Erstellung Einer Ausschreibung 2010-02-10
Erstellung Einer Ausschreibung 2010-02-10
Erstellung Einer Ausschreibung 2010-02-10
Die Nennung von Gesetzesstellen ohne Angabe des Gesetzeswerkes beziehen sich immer auf das
BVergG 2006 i.d.g.F.
Die angegebene Vorgangsweise orientiert sich im Wesentlichen an den Erfordernissen bei der Ver-
gabe von Bauleistungen durch öffentliche Auftraggeber; trotzdem wurde versucht, auch die Rahmen-
bedingungen von Dienst- und Lieferleistungen und – wo sinnvoll – von Sektorenauftraggebern zu
berücksichtigen.
Umfangreichere Besprechungen von Judikaten bzw. Zitate daraus sind grau hinterlegt.
Im Text kursiv gesetzte Passagen stellen die persönliche Meinung des Verfassers dar.
1 Grundsatzbestimmungen .................................................................................................. 1
1.1 Allgemeines ......................................................................................................................... 1
1.1.1 Rechtzeitigkeit der Einleitung eines Vergabeverfahrens ...................................................................................... 1
1.1.2 Projektierung und Ausschreibung umweltgerechter Leistungen .......................................................................... 1
1.1.3 Vergleichbarkeit der Angebote als Maßstab für die Ausschreibung ..................................................................... 1
1.1.4 Weitgehende Übereinstimmung von Ausschreibungsunterlagen und Leistungsvertrag ...................................... 1
1.1.5 Möglichkeit für (eindeutig festgelegte) Teilangebote ............................................................................................ 1
1.1.6 Variantenangebote ............................................................................................................................................... 2
1.1.7 Eine (einzige) Stelle für die rechtsgültige Unterschrift im Angebot ....................................................................... 2
1.1.8 Dokumentation der Mitwirkung Dritter an der Vorbereitung einer Ausschreibung ................................................ 2
1.1.9 Fachliche Voraussetzungen für die Vorbereitung einer Ausschreibung ............................................................... 2
8.2 Für die Beschreibung oder Aufgliederung der Leistung geeignete Leitlinien ........... 60
8.2.1 ÖNORMen .......................................................................................................................................................... 60
8.2.2 Standardisierte Leistungsbeschreibungen ......................................................................................................... 61
8.2.3 Zusatzpositionen („Z-Positionen“)....................................................................................................................... 63
8.2.4 Möglichkeit automationsunterstützter Angebotserstellung ................................................................................. 63
• Prüfung jener Bieter auf ihre Eignung, die nicht a priori auszuschließen waren: ............................................... 79
• Prüfung der Angebote jener Bieter, die geeignet sind: ....................................................................................... 80
10.3.1 Ausschluss von Bietern ...................................................................................................................................... 80
Mögliche Gründe des Ausschlusses bestimmter Unternehmer, aus anderen Gründen als denen mangelnder Eignung .. 80
10.3.2 Zwingendes Ausscheiden von Angeboten aus formalen Gründen ..................................................................... 80
10.3.3 Prüfung der Eignung der Bieter .......................................................................................................................... 81
10.3.4 Ausscheiden von Angeboten aus inhaltlichen Gründen ..................................................................................... 83
Das sind jedenfalls.............................................................................................................................................................. 83
10.5 Prüfung, welche fehlenden Unterlagen nachgereicht werden können ....................... 86
10.6 Inhaltliche Prüfung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien ............................. 88
10.7 Aufklärungsgespräche (während der Zuschlagsfrist) .................................................. 91
10.7.1 Prüfvermerk des Auftraggebers auf Angeboten ................................................................................................. 91
11 Niederschrift über die Angebotsprüfung und den Vergabevorschlag ....................... 92
12 Berichts- und Verständigungspflichten ......................................................................... 93
12.1 Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung..................................................................... 93
12.2 Bekanntgabe der Zuschlagserteilung ............................................................................. 93
12.3 Vergabevermerk ................................................................................................................ 93
12.4 Statistikpflichten oberhalb der EU-Schwellenwerte ...................................................... 94
13 Widerruf der Ausschreibung ........................................................................................... 95
13.1 Bekanntgabe der Widerrufsentscheidung...................................................................... 95
13.1.1 Widerruf vor Angebotsöffnung ............................................................................................................................ 95
13.1.2 Widerruf nach Angebotsöffnung ......................................................................................................................... 95
Abkürzungen
1 Grundsatzbestimmungen
1.1 Allgemeines
Sofern nicht ein Vergabeverfahren ohne Bekanntmachung durchgeführt werden soll, ist die Aus-
schreibung so rechtzeitig bekannt zu machen, dass die Auftragsvergabe nach den Bestimmungen
des BVergG ermöglicht wird.1
Dabei ist auf geeignete technische Spezifikationen Bezug zu nehmen; weiters soll der Konzeption für
alle Benutzer2, insbesondere für Menschen mit Behinderung,3 und der Umweltgerechtigkeit und
Nachhaltigkeit Rechnung getragen werden.4
Soll die Leistung ggf. in Teilen vergeben werden, ist die Ausschreibung soll zu gestalten, dass der
Bieter Teilangebotspreise bilden kann (der Auftraggeber legt in der Ausschreibung, soweit dies
sinnvoll möglich ist, Teile der Gesamtleistung fest, die einzeln angeboten werden können).7
1
§ 78 Abs 1
2
§ 78 Abs.2
3
§ 87
4
§ 78 Abs 2
5
§ 78 Abs 3
6
§ 78 Abs 4.
7
§ 22 Abs. 1, § 78 Abs 5.
Seite |2
1.1.6 Variantenangebote
Sieht die Ausschreibung Varianten vor, so ist sie so zu gestalten, dass der Bieter Varianten-
angebotspreise bilden kann.8
In den Ausschreibungsunterlagen ist grundsätzlich nur eine Stelle für die rechtsgültige Unterschrift des
Angebotes durch den Bieter vorzusehen.9
Die Vorbereitung einer Ausschreibung darf nur Personen übertragen werden, die über die fachlichen
Voraussetzungen hierfür verfügen. Erforderlichenfalls sind unbefangene Sachverständige
beizuziehen. 11
Der geschätzte Auftragswert ist vom Auftraggeber sachkundig zu ermitteln12. Dazu stellte das BVA in
einer Leitentscheidung fest, dass der primäre Maßstab für die Ermittlung des geschätzten Auftrags-
wertes jener Wert sein muss, den ein umsichtiger und sachkundiger öffentlicher Auftraggeber nach
sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegmentes und im Einklang mit den Erfordernissen
betriebswirtschaftlicher Finanzplanung bei der Anschaffung der vergabegegenständlichen Sache
veranschlagen würde.13 Ähnliche Anforderungen an die Sorgfalt stellte der (deutsche) BGH an die
Sorgfalt bei der Ermittlung des geschätzten Auftragswertes, die "eine Prognose ist, die dann nicht zu
beanstanden ist, wenn sie unter Berücksichtigung aller verfügbarer Daten in einer der Materie
angemessenen und methodisch vertretbaren Weise erarbeitet wurde14."
Eine - reine - Schätzung auf der Basis von Käufen in den Vorjahren unter dem Analogieschluss, dass
sich die Preise nicht verändert haben, wurde vom BVA in älteren Entscheidungen als nicht den
Kriterien der Sachkunde und der Nachvollziehbarkeit entsprechend gewertet, unabhängig davon,
dass die Angebotspreise der drei preislich niedrigsten Angebote unterhalb des Schwellenwertes
lagen.15
8
§ 78 Abs 6.
9
§ 78 Abs 7.
10
§ 78 Abs 8.
11
§ 78 Abs 9.
12
§ 13 Abs 3
13
BVA 4.12.1997 F-10/97-14.
14
BGH 8.9.1998 X ZR 99/96, zitiert nach Heid/Hauck/K. Preslmayr, Handbuch des Vergaberechts (2002), .
15
BVA 4.5.2000 F-27/99-10.
Seite |3
In pragmatischeren Entscheidungen kam das BVA hingegen zum Schluss, dass trotz Zweifel an der
Plausibilität der Berechnung des geschätzten Auftragswertes durch den Auftraggeber, die von der
Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren als "vollkommen unrealistisch" bezeichnet worden war, die
Zuordnung des Auftrags zum Unterschwellenbereich nicht dem BVergG widerspreche, da die drei16
bzw. vier17 preisgünstigsten Angebote im Unterschwellenbereich lägen. Es spricht mE alles für diese
Entscheidungen des BVA, da sie auch dem Faktum der Schätzungenauigkeit, die sich allerdings in
einer angemessenen Bandbreite halten muss,18 Rechnung tragen.
Das bedeutet, dass der Auftraggeber - jedenfalls bei Überschreiten des zulässigen Höchstwertes für
die Wahl der Direktvergabe - bei fehlender Sachkunde sich einer im jeweiligen Fachgebiet sachver-
ständigen Person zu bedienen hat19.
Bezüglich der Ermittlung des geschätzten Auftragswertes von Bauleistungen gibt die ÖNORM
B 1801-1 mit dem Kostenanschlag die maßgebliche Bezugseinheit vor, dieser wird auf der Basis der
Entwurfs- oder Einreichplanung, der Objektbeschreibung und des generellen Terminablaufplanes
erstellt20.
Der geschätzte Auftragswert ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln. Für die Ermittlung des ge-
schätzten Auftragswertes können weder die Schätzungen des Auftraggebers noch die Preise der tat-
sächlich eingelangten Angebote für sich alleine maßgeblich sein, da sonst die Ermittlung des ge-
schätzten Auftragswertes von den subjektiven Vorstellungen der jeweiligen Bieter bzw des Auftrag-
gebers abhängig wäre21. Bei der Ermittlung sind jene Leistungen zu erfassen, die im konkreten Fall
tatsächlich notwendig sind, einschließlich der zu erwartenden Erschwernisse und Risken.22 Maß-
geblich ist der Verkehrs- oder Marktwert, zu dem eine bestimmte Leistung zum maßgebenden Zeit-
punkt am Markt erhältlich ist.23
16
BVA 1.3.2000 N-52/99-22 u BVA 27.9.2001 N-96/01-8
17
BVA 24.2.2003 06N-5/03-13
18
Boesen, Vergaberecht. Kommentar zum 4. Teil des GWB (2000) § 100 Rz 19 setzt 5 % als zulässiges Ausmaß an
Schätzungenauigkeit an, was mE zu niedrig ist.
19
§ 79 Abs. 9 BVergG 2006. IdS Heid/Hauck/K. Preslmayr, Handbuch des Vergaberechts (2002)
20
ÖNORM B 1801-1, 1.5.1995, P 2.3.4; in Konkretisierung dazu P 4.3.4: "Der Kostenanschlag dient als Kostenvorgabe für die
Auftragsvergabe und als Kostenkontrolle (Soll-/Ist-Vergleich mit der Kostenberechnung). Er bildet die Grundlage für die
Entscheidung über die Ausführungsplanung und die Vorbereitung der Vergabe."
21
BVA 4.12.1997 F-10/97-14
22
VK Rheinland-Pfalz 6.7.2000 1 Verg. 1/99 mit folgender Begründung: "Eine vertragliche Regelung, wonach solche Risken
und Erschwernisse in den angebotenen Einheitspreise einzubeziehen sind und später nicht gesondert abgerechnet werden
können, führt entgegen der Auffassung der Vergabestelle nicht dazu, dass sich solche besonderen Risken gewissermaßen
'in Nichts auflösen'."
23
Kemper in Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar. Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil A (2001) § 1a
Rz 23.
24
Kemper in Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar. Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil A (2001) § 1a
Rz 46.
25
VK Nordbayern 26.3.2002 Az. 320.VK-3194-05/02
Seite |4
Bei der Berechnung des geschätzten Auftragswertes nicht zusammenzurechnen sind die Beschaffun-
gen rechtlich oder haushalts-/budgetmäßig getrennter Organisationseinheiten26 . Anderes gilt nur,
sofern diese gleichzeitig und in gegenseitiger Abstimmung gleiche Leistungen zur Vergabe bringen27.
Sämtliche Schwellenwerte des Richtlinienrechts sind ohne Umsatzsteuer festgelegt,28 daher hat
diese bei der Ermittlung des geschätzten Auftragswertes außer Betracht zu bleiben29.
Der Zeitpunkt der Ermittlung des geschätzten Auftragswertes ist die Einleitung des Vergabever-
fahrens, dh. der erste nach außen tretende Schritt des Auftraggebers30. Vergaberechtlich maßgeblich
ist der Zeitpunkt der Absendung der Vergabebekanntmachung31 beim offenen Verfahren, beim nicht
offenen Verfahren mit Bekanntmachung, beim Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung, bei der
Rahmenvereinbarung und bei der elektronischen Auktion oder der Zeitpunkt der - direkten - Ein-
ladung von Unternehmern zu einem Vergabeverfahren32.
26
Müller in Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/A. Vergaberecht - Rechtsschutz (2000) § 1a Rz 82; Heid/Hauck/K. Preslmayr,
Handbuch des Vergaberechts (2002),
27
IdS BVA 5.10.2001 N-73/01-36 (Straßenumbau B 13a Liesingtalstraße) zur Zusammenrechnungspflicht der organisatorisch
von verschiedenen Organisationseinheiten veranlassten Leistungen für Straßenbau, Grünbau, öffentliche Beleuchtung und
Verkehrsprovisorien, Verkehrsleiteinrichtungen sowie Verkehrslichtsignalanlagen
28
LKR Art 5; BKR Art 6; DKR Art 7; SKR Art 14; VergabeRL 2004 Art 9; SektorenRL 2004 Art 17
29
Sh. Kommentierung zu § 9.
30
Art 14b Abs 2 BVG. EuGH 5.10.2000 Rs C-337/98 Kommission/Frankreich (Stadtbahn Rennes) Rz 40, bei einer Auftragsver-
gabe im Sektorenbereich, wobei das Vergabeverfahren zwar vor Inkrafttreten der SKR 1990 eingeleitet, aber erst am
22.11.1996 abgeschlossen wurde: "Zu dem Vorbringen der Kommission, wonach es für die Geltung der Richtlinie 93/38 auf
das Datum der Auftragsvergabe ankomme, genügt die Feststellung, dass es gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit
verstoßen würde, das anwendbare Recht anhand des Datums der Auftragsvergabe zu bestimmen, da dieses Datum das
Ende des Verfahrens bezeichnet, während die Entscheidung des öffentlichen Auftraggeber für oder gegen einen vor-
herigen Aufruf zum Wettbewerb in der Regel zu Beginn des Verfahrens getroffen wird."
Inhaltlich gleich VK Rheinland-Pfalz 6.7.2000 1 Verg. 1/99 noch mit dem weiteren Hinweis, dass zum Zeitpunkt der Schät-
zung des Auftragswertes kein Angebot vorliegen soll, um die für den Schwellenwert maßgebliche Schätzung des Auf-
tragswertes unbeeinflusst von der Kalkulation der Angebote durch die Bieter nach objektiven Kriterien zu erstellen.
Inhaltlich gleich wie die zuvor zitierten Judikate Müller in Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/A. Vergaberecht - Rechts-
schutz (2000) § 1a Rz 86; Rusam in Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB/Teile A und B (2000) § 1a Rz 14.
31
Für den Bereich der öffentlichen Auftraggeber: § 39 im Oberschwellenbereich bzw § 44 im Unterschwellenbereich u bei
Dienstleistungskonzessionen; für den Sektorenbereich § 125 im Oberschwellenbereich.
32
BVA 10.9.2003 02F-18/02-35.
Seite |5
Unabhängig vom Auftragswert sind nach dem BVergG 2006 gleichwertig das offene Verfahren und
das nicht offene Verfahren mit Bekanntmachung als Regelverfahren anzusehen.34 Das entspricht
auch dem europäischen Vergaberecht.
• Das offene Verfahren35 ist immer ein einstufiges Verfahren, bei dem eine unbeschränkte Anzahl
von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Dabei wird- als einzigem
Verfahren - die Eignung der Bieter erst dann geprüft, nachdem die Angebote eingereicht wurden.
In den Ausschreibungsunterlagen müssen alle für die Bewertung der Bieter und der Angebote
relevanten Anforderungen und Kriterien, die die Vergleichbarkeit der Angebote sicherstellen,
angeführt sein.
• Das nicht offene Verfahren mit Bekanntmachung36 ist ein zweistufiges Verfahren, bei dem,
nachdem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von
Teilnahmeanträgen aufgefordert wurde, ausgewählte Bewerber zur Abgabe von Angeboten
aufgefordert werden. In der Bekanntmachung ist festzulegen, ob alle geeigneten Bewerber oder
eine fixe Zahl bzw. eine Marge ausgewählter Bewerber zur Einreichung eines Angebotes auf-
gefordert werden können (die Eignung ist vor der Einladung zur Erstellung eines Angebotes zu
prüfen). In den Ausschreibungsunterlagen (zweite Stufe) müssen alle für die Bewertung der
Angebote und der Bieter maßgeblichen Anforderungen und Kriterien angeführt sein,
Verhandlungen über den Auftragsgegenstand oder den Preis sind unzulässig, die Bieter haben
im Regelfall Gelegenheit zu erhalten, an der Angebotsöffnung teilzunehmen.
• Das Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung37 ist ein zweistufiges Verfahren , bei dem,
nachdem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von Teilnahme-
anträgen aufgefordert wurde, ausgewählte Bewerber zur Abgabe von Angeboten aufgefordert
werden. Dieses Verfahren, das oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte des BVergG als Aus-
nahmeverfahren - ausgenommen geistige Dienstleistungen und Finanzdienstleistungen – anzu-
sehen ist, gleicht im wesentlichen dem nicht offene Verfahren mit Bekanntmachung; allerdings
sind Verhandlungen über den Auftragsgegenstand und den Preis vorgesehen und die Bieter
dürfen an der (am besten: kommissionellen) Angebotsöffnung nicht teilnehmen. Der Grundsatz
der Gleichbehandlung der Bieter ist aber auch beim Verhandlungsverfahren zu beachten.
• Das nicht offene Verfahren ohne Bekanntmachung38 ist ein einstufiges Verfahren (nur im
Unterschwellenbereich), bei dem der Auftraggeber die Eignung und die Angebotswilligkeit vor
Einladung zur Einreichung eines Angebotes überprüfen muss. Die Bieter werden direkt zur Ange-
33
§ 25
34
§ 27
35
§ 25 Abs 2
36
§ 25 Abs 3
37
§ 25 Abs.5
38
§ 25 Abs 4
Seite |6
botseinreichung aufgefordert. Verhandlungen über den Auftragsgegenstand oder den Preis sind
unzulässig, die Bieter haben i.d.R. Gelegenheit, an der Angebotsöffnung teilzunehmen.
• Das Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung39 ist ein einstufiges Verfahren (in taxativ
aufgezählten Fällen).Es läuft im Wesentlichen wie das nicht offene Verfahren ohne Bekannt-
machung ab, allerdings sind Verhandlungen über den Auftragsgegenstand und den Preis vorge-
sehen und die Bieter dürfen an der (kommissionell durch den Auftraggeber erfolgenden)
Angebotsöffnung nicht teilnehmen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter ist aber auch
beim Verhandlungsverfahren zu beachten.
• Die Direktvergabe40 ist einstufiges Verfahren: Sinn ist es, bei derartigen Leistungen die Kosten
des Beschaffungsvorganges möglichst gering zu halten. Zu beachten ist sicher das Teilungsver-
bot (nicht nur aus vergaberechtlichen sondern auch aus haushaltsrechtlichen Gründen).41
• Die elektronische Auktion42 ist eine (zweite) Verfahrensstufe, bei der als erste Verfahrensstufe
eines der anderen Vergabeverfahren vorausgegangen sein muss.
• Die Rahmenvereinbarung43 ist eine Vergabe im Anschluß an ein offenes Verfahren oder ein Ver-
fahren mit Bekanntmachung und vom Rahmenauftrag44 zu unterscheiden. Sie ist „eine Verein-
barung ohne Abnahmeverpflichtung zwischen einem oder mehreren Auftraggebern und einem
oder mehreren Unternehmen, die zum Ziel hat, die Bedingungen für die Aufträge, die während
eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf
den in Aussicht genommenen Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge“.
Hier besteht eine einseitige Bindung des Auftragnehmers, die aber im Rahmen des Verhältnis-
mäßigkeitsgrundsatzes gesehen werden wird müssen (d.h. der Bieter wird nicht immer alle
Kapazitäten zum niedrigstmöglichen Preis vorhalten können).
• Ein Wettbewerblicher Dialog46 ist ein Verfahren, bei dem sich alle Unternehmer um die
Teilnahme bewerben können und bei dem der öffentliche Auftraggeber einen Dialog mit den zu
39
§ 25 Abs. 6
40
§ 25 Abs. 10
41
M.E. ist vor dem Einholen von „Vergleichsangeboten“ zu warnen, da dadurch der Tatbestand des Verhandlungsverfahrens
erfüllt sein könnte; es sollten, falls dies sinnvoll erscheint, „unverbindliche Kostenvoranschläge“ eingeholt werden, die auch
die betroffenen Unternehmer vor keinen großen Aufwand stellen sollten.
42
§§ 146-149 BVergG
43
§ 25 Abs. 7, §§ 150-152
44
Der Rahmenauftrag (der oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte immer zulässig war und dies auch weiterhin ist)
bedeutet, dass geschätzte 100 % einer Leistung als Rahmen ausgeschrieben werden, derjenige, dem der Auftrag
zugeschlagen wird, erbringt die Leistung in der tatsächlich anfallenden Menge, die mit 100 % des ausgeschriebenen
Umfangs begrenzt werden kann.
45
§ 25 Abs. 8, §§ 156-158
46
§ 25 Abs. 9, §§ 159-162
Seite |7
diesem Verfahren zugelassenen Bewerbern führt, um eine oder mehrere seinen Bedürfnissen
entsprechende Lösungen herauszuarbeiten, auf deren Grundlage bzw. Grundlagen die ausge-
wählten Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.
Die Schwellenwerte (ohne USt) betragen für den Zeitraum 1.1.2010 - 31.12.201247
• 193.000 € für Liefer- und Dienstleistungsaufträge sowie Wettbewerbe aller übrigen öffentlichen
Auftraggeber;
2.2.2 Sektorenauftraggeber
2.3 Subschwellenwerte
Bei Aufträgen öffentlicher Auftraggeber mit nachfolgend angeführtem geschätztem Auftragswert ohne
USt gilt:
• < 40.000,-- €: Die Wahl der Direktvergabe ist bei allen Auftragsarten zulässig48.
• < 60.000,-- € bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen: Die Wahl des Verhandlungsverfahrens
ohne Bekanntmachung mit (i.d.R.) mindestens drei Unternehmern ist zulässig49.
• < 80.000,-- € bei Bauaufträgen: Die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Bekanntmachung
mit (i.d.R.) mindestens 3 Unternehmern ist zulässig50.
• < 80.000,-- € bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen: Die Wahl des nicht offenen Verfahrens mit
(i.d.R.) mindestens 5 Unternehmern ist zulässig51.
• ≤ 62.500,-- € bei zentralen Beschaffungsstellen bzw. ≤ 96.500,-- € bei allen übrigen Auftrag-
gebern: Geistige Leistungen können im Verhandlungsverfahren mit nur einem Unternehmer ver-
geben werden, wenn die Durchführung eines wirtschaftlichen Wettbewerbs im Hinblick auf den
geschätzten Auftragswert wirtschaftlich nicht vertretbar wäre52.
47
Verordnung der Kommission Nr. 1177/2009, ABl. EU Nr. L 314/64 vom 1.12. 2009
48
§ 41 Abs. 2
49
§ 38 Abs 2 Z 2
50
§ 38 Abs 2 Z 1
51
§ 37 Z 2
52
§ 38 Abs 3
Seite |8
• < 120.000,-- € bei Bauaufträgen: Die Wahl des nicht offenen Verfahrens mit (i.d.R.) mindestens 5
Unternehmern ist zulässig53.
• < 1,000.000,-- € bei Bauaufträgen: Die Wahl des Verhandlungsverfahrens mit Bekanntmachung
ist zulässig54.
55
2.4 Sonderregelungen bis 31.12.2010
• ≤ 100.000 € Zulässigkeit der Wahl der Direktvergabe, der Wahl des Verhandlungsverfahrens
ohne vorherige Bekanntmachung, der Wahl des nicht offenen Verfahrens ohne Bekanntmachung
bei Liefer- und DL-Aufträgen und der Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Bekanntmachung
bei Bauaufträgen.
2.5.1 Lieferaufträge
Wird der Schwellenwert bei Zusammenzählen aller Lose erreicht oder überschritten, so sind alle Lose
eines Lieferauftrags ≥ 80.000 € europaweit nach dem Bestimmungen für den Oberschwellenbereich
auszuschreiben; Lose < 80.000 € müssen dann nicht europaweit ausgeschrieben werden, wenn der
kumulierte Wert der vom Auftraggeber ausgewählten Lose 20 % des kumulierten Wertes aller Lose
nicht übersteigt56.
2.5.2 Dienstleistungsaufträge
Wird der Schwellenwert bei Zusammenzählen aller Lose erreicht oder überschritten, so sind alle Lose
eines Dienstleistungsauftrags ≥ 80.000 € europaweit nach den Bestimmungen für den Ober-
schwellenbereich auszuschreiben; Lose < 80.000 € müssen dann nicht europaweit ausgeschrieben
werden, wenn der kumulierte Wert der vom Auftraggeber ausgewählten Lose 20 % des kumulierten
Wertes aller Lose nicht übersteigt57.
2.5.3 Bauaufträge
Erreicht oder übersteigt der kumulierte Wert aller Lose gemäß Kostenschätzung des Auftraggebers
den Schwellenwert, so sind alle Lose ≥ 1,000.000 € europaweit nach den Bestimmungen für den
Oberschwellenbereich auszuschreiben; Lose < 1,000.000 € müssen dann nicht europaweit ausge-
schrieben werden, wenn der kumulierte Wert der vom Auftraggeber ausgewählten Lose 20 % des
kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt58.
53
§ 37 Z 1
54
§ 38 Abs. 1
55
125. Verordnung des Bundeskanzlers vom 29.4.2009, Schwellenwerteverordnung 2009
56
§ 15 Abs. 4
57
§ 16 Abs. 5
58
§ 14 Abs. 3
Seite |9
2.6.1 Lieferaufträge
Das BVergG sieht für Auftragsvergaben im Unterschwellenbereich vor, dass Lose, deren Wert
40.000,-- € ohne USt nicht erreicht, im Wege der Direktvergabe vergeben werden dürfen, sofern der
kumulierte Wert dieser Lose 40 % des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt59.
2.6.2 Dienstleistungsaufträge
Das BVergG sieht für Auftragsvergaben im Unterschwellenbereich vor, dass Lose, deren Wert
40.000,-- € ohne USt nicht erreicht, im Wege der Direktvergabe vergeben werden dürfen, sofern der
kumulierte Wert dieser Lose 40 % des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt 60(und sofern es
sich nicht um einen Auftrag an einen Generaldienstleistungsauftrag handelt - z.B. Generalplaner oder
Facility Manager).
2.6.3 Bauaufträge
Es gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes für alle Lose61. Grundregel ist, wie im Oberschwellen-
bereich, dass der Auftragswert je Gewerk (gemäß Anhang I zum BVergG) für die Bestimmung der
weiteren Vorgangsweise heranzuziehen ist (sofern es sich nicht um einen Generalunternehmer-
auftrag handelt).
59
§ 15 Abs. 5
60
§ 16 Abs. 6
61
§ 14 Abs. 4
S e i t e | 10
In der Ausschreibung ist der Auftraggeber oder der Auftraggeber und die vergebende Stelle genau zu
bezeichnen63.
3.3 Nachprüfungsinstanz
In der Ausschreibung ist die für die Nachprüfung des jeweiligen Vergabeverfahrens zuständige
Vergabekontrollbehörde anzugeben . 66
62
Sh. Abschnitt 5.6 und 5.7
63
§ 79 Abs 1.
64
ebda
65
Sh . Abschnitt 2.5.
66
§ 79 Abs 1.
S e i t e | 11
Zu den Listen der Gewerbe siehe auf der Homepage des BMWFJ67. Vergaberechtlich heikel ist
praktisch nur die letzte der drei angeführten Kategorien; hier ist maßgeblich, ob das Verfahren
zeitgerecht eingeleitet wurde.
Das BVergG regelt auch, dass im Vergabeverfahren auf die Beschäftigung von Frauen, von Per-
sonen im Ausbildungsverhältnis, von Langzeitarbeitslosen, von Menschen mit Behinderungen
und älteren Arbeitnehmern sowie auf Maßnahmen zur Umsetzung sonstiger sozialpolitischer
Belange Bedacht genommen werden kann. Dies kann insbesondere durch die Berücksichtigung
derartiger Aspekte bei der Beschreibung der Leistung, bei der Festlegung der technischen Spezifi-
kationen, durch die Festlegung konkreter Zuschlagskriterien oder durch die Festlegung von Bedin-
gungen im Leistungsvertrag erfolgen.
Heftig umstritten waren (und sind z.T. immer noch) die so genannten „vergabefremden Kriterien“ als
Zuschlagskriterien, die seit dem BVergG 2002 ausdrücklich zugelassen sind. Der sachlich anzu-
legende Maßstab aus europarechtlicher Sicht dürften die Kriterien darstellen, die der Europäische
Gerichtshof im Urteil in der Rechtssache „Finnische Busse“69 im Zusammenhang mit dem
Zuschlagskriterium „Umweltschutz“ aufgestellt hat: Derartige Kriterien
Der Auftraggeber kann in der Ausschreibung die als wesentlich geltenden Positionen kennzeichnen70.
Diese können dann für die vertiefte Angebotsprüfung nach § 125 herangezogen werden.
67
http://www.bmwfj.gv.at/Unternehmen/Gewerbe/Seiten/ListederUnternehmenstätigkeiten.aspx
68
§ 19 Abs 6
69
EuGH, Rs. C-513/99, „Concordia Bus Finland Oy Ab gegen Gemeinde Helsinki und HKL Bussiliikenne“, Urteil vom 17.9.
2002.
70
§ 79 Abs 4
71
§ 79 Abs 5
S e i t e | 12
Grundregel: Enthält die Ausschreibung keine Festlegung, so sind Rechenfehler ≥ 2 % zulässig, eine
Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers [im Angebot des betroffenen Bieters] ist hin-
gegen unzulässig73.
Der Auftraggeber kann Alternativangebote zulassen, er kann sie aber auch ohne nähere Begründung
für unzulässig erklären. Enthält die Ausschreibung keine Festlegungen zu Alternativangeboten, so
sind sie in jedem Fall unzulässig76.
Der Auftraggeber kann - frei - entscheiden, ob er technische, wirtschaftliche oder rechtliche Alternativ-
angebote zulässt; der Auftraggeber muss aber in den Ausschreibungsunterlagen erklären, welche Art
von Alternativangeboten er zulässt77.
Sind Alternativangebote gemäß Ausschreibungsunterlagen zulässig, dann sind sie, sofern in der Aus-
schreibung nicht Anderes vorgesehen ist, nur neben einem ausschreibungsgemäßen Hauptangebot
zulässig78.
72
§ 79 Abs 6
73
§ 126 Abs. 4
74
§ 81
75
§ 81 Abs. 1 erster Satz. Umsetzung des Urteils EuGH in der Rs. C-421/01 vom 16.10.2003 – „Traunfellner gegen ASFINAG“.
76
Das in diesem Absatz dargestellte Regelungsregime entspricht genau jenem der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG.
77
§ 81 Abs. 1 zweiter Satz.
78
§ 81 Abs. 1 dritter Satz.
79
§ 81 Abs. 2.
S e i t e | 13
kriterien bezieht - so vermeint es der EuGH in seinem, m.E. zumindest teilweise missglückten, Urteil
in der Rs. "Traunfellner gegen ASFINAG"80.
Die Vergabekammern und Oberlandesgerichte in der Bundesrepublik Deutschland sehen das prag-
matisch - sind keine gesonderten Mindestanforderungen für Alternativangebote in der Ausschreibung,
dann gelten sinngemäß die selben Kriterien wie für Hauptangebote; m.E. ist das eine goldene Regel.
Formalistisch, etwa im Sinne des "Traunfellner"-Urteils des EuGH und der Linie des Bundesvergabe-
amtes folgend, kann der Auftraggeber in dieser Fallkonstellation in Probleme geraten. Die Aspekte
der Logik und der Zweckmäßigkeit seien in diesem Zusammenhang ausgeklammert.
Während hier von einer gewissen "Ähnlichkeit" ausgegangen werden kann, ist der gegenteilige Fall
das "aliud", dass also eine völlig andere als die ausgeschriebene Lösung angeboten wird.
M.E. kann dies bei einer funktionalen Ausschreibung81 möglich sein; zu fragen ist, ob es
Alternativangebote bei einer funktionalen Ausschreibung geben kann.
Bei einer konstruktiven Ausschreibung wird ein "aliud",82 folgt man der großen Linie der Recht-
sprechung, ein unzulässiges Alternativangebot sein.
3.9.2.1 Konkreter Regelungsbedarf auf Grund der Forderungen aus der Praxis
Durch das bereits angesprochene Urteil des EuGH in der Rs. "Traunfellner gegen ASFINAG" musste
die Zulässigkeit von Alternativangeboten auf Ausschreibungen auf der Grundlage des Bestangebots-
prinzips eingeschränkt werden.
