der
enommen und wird aus dem Momenten-Krümmungs- Sockel des Versuchskörpers war am Aufspannboden
Diagramm jeder Stütze berechnet; dabei wird die Nor- biegesteif befestigt und der Pfeiler wurde anhand der
malkraft der Stütze verwendet, die in einem ersten Prüfzylinder (Bild 7) in Brückenlängsrichtung hin- und
64
Grossversuche zur Validierung der Erdbebenbemessung der neuen San Francisco-Oakland Bay Bridge
5.9 m
Kolbenkraft [MN]
0.5
0.0 A
! " #$%& ' ( ( ' #$%& " ! A
5.5 m
L
Bleibende T
-0.5
28.1 m
,
Verformungen
-Fy
-1.0 Versuch
-Fy BEM
8.5 m
-1.5 Aussparung
-1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0
Zug Kopfverschiebung [m] Druck
c) Detail
6.5 m
1.5
b) FEE SEE
Kolbenkraft [MN]
1.0
Reaktionswand 7
Querbelastung
4 x 1 MN 6
a) b)
Längsbelastung 5 Test
2 x 2 MN SEM
Höhe [m]
4
#$%! Negative
3 Maxima
1.5 m Positive
2 Maxima
1
7.0 m 0
-50 0 50
-1
Krümmung [mm ]
Abb. 12: Pfeiler der Vorlandbrücke: Versuchseinrichtung (a)
1.4 m und Krümmugsverläufe entlang der Pfeilerhöhe (b).
3m
Schub-
verbindung
V
d) 10
AISC
V
5
Querkraft [MN]
+53 m Fahrbahn
0
Vy
-5
SEE
Vp
-10
-0.10 -0.05 0.00 0.05 0.10 Gelenk
Queransicht Längsansicht Mittlere Schubverzerrung [rad]
Abb. 14: Pylon der selbstverankerten Hängebrücke (a) und zugehöriger Querschnitt (b). Einrichtung zur experimentellen
Untersuchung der Schubverbindungen (c) und hysteretisches Verhalten der getesteten longitudinalen Schub-
verbindung (d).
a) Brückenträger
Typ 1
Typ 2
3 SEE
erlaubten die Untersuchung der Entfestigungsphase
des Versuchskörperverhaltens. Die Kraft-Verformu-
2
ngs-Beziehung vom Versuchskörper Typ 1 ist in Bild
18 dargestellt. Im Versuch wurde ein maximaler Wider-
Versuch
stand erreicht, der 90% der theoretischen Fliesskraft – 1 Ideales FEM
FEM mit Anfangsungenauigkeiten
berechnet mit gemessen Materialeigenschaften –
FEM mit Anfangsungenauigkeiten und Eigenspannungen
entsprach. Es war nicht möglich die theoretische 0
0 10 20 30 40
Fliesskraft zu erreichen. Dies wegen den Anfangsun- Mittlere axiale Verformung [mm]
genauigkeiten und den Eigenspannungen des Ver- Abb. 18: Vergleich zwischen gemessene und berechneten
suchskörpers sowie wegen dem markanten Kraft-Verformungs-Beziehungen der Fahrbahn-
Unterschied zwischen der Streckgrenze der Platte platte.
(372 MPa) und die der Rippen (427 MPa). Das erre-
gung, um die verfeinerte Bemessung des
ichen der Streckgrenze der Platte hatte als Konsequ-
Brückenträgers durchzuführen.
enz die Verschiebung das Widerstandszentrum des
Versuchkörpers und die dabei resultierende Exzentriz- Eine detaillierte Beschreibung dieser Versuche ist
ität löste das Ausknicken aus. in Chou et al. (2002) zu finden.
Dieses Projekt zeigt die erfolgreiche Anwendung in Hibbit, Karlson & Sorensen (1997), Abaqus - User’s Manual.
der Praxis von Bemessungswerkzeugen, die nor- Version 5.8. Hibbit, Karlson & Sorensen, Inc., Pawtucket,
Rhode Island.
malerweise erst in der akademische Forschung ver-
wendet werden. Hines E.M., Dazio A., Chou C.C. & Seible F. (2002), Structur-
al Testing of the San Francisco-Oakland Bay Bridge East
Span Skyway Piers. Research Report SSRP-2002/01. De-
6 VERDANKUNGEN partment of Structural Engineering. University of California
San Diego.
Die vorgestellen Forschungsarbeiten wurden durch die
“California Department of Transportation (Caltrans)” McDaniel C.C., Uang, C.M. & Seible F. (2001), Cyclic Testing
of Suspension Tower Shear Links of the San Francisco-Oak-
finanziert. land Bay Bridge. Research Report SSRP-2001/14. Depart-
Doktor Eric M. Hines – Projektleiter bei LeMessur- ment of Structural Engineering. University of California San
ier Consultants, Cambridge MA – war zuständig für die Diego.
Versuche an den Pfeilern der Vorlandbrücke. Profes- Megally S.H. & Seible F. (2003), Precast Segmental Bridges:
sor Cole C. McDaniel – Department of Structural Engi- Seismic Performance of Superstructure Segment-to-Seg-
neering, Washington State University, Pullman WA – ment Joints. Proceedings of the FIB 2003 Symposium Con-
war zuständig für die Versuche an den Schubverbind- crete Structures in Seismic Regions. Athens May 6-9.
ungen des Hauptpylons. Professor Chung-Che Chou – Priestley M.J.N., Seible F. & Calvi G.M. (1996), Seismic De-
sign and Retrofit of Bridges. John Wiley & Sons, New York.
Department of Structural Engineering, National Chiao
Tung University, Taiwan – war zuständig für die Druck- Seible F. (2000), Long Span Bridges in California - Seismic
Design and Retrofit Issues. Proceedings of the XII World
versuche an der orthotropischen Fahrbahnplatte der Conference in Earthquake Engineering. Auckland.
Hauptspannweite. Professor Chia-Ming Uang –
Tang M.-C., Manzanarez R., Nader M., Abbas S. & Baker G.
Department of Structural Engineering, University of (2000), Replacing the East Bay Bridge. Civil Engineering,
California, San Diego – hat alle Versuche an Stahlbau- September.
teilen betreut. T.Y. Lin International & Moffatt and Nichol (2002), The San
Francisco-Oakland Bay Bridge East Span Seismic Safety
LITERATUR Project. Main Span Structures: 100% PS&E Submittal.
70
Ein Schädigungsmodell für Brückenpfeiler aus Stahlbeton
71
A. Fäcke und L. Stempniewski
72
Ein Schädigungsmodell für Brückenpfeiler aus Stahlbeton
73
A. Fäcke und L. Stempniewski
Abb. 3: Verbundspannungs-Schlupf-Linie
74
Ein Schädigungsmodell für Brückenpfeiler aus Stahlbeton
75
A. Fäcke und L. Stempniewski
LITERATUR
last nicht erreicht, was die Tangente mit positiver Stei-
gung am oberen und unteren Umkehrpunkt der Bigaj, A. J. (1999), Structural Dependence of Rotation Ca-
pacity of Plastic Hinges in RC Beams and Slabs, Dissertati-
Hysterese beweist. In Abb. 7 ist der Zug-
on, TU Delft.
Schädigungsgrad D2 der Komponente Beton im Pfei-
CEB-FIP (1993), Model Code 1990, Thomas Telford House,
ler dargestellt. Je heller die Fasern, desto höher ist London
der Schädigungsgrad. Mit einer maximalen Schädi-
Chen, F. (2001), Numerische Simulation des nichtlinearen
gung von D2 =23% liegt die Zugfestigkeit nach Abb. Trag- und Schädigungsverhaltens von Stahlbeton-
1b nur noch unter 20% der Ursprünglichen. Die Stabtragwerken und zyklischer Belastung, Fortschritt-
Druckschädigung des Betons und des Verbundes sind Berichte VDI Reihe 4 Nr. 171.
vernachlässigbar und wurden deshalb nicht darge- DIN 4149-1 (2002), Bauten in deutschen Erdbebengebieten,
stellt. Die Zugschädigung ist an den Außenkanten im Deutsches Institut für Normung e. V., Entwurf 10/2002,
unteren Bereich des Schafts maximal und nimmt bis Berlin.
zur mittleren Höhe des Pfeilers stetig ab. Auch im Eligehausen, R., Popov, E. P., Bertero, V. V. (1983), Local
Bond Stress-Slip Relationships of Deformed Bars under
oberen Bereich des Pfeilers ist einseitig eine Schädi-
Generalized Excitations, Report No. UCB/EERC-83/23,
gung zu erkennen. Diese ist durch die starke Anre- University of California, Berkeley.
gung des zweiten Eigenmodes zur erklären, bei dem
Hillerborg, A., Modéer, M., Petersson, P.E. (1976), Analysis
die Eigenform in diesem Bereich eine starke Krüm- of Crack Formation and Crack Growth in Concrete by
mung aufweist. Die genaue Lage der Risse kann mit Means of Fracture Mechanics and Finite Elements, Cement
der gewählten Elementlänge von 30cm nicht ermittelt and Concrete Research, 6, 773-782.
werden. Außerdem ist es möglich, dass ein Element Lauritzen, L. u.a. (1972), Autobahnbrücke über die Mosel
von mehr als einem Riss durchquert wird, womit der bei Dieblich-Winningen - Dokumentation über die Planung
Ansatz der verschmierten Risse nicht mehr korrekt ist. und Ausführung, Kirschbaum Verlag, Bonn
Vergleichsberechnungen an kleineren Modellen zeig- Mander, J.B., Priestley, M.J.N., Park, R. (1988), Theoretical
stress-strain model for confined concrete, Journal of Struc-
ten bei einer Elementlänge von bis zu 5cm gute Über-
tural Engineering (ASCE), 111, 1804-1826.
einstimmung mit Versuchsergebnissen. Hierdurch
Roelfstra, P.E., Wittmann, F.H. (1986) Numerical Method to
konzentriert sich die Schädigung auf kleinere Berei-
Link Strail Softening with Failure of Concrete (163-175),
che wodurch auch dem Verbund eine größere Rolle Fracture Toughness and Fracture Energy of Concrete (ed.
zukommt und ein stabileres numerisches Verhalten Wittmann, F.H.), Elsevier, Amsterdam
u.a. aufgrund einer abgeflachten Steigung bei der Salse, E. A. B., Fintel, M. (1973), Strength, Stiffness and
Zugentfestigung bewirkt wird. ductility Properties of slender Shear Walls, Proceedings of
the 5th World Conference of Earthquake Engineering, Rom,
25-29 June 1973, 919-928.
Zhu, B., Wu, M., Zhang, K. (1980), A Study of Hysteretic
Curve of Reinforced Concrete Members under Cyclic Load,
Proceedings of the 7th WCEE, Istanbul, 509-516.
76
Beurteilung der Erdbebensicherheit von bestehenden Strassenbrücken
Thomas Wenk
Wenk Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik GmbH, Zürich
1 EINLEITUNG 2 NORMENENTWICKLUNG
Die meisten Brücken des schweizerischen National- Die Entwicklung der Erdbebenbestimmungen in den
strassennetzes sind vor dem Inkrafttreten moderner SIA-Normen lässt sich in vier Zeitabschnitte untertei-
Erdbebennormen erstellt worden. Sie sind entweder len:
überhaupt nicht oder aus heutiger Sicht nur unzurei- – vor 1970: noch keine Erdbebenbestimmungen
chend für Erdbebeneinwirkung bemessen worden. – 1970 – 1989: Norm SIA 160, Ausgabe 1970 mit
Abb. 1 zeigt die Altersstruktur der 3350 Brücken des Bauweisen- und frequenzunabhängiger horizonta-
Nationalstrassennetzes gegliedert nach Baujahr in ler Beschleunigung von 2% bzw. 5%
drei Zeitabschnitte entsprechend der Entwicklung der – 1989 – 2003: Norm SIA 160, Ausgabe 1989 mit
Erdbebennormen in der Schweiz. Nur rund 10% der Zonenkarte, Antwortspektren, bauweisenspezifi-
Brücken sind nach modernen Erdbebennormen seit scher Verformungsbeiwert, Absturzsicherung für
1990 gebaut worden. Brückenträger sowie Gebrauchstauglichkeitsnach-
Parallel zur Verschärfung der Erdbebennormen hat weis für Bauwerksklasse III
in den letzten Jahren die Akzeptanz von Unterbrüchen – seit 2003: Normen SIA 260 bis 267 mit
der Infrastrukturnetze immer mehr abgenommen. Dies modernen Erdbebenbestimmungen basierend auf
führte zu einem Nachholbedarf bezüglich Erdbebensi- dem Eurocode 8, Kapazitätsbemessung und neuer
cherung von bestehenden Brücken und anderen Zonenkarte.
Bauwerken. Es muss davon ausgegangen werden,
dass eine gewisse Anzahl der bestehenden Brücken Als repräsentative Kenngrösse für die geschichtliche
eine ungenügende Erdbebensicherheit aufweist. Um Entwicklung der anzusetzenden Erdbebenkräfte ist in
diese kritischen Bauwerke mit begrenztem Aufwand
aus der Gesamtheit der Brücken herausfiltern zu kön-
nen, wird ein einfaches Beurteilungsverfahren in 2
Stufen vorgestellt. Das Verfahren beruht primär auf
einer Analyse bekannter Schwachstellen von Brücken
und ist auf die in der Schweiz vorherrschende niedrige
bis mittlere Seismizität ausgerichtet.
vor 1970
1970 bis 1990
seit 1990
77
T. Wenk
78
Beurteilung der Erdbebensicherheit von bestehenden Strassenbrücken
79
T. Wenk
80
Beurteilung der Erdbebensicherheit von bestehenden Strassenbrücken
81
T. Wenk
Gegensatz zum BWG-Konzept eine bessere Abgren- me und die Überwachung der Bauten. Schweizerischer
zung zwischen genügender oder ungenügender Erd- Ingenieur- und Architekten-Verein, Zürich.
bebensicherheit insbesondere aufgrund des rechneri- SIA 160 (1989), Norm SIA 160: Einwirkungen auf Tragwer-
ke. Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein,
schen Einbezugs der Absturzsicherung.
Zürich.
Beim möglichen Schadensausmass spielen bei Brü-
SIA 261 (2003), Norm SIA 261: Einwirkungen auf Tragwer-
cken im Gegensatz zu Gebäuden die zeitliche Perso-
ke. Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein,
nenbelegung und der Ersatzwert eine untergeordnete Zürich.
Bedeutung. Wichtiger ist die Funktion der Brücke als Thibault C. (2001), Méthode d’évaluation préliminaire du
Verbindungsglied in einem Strassenzug. Eine Diffe- risque sismique sur les ouvrages d’art existants. Ministère
renzierung der Brücken bezüglich der möglichen Fol- de l’Equipment, des Transports et du Logement, Paris.
gen eines Einsturzes erfolgt deshalb einzig über die Wenk T. & Lestuzzi P. (2003), Erdbeben. Grundlagen der
Einstufung in eine Bauwerksklasse gemäss Norm SIA Projektierung von Tragwerken, Einwirkungen auf Tragwerk.
261. Dokumentation D 0181: Einführung in die Normen SIA 260
und 261. Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-
Verein, Zürich.
8 AUSBLICK
Die vorgestellte Beurteilungsmethodik für bestehende
Strassenbrücken soll vorerst im Rahmen von Probe-
anwendungen überprüft werden. In einem ersten
Schritt soll der Brückenbestand in einigen wenigen
Kantonen durch die 1. und 2. Stufe der Methodik be-
urteilt werden. Anschliessend wird aufgrund der ge-
sammelten Erfahrungen eine kritische Überprüfung
und allfällige Anpassung der Beurteilungskriterien
erfolgen, bevor die Brücken in den übrigen Kantonen
bearbeitet werden. In einem weiteren Schritt sind bei
den als ungenügend erdbebensicher eingestuften
Brücken Ertüchtigungsmassnahmen vorgesehen.
9 VERDANKUNG
Die Erarbeitung dieser Beurteilungsmethodik für Brü-
cken wurde durch das Bundesamt für Strassen (AST-
RA) gefördert. Die fachliche Unterstützung durch die
Herren M. Donzel und W. Schuler von der Sektion
Kunstbauten des ASTRA und die Finanzierung wird
herzlich verdankt.
LITERATUR
Basöz N.I., Kiremidjian A.S., King S.A. & Law K.H. (1999),
Statistical Analysis of Bridge Damage Data from the 1994
Northridge, CA, Earthquake. Earthquake Spectra, Vol. 15,
No. 1., Earthquake Engineering Research Institute (EERI).
Eurocode 8 (2003), Design provisions for earthquake re-
sistance of structures - Part 3 Strengthening and repair of
buildings. Europäische Norm prEN 1998-3, Draft No. 4,
Brüssel.