Vor allem seitens der Vergabespezialisten der Landesbaudirektionen wurde die Notwendigkeit,
geringfügige technische Änderungen auch bei Ausschreibungen nach dem Niedrigstpreisprinzip zu-
zulassen, in die Diskussion um die Neugestaltung des Vergaberechts eingebracht. Die Bund-Länder-
Arbeitsgruppe, die unter Vorsitz und Federführung des Bundeskanzleramtes Vorarbeiten für das
BVergG 2006 leistete, verschloss sich dieser Forderung nicht und so wurde eine diesbezügliche
Regelung unter dem Begriff "Nebenangebot" in den Begutachtungsentwurf für das BVergG 2006
aufgenommen. Da dieser Begriff - offenbar im Zusammenhang mit einer unerwartet guten Kenntnis
des bundesdeutschen Vergaberechts84 - zu Verwirrung geführt hat, fand dieser Regelungstatbestand
unter dem Begriff "Abänderungsangebot" in das BVergG 2006 Eingang.
80
Das Bundesvergabeamt hatte die Richtlinien und Vorschriften für den Straßenbau (RVS) in den Vorlagefragen als "Rechts-
vorschrift" bezeichnet und der EuGH hat das in dieser Form aufgegriffen (v.a. Rz. 28). Nun sind die RVS zweifellos eine
Rechtsvorschrift iwS, soweit es um Vertragsbedingungen rechtlicher Art geht. Hier ging es konkret um die Herstellung einer
zweischichtigen Betondecke für einen Autobahnabschnitt und die diesbezüglichen - technischen - Anforderungen. Was
daran eine "Rechtsvorschrift" sein soll, ist mir persönlich nicht klar. Auf Grund der eigentümlichen Vorlagefragen ist auch
das Urteil des EuGH etwas eigentümlich ausgefallen.
81
§§ 95 Abs 3 und 96 Abs 2.
82
Ein "aliud" ist eine Lösung, die vollständig (oder zumindest weitgehend) von der ausgeschriebenen Leistung abweicht.
83
§ 82
84
"Nebenangebote sind Vorschläge eines Bieters, die eine völlig andere Leistung anbieten als diejenige, die vom Auftraggeber
in den Ausschreibungsunterlagen verlangt oder vorgegeben worden ist. (…) Änderungsvorschläge beziehen sich auf die
von der Vergabestelle vorgegebene [Anm.: hier:] Bauleistung, sie ändern diese lediglich in Teilen ab." Brinker/Ohler zu
§ 25 VOB/A, Rz. 132 f., in: Beck'scher VOB-Kommentar, München 2001 (C.H. Beck).
S e i t e | 14
Sind Abänderungsangebote zulässig, dann sind sie, sofern in der Ausschreibung nicht Anderes
vorgesehen ist, nur neben einem ausschreibungsgemäßen Angebot zulässig88.
Der Auftraggeber "hat in den Ausschreibungsunterlagen zu bezeichnen", in welcher Art und Weise
Abänderungsangebote einzureichen sind89.
Anmerkung: Diese Vorgabe ist sinnvoll, kann aber im Hinblick auf die - im Gegensatz zu Deutsch-
land - volle Justiziabilität im Vergaberecht dem Auftraggeber Probleme bereiten, sofern er bei Zu-
lässigkeit von Abänderungsangeboten (mangels deren Ausschlusses) in der Ausschreibung (durch
Vergessen) nicht bezeichnet, wie Abänderungsangebote einzureichen sind.
3.9.2.3 Problemzone
Die Abgrenzung zwischen (womöglich nicht zulässigen) Alternativangeboten und (zulässigen, weil
womöglich nicht ausgeschlossenen) Abänderungsangeboten wird mit größter Wahrscheinlichkeit zu
einer intensiven Beschäftigung der Vergabenachprüfungsbehörden führen, da der Übergang zwi-
schen einem "alternativen Leistungsvorschlag des Bieters"90 auf technischem Gebiet und einer
"geringfügigen technischen Änderung" natürlich fließend ist.
Anmerkung: Vorrangig soll in Vergabevorschriften den Bedürfnissen der Praxis Rechnung getragen
werden und nicht den Überlegungen, was im Rechtsschutz möglicher Weise Probleme bereiten kann.
Sieht die Ausschreibung für die ganze Leistung oder für Teile derselben Varianten vor, so ist die Aus-
schreibung so zu gestalten, dass der Bieter Variantenangebotspreise bilden kann.
85
§ 2 Z.1
86
§ 82 Abs. 1 erster Satz.
87
§ 82 Abs. 1 zweiter Satz.
88
§ 82 Abs. 1 dritter Satz.
89
§ 82 Abs. 2.
90
§ 2 Z 2.
91
§ 78 Abs. 6
S e i t e | 15
Ein Variantenangebot ist ein "Angebot auf Grund einer Ausschreibungsvariante des
Auftraggebers" (d.h. eines von der ausschreibungsgemäßen Leistung abweichenden Vorschlages
92
des Auftraggebers).
Damit korrespondiert der Begriff der Wahlposition, die "vom Auftraggeber als Teil einer Variante zur
Normalausführung vorgesehen ist93".
Sind Alternativangebote und Abänderungsangebote vom Bieter - auf eigenen Ausarbeitungen und
unter Bildung je eines Gesamtpreises je Alternativangebot und je Abänderungsangebot - so sind für
ein Variantenangebot Bestimmungen in jenem Teil der Ausschreibungsunterlagen vorzusehen, den
der Bieter als – ausschreibungsgemäßes - Angebot einzureichen hat.
Das bedeutet, dass der Auftraggeber je Variantenangebot (eine oder mehrere) Position(en) vor-
zugeben und einen vom Bieter zu bildenden Variantenangebotspreis vorzusehen hat94. Formal ist es
somit unzulässig, vom Bieter einzelne Wahlpositionen anbieten zu lassen und diese nicht der Bildung
eines (Varianten-)Angebotspreises zu unterwerfen [Anmerkung: Dies entspricht auch dem Gebot der
Fairness].
3.10 Vertragsbestimmungen
Das BVergG enthält eine „Checklist“, für welche Angaben erforderlichenfalls Vertragsbedingungen
festzulegen sind - u.a. Sicherstellungen, Regeln für Preisgleitung bei Geltung veränderlicher Preise,
anzuwendendes Recht und Gerichtsstand, Gewährleistung und Haftung95. Diese Bedingungen sind
durch den Auftraggeber nicht nur im nach Zuschlagserteilung abzuschließenden Leistungsvertrag
festzulegen, sondern haben bereits Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen zu sein.
Der Auftraggeber hat sich bei der Festlegung der Vertragsbedingungen weit(est)gehend an die
(Vertrags-)Normen96 und Standardisierten Leistungsbeschreibungen97 zu halten. Einzelne Ausnahmen
sind zulässig, sind aber zu dokumentieren und dem Bieter auf Anfrage unverzüglich
bekanntzugeben . 98
92
§ 2 Z 39
93
§ 2 Z 43
94
§ 78 Abs 6
95
§ 99 Abs 1
96
Z.B. ÖNORM A 2050, ÖNORM B 2110, ÖNORM B 2118.
97
Im Sinne der ONR 12010
98
§ 99 Abs.2
S e i t e | 16
Das betrifft
• das Leistungsverzeichnis (LV) im eigentlichen Sinn des Wortes und das „im Vorspann“
normalerweise rechtliche, wirtschaftliche und technische Vorbemerkungen enthält (ist jedenfalls
als Kern des Angebotes einzureichen),
• ein allenfalls vom Auftraggeber vorgegebenes Angebotsschreiben (wie z.B. im Bundeshochbau
und im geförderten Siedlungswasserbau), egal, ob dieses
• Bestandteil des LV (dann siehe Punkt zuvor)
oder
• selbständig und daher ergänzend zum LV zwingend einzureichen ist,
• allfällige Bescheide, die für die Leistung oder deren Erbringung relevant sind (die im Regelfall
nicht mit dem Angebot einzureichen sind),
• allfällige Pläne, Gutachten oder technische Unterlagen (die im Regelfall ebenfalls nicht mit
dem Angebot einzureichen sind),
• weitere, vom Bieter (bei zweistufigen Verfahren: häufig vom Bewerber) beizubringende Unter-
lagen; hier ist zu unterscheiden zwischen
• solchen, die, wenn sie nicht mit dem Angebot eingereicht werden, zum Ausscheiden des
Angebotes führen - das sind all jene, die mit Preis sowie Art und Umfang der Leistungser-
bringung zu tun haben und dem Bieter Möglichkeiten offen lassen würden, sein Angebot
nachträglich zu ändern; insbesondere sind dies
• Nachweis des Erlags eines Vadiums, wenn ein solches gefordert wurde;
• Verzeichnis der Subunternehmer für wesentliche Teilleistungen;
• allenfalls Hauptparameter einer Kalkulation (wie Bruttomittellohn und Zuschlagssätze)
und
• solchen, die nichts an den Preisen sowie Art und Umfang der Leistungserbringung ändern
und daher nach überwiegender Meinung nicht zwingend bereits mit dem Angebot eingereicht
werden müssen, sondern binnen angemessener Frist nachgereicht werden können, voraus-
gesetzt, dass der nachzuweisende Tatbestand zum Zeitpunkt der Angebotseinreichung erfüllt
war - z.B. Nachweis der Befugnis, Nachweis einer ISO-Zertifizierung, Referenzlisten, Detail-
kalkulation im Sinne von Kalkulationsblättern.
VwGH: Waren für die Erbringung wesentlicher Teile der Leistung Subunternehmer mit dem Angebot bekannt zu
geben, so ist deren nachträgliche Namhaftmachung unzulässig99
In der Ausschreibung war ein Kästchen vorgegeben, das durch die Bieter anzukreuzen war, falls die Beschäfti-
gung von Subunternehmern vorgesehen war. Die Fa. N OEG hatte in ihrem Angebot dieses Kästchen nicht
angekreuzt, sondern in ihrem Begleitschreiben darauf hingewiesen, dass im Bedarfsfall Subunternehmer be-
schäftigt und diese im Auftragsfall rechtzeitig genannt werden. Der Auftraggeber schied das Angebot aus, da die
Fa. N OEG auch auf Aufforderung nach Angebotsöffnung zunächst keinen Subunternehmer namhaft gemacht
99
VwGH, 2002/04/0023 vom 29.5. 2002, „Trockenausbauarbeiten A.Ö. Krankenhaus St. Pölten“.
S e i t e | 17
hatte und die Kapazitäten der Fa. N OEG infolge zu geringen Personalstands für die Ausführung des Auftrags (in
Höhe von ca. 1,5 Mio. Euro) nicht ausreichend waren. Der UVS Niederösterreich als Nachprüfungsbehörde
bestätigte die Rechtsmäßigkeit des Ausscheidens des Angebotes der Fa. N OEG, wogegen diese den VwGH
anrief (u.a. mit dem Argument, dass sie zum Zeitpunkt der Einreichung des Angebotes noch nicht gewusst habe,
ob sie zur Ausführung des Auftrags externe Kapazitäten benötige und die ÖNORM B 2110 die nachträgliche
Namhaftmachung von Subunternehmern regle); das NÖ Vergabegesetz hatte bezüglich der hier anzuwen-
denden Vorschriften die Bestimmungen des BVergG 1997 übernommen. Dazu der VwGH, v.a. unter Bezug auf
BVergG und ÖNORM A 2050, Ausgabe 1.1. 1993:
„Würde sich die Verpflichtung zur Bekanntgabe der Subunternehmer auf einen Zeitpunkt nach
Zuschlagserteilung beziehen, so könnte, wie dies die belangte Behörde [UVS Niederösterreich] in ihrer
Gegenschrift zutreffend bemerkt, das Angebot im Falle eines Verstoßes gegen die unter Pkt. 6 erwähnte
Verpflichtung bei der Angebotsprüfung gar nicht mehr ausgeschieden werden.
War nach dem oben Gesagten die beschwerdeführende Partei (als Bieterin) verpflichtet, (bereits) im Angebot
anzugeben, welche Teile des Auftrages möglicherweise im Wege von Subaufträgen an Dritte weitergegeben
werden (wobei nach Pkt. 3.2.5 Abs. 3 letzter Satz ÖNORM A 2050 Personalüberlassungsfirmen Subunterneh-
mern gleichzusetzen sind) und ist die beschwerdeführende Partei dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, so
hatte die diesbezügliche Unvollständigkeit des Angebotes schon aus diesem Grund zu dessen Ausscheiden im
Grunde des § 52 Abs. 1 Z. 8 Bundesvergabegesetz 1997 zu führen. Bei diesem Mangel des Angebotes handelt
es sich - anders als die beschwerdeführende Partei meint - auch nicht um einen behebbaren. Ist - wie bereits
ausgeführt wurde – der Auftraggeber verpflichtet, die Eignung eines konkreten Subunternehmers im Hinblick auf
einen konkreten Leistungsteil zu überprüfen, so muss der Subunternehmer spätestens zum Zeitpunkt der Ange-
botseröffnung bereits namentlich feststehen (aus diesem Grund vertreten auch Heid/Hauck/K. Preslmayr, a.a.O.,
die Auffassung, dass ein "Nachschieben" eines Subunternehmers nach Angebotseröffnung "grundsätzlich
unzulässig" sei).
Gerade der Beschwerdefall zeigt, dass dann, wenn es dem Bieter erlaubt wäre, Subunternehmer auch nach
Angebotseröffnung namhaft zu machen, es dem Auftraggeber verwehrt wäre, die Eignung des Bieters (zum
Zeitpunkt der Angebotseröffnung - vgl. § 16 Abs. 1 BVergG) - in Ansehung einer Substitution der Leistungsfähig-
keit des Bieters durch diejenige eines Subunternehmers - entsprechend zu beurteilen.“
3.13 Ist die Einreichung eines Datenträgers zulässig und wie ist in diesem
Falle vorzugehen?
Falls die elektronische Einreichung von Angeboten rechtlich nicht zulässig ist, kommt der Ein-
reichung von Datenträgern bei Angeboten mit zahlreichen Einzelpositionen große Bedeutung zu.
Sehr häufig wird bei Bauaufträgen die Vorlage einer Detailkalkulation gefordert, mitunter bereits mit
der Einreichung des Angebotes;100 ob im Falle der Forderung der Abgabe mit dem Angebot deren
Nachreichung zulässig ist, ist in der Fachwelt strittig - die Mehrheitsmeinung ist, dass die Detail-
kalkulation auch in solchen Fällen nachgereicht werden kann.
Bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen wird selten die Vorlage einer umfangreichen
Detailkalkulation verlangt; häufig werden aber Regiesätze für zusätzliche Material- bzw.
Personalleistungen verlangt. Vor allem bei Dienstleistungsaufträgen werden gelegentlich Tagsätze je
Qualifikationsstufe des zum Einsatz vorgesehenen Personals verlangt.
100
Gestützt auf § 79 Abs 2.
S e i t e | 18
Das BVergG legt fest, dass in den Ausschreibungsunterlagen grundsätzlich nur eine Stelle für die
rechtsgültige Unterfertigung des Angebotes durch den Bieter vorzusehen ist101.
BVA: Die rechtsgültigen Fertigung des Angebotes erfasst sämtliche Teile eines (Angebots-)Textes, die durch die
Unterfertigung räumlich abgeschlossen werden:106
„Gemäß § 43 BVergG sind hinsichtlich der Form, des Inhaltes und der Einreichung der Angebote durch Verord-
nung der Bundesregierung die entsprechenden Bestimmungen der ÖNORM A 2050 „Vergabe von Aufträgen
über Leistungen – Ausschreibung, Angebot und Zuschlag – Verfahrensnorm“ vom 1.1.1993 verbindend zu er-
klären. Gemäß § 8 Abs. 1 der „Verordnung der Bundesregierung, mit der bestimmte Teile der ÖNORM A 2050
im Anwendungsbereich des Bundesvergabegesetzes für bindend erklärt werden (allgemeine Bundesvergabe-
verordnung – ABVV)“, BGBl Nr. 17/1994, gilt hinsichtlich der Form und des Inhalts der Angebote Punkt 3.2. der
ÖNORM A 2050. Gemäß 3.2.5 (9) der ÖNORM A 2050 muss jedes Angebot insbesondere das Datum und die
rechtsgültige Unterfertigung des Bieters enthalten.
Sämtliche Teile eines Textes, die durch die Unterfertigung räumlich abgeschlossen werden, werden durch diese
Unterfertigung erfasst (….).
Da das Angebot der beteiligten Partei auf der letzten Seite rechtsgültig gefertigt ist, ist es nicht mangels
rechtsgültiger Fertigung auszuscheiden sondern im Rahmen der Bestbieterermittlung zu berücksichtigen. Die
Unterlassung der (weiteren) Unterfertigung auf Seite 4 des Angebotschreiben stellt dann aber einen, die Vergabe
nicht behindernden, jederzeit behebbaren Formalfehler dar. Die Anträge waren daher spruchgemäß
abzuweisen.“
101
§ 78 Abs 7
102
VwGH 9.10.2002, 2002/04/0058. Insbesondere aber VwGH 26.2.2003, 2001/04/0037: „Es trifft nun wohl zu, dass, wie der
Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 19. Mai 1998, Zl. 7 Ob 159/97a, hervorgehoben hat, durch die Forderung
nach firmenmäßiger Fertigung von vornherein Klarheit über die volle Rechtswirksamkeit des Angebotes bestehen soll. Bei
Beantwortung der Frage der Behebbarkeit oder Unbehebbarkeit der in der Ausschreibung geforderten (und hier
unzureichenden) firmenmäßigen Fertigung des Angebotes unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsgleichheit ist aber
nicht zu übersehen, dass der Gesetzgeber nur eine ’rechtsgültige Unterfertigung’ im Sinne von zivilrechtlicher Bindung des
Bieters an sein Angebot (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2002, Zl. 2002/04/0058) fordert und es bei
Rechtsgültigkeit des Angebotes nicht in der Hand des Bieters liegt, seine Rechtsstellung durch Behebung oder
Nichtbehebung des Mangels zu verändern (vgl. auch BVKK vom 26. März 1999, Zl. S-37/99-16 = CONNEX 1999/5, 55).
Bei Auslegung der hier in Frage stehenden Regelung über behebbare und unbehebbare Mängel steht somit nach
Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes der Gesichtspunkt der Wettbewerbsgleichheit nicht entgegen, in einem zwar
nicht firmenmäßig gefertigten, aber rechtsverbindlichen Angebot, einen verbesserungsfähigen Mangel zu sehen.“
103
§ 48 UGB
104
§ 54 UGB
105
§1029 Abs 1 S 2 ABGB
106
BVA, Bescheid N-33/02-21 vom 31.7. 2002, „Kunsthistorisches Museum, Fenstersanierung Quadranten I und IV“.
S e i t e | 19
Mit „weitgehend einheitlich“ ist gemeint, dass innerhalb eine bestimmten Rahmens auftragsbezogen
spezifische Teile des Angebotsschreibens ergänzt oder weggelassen werden können.
Die Eignung ist zwar unternehmerbezogen zu sehen, sie kann aber nicht losgelöst von Art, Umfang
und Spezifika des jeweiligen Auftrags gesehen werden.
Anmerkung: Das gilt in besonderem Maße für den Umfang von Referenzen bzw. der dadurch nach-
gewiesenen Erfahrung in Relation zur konkret ausgeschriebenen Leistung.
Die Befugnis, die technische, finanzielle oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Zuverlässig-
keit haben beim offenen Verfahren zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung, sonst bei Einladung zur
Angebotslegung vorzuliegen.
4.1 Befugnis107
Die „Befugnis“ wird belegt durch die Eintragung in ein Berufs- oder Handelsregister, aber nicht
zwingend die Eintragung in das Firmenbuch.108
Die Befugnis muss dem Auftragsgegenstand entsprechen, d.h. es kann sich nicht um „irgendeine“
Befugnis handeln; der sachkundige Auftraggeber sollte daher die für die Ausführung des Auftrags
notwendige(n) Befugnis(se) vorgeben, ergänzt um den Zusatz „oder vergleichbare Befugnis“.
Spezialbereich Vereine: Der Vereinszweck in der Satzung ersetzt nicht die gewerberechtliche
Befugnis, d.h. Vereine sind im Regelfall gewerberechtlich nicht befugt und sollten daher, ausge-
nommen bei nicht-prioritären Dienstleistungen, nicht zur Angebotseinreichung zugelassen und schon
gar nicht beauftragt werden109; es sei denn, gesetzliche Bestimmungen enthalten eine derartige
Ermächtigung. Derartige Fälle gibt es in der Praxis, beispielsweise das WIFI gemäß Handelskammer-
gesetz oder aber die Rettungsdienste nach den Rettungsgesetzen der Länder.
4.2 Zuverlässigkeit
„Zuverlässigkeit“ ist ein gewerberechtlicher Begriff, zu dem auch die Rechtsprechung der Höchst-
gerichte Aussagen trifft.
Zum Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit muss vom Bieter der Beleg verlangt werden, dass
kein Ausschließungsgrund nach § 68 vorliegt. Als Nachweise kommen in Frage:
• Auszug aus Berufs- oder Handelsregister gem. Anhang VII des BVergG
107
§ 71.
108
Für Bieter aus dem EWR-Ausland oder der Schweiz gilt Abschnitt3.4
109
Siehe diesbezüglich den richtungsweisenden Bescheid des Wiener Vergabekontrollsenates G 272/00 vom 2.10. 2000.
110
§ 72.
S e i t e | 21
• Strafregisterauszug
• Letztgültige Kontoauszüge der zuständigen Sozialversicherungsanstalt und der zuständigen
Finanzbehörde
Ist dies in den nationalen Rechtsvorschriften nicht vorgesehen, so kann der Auftraggeber eine
eidesstattliche Erklärung des Unternehmers, abgegeben vor einer Gerichts- oder Verwaltungs-
behörde oder vor der für den Bieter zuständigen Berufsorganisation verlangen.111
4.3 Leistungsfähigkeit
Bieter, bei denen ein Ausgleichs- oder Konkursverfahren noch nicht abgeschlossen ist („abgeschlos-
sen“ bedeutet gerichtlich kundgemacht), verfügen nach der österreichischen Rechtslage nicht über
die erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (auch beim Ausgleichsverfahren ist dies nach der
österreichischen Rechtslage zwingend, nicht so nach der deutschen Rechtslage!). Dies gilt auch
dann, wenn in den Ausschreibungsunterlagen nicht darauf aufmerksam gemacht wurde.
Der Bieter ist darauf aufmerksam zu machen, dass er mit dem Angebot anzugeben hat, ob
Steuerschulden oder Beitragsrückstände bei der Sozialversicherung zum Zeitpunkt der
Angebotseinreichung vorliegen bzw. das zulässige Ausmaß übersteigen (derartige Belege können,
nach Mehrheitsmeinung, aber auch nachträglich vorgelegt werden, falls sie nicht mit dem Angebot
eingereicht worden waren).
Der Bieter muss über ausreichende wirtschaftliche Mittel für eine termingemäße, ordnungsgemäße
und einwandfreie Vertragserfüllung verfügen.113
111
§ 72 Abs 3
112
§ 74
113
HEIERMANN – RIEDL – RUSAM, Rn. 31 zu § 25 VOB/A.
114
Bundesvergabeamt, Bescheid N-8/98-16 vom 25.5.1998.
S e i t e | 22
henden Schlüsse besondere Sachkunde erforderlich gewesen. Dies ist bereits aus den umfangreichen diesbe-
züglich im Prüfbericht getroffenen Feststellungen erkennbar. Gemäß §§ 27, 47 Abs. 1 BVergG bzw Pkte 1.12,
4.3.1 ÖNORM A 2050 waren daher für diesen Teil der Angebotsprüfung Sachverständige beizuziehen. Gemäß
§ 27 BVergG bzw Abschnitt 1.12 ÖNORM A 2050 sind zur Erstattung von Gutachten befugte Personen,
akkreditierte Prüfanstalten oder allgemein beeidete gerichtliche Sachverständige beizuziehen. Ausweislich der
Materialien zur Stammfassung des BVergG sollten solche externen Sachverständigen dann nicht erforderlich
sein, wenn die vergebende Stelle selbst über sachkundige Personen verfügt. Bei der Feststellung, ob die durch
die vergebende Stelle verwendeten Bediensteten über ausreichende Sachkunde verfügten, ist aber im Hinblick
auf die in diesen Vorschriften getroffene Anordnung ein strenger Maßstab anzulegen. Die von der vergebenden
Stelle eingesetzten Bediensteten müssen daher nachweislich über eine mit gerichtlich beeideten Sachverständi-
gen gleichwertige Qualifikation verfügen. Im vorliegenden Fall wäre die Beiziehung betriebswirtschaftlicher
Sachverständiger, wie sie dem Land zur Prüfung der wirtschaftlichen Gestion der Gemeinden zur Verfügung
stehen, erforderlich gewesen. Die von der vergebenden Stelle verwendeten Bediensteten wiesen aber keinerlei
mit obigen Sachverständigen nur annähernd gleichwertige nachweisbare betriebswirtschaftliche Sachkunde auf.
Sie hatten weder irgendeine Art von betriebswirtschaftlicher Ausbildung noch irgendwelchen nachweisbaren
praktischen Erfahrungen oder Kenntnisse in der Prüfung von Bilanzen. Der Auftraggeber hat daher bereits da-
durch, dass er die Prüfung der Bilanzen nicht durch betriebswirtschaftlich sachverständige Personen vornehmen
ließ, wesentliche Grundsätze des Vergabeverfahrens verletzt.“
Hier geht es um die Ausstattung an Personal und Geräten, über die ein Unternehmer im Auftrags-
fall verfügen muss, d.h. diese Ressourcen müssen nicht im Personal- bzw. Gerätebestand eines
Unternehmens sein. Der Bieter ist aber darauf hinzuweisen, dass er bereits mit dem Angebot glaub-
haft machen muss, im Auftragsfall über die erforderlichen Ressourcen tatsächlich verfügen zu
können.
Bei allen Auftragsarten (Liefer-, Dienstleistungs-, Bauaufträge) betrifft diese Bestimmung die Prüfung
des Aufsichtspersonals bei der Leistungserbringung, v.a. der für die Überwachung der Qualität
zuständigen firmeninternen oder –externen Stellen.
Nachdem der Ausschluss bzw. die Einschränkung von Subunternehmerleistungen „unzulässig“ ist,115
sofern der Auftrageber die Eignung der Subunternehmer prüfen konnte, ist bereits mit dem Angebot
eine Liste der Referenzen der Subunternehmer sowie – soweit dies sinnvoll ist – die Angabe des für
den Auftragsfall zum Einsatz gelangenden Schlüsselpersonals zu verlangen.
Der Auftraggeber hat sich dabei zu überlegen, ob er das für alle Leistungen, die an Subunternehmer
weitergegeben werden können, verlangt oder nur für von ihm (AG) zu bestimmende wesentliche
Leistungsteile.116
Der Bewerber / Bieter kann den Nachweis seiner Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit
auch durch den Nachweis der Eintragung in einem einschlägigen, allgemein zugänglichen
Verzeichnis eines Dritten führen. In Österreich wird dieser Dienst zurzeit vom
„Auftragnehmerkataster Österreich – ANKÖ“ angeboten. Zu beachten ist dabei, dass die Vorlage
einer ANKÖ-Bestätigung keinen Nachweis per se darstellt sondern nur auf die digitale Verfügbarkeit
von Nachweisen hinweist. Die Nachweise selbst sind durch Abfrage überprüfbar.
115
EuGH 18.3.2004, Rs C-315/01 „Sozialversicherungs-Chipcard“.
116
§ 83 Abs.2
117
§ 70 Abs. 5
118
§ 70 Abs. 2
S e i t e | 23
Mit der Novelle 2010 führt der Gesetzgeber für die Bieter die Möglichkeit ein, ihre Eignung durch die
Vorlage einer Eigenerklärung zu belegen. Diese hat die konkreten Befugnisse des Unternehmers
und die Feststellung zu enthalten, dass er die vom Auftraggeber verlangten Eignungskriterien erfüllt
und die festgelegten Nachweise auf Aufforderung unverzüglich beibringen kann.
Die Befugnisse müssen dem Auftragsgegenstand entsprechen, d.h. es kann sich nicht um „irgend-
welche“ Befugnisse handeln; der sachkundige Auftraggeber sollte daher die für die Ausführung des
Auftrags notwendige(n) Befugnis(se) vorgeben, ergänzt um den Zusatz „oder vergleichbare Befug-
nis“. Im Zweifelsfall ist die Kontaktaufnahme mit der entsprechenden Berufsvertretung (WKÖ, BAIK)
zu empfehlen.
119
Artikel aus Zeitschrift für Vergaberecht und Beschaffungspraxis, 2009/03, Seite 94.
120
Der VKS W zählt in seiner E eine Mehrzahl von baulich relevanten Gestaltungselementen auf, die in den Angeboten der Kl
und des Zuschlagsempfängers praktisch gleich waren, sich von den Angeboten der drei anderen Bieter aber deutlich
unterschieden.
S e i t e | 24
Der VKS W stellte in seinem Bescheid121 fest, dass die Projektstudie nur Grundlage für das geotechnische GA
und nicht unmittelbar eine Vorarbeit für die Ausschreibung gebildet habe. Der VKS bezog sich dabei va auf die
Argumentation des VfGH im Erkenntnis „Projektmanagement Fischer-Deponie“122, wonach ein Ausscheiden
eines Bieters nur dann zulässig sei, wenn dieser durch seine Vorarbeiten spezifische Vorkenntnisse des
Sachverhalts erworben habe, die ihm einen Wettbewerbsvorteil brächten. Von einem Wettbewerbsvorteil sei
nach der Literatur auszugehen, wenn nicht alle durch den Vorarbeiten leistenden Unternehmer erworbenen
Informationen den Mitbewerbern vollständig und unverfälscht zur Verfügung gestellt werden. Ein solcher Fall
liege aber nicht vor, weil „die Projektstudie (…) im Rahmen des geotechnischen Gutachtens, Beilag 15.3.2,
bekannt gegeben wurde und damit den Mitbewerbern grundsätzlich zur Verfügung stand.“ Im Übrigen hätten sich
die Bieter um den Erhalt der Projektstudie bemühen können.
Daher sei aber auch die Antragslegitimation der Kl gegeben.
[Verfahren vor dem VwGH]
Der vom AG gegen den Bescheid des VKS W angerufene VwGH gab der Beschwerde statt; die Kl im Verfahren
vor dem VKS W hatte sich dem Verfahren vor dem VfGH als mitbeteiligte Partei angeschlossen.
Aus den Entscheidungsgründen:
[Zum Wettbewerbsvorteil der Kl im Verfahren vor dem VKS W]
„Durch die Projektstudie konnte sich die mitbeteiligte Partei daher schon Monate vor der Ausschreibung inhaltlich
mit dem Vorhaben näher auseinander setzen, sodass sie Monate vor den anderen Bietern Pläne über das Vor-
haben vorbereiten und eine Kostenschätzung über das Projekt fertigen konnte. Zweifellos stellt diese Projekt-
studie somit eine mittelbare Beteiligung an der Erarbeitung der Unterlagen für das Vergabeverfahren im Sinne
des § 21 Abs. 3 BVergG 2002 dar, die geeignet war, einen fairen Wettbewerb erheblich zu beeinträchtigen.
Entscheidend ist daher, ob im Sinne des zitierten Urteiles des EuGH, Fabricom,123 der genannten Erkenntnisse
des Verfassungsgerichtshofes und der damit im Einklang stehenden wiedergegebenen Gesetzesmaterialien
geeignete Maßnahmen getroffen wurden, um diesen Wettbewerbsvorteil der mitbeteiligten Partei auszugleichen.
Dies setzte im gegenständlichen Fall - zumindest - voraus, dass allen Bietern rechtzeitig vor Ablauf der Angebots-
frist die in Rede stehende Projektstudie zur Verfügung gestellt wurde, um die aus dieser Studie hervorgehenden
Informationen in ihren Angeboten verwerten zu können. Dabei genügte es nicht, dass sich einer der Bieter, der
an der Projektstudie nicht beteiligt war, Kenntnis vom Inhalt der Projektstudie verschaffen konnte. Vielmehr ist es
nach der zitierten Judikatur und den wiedergegebenen Gesetzesmaterialien Aufgabe (primär) des Auftraggebers,
gegenüber - sämtlichen - Bietern des konkreten Vergabeverfahrens den Informationsvorsprung, den ein einzel-
ner Bieter aus der Erarbeitung von Unterlagen für das Vergabeverfahren erlangt, auszugleichen, um im Sinne
des § 21 Abs. 3 BVergG 2002 einen fairen und lauteren Wettbewerb zu ermöglichen (vgl. zur Neutralisierung des
Wettbewerbsvorsprungs durch unaufgeforderten Informationsausgleich gegenüber allen Bietern auch Gölles in
Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2002, Rz 65 zu § 21).“
[Zur Rechtsmeinung des VKS W betr Ausgleich des Wettbewerbsvorteils]
„Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (S. 19) die Auffassung vertritt, im gegenständlichen
Fall habe ein solcher Ausgleich des Informationsvorsprunges der mitbeteiligten Partei stattgefunden, weil die
‚Projektstudie ... im Rahmen des geotechnischen Gutachtens ... bekannt gegeben wurde und damit den
Mitbewerbern grundsätzlich zur Verfügung stand’, so vermag der Verwaltungsgerichtshof diese Auffassung nicht
zu teilen. Die belangte Behörde hat nämlich festgestellt, dass das geotechnische Gutachten, das den Bietern mit
den sonstigen Ausschreibungsunterlagen zur Verfügung stand, lediglich einen Hinweis auf den Titel, den
Verfasser bzw. ‚das schriftliche Substrat’ der besagten Projektstudie enthielt. Hingegen fehlten in den
Ausschreibungsunterlagen die Zeichnungen und Pläne dieser Projektstudie, die einen wesentlichen Teil
derselben bildeten (siehe dazu die Feststellungen auf S. 15 und 18 des angefochtenen Bescheides). Schon von
daher kann (ohne dass es darauf ankäme, in welchem Ausmaß und auf welche Weise sich speziell der
Zuschlagsempfänger Kenntnis von der Projektstudie verschaffen konnte) nicht gesagt werden, dass der
Informationsvorsprung, den die mitbeteiligte Partei hatte, gegenüber allen anderen vier Bietern ausgeglichen
wurde. Damit lag, wie die beschwerdeführende Partei zutreffend eingewendet hat, hinsichtlich des Angebotes
der mitbeteiligten Partei der Ausscheidensgrund des § 21 Abs. 3 iVm § 98 Z. 2 BVergG 2002 vor.“
[Zur Rechtsmeinung des VKS W betr Antragslegitimation der Kl im Feststellungsverfahren vor dem VKS W]
„Wäre aber das Angebot der mitbeteiligten Partei auszuscheiden gewesen und konnte ihr daher durch die
bekämpfte Zuschlagsentscheidung ein Schaden im Sinne des § 13 Abs. 2 WVRG nicht entstehen, so fehlte ihr
die Legitimation zur Einbringung des gegenständlichen Feststellungsantrages (vgl. das hg. Erkenntnis vom
28. März 2007, Zl. 2005/04/0200).
Da die belangte Behörde somit auf Grund eines unzulässigen Antrages festgestellt hat, dass der Zuschlag
von der beschwerdeführenden Partei nicht dem Bestbieter erteilt worden sei, ist der angefochtene Bescheid mit
inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.“
121
VKS Wien 10.12.2004, Zl VKS-6055/04.