Pezeshk S., Chang T.S., Yiak K.C. & Kung H.T. (1993),
Seismic Vulnerability Evaluation of Bridges in Memphis and
Shelby County, Tennessee. Earthquake Spectra, Vol. 9, No.
4., Earthquake Engineering Research Institute (EERI).
Schneider J., Kölz E. & Bürge M. (2002), Beurteilung der
Erdbebensicherheit eidgenössicher Bauwerke. Bundesamt
für Wasser und Geologie (BWG), Biel.
SIA 160 (1970), Norm SIA 160: Einwirkungen auf Tragwer-
ke. Normen für die Belastungsannahmen, die Inbetriebnah-
82
Optimierung von Sicherheitsmaßnahmen gegen Erdbeben auf der Basis
moderner Risiko-Akzeptanz-Kriterien
83
D. Diamantidis, G. Faschingbauer und R. J. Scherer
1 − e −β ( M − M )
F (M ) =
L
Esteva & Villaverde Milne & Davenport (1969)
(1) (1973)
1 − e −β ( M − M )
U L
Davenport (1972) Katayama & Saeki (1978)
hierbei ist F(M) die Wahrscheinlichkeit, dass die Mau & Kao (1978) Donovan & Bornstein(1997)
Magnitude M nicht überschritten wird, ML ist die Ahorner & Rosenhauer Makropoulos (1978)
(1975)
kleinste Magnitude von ingenieurmäßigem Interesse Sabetta and Pugliese
(1987)
(i.a. ML=4.0), MU ist die größte für das jeweilige Gebiet
zu erwartende Magnitude, β ist eine ortsspezifische
Konstante. Abb. 1: Zusammenstellung von Abminderungsgesetzen für
Um die Bodenbewegung am Beobachtungsort zu Magnitude M=5.0
erhalten, ist eine Beziehung zwischen seismischen
Informationen (Magnitude) und Spitzenboden- In vielen Regionen sind jedoch Verwerfungen und
beschleunigung (PGA), in Abhängigkeit von der Hy- deren Aktivität nicht bekannt. In solchen Fällen kann
pozentral- oder Epizentraldistanz anzunehmen. Diese die Horizontaldistanz R vom Herd zum Beobachtung-
Beziehungen werden Abminderungsgesetze genannt. sort unter der Annahme ermittelt werden, dass die
Viele von ihnen sind in der Literatur zu finden (vgl. Erdbebenherde über Regionen mit homogener Seis-
auch Abb. 1). mizität (seismotektonische Provinzen) gleichverteilt
Die allgemeine Formulierung eines Abminde- sind. Zur vereinfachten Berechnung können diese
rungsgesetzes ist wie folgt: seismotektonischen Provinzen als Ringsegmente
betrachtet werden.
A = b1 ⋅ e b ⋅M ⋅ (∆ + k )
− b3
2
⋅εA (2)
Erdbeben ereignen sich in guter Näherung als
Hierin ist A die horizontale Spitzenbodenbeschleuni- Poisson-Prozess mit einer mittleren Ereignisrate ν.
gung als Anteil der Erdbeschleunigung g. ∆ ist die Die Überschreitenswahrscheinlichkeit P[A≥a] in einer
Hypozentraldistanz, k ist ein empirischer Faktor zur Referenzzeit T ergibt sich als:
Modifikation der Distanz, die bi sind Abminderungsko-
P[A ≥ a ] = 1 − e − ν⋅TP '[ A≥ a ] (3)
effizienten und εA ist ein lognormaler Fehlerterm, der
die Modellunsicherheiten der Gesetze berücksichtigt. Hier ist P’[A≥a] die Wahrscheinlichkeit, dass bei ei-
Leider ist bei vielen Abminderungsgesetzen die Mo- nem Erdbeben in einem Gebiet die Spitzenbodenbe-
dellunsicherheit nicht mit angegeben, aber i. A. ist schleunigung A größer oder gleich einem Wert a ist.
µ(εA)=1 und der Variationskoeffizient V(εA) ist i.d.R. P’[A≥a] wird auf der Basis der Abminderungsgesetze
größer als 0.20. unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeitsvertei-
Die Hypozentraldistanz ist von der Herdgeometrie lungen von M, ∆ und εA ermittelt.
abhängig. Bei ausgeprägten Verwerfungen kann der Sehr wichtig ist die statistische Unsicherheit bei
Herd an jedem Punkt der Verwerfung mit gleicher der Einschätzung der Erdbebenereignisrate ν. In Fäl-
Wahrscheinlichkeit angenommen werden. len wo die Beobachtungen nur einen kurzen Zeitraum
umfassen, oder wenn es sich um ein Gebiet mit relativ
84
Optimierung von Sicherheitsmaßnahmen gegen Erdbeben
geringer seismischer Aktivität handelt, wird ein Bay- Damage state and Damage Injury Life loss
es’sches Model zur Beschreibung der Unsicherheiten symbol ratio (%) ratio (%) ratio (%)
von ν empfohlen. Für die mittlere Ereignisrate ν wurde central central central
der folgende vereinfachte Ausdruck vorgeschlagen value value value
(Benjamin (1968)):
§ · NONE – 0 0 0 0
¨ ¸
¨ 1 ¸ LIGHT – L 0.3 0 0
− νT = ln¨ n +1 ¸
(4)
¨ §¨1 + T ·¸ ¸ MODERATE – M 5 1 0
¨ τ ¹ ¸¹
©© HIGH – H 30 2 0.25
wobei n der Anzahl von beobachteten Erdbeben im TOTAL - T 100 10 1
Beobachtungszeitraum τ entspricht. T ist der Bezugs-
zeitraum (normalerweise T = 1 Jahr) COLLAPSE - C 100 100 20
Weiterhin müssen grundsätzlich verschiedene po-
Tabelle 1: Zusammenhang zwischen Schadensrate am
tentielle Erdbebenquellen simultan berücksichtigt Tragwerk und Verletzten-/Todesrate
werden. Wenn z.B. ein Standort durch mehrere seis-
motektonische Gebiete betroffen ist, erhält man die Verletzten-/Todesrate. Selbstverständlich sind bei
Wahrscheinlichkeit P[A≥a] durch: dem Tragwerksversagen von Lifelines auch die To-
m desfälle zu berücksichtigen, die sich aufgrund des
P[ A ≥ a ] = 1 − ∏ (1 − P [A ≥ a])
i (5) Ausfalls und der daraus resultierenden Unterbrechung
i =1
des Rettungsweges ergeben. Die Ermittlung dieser
wobei m die Anzahl der potentiellen seismotektoni- Zahl ist jedoch schwierig und nur näherungsweise
schen Gebieten (Erdbebenquellen) und Pi[A≥a] die durch Ereignisbaumanalysen einschätzbar.
Überschreitenswahrscheinlichkeit für jede Quelle ist.
Nähere Informationen zur Ermittlung der Seismischen 5 RISIKO-AKZEPTANZ-KRITERIEN
Gefährdung, einschließlich der Parameter für die Ab- In den letzten Jahren haben die Methoden zur Risiko-
minderungsgesetze, sind im JCSS Probabilistic Model analyse zunehmende Akzeptanz in vielen technischen
Code, Section 2.17 Earthquake, unter Disziplinen gewonnen. Ein grundsätzlicher Konsens
http://www.jcss.ethz.ch/ zu finden. wurde hinsichtlich der Definition des Risikobegriffes
erreicht, jedoch sind bei der Entscheidung über die
4 SCHADENSKATEGORIEN
Risikoannehmbarkeit unterschiedliche Kriterien zu
Die Korrelation zwischen seismischer Einwirkung beobachten. In den meisten Studien werden zwei
(repräsentiert durch die Spitzenbodenbeschleunigung Sichtweisen unterschieden:
A) und Tragwerksschaden ist ein wichtiger Bestandteil – Die Sichtweise des Einzelnen (individuelles Risi-
bei der Optimierung von Sicherheitsmaßnahmen. Um ko), der sich aufgrund einer Abwägung zwischen
Schäden aufgrund künftiger Erdbeben einzuschätzen, dem Risiko und den direkten und indirekten persön-
ist es wichtig, zu wissen wie Tragwerke mit unter- lichen Vorteilen dazu entscheidet, eine Aktivität
schiedlicher Vulnerabilität auf Erschütterungen von durchzuführen oder zu unterlassen.
bestimmter Intensität bei früheren Erdbeben reagiert – Die Sichtweise der Gesellschaft, (kollektives Risiko)
haben. Verfahren zur Erstellung der sogenannten steht dagegen in Abhängigkeit von der Eintrittshäu-
Schadens-Wahrscheinlichkeits-Matrix von verschie- figkeit des Unfallereignisses und der Schwere der
denen Tragwerken des Hoch- und Tiefbaues (unter erwarteten Folgen (z.B. Anzahl der Todesopfer).
anderem auch für Pipelines, Brücken und Tunnelbau- Das Problem der Risiko-Akzeptanz kann jedoch auch
werke) stehen unter als ökonomisches Entscheidungsproblem formuliert
www.app1.fema.gov/hazus/download.htm zur Verfü- werden. Bei der Ermittlung der Kosten ist zu unter-
gung. Sie sind Teil des HAZUS99-Programms der scheiden zwischen Sachschäden (Zerstörung von
Federal Emergency Management Agency (FEMA). Gebäuden und Infrastruktur, entgangener Gewinn
Neben der Schätzung des materiellen Schadens durch Nutzungsausfall) und dem Verlust von Human-
ist die Berücksichtigung menschlicher Schäden von kapital (Todesfälle, Verletzte).
großer Wichtigkeit. Tabelle 1, auszugsweise über- Während die Ermittlung der Sachschäden kein
nommen aus Lomnitz et al. (1976), zeigt den Zusam- größeres Problem darstellt, behilft man sich bei der
menhang zwischen Schadensrate am Tragwerk und Ermittlung des menschlichen Verlustes mit einer An-
85
D. Diamantidis, G. Faschingbauer und R. J. Scherer
6,00
6 RISIKOMANAGEMENT
5,13
4,87
Hier wird unter Risikomanagement ein Prozess ver-
5,00 4,67
standen, in dem angemessene Maßnahmen zur Risi-
4,00 koreduktion ausgewählt, auf ihre Wirtschaftlichkeit hin
3,55
3,17 3,12 3,10
3,23 untersucht und im fortschreitenden Planungsprozess
3,00
2,58 in das Konzept des Objektes implementiert werden.
1,95 Grundsätzlich werden zwei Arten von risikoredu-
2,00
1,59
1,46
1,22
zierenden Maßnahmen unterschieden:
1,00 0,82
0,63
0,78 – Präventivmaßnahmen
0,37
– Ausmaßmindernde (kurative) Maßnahmen
0,00
Italy
Uruguay
Turkey
Czech Republik
Netherlands
Switzerland
Germany
Iran
United Kingdom
Argentina
Brazil
Austria
Greece
Japan
Canada
Spain
USA
6.1 Präventivmaßnahmen
Präventivmaßnahmen sind alle Maßnahmen, die ein
bestimmtes Ausmaß einer möglichen Katastrophe
Abb. 2: ICAF in Millionen US$, basierend auf Daten aus verhindern sollen. Beispiele für Präventivmaßnahmen
2001 sind:
näherung auf der Basis des LQI (Life Quality Index). – Flächennutzungsplanung
Die Strategie basiert auf einem Sozial-Indikator, der – Seismische Bemessung
die Qualität des Lebens in Abhängigkeit von Bruttoso- – Konstruktive Ausbildung
zialprodukt, Lebenserwartung und Lebensarbeitszeit
beschreibt. Der Lebensqualitätsindex L (Nathwani et Bei der Planung der Präventivmaßnahmen darf der
al. (1997), Rackwitz (2001)) ist ein zusammengesetz- wirtschaftliche Aspekt nicht vernachlässigt werden.
ter Sozial-Indikator, der als monoton steigende Funk- Technische Anlagen sollen wirtschaftlich optimal ges-
tion zweier Sozial-Indikatoren definiert ist: dem Brut- taltet werden. Dies ist durch eine Bemessungspara-
tosozialprodukt pro Einwohner und Jahr, g, und der meter-Optimierung im Rahmen einer Kosten-Nutzen-
Lebenserwartung bei der Geburt, e. Analyse möglich. Das Ziel einer Kosten-Nutzen-
Analyse ist die Minimierung der Gesamtkosten Ct
L = g w e1− w (6)
durch Anwendung eines entsprechenden Bemes-
Der Exponent w ist der Anteil des Lebens, der in einer sungsparameters zur Seismischen Bemessung oder
Erwerbstätigkeit verbracht wird. In wirtschaftlich ent- Investitionen in andere Sicherheitsmaßnahmen. Die
wickelten Ländern kann w≈1/8 angenommen werden. Gesamtkosten Ct können unter der Annahme, dass
Von diesem Lebensqualitätsindex können die op- das Objekt nach einmaligem Versagen wieder errich-
timalen Kosten ICAF (optimum acceptable imlied tet wird und danach innerhalb der geplanten Nut-
costs of averting a fatality) für die Rettung von Men- zungsdauer nicht mehr versagt, wie folgt ermittelt
schenleben abgeleitet werden: werden:
ge 1 − w Ct = Ci + p f ⋅ C f (8)
ICAF = (7)
4 w
wobei Ci die Gesamt-Investitionskosten (Baukosten
Es ist zu berücksichtigen, dass dieser ICAF nicht den CB und Kosten für Präventivmaßnahmen Cs,p), pf die
Wert eines Menschenlebens darstellt. Es handelt sich Versagenswahrscheinlichkeit und Cf die Versagens-
hierbei auch nicht um eine mögliche monetäre Kom- kosten (Sachschäden, Personenschäden und Wie-
pensation für die Angehörigen der Verunglückten. derherstellungskosten) sind. Das Produkt aus pf und
Vielmehr repräsentiert der ICAF den Betrag, den eine Cf wird als Risiko R bezeichnet.
Volkswirtschaft zu investieren bereit sein sollte, um Das Objekt, das mit einer bestimmten Wahrschein-
ein Menschenleben zu retten. Abb. 2 stellt ICAF- lichkeit nach einiger Zeit versagen wird ist jedoch im
Werte für einige Länder gegenüber. Entscheidungszeitpunkt (z.B. t=0) zu optimieren. D.h.
Sie reflektieren die sozio-ökonomischen Verhältnisse für alle zukünftig entstehenden Kosten muss der ak-
des jeweiligen Landes und variieren beträchtlich zwi- tuelle Barwert ermittelt werden. In der Praxis ist der
schen den verschiedenen Staaten. folgende dekursive (nachschüssige) Abzinsungsfaktor
(Diskontierungsfaktor) anwendbar:
86
Optimierung von Sicherheitsmaßnahmen gegen Erdbeben
δ(t ) =
1
(9) ϕ=
(1 + γ r )t − 1 (12)
(1 + γ r )
t
(1 + γ r )t ⋅ γ r
Hierin ist γr der reale Zinssatz und t die Diskontie- Damit ergibt sich der Rentenbarwert Cs,k der kontinu-
rungszeit. Der reale Zinssatz wird mit der Beziehung ierlichen Investitionen im Entscheidungs-zeitpunkt t=0
1+ γn zu:
1− γr = (10)
1+ i
C s ,k = C a ⋅ ϕ = C a ⋅
(1 + γ r )t − 1 (13)
ermittelt. γn ist der nominelle Zinssatz, i entspricht der (1 + γ r )t ⋅ γ r
Inflation.
Große Unsicherheiten ergeben sich in der Ab- Damit die geplante Sicherheitsmaßnahme wirtschaft-
schätzung der Zeit t. Die Wahrscheinlichkeit, mit der lich sinnvoll ist, muss dieser Wert Cs,k kleiner sein, als
ein definiertes Erdbeben innerhalb eines Nutzungs- die Risikoreduzierung ∆R, die sich aus der Implemen-
zeitraums T auftritt, kann durch probabilistische An- tierung der Maßnahme ergibt. Selbstverständlich ist
sätze (vgl. Kapitel 3) ermittelt werden. Der zu erwar- auch ∆R in den Entscheidungszeitpunkt zu diskontie-
tende Zeitpunkt eines Erdbebens hingegen kann ren. Es ergibt sich somit die Forderung:
höchstens erraten oder - unter dem Hintergrund, dass C s ,k ≤ ∆R ⋅ δ(t ) (14)
die Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis mit der Zeit-
dauer, in der das Ereignis nicht eingetreten ist zu-
nimmt - grob geschätzt werden. Mit Formel (9) lässt 6.3 Kombination von präventiven und ausmaß-
sich Formel (8) erweitern zu: mindernden Maßnahmen
87
D. Diamantidis, G. Faschingbauer und R. J. Scherer
88
Innovative Anti-seismic Devices for Bridges
Agostino Marioni
ALGA S.p.A., Milano
1 INTRODUCTION
According to the current codes adopted in several
countries, structures may suffer even severe damages
under strong external dynamic loading such as earth-
quakes, provided that collapse is prevented. Thus, the
conventionally founded and constructed structures
shall be capable of undergoing significant inelastic
deformations, i.e. they shall be ductile.