122
VfGH 20.6.2001, B1560/00. Mit dieser Entscheidung hat der VfGH die – letzten Endes auf die ÖNORM A 2050, 30.3.1957,
zurückgehende – starre Rechtslage aufgehoben, wonach jegliche Beteiligung an Vorarbeiten an einer Ausschreibung den
Ausschluss von einer Beteiligung am Leistungswettbewerb bedingte.
123
EuGH 3.3.2005, Rs C-21/03 und C-34/03, Fabricom gegen Belgischer Staat. Inhaltlich decken sich die Feststellungen in
dieser Entscheidung des EuGH mit den Feststellungen des VfGH in B1560/00.
S e i t e | 25
Das bedeutet, dass nicht jede Vorarbeit kategorisch mit dem Ausschluss des Bieters (Bewer-
bers) bedroht werden darf, sondern dass der Auftraggeber hier für einen weitest gehenden Ausgleich
des aus diesen Vorarbeiten resultierenden Wissensvorsprunges dieses Bieters zu sorgen hat. Das
sind insbesondere
• ausreichende und für die Mitbewerber tatsächlich zugängliche Informationen aus diesen Vor-
arbeiten,
• eine ausreichend lange Angebotsfrist, die über die Mindestfrist hinausgeht,
• ein ausreichend qualifizierter Dritter als neutrale Auskunftsperson,
• möglichst auch eine Frage-/Antwortrunde bis etwa zur halben Angebtosfrist,
• bei Software- oder vergleichbaren Aufträgen eine Teststellung beim Auftraggeber.
4.5.2 Kontrolle oder Evaluierung der Tätigkeit der Erbringer anderer Leistungen (z.B. der
Ersteher anderer Lose)
Hier geht es darum, dass der Ersteher des ersten Auftrags mit keinem weiteren Leistungen mehr
beauftragt werden darf, wenn er die Tätigkeit der Auftragnehmer der weiteren Aufträge zu
kontrollieren hat (z.B. bei der Räumung von Altlasten) oder deren Tätigkeit zu evaluieren hat (z.B. bei
den Projekten des Europäischen Sozialfonds). Dies ist bereits zwingend in den
Ausschreibungsunterlagen der ersten in Betracht kommenden Ausschreibung festzulegen und kann
vom Bieter (Bewerber) im Wege der Nachprüfung bekämpft werden. In den folgenden
Ausschreibungen ist, sofern dies zeitlich möglich ist, der Ersteher dieses ersten Auftrags als Kontroll-
oder Evaluierungsorgan anzugeben.
S e i t e | 26
Sinn ist
• Transparenz: bereits bei der ersten Ausschreibung soll die Beurteilung möglich sein, ob die
Teilnahme an diesem Vergabeverfahren für den Bieter (Bewerber) interessanter oder weniger
interessant ist als die Beteiligung an einem oder mehreren der folgenden Verfahren,
• der faire Wettbewerb, da der Ersteher des ersten Auftrags durch die „Kontrolle über sich selbst“
Vorteile gegenüber Konkurrenten hätte,
• eine sachliche Vertretung des Auftraggebers gegenüber den Erstehern der anderen Aufträge.
S e i t e | 27
124
Diesbezüglich richtungsweisend EuGH, C-87/94 "Wallonische Busse", Urteil vom 25.4. 1996, insbes. RZ. 91.
125
EuGH, Rs. C-513/99, „Finnische Busse“, Urteil vom 17.9. 2002 (Vorabentscheidungsersuchen, vorgelegt vom finnischen
Korkein hallinto-oikeus), Rn. 61: „Außerdem geht ebenfalls aus der Rechtsprechung hervor, dass ein Zuschlagskriterium,
das einem öffentlichen Auftraggeber bei der Vergabe des Auftrags an einen Bieter eine uneingeschränkte
Entscheidungsfreiheit einräumen würde, unvereinbar mit Artikel 36 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 92/50 wäre (siehe
in diesem Sinne Urteile Beentjes, Randnr. 26, und SIAC Construction, Randnr. 37).“
126
EuGH, C-243/89, „Storebaelt“, Urteil vom 17.11. 1992 (Vertragsverletzungsverfahren), Rn. 45: „Aus alldem ergibt sich, dass
das Königreich Dänemark seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht verletzt und insbesondere gegen die Artikel
30, 48 und 49 EWG-Vertrag sowie gegen die Richtlinie 71/305/EWG verstoßen hat, weil die Aktieselskabet Storebaelts-
forbindelsen zur Abgabe von Angeboten auf der Grundlage einer Bedingung aufgefordert hat, die eine möglichst
weitgehende Verwendung von dänischen Baustoffen, Verbrauchsgütern, Arbeitskräften und Geräten vorsah, und weil die
Verhandlungen mit dem ausgewählten Konsortium auf der Grundlage eines nicht den Verdingungsunterlagen entspre-
chenden Angebots geführt worden sind.
127
Etwa die Vorschreibung, dass Referenzen in einem bestimmten Umkreis zu besichtigen sein müssen: Rs. C-315/01, „GAT
gegen ÖSAG“ (Vorabentscheidungsersuchen, vorgelegt vom Bundesvergabeamt), worin Gen.-Anw. ALBER in den
Schlussanträgen folgerte, dass es sich dabei um eine diskriminierende Vorschreibung handelte, da Referenzen nicht im
gesamten Alpenraum und vergleichbaren Gebieten zugelassen waren. Der EuGH geht im Urteil vom 19.6. 2003 nicht
näher darauf ein, da es sich, so das Urteil, um ein Eignungs- und nicht um ein Zuschlagskriterium handelt.
128
Vor allem dann, wenn der Auftraggeber die Ausführung bestimmter (Teil-)Leistungen an bestimmte berufsrechtliche
Vorgaben bindet, deren Zulässigkeit europarechtlich nicht geklärt ist.
129
Art 28 EGV, manifestiert sich vor allem bei der Festlegung technischer Spezifikationen (s. § 98).
130
Art 49 EGV. Das kann bei Vorgaben der zeitlichen Verfügbarkeit von Personal am Ort der Leistungserbringung oder am Ort
des Auftraggebers eine Rolle spielen, die, sofern sie nicht aus dem Auftragsgegenstand heraus begründbar sind,
versteckte Diskriminierungen darstellen können.
131
§ 81
132
§ 81 Abs 2
133
§§ 96 und 98
S e i t e | 28
Innerstaatlich gelten der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bewerber und Bieter134 sowie das
Sachlichkeitsgebot135. Das Sachlichkeitsgebot manifestiert sich vor allem in den Grundsätzen der
Leistungsbeschreibung136.
Das Gesetz lässt - seinem Wortlaut nach - die freie Wahl zwischen konstruktiver und funktionaler
Ausschreibung (korrekt: Leistungsbeschreibung) zu137.
Anders sehen das die Herren Univ.-Prof. Dr. Aicher und Dr. Holoubek (v.a. Dr. Aicher), nämlich dass
die funktionale Ausschreibung nur dann zulässig wäre, wenn eine konstruktive Ausschreibung nicht
möglich ist.
M.E. ist das differenzierter zu sehen, insbesondere in jenen Bereichen (z.B. Haustechnik), in denen
hinsichtlich Produkt- oder Verfahrensneutralität eine funktionale oder teilfunktionale Ausschreibung
dem Wettbewerbsprinzip besser gerecht wird als eine konstruktive Ausschreibung. Was zweifellos
für den Standpunkt der Herren Professoren Aicher und Holoubek spricht, ist, dass der Auftraggeber
nicht unentgeltlich den Planungsaufwand gänzlich oder größtenteils auf die Bieter überwälzen darf.
Abgesehen von der Sonderstellung, die das Verhandlungsverfahren i.A einnimmt, ist der Auftrags-
gegenstand unter Beachtung dieser Wettbewerbsgrundsätze139 in der Leistungsbeschreibung so
genau zu spezifizieren, dass
• auf der Grundlage der Ausschreibung vergleichbare Angebote eingereicht werden,140
• der Maßstab für die Prüfung der Angebote und, im Falle deren Zulässigkeit, der Alternativ-
angebote klar und eindeutig festgelegt ist141
und
• ein eindeutiger Leistungsvertrag zustande kommen kann142.
Dabei ist zivilrechtlich, nach der herrschenden Vertrauenstheorie,143 bei der Beurteilung der Aus-
schreibung - und als deren inhaltlichem Kernstück der Leistungsbeschreibung - als an die Bieter
134
§ 19 Abs 1.
135
Aus Art 7 B-VG ableitbar, so u.a. RASCHAUER, in: RASCHAUER, Bernhard (Hrsg.): Grundzüge des österreichischen
Wirtschaftsrechts, Wien: 1998 Manz, Rz. 155.
136
§ 96
137
§ 95 Abs.1
138
§ 97 Abs 1
139
Die drei angeführten Wettbewerbsgrundsätze sind als Konkretisierung der Gebote des freien und lauteren Wettbewerbes
und der Gleichbehandlung aller Bieter und Bewerber gemäß § 19 Abs 1 BVergG anzusehen.
140
§§ 78 Abs 3 und 96 Abs 1
141
§ 123 Abs 1
142
§ 99 Abs 1
143
Im Wesentlichen §§ 914 f. ABGB. Der Empfänger einer Erklärung ist in seinem Vertrauen "nur dann schutzwürdig, wenn er
die Erklärung so verstanden hat, wie sie ein redlicher, verständiger Erklärungsempfänger verstehen durfte" (KOZIOL -
10
WELSER, Grundriß des bürgerlichen Rechts, Wien: 1995 Manz , S. 90).
S e i t e | 29
gerichteter "Erklärung" des Auftraggebers davon auszugehen, "welche Schlüsse der Adressat als
redlicher Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände abzu-
leiten berechtigt war"144; es kommt "auf den objektiven Erklärungswert an, also darauf, wie ein red-
licher Empfänger einer Erklärung diese unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen musste".145
Maßstab ist, so die Judikatur, der "durchschnittlich fachkundige Bieter"146 - auf der Basis der Aus-
schreibungsbedingungen bei der Erstellung eines Angebotes ausgehen darf.
Dabei darf von einem verständigen Erklärungsempfänger erwartet werden - wenngleich nicht in
jenem Ausmaß wie bei den technischen Spezifikationen als speziellen Anforderungen - auch
hinsichtlich des Verständnisses der Leistungsbeschreibung im Sinne von § 922 ABGB von den
"bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften" einer Leistung auszugehen.
Dass im Falle eines verfehlten Verständnisses der Leistungsbeschreibung eine Umdeutung in ein
Alternativangebot (wenn dieses nicht als solches bezeichnet ist) unzulässig ist, belegen zwei Beispiele aus der
Vergabejudikatur:
Das erste Beispiel entstammt der österreichischen Vergabejudikatur. Die Klägerin war erfolgreicher Bieter und
hatte den Auftrag erstanden, wobei sie bei der Angebotserstellung übersehen hatte, dass eine Leistungsposition
für Laden und Verführen von Aushubmaterial innerhalb des Bauloses plus Abladen nur auf schriftliche Anord-
nung durch den Auftraggeber zur Anwendung zu gelangen hatte:147
"Die Position LV 02.28 wurde von der beklagten Partei [Auftraggeber] für allenfalls anfallendes Frostschutzmate-
rial aus der alten Trasse mit 500 m3 aufgenommen, weil geplant war, das Frostschutzmaterial bei Nebenwegen
wieder einzubauen. Wegen Unbrauchbarkeit des Materials kam es aber letztlich nicht zu dieser Lagerung. Aus
der Ausschreibung ging aber nicht hervor, daß diese Position für das Frostschutzmaterial vorgesehen war. Einen
Hinweis darauf hielt die beklagte Partei deshalb nicht für erforderlich, weil diese Position laut Punkt 7.244 der
Leistungsbeschreibung für Straßenbauten (LB) nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Auftraggeber eine
Zwischenlagerung des Materials angeordnet hat; dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu.
Die klagende Partei [erfolgreicher Bieter und nachmaliger Auftragnehmer] hat im erstinstanzlichen Verfahren
stets behauptet, ihr Klagebegehren gründe sich auf den mit der beklagten Partei über die Position LV 02.28
zustande gekommenen Vertrag. Dieses Vorbringen wurde jedoch im Verfahren vor den Tatsacheninstanzen
nicht bewiesen, vielmehr steht fest, daß eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen, auf Grund welcher die
klagende Partei nach der Position LV 02.28 Laden und Verführen von 'Zwischenlagerungen' zu S 64/m3
verrechnen könne, mangels schriftlicher Anordnung oder schriftlicher nachträglicher Genehmigung der
klagenden Partei nicht zustande gekommen ist. Selbst in der Revision geht die klagende Partei noch davon aus,
es sei ihr kein (Kalkulations-)Irrtum widerfahren, möglicherweise sei aber der klagenden Partei ein
Erklärungsirrtum darüber unterlaufen, daß Leistungen gemäß Position LV 02.28 im Rahmen von Leistungen
gemäß Positionen LV 02.22 und 02.26 zu erbringen seien. Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß der
Klägerin bei ihrer Anbotserstellung insofern ein rechtlich unbeachtlicher Kalkulationsfehler unterlaufen ist, als sie
trotz Erkennbarkeit der durch den Ablauf der Werksarbeiten notwendigerweise bedingten Zwischenlagerung des
Aushubmaterials und dessen in der Ausschreibung (Position 02.28) zu gering angegebenen Volumens (siehe die
Feststellungen im Ersturteil, Seiten 14-15) das Ausmaß der von ihr zu erbringenden Leistungen und den ihr
dabei erwachsenden Aufwand falsch eingeschätzt hat und damit einem unerheblichen Motivirrtum unterlegen ist
(vgl.Koziol-Welser, Grundriß I8 119 mwN in FN 25). In einem solchen Fall kann die Korrektur der Fehlkalkulation
auch nicht im Wege des Bereicherungsrechtes vorgenommen werden, wie dies die Klägerin hier hilfsweise
versucht, denn die ihr nachteilige Vermögensverschiebung ist nicht rechtsgrundlos erfolgt.
Der klagenden Partei ist der Nachweis der für den Anspruch vorgebrachten rechtsbegründenden Tatsachen
(nämlich der angeblichen Vereinbarung mit der beklagten Partei über die Erbringung und Bezahlung von
Leistungen nach der Position LV 02.28) nicht gelungen, so daß sie mit ihrem Klagebegehren nicht durchdringen
konnte."
144
OGH, 7Ob110/99y vom 12.7. 2000, "Bauträgervertrag Sanierung Belvedere".
145
OGH, 5Ob277/01y vom 29.1. 2002, "Erwerb von Miteigentumsanteilen".
146
EuGH, Rs. C-19/00 "SIAC Construction gegen County Council of Mayo" Urteil vom 18.10. 2001, Rn. 42, unter Bezug auf die
Festlegung von Zuschlagskriterien, was aber auf alle Festlegungen in einer Ausschreibung verallgemeinert werden kann:
"Dies bedeutet konkret, dass die Zuschlagskriterien in den Verdingungsunterlagen oder in der Bekanntmachung so gefasst
werden müssen, dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter sie bei Anwendung der üblichen Sorgfalt in gleicher Weise
auslegen können." In diesem (verallgemeinertem) Sinne auch OGH, 1Ob239/02g vom 1.8. 2003, "Spachteln, Putz für
Dispersion".
147
OGH, 8Ob674/88 vom 29.6. 1989, "B 166 Pass-Gschütt-Bundesstraße, Sauruck".
S e i t e | 30
Das zweite Beispiel entstammt der Vergabejudikatur der Bundesrepublik Deutschland.148 Die Antragstellerin im
Nachprüfungsverfahren hatte in das Leistungsverzeichnis ihr Verständnis einzelner Positionen schriftlich einge-
tragen:
„Im Leistungsverzeichnis ist konkret festgelegt, welche Leistungen unter welchen Bedingungen zu erbringen ist.
Die Beschreibung der Leistung erfüllt die nach § 9 Nr. 1 VOB/A149 geforderte Klarheit, so dass die Bieter ihre
Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können.
Damit besteht für die von der Antragstellerin vorgenommene Auslegung der streitgegenständlichen Positionen
bei objektiver Betrachtung eines verständigen Empfängers kein Raum.
Aber selbst wenn man unterstellt, dass für die Antragstellerin die Leistungspositionen subjektiv unklar waren,
würde dies die von ihr vorgenommene Auslegung nicht rechtfertigen.
Bewerber haben auf nach ihrer Auffassung enthaltene Unklarheiten in den Verdingungsunterlagen unverzüglich
vor Angebotsabgabe schriftlich hinzuweisen (Ziffer 1 der Bewerbungsbedingungen).
§ 17 Nr. 7 VOB/A verlangt von der Auftraggeberseite, Unklarheiten über die geforderte Leistung oder die
Grundlage der Preisermittlung mit sachdienlichen Hinweisen unverzüglich aufzuklären.
Unzulässig ist es, wenn der Bieter nicht eine Auskunft einholt, sondern in einem Vermerk in den Verdingungs-
unterlagen feststellt, dass er eine bestimmte, ihm unklare Angabe in einem bestimmten Sinne verstehe. Dies ist
eine unzulässige Änderung an den Verdingungsunterlagen.150 Der Bieter kann nur dann zulässigerweise die Ver-
dingungsunterlagen mit vertretbarem Ergebnis auslegen, wenn Unklarheiten trotz Nachfrage beim Auftraggeber
nicht aufgeklärt wurden.151 Die Antragstellerin hat auf nach ihrer Auffassung enthaltene Unklarheiten in den Ver-
dingungsunterlagen nicht hingewiesen. Selbst bei der Ortseinsicht, die die Antragstellerin zur Angebotserstellung
im Beisein der VSt durchgeführt hat, wurde ein derartiger Aufklärungsbedarf nicht vorgebracht.
Das Angebot der Antragstellerin kann auch als Nebenangebot152 nicht gewertet werden.
Es kann dahinstehen, ob eine Wertung als Nebenangebot schon aus formalen Gründen ausscheidet, weil es
weder auf einer besonderen Anlage gemacht, noch als solches deutlich gekennzeichnet war (§ 21 Nr. 3 Satz 2
VOB/A).153 Solche Angebote können nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A154 ausgeschlossen werden. Die Entscheidung
hierüber ist von der ausschreibenden Stelle im Rahmen ihres Beurteilungsspielraumes zu treffen.
Nach Ansicht der Vergabekammer würde es eine Umgehung der eindeutigen Vorschriften der § 21 Nr. 1 Abs. 2
VOB/A155 und § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b156 VOB/A bedeuten, wenn ein Angebot, das unzulässigerweise die
Verdingungsunterlagen ändert und deshalb zwingend auszuschließen ist, in ein wertungsfähiges Nebenangebot
umgedeutet werden könnte.
Eine Qualifizierung als Nebenangebot, das formal gegen § 21 Nr. 3 VOB/A157 verstößt, kommt nur in Betracht,
wenn aus einer Erklärung des Bieters oder aus der äußeren Gestaltung des Angebotes erkennbar ist, dass der
Bieter ein Nebenangebot abgeben wollte.
Hier hat die Antragstellerin das fragliche Angebot jedoch zweifelsfrei ausschließlich als Hauptangebot
abgegeben."
Die Leistung muss klar beschrieben werden; das bedeutet aber nicht, dass sie bis in das letzte Detail
so beschrieben werden muss, dass sie für sprichwörtlich jedermann verständlich zu sein hat.
VwGH:
Wurde der Leistungsgegenstand in der europaweiten Ausschreibungsbekanntmachung mit "Thermische
Behandlung und Entsorgung von 130.000 - 190.000 t Restmüll" festgelegt, so ist die von der Antragstellerin im
Nachprüfungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Niederösterreich und vorgebrachte und von
diesem geteilte Auffassung: "Die in der Bekanntmachung vom 25. Mai 1999 gewählte Form der Leistungsbe-
schreibung werde den vergaberechtlichen Anforderungen (Vergleichbarkeit, Risikoverteilung, Angebots-
bewertung) im Hinblick auf die notwendige Genauigkeit der Leistungsbeschreibung nicht im erforderlichen
148
Vergabekammer Nordbayern bei der Regierung von Mittelbayern, AZ. 320.VK-3194-10/03 vom 9.4. 2003 „Baumeister-
arbeiten für den Neubau und die Sanierung am …“
149
Entspricht § 96 Abs 1 BVergG.
150
Verweis auf Heiermann Riedl Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. Auflage, A § 17 Rdn. 37.
151
Verweis auf Kammergericht Berlin, Beschluss vom 22.08.2001 Az: KartVerg 3/01; Vergaberecht 2001 S. 392.
152
Entspricht in der österreichischen Vergabeterminologie einem Alternativangebot.
153
Entspricht § 106 Abs 4 BVergG.
154
Bestimmungen, wonach Alternativangebote ausgeschieden werden können, wenn sie nicht formgerecht eingereicht wurden,
gibt es im strengen Sinn im österreichischen Vergaberecht nicht, am ehesten entsprechen dem die Regelungen des § 106
Abs 4, wonach Alternativangebote als solche zu kennzeichnen und in einer eigenen Ausarbeitung einzureichen sind, sowie
des § 94 Abs 3, wonach dem Auftraggeber unzumutbare Angebote ausgeschieden werden können (das könnte z.B. sein,
dass der Auftraggeber aus dutzenden Positionen heraussuchen muss, was dem Hauptangebot und was einem oder
mehreren Alternativangebot(en) zuzuordnen ist).
155
Entspricht § 107 Abs 1 BVergG, erster Satz.
156
Entspricht § 107 Abs 1 BVergG.
157
Entspricht § 107 Abs 4 BVergG.
S e i t e | 31
Umfang gerecht. Es fehle eine Festlegung, in welche Komponenten die Komplettdienstleistung 'Müllentsorgung'
und zu welchem Anteil diese gegliedert sei." nicht haltbar, so der VwGH:158
„Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich zunächst nicht der Rechtsansicht der belangten Behörde [UVS
Niederösterreich] anzuschließen, die Umschreibung des Leistungsgegenstandes in der Bekanntmachung vom
25. Mai 1999 könne - von einem Fachkundigen - auch dahin verstanden werden, dass der betroffene Restmüll
wahlweise thermisch zu behandeln oder (unmittelbar) zu entsorgen sei. Gegen ein derartiges Verständnis spricht
schon rein grammatikalisch die Verbindung der Worte ‘Behandlung’ und ‘Entsorgung’ durch das Wort ‘und’. Wie
die Beschwerdeführerin zutreffend hervorhebt, drückt dieses Wort - im Gegensatz zu den Worten ‘oder’ oder
‘bzw.’ die Alternativen anzeigen - eine Kumulierung aus. Schon nach dem reinen Wortlaut der in der Bekannt-
machung enthaltenen Leistungsbeschreibung ist daher der betroffene Restmüll sowohl thermisch zu behandeln
als auch zu entsorgen, was sinnvollerweise nur dahin verstanden werden kann, dass zunächst die thermische
Behandlung vorzunehmen und die sodann verbleibenden Rückstände anderweitig zu entsorgen sind. Im
Gegensatz zur Meinung der belangten Behörde führt zum gleichen Ergebnis auch eine an der für die Abfall-
wirtschaft geltenden Rechtslage orientierte Auslegung. Denn sowohl nach § 1 AWG als auch nach § 1 NÖ AWG
1992 gilt für die Abfallwirtschaft der Grundsatz, dass die trotz Abfallvermeidung anfallenden Abfälle primär zu
verwerten sind.(…)
Geht man davon aus (was wohl zu unterstellen ist), dass die Beschwerdeführerin die Absicht hatte, im Wege des
Vergabeverfahrens eine Dienstleistung zur gesetzeskonformen Beseitigung des Abfalls zu vergeben, muss
daher auch unter diesem Gesichtspunkt die in der Bekanntmachung enthaltene Leistungsbeschreibung im Sinn
einer thermischen Behandlung des gesamten betroffenen Restmülls mit anschließender Entsorgung der
Rückstände verstanden werden.“
Zum einen sind die "verkehrsüblichen Bezeichnungen"159 in der Sprache des Auftraggebers zu
beachten (sofern dieser nicht aus besonderen Gründen das Leistungsverzeichnis in einer anderen
Sprache abfasst).160
Zum anderen ist die Einbettung in die Rechtsordnung, die für das Auftraggeberland oder aber die für
den Ausführungsort relevant ist, maßgeblich161. Das hat der Auftraggeber bei der Festlegung des
anzuwendenden Rechts und des Gerichtsstandes zu beachten162.
Zu beachten ist hier weiters der "Handelsbrauch“ als faktische Gepflogenheit ohne normative
Qualität163. Handelsbräuche sind nichts anderes als Verkehrssitten164 im Bereich des kaufmänni-
schen Geschäftsverkehrs, die Beteiligten müssen also Kaufleute sein. Dazu CREIFELDS Rechts-
wörterbuch:165 "Ein Handelsbrauch entsteht dadurch, dass er unter Zustimmung der beteiligten
Handelskreise über einen gewissen Zeitraum tatsächlich ausgeübt wird. Meistens entstehen
Handelsbräuche nur in bestimmten Geschäftszweigen (Branchen). Sie wandeln unter Kaufleuten -
nur ausnahmsweise auch gegenüber einem Nichtkaufmann - die allgemeine Verkehrssitte, die nach
den §§ 133, 157 BGB166 zu berücksichtigen ist, für den Handelsverkehr vielfach ab. Die aus-
drücklichen oder stillschweigenden Vereinbarungen der Geschäfts- und Vertragspartner gehen den
158
VwGH, 2000/04/0014 vom 31.5. 2000, "Thermische Behandlung und Entsorgung von Restmüll in Niederösterreich."
159
So u.a. DAUB - EBERSTEIN, Kommentar zur VOL/A (Verdingungsordnung für Leistungen ausgenommen Bauleistungen,
Teil A - Allg. bestimmungen für die Vergabe von Leistungen), Düsseldorf: Werner Verlag 1998, Rn. 63 zu § 8 VOL/A;
MOTZKE/PIETZCKER/PRIEß, VOB Teil A (Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil A), München: C.H. Beck 2001, Rn.
4 zu § 9 VOB/A.
160
Siehe § 106 Abs 2. So kommt es etwa bei der Ausschreibung von IT-Leistungen vor, dass die Ausschreibungsbekannt-
machung und das Leistungsverzeichnis in englischer Sprache abgefasst werden.
161
Diese Diskrepanz wird sich in erster Linie bei der Ausschreibung von Leistungen im Ausland ergeben (z.B. für Vertretungs-
behörden). Ein markantes Beispiel für die Probleme der Anwendung österreichischen Vergaberechts vor dem Hintergrund
eines völlig anderen Rechtssystems stellt der Verlauf der Errichtung des österreichischen Kulturinstituts in New York dar.
162
§ 99 Abs 1 Z 8, der Auftraggeber hat diesbezüglich Festlegungen zu treffen.
163
KREJCI, Heinz: Grundriss des Handelsrechts, Wien: Manz, 1995, Seite 24 (mwN).
164
§ 864 ABGB.
165
a.a.O., Stichwort "Handelsbrauch".
166
Nach der österreichischen Rechtslage v.a. §§ 864 und 914 ABGB.
S e i t e | 32
Handelsbräuchen jedoch vor.167 Soweit aber nichts anderes vereinbart ist, gelten die Handelsbräuche
auch dann, wenn die Beteiligten sie nicht gekannt oder das rechtliche Ergebnis des Handelsbrauchs
nicht gewollt haben. Soweit ein Handelsbrauch zwingendem Gesetzesrecht widerspricht gilt er nicht;
dem dispositiven (nachgiebigen) Gesetzesrecht geht er jedoch i.d.R. vor. Im Rechtsstreit muß das
Bestehen eines Handelsbrauchs derjenige behaupten und beweisen, der sich auf ihn beruft." Bei
technischen Normen wird im Regelfall davon auszugehen sein, dass sie Handelsbrauch sind.168
Als Beispiel sei hier ein Urteil des OGH im Zusammenhang mit der Durchführung von Trockenbauarbeiten bei
einem privaten Wohnbau angeführt. Dazu der OGH:169
"Nach Inhalt des auf der Grundlage der ausführlichen Leistungsbeschreibung erteilten Auftrages hieß es in
Position 06.0309-L 'Leichtwände in Metallständerbauweise System....hohl für voll gemessen samt Aussparen
von Tür- und sonstigen Öffnungen......', in Position 06.0310 'Schallschutzwand, Leichtwände in Metallständer-
bauweise...hohl für voll gemessen samt Aussparen von Tür- und sonstigen Öffnungen' und in Position 06.0912
'Verkleidung von Wänden jeder Art mit Gipskartonplatten....verrechnet nach tatsächlich verkleideter
Wandfläche'.(…)
Im Baugewerbe bestand zur Zeit des Vertragsabschlusses der Handelsbrauch laut ÖNORM B 2206, dass
Ständerwände unabhängig von der Größe der Öffnungen oder Aussparungen 'hohl für voll' abzurechnen sind,
dass aber das Versetzen von Türstöcken nur dann gesondert zu verrechnen ist, wenn die Öffnungen vom
Ausmaß abgezogen werden. In den einschlägigen Fachkreisen wurde einheitlich der Oberbegriff 'Auslassung' für
alle Stellen, an denen Wände nicht oder nicht durchgehend errichtet werden, einerseits für 'Durchbrechungen,
Ausnehmungen, Öffnungen und Aussparungen' andererseits für 'Unterbrechungen' gebraucht, wobei erstere sich
innerhalb der Wand befinden, also an mindestens drei Seiten von Wandfläche umschlossen werden, letztere
Unterbrechungen darstellen, die vom Boden bis zur Decke reichen, also eine Wand überhaupt nicht hergestellt
wird, gleich, wie weit die Wandenden voneinander entfernt sind und ob in die Unterbrechung später andere
Wandkonstruktionselemente eingesetzt werden. Es war beiden Teilen bei den Besprechungen vor Auftragser-
teilung klar, dass in alle Wandunterbrechungen ein von einem anderen Unternehmer einzusetzendes Holz-Glas-
Element komme. Die einzelne Leistungspositionen wurden nicht erörtert. Eine besondere Umschreibung der
'Tür- und sonstigen Öffnungen' erfolgte nicht. Die Klägerin errichtete planmäßig die Zwischenwände mit den
Wandunterbrechungen. In diese Wandunterbrechungen setzte ein anderer Unternehmer die Wandelemente ein,
die Türrahmen, Türe und ein in das Element eingearbeitetes oberes Glasfeld umfassen. Soweit die Klägerin
Trennwände zum Gang errichtete, hat sie die nötigen Türöffnungen mit den Türstöcken versehen. Die Klägerin
verrechnete in ihren Teilrechnungen Material und Arbeit auch für die Flächen, die zwischen zwei benachbarten
Gipskartonständerwänden für das Holz-Glas-Element frei blieben. Die Arbeitsgemeinschaft, der dieser Umstand
zunächst nicht aufgefallen war, bezahlte die Forderungen nach den Teilrechnungen 1 bis 3, nahm aber dann
rückwirkend einen Abzug für diese verrechneten Wandunterbrechungen vor. Die Klägerin protestierte gegen den
Abzug mit dem Hinweis, sie habe aufgrund der Leistungsbeschreibung ihre Kalkulation so erstellt, dass sie alle
Leicht- und Schallschutzwände "hohl für voll gemessen" verrechne. Das Erstgericht kam zu dem Ergebnis seiner
rechtlichen Beurteilung, dass nach Treu und Glauben die nicht gesondert erörterte Leistungsbeschreibung im
Sinne der in den einschlägigen Fachkreisen entwickelten und vereinheitlichten Technologie so zu verstehen sei,
dass sich die Verrechnungsart 'hohl für voll gemessen' nicht auf die Wandunterbrechungen der Leichtbauwände
bezogen hat und daher die für die im Baugewerbe tätige Klägerin unmissverständliche Formulierung der
Leistungsbeschreibung nicht für ihren Kalkulationsirrtum verantwortlich gemacht werden könne.(…)
Die Revisionswerberin meint nämlich, es bestehe ein Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und einer darauf
beruhenden wesentlichen Tatsachenfeststellung im Urteil, der nicht das Ergebnis eines richterlichen Werturteils
ist, wenn das Berufungsgericht ein Beweisanbot für eine Behauptung vermisste, es sei nach Auftragserteilung
eine Umplanung vorgenommen worden, dass statt normaler Türen - und damit der hohl für voll gemessen
verrechenbaren Ausnehmungen für die Türen - vom Boden bis zur Decke durchgehende Holz-Glas-Elemente
eingesetzt werden. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes sind aber durch den Inhalt des Verhandlungs-
protokolls vom 18.9.1984 (ON 14 AS 87) voll gedeckt, zumal aus den auf Türen hinweisenden Einzeichnungen in
den Planausschnitten (Anlagen X und XI zum Gutachten ON 10) nicht darauf geschlossen werden kann, dass
die Türen in Türstöcke im Verlauf der Zwischenwände und nicht, wie tatsächlich ausgeführt, in die Holz-Glas-
Elemente eingehängt werden, sondern nur darstellen, wo Türen und wo unverschließbare Öffnungen vorge-
sehen sind. Dass aber die Ausführung der Zwischenwände mit Unterbrechungen für die von einem anderen
Unternehmer einzusetzenden Holz-Glas-Wand-Elemente schon Gegenstand der Besprechungen vor Auf-
tragserteilung war, ist im Tatsachenbereich festgestellt und einer Überprüfung im Revisionsverfahren entzogen."