However, the reduction or even the absence of
damage may be of primary importance for some types
of structures, such as:
– structures which house high risk components and
materials (nuclear facilities, some chemical plants,
etc.); Fig. 1: Acceleration response spectrum in function of the
– important bridges and viaducts; damping (as defined by EC8 for ground accelera-
– important public buildings, especially those critical tion 0,8g, medium soil)
for emergency and disaster planning (hospitals,
emergency control centres, energy and communi- However, alternative design approaches were recently
cation distribution centres, etc.); developed, which considerably reduce the seismic
– structures which are important for the national de- vulnerability of structures and are able to ensure the
fence; integrity of both structural and non-structural members
– structures which house costly components and to very high earthquake levels. These are based on
electronic equipment; the concept of decreasing the seismic loads acting on
– museums and historic and artistic monuments. structures, instead of increasing structural resistance.
The absence of significant seismic damage to the Based on experience, there is already an international
above-mentioned structures may be quite difficult – consensus that, among the aforesaid alternative de-
and in some cases, impossible – to be achieved in sign approaches, seismic isolation is already reliable
severe earthquakes if the conventional design ap- enough for a wide-ranging use for both new construc-
proach is used, which is based on the resistance of tions and retrofitting existing structures of all the vari-
the structure and as mentioned, relies on its post- ous types and in particular bridges.
elastic behaviour to make it withstand severe earth-
quakes. In particular, the prevention of damage to the 2 BASIC PRINCIPLES AND REQUIREMENTS OF
non-structural members and inner equipment and EARTHQUAKE PROTECTION
components is especially difficult by means of such an The reduction of the seismic response of a structure
approach. Also, several existing structures have been may be achieved by one of the following strategies or
found inadequate in severe earthquakes, but their by a combination of them:
retrofitting by conventional methods (strengthening) is – Shifting the natural period of the structures to a field
frequently rather difficult and quite costly, and may not of lesser acceleration response
improve seismic resistance sufficiently. – Dissipating energy (damping)
– Limiting the maximum horizontal force transferred.
89
A. Marioni
90
Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges
91
A. Marioni
92
Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges
93
A. Marioni
Fig. 14: The main span of the bridge over the Tagus in
Santarem
94
Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges
95
A. Marioni
96
Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges
1000 1000
1.5
FORCE
Viaduct 2 270 501
1
97
A. Marioni
1.5
0.5
FORCE
0
-1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5
-0.5
-1
-1.5
DISPLACEMENT
Fig. 29: Shock Transmission Device of 16000 kN capacity
Fig. 28: Force displacement plots for hydraulic dampers for the Carquinez bridge in California
with different values of the exponent K:
K = 0,1 in black (continuous line) for viscous The retrofitting aimed to distribute the seismic
dampers forces between all the piers and abutments by use of
K = 1 in blue (dashed line) for linear dampers
K = 2 in red (dotted line) for shock transmitters
Shock Transmission Devices. The performance re-
quirements of the STD are the following:
In the following graphs the force-velocity and force- – Nominal rated force = 15570 kN
displacements diagrams are plotted for different val- – Stroke length for thermal movements = ±152 mm
ues of the exponent K assuming A = 0. The STD consists of a steel cylinder and a steel
From the above plots it is obvious that the expo- piston dividing it in two chambers. The cylinder at one
nent K=2 or greater will be preferred when the differ- side and the piston rod at the other side are con-
ence of force at low velocity and high velocity shall be nected to the structure through spherical hinges. The
maximised. This is the case when the device shall dimensions of the device are quite exceptional: 870
allow slow movements due to thermal variations, mm diameter and 2900 mm full length. Due to the
creep and shrinkage and become rigid in case of dy- exceptional dimensions of the device an external hy-
namic actions like wind or earthquake and when the draulic circuit and an external accumulator have been
energy dissipation is not required. These devices are preferred to internal ones that are commonly used in
commonly known as Shock Transmission Devices smaller devices. The main reasons for that were the
(STD), Lock-Up Devices (LUD) or Hydraulic Couplers following:
(HC), they are treated in more details in the following – to allow easy access to the circuit for adjustment
paragraphs. and maintenance
When the dissipation of energy is the principal per- – to avoid any interference between the flexural
formance required to the devices, exponent K=0,2 or bending of the device due to own weight and the
smaller is preferred since it is evident from the force- behaviour of the hydraulic circuit
displacement diagram that the energy dissipation, that – to avoid excessive overpressure in the cylinder due
is proportional to the area of the plot, is increasing to the thermal expansion of the oil.
when the exponent is decreasing. In this case the The oil flow through the hydraulic circuit is practically
devices are more commonly known as Viscous Dam- independent from the external temperature in order to
pers (VD). provide constant performance independently from the
One of the most outstanding jobs performed with environmental conditions: this could be achieved bas-
the utilisation of Shock Transmission Devices has ing the design of the hydraulic circuit on a turbulent oil
been the seismic retrofitting of the Carquinez Bridge in flow that is practically independent from the viscosity
California. of the fluid and therefore independent from its tem-
The Carquinez bridge is one of the toll bridges of perature. Turbulent oil flow also has the advantage of
the San Francisco bay area, in California. It consists quite good approximating the exponent 2 in the equa-
of two parallel steel cantilever structures, one built in tion given in paragraph 1.
1927 having a length of 1620 meter, the other built in The structural design of the devices has been en-
1958 having a length of 1588 meter. The channel tirely performed through finite element analysis. The
span for both structures is 330 meter and the tower steel parts are manufactured utilising very high
height is 94 meter. strength quenched and tempered steel with tensile
98
Innovative Anti-Seismic Devices for Bridges
99
A. Marioni
Fig. 32: Dynamic test of an electro-inductive damper of Fig. 33: Comparison between the theoretical and meas-
250 kN capacity ured response cycle of a rotating electro-inductive
damper
100
Dynamische Untersuchungen an einem Viadukt mit seismisch isoliertem
Brückenträger
101
S. Malla und M. Wieland
lich generiertes spektrumkompatibles Beschleuni- Prozessen wie Schwinden, Kriechen und Tempera-
gungsseismogramm sind aus Fig. 1. ersichtlich. Die tureinwirkungen werden vernachlässigbare Dämpfer-
Besonderheit des Antwortspektrums liegt in der relativ kräfte verursacht. In Brückenlängsrichtung ist dieses
hohen Beschleunigung bei tiefen Frequenzen. Die Verhalten erwünscht, In Querrichtung führt das zu
ungleichförmigen Bodenbewegungen der einzelnen Problemen, denn unter gewissen Windeinwirkungen
Pfeiler wurden vernachlässigt. Für die Vertikale Erd- könnte sich der Brückenträger verschieben. Deshalb
bebenkomponente wurde ein Wert von 70% der Hori- sind in den Gleitlagern Schubbolzen angebracht, die
zontalkomponente verwendet. versagen, wenn die Auslegungskraft der Dämpfer
Für die Erdbebenberechnung wurden alle drei erreicht wird und diese aktiviert werden müssen.
Komponenten der Bodenbewegung berücksichtigt. Das nichtlineare Verhalten der idealisierten Dämp-
Statistisch unabhängige Beschleunigungszeitverläufe fer wurde modelliert.
wurden verwendet. Eine Dämpfung von 5% der kritischen Dämpfung
Für die nichtlinearen dynamischen Berechnungen der massgebenden Eigenformen wurde bei allen dy-
wurden gemäss Eurocode 8 elf künstlich generierte namischen Berechnungen berücksichtigt (Raleigh-
Erdbeben (jedes mit drei Beschleunigungskomponen- dämpfung).
ten) verwendet. Normalerweise begnügt man sich bei Die reduzierte Steifigkeit der Pfeilerelemente, die
nichtlinearen Berechnungen mit 3 oder 5 verschiede- bei einem starken Beben reissen, wurde in Rechnung
nen Erdbebenanregungen und wählt dann die maxi- gestellt (die Steifigkeit der Biegeelemente wurde um
male dynamische Antwort aller Berechnungen. Wenn einen Faktor von 4 reduziert).
jedoch mehr als zehn Erdbeben verwendet werden, Die nichtlinearen dynamischen Berechnungen
dann darf für die Schnittkräfte der Mittelwert der dy- wurden mit dem Computerprogramm ADINA durchge-
namischen Antwort genommen werden. Dieser zu- führt. In einem ersten Schritt musste die Zuverlässig-
sätzliche Rechenaufwand lohnt sich, da bei nichtline- keit der Berechnung überprüft werden. Das wurde
aren Systemen die dynamischen Antworten doch durch verschiedene Testläufe erreicht, wobei in erster
beträchtlich variieren können. Linie der Integrationszeitschritt reduziert wurde und
auch die Fehlerkriterien variiert wurden. Zudem wurde
3 RECHENMODELL DER BRÜCKE UND DYNA- der Einfluss 2. Ordnung untersucht, der durch die
MISCHE BERECHNUNGEN exzentrische Lage des in Querrichtung verschobenen
Das dreidimensionale Rechenmodell der Brücke ist in Brückenträgers sowie der elastisch verformten Pfeiler
Fig. 2 dargestellt. Das Zusammenwirken der Pfeiler verursacht wird. Die Effekte 2. Ordnung betrugen
mit Wasser wurde mit Zusatzmassen simuliert. weniger als 10% und durften gemäss den vorliegen-
Aufgrund der Geometrie der Pfeiler und der Forde- den Vorschriften vernachlässigt werden.
rung, dass unter dem Bemessungserdbeben keine Im nächsten Schritt wurde eine Optimierung der
inelastische Pfeilerdeformationen erlaubt waren, war Dämpfer vorgenommen. dabei wurde vorausgesetzt,
es nötig die Erdbebenkräfte, die vom Brückenträger dass die Querdämpfer auf allen Pfeilerköpfen gleich
auf die Pfeiler wirken, zu begrenzen. Das wurde er- sein müssen. Das dynamische Verhalten der Brücke
reicht indem eine in Brückenquerrichtung freie Lage- wurde deshalb für verschiedene Dämpferkräfte analy-
rung des Brückenträgers gewählt wurde. Das heisst, siert und eine Kraft von 2 MN wurde als optimal be-
dass auf jedem Pfeiler Dämpfer vorgesehen wurden trachtet. Massgebend bei der Optimierung war, dass
mit einer maximalen Dämpfungskraft von 2 MN (inkl. die dynamische Beanspruchung in den Pfeilern, die
Gleitreibung der Lager). In Längsrichtung wurde eine Pfeilerkopfverschiebung und die Gleitbewegung des
schwimmende Lagerung des fugenlosen, 1000 m Brückenträgers auf den Pfeilern minimal war. Eine
langen Brückenträgers gewählt. Die Längsstabilisie- analoge Optimierung wurde für die Ermittlung der
rung der Brücke im Erdbebenfall wurde ebenfalls mit Längsdämpfer durchgeführt. Diese Optimierung der
Längsdämpfern an beiden Widerlagern erreicht. Da Dämpfer war eines der Kernprobleme der dynami-
bei den Widerlagern sowohl Längs- wie auch Quer- schen Berechnung.
verschiebungen auftreten können, wurde dort eine
gelenkige Lagerung der zylindrischen Dämpfer vorge- 4 EIGENFREQUENZBERECHNUNG UND LINEAR-
ELASTISCHE DYNAMISCHE BERECHNUNG
schlagen. Bei den Dämpfern handelt es sich um zy-
lindrische Elemente, die unter periodischer Anregung Zuerst wurde eine Eigenfrequenzberechnung der
eine fast rechteckige Hysterese aufweisen. Die Dämp- Brücke durchgeführt, wobei der Brückenträger auf den
fungskraft ist dabei auch von der Relativgeschwindig- Pfeilern in Querrichtung fixiert wurde (Ersatz der
keit der Auflagerpunkte abhängig. Bei sehr langen
102
Dynamische Untersuchungen an einem Viadukt mit seismisch isoliertem Brückenträger
Dämpfer durch gelenkigen Anschluss) und bei den mm auf unter 200 mm. Die Querverschiebung des
Widerlagern wurden die Längsdämpfer weggelassen. Pfeilerkopfes des höchsten Pfeilers der gedämpften
Die wichtigsten Eigenfrequenzen der Brücke bei Brücke reduziert sich von 200 mm auf ca. 50 mm. Die
vollem Stausee sind wie folgt: vorgeschlagenen Dämpfer führen zu einer signifikan-
• Grundschwingung in Längsrichtung: 0.24 Hz ten Reduktion der dynamischen Verschiebungen der
• Grundschwingung in Querrichtung: 0.58 Hz Brücke.
• Grundschwingung Überbau vertikal: 1.94 Hz In Fig. 7 sind die Mittelwerte und Mittelwerte plus
Standardabweichung der maximalen dynamischen
Für den höchsten freistehenden Pfeiler im Bauzu-
Querverschiebungen der Gleitlager für die elf ver-
stand wurden folgende Eigenfrequenzen ermittelt
schiedenen Erdbeben dargestellt. Die minimalen und
(leerer Stausee):
maximalen Lagerverschiebungen in Brückenquerrich-
• Querschwingung freistehender Pfeiler: 0.69 Hz
tung betrugen beim höchsten Pfeiler 200 mm bzw.
• Längsschwingung freistehender Pfeiler: 0.10 Hz
400 mm (Mittelwert: 250 mm, Mittelwert plus Stan-
• Torsionsschwingung: 0.15 Hz
dardabweichung: 310 mm). Die minimalen und maxi-
Die Eigenschwingungsformen des höchsten Pfei- malen Längsverschiebungen in den Widerlagern be-
lers im Bauzustand sind in Fig. 3 dargestellt. Bei der trugen 110 mm bzw. 240 mm (Mittelwert: 180 mm,
Längsschwingung des Pfeilers führen Effekte 2. Ord- Mittelwert plus Standardabweichung: 215 mm).
nung zu einer Reduktion der Eigenfrequenz auf 0.084 In Fig. 8 ist ein Vergleich zwischen der maximalen
Hz. Die Eigenfrequenzen der Quer- und Torsions- dynamischen Biege- und Torsionsbeanspruchung für
schwingung bleiben jedoch unverändert. die Brücke mit und ohne Dämpfer dargestellt. Daraus
Die tiefsten Brückeneigenfrequenzen in Längs- ist sehr leicht ersichtlich, dass die gewählten Dämpfer
und Querrichtung liegen alle unter 1 Hz. Aufgrund der zu einer signifikanten Reduktion der Beanspruchung
eingangs erwähnten speziellen Form des Bemes- des Brückenträgers führen.
sungsantwortspektrums, ist im Bereich dieser Eigen- Figur 9 zeigt, dass die massgebende dynamische
frequenzen mit relativ grossen Erdbebenkräften und Beanspruchung der Pfeiler (Normalkraft in Pfeilern)
Bodenverschiebungen zu rechnen. Die Reduktion durch die Dämpfer ebenfalls sehr stark vermindert
dieser Erdbebenkräfte und der dynamischen Verfor- wird.
mungen war die Hauptaufgabe der Dämpfer. Die Wirkung der Dämpfer ist im Prinzip auf folgen-
Als Referenzrechnung wurde die dynamische Ant- de Effekte zurückzuführen:
wort der elastischen Brücke ohne Dämpfer ermittelt, • erhöhte Energiedissipation durch Dämpfer auf
um die Wirksamkeit der Dämpfer besser beurteilen zu Pfeilern und an Widerlagern
können. Die Zeitverläufe der Verschiebungen des • nichtlineare Dämpfer verhindern Resonanzer-
Pfeilerkopfes des höchsten Pfeilers (voller Stausee) scheinungen
sind in Fig. 4 dargestellt. In Fig. 5 sind die Maximal- • Längsdämpfer führen zu einer markanten dyna-
werte der Querverschiebungen des Brückenträgers mischen Versteifung der Brücke in Längsrichtung
und der vertikalen Durchbiegungen entlang der Brü- und unterdrücken Resonanzeffekte
ckenachse dargestellt. Aufgrund der Flexibilität der
Die Nachteile der Dämpfer sind die Gleitverschie-
Pfeiler und der speziellen Geometrie des Pfeilerkop-
bungen des Brückenträgers auf den Pfeilerköpfen in
fes schwingt der gesamte Brückenträger in
Querrichtung. Am Ende eines stärkeren Erdbebens
Vertikalrichtung.
befindet sich der Brückenträger nicht mehr im An-
5 NICHTLINEARE DYNAMISCHE BERECHNUNG fangszustand und muss durch Pressen in die Ur-
DER BRÜCKE sprungslage zurück verschoben werden.