167
Siehe dazu die bei § 75 unter dem Stichwort "gefordertes Materialgewicht" auszugsweise wiedergegebene Entscheidung
des OGH 3Ob509/90 vom 25.4. 1990.
168
Dies betrifft § 75 BVergG.
169
OGH, 5Ob580/85 vom 16.9. 1986, „Hohl für voll“.
S e i t e | 33
170
§ 78 Abs 3.
171
§ 127 Abs 1.
172
OGH, 8Ob509/88 vom 18.1. 1990, „Errichtung Postzentrum Nord“.
173
OGH, 6OB661/86 vom 26.11. 1987, "Schüttmaterial".
S e i t e | 34
Gemeinde verfassten und ausgegebenen Ausschreibungsunterlagen hatte sich die Gemeinde in gleicher Weise
zurechnen zu lassen wie die Ausschreibung selbst.(…)
Der Gemeinderat hat nach der Erfüllung eines wesentlichen Teiles der nach der Ausschreibung angebotenen
Leistungen durch die Klägerin dem dieser durch den Bürgermeister namens der Gemeinde erteilten Werkauftrag
im Sinne des Anbotes nachträglich beschlussmäßig zugestimmt. Dieser Beschluß deckte auch die notwendiger-
weise und erkennbar durch den Bürgermeister gesetzten vorvertraglichen Erklärungen und Handlungen, auch
wenn sie dem Gemeinderat bei seiner Beschlussfassung im einzelnen nicht bekannt gewesen sein sollten. Dass
der Gemeinderat mit einer den Grundsätzen öffentlicher Ausschreibung widersprechenden Art von Auslegungs-
erklärungen (einzelnen Interessenten gegenüber in mündlicher Form) nicht zu rechnen gebraucht hätte, könnte
nach der objektiv vorgelegenen Unklarheit der Formulierung im Leistungsverzeichnung [sic!] und der Kürze der
Anbotsfrist von einer Woche der Gemeinde nicht zugute gehalten werden."
Ein maßgebliches Kriterium ist, dass wichtige Eigenschaften der nachgefragten Leistung in der Leistungsbe-
schreibung genannt werden müssen,174 um die Gleichwertigkeit insbesondere bei jenen Positionen prüfen zu
können, bei denen in der Ausschreibung beispielhaft Produkte vorgegeben wurden, so die plausible Sicht aus
der Vergabejudikatur der Bundesrepublik Deutschland:175 "Gleichwertig bedeutet (…) dass ein alternativ176 ange-
botenes Erzeugnis oder Verfahren insgesamt und bezüglich wesentlicher Merkmale nicht schlechter sein darf als
das vom Auftraggeber bezeichnete. Ein alternativ angebotenes Erzeugnis ist nicht gleichwertig, wenn es in einer
wichtigen Eigenschaft von dem in der Leistungsbeschreibung als Leitfabrikat vorgegebenen Produkt abweicht.
Eine Eigenschaft ist wichtig, wenn sie in der Leistungsbeschreibung ausdrücklich angesprochen ist.177 Die Eigen-
schaft 'gegen drückendes Wasser' ist schon deshalb eine wichtige Eigenschaft, weil sie ausdrücklich in der
Leistungsbeschreibung enthalten ist."
Im Zuge von Aufklärung ist aber beispielsweise ein geringfügiges Abweichen von vorgegebenen
Maßtoleranzen zulässig und stellt nicht unzulässiges Verhandeln dar, wie das Bundesvergabeamt
festgestellt hatte:178
Die Antragstellerinnen brachten in einem Nachprüfungsverfahren nach Zuschlagserteilung vor, dass das Ange-
bot des Zuschlagsempfängers ARGE YYY u.a. aus dem Grund ausgeschieden werden hätte müssen, da der
angebotene Fräskopfdurchmesser von 3,93 m das ausschreibungsgemäß zulässige Maximum von 3,90 m über-
schritten (zulässiges Minimum waren gemäß Ausschreibung 3,25 m).
„Gemäß §§ 914 ff ABGB sind Ausschreibungsunterlagen nach den für die Auslegung rechtsgeschäftlicher
Erklärungen maßgeblichen Grundsätzen auszulegen. Danach ist nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks
zu haften, sondern die Absicht des Ausschreibenden zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der
Übung des redlichen Verkehrs entspricht.
Im gegenständlichen Vergabeverfahren ist daher bei Auslegung nach der vom Auftraggeber zum Ausdruck
gebrachten Absicht auszugehen und dabei zu beachten, dass selbst bei Verwendung einer Tunnelbohrmaschine
mit einem Fräskopf von 3,93 m unter Beachtung der vertragsgemäß zu erbringenden Spritzbetonschale von 5
cm Wandstärke, die Lichtweite des zu leistenden Werkes unterhalb von 3,90 m ist und demzufolge innerhalb der
Ausschreibungsbedingungen.
Ein weiteres Argument für die mangelnde Begründetheit des Antrages ist für den Senat, dass im Hinblick auf die
beim Tunnelbau möglichen Maßtoleranzen eine Abweichung von 3 cm eine zu vernachlässigende Größe
darstellt, zumal in den Ausschreibungsbedingungen hinsichtlich der technischen Normen auf alle in Betracht
kommenden ÖNORMEN verwiesen wird, bei denen im allgemeinen auf einen wirtschaftlich erzielbaren Genauig-
keitsgrad Bedacht zu nehmen ist. In diesem Zusammenhang ist nochmals auf die technischen Vertragsbestim-
mungen hinzuweisen, insbesondere auf den Pkt. 9.211 "Bautoleranzen", der eine Abweichung der Auskleidung
in sehr beschränktem Maße zulässt.(...)
Schließlich kann der Argumentation der Antragstellerinnen, wonach die Nichtvergütung des Mehrdurchmessers
den Bietern unkalkulierbare Risken aufbürde, nicht gefolgt werden. Gemäß den Ausschreibungsbedingungen ist
die Vergütung von Ausbohrung und Stützung immer auf der Basis des Durchmessers 3,25 m abgestellt.
Die Bieter tragen daher zwar ein wirtschaftliches, aber kalkulierbares Risiko. Aus den Vergabeunterlagen haben
sich dem Senat auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Angebot der Zuschlagsempfängerin deshalb
wirtschaftlich unplausibel wäre.“
EuGH179
Nach Scheitern eines Vergabeverfahrens mit europaweiter Bekanntmachung wählte die Europäische
Kommission ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung, wobei sie 38 Unternehmen einlud, von denen
174
§ 96 Abs 2
175
VK Brandenburg, Az.: VK 77/02 vom 26.2. 2003, "Hochdruck-Wassernebellöschanlage".
176
Hier gemeint: vom beispielhaft vorgegebenen Leitprodukt abweichendes Produkt.
177
Bezug auf ein Judikat der Vergabekammer Sachsen, 1 SVK/30-01 vom 14.5. 2001.
178
BVA, F-29/99-12 vom 27.7. 2000, „Bregenzerwald Bundesstraße, Sondierstollen Dornbirn Nord – Schwarzachtobel“
179
EuG, T-40/01 vom 28.11. 2002, "Scan Design gegen Europäische Kommission".
S e i t e | 35
17 Angebote einreichten. Zwei Angebote mussten nach einer ersten Prüfung ausgeschieden werden. Es wären
aber alle übrigen Angebote - mit Ausnahme jenes der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren, das aus
preislichen Gründen nicht in Frage kam - ebenfalls auszuscheiden gewesen, u.a. jenes verspätet eingereichte
Angebot, auf das die EK den Zuschlag erteilte, das im Übrigen auch den technischen Mindestanforderungen
nicht entsprach.
Die EK hatte angeführt, dass sie flexibel vorgehen hätte müssen, um das ihren Bedürfnissen am ehesten
entsprechende Mobiliar zu ermitteln und dass das Verhandlungsverfahren dazu Raum gäbe, was aus Art. 6 Abs
3 lit a der RL 93/36/EWG180 abzuleiten sei.; im Übrigen hätte sie das Gleichbehandlungsgebot nicht verletzt.
Das Europäische Gericht stellte dazu fest, dass die „Flexibilität“ bei der Wahl des Art. 6 Abs 3 lit a der RL
93/36/EWG gegeben sei, nicht jedoch was die Einhaltung der Ausschreibungsbedingungen betreffe.181 „Die
Kommission verfügte demnach im Rahmen des Verhandlungsverfahrens zwar über einen
Verhandlungsspielraum, hatte aber gleichwohl dafür Sorge zu tragen, dass die als zwingend eingestuften
Anforderungen der Verdingungsunterlagen eingehalten wurden.“182
Dies betrifft
• Mindestanforderungen der Ausschreibung183 und
• in hohem Ausmaß die technischen Spezifikationen.184
Der Auftraggeber darf durch die Ausschreibung keinem Bieter sachlich ungerechtfertigte Vor- oder
Nachteile verursachen185. Dies gilt insbesondere für die technischen Spezifikationen.186
Die Ausschreibung eines bestimmten Systems verstößt hingegen dann nicht gegen das Gebot der
Neutralität der Leistungsbeschreibung, wenn dies unter Einhaltung der Grundsätze des Ver-
gaberechts erfolgt187.
180
Entspricht § 29 Abs 2 Z 1 BVergG.
181
Rn. 75 f
182
Rn. 80
183
§ 79 Abs 3
184
§ 98
185
§§ 19 Abs 1, 96 Abs 3, 98 Abs 7 und 8; mittelbar auch § 19 Abs 3.
186
Siehe insbesondere § 75 Abs 7
187
Im Wesentlichen die Vorgaben der §§ 19, 96 - 98.
188
BVA, 17N-75/02-18 vom 21.2. 2003, "Sandklassierer - Sandwäscher".
S e i t e | 36
stellerin ins Treffen geführten Argumente der Gleichwertigkeit der Leistung und der Einhaltung der Garantiewerte
mögen bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit einer qualitativ gleichwertigen Leistung eines Alternativangebotes
hauptsächlich ausschlaggebend sein. Sie sind jedoch bei der Beurteilung der gleichwertigen Art der Leistung
eines Hauptangebotes nicht allein ausschlaggebend.
Wie der Vergleich zwischen §§ 42 Abs. 1 und 4189 sowie 52 Abs. 1 Z 8190 BVergG 1997 zeigt, führt ein Wider-
spruch zu den Bestimmungen der Ausschreibung zum Ausscheiden des Angebotes.
Wie das Bundesvergabeamt in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, obliegt die Systementscheidung dem
Auftraggeber (siehe z.B. Bundesvergabeamt vom 13. November 1997, F-12/97-11).
Wie das Bundesvergabeamt in seinem Bescheid vom 11. Juni 2001, N-61/01-10, ausführte, liegt ein Alternativ-
angebot nicht nur dann vor, wenn das angebotene Endprodukt ein anderes ist als das in der Ausschreibung
angegebene, sondern auch dann, wenn die Art der Leistungserbringung eine andere als die in der Aus-
schreibung geforderte ist.
In ihrer Empfehlung vom 9. Dezember 2002, S-101/02-13 hat auch die Bundes-Vergabekontrollkommission
darauf abgestellt, dass die Systementscheidung dem Auftraggeber obliegt und das Angebot der Antragstellerin
allenfalls als Alternativangebot anzusehen wäre, nicht jedoch als Hauptangebot.
Vor allem im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin in ihrer Produktpalette über Geräte verfügt, die den
Bedingungen der Ausschreibung genügen, und es ihr jederzeit möglich gewesen wäre, ausschreibungskonform
anzubieten, war der Antrag abzuweisen. Ob das Angebot der ausgeschriebenen Leistung im Sinne eines Alter-
nativangebotes entsprochen hat, war nicht weiter zu prüfen, da die Antragstellerin dieses als Hauptangebot
gelegt und auch in der mündlichen Verhandlung darauf bestanden hat, dieses als Hauptangebot anzusehen."
Als illustratives Beispiel aus der Judikatur für die Verteilung der Sorgfaltspflichten zwischen Auftraggeber und
Unternehmern ist hier das Urteil in der Rechtssache „Rohtrasse schieben“ anzuführen, worin der OGH die
Sorgfaltsmaßstäbe für den öffentlichen Auftraggeber festlegt, u.a. betreffend des Vertrauens auf eine scheinbar
klare Leistungsbeschreibung:192
Der im Zivilrechtsweg (nach Abschluss der Leistungen) klagende Auftragnehmer verstand bei der Erstellung
eines Angebotes für die Umlegung eines landwirtschaftlichen Weges den vom Auftraggeber in der Leistungs-
beschreibung zugrunde gelegten Begriffsinhalt der Position "Rohtrasse schieben" in seinem Angebot falsch.
Diese Positionsbezeichnung war keine auf diese individuelle Ausschreibung beschränkte, sondern wurde von
sämtlichen Agrarbezirksbehörden in Kärnten bei gleichartigen Ausschreibungen laufend verwendet. Gemeint ist
dabei, dass hangseitig Material abgetragen und talseitig aufgeschüttet wird; demgegenüber hatte die Klägerin
diese Position so verstanden, dass nach Abtragen des Hanges (= Verrechnung unter "offenem Abtrag") eine
Rohtrasse geschoben werden sollte, um die Zufahrtsmöglichkeit für die zum Einsatz kommenden Baumaschinen
zu schaffen.193
Der klagenden Unternehmung waren die bei der ausschreibenden Stelle aufliegenden Pläne nicht übermittelt
worden und der Geschäftsführer der klagenden Unternehmung hatte keine Geländebesichtigung i.e.S.
durchgeführt.
Die Klägerin hatte unter dieser Position nur die Herstellung der für den Maschineneinsatz notwendigen Roh-
trasse verstanden, die Beklagte hingegen darüber hinaus den offenen Abtrag, das lagenweise Anschütten von
Abtragsmaterial, die Herstellung des Unterbauplanums, die Schüttung der Frostschutzschicht und die Asphal-
tierung der Straßenfläche. Außerdem seien der Ausschreibung keine Pläne beigelegen, die genaue Trassen-
führung sei erst im Zuge der Ausführung der Arbeiten erkennbar gewesen.
Der OGH gab der Klage statt und stellte, im Gegensatz zum erstinstanzlichen Urteil fest, dass es sich im
189
Entspricht nunmehr § 106 Abs 1 und 4.
190
Entspricht nunmehr § 129 Abs 1 Z 7.
191
§ 78 Abs 9
192
OGH 3 Ob 564/94 vom 22.2. 1995.
193 1
Die Klägerin hatte den m Rohtrasse schieben bei 4,50 m Kronenbreite um 18,-- ATS (Lohn: 4,--; Sonstiges: 18,--) bei 500
1
m angeboten, die Konkurrenten zwischen 54,-- ATS und 67,50 ATS; ein Sachverständiger hatte im Zuge der gerichtlichen
1
Auseinandersetzung 681,-- ATS/m als angemessenen Einheitspreis ermittelt. Das Angebot der Klägerin lautete auf
5,794.404,-- ATS (verm. brutto). Sie legte eine Schlussrechnung über 7,407.657,10 ATS, die später auf 6,857.602,40 ATS
korrigiert wurde.
S e i t e | 37
konkreten Fall um einen Erklärungsirrtum194 und nicht um einen Kalkulationsirrtum195 handle, da die klagende
Unternehmung dem Begriffsinhalt der Position "Rohtrasse schieben" eine andere Bedeutung beimaß als der
Auftraggeber und dies ihrem Angebot zugrunde gelegt hatte. Es wäre Aufgabe des Auftraggebers gewesen, bei
der Angebotsprüfung im Zuge der Prüfung der Preisangemessenheit entsprechend Aufklärung zu verlangen:
„Da es dabei auf das Verständnis des Empfängers der Erklärung ankommt, ist hier nicht entscheidend, dass
nach den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes nicht eindeutig ist, ob die Bedeutung, welche die beklagte
Partei der im Anbot der klagenden Parteien enthaltenen Position ’Schieben der Rohtrasse’ beilegte, in der
gesamte Baubranche (zumindest Österreichs) oder nur in dem Gebiet, in dem die Arbeiten vorzunehmen waren,
üblich ist. Auch in diesem Fall wäre der Vertrag zwischen den Streitteilen mit dem Inhalt zustande gekommen,
wie es der ’Erklärungssitte’ (vgl WoBl 1991 139; Miet 31.106) im Bereich der beklagten Partei entspricht.
Dazu kommt hier noch, dass es nach den Feststellungen des Erstgerichtes gar nicht möglich ist, zuerst den
offenen Abtrag vorzunehmen und dann die Rohtrasse zu schieben. Auch dies spricht dafür, daß die beklagte
Partei der Meinung sein musste, in der im Anbot enthaltenen Position ’Schieben der Rohtrasse’ seien die damit
verbundenen Abtragungsarbeiten enthalten.“
Zu beachten ist, dass der OGH hier der Pflicht des Auftraggebers, das Angebot zu prüfen und Aufklärung zu
verlangen,196 einen höheren Rang zuordnet als einerseits der zu erwartenden Einsichtnahme des anbietenden
Unternehmers in die Ausführungspläne bzw. der Besichtigung der vorgesehenen Trasse in der Natur und ande-
rerseits dem Verlangen nach Aufklärung zu einer dem Begriffsinhalt offenbar nicht klaren Leistungsposition
(wobei es sich nicht um eine Position einer standardisierten Leistungsbeschreibung im eigentlichen Sinn
gehandelt hat, sondern um eine "regional übliche" Bezeichnung, die von der Rechtsqualität her nicht die
Bedeutung eines Handelsbrauchs haben dürfte).
Wenngleich die Ausschreibung erforderlichenfalls Pläne zu enthalten hat, enthält § 81 als zentrale Regelung für
die Erstellung von Angeboten allerdings keine Verpflichtungen des Bieters, in Pläne tatsächlich Einsicht zu neh-
men; aus § 81 Abs 5 wäre allenfalls indirekt eine Verpflichtung des Bieters abzuleiten, falls ihm eine Berichtigung
der Ausschreibung erforderlich erschiene (wenn der Bieter aber weder in Pläne Einsicht nimmt noch die Trasse
in der Natur besichtigt, wird er wohl kaum einen Anlass für die Forderung nach Berichtigung der Ausschreibung
finden).
194
§ 871 ABGB. "Ein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende meint, etwas anderes zu erklären als er wirklich erklärt
oder wenn ihm die Erklärung gar nicht als solche bewusst ist." (KOZIOL - WELSER, Grundriss des bürgerlichen Rechts,
10
Wien: 1995 Manz , S. 121). "Ein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn sich ein Teil bei einer Erklärung, die für den anderen
bestimmt ist, zB bezüglich des Preises verschreibt, einen Rechenfehler macht, sich verspricht odgl." (DITTRICH - TADES,
20
Taschenkommentar zum ABGB, Wien: 2002 Manz , S. 283).
195
Im vergaberechtlichen Sinn bedeutet das eine falsche Einschätzung der vom Unternehmer zu tragenden Kosten und des
von ihm zu tätigenden Aufwandes.
196
§§ 122 ff
197
§96 Abs 6
198
"Eine Partei kann sich aber nicht auf das Fehlen oder den Wegfall einer typischen Voraussetzung berufen, wenn diese sich
auf Tatsachen der eigenen Sphäre bezieht; denn jeder Vertragspartner muss die Gefahr aller Umstände tragen, die sich in
seinem Bereich ereignen (vgl die §§ 1107, 1168, 968 [ABGB]) (KOZIOL-WELSER, Grundriss des bürgerlichen Rechts,
10
Wien: Manz 1995 .
199
So u.a. der OGH, 7Ob67/00d vom 7.4. 2000, zu einem (privaten) Auftrag über das Brechen von Gleisschotter und die vom
Auftragnehmer unterlassene Warnpflicht: " Wie auch immer die zwischen den Parteien getroffene Absprache qualifiziert
wird, ist jedenfalls eine unverzügliche Anzeige einer unvermeidlichen (mitunter auch beträchtlichen) Überschreitung zur
Wahrung des Anspruches auf die Mehrkosten dann entbehrlich, wenn diese auf Umstände in der Bestellersphäre, hier also
der beklagten Partei [Auftraggeber], zurückzuführen sind (SZ 58/41; 9 Ob 66/99t). Davon ist auch hier auszugehen, weil
der (später zur Nichteinhaltung der erwarteten Brechleistung und damit Kostenüberschreitung führende und damit in die -
übrigens bei Auftragserteilung nicht fix vereinbarte - Stundenabrechnung einfließende) Umstand, dass nämlich der zur
Brechung übernommene Gleisschotter durch Erdreich stark verunreinigt war und überdies mit großen Eisenmengen, die
erst herausgefiltert werden mussten und durch Verkeilung des Förderbandes mehrfach zu Unterbrechungen und Ver-
zögerungen führten, versetzt war, nicht der klagenden Partei [Auftragnehmer] angelastet werden kann."
S e i t e | 38
umfangreiche Vorarbeiten oder unzumutbare Wagnisse zuzumuten200 und zum anderen, um dem
Grundsatz der Neutralität der Leistungsbeschreibung zu entsprechen.201
Dem steht die Prüfpflicht des Werkunternehmers nach den Grundsätzen des ABGB202 gegenüber, die
aber Grenzen hat (hier dargestellt am Bodenrisiko):203
" Die Prüfpflicht des Werkunternehmers bestimmt sich in einem solchen Fall danach, in welchem Um-
fang der Werkbesteller eine solche Prüfung nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte; ohne Ent-
gelt für die Beiziehung von Prüforganen haftet der Werkunternehmer nur für die Vornahme von
Prüfungen nach Maßgabe der Fachkenntnisse des Werkunternehmers (WBl 1987, 119). Das ergibt
sich schon aus der praktischen Überlegung, dass eine Ausschreibung im Fall vereinbarter Über-
wälzung der Prüfpflicht keine exakten und bindenden Angaben enthält und es unpraktisch und unzu-
mutbar wäre, wenn jeder Bieter für sich die Bodenverhältnisse exakt festzustellen hätte; (…)
Das Ausmaß der Pflicht zur Überprüfung der Richtigkeit der Angaben und Weisungen des Werkbe-
stellers richtet sich nach den Fachkenntnissen, die der Werkunternehmer zu vertreten hat und nach
der Zumutbarkeit der Durchführung solcher Prüfungsmaßnahmen. Der Werkunternehmer hat zwar
alles, was der Werkbesteller für die Herstellung des Werkes zur Verfügung stellt, auf Zweckmäßigkeit
hin zu prüfen und etwaige Bedenken geltend zu machen. Es trifft ihn aber nicht die Pflicht, im glei-
chen Umfang wie der primär prüfpflichtige Werkbesteller eigene Untersuchungen anzustellen. Viel-
mehr genügt es, wenn sich der Bauunternehmer hinreichend von der Verlässlichkeit der bereits vom
Bauherrn vorgenommenen Untersuchung überzeugt, ob die angewandten Prüfungsmethoden sach-
gerecht waren und jene Person, welche die Prüfung durchgeführt haben, hinreichend qualifiziert und
vertrauenswürdig sind. Hingegen ist es nicht erforderlich, dass der Bauunternehmer kostspielige
Paralelluntersuchungen [sic!] vornimmt oder in Auftrag gibt (Krejci in FS Fasching 319), es sei denn,
es wäre dies besonders vereinbart oder hätte im Entgelt seinen Ausdruck gefunden (WBl 1987, 219)."
200
§ 78 Abs 3
201
§ 96 Abs 3
202
§ 1168a ABGB
203
OGH, 7Ob140/98h vom 25.8. 1998, "Doppelhäuser in Vösendorf".
204
OGH, 8Ob588/87 vom 5.11. 1987, „Grundwasser“.
S e i t e | 39
keinerlei Veranlassung. Weitere Hinweise auf eine allfällige mögliche Aggressivität des Grundwassers erfolgten
nach den Feststellungen des Erstgerichtes der Klägerin gegenüber vor der Herstellung der Fundamente nicht.
Die von Ing. T*** gesprächsweise gegenüber Mitarbeitern der Klägerin geäußerte Anregung, das Grundwasser
untersuchen zu lassen, konnte im übrigen von dieser schon deshalb nicht als bindender Auftrag gewertet
werden, eine nicht in ihren Aufgabenbereich fallende Untersuchung durch einen branchenfremden Spezialisten
durchführen zu lassen, weil gemäß Punkt 6.8 der ihrem Inhalt nach außer Streit gestellten, dem Werkvertrag
zugrunde gelegten Leistungsbeschreibung (...), alle vom Auftragnehmer, also der Klägerin, zu erbringenden
Leistungen vor der Durchführung von der Bauaufsicht des Bauherrn schriftlich freigegeben werden mussten. Ein
solcher schriftlicher Auftrag an die Klägerin wurde jedoch weder behauptet noch festgestellt. In der Auffassung
des Berufungsgerichtes, dass der Klägerin keine Verletzung ihrer Warnpflicht gegenüber dem Beklagten im
Zusammenhang mit der Untersuchung des Grundwassers angelastet werden kann, noch sie in dieser Richtung
eine Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten zu vertreten hat, kann daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung
erblickt werden.“
Im zweiten Fall, „Inntaltunnel“205, handelt es sich um einen der namhaftesten österreichischen Prozesse im
Zusammenhang mit Nachtragsforderungen bei einem großen öffentlichen Auftrag; Auslöser des Prozesses war
eine starke geologische Störung, die eine deutlich andere Ausführung der Leistungen bewirkte, als nach den der
Leistungsbeschreibung zugrunde liegenden geologischen Unterlagen vorauszusetzen gewesen wäre. Die
ausführenden Unternehmungen drangen mit einem Teil ihrer Forderungen durch. Sie hatten jedoch keinen Erfolg
mit dem Klagsbegehren, dass die Ausschreibung wegen der gegenüber der Leistungsbeschreibung geänderten
geologischen Verhältnisse sittenwidrig nach § 879 gewesen wäre bzw. dass den ausführenden Unternehmen ein
Anspruch auf Schadenersatz zustehe. Der OGH begründete dies damit, dass der Auftraggeber die geologischen
Verhältnisse untersucht hatte und darauf gestützte Aussagen aber nur mit Unschärfen treffen konnte:
„Entgegen der Meinung der Revisionswerber [bauausführende Unternehmungen] kann - selbst wenn man davon
ausgeht, dass nach dispositivem Recht der Auftraggeber das Baugrundrisiko zu tragen hat - nach den vor-
liegenden Feststellungen keinesfalls gesagt werden, dass eine gröbliche Benachteiligung vorliege. Ex ante be-
trachtet standen beiden vertragsschließenden Parteien nur beschränkt aussagekräftige geologische Unterlagen
zur Verfügung. Eine sachliche Rechtfertigung der fraglichen Regelung lässt sich leicht darin finden, dass es für
einen Werkbesteller doch legitim ist, die Folgen nicht vorausgesehener (allenfalls auch durch das Abweichen des
tatsächlichen Baugrundes vom erwarteten verursachter) Kostenerhöhungen zu beschränken und teilweise auf
den Auftragnehmer zu überwälzen. Bei ihren Ausführungen übersieht die Revisionswerberin insbesondere, dass
die von ihr so genannte "Verschärfung" der ÖNORM-Bestimmung nach ihrer Formulierung neutral war und daher
sowohl zugunsten der beklagten Partei [Auftraggeber] als auch zugunsten der klagenden Parteien ausschlagen
konnte. Dass von vornherein festgestanden wäre, die Bodenverhältnisse könnten sich gegenüber den Kalkula-
tionsannahmen lediglich verschlechtern, aber wohl kaum verbessern (so Krejci, Bauvertrag 109), wurde ja weder
behauptet noch festgestellt. Dass durch die angesprochene Klausel die Auftragnehmer ein völlig unkalkulier-
bares und nach oben hin unbegrenztes Baugrundrisiko auf sich genommen hätten (so Krejci aaO 112 f), hat sich
im Verfahren ebenfalls nicht ergeben und wird auch in der Revision gar nicht behauptet. Bei all diesen Erwä-
gungen darf auch nicht übersehen werden, dass die ÖNORM [B 2117] ohnehin (auch) Preiserhöhungen für
Änderungen der Art der Leistung, für Zusatzleistungen und für Behinderungen vorsieht. Darüber hinaus ist auf
Grund der Struktur eines Einheitspreisvertrages bei Mengenveränderungen nach oben ein proportional höheres
Entgelt zu leisten. Lediglich im Bereich solcher Mengenveränderungen kann es zu einem teilweisen Abwälzen
des Baugrundrisikos kommen. (…)
Die Rechtsansicht, ihre Forderungen wären auch aus dem Titel des Schadenersatzes berechtigt, halten die
klagenden Parteien in dem von der drittklagenden Partei ausgeführten Teil ihrer Revision insofern aufrecht, als
sie darauf beharren, Abweichungen der Bodenverhältnisse von jenen, welche auf Grund der Angaben der be-
klagten Partei in der geologischen Untersuchung zu erwarten gewesen wären, seien "Pflichtverletzungen", die zu
Schadenersatzansprüchen führen könnten. Dabei beruft sich aber die drittklagende Partei zu Unrecht auf die
Entscheidung 7 Ob 140/98h = RdW 1999, 70 = WBl 1999, 81. Aus dem eigenen Zitat in der Revision geht bereits
hervor, dass ein entsprechendes Vertrauen des Werkunternehmers nur dann berechtigt ist, wenn der
Werkbesteller nicht darauf hinweist, dass Unklarheiten über die für die bestellte Leistung erforderlichen Voraus-
setzungen vorliegen. Nach den Feststellungen wurde in dem der Ausschreibung beiliegenden geotechnischen
Bericht darauf hingewiesen, dass wegen der beschränkten Obertagaufschlüsse die Prognostizierbarkeit der
geologischen Verhältnisse beschränkt sei. Daraus ergibt sich, dass die klagenden Parteien von Anfang an nicht
mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen konnten, die Prognose werde sich als zuverlässig erweisen. Nach
Krejci (Bauvertrag 24) muss der Besteller vorweg für möglichst klare Verhältnisse im eigenen Bereich sorgen
bzw offenlegen, dass er nicht dazu imstande ist. Der zweiten Variante genügte das Verhalten der beklagten
Partei, die zwar eine Bodenuntersuchung vornehmen ließ, allerdings auf deren Unsicherheit hinwies. Nach
Auffassung des erkennenden Senates würde es eine Überspannung der vorvertraglichen Sorgfaltspflicht
bedeuten, von jedem Bauherrn eines Tunnels zu verlangen, vor der Ausschreibung einen Sondierstollen bauen
zu lassen. Eine vertragliche Verpflichtung kann hier schon deshalb nicht angenommen werden, weil auch die
klagende ARGE die beklagte Partei nie auf die Notwendigkeit eines solchen Stollens aufmerksam gemacht
hatte.“
205
OGH, 3Ob146/99p vom 24.5. 2000.
S e i t e | 40
In den Ausführungsbedingungen des Auftraggebers war geregelt, dass Überstunden zwischen 20.00 und 6.00
Uhr, deren Notwendigkeit nicht durch den Auftraggeber verursacht ist, nur nach vorheriger Genehmigung durch
die örtliche Bauaufsicht und bei Übernahme sämtlicher dadurch entstehender Kosten durch den Auftragnehmer
gestattet sind. U.a. diese Bedingung wurde vom Bieter mit dem Angebot abgeändert. Dazu das BVA, eine
"nachträgliche Aufklärung" als rechtswidrig ablehnend:206
"Laut Punkt 460 der AVB sollte der Auftragnehmer verpflichtet sein, die Kosten sämtlicher durch Überstunden
veranlasster Aufwendungen zu tragen, wenn die Notwendigkeit für die Leistung solcher Überstunden durch den
Auftragnehmer - unabhängig von dessen Verschulden - verursacht wurde. Durch die im Begleitschreiben zum
Angebot der Antragstellerin enthaltene Formulierung 'nehmen wir zu einzelnen Vertragspunkten Stellung' und
'eine Kostentragung für Überstunden ... ist ... nur bei schuldhaftem Verhalten des Auftragnehmers möglich', hat
die Antragstellerin eindeutig den Willen bekundet, die in Punkt 460 AVB enthaltene Anforderung abzulehnen.
Wenn etwas nur unter bestimmten Bedingungen 'möglich' sein soll, ergibt sich daraus zwingend, daß sich der
Erklärende für alle anderen Fälle nicht dazu verpflichten will.“
Das Bundesministerium für Inneres hatte die Leistungen für die Durchführung von Sicherheitskontrollen am Flug-
hafen Linz im Mai 1997 im offenen Verfahren ausgeschrieben, ursprünglich aber nicht ausreichend genau
spezifiziert. Im Besonderen betraf dies, was das "All-in-Entgelt" genau umfassen sollte. Auf Grund von Anfragen
präzisierte der Auftraggeber im Juni 1997 die Anforderungen der Leistungsbeschreibung an die Bieter. Das
Bundesvergabeamt sah diese Information, vor dem Hintergrund der spezifischen Berufserfahrung des in
Betracht kommenden Bieterkreises, als ausreichend an:207
"Da die Antragstellerin die Frage des Verhältnisses Kontrollstraßen/Passagiere nach wie vor nicht ausreichend
geklärt sah, stellte sie erst sechs Monate später, am 9. Dezember 1997, gemeinsam mit einem Antrag auf
einstweilige Verfügung den Antrag auch Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens. In der Information des
Bundesministeriums für Inneres wurde in ausreichender Weise ausgeführt, welche Leistungen im speziellen
durch das "All in"-Entgelt abgegolten werden. Darüber hinaus wurde in der ergänzenden Bemerkung ein genauer
zeitlicher Rahmen festgelegt, in welchem der Bieter die Abfertigung eines Flugzeuges jedenfalls absolviert haben
muss. In Verein mit dem in den Ausschreibungsunterlagen zur Verfügung gestellten Zahlenmaterial, aus wel-
chem die Fluggastfrequenzen sowohl an Spitzentagen als auch an den passagierschwächsten Tagen, sowie die
benötigten Arbeitsstunden pro Tag und die Betriebsstunden der Röntgenanlagen abzulesen sind, war es daher
jedem Bieter mit der nötigen Erfahrung in diesem Dienstleistungsbereich problemlos möglich zu erkennen, in
welchem Umfang Personal und Erfahrung in diesem Dienstleistungsbereich problemlos möglich zu erkennen, in
welchem Umfang Personal und Kontrollstraßen für das jeweilige Passagieraufkommen bereitzuhalten ist. Die
Bieter konnten aufgrund der Ausschreibung samt ergänzender Information - im Gegensatz zu der vom
Bundesvergabeamt mit Bescheid vom 28. Oktober 1997 aufgehobenen Ausschreibung der Sicherheitskontrollen
am Flughafen Salzburg - im gegenständlichen Vergabeverfahren durchaus feststellen, auf welche Leistungen
und auf welchen Umfang sich der Angebotspreis zu beziehen hat.
Da diese ergänzende Information an alle Bewerber, die die Ausschreibungsunterlagen erhalten haben, schriftlich
ergangen ist, entspricht diese den Erfordernissen des § 39 BVergG208 und reicht somit aus, den ursprünglichen
Mangel der Ausschreibung zu beheben. Die Ausschreibung erfüllte somit die Erfordernisse des § 36 Abs. 1
BVergG.209"
Beim Vergabeverfahren "Räumung der Fischer-Deponie und Entsorgung der geräumten Abfälle" 210brachte die
Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren (u.a.) vor, dass es praktisch unmöglich sei, genaue Vorerkundungen
der konsenslosen Abfälle durchzuführen und es daher erforderlich wäre, die gesamte Deponie zu sichten.
Das Bundesvergabeamt wies den Antrag „die in den Teilnahmeunterlagen enthaltene Forderung, dass im Fall
einer Verbringung zu nicht in Österreich liegenden Anlagen das Vorliegen einer gültigen Exportgenehmigung
spätestens zum Tag der Angebotsabgabe zu erbringen ist, für nichtig zu erklären“, eben wegen nach Auffassung
der Antragstellerin nicht ausreichender Spezifikation der Abfälle, ab:
"Mit der VO (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung
von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft wurde die Abfallverbringung in Staaten der
EWG und in Drittstaaten für alle Mitgliedsländer verbindlich geregelt, die VerbringungsVO ist mit 1.1.1997 unmit-
telbar anzuwenden. Der österreichische Gesetzgeber nahm dies zum Anlass, mit der EU-Nov 1996 zum AWG
BGBl 1996/434 (RV 149 BlgNR 20. GP) das AWG dem EU-Recht anzupassen. Was nun den Export betrifft,
206
BVA, N-25/99-16 vom 30.6. 1999, „Adaptierung OeNB I, Gewerk 783 LAN“.
207
BVA, N-36/97-12 vom 23.1. 1998, "Durchführung von Sicherheitskontrollen am Flughafen Linz".
208
Entspricht nunmehr § 90
209
Entspricht nunmehr § 96 Abs 1
210
BVA, N-127/01-29 vom 11.1. 2002, "Sanierung der Altlast Dkfm. Fischer-Deponie - Räumung Fischer-Deponie, Transport
und Entsorgung der geräumten Abfälle".
S e i t e | 41
besteht der wesentliche Unterschied zur genannten EWG-VO, dass dort eine Notifizierung mit Hilfe des Begleit-
scheines genügt, gegen die Einwände erhoben werden können. Österreich blieb aber in Ausführung der VO
weiterhin dabei, dass ungeachtet der Notifizierung weiterhin ein Bescheid (auch bei Zustimmung) zu erlassen ist
(RV 149 BlgNR 20. GP, 19). Das BVA hält diese Regelung für EU-konform (siehe dazu auch die Schlußanträge
des Generalanwaltes Francis G. Jacobs in der Rechtssache C-6/00 vom 15.11.2001 über
Vorabentscheidungsersuchen des VwGH).
Aus der Ausschreibung ergibt sich, dass eine Fraktionierung der Abfälle grosso modo bereits möglich ist. Es ist
daher insbesondere auch schon jetzt die Angabe der Abfallschlüsselnummer, die Art und Konzentration der
charakteristischen oder signifikanten Bestandteile der Abfälle möglich, sodass der Ausstellung des
Begleitscheines keine wesentlichen Hindernisse entgegenstehen."
BVA: 211
"Die Antragstellerin hat entgegen dem ausdrücklichen Hinweis in der Aufforderung zur Teilnahme am
Vergabeverfahren in ihrem Angebot keine prozentmäßigen Angaben über den vorgesehenen Personaleinsatz
erstattet und sohin ein unvollständiges und daher mangelhaftes Angebot gelegt. Ob ein behebbarer oder ein
unbehebbarer, gemäß § 52 Abs. 1 Z 8 BVergG212 zum Ausscheiden des Angebotes führender Mangel vorliegt, ist
unter Berücksichtigung der Grundsätze des freien und lauteren Wettbewerbes sowie der Gleichbehandlung aller
Bieter gemäß § 16 Abs. 1 BVergG213 zu beurteilen. Unter Beachtung dieser Grundsätze liegt jedenfalls dann ein
unbehebbarer Mangel vor, wenn die nachträgliche Mängelbehebung den Wert der angebotenen Leistung
beeinflussen würde. Diesfalls könnte nämlich der Bieter durch eine nachträgliche Ergänzung seines Angebotes
seine eigene Position in Kenntnis der Angebotspreise seiner Mitbewerber in unzulässiger Weise nachträglich
verbessern (vgl. die auch auf die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen anwendbaren, bei Kropik, Mängel in
Angeboten (1998) 43, aufgestellten Grundsätze). Unabhängig von der Frage der Bedeutung des
Personaleinsatzes hinsichtlich der einzelnen Gewerke des Auftrages war der Personaleinsatz im vorliegenden
Fall ein maßgebendes Zuschlagskriterium. Eine nachträgliche Ergänzung der ursprünglich über den
Personaleinsatz erstatteten Angaben würde daher jedenfalls den Wert der angebotenen Leistung für die
Auftraggeberin beeinflussen und wäre somit geeignet, die Position des Bieters in unzulässiger Weise zu
verbessern. Da das Angebot der Antragstellerin also mit einem unbehebbaren Mangel behaftet war und somit
auszuscheiden gewesen wäre, konnte sie durch eine nachträgliche, allenfalls rechtswidrige Anwendung der
Zuschlagskriterien in ihren Rechten nicht mehr beeinträchtigt werden."
Sofern nicht mit Absprachen von Bietern zu rechnen ist, mag ein Besprechungstermin ausreichend
sein; sollten jedoch Absprachen der Bieter nicht ausgeschlossen werden können, so sollten mindes-
tens zwei Termine vorgesehen werden. Dabei wäre, soweit dies möglich ist, darauf zu achten, dass
nicht Vertreter derselben Unternehmungen an beiden bzw. allen Terminen teilnehmen.
Sinn dessen ist, dass individuelle Besonderheiten vom Auftraggeber erklärt bzw. von den Vertretern
der Unternehmungen erfragt werden können.
Die bei solchen Terminen getätigten Aussagen sind aus vergaberechtlichen Gründen ihrem wesent-
lichen Inhalt nach genauso bekannt zu machen wie die Ausschreibung.
Ein automatisches Ausscheiden der Angebote von Unternehmern, deren Vertreter nicht an einem
dieser Besichtigungstermine teilgenommen haben, mag zwar angedroht werden, dürfte aber rechtlich
nicht haltbar sein - dem Bieter ist bei der Angebotsprüfung Gelegenheit zu geben, zu begründen,
weshalb er ohne Teilnahme an einem solchen Termin glaubt, ein ordnungsgemäßes Angebot er-
211
BVA, F-3/98-12 vom 3.8. 1998, "Vergabe der örtlichen Bauaufsicht des Projektes Rossauerkaserne-Generalsanierung,
Trakte 1-6 sowie Neubau einer Tiefgarage im Hof A".
212
Entspricht nunmehr § 129 Abs 1 Z 7
213
Entspricht nunmehr § 19 Abs 1
S e i t e | 42
stellen zu können; der Auftraggeber hat diese Erklärung des Bieters sodann auf ihre Plausibilität zu
überprüfen und davon die weitere Behandlung des Angebotes abhängig zu machen.
Dies unterscheidet sich vom vorigen Punkt dadurch, dass keine Besichtigung des (der) Erfüllungs-
orte(s) vorgesehen ist. Der relevante Zeitpunkt ist etwa zur Hälfte der Angebotsfrist. Die Fragen
werden anonym mit den bezughabenden Antworten allen übermittelt, von denen der Auftraggeber
weiß, dass sie Angebote behoben haben und genauso bekannt gemacht wie die Ausschreibung.
Dieses System hat sich in der Praxis als sehr gut funktionierend herausgestellt.
Die Vorschreibungen der Auftraggeber sind hier sehr unterschiedlich. Es gibt grundsätzlich zwei
Denkschulen:
1. Es wird von allen Bietern (Bewerbern) grundsätzlich die Vorlage aller relevanten Unterlagen
bereits mit dem Angebot verlangt.
Dann steht zur Diskussion, was der Auftraggeber mit jenen Angeboten (bzw. bei zweistufigen
Verfahren: Bewerbungen) macht, bei denen nicht alle geforderten Unterlagen tatsächlich
vorgelegt wurden.
Überwiegende Mehrheitsmeinung (und auch Judikaturlinie) ist, dass alle Unterlagen, die nichts
an den Preisen sowie an der Art der Leistung und deren Ausführung ändern, binnen angemesse-
ner Frist nachgereicht werden können.
Einen Sonderfall stellt hier die Liste der Subunternehmer für wesentliche Teilleistungen dar, die
aus Gründen des fairen Wettbewerbs bereits mit dem Angebot eingereicht werden sollte; behält
sich dies der Auftraggeber vor, dann wird eine Nichtvorlage dieser Liste zwingend zum
Ausscheiden dieses Angebotes führen müssen, sofern nicht der Bieter alle relevanten
Leistungen selbst erbringt.
2. Der Auftraggeber verlangt mit dem Angebot nur die ihm am vordringlichsten erscheinenden
Nachweise und legt fest, dass auf seine Aufforderung hin weitere, in den Ausschreibungs-
unterlagen angeführte Nachweise binnen angemessener Frist (d.h. acht bis vierzehn Tage)
nachzubringen sind. Vorteil: Die Belastung der Bieter ist geringer, was vor allem jenen zugute
kommt, deren Angebote nicht in die engere Wahl kommen.
Der Auftraggeber soll sich auch überlegen, welche Aktualität die Nachweise haben müssen und
welche Nachweise im Original beigebracht werden müssen bzw. auch in Kopie eingereicht werden
können.
S e i t e | 43
Ebenso sollte der Auftraggeber Feststellungen treffen, dass Unternehmer darauf verweisen können,
dass sie in einer Liste geeigneter Unternehmer214 geführt werden und dass nur mehr darüber hinaus-
gehende Nachweise vorgelegt werden müssen.
Der Auftraggeber ist verpflichtet, in den Ausschreibungen festzulegen, welche Teile der Leistung
gegebenenfalls gesondert beauftragt werden können; in diesem Fall muss er Angebote für jeden
einzelnen dieser vorgegebenen Leistungsteile zulassen, eine Forderung, dass nur Gesamtangebote
eingereicht werden dürfen, ist rechtswidrig. Der Auftraggeber ist in weiterer Folge an diese Fest-
legung gebunden.
Unbenommen bleibt, dass der Auftraggeber Gesamtangebote bevorzugen kann; in diesem Fall wird
er eine Preisdifferenz festlegen müssen, innerhalb derer Gesamtangebote gegenüber Teilangeboten
bevorzugt werden.
Definiert der Auftraggeber keine (gesondert anbietbaren und zuschlagbaren) Teilleistungen, dann
darf ausschließlich die Gesamtleistung zugeschlagen werden; allfällige Teilangebote sind dann
zwingend auszuscheiden.
Beabsichtigt der Auftraggeber, die Kombination der Angebote einer Ausschreibung mit den
Angeboten einer (mehreren) anderen Ausschreibung(en) heranzuziehen, um technisch oder vor
allem preislich ein günstigeres Ergebnis zu erzielen, so hat er in allen in Betracht kommenden
Ausschreibungen entsprechend darauf hinzuweisen. Unterlässt dies der Auftraggeber, so ist die
Beauftragung einer ausschreibungsübergreifenden Kombination, sei es von Hauptangeboten sei es
von Alternativangeboten, rechtswidrig.
Anmerkung: Sollen verschiedene Verfahren kombiniert werden, so ist auch bei der Abwicklung – z.B.
bei der Angebotsfrist – darauf Rücksicht zu nehmen.
215
„Verbandskläranlage Gnas“ - beabsichtigte Zuschlagserteilung auf ein gewerke- und ausschreibungsübergreifendes
Alternativangebot
Der Auftraggeber hatte die Baumeister- und Professionistenleistungen einerseits und die maschinelle Ausrüstung andererseits
gleichzeitig ausgeschrieben und auf der selben Seite des Kundmachungsorgans veröffentlicht.
Der prüfende Zivilingenieur hatte bei der Prüfung der Angebote für die maschinelle Ausrüstung einen Bestbieter, Fa. T*****
(nachmalige Klägerin), ermittelt. Der Auftraggeber beabsichtigte jedoch in weiterer Folge, den Zuschlag auf ein Alternativange-
bot der Firmen B***** (maschinelle Ausrüstung) und T***** (Baumeisterarbeiten), das sich über den Umfang beider Ausschrei-
bungen erstreckte und preisgünstiger als die Kombination der Bestangebote je Gewerk war, zu erteilen. Der Fa. B***** sollte
weiters auch noch der Auftrag über die elektrotechnische Ausstattung erteilt werden. Das Angebot der Fa. B***** für die
maschinelle Ausrüstung lag preislich höher als jenes der Klägerin, Fa. T*****.
Die Klägerin forderte die Rücknahme des Vergabebeschlusses, u.a. mit dem Argument, dass sie im Gegensatz zur Fa. B*****
die Anforderungen der in den Ausschreibungsunterlagen verbindlich vorgeschriebenen einschlägigen Richtlinien der Güte-
gemeinschaft Wassertechnik (GWT) erfülle.
In der Ausschreibung war das BVergG als anzuwendende Vergabevorschrift angeführt, was jedoch mangels sehr großer
Unterschreitung des sachlich anzuwendenden Schwellenwertes bezüglich des Rechtsschutzes irrelevant war; nichtsdesto-
weniger wurde das BVergG vom OGH als Maßstab für die vorvertraglichen Verpflichtungen des Auftraggebers gewertet.
Die Klägerin begehrte im zivilgerichtlichen Verfahren, dem Beklagten mit einstwieliger Verfügung zu gebieten, die
Zuschlagserteilung an die Fa. B***** für die maschinelle Ausrüstung zu unterlassen.
214
Sh. Abschnitt 4.4
215
OGH 4 Ob 2360/96d vom 28.1. 1997.
S e i t e | 44
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren nicht statt: In beiden Ausschreibungen seien Alternativangebote ausdrücklich
zugelassen worden. Die Einhaltung der GWT-Richtlinien sei eine Förderungsbestimmung, d.h. diese Bestimmungen bräuchten
dann nicht eingehalten werden, wenn der Auftraggeber auf die Förderung nach dem Umweltförderungsgesetz verzichte.
Das Berufungsgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts. Der von der Klägerin geltend gemachte
Unterlassungsanspruch könne nicht mehr greifen, da der Zuschlag durch den Auftraggeber bereits erteilt und dadurch das
Vergabeverfahren beendet worden sei.
Der OGH gab dem Revisionsrekurs der Klägerin statt. Aus dem Urteil ist abzuleiten:
1. Der Zuschlag ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Der (auch: politische) Beschluss des Auftraggebers für sich
alleine ist nicht ausreichend, um den Zuschlag als erteilt anzusehen:
“(...)maßgeblich ist aber allein, ob schon ein Vertragsverhältnis zwischen dem Beklagten (Auftraggeber) und der B. Ab-
wassertechnik GmbH (Bestbieter gemäß Vergabevorschlag) zustande gekommen ist. Nach § 41 BVergG - welches laut
den Ausschreibungsbedingungen Vertragsbestandteil geworden ist - kommt das Vertragsverhältnis zu dem Zeitpunkt
zustande, zu dem der Bieter die Verständigung von der Annahme seines Angebotes erhält. Damit ist also der Zuschlag -
also die dem Bieter abgegebene Erklärung, sein Angebot anzunehmen (§ 9 Z 14 BVergG) - erteilt.“
2. "Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass die vom Beklagten [= Auftraggeber] in der Ausschreibung bekannt
gegebene Möglichkeit, auch Alternativangebote abzugeben, nicht auch das Recht einräumte, Alternativangebote zweier
getrennter Ausschreibungen zusammenzuziehen und dem Angebot eines Mitbewerbers, der nur an einer Ausschreibung
teilgenommen hat, gegenüberzustellen. Der Ausschreibung der maschinellen Ausrüstung für den Neubau der Ver-
bandskläranlage Gnas war, auch wenn man berücksichtigt, dass die Ausschreibung für die Baumeisterarbeiten an dieser
Anlage auf derselben Zeitungsseite, veröffentlicht wurde, nicht zu entnehmen, dass ein beide Ausschreibungen
berücksichtigendes Kombinationsangebot zulässig wäre. Der Bieter hat sich aber grundsätzlich bei der Erstellung des
Angebotes an die Ausschreibung zu halten (§ 29 Abs. 1 BVergG). Angebote, die den Ausschreibungsunterlagen
widersprechen, sind nach § 39 Z 8 BVergG auszuscheiden."
Zu beachten ist, dass die Grundsätze des Bürgerlichen Rechts, also insbesondere das ABGB,
immer gelten.
Weiters gelten die ÖNORMen nach ständiger Rechtsprechung des OGH als Maßstab für die Sorg-
faltspflichten des öffentlichen Auftraggebers216, d.h. dass jedenfalls deren grundsätzliche Bestim-
mungen zu beachten sind, gleichgültig, ob sie vorgeschrieben wurden oder nicht.217
Wie bereits früher ausgeführt, sind die Vertragsnormen gemäß BVergG 2006218 praktisch zur Gänze
heranzuziehen, Ausnahmen in einzelnen Punkten sind zulässig.
Das Ziel ist einerseits Übereinstimmung mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts und, damit
zusammenhängend, andererseits Rechtssicherheit.
216
So vor allem OGH 3 Ob 564/94 vom 22.2. 1995, „Rohtrasse schieben“.
217
In letzterem Fall OGH 10Ob212/98v vom 20.8. 1998, „Stadtgemeinde G. – Umbau und Erweiterung des Feuerwehrhauses“,
wo die Anwendung der ÖNORM A 2050 bewusst vermieden worden war, was zum damaligen Zeitpunkt nicht zu den
Bestimmungen des OÖ. Landesvergabegesetzes in Widerspruch stand.
218
§ 99 Abs.2
S e i t e | 45
• Grundsätzliches Recht auf Änderung der Preise bei beträchtlicher Abweichung gegenüber der
Ausschreibung.
• Regelungen über die Übernahme von Leistungen (maßgeblich für den Beginn der
Gewährleistungsfrist, bei Bauleistungen auch für den Gefahrenübergang).
Selbst wenn das BVergG 2006 die Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften nicht
gesondert vorschreiben würde, wären diese jedenfalls für den Bund und für die Länder als öffentliche
Auftraggeber zwingend einzuhalten; europarechtlich bedeutet das, dass etwa die Vorschriften aus
dem Herkunftsstaat eines Arbeitnehmers im Zuge der Abwicklung eines öffentlichen Auftrags dann
zur Anwendung gelangen können, wenn ein Arbeitnehmer nur vorübergehend tätig ist und diese
Vorschriften den in Österreich geltenden im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes „im
Wesentlichen gleich“ sind.222
Bei diesen Vorschriften handelt es sich vor allem um Übereinkommen der Internationalen Arbeits-
organisation (ILO), zum Teil aus den frühen Fünfziger-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die
im Rang von Bundesgesetzen stehen223, aber auch um Kollektivverträge und sonstige Schutz-
vorschriften.
Das kann Bestimmungen der Gewerbeordnung betreffen, die über die Befugnis des Haupt-
unternehmers hinausgehen, es können aber auch Materiengesetze betroffen sein, wie etwa
• bei Dienstleistungsaufträgen beispielsweise berufsrechtliche Regelungen,
• bei Liefer- und Bauaufträgen beispielsweise Regelungen der Abfallwirtschaftsgesetze und der
dazu ergangenen Verordnungen.
Darauf ist in den Ausschreibungsunterlagen, in Umsetzung des Transparenzgebotes, Bezug zu
nehmen; das bedeutet aber nicht automatisch, dass sich ein „fachkundiger Bieter“ darauf berufen
kann, dass diese rechtlichen Bestimmungen keine Gültigkeit haben, nur weil sie in den
Ausschreibungsunterlagen nicht angeführt worden waren.
219
§ 1168a ABGB
220
Diese sehr klare Einschränkung des allgemeinen Grundsatzes der Prüf- und Warnpflicht des Unternehmers ist dem Urteil
des OGH 1Ob251/99i vom 27.10. 1999 zu entnehmen; der OGH spricht von einer „konkludent“ (nämlich vor den Augen
des Auftraggebers) zustande gekommenen Vertragsänderung, trotz Fehlens einer Beauftragung des Auftragnehmers in
schriftlicher oder mündlicher Form.
221
§ 84
222
Siehe diesbezüglich vor allem das Urteil des EuGH vom 15.3. 2001 in der Rs. C-165/98, „André Mazzoleni und Inter
Surveillance Assistence SARL“ (Vorabentscheidungsersuchen, vorgelegt vom belgischen Tribunal correctionnel Arlon).
223
BGBl. Nr. 228/1950, Nr. 20/1952, Nr. 39/1954, Nr: 81/1958, Nr. 86/1961, Nr. 111/1972 und BGBl. III Nr. 200/2001.
224
VwGH, 93/04/0108 vom 22.11. 1994, „ARGE-Beteiligung einer erst in Gründung stehenden GmbH“
S e i t e | 46
Bei einer gemeinsamen Tätigkeit von mehreren Gesellschaftern einer derartigen Gesellschaft bedarf daher – un-
abhängig davon, wer im Rahmen dieser Gesellschaft die Leistung selbst tatsächlich erbringt - jeder Ge-
sellschafter einer eigenen Gewerbeberechtigung. Gleichzeitig kann - zufolge des Mangels der
Gewerberechtsfähigkeit - eine Gewerbeausübung in bezug auf eine derartige Gesellschaft nicht dieser, sondern
nur unmittelbar ihren Mitgliedern zugerechnet werden.“
Pönale sind Vertragsstrafen. Sie sollten für Zwischentermin(e) oder den Fertigstellungstermin einer
Leistung mit Vorsicht vorgeschrieben werden, da sie vergaberechtlich nur dann vorgesehen sind,
wenn dem Auftraggeber aus dem Erfüllungsverzug ein erheblicher Nachteil erwächst.
Wirtschaftliche Vertragsbedingungen werden sich für den einzelnen Auftraggeber auch, aber nicht in
so hohem Maße wie die rechtlichen Vertragsbedingungen, standardisieren lassen.
5.7.1 Sicherstellungen226
Die Vorschreibung eines Vadiums ist in Österreich eher selten (bei größeren Tiefbauvorhaben kommt
die Vorschreibung eines Vadiums vor); gerechtfertigt ist sie dann, wenn dem Auftraggeber durch den
Rücktritt eines Bieters vor allem aus Zeitgründen unverhältnismäßige Kosten erwachsen könnten.
225
VwGH, 2000/04/0031 vom 22.3. 2000.
226
§ 2 Z 32
S e i t e | 47
Eine Kaution wird bei allen drei Auftragsarten bei öffentlichen Aufträgen eher selten vorgeschrieben,
ausgenommen dann, wenn der durch den Bieter im Auftragsfall verursachte Schaden bzw. allfällige
Folgeschäden hoch sind. Die Kaution kann als (im öffentlichen Auftragswesen in Österreich eben
unüblich - im Gegensatz zu vielen anderen Staaten) als Vertragserfüllungsbürgschaft („performance
bond“) vorgesehen werden, die zweifellos eine der sinnvollsten Sicherstellungen ist227.
Werden Sicherstellungen verlangt, so hat der Auftraggeber in der Ausschreibung Bankgarantien als
ein derartiges Mittel festzulegen. Die Bankgarantie kann durch den zur Sicherstellung Verpflichteten
durch eine Rücklassversicherung, durch Bargeld oder durch Bareinlagen in entsprechender Höhe
ersetzt werden228.
5.7.2 Zahlungsbedingungen
Bei den meisten Auftraggebern werden im Regelfall die Zahlungsbedingungen aus den Vertrags-
normen (ÖNORM A 2060 für Liefer- und Dienstleistungsaufträge, ÖNORM B 2110 für Bauaufträge)
vorgesehen - Abschlagsrechnungen und Regierechnungen spätestens 30 Tage nach Eingang der
Rechnung zur Zahlung; Schluss- oder Teilschlussrechnungen innerhalb von 30 Tagen bzw. 3 Mona-
ten (ÖNORM A 2060)229 bzw. innerhalb von 3 Monaten (ÖNORM B 2110)230 nach Eingang der Rech-
nung zur Zahlung, falls vertraglich keine andere Frist vereinbart wurde.
Bei materiellen Leistungen (Liefer- und Bauaufträgen) spielen Vorauszahlungen eine geringe Rolle;
gegebenenfalls wird entweder eine Sicherstellung geleistet233 oder es erfolgt eine förmliche Teilab-
nahme (Problem: möglicher Gefahrenübergang bei dieser Teilleistung vom Auftragnehmer auf den
Auftraggeber)234.
Andersist dies bei geistigen Leistungen, bei denen der Aufwand für die Erstellung eines ausgefeilten
Konzepts oder gar eines Teilberichts in Relation zur Auftragssumme hoch sein kann; hier kommt es
227
Sie ist vor allem im Anlagenbau international üblich.
228
§ 85 Abs. 2.
229
Gem. Abschnitt 8.4.1.2 der ÖNORM A 2060, Ausgabe 1.7. 2009, bis 50.000 € 1 Monat, darüber 3 Monate.
230
Abschnitt 8.4.1.2 der ÖNORM B 2110, Ausgabe 1.1. 2009.
231
§ 99 Abs 1 Z 7.
232
Ergänzende Bestimmung zu Abschnitt 2.3.15 der ÖNORM A 2050, Ausgabe 1.1. 1993: „Die Vereinbarung von Vorauszah-
lungen ist grundsätzlich unzulässig; Ausnahmen dürfen nur gegen Leistung einer Sicherstellung erbracht werden und be-
dürfen der Zustimmung der hiefür zuständigen Stellen.“
233
Textident Abschnitt 8.3.2.1. der ÖNORM A 2060, Ausgabe 1.7.2009 bzw. der ÖNORM B 2110, Ausgabe 1.1.2009: „Der AG
ist berechtigt, Zahlungen für auftragsspezifische Vorfertigungen von Sicherstellungen abhängig zu machen.“
234
Abschnitt 9.7 der ÖNORM A 2060, Ausgabe 1.7.2009 bzw. Abschnitt 10.7 der ÖNORM A 2060, Ausgabe 1.1.2009
S e i t e | 48
relativ häufig vor, dass bei schriftlicher Beauftragung eine Vorauszahlung (z.B. 25 % der Netto-
auftragssumme) geleistet wird.
Die technischen Vertragsbedingungen sind gegenüber den rechtlichen und wirtschaftlichen Vertrags-
bedingungen weit schwerer standardisierbar, da sie ja auf den konkret auszuschreibenden und zu
vergebenden Auftrag hin zu konzipieren sind.
Wichtig ist die Bezugnahme auf technische Regelwerke, insbesondere ÖNORMEN, inwieweit diese
zur Anwendung gelangen bzw. von ihnen abgewichen wird (unter Bedachtnahme auf §§ 97 und 99!).
Dies gilt sowohl für ausschreibungsgemäße Angebote als auch für die Zulässigkeit bzw. die Ein-
schränkung der Zulässigkeit von Alternativangeboten. Zu den technischen Spezifikationen siehe
weiter unten.
OGH zu technischen Vertragsbedingungen - Konsequenzen, die sich aus getrennten Vergaben zusammen-
gehöriger Leistungen ergeben können: 235
Wird das Liefern von Rohren für eine Wasserversorgungsleitung gesondert ausgeschrieben und wird der
Lieferant nicht in die Planung eingebunden, so gehören besondere Anforderungen an die Rohre im verlegten
Zustand nicht zu den ausdrücklich bedungenen oder gewöhnlich dabei vorausgesetzten Eigenschaften und es
kann auch nicht eine Warnpflicht des Lieferanten im Hinblick auf die besonderen Anforderungen vorausgesetzt
werden:
Im konkreten Fall war das Liefern von Hochdruckschläuchen für eine Trinkwasserversorgungsanlage getrennt
von den Bauleistungen ausgeschrieben worden, die konkrete Ausschreibung nahm nicht auf später relevierte
besondere Anforderungen, die an die Hochdruckschläuche im verlegten Zustand Bezug, da der Auftraggeber
bzw. der von ihm beauftragte Planer dies für eine normale Anforderung im Sinne der „gewöhnlich
vorausgesetzten Eigenschaften“ erachtete.
„Da im vorliegenden Fall nach der Ausschreibung und des nicht von der beklagten Partei formulierten Anbots
ein bestimmter Berstdruck der Schläuche nicht verlangt, die beklagte Verkäuferin weder in die Planung noch in
die Ausführung des Gesamtprojekts "Trinkwasserleitung W*****" eingebunden war und nicht einmal feststeht, ob
die beklagte Partei [Lieferantin der Rohre] überhaupt die vorgesehenen betrieblichen Verhältnisse bei der
klagenden Käuferin (Überwindung eines beträchtlichen Höhenunterschieds mittels Pumpen) kannte, geht die
mangelnde Eignung der Schläuche für die vorliegende Trinkwasserleitung ausschließlich zu Lasten der klagen-
den Partei [Auftraggeber]. Sie hat weder Gewährleistungs- noch aus mangelhafter Erfüllung abgeleitete An-
sprüche auf Ersatz über den Sachmangel hinausgehender Mangelfolgeschäden.“
235
OGH, 1Ob564/95 vom 29.5. 1995, „Trinkwasserhochdruckschläuche“.
236
§ 95 Abs 2 iVm §§ 96 Abs 1, 97 und 98 Abs 3
237
§ 95 Abs 3 iVm §§ 96 Abs 2 und 98 Abs 4
S e i t e | 49
Sinn der standardisierten Leistungsbeschreibungen ist es, bei standardisierbaren Leistungen an die
Stelle der unterschiedlichen und mitunter auch mangelhaften Leistungsbeschreibungen der einzelnen
Planer bzw. Auftraggeber einheitliche Regelwerke zu setzen, die auch als Vertragsgrundlagen aus-
reichend geeignet sein sollten. Die Regeln für ihre Erstellung wurden vom Normungsinstitut
festgeschrieben239.
Die StLB werden, vergleichbar den ÖNORMEN, von den „beteiligten Verkehrskreisen“ (Bau:
betroffene Wirtschaft, Planer, öffentliche Auftraggeber) einvernehmlich ausgearbeitet.
Die standardisierten Leistungsbeschreibungen im Sinne der ONR gibt es primär für den Baubereich,
da es dort um große Bau- und Finanzierungsvolumina geht.
Die StLB verfügen zum Teil auch über vertragsrechtliche Positionen und verweisen im Normalfall auf
andere sachlich anzuwendende ÖNORMen.
5.8.3 Technische Spezifikationen, die sich nicht aus allfällig anzuwendenden StLB er-
geben
Sofern es sich hier nicht um einen (einzigen) einheitlichen Leistungsgegenstand handelt, ist der
Auftraggeber hier gefordert, die technischen Spezifikationen selbst zu erstellen und den ent-
sprechenden Leistungsbeschreibungspositionen zugrunde zu legen.