Elf verschiedene Erdbeben wurden für die nichtli- 6 ERMITTLUNG DER MASSGEBENDEN ERDBE-
neare dynamische Berechnung verwendet. Die einzi- BENKRÄFTE
gen nichtlinearen Elemente waren die Dämpfer. In
Die Pfeiler erfahren während einem starken Beben
Fig. 6 sind die Zeitverläufe der Verschiebungen des
neben dynamischen Normalkräften auch biaxiale Be-
Pfeilerkopfes des höchsten Pfeilers (voller Stausee)
anspruchungen. Für die Pfeilerbemessung können die
für eine der 11 Erdbebenanregungen dargestellt. Die-
Maximalwerte der dynamischen Schnittkräfte verwen-
se Ergebnisse lassen sich direkt mit denjenigen des
det werden. Dies führt zu einer konservativen Bemes-
ungedämpften Systems (Fig. 4) vergleichen. Die
sung, da die Maximalwerte der biaxialen Beanspru-
Dämpfer führen zu einer Reduktion der maximalen
chung sowie der Normalkräfte nicht zum gleichen
Längsverschiebung des Brückenträgers von ca. 450
Zeitpunkt auftreten. Falls realistischere Beanspru-
103
S. Malla und M. Wieland
7 SCHLUSSFOLGERUNGEN
Durch schwimmende Lagerung des Brückenträgers
Fig. 1: Beschleunigungsantwortspektrum (5% Dämp-
und Dämpfer, die in den Brückenlagern angebracht
fung) der Horizontalkomponente des Bemessungsbe-
werden, können die Beanspruchungen sowie die De- bens und künstlich generierter, spektrumkompatibler
formationen in schwingungsempfindlichen Brücken Beschleunigungszeitverlauf
sehr stark reduziert werden. Im vorliegenden Fall
konnten die dynamischen Beanspruchungen der Pfei-
ler und des Brückenträgers im Vergleich zu einer Brü-
cke ohne Dämpfer um über 50% reduziert werden.
Die maximalen dynamischen Querverschiebungen der
Pfeilerköpfe betragen nur noch einen Viertel derjeni-
gen einer Brücke ohne seismisch isolierten Brücken-
träger. Die maximalen Querverschiebungen in den
Brückenlagern betragen ca. +/- 40 cm und die Längs-
verschiebungen in den Widerlagern +/- 24 cm. Fig.2: Statisches System der Brücke
Seismische Dämpfer sind eine interessante und
wirtschaftliche Lösung, um Brücken vor Überbean-
spruchung zu schützen.
LITERATUR
Eurocode 8, Design of structures for earthquake resis-
tance, Part 2: Bridges, prEN 1998-2.
ADINA R & D (1999). ADINA User Interface Com-
mand Reference Manuals, Vol. I: ADINA Model Defini-
tion. Report ARD 99-2, ADINA R & D, Inc., Water-
town, Massachusetts, USA.
104
Dynamische Untersuchungen an einem Viadukt mit seismisch isoliertem Brückenträger
105
S. Malla und M. Wieland
106
Geregelte Schwingungsdämpfung von Seilen
0.3
China (Ko, J. M. et al. (2003)) und an der Erasmus-
Brücke in Rotterdam (Geurts, C. et al. (1998)) auf, die 0.2
zwei Monate nach der Eröffnung zeitweise wieder
geschlossen werden musste.
0.1
2 PASSIVE DÄMPFUNG
0
0 2 4 6 8 10
Um Seilschwingungen zu reduzieren, sind verschie- λ
dene mechanische und aerodynamische Massnah-
men erprobt und bei Brücken eingesetzt worden Abb. 2: Modales Dämpfungsmass für ein Seil mit viskosem
(Yamaguchi, H. et al. (1998), Virlogeux, M. (1998)). Dämpfer ( ξ c = 0.02 ).
L
xc
T T
m
c
107
G. Feltrin und F. Weber
108
Geregelte Schwingungsdämpfung von Seilen
Störgrösse
wires to
damper piston electro- Messrauschen: v i
magnet
Anregungskraft: Fs
bearing & seal
MR fluid annular
coil
orifice Regelstrecke
Fs ri-effektiv Beschleunigung:
diaphragm cylinder
Seil ri-gemessen +
Dämpfer Sensoren +
MR damper RD-1005-3, Fd-effektiv Dämpfungskraft:
accumulator
I d-erwünscht
LORD Corporation Fd-gemessen
lineares Verhalten
Regler
Abb. 3: Magnetorheologischer Dämpfer RD-1005-3 der
Fd-erwünscht x
Firma Lord Corporation. Inverses
Regler
Dämpfer- rd-gemessen Beobachter
Modell
[amp]
I = 0.00 [A] Mit magnetorheologischen Fluiden lassen sich Dämp-
0
fer mit regelbaren Dämpfungseigenschaften herstel-
500 len. Ein Beispiel eines solchen Dämpfers ist der Kol-
bendämpfer RD-1005-3 der Firma Lord Corporation,
1000
der mit einer 12 V Batterie betrieben werden kann
1500 (Abb. 3). Das Verhalten dieses Dämpfers wird mit
Magnetfeldern im Bereich der Durchflussventile zwi-
2000 schen den zwei Flüssigkeitskammern beeinflusst. Das
-0.2 -0.1 0 0.1 0.2
Kolbengeschwindigkeit [m/s] Magnetfeld wird durch eine stromführende Spule er-
zeugt. Die Intensität des Magnetfeldes wird über den
Abb. 4: Rückstellkraft des Dämpfers RD-1005-3 als Funk-
tion des Spulenstromes und der Kolbengeschwin-
Spulenstrom eingestellt, der zwischen 0
…2 Ampère
digkeit. variiert werden kann. Damit lässt sich der Betrag der
Rückstellkraft des Dämpfers RD-1005-3 bei ver-
fer mit variierbarem Reibungskoeffizient und Fluid- schwindend kleiner Kolbengeschwindigkeit zwischen
dämpfer mit Ölen, deren rheologische Eigenschaften ca. 70 und 1500 N einstellen (Abb. 4). Die kleinste
veränderbar sind, wie elektro- oder magnetorheologi- Kraft ergibt sich aus der natürlichen Zähigkeit des
sche Fluide. Öles und der Reibung der beweglichen Teile des
Dämpfers an den Dichtungselementen, und die gröss-
3.3 Magnetorheologische Fluide te Kraft aus der magnetischen Sättigung der Suspen-
sion. Die Kolbengeschwindigkeit hat einen eher un-
Magnetorheologische Fluide sind Öle, die mit magne-
tergeordneten Einfluss auf die Kraft. Der magneto-
tisierbaren Eisen-Partikeln versehen sind. Die Parti-
rheologische Dämpfer verhält sich daher ähnlich wie
kel, die einen Durchmesser von einigen Mikrometer
ein Reibungsdämpfer. Durch eine geeignete Wahl des
aufweisen und in der Regel aus Eisen bestehen, bil-
Öles und der magnetisierbaren Partikel kann sowohl
den mit dem Öl eine Suspension. Durch Aufbringen
der Einfluss des Magnetfeldes und der Kolbenge-
eines Magnetfeldes richten sich die Partikel zu Ketten
schwindigkeit gezielt beeinflusst werden.
aus und beeinflussen so die rheologischen Eigen-
schaften des Fluides: Mit grösser werdendem Mag- 4 REGELSYSTEM
netfeld wird das Öl zähflüssiger. Da die Kettenbildung
sehr schnell erfolgt – diese werden innerhalb von Um einen magnetorheologischen Dämpfer effizient
einer Millisekunde auf- und abgebaut – können die einzusetzen, braucht es ein Regelsystem. Ein solches
rheologischen Eigenschaften des Öles auch schnell Regelsystem zur Dämpfung der Seilschwingungen ist
verändert werden. Magnetorheologische Fluide sind in Abb. 5 dargestellt. Das Regelsystem setzt sich aus
daher für Anwendungen in der Dynamik gut geeignet. der Regelstrecke, dem nichtlinearen dynamischen
109
G. Feltrin und F. Weber
System, das aus dem magnetorheologischen Dämp- beschrieben. Diese kann durch Diskretisierung der
fer, dem Seil und den Sensoren, die zur Erfassung linearisierten Differentialgleichungen eines biegewei-
des Schwingungszustandes und der Dämpfungskraft chen Seiles mit finiten Elementen gewonnen werden.
dienen, und dem Regler zusammen. Der Regler be- r (t ) beschreibt die transversalen Verschiebungen des
sitzt einen Beobachter, einen Kalman-Filter, der aus Seiles an den Knoten des finite Element-Modells,
den Messdaten und einem Modell des Seils den zu- M fe , C fe und K fe sind die Massen-, Dämpfungs- und
künftigen Zustand des schwingenden Seiles schätzt. Steifigkeitsmatrizen des Seiles, Θ fe definiert die Lage
Diese Schätzung wird vom Regler benutzt, um jeweils der Anregungskraft Fs (t ) und Λ fe die Lage des
aufgrund des Schwingungszustandes die optimale Dämpfers mit der Dämpferkraft Fd (t ) .
Rückstellkraft Fd −erwünscht des Dämpfers zu berechnen. Da die Anzahl Freiheitsgrade des Modells einen
Das inverse Dämpfermodell liefert mit der optimalen wesentlichen Einfluss auf die Rechengeschwindigkeit
Rückstellkraft und der gemessenen Kolbengeschwin- des realen Reglers hat, muss das Modell so klein wie
digkeit rd − gemessen den erforderlichen Spulenstrom möglich gehalten werden. Die Reduzierung der Frei-
I d − erwünscht , um am Dämpfer die erwünschte optimale heitsgrade erfolgt durch Transformation der Bewe-
Rückstellkraft zu erzeugen. Durch die Serieschaltung gungsgleichung (2) von kartesischen ( r (t ) ) in moda-
des inversen Dämpfermodells und des realen Dämp- len Koordinaten q(t ) = Φ ⋅ r (t ) , wobei die Spalten der
fers im Regelsystem wird der nichtlineare Teil der Matrix Φ aus den Modalformen der ersten m Eigen-
Regelstrecke linearisiert, so dass weiterhin die lineare schwingungen aufgebaut ist:
Regelungstheorie angewendet werden kann. Die An-
ª ϕ1 ( z1 ) ϕ m ( z1 ) º
regung des Seiles erfolgt über einen breitbandigen
stochastischen Prozess, der mehrere Eigenschwin- Φ = «« »» (3)
gungen anregt. «¬ϕ1 ( z n ) ϕ m ( z n )»¼
wobei x (t ) den Vektor der Zustandsvariablen und Um ins theoretische Schema der LQG-Regelung zu
u (t ) die Regelgrösse, welche im vorliegenden Fall die passen, müssen schliesslich die Bewegungsgleichun-
Rückstellkraft des Dämpfers Fd (t ) ist, zum Zeitpunkt gen in die Zustandsraumdarstellung übergeführt wer-
t darstellt. Mit der positiv-semidefiniten Matrix Q und den:
der positiven Zahl R wird die Gewichtung der Zu- x (t ) = A ⋅ x(t ) + B ⋅ u (t ) + G ⋅ w(t ) , (6)
standsvariablen und der Regelgrösse im Gütekriteri-
um definiert. Durch eine geeignete Definition der Ma- y (t ) = C ⋅ x(t ) + D ⋅ u (t ) + H ⋅ w(t ) + v(t ) , (7)
trix Q lassen sich verschiedene Regelziele verfolgen:
z.B. Minimierung der Verschiebungen, der Geschwin- wobei x T = [q1 , q2 ,..., qm , q1 , q 2 ,..., q m ] der Zustandsvektor
digkeiten oder der Energie des Seiles. Mit der Zahl R ist, der die modalen Verschiebungen und Geschwin-
kann z. B. beeinflusst werden, wie sehr der Leis- [ ]
digkeiten enthält. y T = r1 , r2 ,..., rp beschreibt die ge-
tungsbedarf des Dämpfers gewichtet werden soll. messenen Beschleunigungen am Seil, u = Fd −erwünscht
Ein LQG-Regler ist ein modellbasierter Regler, d. ist die vom Regler berechnete optimale Rückstellkraft
h. er benützt ein Modell der Regelstrecke um zur Zeit des Dämpfers, w = Fs ist die Anregungskraft und v
t die optimale Regelgrösse u (t ) zu berechnen. Das stellt das Messrauschen der Beschleunigungsauf-
Modell der Regelstrecke ist durch die Bewegungsglei- nehmer dar. Die Matrizen der Zustandsraumdarstel-
chung lung des linearen Systems sind:
M fe ⋅ r(t ) + C fe ⋅ r(t ) + K fe ⋅ r (t ) = Θ fe ⋅ Fs (t ) + Λ fe Fd (t ) ª 0 I º ª 0 º
A=« , B = « −1 »
(2)
−1
¬− M fe K fe − M C fe »¼
−1
fe ¬ M fe Λ fe ¼
110
Geregelte Schwingungsdämpfung von Seilen
2 Beschleunigungsaufnehmer Zusatzmassen
Messungen von LORD Corporation 0.258 0.517 0.517 0.517 0.517 0.517 0.517 0.258
1.8
1.6 T T
Kraftmessdose
Dämpfer Schwingungserreger
1.4
Stromstärke [A]
1.2
0.775
1 13.95 1.55
v = 0 [m/s]
v = 0.2 [m/s] 15.50
0.8 Id-gewünscht
0.6
Abb. 7: Schematische Darstellung der Versuchseinrich-
0.4 tung.
0.2
Fd-gewünscht
Schwingungserreger mit Kraftmessdosen
0
0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800
Kraft [N]
ª 0 º
G = « −1 » , [
C = − Φ M −fe1C fe − Φ M −fe1 K fe , ] Zusatzgewicht
¬ M fe Θ fe ¼ Kraftsensor
[
D = Φ M −fe1 Λ fe ] und [
H = ΦM −fe1 Θ fe . ] (8) Dämpfer RD-1005-3
xˆ [k | k − 1] = Ad ⋅ xˆ [k − 1 | k − 1] + Bd ⋅ u [k − 1] (10) Für den Dämpfer RD-1005-3 ist diese Funktion aus
Messdaten durch Interpolation konstruiert worden. Da
geschätzte Zustandsvektor ist. Die Matrizen Ad , Bd , der Regler die gewünschte Dämpferkraft Fd über den
C d und Dd sind die Zustandsmatrizen des zeitdiskre- Spulenstrom I d einstellt, wobei die Kolbengeschwin-
ten linearen Systems, welche durch Diskretisierung digkeit rd durch die Dynamik des Systems gegeben
des zeitkontinuierlichen System gewonnen wurden. ist, wird dazu die inverse Funktion
Ld ist die Beobachter-Verstärkungsmatrix, die den
Fehler der Schätzung xˆ[k | k ] minimiert (Preumont, A. I d = g (rd , Fd ) (13)
(2002)). benötigt. Mit dieser wird bei gegebener Kolbenge-
Die Schätzung des Zustandsvektors xˆ[k | k ] wird schwindigkeit rd und gewünschter Dämpferkraft Fd
benutzt, um die Rückstellkraft des Dämpfers zu be- der erforderliche Spulenstrom I d berechnet (Abb. 6).
rechnen, die das Gütekriterium J minimiert. Die Messungen haben jedoch gezeigt, dass diese sta-
Rückstellkraft wird durch die Zustandsrückführungs- tischen Zusammenhänge nur für einen konstanten
gleichung Spulenstrom gelten. Auf eine plötzliche Änderung des
u [k ] = − K d ⋅ xˆ [k | k ] (11) Spulenstromes stellt der Dämpfer RD-1005-3 die ge-
111
G. Feltrin und F. Weber
-1
10
Messung Seil ohne Dämpfer
Simulation Seil mit passivem Dämpfer Verschiebung der
0.05
(I=0.10 [A]) Eigenfrequenz
-2
10 nach Anbringen
des Dämpfers
0.04
71%
VP(r) [m2/s]
-3
10
VP(r) [m2/s]
0.03
-4
10
0.02
70%
44%
39%
-5 0.01
10 Seil ohne Dämpfer
Abb. 9: Validierung des Modells. Abb. 10: Dämpfung des Seiles mit dem ungeregelten
Dämpfer RD-1005-3 (Spulenstrom: 0.1 A).
112
Geregelte Schwingungsdämpfung von Seilen
0.7
x 10-3
passiver Dämpfer, a) 600 b) 16
0.6
Iact=0.10 [A]
0.5 400 Seil mit passivem Dämpfer (I=0.10 [A])
Iact [A]
Fd [N]
14
0.3 0 38%
0.2 -200
12
0.1
-400
0
-600
10
VP(r) [m2/s]
-0.1
0 20 40 60 80 -0.1 0 0.1
~0%
t [s] rd [m/s]
8 10%
geregelten Dämpfers.
4
5.3 Passive Dämpfung Abb. 12: Dämpfung des Seiles mit dem geregelten Dämpfers
Indem der Spulenstrom am magnetorheologischen RD-1005-3.
Dämpfer konstant gehalten wird, wirkt dieser wie ein
nichtlinearer passiver Dämpfer. Der Spulenstrom kann 0.7
geregelter Dämpfer a) 600 b)
0.6
nun so eingestellt werden, dass die Seilschwingungen 0.5
400
0.4
Fd [N]
Als Mass VP(r ) für die erzielte Dämpfung ist die Än- 0.3 0
0.2
derung des Mittelwerts der Leistungsspektraldichten
-200
0.1 -400
der mit den Sensoren gemessenen Geschwindigkei- 0
-600
ten PSD (r(t )) in einem Frequenzband f min ≤ f ≤ f max , -0.1
0 20 40 60 80 -0.1 0 0.1
rd [m/s]
der die ersten drei Eigenschwingungen erfasst, defi- t [s]
Durch Versuche wurde für den Dämpfer RD-10005-3 ten spektralen Leistungsdichte, wie dies in Abb. 12 zu
ein optimaler Spulenstrom von I opt = 0.1 A ermittelt. sehen ist. Eine stärkere Dämpfung der 2. Eigen-
Abb. 10 zeigt die gemittelte spektrale Leistungsdichte schwingung konnte hingegen nicht erreicht werden,
der Geschwindigkeit. Im Vergleich zum ungedämpften und die Ausbeute bei der 3. Eigenschwingung bleibt
Seil wird die spektrale Amplitude der 1. Eigenschwin- bei bescheidenen 10%. Die 4. Eigenschwingung
gung um 71% reduziert. Die Amplituden der 2. und 3. konnte hingegen um weitere 30% gedämpft werden.
Eigenschwingung, die am ungedämpften Seil bereits Die Regelung erlaubte keine bessere Dämpfung
deutlich kleiner sind als jene der ersten Eigenschwin- der höheren Eigenschwingungen im Vergleich zum
gung, werden hingegen nur um 44% und 39% verklei- passiven Dämpfer. Die schlechte Wirksamkeit bei
nert. Ähnlich wie die 1. Eigenschwingung wird die diesen Eigenschwingungen ist auf drei Faktoren zu-
Amplitude der 4. Eigenschwingung um 70% reduziert. rückzuführen: die Taktfrequenz des Reglers, die Zeit-
Die höheren Eigenschwingungen werden noch stärker verzögerung der Antwort des Dämpfers auf Änderun-
gedämpft. Das gemessene Kraft/Kolbengeschwindig- gen des Spulenstromes und die durch innere Reibung
keits-Verhalten des Dämpfers RD-1005-3 ist in Abb. hervorgerufenen residualen Rückstellkräfte des
11 b) dargestellt. Das bilineare Verhalten des Dämp- Dämpfers bei verschwindendem Spulenstrom. Die
fers kommt darin deutlich zum Ausdruck. Abb. 11 a) Taktfrequenz von 100 Hz und die Antwortzeit von
zeigt den Spulenstrom, der einen Mittelwert von 0.1 τ I −step ≈ 0.005 [s] erlaubt bestenfalls die Kontrolle der
Ampère aufweist. Eigenschwingungen, die eine Eigenfrequenz aufwei-
sen, welche kleiner als 10 Hz ist. Damit können am
5.4 Geregelte Dämpfung Versuchsstand höchstens die ersten vier Eigen-
schwingungen wirksam geregelt werden. Die residua-
Die Regelung erlaubt eine weitere Reduktion um 38%
len Rückstellkräfte verhindern ebenfalls eine wirksa-
der Amplitude der 1. Eigenschwingung in der gemittel-
113
G. Feltrin und F. Weber
LITERATUR
15
Achkire, Y. & Preumont, A. (1996), Active Tendon Control of
Zeit [%]
114
Beherrschung der Schwingungen von Brücken
in Leichtbauweise
– Frühere Erfahrungen, neuere Erkenntnisse, Vorsorge –
115
M. Aschrafi und G. Hirsch
116
Beherrschung der Schwingungen von Brücken in Leichtbauweise
117
M. Aschrafi und G. Hirsch
119
M. Aschrafi und G. Hirsch
120
Beherrschung der Schwingungen von Brücken in Leichtbauweise
verdrehung der Hauptträger von 4,1 Grad bei einer In Abb. 18 ist der Entwurf der Hilfsmassendämpfer
Windgeschwindigkeit von 50 m/s errechnet. im Hybrid-System für Torsionsschwingungen mit Re-
Zum Entwurf eines Aktuators mit Regelkreis wur- gelkreis dargestellt.
den bei weitgespannten Schrägseilbrücken, hier mit Die Montagephasen sind die kritischsten Phasen
1600 m Spannweite, eine vertikale Biegeeigenfre- für weitgespannte Brücken, da diese während dieser
quenz mit 0,110 Hz, eine horizontale Biegeeigenfre- Phasen in freiem Vorbau, mit großen Kragarmen
quenz mit 0,124 Hz und eine Torsion-Eigenfrequenz höchst flexibel und schwingungsgefährdet sind.
mit 0,465 Hz für die ersten Grundtöne im Endzustand Um die Windwirkungen zu reduzieren, werden, wie
ermittelt. Abb. 19 zeigt, für die horizontalen Biegeschwingun-
121
M. Aschrafi und G. Hirsch
5 ZUSAMMENFASSUNG
In dem Beitrag wurde gezeigt, auf welch vielfältige
Weise Brücken in Leichtbauweise zu unerwünschten
Schwingungen angeregt werden können. Diese kön-
nen sowohl die Dauerfestigkeit des Tragwerks und
seiner Komponenten als auch den Komfort (Fußgän-
ger, Verkehr) der benutzten Brücke betreffen.
Zur Beherrschung der Schwingungen werden, ba-
sierend auf früheren Erfahrungen und neueren Er-
kenntnissen, Möglichkeiten einer wirksamen Schwin-
gungskontrolle erläutert und Vorsorgemaßnahmen
diskutiert. Die Orientierung erfolgt dabei an prakti-
schen Beispielen.
122
Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN1991-2
Rainer Flesch
arsenal research, Wien
123
R. Flesch
genfrequenz eingehalten wird. Dies ist mit einem ein- sen sich die aufwendigen dynamischen Berechnun-
fachen Stabmodell bzw. durch Einsetzen in Formeln gen auf das tatsächlich erforderliche Maß eingrenzen.
aus der Literatur möglich. Falls die vorgeschriebenen Im Wesentlichen werden Diagramme für Einfeldtrag-
Werte nicht eingehalten sind, ist es erforderlich die werke (Stab- und Plattenmodelle), Mehrfeldtragwerke
geplanten Tragwerksabmessungen entsprechend zu mit dominierendem Schwingungsverhalten in
modifizieren. Längsrichtung sowie Einfeld – Rahmen erarbeitet
Insgesamt sieht die geplante österreichische Be- werden, die sich gut für eine erste Orientierung des
rechnungsrichtlinie die in der Folge dargestellten Stu- entwerfenden Ingenieurs eignen.
fen vor.
2.2.1 Vereinfachte Vorgangsweise im Falle des
2.1.1 STUFE I – Verfahren Lastmodells HSLM – B
Hier wird die vorliegenden Erfahrungen genutzt. Es Beim Lastmodell HSLM – B sieht die prEN 1991-2
werden Fälle definiert, in denen sich eine dynamische eine periodische Belastung durch N Achsen im Ab-
Berechnung erübrigt. Auf Basis der vorliegenden Er- stand d vor. Es liegt somit eine periodische Belastung
fahrung (Berechnungen im Rahmen konkreter Projek- vor. Es bietet sich somit die Verwendung der Formeln
te sowie Parameterstudien) werden z.B. für praxisre- des Einmassenschwingers an, wobei die generalisier-
levante Kombinationen der „Sortierbegriffe“ Zahl der ten Größen für den ersten Eigenschwingzustand zu
Gleise/ Baustoff+Querschnitt/ Tragsystem in Längs- verwenden sind ( „fiktiver Einmassenschwinger). Die
richtung Mindestmassen + max. Schlankheiten defi- maximale Amplitude für einen teilweise eingeschwun-
niert, bei deren Einhaltung unabhängig von der zuläs- genen Zustand lässt sich nach folgender Formel er-
sigen Fahrgeschwindigkeit dynamische Analysen mitteln:
nicht erforderlich sind.
−ξ1 ω1 t E , i
a m (t E ,i ) = (1 − e ) a m ,max (1)
2.1.2 STUFE II – Verfahren
Hier werden einfache Stabmodelle verwendet. Dies ist tE,i ist hierbei die Einwirkungsdauer des Zuges und ist
zulässig, falls kein maßgebliches Schwingungsverhal- von der Fahrgeschwindigkeit, N und d abhängig.
ten in Querrichtung vorliegt. Zur Abdeckung der Un-
2.3 Verwendung von STUFE II – Verfahren
genauigkeiten gegenüber den räumlichen Vollmodel-
len sollen künftig Zuschlagsfaktoren verwendet wer- Falls eine dynamische Analyse erforderlich ist, kön-
den. Bis zum Vorliegen genauerer Untersuchungen nen einfache Stabmodelle (inkl. Zusatzmassen) he-
wird ein Zuschlagsfaktor von 1,2 vorgeschlagen. Die rangezogen werden, falls kein maßgebliches Eigen-
Stufe II – Verfahren eignen sich gut für ein Zuarbeiten schwingverhalten in Tragwerks- Querrichtung vorliegt.
für Stufe I, da sich auch bei einer größeren Zahl von Eine Modellierung als „globaler“ Stab darf dann
Varianten der Aufwand in Grenzen hält. Ferner be- vorgenommen werden, wenn die Betrachtung des
deuten sie ein Werkzeug, dass nach einer Grundein- „globalen Verhaltens“ ausreicht. In Fällen, in denen
schulung von jedem Zivilingenieur angewendet wer- ein maßgebliches lokales Schwingungsverhalten (z.B.
den kann. Zur Erarbeitung der oben genannten Fakto- von Plattenfeldern, Aussteifungselementen, etc.) zu
ren ist es wesentlich, dass im Zuge der Parameter- erwarten ist, ist eine entsprechend detaillierte räumli-
studien an bestimmten „Stützstellen“ die Verfahren che Modellierung unumgänglich. Es sei mit Nachdruck
der STUFE II mit Verfahren der STUFE III kombiniert darauf verwiesen, dass hier in sekundären Elemen-
und die Ergebnisse verglichen werden. ten, die statisch kaum belastet sind, maßgebliche
dynamische Schnittkräfte auftreten können. Es muss
2.1.3 STUFE III – Verfahren klar sein, dass eine „quasistatische Berechnung“, die
auf einem dynamischen Inkrement beruht, hier keine
Hier erfolgt eine möglichst genaue räumliche Model-
adäquate Bemessung ermöglichen kann. Entspre-
lierung (Plattenmodelle, Trägerrost), inkl. genaue Mo-
chende Vorsicht ist insbesondere bei Stahltragwer-
dellierung der Lagerungsbedingungen.
ken, Verbundbrücken, Fachwerk- und Bogenträgern,
2.2 Verwendung von STUFE I – Verfahren etc. erforderlich.
Bei Betonbrücken können die dynamischen Wir-
Es ist geplant, die praxisrelevanten Kombinationen kungen auf sekundäre Elemente in vielen Fällen
durch gezielte Parameterstudien möglichst großflä- durch konstruktive Maßnahmen abgedeckt werden.
chig abzudecken und die Ergebnisse in übersichtli- Es ist z.B. bekannt, dass bei direkt befahrenen Ober-
chen Diagrammen darzustellen. Auf diese Weise las- gurtplatten von Hohlkästen beachtliche dynamische
124
Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN1991-2
125
R. Flesch
2.4 Erforderliche Modellierung als Trägerroste darf somit nicht erwarten, dass Ergebnisse, die mit
bzw. mit Plattenelementen ( STUFE III - Ver- verschiedenen Mitteln berechnet wurden, besonders
fahren ) gut übereinstimmen. Eine plausible, vergleichbare
Bei Brücken, die als Flächentragwerke betrachtet Größenordnung sollte aber in jedem Fall erzielbar
werden müssen, z.B. bei einem Verhältnis Spannwei- sein. Es wird nochmals darauf verwiesen, dass die
te zu Tragwerksbreite ≤ 2 und maßgeblichem Eigen- Berechnung zahlreiche konservative Elemente enthält
schwingverhalten in Querrichtungen ist eine räumli- (z.B. bei Modellierung der Achslasten als Punktlas-
che Modellierung erforderlich (Trägerrost- bzw. Plat- ten).
tenmodelle). Ein maßgebliches Eigenschwingverhal-
ten in Querrichtung liegt vor, falls Eigenfrequenzen 2.5 Modellierung des Belastungszeitverlaufes
von Längs- und Querschwingungen nahe beisammen Die Zeitverlaufsanalysen werden normalerweise unter
liegen und somit eine gleichzeitige (bei bestimmter Verwendung der HSLM-A – Züge 1 -10 durchgeführt.
Fahrgeschwindigkeit) phasengleiche Anregung wahr- Der Großteil aller FE- Programme mit Dynamik Modul
scheinlich ist. In diesem Fall ist auch eine exzentri- erlaubt die Durchführung von Zeitverlaufsanalysen.
sche Anregung gut modellierbar (z.B. zweigleisige Die Belastungszeitverläufe in den einzelnen Knoten
Brücken). lassen sich für die gegebenen Zugskonfigurationen
Bei räumlichen Modellierungen werden in der Re- einfach programmieren. Es ist zulässig, die Achslas-
gel auch die Lagerungsbedingungen (Lagerfedern) ten als wandernde Einzellasten anzusetzen. Diese
möglichst realistisch nachvollzogen. Bezüglich schie- Modellierung liegt auf der sicheren Seite. Es ist jedoch
fer Lagerungen ist festzustellen, dass sie zufolge der auch eine Verteilung der einzelnen Achslasten in
räumlichen Modellierung ebenfalls richtig dargestellt Längs- und/ oder Querrichtung zulässig (siehe 6.4
werden. und 6.5).
Bei räumlichen Modellierungen sind dann die max. Grundsätzlich ist die Fahrgeschwindigkeit im Be-
vertikalen Beschleunigungen stets in solchen Punkten reich 150 km/ h (ev. sogar 140 km/ h) bis vmax x 1,2 zu
zu beurteilen, wo sie für die Gleisstabilität maßgeblich variieren. Die Geschwindigkeit ist etwa in 10 km/ h
sind. Es wäre nicht zielführend für dieses Kriterium Schritten zu erhöhen. Ggf. sind auch Zwischenwerte
Maximalwerte heranzuziehen, die z.B. an einem se- erforderlich, um die Beschleunigungsmaxima genauer
kundären Element aufgetreten sind. Es ist jedoch sehr erfassen zu können.
wohl wichtig, das lokale Schwingungsverhalten derar- Alternativ hierzu kann die folgende Vorgangsweise
tiger stark betroffener Sekundärglieder getrennt zu herangezogen werden. Parameterstudien haben ge-
beachten. zeigt, dass in der Regel die max. Beschleunigungs-
Modelle von Bauwerken lassen sich auf Grund von werte stets dann auftreten, wenn jeweils ein einziger
insitu Messungen an bestehenden Objekten deutlich Eigenschwingzustand in Resonanz versetzt wird. Falls
verbessern. Von diesen Möglichkeiten ist künftig stär- man somit die einzelnen Züge mit der entsprechen-
ker Gebrauch zu machen. den Fahrgeschwindigkeit über das Tragwerk fahren
Die oben beschriebene Modellierung ist grundsätz- lässt, werden diese Resonanzzustände gezielt ange-
lich erstrebenswert, sie ist jedoch auch mit erheblich regt. Die zugehörige „Fahrfrequenz“ ist hierbei gleich
größerem Aufwand verbunden als eine Berechnung der betrachteten Eigenfrequenz. Die Untersuchungen
mit einfachen Stabmodellen. Aus Kosten- Nutzen müssen nacheinander für alle maßgeblichen Eigen-
Abwägungen muss allerdings deutlich darauf verwie- frequenzen durchgeführt werden. Die „Fahrfrequenz“
sen werden, dass auch die räumlichen Modellierun- fF ergibt sich hierbei wie folgt:
gen nur bis zu einem gewissen Grad ein besseres
Abbild der Wirklichkeit darstellen. fF = v / 3.6/ D [Hz] (2)
Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass Zeitver- mit
laufsanalysen sehr stark von den Details der Modellie- v
…
…..Fahrgeschwindigkeit [km/ h]
rung beeinflusst werden. Hier geht die tatsächliche D
…
….“charakteristische“ Länge [m]: die Parameter-
Phasenlage zwischen den einzelnen Eigenschwing- studien zeigen, dass bei den HSLM-A Zügen die Wa-
Um nun gezielt die i-te Eigenfrequenz ni anzuregen, genlänge D eingesetzt werden kann.
muss der HSLM-A Zug mit der Fahrgeschwindigkeit vi Zusätzlich zur obigen Fahrfrequenz sind auch de-
über das Tragwerk fahren: ren Harmonische wirksam.
zuständen maßgeblich in die Ergebnisse ein. Letztere
ist stark von den berechneten Eigenfrequenzen und Vi = ni *3,6 * D [km/ h] (3)
den angesetzten Dämpfungszahlen abhängig. Man
126
Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN1991-2
127
R. Flesch
3,50
3,00 angeregt. Der „niederfrequente“ Anteil, der durch die
2,50
im Abschnitt 2.5 beschriebene Fahrfrequenz hervor-
2,00
1,50
gerufen wird beträgt hierbei nur etwa 30 - 40 % des
1,00 gesamten Beschleunigungssignals. Das Rechenmo-
0,50
dell kann derzeit nur den Anteil zufolge Fahrfrequenz
0,00
0,0 2000,0 4000,0 6000,0 8000,0 10000,0 12000,0 14000,0 16000,0 berücksichtigen. Es ist daher äußerst wichtig, die Be-
Gesam tm asse [t] deutung der höherfrequenten Anteile für die Gleissta-
bilität und Fahrsicherheit zu klären. Weitere Messun-
Abb. 3: STUFE III – Ergebnisse für Mehrfeldtragwerke aus gen + Nachrechnungsversuche werden diesbezüglich
Beton, Schlankheit 1/15 sehr hilfreich sein.