Dabei hat der Auftraggeber zu beachten, dass er weder diskriminierende noch in sonstiger Weise
sachlich nicht gerechtfertigte marktbeschränkende Vorschreibungen erstellt.
238
§ 97 Abs 2.
239
ONR 12010 vom 1.3.2008
S e i t e | 50
Häufig erfolgen technische Vorschreibungen über ein (zwei oder mehrere) Leitprodukt(e), die aus
europarechtlichen Gründen mit dem Zusatz „oder gleichwertiger Art“ ergänzt werden müssen; rein
produktspezifische Ausschreibungen sind unzulässig. Die maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung
der Gleichwertigkeit sind in der Leistungsbeschreibung anzugeben.
Die Vorgabe von Leitprodukten soll die Ausnahme darstellen. Dem Bieter ist in freien Zeilen
(„Bieterlücken“) Gelegenheit zu geben, die von ihm angebotenen Fabrikate oder Typen ein-
zutragen240. Im technischen Bereich stellt dies allerdings häufig den Regelfall und nicht die Ausnahme
dar.
240
§ 98 Abs. 8 BVergG 2006.
241
EuGH, Rechtssache C-359/93 „Unix“, Europäische Kommission gegen Königreich der Niederlande, Urteil vom 24.1. 1995.
Die zitierte Richtlinie 77/62/EWG ist die Urfassung der Lieferkoordinierungsrichtlinie.
242
OGH 7Ob92/99a vom 29.3. 2000.
S e i t e | 51
festgestellt wurde. Der Ersatz des entgangenen Gewinns (3,826.000,-- ATS) wurde abgelehnt [zu beachten ist,
dass die damals anzuwendende Stammfassung des BVergG den Anspruch auf entgangenen Gewinn explizit
ausgeschlossen hatte].
Im zivilgerichtlichen Verfahren begehrte die Klägerin einen entgangenen Gewinn, den sie als Differenz zwischen
Einkaufspreis und Verkaufspreis darstellte und bezog sich auf die mit 1.1. 1997 geänderte Rechtslage, da die
BVergG-Novelle 1996/97 den Anspruch auf entgangenen Gewinn im Gegensatz zur Stammfassung nicht mehr
ausschloss. Die Post beantragte die Abweisung der Klage.
Das Erstgericht wies mit Teilurteil die Klage ab, und zwar unter Bezug auf die zum Zeitpunkt der Durchführung
des Vergabeverfahrens bestehende Rechtslage.
Das Berufungsgericht trug dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung auf, mit dem Argument, dass die Klägerin
tatsächlich Verdienstentgang geltend mache weil sie ihr als „entgangenen Gewinn“ bezeichnetes Begehren aus
der Differenz zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis ableite; der Verlust unternehmerischer Gewinne sei aber
nicht einem entgangenen Gewinn, sondern dem positiven Schaden zuzuordnen. Der Rekurs gegen die
neuerliche Entscheidung wurde zugelassen.
Die Post legte gegen dieses Urteil Rekurs ein.
Der OGH stellte fest, dass die Vergabevorschriften Schutzvorschriften für die Bieter gegen unlautere
Vorgangsweisen der Auftraggeber seien. Im Urteil in der Rechtssache „Design Center Linz“ habe der OGH
erstmals ausgesprochen, dass das positive Vertragsinteresse, also das Erfüllungsinteresse dann zugesprochen
werden könne, wenn ohne die Pflichtverletzung der Vertrag zustande gekommen wäre.
Der OGH berief sich weiters auf eine Publikation FRUHMANN, der ebenso wie die EFTA-Überwachungsbehörde
zum Schluss gekommen sei, dass der vollständige Ausschluss des entgangenen Gewinns nicht
gemeinschaftsrechtskonform sei, was schließlich auch mit der BVergG-Novelle 1996/97 geändert wurde.
Dadurch sei aber eine gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation des szt. § 98 BVergG geboten, wodurch im
Übrigen auch der Rechtsprechung des OGH bei jenen Auftragsvergaben entsprochen werde, die nicht in den
Anwendungsbereich des BVergG fallen.
Unter Bindung an den Bescheid des Bundesvergabeamtes bedeute das, dass der Klägerin auf Grund des
günstigsten Angebotes für Teil 1 der ggst. Ausschreibung und der Feststellung, dass das von der Klägerin
angebotene System mit hoher Wahrscheinlichkeit den Vorgaben der Post technisch entsprochen hätte, das Er-
füllungsinteresse zustehe. Dieses sei vom Erstgericht, das den Anspruch dem Grunde nach zu Recht bejaht hat,
nach der vom OGH entwickelten Formel zu ermitteln.
Für das Begehren der Post, den Bescheid des Bundesvergabeamtes beim Verwaltungsgerichtshof als
rechtswidrig anzufechten, fand der OGH keine Veranlassung.
S e i t e | 52
Zivilrechtlich von Bedeutung ist die Hierarchie der Geltung der Vertragsbestimmungen bei
Widersprüchen oder Überschneidungen. Die übliche Reihenfolge ist:243
2. Angebot samt Begleitschreiben des Bieters - bezüglich aller Bestimmungen, die nicht durch
Punkt 1. abgeändert worden waren (das ausgepreiste Leistungsverzeichnis).
3. Soweit in Betracht kommend: Pläne, Zeichnungen, Muster usw. sowie zugehörige technische
Beschreibungen.
4. Besondere Bestimmungen für den Einzelfall; allenfalls Hinweise auf Abweichungen von
ÖNORMen.
5. Besondere Bestimmungen für den Bereich eines bestimmten Auftraggebers oder Auftrag-
nehmers.
Wichtig ist auch der Hinweis in der Ausschreibung, dass österreichisches Zivilrecht unter Ausschluss
der Kollisionsnormen und des UN-Kaufrechts gilt.
243
ÖNORM B 2110, Ausgabe 1.1. 2009, Abschnitt 5.1.3; ÖNORM A 2060, Ausgabe 1.7. 2009, Abschnitt 5.1.3.
S e i t e | 53
Das BVergG 2006 lässt neben dem allein geltenden Bestangebotsprinzip („Zuschlag auf das tech-
nisch und wirtschaftlich günstigste Angebot“) unter der Voraussetzung, dass das vom Auftraggeber
gewünschte Qualitätsniveau klar vorgegeben ist, auch das Prinzip des Zuschlags auf das Angebot
mit dem niedrigsten Preis244 (Niedrigstpreisprinzip) im Sinne eines gelockerten Regel-/Ausnahme-
verhältnisses zu245: “In der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen ist anzugeben,
ob der Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot oder - sofern der Qualitäts-
standard der Leistung in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen klar und ein-
deutig definiert ist, - dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden soll. Soll der Zuschlag
dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt werden, so hat der Auftraggeber in der
Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen alle Zuschlagskriterien, deren Verwendung
er vorsieht, im Verhältnis der ihnen zuerkannten Bedeutung anzugeben. Diese Angabe kann auch im
Wege der Festlegung einer Marge, deren größte Bandbreite angemessen sein muss, erfolgen. Ist die
Festlegung der Zuschlagskriterien im Verhältnis der ihnen zuerkannten Bedeutung aus nachvoll-
ziehbaren Gründen nach Ansicht des Auftraggebers nicht möglich, so hat der Auftraggeber in der
Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen alle Zuschlagskriterien, deren Verwendung
er vorsieht, in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung anzugeben. (...)“
7.1.1.1 Rückfallsklausel
Als „Notausgang“ bleibt die Regelung: "Sofern in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungs-
unterlagen keine Festlegung betreffend das Zuschlagsprinzip erfolgt, ist der Zuschlag dem Angebot
mit dem niedrigsten Preis zu erteilen246."
Das BVergG statuiert: "Im Unterschwellenbereich kann der Auftraggeber den Zuschlag den technisch
und wirtschaftlich günstigsten Angebot oder dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilen. Soll der
Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt werden, so hat der
Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen alle Kriterien, deren
Verwendung er vorsieht, im Verhältnis der ihnen zuerkannten Bedeutung anzugeben. Ist eine
derartige Festlegung aus nachvollziehbaren Gründen nach Ansicht des Auftraggebers nicht möglich,
so hat der Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen alle Zu-
schlagskriterien, deren Verwendung er vorsieht, in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung
244
Der Begriff „Billigstbieterprinzip“ ist verpönt; er ist dann zutreffend, wenn damit gemeint wird, dass es sich um das preislich
niedrigste Angebot handelt, das nach Angebotsprüfung nicht ausgeschieden werden musste.
245
§ 79 Abs 3
246
ebda
S e i t e | 54
7.1.2.1 Niedrigstpreisprinzip
Das Niedrigstpreisprinzip bedeutet, dass der Preis das einzig maßgebliche Bewertungskriterium
ist, soweit Angebote nicht zwingend auszuscheiden sind.248 Das BVergG stellt unmissverständlich
klar, dass Qualitätsstandards in der Ausschreibungsbekanntmachung oder in den Ausschreibungs-
unterlagen so klar und eindeutig definiert sein müssen, dass dadurch qualitativ gleichwertige
Angebote sichergestellt werden. Eine nachträgliche Berücksichtigung von "mehr Qualität" (oder auch
niedrigeren Folgekosten) im Verhältnis zum Preis ist vergaberechtlich ausgeschlossen. Ebenso sind
Alternativangebote ausgeschlossen.
Die außerordentliche Dichte an Normen und sonstigen Qualitätsstandards bei Bauleistungen relati-
viert allerdings den Ausnahmecharakter des Niedrigstpreisprinzips.
Der Sinn dieser Bestimmung ist klar: Handelt es sich um einen standardisierten Lei-
stungsgegenstand, bei dem keine oder keine unterschiedlichen Folgekosten auftreten und trifft der
Auftraggeber alle für die Qualität maßgeblichen Vorgaben, so darf er „ausnahmsweise nach dem
Prinzip des Zuschlags auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis (das nicht ausgeschieden werden
muss) ausschreiben; bei der Auftragsvergabe ist er sodann an dieses Prinzip streng gebunden.
• dass ein „Vermischungsverbot“ von Eignungs- und Zuschlagskriterien249 nach Judikatur und
Lehre zu 100 % gilt (in der Praxis ist dies nicht immer so leicht),
• dass Zuschlagskriterien immer „auftragsbezogen“ sein müssen, aus der Eigenart des
konkreten Auftrags ableitbar sein müssen (z.B. „Ästhetik“ nur dann, wenn sie tatsächlich eine
Rolle spielt) und nicht bieterbezogen sein dürfen und
• dass Zuschlagskriterien mit der erforderlichen Klarheit entweder aus der Ausschreibungs-
bekanntmachung oder den Ausschreibungsunterlagen erkennbar sein müssen (es kann nicht
damit argumentiert werden, dass z.B. Betriebskosten bei Maschinen oder maschinellen Anlagen
„klarer Weise“ ein Zuschlagskriterium sind, auch wenn sie nicht angeführt werden).
247
§ 100
248
Der zivilrechtliche Grundsatz, dass die bedungenen oder für gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften (§§ 922f. ABGB)
verlangt sind, gilt selbstverständlich auch beim Niedrigstpreisprinzip.
249
Siehe diesbezüglich das bereits früher zitierte Urteil des EuGH in der Rs. 31/87 „Beentjes“, Rn. 15:
„Nach der Systematik der Richtlinie, insbesondere des Abschnitts IV (Gemeinsame Teilnahmebestimmungen), stellen im
Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Bauauftrages die Prüfung der Eignung der Unternehmer für die Ausführung der zu
vergebenden Arbeiten einerseits und der Zuschlag des Auftrags andererseits zwei verschiedene Vorgänge dar. In
Artikel 20 heißt es nämlich, daß der Auftrag zugeschlagen wird, nachdem die fachliche Eignung der Unternehmer geprüft
wurde.“ (der Bezug erfolgte auf die damals gültige Fassung der EG-Baukoordinierungsrichtlinie, RL 71/305/EWG).
S e i t e | 55
Lassen sich die hier verwendeten Kriterien oder der Grad der Zielerreichung quantifizieren - wobei
die ideale Quantifizierung eine Monetarisierung ist, also eine Berechnung in Geldeinheiten ist -
dann mag die Bewertung durch eine Einzelperson ausreichend sein. Eine minimale verbale Erläute-
rung des Ergebnisses der Bestbieterermittlung sollte auch hier erfolgen, aus Gründen des
Selbstschutzes des Auftraggebers gegenüber Vergabekontrollinstanzen.
7.4 Gewichtung im weiteren Sinn oder im Rahmen der Festlegung von Margen
Ist eine Quantifizierung nicht möglich, sondern muss „subjektiv“ bewertet oder beurteilt werden250;
dann ist eine kommissionelle Bewertung oder Beurteilung jedenfalls zu empfehlen, hier zwingend
mit einer verbalen Erläuterung des Ergebnisses in dem Ausmaß, in welchem die Angebote für eine
Zuschlagserteilung in Betracht kommen.
Bei einer Reihung der Zuschlagskriterien - die aus Gründen der Anfechtbarkeit der Entscheidung
im konkreten Fall eine extrem seltene Ausnahme darstellt - sollte unter allen Umständen eine
kommissionelle Bestbieterermittlung erfolgen; hier ist eine verbale Erläuterung des Ergebnisses der
Bestbieterermittlung ebenfalls zwingend erforderlich.
Nicht so streng: die Bewertung nach Beurteilungskriterien in einem Wettbewerb durch eine fach-
kundige (und unabhängige) Jury251, gerade hier ist aber eine verbale Erläuterung, in welchem Maße
die eingereichten Beiträge den einzelnen Kriterien entsprechen, unumgänglich notwendig.
BVA: Eine Vertiefung von Wettbewerbsarbeiten ist, unter Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der
Wettbewerbsteilnehmer, jedenfalls geeignet, einen Wettbewerb zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen :252
„Zunächst ist entgegen den Ausführungen der Antragsteller festzuhalten, dass es sich bei den Verhandlungen
mit den drei ex aequo Bestqualifizierten um keine Nachbearbeitung einzelner Projektarbeiten gehandelt hat,
sondern lediglich um eine Vertiefung bzw. Präzisierung der bereits vorgelegten Projekte. Dies ergibt sich sowohl
aus den einschlägigen Hinweisen in den Protokollen der Beurteilungssitzungen (...) als auch aus den Ergeb-
nissen der mündlichen Verhandlung, in welcher der Auftraggeber in plausibler und nachvollziehbarer Weise
dargelegt hat, dass den drei gleichgereihten Teilnehmern keine neuen Aufgaben gestellt worden sind. Die An-
tragsteller konnten in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich keine neuen Vorbringen erstatten.
Soweit die Antragsteller einen Widerspruch zwischen der Stellungnahme des Auftraggebers vom 6. Juni 2002
und der Mitteilung des Architekten DI XXXX [Abwickler des Wettbewerbs im Auftrag des Auftraggebers] vom 4.4.
2002 sehen, verkennen sie, dass auch in dem Schreiben des Architekt DI XXXX vom 4. April 2002 lediglich von
einer Vertiefung der Arbeiten gesprochen wird und somit nicht ‘unzweifelhaft‘ von einer Nachbesserung der
Projekte auszugehen ist. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Beurteilungssitzung des Preisgerichtes vom
5. April 2002 entscheidend, in welcher der Auslober ausdrücklich festgehalten hat, dass eine Überarbeitung der
Entwürfe nicht Gegenstand der Einzelgespräche mit den Verfassern der drei bestqualifizierten Arbeiten ist.
Soweit die Antragsteller vorbringen, dass die Vorgangsweise der Jury eine Chancengleichheit der
Wettbewerbsteilnehmer verhindere, da den antragstellenden Architekten die Möglichkeit einer weiteren
Teilnahme am Wettbewerb genommen worden sei, verkennen sie, dass am 4. April 2002 allen
Wettbewerbsteilnehmern die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Projekte zu erläutern und somit grundsätzlich allen
Teilnehmern die gleichen Chancen eingeräumt worden sind. Aus den vorliegenden 10 Wettbewerbsarbeiten
250
Ich danke an dieser Stelle Herrn Mag. Martin PLATZER für den Hinweis, dass das europäische (und auch das österreichi-
sche) Vergaberecht von „objektiver Nachvollziehbarkeit“ und nicht von „objektiver Wahrheit“ spricht.
251
§ 155 Abs 4
252
BVA, N-17/02-19, „Generalplanerfindung für die Generalsanierung des BMF“.
S e i t e | 56
musste schließlich der Auslober einen Selektionsprozess durchführen, der letztlich dazu führte, dass auf Grund
der in den Ausschreibungsunterlagen bekannt gegebenen Beurteilungskriterien drei Architekten ex aequo best-
qualifiziert benotet wurden. Diese Vorgangsweise steht auch nicht im Widerspruch zur WOA253, da sich aus § 15
lit. a ergibt, dass die Aufgaben des Preisgerichts insbesondere die Reihung bzw. die Auswahl der Wettbewerbs-
arbeiten sind. Wenn nun - wie im gegenständlichen Fall - aus insgesamt 10 Projekten drei als ex aequo best-
qualifiziert verbleiben, jedoch § 15 WOA verlangt, dass das Preisgericht verpflichtet ist, grundsätzlich einen
Sieger zu ermitteln, so ist ein weiterer Selektionsprozess seitens des Auslobers unumgänglich. Die Vorgangs-
weise des Auslobers, mit den drei bestqualifizierten Bewerbern nochmals in vertiefte Verhandlungen einzutreten,
ist jedenfalls geeignet, den Wettbewerb zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen und steht auch nicht im
Widerspruch zu den einschlägigen Bestimmungen der WOA. Auch § 36 Abs. 7 WOA sieht vor, dass das Preis-
gericht eine entsprechende Anzahl von Wettbewerbsprojekten reiht.
Die Vorgangsweise widerspricht auch nicht dem Bundesvergabegesetz, da sich insbesondere aus § 47 Abs. 3
BVergG254 ergibt, dass sich die Prüfung und Beurteilung auf jene Angebote beschränken kann, die für eine
Zuschlagserteilung in Betracht kommen. Die Ergebnisse der Beurteilungssitzung vom 4. April 2002 haben offen-
sichtlich ergeben, dass von den 7 verbliebenen Projekten lediglich drei für den Zuschlag in Aussicht genommen
werden können und somit für eine weitere Prüfung und Beurteilung in Betracht zu ziehen sind.
Da das Ermittlungsverfahren keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 4 WOA ergeben hat, ist
auch die Forderung der Antragsteller, ein neues Preisgericht einzurichten, abzuweisen, zumal keine Umstände
hervorgekommen sind, die an der Unabhängigkeit des Preisgerichtes zweifeln würden.“
253
Wettbewerbsordnung für Architekten.
254
Entspricht § 123 Abs 2 BVergG 2006.
S e i t e | 57
8.1 Allgemeines
Die Bezeichnung Leistungsverzeichnis („LV“) ist in Österreich ebenso wie in der Bundesrepublik
Deutschland gängig. Die Bezeichnungen Pflichtenheft bzw. Lastenheft haben sich in Österreich nicht
durchgesetzt, Daub/Eberstein255 setzen sie in Klammer als Synonyme zum Begriff Leistungs-
verzeichnis. Das Leistungsverzeichnis stellt bei umfangreicheren Leistungen den Kern der Aus-
schreibungsunterlagen256 dar. Beim Einheitspreisvertrag, der bei der Ausschreibung materieller
Leistungen den Regelfall darstellt, ist das Leistungsverzeichnis der konkreteste Teil der Aus-
schreibungsunterlagen257.
Praxisnahe ist die Definition von Oberndorfer:258 „Das eigentliche LV ist eine mit Mengen versehene
Sammlung von Einzelleistungen (Positionen), die beim Angebot mit einem Einheitspreis ausgepreist
werden259.“
Das Leistungsverzeichnis ist vor dem Hintergrund der Leistungsbeschreibung260 als deren
Konkretisierung zu sehen. Bei Widersprüchen wird, zumindest bei der in Österreich gehandhabten
Praxis, die Ausschreibung zu widerrufen sein.
Anders das OLG Celle in einem Nachprüfungsverfahren betreffend die Vergabe von Straßenbauarbeiten:261 Aus
der Leistungsbeschreibung war erkennbar, dass anstelle der drei Schichten bituminöser Beläge auf den
Straßenbauabschnitten in den Brückenbauabschnitten nur eine Schicht aufgebracht werden sollte. In den
Leistungsverzeichnispositionen waren bei den Brückenbauabschnitten gleichfalls drei Schichten bituminösen
Aufbaus enthalten. Im streitgegenständlichen Alternativangebot der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren
war bei den Brücken nur eine bituminöse Schicht vorgesehen, weshalb der Auftraggeber das Alternativangebot
wegen mangelnder Gleichwertigkeit auszuscheiden beabsichtigte. „Angesichts dieser eindeutigen
Baubeschreibung ist es nicht maßgeblich, dass in den Positionen 02.01.0020, 02.01.0025 und 02.01.0027 des
Leistungsverzeichnisses für die Asphalttragschicht, den Asphaltbinder und den Splittmastixasphalt dieselben
Massen – jeweils 41.100 m2 – ausgeschrieben sind, also nicht berücksichtigt ist, dass die Fahrbahn in den
Brückenbereichen nur aus einer Schicht Splittmastixasphalt bestehen soll. Es spricht nach dem Inhalt der
Ausschreibung nichts dafür, dass der Auftraggeber wegen der verhältnismäßig kleinen Flächen der
Bitumendecke auf den Brücken ein drittes Unternehmen gesondert beauftragen will.“
Soll eine Leistungsverzeichnisposition durch ein Muster262 belegt werden, so haben einander die
Leistungsverzeichnisposition und das Muster exakt zu entsprechen, so die Vergabekammer
Württemberg in einem Fall, bei dem das Ausscheiden eines Angebotes wegen Nichtentsprechung als
rechtens gewertet wurde:263 „Da Muster also Teile des Angebots sind, müssen die schriftlichen Aus-
führungen im Angebot und das gegenständlich vor[ge]legte Muster in ihrem Aussagegehalt kongruent
sein.“
255 4
Kommentar zur VOL/A. Verdingungsordnung für Leistungen ausgenommen Bauleistungen (1998) 401.
256
§ 95 Abs 2.
257
Schabel/Lehmann, VOB/B leicht gemacht (2002), 16.
258
„Preisverschiebungen in Bauleistungsverzeichnissen“, ZVB 2003/324.
259
Der Terminus Einheitspreis im engeren Sinn stellt zwar den Regelfall dar, in der hier zitierten Definition ist er aber im
weiteren Sinn als Preis einer Einheit, der ein Einheits- oder Pauschalpreis oder aber auch ein Regiepreis sein kann, zu
sehen.
260
§ 96.
261
OLG Celle 5.8.2003 13 Verg 13/03.
262
§ 96 Abs 1.
263
4.12.2003 1 VK 64/03.
S e i t e | 58
Einer der vorrangigsten Punkte ist, dass aus dem Leistungsverzeichnis, und zwar an möglichst
prominenter Stelle, hervorgehen soll, aus welchen Teilen die Ausschreibungsunterlagen
bestehen, und zwar ihrer Zahl und Bezeichnung nach.
Es gibt keine unmittelbaren europarechtlichen Vorgaben, wie bei der Erstellung eines Leistungs-
verzeichnisses vorzugehen ist. Es gilt daher grundsätzlich Gleiches wie in Abschnitt 5 ausgeführt269.
In allen übrigen Fällen gilt, dass umfangreiche Leistungen in einem Leistungsverzeichnis aufzu-
gliedern sind, als einer der tragenden Grundsätze des österreichischen Vergaberechts, insbesondere
264
§ 99 Abs 1
265
§ 97 Abs 1
266
Hertwig in Motzke/Pietzcker/Prieß (Hrsg), Beck’scher VOB-Kommentar. Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil A
(2001) § 9 Rz 48
267
Beck/Herig, VOB für Praktiker (1997), § 9 Rz 15
268
§ 79 Abs 3
269
Die Grundsätze der Transparenz und der Nicht-Diskriminierung, das Sachlichkeitsgebot, die Verpflichtung zur klaren
Vorgabe von Mindestanforderungen, die Verpflichtung zur Festlegung technischer Spezifikationen und die Anführung
zumindest jener Bestimmungen, die in den Standardformularen enthalten sind
270
§ 95 Abs 1 und 2. Analoges muss sinngemäß auch für funktional beschriebene Teile einer teilfunktionalen Ausschreibung
gelten
S e i t e | 59
bei der Ausschreibung materieller Leistungen,271 da dadurch massiv die Vergleichbarkeit der Ange-
bote bei konstruktiven Leistungsbeschreibungen berührt wird.
Das muss aber nicht bedeuten, dass der Auftraggeber zwingend die Leistung bis zur sprichwörtlich
letzten Schraube aufgliedern muss.
Der Wiener Vergabekontrollsenat war bei im offenen Verfahren ausgeschriebenen Leistungen der treuhändigen
Abwicklung von Sanierungsarbeiten an Wohnhausanlagen u.a. mit der Beschwerde befasst, dass die zu erwar-
tenden Leistungen im Leistungsverzeichnis nicht genügend detailliert und spezifiziert im Sinne des seinerzeitigen
Wiener Landesvergabegesetzes272 seien und wies, mit der folgenden Begründung, diese Beschwerde ab:273
"Nach dem Inhalt der drei wortgleichen Entwürfe der Treuhandverträge wird die erwartete Leistung in § 3 in
einem nach Ansicht des Vergabekontrollsenates ausreichendem Ausmaß genügend detailliert und spezifiziert
beschrieben:
Dies umso mehr als dabei die [zu] erwartenden Teilleistungen in Anlehnung an die Gebührenordnung für Archi-
tekten definiert werden und sich die Ausschreibung vor allem (wenn auch nicht ausschließlich) an dem Berufs-
kreis der Architekten richtet. Die im § 2 der Treuhandverträge angeführten Leistungen, jeweils unter Bezug-
nahme auch auf die Bestimmungen der GOA, im Zusammenhalt mit dem Entwurf des Angebots zur Honorarer-
mittlung, scheinen in allen Punkten, mit Ausnahme des Punktes § 2.2. Mieterbetreuung ausreichend umschrie-
ben und spezifiziert, sodass ein anbietender Architekt, unter Zugrundelegung der Bestimmung der GOA, durch-
aus in der Lage ist, sein Honorar entsprechend zu kalkulieren, zumal im überwiegenden Teil der Leistungen das
Honorar sich in einem Prozentsatz zu den Herstellungskosten darstellt. Es ist dem Antragsteller zuzugestehen,
dass die Teilleistung "Mieterbetreuung" im Leistungsbild der GOA nicht enthalten ist. Eben im Hinblick darauf ist
jedoch der Antragsteller auf die umfangreiche Beschreibung der im Rahmen der Mieterbetreuung erwartenden
Leistungen des Auftragnehmers zu verweisen, die es ihm durchaus ermöglichen, das Entgelt seiner Leistungen
auch hiefür zu kalkulieren. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes
aber auch des WWFSG274 zu verweisen.
Der Entwurf der Treuhandverträge hält sich fast ausschließlich an die Bestimmungen und Leistungsbeschrei-
bungen der GOA. Diese führt etwa in ihrer Präambel (Stand 1.5.1998) aus, dass durch die Honorarordnung die
Regelleistungen möglichst präzise formuliert werden und durch die klaren Formulierungen der Grundleistungen
und der über diese hinausgehenden Vor- und Zusatzleistungen Auffassungsunterschiede vermieden werden
sollen. Alle diese Maßnahmen sollen eine Verbesserung der Kostentreue sicherzustellen.
Letztlich ist auch darauf zu verweisen, dass der Anteil für Mieterbetreuung am Gesamthonorar nur einen relati-
ven geringfügigen Teil ausmacht. Bei Kalkulation dieser Leistung ist eben die besondere Erfahrung des Antrag-
stellers auf diesem Gebiet gefragt, wobei diesbezüglich auch auf die Möglichkeiten der Legung eines Alternativ-
angebotes (Punkt 14 der öffentlichen Bekanntmachung) zu verweisen ist. Auch bleibt es dem Bieter unbenom-
men Leistungen in diesem Bereich durch Subunternehmen, etwa Hausverwaltungen, erbringen zu lassen.(…)
Soweit der Antragsteller ein Mengengerüst vermisst, ist er darauf zu verweisen, dass ein solches, von ihm im
Rahmen der Bauschadenserhebung und Erstellung des Sanierungskonzeptes zu erarbeiten wäre. Der daraus
resultierende Maßnahmenkatalog, der ebenfalls vom Auftragnehmer zu erstellen ist, bildet dann, nach Genehmi-
gung des Auftraggebers, die Grundlage für alle weiteren Tätigkeiten. Die Honorierung dieser Leistungen im Vor-
feld ist aber in den Vertragsentwürfen nachvollziehbar vorgesehen.
Ausschlaggebend ist, dass nach dem Inhalt der Ausschreibung der Antragsteller im Angebot zur Honorarermittl-
ung von den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Nettoherstellungskosten ausgehend, die Höhe seines
Honorars nach bestimmten Prozentsätzen angeben soll, wobei als Richtlinie dafür bei einem Großteil der erwar-
teten Leistungen die Bestimmungen der GOA 1991 in der Fassung der Auflage 1992, unter Berücksichtigung der
Vereinbarung zwischen der Ingenieurkammer und der Stadt Wien für Verträge ab 1. Oktober 1991 herange-
zogen werden soll. Wie bereits ausgeführt, enthält die GOA eine ausführliche, ins Detail gehende, Auflistung von
Regelungen (ausgenommen Leistungen im Rahmen der Mieterbetreuung)."
Der gegen diese Entscheidung angerufene VfGH gab der Beschwerde u.a. in diesem Punkt nicht statt, sondern
führte aus:275 "Ebenso wird eingehend dargelegt, warum das Leistungsverzeichnis nach Ansicht des VKS den
maßgeblichen Bestimmungen des WrLVergG entspricht (…)."
271
Bei geistigen Leistungen wird hingegen im Regelfall die Ausschreibung funktionaler Art sein
272
§ 27 WLVergG, LGBl Nr. 36/1995 idF LGBl Nr. 30/1999 und LGBl Nr. 50/2000
273
Vergabekontrollsenat Wien, VKS-K460/99 vom 5.7. 1999, "Treuhändige Durchführung von Sockelsanierungen städtischer
Wohnbauten", zitiert aus CONNEX Nr. 93, September 2001, S. 51 ff.
274
Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz 1989, LGBl Nr. 18/1989 in der zum Zeitpunkt der
Ausschreibung geltenden Fassung.
275
VfGH, B1450/99 - B613/00 vom 27.11. 2000.
S e i t e | 60
8.2 Für die Beschreibung oder Aufgliederung der Leistung geeignete Leitlinien
Bezüglich der Aufgliederung der Leistung spielt, wie häufig im Vergaberecht, die „Branchen-
üblichkeit“ eine maßgebliche Rolle.276 Für die Branchenüblichkeit bedarf es, sofern es nicht
ÖNORMEN, Leitlinien etc. gibt, entsprechender Indizien277.
Das Kriterium für das Unterlassen der Aufgliederung der Leistung ist jedenfalls, dass es dem
Auftraggeber verwehrt ist, den Bietern bei der Ausarbeitung der Angebote nicht kalkulierbare Risken
zu übertragen.280 Auch hier werden die Maßstäbe beim offenen und beim nicht offenen Verfahren
wesentlich strenger als beim Verhandlungsverfahren sein müssen, wenngleich auch bei diesem nicht
Risken nach Beliebigkeit des Auftraggebers dem Bieter übertragen werden dürfen.
8.2.1 ÖNORMen
ÖNORMen beschreiben den Stand der Technik und sind, zumindest auf technischem Gebiet, als
branchenüblich anzusehen. Sie stellen somit im Regelfall anerkannte Standards dar und entziehen
sich der autonomen Interpretation durch den Ausschreibenden und die die Angebote erstellenden
Unternehmer. Dadurch wird dem Sachlichkeitsgebot, dem der öffentliche Auftraggeber zu ent-
sprechen hat, in besonderer Weise Rechnung getragen.
Autonome Interpretationen von ÖNORMen durch Auftraggeber oder Unternehmer sind unzulässig,
eine (authentische) Interpretation obliegt im erforderlichen Anlassfall dem jeweils zuständigen ON-
Komitee des Österreichischen Normungsinstituts. ÖNORMen sind objektiv unter Beschränkung auf
ihren Wortlaut gemäß § 914 ABGB auszulegen.281
276
Siehe dazu in weiterer Folge vor allem die Ausführungen zu den standardisierten Leistungsbeschreibungen
277
So der OGH u.a. in der Entscheidung "ARGE Traunufersammler Wels" (6Ob573/85 vom 4.6. 1987) unter Bezug auf das
Vorbringen, dass auf Grund der Dauer der Bauzeit im konkreten Fall anstelle der in den Ausschreibung bedungenen
Festpreise veränderliche Preise gelten müssten: "Ob die klagenden Parteien bei der Kalkulation tatsächlich auf den Zeit-
punkt der Anbotslegung abgestellt und nicht Festpreise kalkuliert gehabt hätten, wie sie gemäß den rechtlichen und
technischen bzw. den besonderen Vertragsbedingungen zu erfolgen gehabt hätte, habe von der beklagten Partei inhaltlich
nicht überprüft werden können. Für die von den klagenden Parteien behauptete Branchenüblichkeit fehlten geeignete
Beweisgrundlagen."
278
OGH, 10Ob212/98v vom 20.8. 1998, "Umbau Feuerwehrhaus Grieskirchen".
279
§ 97 Abs 2
280
§ 78 Abs 3
281
Siehe diesbezüglich OGH 17.5.2001 7Ob110/01d.
S e i t e | 61
Eine Standardisierte Leistungsbeschreibung ist eine "Sammlung von standardisierten Texten eines
geeigneten Herausgebers zur Beschreibung standardisierbarer Leistungen für bestimmte Sach-
gebiete in ihrer Gesamtheit oder in Bezug auf Teilbereiche.(..)."282
Während Normen aus europarechtlichen Gründen von einer anerkannten Normenorganisation287 er-
stellt werden müssen, erfolgt die Ausarbeitung standardisierter Leistungsbeschreibungen durch die
beteiligten Verkehrskreise, das sind die Anwender auf Auftraggeber- und Unternehmerseite. Begut-
achtungsverfahren bzw. die Verabschiedung einzelner Versionen finden daher auf die betroffenen
Anwenderkreise eingeschränkt und nicht im Rahmen der breiten Öffentlichkeit wie bei ÖNORMEN
statt. Auf Grund der Abstimmung zwischen Auftraggeber- und Unternehmerseite ist im Normalfall
davon auszugehen, dass die Verteilung der Risken ausgewogen erfolgt288.
Die sachlich betroffenen Auftraggeber auf Ebene des Bundes und der Länder erklären die Anwen-
dung standardisierter Leistungsbeschreibungen üblicher Weise für ihren jeweiligen Zuständigkeits-
bereich verbindlich289.
Die Anwendung von StLB bedeutet eine Entlastung, in erster Linie für den Verfasser der Ausschrei-
bung290, in zweiter Linie aber auch für die die Angebote erstellenden Unternehmer, da sie darauf
vertrauen können, dass der Inhalt einer bestimmten Position gleich bleibt.
282
ONR 12012 Ausgabe 1.3.2008, Abschnitt 3.1
283
Als Beispiel einer standardisierten Leistungsbeschreibung im weiteren Sinn außerhalb des Baubereichs kann das „IT-
Handbuch“ der österreichischen Bundesregierung angeführt werden.
Auf europäischer Ebene, ebenfalls für den Bereich Informationstechnik, die drei Regelwerke EPHOS (European
Procurement Handbook for Open Systems), EUROMETHOD und ITSEC (Information Technology Security Evaluation
Criteria); Quelle: Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/A. Verdingungsordnung für Leistungen ausgenommen
Bauleistungen (1998) § 8 Rz 85ff.
284
V.a. Änderungen auf dem Gebiet der technischen Normung.
285
Insbesondere Änderungen im Vergaberecht, in jüngster Zeit aber auch solche im Gewährleistungsrecht.
286
Dazu, dass standardisierte Leistungsbeschreibungen nicht immer die ungeteilte Zustimmung der Zivilgerichte finden, OGH
30.1.1997 8Ob2350/96p zur damals anzuwenden Fassung des Musterleistungsbuches Siedlungswasserbau: „Es kann
nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofes sein, ein derart unklares und widersprüchliches Vertragswerk auszulegen. Es ist
nicht seine Sache, die Sorglosigkeit von in derartigen Angelegenheiten versierten Vertragsparteien in eigener Sache zu
sanieren. Es wäre vielmehr Aufgabe der am Abschluss derartiger Bauverträge Interessierten, ein einheitliches
Vertragswerk zu erstellen.“
287
§ 20 Z 21.
288
Es ist daher als fragwürdig anzusehen, wenn einzelne Verfasser von Ausschreibungen Zusatzpositionen anstelle von
Standardpositionen vorsehen, „um den Auftraggeber vor Risken zu bewahren“.
289
Im geförderten Siedlungswasserbau wird das Musterleistungsbuch Siedlungswasserbau über den Förderungsvertrag zur
verbindlichen Anwendung vorgeschrieben.
290
Dazu Oberndorfer/Straube, Kommentar zur ÖNORM A 2050, Fn. 15: "Standardisierte Leistungsbeschreibungen erfüllen
zum größten Teil die Bestimmungen 2.2.4.1 bis 2.2.4.3 [der ÖNORM A 2050, Ausgabe 1.1. 1993 - das entspricht
§ 76 Abs 3 Z 1 - 3 BVergG] und entheben den Auftraggeber der Gefahr, durch selbst erstellte Texte von Leistungs-
beschreibungen Leistungsinhalte und Bedingungen zu formulieren, die zu Missverständnissen (Unklarheiten,
Widersprüchen) Anlass geben."
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Sieht eine im Einklang mit einer sachlich anzuwendenden Standardisierten Leistungsbeschreibung verfasste
Leistungsverzeichnisposition vor, dass die Leistung nur auf Anordnung durch den Auftraggeber zur Anwendung
gelangt und es kommt weder ausdrücklich noch konkludent zu einer diesbezüglichen Anordnung, so begründet
die Erbringung der Leistung durch den Unternehmer keinen Anspruch auf Schadenersatz, so der OGH:292
Die streitgegenständliche Ausschreibung war im Einklang mit der standardisierten Leistungsbeschreibung für
Straßenbauten erfolgt. Die Leistungsbeschreibung umfasste, neben anderen Positionen für Abtrag von Boden
unterschiedlicher Klassen, Laden, Verführen innerhalb des Bauloses sowie Abladen auch die
Leistungsverzeichnis-Position 02.28 "Zwischengelagertes Material: Laden und Verführen innerhalb des Bauloses
und Abladen". Diese Position wurde von der beklagten Partei [Auftraggeber] für allenfalls anfallendes Frost-
schutzmaterial aus der alten Trasse mit 500 m3 aufgenommen, um es als Frostschutzmaterial bei Nebenwegen
wieder einzubauen. Wegen Unbrauchbarkeit des Materials kam es aber letztlich nicht zu dieser Lagerung. Aus
der Ausschreibung ging aber nicht hervor, dass diese Position für das Frostschutzmaterial vorgesehen war.
Einen Hinweis darauf hielt der Auftraggeber deshalb nicht für erforderlich, weil diese Position laut Punkt 7.244
der Leistungsbeschreibung für Straßenbauten (LB) nur auf Anordnung zur Anwendung kommt; dies traf im vor-
liegenden Fall nicht zu.
"Die klagende Partei [erfolgreicher Bieter und in weiterer Folge Auftragnehmer] hat im erstinstanzlichen
Verfahren stets behauptet, ihr Klagebegehren gründe sich auf den mit der beklagten Partei über die Position LV
02.28 zustande gekommenen Vertrag. Dieses Vorbringen wurde jedoch im Verfahren vor den
Tatsacheninstanzen nicht bewiesen, vielmehr steht fest, dass eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen, auf
Grund welcher die klagende Partei nach der Position LV 02.28 Laden und Verführen von 'Zwischenlagerungen'
zu S 64/m3 verrechnen könne, mangels schriftlicher Anordnung oder schriftlicher nachträglicher Genehmigung
der klagenden Partei nicht zustande gekommen ist. Selbst in der Revision geht die klagende Partei noch davon
aus, es sei ihr kein (Kalkulations-)Irrtum widerfahren, möglicherweise sei aber der klagenden Partei ein Erklä-
rungsirrtum darüber unterlaufen, daß Leistungen gemäß Position LV 02.28 im Rahmen von Leistungen gemäß
Positionen LV 02.22 und 02.26 zu erbringen seien. Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, dass der Klägerin
bei ihrer Anbotserstellung insofern ein rechtlich unbeachtlicher Kalkulationsfehler unterlaufen ist, als sie trotz Er-
kennbarkeit der durch den Ablauf der Werksarbeiten notwendigerweise bedingten Zwischenlagerung des
Aushubmaterials und dessen in der Ausschreibung (Position 02.28) zu gering angegebenen Volumens (siehe die
Feststellungen im Ersturteil, Seiten 14-15) das Ausmaß der von ihr zu erbringenden Leistungen und den ihr
dabei erwachsenden Aufwand falsch eingeschätzt hat und damit einem unerheblichen Motivirrtum unterlegen ist
(vgl.Koziol-Welser, Grundriss I8 119 mwN in FN 25). In einem solchen Fall kann die Korrektur der Fehlkalkula-
tion auch nicht im Wege des Bereicherungsrechtes vorgenommen werden, wie dies die Klägerin hier hilfsweise
versucht, denn die ihr nachteilige Vermögensverschiebung ist nicht rechtsgrundlos erfolgt. (…)
Der klagenden Partei ist der Nachweis der für den Anspruch vorgebrachten rechtsbegründenden Tatsachen
(nämlich der angeblichen Vereinbarung mit der beklagten Partei über die Erbringung und Bezahlung von
Leistungen nach der Position LV 02.28) nicht gelungen, so dass sie mit ihrem Klagebegehren nicht durchdringen
konnte."
291
Dies gilt natürlich nur im Rahmen des geltenden Rechts, dh dass die Arbeitsgruppen nicht zwingend anzuwendendes Recht
abändern können.
292
8Ob674/88, 29.6.1989.
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Zusatzpositionen, die vom Verfasser der Ausschreibung im Sinne „eigener Ausarbeitungen“ frei
formuliert werden, sollen die Ausnahme darstellen und nur dann vorgesehen werden, wenn
abändernde oder ergänzende Bestimmungen in einem Leistungsverzeichnis sachlich notwendig
sind.293
Ein großer zusätzlicher Vorteil der Anwendung standardisierter Leistungsbeschreibungen ist, dass
Angebote derzeit wesentlich leichter automationsunterstützt und auch elektronisch erstellt werden
können und dass die Abrechnung der erbrachten Leistungen in einfacher Form elektronisch erfolgen
kann.
Die ÖNORM A 2063 vom 1.6.2009 „regelt den Aufbau von Datenbeständen, die automationsunter-
stützt in den Phasen Ausschreibung, Vergabe und Abrechung (AVA) zwischen allen Beteiligten, wie
LB-Herausgeber, Planer, Auftraggeber, Bieter oder Auftragnehmer, ausgetauscht werden ".
Bei konstruktiver Leistungsbeschreibung sind die Leistungen nach ihrer Art, ihren Mengen294
("Massen"), individuellen Besonderheiten des konkreten Einzelfalls295 sowie besonderen Anforderun-
gen des Auftraggebers zu gliedern. Gleichartige Leistungen sind zu Gruppen zusammenzufassen
(dem entsprechen die Leistungsgruppen bei standardisierten Leistungsbeschreibungen).
Bei funktionaler Leistungsbeschreibung fehlen die Mengen teilweise oder zur Gänze. Daher hat
besonderes Augenmerk auf einer möglichst genauen Beschreibung der Leistungsanforderungen zu
liegen.296
Von wesentlicher Bedeutung ist hier, welche Unterlagen dem Vergabeverfahren zugrunde liegen.297
Sinn dieser Bestimmung ist, dass die allgemeinen Wesensmerkmale des Auf-
tragsgegenstandes 298
vor dem eigentlichen Leistungsverzeichnis beschrieben werden, wodurch für
die potenziellen Bieter die Gesamtleistung im Überblick erkennbar werden soll, ohne diese
allgemeinen Wesensmerkmale erst aus den einzelnen Positionen erschließen zu müssen. Häufig
293
Siehe auch die Bestimmungen der §§ 97 Abs 2 und 99 Abs 2..
In den zusammengehörenden Fällen des BVA N-26/99 und F-21/99 wurde die streitgegenständliche Ausschreibung wurde
die exzessive Verwendung von Z-Positionen im Leistungsverzeichnis seitens der Antragstellerin als Ausschreibungs-
mangel releviert. Das BVA ging aus formalen Gründen (mangelnde Antragslegitimation der Antragstellerin) in den Be-
scheiden N-26/99-12 vom 2.7. 1999 und F-21/99-13 vom 4.10.1999 auf diesen Beschwerdepunkt nicht ein.
294
§ 97 Abs 3 Z 1
295
§ 96 Abs 6
296
§ 96 Abs 2
297
Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/A (1998) § 9 Rz 23
298
Diese werden inhaltlich grosso modo der Ausschreibungsbekanntmachung entsprechen, sofern es sich um ein Vergabe-
verfahren mit vorheriger Bekanntmachung handelt.
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Der Aufbau des Leistungsverzeichnisses hat vom Allgemeinen, nämlich der zusammenfassenden
Beschreibung der Gesamtleistung, zum Besonderen, nämlich zu den einzelnen Kapiteln und in
weiterer Folge zu den einzelnen Positionen, in Form eines hierarchischen Aufbaus zu erfolgen. Wenn
schon nicht anhand der Ausschreibungsbekanntmachung, so sollte für den am Auftrag interessierten
Unternehmer anhand der zusammenfassenden Beschreibung der Gesamtleistung die Beurteilung
möglich sein, ob die Erstellung eines Angebotes grundsätzlich für ihn in Betracht kommt.
Dadurch ist es auch sachlich möglich, bei umfangreichen Leistungen Teilvergaben vorzusehen300 und
damit auch Teilangebote zuzulassen301.
Der erste Grundsatz dieser gesetzlichen Bestimmung ist, dass die einzelnen Positionen des
Leistungsverzeichnisses nur Leistungen gleicher Art und Preisbildung umfassen sollen302 und
dass die Bestimmung der Menge je Position anhand von Projektunterlagen oder anderen Angaben so
genau wie möglich zu sein hat. Erst dann können die Angebote so erstellt werden, dass diese einer-
seits vollständig und andererseits tatsächlich vergleichbar sind303. Darüber hinaus wird dadurch dem
primärrechtlichen Transparenzgebot und dem gesetzlichen Auftrag, dass den Bietern keine
unkalkulierbaren Risken übertragen werden sollen,304 Rechnung getragen.
Dass Positionen in einem Leistungsverzeichnis von verschiedener Wertigkeit sein können, geht
daraus hervor, dass der Auftraggeber gegebenenfalls wesentliche Positionen als solche zu kenn-
zeichnen hat305 und bei einer vertieften Angebotsprüfung auf die Nachvollziehbarkeit der angebotenen
Preise überprüfen kann306.
299
Hertwig in Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck’scher VOB-Kommentar. Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil A (2001) § 9
Rz 47.
300
§ 78 Abs 6.
301
§ 106 Abs 3.
302
§ 97 Abs 3 Z 1. In diesem Sinne auch Heiermann in Heiermann/Riedl/Rusam: Handkommentar zur VOB, Teile A und B
(2000) § 9 Rz 30: „Im Leistungsverzeichnis ist die Leistung derart aufzugliedern, dass unter je einer Ordnungszahl
(Position) nur solche Leistungen aufgenommen werden, die nach ihrer technischen Beschaffenheit und für die Preisbildung
als in sich gleichartig anzusehen sind.“
303
§ 107 Abs 1
304
§ 78 Abs 3
305
§ 79 Abs 4
306
§ 125 Abs 4
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8.6.1 Positionsnummer
Unter je einer Positionsnummer (Ordnungszahl) sind nur solche Leistungen aufzunehmen, "die nach
ihrer technischen Beschaffenheit und für die Preisbildung als in sich gleichartig anzusehen sind307."
Vor allem bei Positionen aus standardisierten Leistungsbeschreibungen wird unmittelbar nach der
Nummer, erforderlichenfalls eine bestimmte Ausführungsart durch einen Buchstaben oder ein
anderes Symbol gekennzeichnet oder aber es erfolgt die Kennzeichnung, ob es sich um eine Wahl-
position, eine Eventualposition oder um eine Zusatzposition (Z-Position) handelt, die mit diesem
Leistungsinhalt nicht in der standardisierten Leistungsbeschreibung enthalten ist.
Nach der Positionsnummer und gegebenenfalls einem Buchstaben zur besonderen Kennzeichnung
(etwa einer Ausführungsart) folgt im Regelfall die Beschreibung der Leistungsposition. In Ausnahme-
fällen folgen an dieser Stelle die ausgeschriebenen Mengen (und danach erst die Beschreibung der
Leistungsposition).
Der Positionstext enthält die Beschreibung der betreffenden Einzelleistung einschließlich der
technischen Spezifikationen sowie die konkreten Umstände, die die Leistung beeinflussen308.
Bei Erfordernis ist bei der Beschreibung der Leistungsposition eine Bieterlücke309 vorgesehen, in die
der Bieter ein Produkt, ein Verfahren oder sonstige Angaben einträgt; gibt der Auftraggeber ein
Produkt ("Leitprodukt"), ein Verfahren oder eine sonstige Angabe vor, so hat er diese Vorgabe mit
dem Zusatz "oder gleichwertig" zu ergänzen310.
Ist in der Ausschreibung vorgesehen, dass die vom Auftraggeber mit dem Zusatz „oder gleich-
wertig“ beispielhaft vorgegebenen Produkte als angeboten gelten, wenn der Bieter kein anderes
Erzeugnis in die freien Zeilen einer Leistungsverzeichnisposition eingetragen hat oder wenn die vom
Bieter angebotenen Produkte nach sachverständiger Prüfung als nicht gleichwertig bewertet wurden,
so ist dies eine zwingende Bedingung: „Die Formulierung der Ausschreibung ist nicht so missver-
ständlich, dass es der Antragstellerin nicht möglich gewesen wäre, diese richtig zu verstehen. Die
307 9
Heiermann in Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB/Teile A und B (2000), § 9 Rz 30.
308
Schabel/Lehmann, VOB/B leicht gemacht (2002) 17
309
§ 98 Abs 8
310
§§ 98 Abs 7 u. 8 und 106 Abs 7
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Erörterungen in der mündlichen Verhandlung haben gezeigt, dass die Antragstellerin bewusst nicht
jene Geräte angeboten hat, die in der Ausschreibung gefordert waren, sondern Geräte nach einem
anderen Funktionsprinzip. 311“
In der Reihenfolge kommen nun im Regelfall die ausgeschriebenen Mengen (Massen; auch als
„Vordersatz“ bezeichnet) mit Angabe einer Dimension312 (Stück, Stunden, Laufmeter, Quadratmeter
usw.; allenfalls ein Pauschale).
8.6.6 Einheitspreis
In der Reihenfolge folgt der Einheitspreis, im Falle der Preisaufgliederung mit Vorgabe der
anzugebenden Preisanteile313 und ausgewiesen als deren Summe. Dieser Einheitspreis im weiteren
Sinn kann ein Einheitspreis im engeren Sinn 314, ein Pauschalpreis315 oder ein Regiepreis316 sein.
8.6.7 Positionspreis
Schließlich folgt der Positionspreis317. der das Produkt aus Menge (Vordersatz) und Einheitspreis dar-
stellt. Die Summe der Positionspreise ergibt die Summe je Leistungsgruppe (Kapitel) bzw. bei deren
Fehlen die Gesamt- bzw. Teilgesamtpreise318.
8.7.1 Variantenangebote319
8.7.2 Wahlpositionen321
Wahlpositionen sind Teil von Ausschreibungsvarianten und damit sind auch sie in der vorgesehenen
Menge der Summenbildung zu unterwerfen.322 Das bedeutet, dass dies im Gegensatz zur häufig
geübten Praxis nicht mit der Einheit „eins“ möglich ist.
311
BVA 21.2.2003 17N-75/02-18.
312
§ 2 Z 26 lit b
313
I.d.R. Arbeit (Lohn) und Material, allenfalls auch Arbeit, Gerät und Material
314
§ 2 Z 26 lit b
315
§ 2 Z 26 lit e.
316
§ 2 Z 26 lit f
317
§ 124 Abs 1
318
§ 2 Z 26 lit d
319
§ 2 Z 39
320
§ 78 Abs 6 BVergG
321
§ 2 Z 43
322
§ 2 Z 43 iVm § 97 Abs 3 Z 4
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Die Folge ist, dass sowohl auf Variantenangebote als auch auf Wahlpositionen dann nicht zuge-
schlagen werden darf, wenn entweder keine Summe gebildet wurde oder Wahlpositionen nicht mit
der korrekten Menge in der Variantenangebotssumme erfasst wurden.
8.7.3 Eventualpositionen323
Vergaberechtlich nicht völlig klar ist der Umgang mit Eventualpositionen, also solchen Positionen, bei
denen sich der Auftraggeber erst während der Erbringung der Leistung entscheidet, ob er sie (geson-
dert!) beauftragt. Im BVergG finden sie expressis verbis keine Entsprechung, d.h. es ist offen, ob sie
als "Wahlpositionen" zu behandeln und somit einer summarischen Erfassung zuzuführen sind oder
ob sie im Sinne der herkömmlichen Praxis in das Leistungsverzeichnis, allenfalls unter Angabe ge-
schätzter Massen, aufgenommen aber summarisch nicht erfasst werden.
In einem Judikat aus der Bundesrepublik Deutschland, dessen Aussagen sich m.E. sehr gut auf die
österreichische Rechtslage übertragen lassen, wird diesbezüglich ausgeführt:324
• Eventualpositionen sind im Leistungsverzeichnis (eindeutig) als solche zu kennzeichnen.
• Sie dürfen nicht zur Kaschierung einer fehlerhaften Planung dienen.
• Sie sind auf ein unumgängliches Minimum zu beschränken (Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland:
maximal 10 % des geschätzten Auftragswertes325 - was bereits relativ hoch gegriffen erscheint).
• Sie werden, jedenfalls im Regelfall, nicht zur Ermittlung des Bestbieters herangezogen werden können (dies
würde mit größter Wahrscheinlichkeit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter verstoßen und,
außer es würde sich um ein angegebenes Bestbieterkriterium handeln,326 auch gegen das Transparenz-
gebot).
Hintergrund für diese Voraussetzungen ist der Grundsatz, dass es unzulässig ist, dem Bieter unzumutbare
Wagnisse aufzubürden "für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf
die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. 327"
Das Leistungsverzeichnis ist unter Beachtung der sachlichen Kriterien des konkreten
Ausschreibungsgegenstandes, zu verfassen.
323
In der vergaberechtlichen Terminologie der Bundesrepublik Deutschland als "Bedarfspositionen" bezeichnet.
324
Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg, Az.: 203-VgK-01/2003 vom 10.3. 2003, "Neubau eines Bettenhauses,
Umbau- und Unterhaltungsmaßnahmen im Reha-Zentrum".
325
So Abschnitt 4.3 des Vergabehandbuchs zu § 9 Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil A.
326
Unter Aufbietung aller Phantasie könnte derartiges aus dem Urteil "SIAC Construction" des EuGH (Rs. C-19/00, Urteil vom
18.10. 2001) unter den dort ausdrücklich angeführten Rahmenbedingungen abgeleitet werden: Der Auftraggeber darf ein
Bestbieterkriterium "voraussichtliche Abrechnungskosten" heranziehen, wenn dies in der Ausschreibungsbekanntmachung
oder in den Ausschreibungsunterlagen angeführt wurde, die Abrechnungssumme des Angebotes voraussichtlich die
niedrigste ist, der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter gewahrt wird, und ein unabhängiges Sachverständigen-
gutachten, das in allen wesentlichen Punkten auf objektive Faktoren gestützt sein muss, zu diesem Schluss gelangt.
327
So die Begründung im Judikat der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg, Az.: 203-VgK-01/2003..
328
18.2.2003 X ZB 43/02.
329
20.12.2000 Verg 20/00.
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horizont, so das OLG Düsseldorf, vor dem Hintergrund der Position 9 des Abschnitts I zu sehen war.
Pos. 9 lautete: „Sämtliche Vorarbeiten wie Schneiden, Bohren, Sägen und Oberflächenbehandlung sowie
Anpassarbeiten sind in der Werkstatt des AN vorzunehmen.“
Pos. 10 hatte folgenden Wortlaut: „Lagerungsmöglichkeiten auf der Baustelle sind nur unzureichend vorhanden.
An der H- und B-Straße (Anmerkung: der zu errichtende Neubau befindet sich in K an der Ecke B-/H-Straße)
bestehen keine Lagerungsmöglichkeiten. Die Zugänglichkeit ist hier nur durch das Gebäude gegeben. Für
diesen Bereich müssen die Naturwerksteinplatten endgefertigt und endbehandelt auf die Baustelle geliefert
werden und sind ohne Zwischenlagerung direkt einzubauen …“
Dazu aus dem Urteil:
„Schon unter Ziffer 1 des mit ‚Allgemeines’ überschriebenen Abschnitts I. des Leistungsverzeichnisses heißt es,
dass zur Befestigung der Natursteinfassade vor Ort nicht gebohrt werden dürfe. Aus alledem ergibt sich zwang-
los die Auslegung der Ziffer 9, dass - wenn und soweit überhaupt ‚Vorarbeiten’ an den zu montierenden Natur-
werksteinplatten notwendig sind - diese Vorarbeiten insbesondere aus Gründen des Lärmschutzes und wegen
des Fehlens von Arbeitsraum und Lagerungsmöglichkeiten an der Baustelle eben nicht mehr dort, sondern nur in
der Werkstatt des Auftragnehmers vorgenommen werden können (und müssen). Dagegen liegt es völlig fern,
das Wort ‚Vorarbeiten’ dahin auszulegen, dass es auch auf die Herstellung der Steinplatten (als Prozess der
Produktion des zu montierenden Steinmaterials aus den Rohsteinblöcken) zu erstrecken ist, und zwar in dem
eingeschränkten Sinne, dass das Herausschneiden der Steinplatten aus den Rohsteinblöcken nur durch den
Auftragnehmer selbst in seiner eigenen, zu seinem eigenen Unternehmen gehörenden Werkstatt vorgenommen
werden darf. Wenn der Auftraggeber (die Antragsgegnerin) das gemeint haben sollte, wäre es für den (maß-
gebenden) objektiven Empfängerhorizont der Bieter (siehe oben) im Wortlaut der Ziffer 9 - einschließlich der
Verständnismöglichkeiten gemäß dem systematischen Zusammenhang - nicht klar genug zum Ausdruck
gekommen. Lediglich als Plausibilitätsargument hat der Senat hierzu in der mündlichen Verhandlung bemerkt,
dass der Bieter, wenn der Auftraggeber dieses (angebliche) Qualitätsmoment des vom Auftragnehmer selbst
durchzuführenden Herausschneidens der Steinplatten aus den Travertin-Rohsteinblöcken verlangt haben sollte,
angesichts der insoweit unklaren Ziffer I. 9. habe erwarten dürfen, da der Auftraggeber ein solches auf die zu
montierenden Natursteinplatten bezogenes Erfordernis bei der eigentlichen Qualitätsbeschreibung der Natur-
werksteine unter VI. 3.1.1. des Leistungsverzeichnisses (z.B. wo es heißt: ‚gegen das Lager schneiden’) heraus-
stellt und damit klarstellt. Dies sei nochmals aufgrund des nachgereichten Schriftsatzes der Antragstellerin vom
12.12. 2000 verdeutlicht. Entscheidend für die Zurückweisung des Einwands der Antragstellerin ist die Ausl-
egung der Ziffer I. 9. selbst. Insofern erledigt sich die auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.3. 1999
(DB 1999 1160) gestützte Kritik der Antragstellerin und ihres Rechtsgutachters Dr. O. Soweit der Rechtsgut-
achter meint, die Ziffer I. 9. sei in dem Sinne, dass hier eine Eigenausführungspflicht für die aus dem Roh-
material herauszuschneidenden Steinplatten verankert sei, ‚völlig klar’ und ‚einer eingeschränkten Auslegung gar
nicht zugänglich’, kann ihm schlechterdings nicht gefolgt werden, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen
ergibt.“
8.7.5 Getrennte Positionen für Leistungen mit einmalige Kosten und Leistungen mit zeit-
oder mengenabhängigen Kosten
Mit dieser Vorgangsweise wird, unter Bezug auf die branchenübliche Preisermittlung, dem
Umstand Rechnung getragen, dass Änderungen bei Positionen mit zeit- oder mengenabhängigen
Kosten nicht automatisch auf Leistungen, die einmalige Kosten verursachen, durchschlagen sollen.
In diesem Sinne der OGH331 in Abweichung zu den Urteilen der Vorinstanzen bezüglich der Position „Rohtrasse
schieben“ in einem Leistungsverzeichnis für die Herstellung eines landwirtschaftlichen Bringungsweges: Die
Klägerin, die den Auftrag erstanden hatte, hatte unter dieser Position nur die Herstellung der für den
Maschineneinsatz notwendigen Rohtrasse verstanden, der Auftraggeber hingegen darüber hinaus den offenen
Abtrag, das lagenweise Anschütten von Abtragsmaterial, die Herstellung des Unterbauplanums, die Schüttung
der Frostschutzschicht und die Asphaltierung der Straßenfläche. Der OGH bestätigte den Rechtsstandpunkt der
330
ÖNORM A 2050, 1.11.2006, Abschnitt 5.2.4.2
331
22.5.1995 3Ob564/94.
S e i t e | 69
Klägerin, zumal es keinen Anhaltspunkt gab, dass der Begriff „Rohtrasse schieben“ mit dem vom Auftraggeber
intendierten Inhalt der Position in der österreichischen Bauwirtschaft branchenüblich sei.
Diese Bestimmung333 regelt die Ausnahme zur generellen Regel, dass Nebenleistungen auch ohne
gesonderte Erwähnung in den Ausschreibungsunterlagen zur Hauptleistung gehören334.
VWGH: 335
"Eine unselbständige Nebenleistung ist dann anzunehmen, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung
nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommt. Das ist zu
bejahen, wenn die Leistung die Hauptleistung ermöglicht, abrundet oder ergänzt."
Das BVergG regelt, unter beispielhafter Anführung besonderer Vorarbeiten oder außergewöhnlicher
Frachtleistungen, dass in besonderen Fällen gesonderte Positionen vorzusehen und dem Wett-
bewerb zu unterwerfen sind. Die gesetzliche Bestimmung nennt keine prozentuelle Größenordnung,
ab der Nebenleistungen als Hauptleistungen anzusehen sind.
Ein in der Judikatur häufiges Beispiel für Nebenleistungen als Hauptleistungen sind Boden-
erkundungen bei Baumaßnahmen. Wurden sie nicht gesondert vereinbart, so sind sie schon auf
Grund der Tatsache, dass der Auftraggeber das Baugrundrisiko trägt, nicht eine unentgeltlich vom
Werkunternehmer zu leistende Nebenleistung336.
Im Fall der Ausschreibung von Straßenbauarbeiten durch eine Kärntner Gemeinde337 enthielt das
Leistungsverzeichnis die Position "Dammkörper schütten (max. Einbautiefe pro Lage[r] 0,5 m)", jedoch weder
eine Position noch sonstige Hinweise, die sich auf das dafür erforderliche Beistellen des Schüttmaterials
bezogen. Der Bürgermeister als Verfasser der Ausschreibung, der auf Grund seiner Tätigkeit im Baudienst der
Verwaltungsgemeinschaft des politischen Bezirkes fachkundig war, erläuterte einem Unternehmen auf dessen
Anfrage während der Angebotsfrist, dass das Schüttmaterial nicht vom Unternehmen beizustellen sei.
Dazu der OGH, nachdem der Gemeinderat die diesbezüglichen Nachtragsforderungen des ausführenden Unter-
nehmens nachträglich nicht anerkannt hatte und das Unternehmen im Zivilrechtsweg die Klage erhoben hatte:
"Die Anbotsunterlagen hatte der Bürgermeister verfasst. Dabei gebrauchte er in der Beschreibung einer in das
Leistungsverzeichnis aufgenommenen Einzelleistung eine Formulierung, die nach allgemeinem Verständnis
Zweifel darüber aufkommen ließ, ob das für die Leistung notwendige Material (nämlich die mit 7.000 m3
angenommene Schottermenge für die Errichtung eines Dammes) von der Beklagten als Auftraggeberin oder
vom Unternehmer als Auftragnehmer beizustellen sein werde. Der Bürgermeister erklärte auf Anfrage der an der
Anbotstellung interessierten Klägerin, daß das Material nicht vom Unternehmer beigestellt werden müsse,
sondern von einem an Ort und Stelle bezeichneten Grund zu entnehmen sei. Diese Auslegung hält sich
innerhalb der denkmöglichen Begriffsausfüllung der in der zweifelhaften Position des Leistungsverzeichnisses
gebrauchten Formulierung. Diese Erläuterung des Bürgermeisters zu der im Namen der Gemeinde verfassten
und ausgegebenen Ausschreibungsunterlagen hatte sich die Gemeinde in gleicher Weise zurechnen zu lassen
wie die Ausschreibung selbst." Daher war die Beistellung des Schüttmaterials nicht als unselbständige
Nebenleistung zur Position "Dammkörper schütten" anzusehen.
332
Textgleich ÖNORM A 2060, 1.7.2009, Abschn. 3.9 und ÖNORM B 2110, 1.1.2009, Abschn. 3.15: "Verhältnismäßig gering-
fügige Leistungen, die der Usance entsprechend auch dann auszuführen sind, wenn sie in den Vertragsbestandteilen nicht
angeführt sind, jedoch nur insoweit, als sie zur vollständigen sach- und fachgemäßen Ausführung der vertraglichen
Leistung unerlässlich sind und mit dieser in unmittelbarem Zusammenhang stehen."
333
§ 97 Abs.3 Z.2
334
ZB OGH 19.9.1995 4Ob555/95 in einem Anlassfall, in dem ein PKW nach Österreich gebracht werden sollte (Hauptleistung)
und die Nebenleistung darin bestand, dem Käufer die Bestätigung des Zollamtes beizubringen - ohne diese Neben-
leistung war die Hauptleistung für den Käufer ohne Interesse: "Nach seiner Rechtsprechung rechtfertigt zwar die
Verletzung unselbständiger Nebenpflichten im Regelfall nicht den Rücktritt vom Vertrag gemäß § 918 ABGB;
ausnahmsweise wird aber das Recht zum Rücktritt anerkannt, wenn die Verletzung der Nebenpflicht zugleich eine schwere
Vertrauenserschütterung bewirkt oder - wie hier - das Interesse an der Erfüllung des Vertrages beseitigt (SZ 38/99; SZ
39/120; SZ 57/175 mwN aus dem Schrifttum; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 21 zu § 918)."