Betreffend das Kriterium der max. vertikalen Trag-
werksbeschleunigung erscheint es wichtig, die ent-
I I I - R a hme n
sprechenden Grundlagen weiter zu hinterfragen.
45, 000
40, 000
Diesbezügliche Kontakte mit der BAM/ Berlin wurden
35, 000
30, 000
bereits aufgenommen.
25, 000
20, 000
15, 000
10, 000
4 PARAMETERSTUDIEN
5, 000
0, 000
Derzeit läuft die Planung von Parameterstudien, die
0,0 500,0 1000,0 1500,0 2000,0 2500,0 3000,0 im bis etwa Mitte 2004 abgeschlossen werden sollen.
Das Hauptziel ist hierbei, dass man sich künftig bei
G e s a mt ma s s e [ t ]
128
Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN1991-2
Abb. 6: Messungen bei Hochgeschwindigkeitsfahrten an der PÖ5. Ergebnisse der Zugsüberfahrt Nr. 8.
Zusätzlich wurden auf STUFE II – Ebene auch ers- gesehenen niedrigen (sehr konservativen) Dämp-
te gezielte Parameterstudien durchgeführt sowie im fungszahlen im Mittelpunkt. Es hat sich allerdings
Rahmen von Projekten 3 mehrfeldrige Brücken Be- gezeigt, dass die Dämpfung dann eine untergeordne-
rechnet. Es liegen folgende Ergebnisse vor: te Rolle spielt, wenn andere Parameter günstig
(„schwingungsmindernd“) gewählt wurden. Es gibt
STUFE II/ Einfeldträger: 19 z.B. meist keine Probleme, wenn die Schlankheit 1:12
Baustoff: 3 Spannbetonl, 16 Stahlbeton nicht überschritten wird und die Masse des Tragwerks
Querschnitt: 12 Platte, 4 Plattenbalken, 3 Hohlkasten nicht zu klein ist (siehe Abb. 5).
Zahl Gleise: 19 zweigleis. Die max. vertikale Be- Ferner wurde in der ersten Phase ein detaillierter
schleunigung für die eingleis. Variante ergibt sich Vergleich jener beiden räumlichen Vollmodelle der
durch Multiplikation mit 2!! Brücke PÖ5 vorgenommen, die von TDV ( Software
Spannweiten: 5 bis 35 m RM2000) und arsenal (Software SOFISTIK) erstellt
wurden. Die Unterschiede wurden im vorläufigen Be-
STUFE II/ Mehrfeldträger: 10 richt vom 20. August 2002 zusammengestellt. Ab-
Baustoff: 10 Stahlbeton schließend ist festzustellen, dass zuletzt eine gute
Querschnitt: 9 Platte, 1 Plattenbalken Übereinstimmung herbeigeführt werden konnte.
Zahl Gleise: 10 zweigleis. (eingleis. Variante ergibt Betreffend die „Genauigkeit der Modellierung“ sind
sich durch Multiplikation mit 2!!) wertvolle weitere Erkenntnisse aus der geplanten
Spannweiten: Hauptspannweite 8 bis 18 m Parameterstudie, bei der räumliche Vollmodelle und
2 zweifeldrige, 6 dreifeldrige, 2 vierfeldrige Stabmodelle gezielt miteinander verglichen werden
sollen, zu erwarten. Auf der Fachtagung BAUDYNA-
5 SCHLUSSFOLGERUNGEN MIK in Kassel/ Mai 2003 befasste sich der Beitrag
In der ersten Phase der Diskussionen im Experten- Löhr, M. & Dinker, D. (2003) in übersichtlicher Weise
kreis standen besonders die in der prEN1991-2 vor- mit allen Phänomenen und Details, die grundsätzlich
129
R. Flesch
zu berücksichtigen sind. Einige dieser Aspekte (z.B. Bei den „anderen Brücken“ (z.B. Bestand) findet
die Modellierung der über die Brücke wandernden man dann im Regelfall mit STUFE II Modellen das
Zugsmassen, Einflüsse aus Corioliskraft etc., d.h. alle Auslangen. Es ist eine wesentliche Strategie für das
Einflüsse, die zu zeitlich veränderlichen Systemmatri- geplante Projekt Vollmodelle und Stabmodelle an
zen führen) werden weder in der prEN1991-2 noch im wesentlichen „Parameter – Stützpunkten“ parallel zu
österreichischen Konzept berücksichtigt. Es besteht untersuchen. Hierdurch lassen sich dann ggf. vernünf-
die Auffassung, dass derartige Effekte gegenüber den tige Korrekturfaktoren/ Sicherheitszuschläge ermitteln.
sonstigen Modellierungsunsicherheiten vernachlässigt Stahltragwerke und Verbundtragwerke, bei denen
werden können. maßgebliche Schwingungsprobleme von Sekundär-
Betreffend das Kriterium der max. vertikalen Trag- elementen zu erwarten sind, müssen grundsätzlich
werksbeschleunigung erscheint es wichtig, die gemäß STUFE III behandelt werden.
entsprechenden Grundlagen weiter zu hinterfragen. Einen weiteren wesentlichen Punkt stellen die ge-
Diesbezügliche Kontakte wurden mit der BAM/ Berlin planten Versuche dar. Es wird versucht werden, die
aufgenommen. Es wird auf die möglicherweise sehr Messergebnisse rechnerisch nachzuvollziehen, wo-
wesentliche Erkenntnis aus den Messungen an der durch sich die wichtige Möglichkeit zur Überprüfung/
PÖ5/ August 2002 verwiesen, dass dort auch maß- Kalibrierung der Rechenmodelle ergeben.
gebliche „höherfrequente“ Komponenten im Be- Insgesamt soll die Parameterstudie die folgenden
schleunigungssignal gemessen wurden. Diese hö- Punkte umfassen:
herfrequenten Komponenten stehen eindeutig mit der
– Untersuchung von Brückenobjekten gemäß STU-
Schwellenfrequenz im Zusammenhang. Offensichtlich
FE III
wird hier eine dynamische Reaktion des Schotterbett
– Untersuchung von Brückenobjekten gemäß STUFE
– Oberbaues angeregt. Der „niederfrequente“ Anteil,
II
der durch die im Abschnitt 2.5 beschriebene Fahrfre-
– Richtlinienerarbeitung (Grundlagen; Darstellung der
quenz hervorgerufen wird beträgt hierbei nur etwa 30
Ergebnisse der Parameterstudie; gezielte Interpre-
– 40 % des gesamten Beschleunigungssignals (siehe
tation wesentlicher Ergebnisse; Anleitungen für die
auch Abb. 6). Das Rechenmodell kann derzeit nur den
Durchführung von STUFE I – III Verfahren; gut
Anteil zufolge Fahrfrequenz berücksichtigen. Es ist
dokumentierte Berechnungsbeispiele).
daher äußerst wichtig, die Bedeutung der höherfre-
– Messungen an 10 Objekten. Hauptsächlich Mes-
quenten Anteile für die Gleisstabilität und Fahrsicher-
sungen der Schwingungen unter Zugverkehr inkl.
heit zu klären. Weitere Messungen + Nachrechnungs-
Messung der Fahrgeschwindigkeit, bei jedem Ob-
versuche werden diesbezüglich sehr hilfreich sein.
jekt einen Tag lang; gezielte „Nachrechnung“ der
Den geplanten Parameterstudien kommt eine gro-
Messergebnisse; bei einigen Objekten werden mit-
ße Bedeutung zu. Der erste wesentliche Punkt ist die
tels Schwingungserreger VICTORIA die dynami-
Anwendung eines „guten Mixes“ aus STUFE III – Un-
schen Parameter Eigenfrequenzen, Eigenformen
tersuchungen („volle“ Modelle) und STUFE II – Unter-
und Dämpfungszahlen direkt gemessen.
suchungen (Stabmodelle). Einerseits soll es gelingen,
dass man sich künftig bei Brücken gemäß HL-
Richtlinien im wesentlichen nur auf STUFE I bewegen LITERATUR
muss. Die Diagramme in der geplanten Richtlinie Löhr, M. & Dinker, D. (2003), Schwingungsverhalten von
stellen den Nachweis dar, dass das Tragwerk die Eisenbahnbrücken bei Überfahrt von Hochgeschwindig-
geforderten Kriterien erfüllt. Andererseits sollen die keitszügen, Fachtagung Baudynamik, Kassel, 15. – 16. Mai
2003, VDI- Berichte 1754, 23-40.
STUFE II Modelle soweit perfektioniert werden, dass
sie in den meisten Fällen als „Standardwerkzeug“ für
einen „eingeschulten Ziviltechniker“ dienen können.
130
Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interaktion
Reto Cantieni
rci dynamics, Ingenieurbüro für Baudynamik, Dübendorf
131
R. Cantieni
Abb. 4: Deibüel-Brücke.
132
Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interakton
133
R. Cantieni
134
Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interakton
Abb. 11: Harmonische Anregung der Hinterachse. Anre- Abb. 13: Optoelektronische Systeme für die Messung dy-
gungsamplitude konstant, Reifendruck variabel. namischer Radlasten, hier an den beiden Hinterrä-
dern eines Zweiachsers. Sender vertikal.
135
R. Cantieni
136
Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interakton
137
R. Cantieni
6 NORMUNG
Der in Abb. 25 gezeigte Vorschlag für die Definition
des dynamischen Beiwertes wurde 1985 für die SIA-
Lastnorm 160/89 gemacht. Er wurde in der Folge als
zu kompliziert verworfen, findet aber heute Anwen-
dung bei der Nachrechnung bestehender Brücken.
Die Tendenz ist heute, dynamische Beiwerte diskret in
den statischen Lastmodellen verschwinden zu lassen.
Leider gilt dies auch für Länder, die dynamische Bei-
werte, wie sie in der Abb. 25 gezeigt sind, in ihren
Normen benützten (Kanada, Australien). Betroffen ist
Abb. 24: Interaktionsformen bei f = 3.13 Hz. aber auch die EU und damit auch die Schweiz. Trotz
ausführlicher Untersuchungen an der RWTH Aachen
Eine Bestätigung, dass das Zweimassenmodell die gibt es in den Eurocodes keine dynamischen Beiwerte
tatsächlichen Verhältnisse zumindest qualitativ nicht für Strassenlasten mehr. Damit gibt es auch keine
allzu schlecht erfasst, liefert die Untersuchung der Möglichkeit mehr, im Bedarfsfall die Lastproblematik
Phasenlage (Abb. 23 und 24): Wie für das Modell detailliert in "statisch" und "dynamisch" zu zerlegen.
bewegen sich Brücke und Fahrzeug in Phase
(2.73 Hz) beziehungsweise in Gegenphase (3.13 Hz). LITERATUR
Cantieni, R. (1992), Beitrag zur Dynamik von Strassenbrü-
5 FOLGERUNGEN cken unter der Überfahrt schwerer Fahrzeuge, EMPA Be-
Eine dynamische Interaktion zwischen Brücke und richt Nr. 220.
Fahrzeug tritt auf, wenn die Grundfrequenz der Brü- Cantieni, R. & Krebs, W. & Heywood, R. (2000), OECD IR6
DIVINE Project - Dynamic Interaction Between Vehicle and
cke und die dominante Frequenz der dynamischen
Infrastructure Experiment - Element 6, Bridge Research -
Radlasten ähnlich sind. Für Fahrzeuge, deren Aufbau- Final Report, EMPA Test Report No. 153'031.
Aufhängung blockieren kann, betrifft dies den Fre- Felber, A.J. & Cantieni, R. (1996), Introduction of a New
quenzbereich um 3 Hz. Die Massen- und Steifigkeits- Ambient Vibration Testing System - Description of the Sys-
verhältnisse für die Systeme "Brücke" und "Fahrzeug" tem and Seven Bridge Tests, EMPA Test Report No.
sind dann so, dass eine dynamische Koppelung auf- 156'521.
treten kann. Ob dies auch für den Frequenzbereich Stokes, G.G. (1849), Discussion of a Differential Equation
1.5...2 Hz möglich ist, d.h. für Fahrzeuge mit immer Relating to the Breaking of Railway Bridges, Trans. of the
aktiver Aufbau-Aufhängung und Brücken mit einer Cambridge Philosophical Society VIII, Part V, No. LII.
grössten Spannweite von mindestens 60 m,bleibt Willis, R. (1851), An Essay on the effects Produced by Cau-
sing Weights to Travel Over Elastic Bars, Published as an
noch nachzuweisen. Bei den Versuchen, die in (Can-
Addendum to Barlow, P., A Treatise on the Strength of Tim-
tieni et al (2000)) beschrieben sind, traten mit der ber, Cast and Malleable Iron. John Weale, London.
138
Zur Festlegung des „dynamischen Beiwerts“ bei der Überprüfung von
Strassenbrücken
139
H. Ludescher und E. Brühwiler
einfaches Modell sehr hilfreich. Die Entwicklung und fBr / fFz = 0.2
Anwendung eines Modells setzt ein vertieftes Ver- 2.0 fBr / fFz = 0.5
ständnis jener Phänomene voraus, die bei der Fahrt fBr / fFz = 1
1.5 fBr / fFz = 2
eines Fahrzeugs über eine Brücke auftreten. Es lässt
fBr / fFz = 5
sich unterscheiden zwischen der Wirkung der Last- 1.0
bewegung, dem Einfluss von Fahrzeugmasse und - 1 10 100
steifigkeit sowie dem Einfluss der Fahrzeugposition log10(Massenverhältnis meff/mFz)
140
Zur Festlegung des „dynamischen Beiwerts“ bei der Überprüfung von Strassenbrücken
Einfluss der Fahrzeugposition auf das System- rung durch die Haftreibung der Räder und die Fahr-
verhalten: Die Veränderung der Fahrzeugposition auf zeugstabilität begrenzt ist. In der Folge wird primär auf
der Brücke bewirkt, dass sich nicht nur ständig die den wichtigsten Fall der resonanzartigen oder stossar-
dynamischen Kennwerte des Systems Fahrzeug- tigen Anregung durch Fahrbahnunebenheiten einge-
Brücke verändern, sondern dass auch die Intensität gangen.
der Anregung variiert (Abb. 3). Solange sich ein Fahr- Entscheidend ist, dass die Brücke grundsätzlich
zeug in der Nähe der Auflager (Widerlager, Stützen) durch das Fahrzeug angeregt wird. Das heisst, das
befindet, spürt die Brücke wenig vom Fahrzeug und Fahrzeug wird angeregt durch Fahrbahnunebenheiten
umgekehrt. Befindet sich das Fahrzeug in Feldmitte, und überträgt diese Anregung entsprechend seiner
dann entfaltet sich die stärkste Wechselwirkung des Übertragungsfunktion auf die Brücke, welche wieder-
Fahrzeugs mit der Brücke, welche dann zumeist in um in Abhängigkeit ihrer Übertragungsfunktion ant-
ihrer ersten Eigenform schwingt. Für Positionen da- wortet. Würde das Fahrzeug seine Lage nicht verän-
zwischen nimmt der Einfluss ab, es kommt jedoch zu dern und hätte die Reaktion der Brücke keine Rück-
einer mehr oder weniger starken Anregung höherer wirkung auf das Fahrzeug, dann liesse sich die Prob-
Eigenschwingungsformen der Brücke. lemstellung in Analogie zur digitalen Signalverarbei-
tung in der Elektrotechnik mittels einer Folge von Fil-
3.1 Anregung des Systems Fahrzeug + Brücke tern lösen. Daraus lassen sich bereits wesentliche
Massgeblich für die Anregung von Fahrzeug und Brü- Schlüsse ziehen: (1) Schwerfahrzeuge reagieren
cke sind grundsätzlich zwei vertraute Phänomene der kaum auf Anregungen unter 1.5 Hz, dementspre-
Dynamik: Resonanz und Stoss. Zu resonanzartiger chend ist nicht zu erwarten, dass eine Brücke durch
Anregung kann es kommen, wenn das Längsprofil der Fahrzeuge in diesem Frequenzbereich angeregt wird.
Fahrbahn periodische Unebenheiten aufweist, welche (2) Für lineares Systemverhalten, das heisst vor allem
bei der Überfahrt des Fahrzeugs mit einer bestimm- für lineare, viskose Dämpfung des Fahrzeugs, ist die
ten, „kritischen“ Geschwindigkeit genau eine Anre- Antwort des Systems direkt proportional zur Uneben-
gung des Systems Brücke + Fahrzeug in dessen heitsamplitude.
Grundfrequenz bewirken. Offensichtlich ist die Anre-
3.2 Fahrbahnunebenheiten
gung je stärker, desto ausgeprägter die Unebenheiten
sind und je länger die Brücke ist, d.h. je mehr Anre- Fahrbahnunebenheiten wurden als wichtigste Quelle
gungszyklen übertragen werden. Eine stossartige dynamischer Effekte im System Brücke + Fahrzeug
Anregung kann sich grundsätzlich durch die Fahrt identifiziert, deren Stärke direkt den dynamischen
über ausgeprägte lokale Fahrbahnunebenheiten, ab- Vergrösserungsfaktor bestimmt. Es ist daher notwen-
ruptes Bremsen oder im Verlaufe eines Unfalls erge- dig sich eingehender mit deren Eigenheiten und Be-
ben, wobei Fahrbahnunebenheiten die grösste Be- schreibung zu befassen. Grundsätzlich lässt sich un-
deutung zukommt. Es ist relativ unwahrscheinlich, terscheiden zwischen zufällig verteilten, kontinuierli-
dass ein sehr schweres Fahrzeug gerade in kritischer chen Fahrbahnunebenheiten unterschiedlichster Wel-
Position auf einer Brücke verunfallt. Zudem führt ein lenlänge, hier auch bezeichnet als „normale“ Fahr-
Unfall in der Regel zu einem horizontalen Stoss in der bahnunebenheiten, und lokalen, oft diskontinuierli-
Richtung der Bewegung. Bei Bremsmanövern ist der chen Unebenheiten mit einer ausgeprägten Wellen-
Stoss relativ sanft, da die maximale Bremsverzöge- länge, zwecks Unterscheidung bezeichnet als „spe-
zielle“ Fahrbahnunebenheiten.
F(t) F(t)
Abb. 4 zeigt zwei Beispiele von Längsprofilen,
oben dasjenige einer sehr unebenen Strasse, und
unten ein auf einer Brücke gemessenes Profil. Das
~100 % ~90 %
1. Eigenform obere Profil zeigt deutlich, dass die Amplitude der
2. Eigenform
~10 %
Unebenheiten generell mit steigender Wellenlänge
zunimmt. Das heisst, dass ein Fahrzeug je stärker
F(t)
F(t) angeregt wird, desto schneller es fährt. Folglich wer-
90 %
10 %
den die stärksten dynamischen Vergrösserungsfakto-
ren zumeist für hohe Fahrgeschwindigkeiten der Ver-
suchsfahrzeuge gemessen. Da die Geschwindigkeiten
von Schwerfahrzeugen rechtlich auf ca. 100 km/h
begrenzt ist, und die niedrigsten Eigenfrequenzen der
Abb. 3: Einfluss der Fahrzeugposition auf die Fahrzeug – Fahrzeuge bei 1.5 Hz liegen, sind nur Unebenheiten
Brücke Wechselwirkung
141
H. Ludescher und E. Brühwiler
“Fahrzeug“
grosse Wellenlängen -> grosse Amplituden zFz(t) kFz , cFz : Steifigkeit und Dämpfung der
20 kFz cFz Aufhängung
z [mm]
0
r(t) meff : wirksame Brückenmasse
-20 Profil einer sehr unebenen Strasse
meff kBr , cBr : Steifigkeit und Dämpfung der
“Brücke“
zBr(t) Brücke
-40 kBr cBr
20 Typisches Profil auf einer Strassenbrücke r (t) : Anregung
z [mm]
0
Abb. 5: Zweimassenschwinger zur Modellierung der
-20
Fahrzeug - Brücke Wechselwirkung
0 20 40 60 80 100 120 14
x [m]
ständig in Gefahr, über alle Probleme der Datenverar-
Abb. 4: Beispiele von Längsprofilen beitung und der komplizierten Modellierung die eigent-
liche Fragestellung aus den Augen zu verlieren, näm-
bis ca. 30 m Wellenlänge relevant. Der Zusammen-
lich die Relevanz dynamischer Effekte im Nachweis
hang zwischen Wellenlänge und Amplitude gilt jedoch
der Tragsicherheit einer Brücke. Es zeigt sich, dass
nicht für „spezielle“ Fahrbahnunebenheiten. Bei Brü-
die wesentlichen Zusammenhänge bereits mit sehr
cken sind diese vor allem im Bereich der Fahrbahn-
einfachen Modellen erfasst werden können, welche
übergänge zu erwarten, aber auch infolge von Schlag-
leichter analysiert und ausgewertet werden können.
löchern, Schneeansammlungen, verlorenem Ladegut,
Das verwendete Modell ist in Abb. 5 dargestellt und
Absätzen im Belag, usw. Die Wirkung „spezieller“
wird nachfolgend nur kurz vorgestellt. Eine ausführli-
Fahrbahnunebenheiten steigt nicht generell mit der
che Herleitung findet sich in Ludescher et al. (2003).
Fahrgeschwindigkeit, sondern das Phänomen des
Modell des Fahrzeugs: Fahrzeuge können im
„Achsstandfilterns“ erhält grosse Bedeutung. Je nach
Hinblick auf die Simulation der dynamischen Radkräf-
Geschwindigkeit und Abstand zwischen den Achsen
te mit genügender Genauigkeit als Mehrmassen-
kann die Wirkung aufeinander folgender Achsen ver-
schwinger modelliert werden (Cebon (1999)). Die
stärkt oder abgeschwächt werden.
wichtigsten Eigenschwingungsformen ergeben sich
Die Belagsebenheit lässt sich anhand der spektra-
durch Hub- und Nickschwingungen des Aufbaus mit
len Dichte des Längsprofils beschreiben und klassifi-
Eigenfrequenzen zwischen ca. 1.5 und 4 Hz sowie
zieren. Gerade im Hinblick auf das Verhalten einer
durch Hubschwingungen der Achsen im Bereich von
speziellen Brücke kann die spektrale Dichte jedoch
meist 10 bis 15 Hz. Bei den Aufbauschwingungen ist
nicht das wahre Fahrbahnprofil ersetzen, da sie keine
nicht nur deren Eigenfrequenz sondern auch die
Auskunft über die Lage von Unebenheit und nur be-
Dämpfung im Bereich von 10% der kritischen Dämp-
schränkte Informationen über allfällige Periodizitäten
fung von grösster Bedeutung.
enthält. Zudem werden „spezielle“ Fahrbahnuneben-
Bei der Fahrt eines Fahrzeugs werden die einzel-
heiten nicht auf geeignete Weise erfasst. Im Hinblick
nen Eigenschwingungen je nach Fahrbahnprofil und
auf die Überprüfung ist es auch nicht sinnvoll, einen
Geschwindigkeit in unterschiedlichem Masse ange-
strikten Zusammenhang zwischen einem gemesse-
regt. Die hochfrequenten Achseigenschwingungen
nen Fahrbahnprofil und einem Vergrösserungsfaktor
können bei der Analyse der Längsträger praktisch
für den Tragsicherheitsnachweis herzustellen. Über-
vernachlässigt werden, da sie normalerweise zu kei-
prüfungen werden bestenfalls alle fünf Jahre durchge-
nen nennenswerten Vergrösserungen im Bereich der
führt, die Belagsebenheit ändert sich jedoch mit der
Grundfrequenz führen. Für den Aufbau genügt es,
Zeit. Ausserdem reicht ein 5 cm hohes Schneehäuf-
eine einzige Eigenschwingungsform zu berücksichti-
chen, um die Situation völlig zu verändern.
gen, um den Einfluss der Fahrzeugmasse und des
3.3 Modellierung der Wechselwirkung Verhaltens der Aufhängung zu erfassen. Dies reflek-
tiert auch den Umstand, dass im ungünstigsten Fall
Auf der Basis eines vertieften Verständnisses der eine Schwingungsform dominiert. Als Modell für das
Fahrzeug – Brücke Wechselwirkung ist es möglich, Fahrzeug ergibt sich somit ein Einmassenschwinger.
geeignete Modelle zur quantitativen Analyse des Sys- Modell der Brücke: Brücken weisen als kontinu-
temverhalten zu entwickeln. Offensichtlich muss sich ierliches Tragsystem grundsätzlich eine unendliche
ein Modell aus drei Komponenten zusammensetzen: Zahl von Eigenschwingungsformen auf. Von Bedeu-
Der Brücke, dem Fahrzeug und der Anregung. Um tung sind jedoch nur jene, die sich leicht anregen las-
alle Phänomene möglichst präzise zu erfassen, ist ein sen und deren Form mit der Verformung infolge des
hoch entwickeltes Computerprogramm erforderlich. massgeblichen Lastfalls kongruent ist. Wenn der Bie-
Bei der Anwendung dieser Programme läuft man gewiderstand eines einfachen Balkens nachgewiesen
142
Zur Festlegung des „dynamischen Beiwerts“ bei der Überprüfung von Strassenbrücken
werden soll, dann besteht der massgebliche Lastfall das sehr schwere „Fahrzeug“ fast halbiert (Φ = 1.45).
aus der zu erwartenden Verkehrslast im gesamten Zu beachten ist bei diesem Resultat nur das Verhält-
Feld. Die entsprechende Durchbiegung entspricht nis zwischen den Vergrösserungsfaktoren, die absolu-
ziemlich genau der ersten Eigenschwingungsform. te Grösse ist direkt abhängig von den vorgegebenen
Das heisst, mit einer Anregung höherer Schwingungs- Fahrbahnunebenheiten.
formen ist nicht zu rechnen. Dies gilt auch für den Bei genauer Analyse zeigt sich, dass der Einfluss
Schubnachweis, für den die zweite Eigenschwin- der Fahrzeugmasse indirekt den Einfluss der Dämp-
gungsform von Bedeutung wäre. Folglich wird auch fung im System Brücke + Fahrzeug wiedergibt. Für
die Brücke als Einmassenschwinger modelliert, wobei das „Fahrzeug“ wurde jeweils eine Dämpfungsrate ζFz
die modale Masse der Hälfte der Gesamtmasse des = 10·ζBr = 10% angenommen, somit steigt die Dämp-
Balkens entspricht, und die Dämpfungsrate zu 1% fung im System mit zunehmender Fahrzeugmasse.
angenommen wird. Für Schwerfahrzeuge stellt 10% eine typische Dämp-
Modellierung der Anregung: Die Anregung des fungsrate der Aufhängung dar, für Personenwagen
Fahrzeug - Brücke Systems setzt sich im Fall von liegt der Wert wesentlich höher. Werte unter 10% sind
Fahrbahnunebenheiten aus dem Fahrbahnprofil und nur zu erwarten, wenn Fahrzeuge mit Blattfederungen
der Fahrgeschwindigkeit zusammen. Für gewisse geringfügig angeregt werden, wodurch die Reibungs-
Fragestellungen ist es zweckmässig, ein vereinfach- dämpfung zwischen den Stahllamellen nicht aktiviert
tes, sinusförmiges Profil anzunehmen, speziell zur wird, sowie bei Luftfederungen mit defekten Stoss-
Bestimmung der Übertragungsfunktion. Der Einfach- dämpfern.
heit halber wird der Einfluss der Fahrzeugposition auf Die in Abb. 6 gezeigten Simulationen erstrecken
die Stärke der Anregung nicht berücksichtigt, da die- sich über zwölf Anregungszyklen, was dem Beispiel
ser Einfluss bei Vergleichsrechnungen herausfällt. einer 35 m langen Brücke mit einer Grundfrequenz
von 3 Hz entspricht, welche periodische Unebenhei-
3.4 Einfluss der Systemparameter ten in 2.9 m Abstand aufweist und mit einer Ge-
Anhand des in Abb. 5 gezeigten Modells zur Simulati- schwindigkeit von 32 km/h überquert wird. Offensicht-
on der Fahrzeug - Brücke Wechselwirkung lässt sich lich genügt diese Anregung nicht, um den stationären
untersuchen, welchen Einfluss die Fahrzeug- und Zustand zu erreichen. Dies entspricht der Realität,
Brückenparameter auf das Systemverhalten haben. dass sich das System wegen der Irregularität des
Nachfolgend wird auf die Bedeutung der Fahrge- Fahrbahnprofils und der ständigen Ortsveränderung
schwindigkeit, des Massenverhältnisses meff / mFz, des Fahrzeugs immer in der transienten Phase befin-
des Frequenzverhältnisses fBr / fFz sowie der Dämp- det, d.h. der Einfluss der Anfangsbedingungen ist
fungsrate ζFz eingegangen. Die beiden Massen des noch am Abklingen. Die Anfangsbedingungen können
Modells werden mit „Brücke“ und „Fahrzeug“ bezeich-
net, da es sich nur um stark vereinfachte Repräsenta- a) 40
35 meff / mFz = 10
tionen handelt.
30
Verschiebung [mm]
30
schen den zwei Massen angezeigt. Abb. 6 a) enthält 25
20 “Fahrzeug”
das Resultat für ein Massenverhältnis meff / mFz = 10
15
und Abb. 6 b) dasjenige für ein Massenverhältnis 2.
10
Offensichtlich reagiert die „Brücke“ wesentlich schwä- 5 “Fahrbahnprofil” Fdyn,max
“Brücke” =1.45
cher auf das leichte „Fahrzeug“. Bezogen auf die sta- 0
Fstat
0 1 2 3 4 5
tische Auslenkung infolge des Fahrzeuggewichts ist -5
Zeit [s]
die maximale dynamische Verschiebung jedoch deut-
lich stärker: Für das leichte „Fahrzeug“ ergibt sich ein Abb. 6: Verschiebungsverläufe für unterschiedliche
Vergrösserungsfaktor Φ = 1.8, während sich dieser für Massenverhältnisse (Frequenzverhältnis fBr / fFz
= 1)
143
H. Ludescher und E. Brühwiler
6 4
5
“Fahrzeug”
3
4
3
“Brücke” 2
2
meff / mFz = 40 meff / mFz = 5
1 1
meff / mFz = 20 meff / mFz = 2
0 meff / mFz = 10 meff / mFz = 1
0 1.5 3 4.5 6
0
Anregungsfrequenz [Hz] 0 1 2 3 4
Frequenzverhältnis fFz / fBr
Abb. 7: Übertragungsfunktion des Systems Brücke +
Fahrzeug (meff / mFz = 10, fBr / fFz = 1) Abb. 8: Maximaler Vergrösserungsfaktor Φmax in Funktion
des Massen- und Frequenzverhältnisses
dabei variieren, indem das Fahrzeug bereits bei Errei-
chen der Brücke angeregt ist oder die Brücke noch in Vergrösserungsfaktoren ergeben als solche mit wei-
Folge einer vorausgegangenen Überfahrt aus- cheren Luftfederungen (Cantieni (1988) und Cantieni
schwingt. et al. (2000).
Einfluss der Fahrgeschwindigkeit: Es wurde be-
reits gezeigt, dass grundsätzlich eine Zunahme der 3.5 Multiple Fahrzeug - Brücke Wechselwirkung
dynamischen Effekte mit steigender Fahrgeschwin- Sobald eine Brücke mehr als eine Fahrspur oder eine
digkeit zu erwarten ist. Periodizitäten besonders aus- Spannweite über ca. 15 m aufweist, entspricht das für
geprägter Unebenheiten führen dazu, dass die maxi- den Tragsicherheitsnachweis massgebliche Gefähr-
male Vergrösserung bei dynamischen Belastungsver- dungsbild der Belastung durch mehr als ein Fahrzeug.
suchen normalerweise in einem eng begrenzten Be- Das heisst, tiefe Massenverhältnisse meff / mFz bedeu-
reich von Fahrgeschwindigkeiten gemessen wird. ten in der Regel, dass mehrere Fahrzeuge gleichzeitig
Dies lässt sich anhand der Übertragungsfunktion des auf die Brücke wirken. Da sich die dynamischen Ei-
Fahrzeug – Brücke Systems illustrieren (siehe Abb. genschaften verschiedener Fahrzeuge nicht gleichen
7). Diese gilt nur für lineares Systemverhalten, das und eine ganze Reihe verschiedener Szenarien
heisst solange die Räder nicht abheben und die Auf- (Kreuzung, Kolonne, Überholmanöver,..) denkbar ist,
hängung kein ausgeprägt nicht-lineares Steifigkeits- muss mit einer grossen Bandbreite möglicher Ver-
oder Dämpfungsverhalten aufweist. Die stärkste An- grösserungsfaktoren gerechnet werden. Um diese für
regung findet bei der Grundfrequenz des Systems die Tragsicherheit sehr relevante Fragestellung zu
statt, reduziert sich jedoch schnell bei entfernten An- erfassen, wurde das Modell gemäss Abb. 9 für die
regungsfrequenzen. Je nach Fahrbahnprofil einer multiple Fahrzeug – Brücke Wechselwirkung erwei-
Brücke kann die der Grundfrequenz entsprechende tert.
kritische Geschwindigkeit genau in den Bereich der Die Analyse zeigt, dass das Massenverhältnis meff /
Durchschnittsgeschwindigkeit fallen, oder ganz woan- mFz sowie das Anregungsszenario mit Abstand die
ders. wichtigsten Einflussfaktoren sind. Eine synchrone
Einfluss der Steifigkeit der Federung: Durch die Anregung ist theoretisch denkbar, wenn sich alle
Einführung eines absoluten Wertes der Anregungs- Fahrzeuge mit gleicher Geschwindigkeit und einem
amplitude lässt sich aus der Übertragungsfunktion der ganz gewissen Abstand über eine Wellenfahrbahn
maximale Vergrösserungsfaktor für die Brücke Φmax
bei Anregung in der Grundfrequenz bestimmen. In Szenario Φ
Abb. 8 ist dieser Wert in Funktion des Massen- und
1. Alle „Fahrzeuge“ werden in Phase angeregt 1.49
Frequenzverhältnisses auftragen. Sieht man von der
Wirkung von (für die Tragsicherheit irrelevanten) sehr 2. Die „Fahrzeuge“ werden genau gleichmässig 1.065
leichten Fahrzeugen ab (Massenverhältnis grösser phasenverschoben angeregt
10) so ergibt sich generell eine Zunahme von Φmax mit
3. Ein „Fahrzeug“ wird angeregt während drei 1.18
zunehmender Steifigkeit des „Fahrzeugs“. Je steifer
„Fahrzeuge“ stehen
das Fahrzeug, desto weniger werden Fahrbahnune-
benheiten abgefedert bzw. je stärker wird die Brücke 4. Beispiel für eine zufällige Phasenverschiebung 1.3
angeregt. Bestätigt wird dies durch experimentelle
Resultate, bei denen in der Regel Fahrzeuge mit sehr Tabelle 1: Dynamischer Vergrösserungsfaktor Φ für
multiple Fahrzeug-Brücke Interaktion in Ab-
steifen Blattfederungen bedeutendere dynamische hängigkeit des Szenarios
144
Zur Festlegung des „dynamischen Beiwerts“ bei der Überprüfung von Strassenbrücken
145
H. Ludescher und E. Brühwiler
146
Dynamische Untersuchungen an Brückenbauwerken
der Nationalstrasse A9 am Simplon
Armin Ziegler
Ziegler Consultants, Zürich
1 EINFÜHRUNG
Die Reaktion von Strassenbrücken auf die dynami- B2
B1
B5
147
A. Ziegler
Stat. Bau- Träger- Anzahl Lager- Länge Max. Spann- Trägerhöhe Schlank-
Nr. Name System stoff typ Felder ung (m) weite (m) (m) heit
Abkürzungen:
148
Dynamische Untersuchungen an Brückenbauwerken der Nationalstrasse A9 am Simplon
0.20
0.10
mm/s
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 sec
-0.10
-0.20
2.39 Hz
0.040
Abb. 6: Dynamischer Erreger von APS mit 30 kg schwin-
gender Masse
0.030
0.020
4.37 Hz
Frequenz-Kraft-Diagram
0.010
1000
mm/s
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Hz
Begrenzt durch
Abb. 5: Vertikale Hintergrunderschütterung auf der Gun- Wegamplitude
Begrenzt durch
100 Leistungsverstärker
149
A. Ziegler
0.007
0.006
Dyn. Verstärkung (mm/kN)
0.005
0.004
0.003
0.002
0.001
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Frequenz (Hz)
0.25
Dyn. Verstärkung (mm/kN)
0.2
0.05
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Frequenz (Hz)
0.35
0.25
0.2
0.15
0.1
0.05
0
0 2 4 6 8 10
Frequenz (Hz)
150
Dynamische Untersuchungen an Brückenbauwerken der Nationalstrasse A9 am Simplon
6.4
4.8
3.2
m 1.6
m
0.0
2. 4. 6. 8. 10. 12. 14. 16. 18. 20. 22. 24. 26. 28. 30. 32. 34. 36. 38. 40.
-1.6
-3.2
-4.8
-6.4
Time (s)
3.2 Messungen
Abbildung 13 zeigt die Durchbiegung des Brückenträ-
gers während ein 16 t LKW langsam auf die Brücke
Abb. 12: Deflektionsmessung bei der Brunnenbrücke B fährt, in der Mitte des Messfeldes stoppt und dann
langsam weiter fährt.
magnetostriktiver Wegsensor verwendet. Der Weg-
4 AUSWERTUNG DER MESSDATEN
sensor wurde an einer (bis zu 40 m) langen Kette
befestigt und gleitend mit einem Stativ unter der Brü- Die wichtigsten Ergebnisse der Messdaten-
cke verbunden (Abb. 12). Auf diese Weise konnte die Auswertung sind in Tabelle 2 zusammengestellt. In
vertikale Relativbewegung zwischen Brückenmitte den nachfolgenden Abschnitten werden diese Daten
und dem Boden unter der Brücke gemessen werden. interpretiert und in einen grösseren Zusammenhang
gestellt.
3.1 Wegsensor
4.1 Eigenfrequenzen
Das Arbeitsprinzip des magnetostriktiven Wegsensors
lässt sich – etwas vereinfacht – wie folgt beschreiben: Abbildung 14 zeigt die Korrelation zwischen Eigenfre-
Durch ein Messelement (Stab) wird ein Stromimpuls quenz und Spannweite für die 10 gemessenen Brü-
geschickt, der ein Magnetfeld verursacht. Gleichzeitig cken. Die blaue Kurve stellt die häufig verwendete
befindet sich an einer bestimmten Stelle des Mess- Gleichung zur Abschätzung von Eigenfrequenzen bei
elementes ein Positionsmagnet mit eigenen Feld. Der Brücken (f = 100/L) dar (mit L = max. Spannweite). In
Stromimpuls wird beim Positionsmagnet sozusagen ähnlicher Weise kann die Eigenfrequenz als Funktion
reflektiert. Die Positionsbestimmung erfolgt durch der Schlankheit dargestellt werden. Als Ansatz zur
Laufzeitmessung. Bestimmung der Eigenfrequenz könnte die Gleichung
f = 2000/s2 verwendet werden (mit s = Schlankheit).
Eigenfrequenz vertikal (Hz) 3.8 2 2.5 6 7.7 7.8 4.4 3.1 1.5 13
Eigenfrequenz quer (Hz) 2.4 1.7 1.2 5.3 7.7 2.8 3.5 2 1.2
Durchbiegung statisch (mm) (16 t LKW) 0.58 2 1.9 0.52 0.46 1.02 2.75 8.8
Durchbiegung dyn. (16 t LKW; Brett) 0.79 0.68 0.84 0.43 0.64 0.41 1.14 0.97
Durchbiegung statisch (mm) (Verkehr) 0.55 0.25 3.1 0.85 0.42 1.2 2.85 13.7
Durchbiegung dynamisch (mm) (Verkehr) 0.3 0.25 0.15 0.03 0.04 0.25 0.43 0.57
Stosszuschlag Brett 2.36 1.34 1.44 1.83 2.39 1.40 1.41 1.11
Stosszuschlag Verkehr 1.55 2.00 1.05 1.04 1.10 1.21 1.15 1.04
151
A. Ziegler
1
12
d-dynamisch
0.5
10 0
Eigenfrequenz (Hz)
A m p litu d e
-1 d-statisch d-total
6
-1.5
f = 100 / L
-2
4
-2.5
2
-3
Zeit
0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Spannweite (m) Abb. 16: Darstellung der statischen und dynamischen Brü-
ckeneinsenkung
Abb. 14: Eigenfrequenz als Funktion der Spannweite
4
10
3.5
9
3
8
7 2.5
Stosszuschlag
Eigenfrequenz (Hz)
6
2
5
f = 2000 / (s^2)
1.5
4
3 1
2
0.5
1
0
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
0 10 20 30 40 50 60
Eigenfrequenz (Hz)
Schlankheit
Abb. 15: Eigenfrequenz als Funktion der Schlankheit Abb. 17: Stosszuschlag (16 t LKW mit Brett) als Funktion
der Eigenfrequenz. (Rote Linie: Grenzwert Cantie-
ni / EMPA)
4.2 Stosszuschlag
stellt. Bei den Durchfahrten mit Brett liegen sie zwi-
Die Durchbiegung - und damit auch die Beanspru- schen 1 und 2.5, bei den Durchfahrten ohne Brett
chung - eines Brückenträgers während der Durchfahrt zwischen 1 und 2. Als Vergleich ist die von Cantieni
eines Fahrzeuges setzt sich zusammen aus der stati- (Beitrag zur Dynamik von Strassenbrücken unter der
schen und der dynamischen Durchbiegung bzw. Be- Überfahrt schwerer Fahrzeuge; Reto Cantieni; EMPA
anspruchung. In Abbildung 16 sind diese beiden An- Dübendorf, 1992) angegebene Grösse für den Stoss-
teile (d-statisch und d-dynamisch) schematisch dar- zuschlag dargestellt. Mit einer Ausnahme liegen alle
gestellt und summiert zur gesamten Durchbiegung (d- an den Simplonbrücken gemessenen Stosszuschläge
total). Der Stosszuschlag ist definiert als das Verhält- unter den Werten von Cantieni.
nis aus der gesamten Durchbiegung zur statischen Abbildung 19 zeigt den Einfluss des Lastwagen-
Durchbiegung. Wird in der Bemessung z.B. ein Stoss- gewichts (in Form der statischen Brückendurchbie-
zuschlag von 1.8 verwendet, so bedeutet dies nichts gung) auf den Stosszuschlag. Die gelben Punkte zei-
anderes, als dass implizit angenommen wird, die dy- gen den Stosszuschlag verschiedener – zufällig er-
namische Durchbiegung (bzw. Beanspruchung) sei fasster – Lastwagen. Der Stosszuschlag nimmt mit
nicht grösser als das 0.8-fache der statischen Durch- zunehmendem Lastwagengewicht leicht ab. Das Ver-
biegung (bzw. Beanspruchung). hältnis zwischen dynamischer Beanspruchung und
In Abbildung 17 und 18 sind die aus den Messun- statischer Beanspruchung ist somit nicht konstant,
gen an den Simplonbrücken ermittelten Stosszu- sondern für schwerere Lastwagen tendenziell kleiner
schläge in Funktion der Eigenfrequenz zusammenge- als für leichtere.
152
Dynamische Untersuchungen an Brückenbauwerken der Nationalstrasse A9 am Simplon
4 2
3.5 1.8
Stosszuschlag
1.6 mit Brett
3
1.4
2.5
Stosszuschlag
1.2
Stosszuschlag
2
1
1.5
0.8
1
0.6
0.5
0.4
0
0.2
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Eigenfrequenz (Hz) 0
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5
Statische Einsenkung
Abb. 18: Stosszuschlag (16 t LKW ohne Brett) als Funktion
der Eigenfrequenz.(Rote Linie: Grenzwert Cantie-
ni) Abb. 19: Stosszuschlag bei Brücke „Gunzigraben“ für ver-
schiedene LKW’s
153
A. Ziegler
gungskraft bekannt ist, lassen sich nicht nur die domi- 6 SCHLUSSFOLGERUNGEN
nanten Frequenzen sondern auch die dynamische
Die Messungen der Eigenfrequenzen und des Stoss-
Steifigkeit und die Dämpfung bestimmen. zuschlages an 10 Brücken des Simplonpasses haben
im Hinblick auf die Messmethodik folgendes gezeigt:
5.3 Impuls-Anregung
– Für die Bestimmung der Grundfrequenzen in verti-
Mit einer Impuls-Anlage - wie in Kapitel 2.3 beschrie-
kaler und in Querrichtung genügt eine „Ambient vib-
ben - lassen sich auf einfache Weise Vertikal- und
ration“-Messung vollauf.
Horizontalschwingungen bei sehr grossen Bauwerken
– Die Messung mit harmonischer Anregung hat den
erzeugen, mit denen Hauptfrequenzen und Dämp-
wesentlichen Vorteil, dass nicht nur die dominanten
fungswerte berechnet werden können. Für die Erzeu-
Frequenzen, sondern auch die dynamische Steifig-
gung von Brücken-Längsschwingungen hat sich die
keit und die Dämpfung ermittelt werden können.
Anlage nicht bewährt, was allerdings auch mit der Art
Nahe beieinander liegende Eigenfrequenzen las-
der Brückenlagerung zusammenhängen dürfte.
sen sich mit harmonischer Anregung besser identi-
Ein wichtiger Parameter bei der Impulsanregung
fizieren als mit der „Ambient vibration“-Messung.
ist die Stossdauer. Bei kurzer Stossdauer werden
– Eigenfrequenzen in Brücken-Längsrichtung sind
neben der Grundschwingung auch die höheren Fre-
sehr schwierig zu bestimmen.
quenzen angeregt, was bei der Eigenfrequenzbe-
– Deflektionsmessung mit einem Wegsensor, der an
stimmung nicht stört, aber die Bestimmung der Dämp-
einer Kette befestigt die Relativbewegung zwischen
fung erschwert. Die Stossdauer sollte etwa 1/8 bis 1/4
Brücke und Talboden misst, hat sich bestens be-
der Schwingdauer der interessierenden Schwingung
währt.
betragen, um – im Hinblick auf die Dämpfungsbe-
stimmung - eine optimale Anregung zu erzielen. Die gemessenen vertikalen Grundfrequenzen ent-
Die Impulsanregung bringt bei Brückenbauwerken sprechen einigermassen der häufig verwendeten
keine wesentlichen Vorteile gegenüber der harmoni- Gleichung f = 100/L zur Abschätzung von Eigenfre-
schen Anregung. Sie wurde bei den Simplonbrücken quenzen bei Brücken. Eine bessere Korrelation ergibt
deshalb auch nur vereinzelt eingesetzt. die Gleichung f = 2000/s2, in der die Eigenfrequenz
als Funktion der Schlankheit s dargestellt wird.
5.4 Verkehrsanregung Die gemessenen Stosszuschläge liegen bei den
Die Verkehrsanregung stellt auf den ersten Blick die Durchfahrten mit Brett zwischen 1 und 2.5, bei den
naheliegendste Anregungsart bei Brückenbauwerken Durchfahrten ohne Brett zwischen 1 und 2. Interes-
dar. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Ergeb- sant ist die Beobachtung, dass schwere Lastwagen
nisse (d.h. die Eigenfrequenz der Brücke) durch die kleinere dynamische Verstärkungen hervorrufen als
Eigenschwingung der Fahrzeuge verfälscht wird. leichtere Lastwagen. Dies bedeutet, dass die mit ei-
nem 20-t-Fahrzeug ermittelten Stosszuschläge nicht
5.5 Einsenkungsmessungen ohne weiteres auf 40-t-Fahrzeuge übertragbar sind.
154