335
VwGH 19.3. 2000 97/14/0133.
336
In diesem Sinne zB OGH 25.8.1998 7Ob140/98h.
337
6Ob661/86 26.11.1987
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Weitere Beispiele von Nebenleistungen, bei denen bei Erstellung des Leistungsverzeichnisses zu
klären ist, ob sie als Hauptleistungen zu qualifizieren sind, sind die Entsorgung von Abfällen,
Materialverschnitt und Verpackungsmaterial, die Reinigung nach der Durchführung von Bauarbeiten
oder die Rücknahme von Materialresten bei der Lieferung und Montage von Möbeln.
Auch hier gilt die Branchenüblichkeit als Maßstab, sofern nicht im Einzelfall besondere Gründe
bestehen, davon abzuweichen. Bei den meisten Bauleistungen nach Anhang I ist es üblich, die
Preise in Lohn und Sonstiges aufzugliedern (häufig auch dann, wenn die Leistungen zu Festpreisen
ausgeschrieben werden). Bei Stahlbaumaßnahmen bzw. im Anlagenbau werden die Preise häufig in
Lieferung und Montage aufgegliedert, und hier wieder in Lohn und Sonstiges338. Bei der Aus-
schreibung geistiger Leistungen wird diese Aufgliederung von Preisen im Regelfall weder sinnvoll
noch notwendig sein.
Eine über die reine Aufgliederung in Lohn und Sonstiges hinausgehende Preiszergliederung im
Sinne der Detailkalkulation nach der ÖNORM B 2061 ist bei umfangreichern Leistungen des Bau-
hauptgewerbes und – allenfalls! – bei Professionistenleistungen im Bau sinnvoll, da es bei der Aus-
führung der Leistungen häufig zu Änderungen gegenüber der ausgeschriebenen Leistung kommt339.
Die Bestimmung, dass bei Geltung veränderlicher Preise diese in lohnbedingte und sonstige
Preisanteile aufzugliedern sind, ist jedenfalls bei Bauleistungen gemäß Anhang I sinnvoll, da hier die
Preisanteile sehr unterschiedliche Entwicklungen aufwiesen340. Bei manchen, aber zweifellos nicht
allen Lieferaufträgen ist diese Bestimmung gleichfalls sinnvoll – nicht sinnvoll ist diese Bestimmung
dann, wenn z.B. Geräte nur gekauft werden. Bei geistigen Leistungen wird diese Bestimmung im Nor-
malfall nicht sinnvoll anzuwenden sein, da Nebenleistungen, sofern sie nicht als Hauptleistungen zu
werten sind, nicht in gesonderten Positionen ausgeschrieben werden.
8.8 Summenblatt
Dem Summenblatt kommt, sofern ein Leistungsverzeichnis im eigentlichen Wortsinn erstellt wurde,
immer große Bedeutung zu, da
• der Gesamtpreis (ohne USt) oder der Angebotspreis (mit USt),
• mit Angabe des Ausmaßes allfälliger Nachlässe und Aufschläge und,
338
Dadurch wird beim Lohnanteil des Lieferpreises die Lohnkomponente der Werksfertigung erfasst, beim Anteil Sonstiges der
Montage werden Kleinteile erfasst.
339
Völlig unsinnig ist es hingegen, zB bei der Ausschreibung elektrotechnischer Leistungen die Erstellung einer
Detailkalkulation in derselben Form wie für Leistungen des Bauhauptgewerbes vorzuschreiben.
340
Im Regelfall wird der Tag des Endes der Angebotsfrist als für veränderliche Preise maßgebliche Preisbasis in der
Ausschreibung festgelegt; ist in der Ausschreibung bzw. im nachfolgenden Vertrag nichts festgelegt und wurde die
ÖNORM A 2060 oder die ÖNORM B 2110 vereinbart, so ist der Tag des Datums des Angebotes die für veränderliche
Preise maßgebliche Preisbasis (P 5.1.3 in beiden Normen).
S e i t e | 71
• wenn die Vergabe in Teilen oder für die ganze Leistung oder für Teile derselben Varianten
vorgesehen waren, auch die Teilgesamtpreise oder Teilangebotspreise sowie die
Variantenangebotspreise,
zu verlesen sind341. Diese angeführten Angaben finden sich in der Regel auf dem Summenblatt, das
bei der Zulässigkeit von Teilangeboten auch zwei oder mehr Seiten umfassen kann.
Auf dem Summenblatt ist bei den meisten Ausschreibungen auch die rechtsgültige Unterfertigung
durch den Bieter vorgesehen; gibt es ein vom Auftraggeber vorgegebenes Angebotsschreiben, so
wird die einzige Unterschrift des Bieters sinnvoller Weise auf dem Angebotsschreiben und nicht auf
dem Summenblatt vorzusehen sein.
Die zur Zeit noch häufig anzutreffende Formulierung, dass an Bedingungen geknüpfte Nachlässe
oder Aufschläge auf einem gesonderten Begleitschreiben des Bieters angeführt werden müssen und
ihre Angabe im Summenblatt unzulässig bzw. unwirksam wäre, ist zivilrechtlich nicht haltbar
(wenngleich sie als Ordnungsvorschrift sinnvoll sein mag), da das Summenblatt im Zuge der
Angebotsöffnung immer zur Verlesung herangezogen werden muss und somit auch allfällige auf dem
Summenblatt angeführte Bedingungen verlesen werden müssen.
341
§ 118 Abs 5 Z
S e i t e | 72
9 Angebotsöffnung
Beim offenen und beim nicht offenen Verfahren ist die Angebotsöffnung der Moment, in welchem für
die Bieter Transparenz besteht und sie erfahren, wie viele und welche Konkurrenten teilgenommen
haben, was diese angeboten haben und wie ihr eigenes Angebot im Vergleich liegt.
Daher kommt der Angebotsöffnung sehr große Bedeutung zu und sie ist kommissionell
durchzuführen. Das BVergG regelt für die öffentlichen Auftraggeber342 detailliert, wie bei der
Angebotsöffnung vorzugehen ist (die Sektorenauftraggeber343 sind nicht zu einer formalisierten
Angebotsöffnung verpflichtet).
Bezüglich des Endes der Angebotsfrist (= spätest möglicher Zeitpunkt zur Einreichung eines Ange-
botes) und dem Beginn der Angebotsöffnung heißt es, dass die Angebote – außer in begründeten
Ausnahmefällen - „unmittelbar nach Ablauf der Angebotsfrist“ 344zu öffnen sind.
Anmerkung: „Unmittelbar“ wird maximal 15 – 30 Minuten bedeuten können, sicher nicht einen
längeren Zeitraum. Ich empfehle ein Zusammenfallen der beiden Zeitpunkte zu einem einzigen, was
allerdings nicht immer völlig problemlos ist.
Fallen die beiden Zeitpunkte auseinander - z.B. Ende der Einreichfrist 9.30 Uhr, Angebotsöffnung am
selben Tag 10.00 Uhr, dann gibt es zwei mögliche Vorgangsweisen bezüglich verspätet eingelangter
Angebote:
• Nach vorherrschender Meinung in Österreich und im Einklang mit den Buchstaben des BVergG
ist ein um 9.31 eingereichtes Angebot, aus welchem Grund auch immer die Verspätung herrührt,
bereits ein verspätet eingereichtes Angebot und daher nicht mehr zu berücksichtigen.
• Demgegenüber ist, allerdings bei etwas anderer Rechtslage, in der Bundesrepublik Deutschland
ein Angebot dann verspätet eingereicht, wenn der Verhandlungsleiter (oder ein Mitglied der
Kommission) das Kuvert des ersten zu verlesenden Angebotes zu öffnen beginnt - klarzustellen
ist aber, dass mit der Öffnung der Angebote nicht willkürlich zugewartet werden darf; der Beginn
der Öffnung des ersten Kuverts könnte in unserem Beispiel auch um 10.02 Uhr sein, ein um
10.01 Uhr eingereichtes Angebot wäre damit noch zeitgerecht eingereicht worden. Hintergrund
342
§§ 118 ff; siehe auch Abschnitt 9.5
343
§§ 264 f
344
§ 121 Abs. 1
S e i t e | 73
ist, dass es im Sinne des Auftraggebers ist, einen möglichst starken Wettbewerb zu haben und
dass bis zur Öffnung des ersten Angebotes keine Daten über die Bieter und deren Angebote
bekannt sind.
Die Rechtslage Bundesrepublik Deutschland - Österreich ist in diesem Punkt absolut
vergleichbar, nicht jedoch die zugehörige Auslegung .
Verspätet eingelangte Angebote sind ungeöffnet als solche zu kennzeichnen345, d.h. sie sind nicht zu
öffnen (in Diskussion steht eine Rücksendung an die Bieter - ist derzeit rechtlich jedoch nicht
vorgesehen).
9.4 Eintragen von Angeboten in der Reihenfolge des Einlangens in eine Liste346
Die Angebote sind in der Reihenfolge des Einlangens (Tag und Uhrzeit) zu nummerieren und in eine
Liste einzutragen - d.h. dass dies im Normalfall immer mit den postalisch einlangenden Angeboten
beginnt und mit den persönlich übergebenen Angeboten endet. Diese Liste ist unter Verschluss zu
halten.
Schreibt ein Bieter keinen Namen auf den Umschlag, die Sendung ist aber als Angebot erkennbar,
dann ist dieses Angebot (sofern es als solches erkannt wird) anzuerkennen und wie jedes andere
Angebot zu behandeln; diese Vorgangsweise geht aber auf das Risiko des Bieters, d.h. er riskiert,
dass das Angebot dann ausgeschieden wird, wenn die Vertraulichkeit des Inhalts nicht gewahrt wird.
Generell gilt (auch bei vollständig bezeichneten Angeboten), dass der Weg, den das Angebot bis zur
Öffnung durchläuft, der Risikosphäre des Bieters zuzurechnen ist. Hat das Angebot die Sphäre des
Auftraggebers - zeitgerecht - erreicht, so liegt die weitere Verantwortung beim Auftraggeber!
Wird ein Angebot unabsichtlich geöffnet, wird zu prüfen sein, ob möglichst nur eine Person das
Angebot eingesehen hat. Macht eine Person das Angebot auf, erkennt den Irrtum und verschließt das
Angebot unter Anbringen eines Vermerks mit Unterschrift wieder, dann wird dieses Angebot in der
Konkurrenz verbleiben können, sofern jegliche Manipulation ausgeschlossen werden kann. Ein
solches Angebot ist auszuscheiden, wenn dem Bieter eine eindeutige Schuld beizumessen ist -
korrekterweise ist einem Bieter aber Gelegenheit zu geben, ein Angebot neuerlich einzureichen,
wenn das Angebot durch Manipulation auf dem externen oder auftraggeberinternen Postweg so
beschädigt wurde, dass der Angebotsinhalt ganz oder teilweise erkennbar ist, wenn die Zeit dazu
ausreicht347. Dies entspricht der rechtlich gegebenen Möglichkeit, ein Angebot bis zum Ende der
Einreichfrist ändern oder zurückziehen zu dürfen.
345
§ 118 Abs 3.
346
§ 117 Abs. 1
347
Es gibt kein derartiges Judikat einer der Vergabekontrollinstanzen, im Übrigen erscheint dies völlig schlüssig, da der Bieter
im Regelfall daran völlig schuldlos sein wird.
S e i t e | 74
Die Angebotsöffnung ist ihrer Natur nach eine Tatsachenfeststellung. Unter allen Umständen ist
daher von allen Maßnahmen der Angebotsprüfung im Zuge der Angebotsöffnung Abstand zu
nehmen; auffallende Merkmale sind aber in der Niederschrift zu vermerken.
Die Prüfung der Unversehrtheit der Angebote erfolgt im Sinne der vorstehenden Ausführungen348; ein
offen abgegebenes Angebot ist auszuscheiden, ebenso ein Angebot per TELEFAX, Fernschreiben
etc. (im offenen oder im nicht offenen Verfahren).
Ausserdem regelt das BVergG grundsätzlich die elektronische Angebotseinreichung349 sowie die Öff-
nung elektronisch eingereichter Angebote350.
In weiterer Folge ist der Name des Bieters zu verlesen und festzustellen, ob das Angebot unterfertigt
ist. BVergG und ÖNORM352 verlangen „nur“ die rechtsgültige, nicht aber eine firmenmäßige Fertigung.
Anmerkung: Verlangen Sie am besten nur eine einzige Unterschrift des Bieters.
Es ist festzustellen, ob alle bei der Abgabe des Angebotes bedungenen Unterlagen tatsächlich dem
Angebot angeschlossen wurden - d.h. Prüfung der Vollständigkeit der Angebote (fehlen einzelne
Seiten, so wird dies nicht in allen Fällen ohne weiteres bei der Öffnung der Angebote festgestellt
werden können - wird jedoch ein derartiger Mangel festgestellt, ist dies in der Niederschrift jedenfalls
zu vermerken).
348
§ 118 Abs. 3
349
§§ 113-116
350
§§ 119-121
351
§ 118 Abs. 5
352
ÖNORM A 2050, 1.11.2006, Abschnitt 6.2.6
S e i t e | 75
Über diesen Vorgang ist, unter schriftlicher Dokumentation der zuvor angeführten Fakten, eine
Niederschrift zu verfassen, in die auch allfällige Feststellungen der Bieter aufzunehmen sind - diese
können das eigene Angebot oder einen anderen Bieter bzw. dessen Angebot oder aber den Vorgang
der Angebotsöffnung betreffen.
Zu vermerken sind, abgesehen von den in Abschnitt 9.5.4 angegebene Daten, folgende angebots-
bezogenen Fakten353:
• Datum und Uhrzeit des Beginns und des Endes der Angebotsöffnung.
• Geschäftszahl, Gegenstand und Hinweis auf die Art des Vergabeverfahrens.
• Die Namen der Anwesenden.
• Zwingend verlangte, aber nicht vorhandene Beilagen.
• Vermerke über offensichtliche Angebotsmängel [jedoch ohne diese zu bewerten!].
Klar ist, dass im Anwendungsbereich des BVergG der Niederschrift über die Angebotsöffnung ein
sehr hoher Stellenwert eingeräumt wird - der Vorgang der Angebotsöffnung ist nicht wiederholbar;
was bei der Angebotsöffnung nicht festgestellt wurde, existiert normalerweise rechtlich nicht (gilt v.a.
für Alternativangebote!).
Bezüglich der - fakultativen - Fertigung der Niederschrift durch die Bieter gibt es zwei Möglichkeiten:
• Entweder gleich zu Beginn, etwa auf einem gesonderten Blatt.
Vorteil: Es geht rasch.
Nachteil: Die Bieter unterschreiben praktisch blanko, d.h. sie bestätigen nur ihre Anwesenheit,
sonst nichts.
• Oder aber man gibt den Bietern am Ende der Angebotsöffnung die Gelegenheit zur Fertigung.
Nachteil: Die Angebotsöffnung kann sehr lange dauern.
353
§ 118 Abs. 6
S e i t e | 76
Vorteil: Der Inhalt des Protokolls wird dadurch von den Bietern praktisch bestätigt, d.h. man kann
ihn gänzlich oder weitestgehend außer Streit stellen.
Noch während des Vorgangs der Angebotsöffnung sind die Angebote, einschließlich der
Begleitschreiben, so zu kennzeichnen (z.B. zu lochen und zu versiegeln), dass ein Austausch von
Angebotsteilen so weit wie möglich verhindert wird (gilt natürlich nicht für Datenträger!).
Der BVergG legt fest, dass den Bietern, so sie zur Teilnahme an der Angebotsöffnung berechtigt
waren, auf formlose Aufforderung eine Abschrift der Niederschrift über die Angebotsöffnung auszu-
folgen ist354.
Die Niederschrift über die Angebotsöffnung wird faktisch immer einen Bestandteil des „Vergabe-
vermerks“355 darstellen, d.h. es gilt selbstverständlich auch die mindestens 7-jährige (bzw. 4-jährigen)
Aufbewahrungsfrist.
354
§ 118 Abs.6
355
§ 136 bzw. 277; sh. auch Abschnitt 12.3
S e i t e | 77
10 Angebotsprüfung
10.1.1 Fachkunde
Der Auftraggeber hat über die zur Prüfung der Angebote notwendige Fachkunde zu verfügen oder
sich eines Sachverständigen zu bedienen356.
Fachkunde im Sinne von Fachwissen bedeutet für ein bestimmtes Fachgebiet im Wesentlichen
gelerntes Wissen, praxisbezogene Kenntnisse (Erfahrung) und laufende Weiterbildung, um auf dem
aktuellen Wissensstand zu bleiben357.
Anmerkung: Hier ist ausdrücklich festzuhalten, dass das Verfügen über die nötige Fachkunde zur
Prüfung von Angeboten (einschließlich der Aufklärung zu Angeboten!) nicht zur Disposition des
Auftraggebers steht, sondern der Auftraggeber ist verpflichtet dafür zu sorgen358.
10.1.2 Unbefangenheit
Anmerkung:
1. Die Unbefangenheit und Unabhängigkeit müssen sich jedenfalls auf den tatsächlichen Kreis der
Bewerber und Bieter beziehen, besser noch auf den potenziellen Teilnehmerkreis (um den
Wettbewerb nicht zu stören).
2. "Sachverständiger" (SV) bedeutet, dass es sich um eine Person mit besonderer Fachkunde
handelt;361 das muss nicht zwingend ein gerichtlich zertifizierter Sachverständiger sein.
Die wesentlichen Begriffsmerkmale sind:
• Fachkunde (s.o.).
• Aufgabenstellungen, die in ursächlichem Zusammenhang mit den in den Vergabevorschriften
angeführten, für den Auftrag des SV maßgeblichen Tatbeständen stehen362. D.h. es geht nicht
um "irgendeinen" SV.
• Objektivität - der SV soll der Sache verpflichtet sein.
356
§ 122 BVergG, erster Satz: "Die Prüfung und Beurteilung eines Angebotes ist nur solchen Personen zu übertragen, die die
fachlichen Voraussetzungen hierfür erfüllen."
357
VwGH 17.8.2000, 98/12/0170.
358
IdS etwa Bundesvergabeamt (BVA) 18.2.2000, N-34/99-41
359
§ 19 Abs 1
360
§ 122 BVergG, zweiter Satz
361
Creifelds Rechtswörterbuch Rz. 1131.
362
Heiermann - Riedl - Rusam, Handkommentar zur Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB), Wiesbaden und Berlin:
9
Bauverlag 2000 , Teil A, § 7 Rz. 3.
S e i t e | 78
10.1.3 Verschwiegenheit364
Die wichtigsten Bestimmungen im BVergG 2006, in die die Bestimmungen über die Angebotsprüfung
eingebettet sind, sind (hier bezogen auf öffentliche Auftraggeber sowie die Regelverfahren - offenes
und nicht offenes Verfahren):
363
BVA 9.2.2004, 05N-135/03-54.
364
§ 23; ähnlich § 191
S e i t e | 79
10.2.2 Sektorenauftraggeber
• § 229 Ausschluss von Bietern;
• §§ 228 - 234 Kriterien und Nachweise der Eignung;
• §§ 235 - 242 Gestaltung der Ausschreibung, Kriterien und Anforderungen;
• § 238 Zulässigkeit von Alternativangeboten;
• § 239 Zulässigkeit von Abänderungsangeboten;
• § 240 Zulässigkeit von Subunternehmerleistungen;
• §§ 245 - 248 Leistungsbeschreibung;
• §§ 255 - 263 Bestimmungen über das Angebot (auch: elektronisch);
• §§ 267 f. Prüfung der Angebote und Aufklärung der Bieter;
• §§ 269 f. Ausscheiden von Angeboten;
• § 271 Wahl des Angebotes für den Zuschlag.
Die "Prüfung der Angebote" ist streng genommen in vier große Phasen gegliedert:
Erster Schritt: Ausschluss von Bietern (sofern notwendig).
Zweiter Schritt: Zwingendes Ausscheiden von Angeboten aus formalen Gründen.
Dritter Schritt: Prüfung jener Bieter auf ihre Eignung, die nicht a priori auszuschließen waren
Vierter Schritt: Prüfung der Angebote jener Bieter, die geeignet sind,
• Prüfung jener Bieter auf ihre Eignung, die nicht a priori auszuschließen waren:
Bei den verbliebenen – und für den Zuschlag in Frage kommenden365 – Angeboten ist als erstes
die Eignung zu überprüfen.
365
§ 123 Abs. 2
S e i t e | 80
Ein geänderter oder verquickter Ablauf der Prüfschritte stellt - so die Vergabejudikatur einheitlich (und
schlüssig) - keine in Nachprüfungsverfahren bekämpfbare Rechtswidrigkeit dar.
Mögliche Gründe des Ausschlusses bestimmter Unternehmer, aus anderen Gründen als denen
mangelnder Eignung
10.3.1.2 Kontrolle oder Evaluierung der Tätigkeit der Erbringer anderer Leistungen367
Siehe Abschnitt 4.5.2
Es ist zu prüfen, welche Angebote - zwingend - aus formalen Gründen auszuscheiden sind.
Das sind jedenfalls
• verspätet eingereichte Angebote,368
• den Ausschreibungsbedingungen widersprechende Angebote, nicht zulässige Alternativ- oder
Abänderungsangebote, unvollständige Angebote und Angebote mit nicht behebbaren Mängeln
oder behebbaren, jedoch nicht behobenen Mängeln369,
• es wurde ein Vadium verlangt und der Nachweis des Vadiums ist dem Angebot nicht
angeschlossen370,
• Angebote von Bietern, die ein Anerkennungs- bzw. Gleichhaltungsverfahren nicht vor
Angebotseinreichung eingeleitet haben371.
Hier kann jegliche weitere, inhaltliche Prüfung unterbleiben.
366
§ 20 Abs 5 bzw. § 188 Abs. 5
367
Mittelbar aus § 79 Abs. 9 und § 19 Abs 1 BVergG 2006 für die öffentlichen Auftraggeber ableitbar; in gleicher Weise für die
Sektorenauftraggeber aus § 188 Abs 5 und § 236 Abs 5 BVergG 2006 ableitbar.
368
§ 129 Abs 1 Z 6 bzw. § 269 Abs 1 Z 4
369
§ 129 Abs 1 Z 7 bzw § 269 Abs 1 Z 5
370
§ 129 Abs.1 Z 5
371
§ 20 bzw. § 188 Abs 1
S e i t e | 81
Die Eignung ist zwar unternehmerbezogen zu sehen, sie kann aber nicht losgelöst von Art, Umfang
und Spezifika des jeweiligen Auftrags gesehen werden. Referenzen (als Nachweis der technischen
Leistungsfähigkeit) können „mitgenommen“ werden, wenn die entsprechenden Kapazitäten
(Personen, Geräte) übernommen wurden374. Referenzen „kleben“ auch an verantwortlichen Personen.
Die Befugnis, die finanzielle oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Zuverlässigkeit müssen
zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung gegeben sein; differenzierter kann die technische Leistungs-
fähigkeit gesehen werden, sie hat jedenfalls zu Beginn der in der Ausführung vorgesehenen
Leistungsfrist gegeben zu sein375.
10.3.3.1 Befugnis376
Zur Begriff der Befugnis siehe. Abschnitt 4.1
Die Befugnis muss dem Auftragsgegenstand entsprechen, d.h. es kann sich nicht um „irgendeine“
Befugnis handeln; der sachkundige Auftraggeber sollte daher die für die Ausführung des Auftrags
notwendige(n) Befugnis(se) vorgeben, ergänzt um den Zusatz „oder vergleichbare Befugnis“.
10.3.3.2 Zuverlässigkeit
„Zuverlässigkeit“ ist ein gewerberechtlicher Begriff, bezüglich dessen auch die Rechtsprechung der
Höchstgerichte Aussagen trifft.
10.3.3.3 Leistungsfähigkeit
372
§§ 69 - 77 bzw. §§ 228 - 235
373
§ 123 bzw. § 267
374
So etwa Vergabekammer Südbayern, Beschluss 02-02/01 vom 5.3. 2001 im Falle der Vergabe eines Tunnelbauauftrags.
375
VwGH 9.10.2002 2000/04/0037 [Lieferung von Heißmischgut für die Stadt Graz].
376
§§ 70f. bzw. § 230f.
377
§ 74 für die öffentlichen Auftraggeber; in stark abgeschwächter Form § 231 für die Sektorenauftraggeber.
378
§ 74 Abs 1 Z bzw § 233
379
§ 75 BVergG 2006 für die öffentlichen Auftraggeber; in stark abgeschwächter Form § 231 für die Sektorenauftraggeber.
S e i t e | 82
von Subunternehmerleistungen ist seit der "SV-Chipcard"-Entscheidung des EuGH380 de facto nicht
mehr möglich.
VwGH: Waren für die Erbringung wesentlicher Teile der Leistung Subunternehmer mit dem Angebot bekannt zu
geben, so ist deren nachträgliche Namhaftmachung unzulässig:381
In der Ausschreibung war ein Kästchen vorgegeben, das durch die Bieter anzukreuzen war, falls die Beschäfti-
gung von Subunternehmern vorgesehen war. Die Fa. N OEG hatte in ihrem Angebot dieses Kästchen nicht
angekreuzt, sondern in ihrem Begleitschreiben darauf hingewiesen, dass im Bedarfsfall Subunternehmer be-
schäftigt und diese im Auftragsfall rechtzeitig genannt werden. Der Auftraggeber schied das Angebot aus, da die
Fa. N OEG auch auf Aufforderung nach Angebotsöffnung zunächst keinen Subunternehmer namhaft gemacht
hatte und die Kapazitäten der Fa. N OEG infolge zu geringen Personalstands für die Ausführung des Auftrags (in
Höhe von ca. 1,5 Mio. Euro) nicht ausreichend waren. Der UVS Niederösterreich als Nachprüfungsbehörde be-
stätigte die Rechtmäßigkeit des Ausscheidens des Angebotes der Fa. N OEG, wogegen diese den VwGH anrief
(u.a. mit dem Argument, dass sie zum Zeitpunkt der Einreichung des Angebotes noch nicht gewusst habe, ob sie
zur Ausführung des Auftrags externe Kapazitäten benötige und die ÖNORM B 2110 die nachträgliche Namhaft-
machung von Subunternehmern regle); das NÖ Vergabegesetz hatte bezüglich der hier anzuwendenden
Vorschriften die Bestimmungen des BVergG 1997 übernommen.
Dazu der VwGH, v.a. unter Bezug auf BVergG und ÖNORM A 2050, Ausgabe 1.1. 1993:
„Würde sich die Verpflichtung zur Bekanntgabe der Subunternehmer auf einen Zeitpunkt nach Zuschlags-
erteilung beziehen, so könnte, wie dies die belangte Behörde [UVS Niederösterreich] in ihrer Gegenschrift
zutreffend bemerkt, das Angebot im Falle eines Verstoßes gegen die unter Pkt. 6 erwähnte Verpflichtung bei der
Angebotsprüfung gar nicht mehr ausgeschieden werden.
War nach dem oben Gesagten die beschwerdeführende Partei (als Bieterin) verpflichtet, (bereits) im Angebot
anzugeben, welche Teile des Auftrages möglicherweise im Wege von Subaufträgen an Dritte weitergegeben
werden (wobei nach Pkt. 3.2.5 Abs. 3 letzter Satz ÖNORM A 2050 Personalüberlassungsfirmen Subunterneh-
mern gleichzusetzen sind) und ist die beschwerdeführende Partei dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, so
hatte die diesbezügliche Unvollständigkeit des Angebotes schon aus diesem Grund zu dessen Ausscheiden im
Grunde des § 52 Abs. 1 Z. 8 Bundesvergabegesetz 1997 zu führen. Bei diesem Mangel des Angebotes handelt
es sich - anders als die beschwerdeführende Partei meint - auch nicht um einen behebbaren. Ist - wie bereits
ausgeführt wurde – der Auftraggeber verpflichtet, die Eignung eines konkreten Subunternehmers im Hinblick auf
einen konkreten Leistungsteil zu überprüfen, so muss der Subunternehmer spätestens zum Zeitpunkt der Ange-
botseröffnung bereits namentlich feststehen (aus diesem Grund vertreten auch Heid/Hauck/K. Preslmayr, a.a.O.,
die Auffassung, dass ein "Nachschieben" eines Subunternehmers nach Angebotseröffnung "grundsätzlich
unzulässig" sei).
Gerade der Beschwerdefall zeigt, dass dann, wenn es dem Bieter erlaubt wäre, Subunternehmer auch nach
Angebotseröffnung namhaft zu machen, es dem Auftraggeber verwehrt wäre, die Eignung des Bieters (zum
Zeitpunkt der Angebotseröffnung - vgl. § 16 Abs. 1 BVergG) - in Ansehung einer Substitution der Leistungsfähig-
keit des Bieters durch diejenige eines Subunternehmers - entsprechend zu beurteilen.“
Anmerkung: Die Verwendung des Begriffes „bestimmt“ verlangt quasi die nominelle Kenntnis des
Bieters bzw. dezidierte Nennung der Nachweise und soll verhindern, dass Auftraggeber bereits in der
Angebotsphase generell von allen Bietern alle Nachweise verlangen und so das System der
Eigenerklärung unterlaufen. Es steht jedoch meines Erachtens nichts dagegen, in der Phase der
Angebotsprüfung dies bei den jetzt nominell bekannten Bietern zu tun, speziell dann, wenn es ggf.
um das Ausscheiden eines Angebotes geht.
Bei Aufträgen > 80.000,--€ (Dienst- und Lieferleistungen) bzw. > 120.000,-- € (Bauleistungen) sind
zumindest vom Bestbieter alle Nachweise zu verlangen.
380
EuGH, Rs. C-314/01 vom 18.3. 2004, "Siemens AG Österreich, ARGE Telekom & Partner gegen Hauptverband der
österreichischen Sozialversicherungsträger", Vorabentscheidungsverfahren, vorgelegt vom Bundesvergabeamt.
381
VwGH, 2002/04/0023 vom 29.5. 2002, „Trockenausbauarbeiten A.Ö. Krankenhaus St. Pölten“.
382
§ 70 Abs. 3
S e i t e | 83
Als Sonderfall sind hier beispielsweise unklare Formulierungen über Nachlässe oder Skonti anzu-
sehen, wobei aber dann nicht das gesamte Angebot zwingend auszuscheiden sein muss, sondern
die Nachlass- oder Skontobedingungen - sozusagen als Alternativangebote - nicht anerkannt
werden dürfen.
383
§ 129 Abs 1 Z 7 bzw § 269 Abs 1 Z 5
384
ebda
385
ebda
S e i t e | 84
10.3.4.4 Angebote, die nur zur Unterbietung anderer Angebote gestellt wurden386
Diese Bestimmung spielt in der Praxis keine nennenswerte Rolle.
10.3.4.5 Rechnerisch fehlerhafte Angebote, sofern dies in der Ausschreibung vorgesehen wurde387
Angebote mit Rechenfehlern, die ihrem Absolutwert nach gerechnet 2 % oder mehr des Gesamt-
preises (ohne USt) betragen, sind auszuscheiden, sofern dies in der Ausschreibung mit dem
Ausscheiden des Angebotes bedroht wurde; sinngemäß gleiches gilt für Teilangebote. Bezugsgröße
ist hier immer die gesondert anbietbare und vergebbare Teilleistung, d.h. Teilleistung A ist von einem
Rechenfehler in Teilleistung B > 2 % nicht betroffen, wenn Teilleistung A und Teilleistung B als ge-
sondert vergebbar (und gesondert anbietbar) ausgeschrieben worden sind.
Soferne dies in der Ausschreibung nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde, gilt jedenfalls ein
Vorreihungsverbot für jene Angebote, die rechnerisch fehlerhaft sind388.
10.3.4.6 Angebote, bei denen die geforderte Aufklärung unterblieb oder nicht nachvollziehbar war389
Angebote – auch Alternativangebote -, bei denen eine vom Auftraggeber geforderte und sachlich be-
gründbare Aufklärung unterblieb oder bei denen die Aufklärung nicht schlüssig ist, v.a. zum Gesamt-
preis oder zu den Preisen allfälliger wesentlicher Positionen können vom Auftraggeber ausge-
schieden werden.
Spätestens ab dieser Phase der Angebotsbewertung kann sich die Prüfung auf jene Angebote
beschränken, die für die Vergabe in Frage kommen390.
Das BVergG391 legt fest, dass die Preisangemessenheit von Angeboten „in Bezug auf die
ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände,
unter denen sie zu erbringen sein wird“, zu prüfen ist, wobei „von vergleichbaren Erfahrungswerten
und sonst vorliegenden Unterlagen auszugehen“ ist. Methodische Grundlage der Prüfung ist, sofern
sich gegenüber vergleichbaren Erfahrungswerten eine spürbare Abweichung ergibt, die bei der
„vertieften Angebotsprüfung“ gesondert angeführte Zuschlagskalkulation.
Durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssachen C-76/81 („SA Transporoute et
Traveaux“) und C-304/96 („Hera“) wurde es als unzulässig erklärt, dass öffentliche Auftraggeber
nach dem 31.12. 1992 ungewöhnlich niedrige Angebote ausscheiden, ohne dem Bieter zuvor
Gelegenheit zu Aufklärung zu geben. Die mit 1.1. 1993 umzusetzende „Baukoordinierungsrichtlinie
1993“ verlangt eine Prüfung der Einzelpreise durch den Auftraggeber und schließt in Art. 30 Abs. 4
386
§ 129 Abs 1 Z 4 BVergG 2006 für die öffentlichen Auftraggeber; keine gleichartige (zwingende) Regelung für die Sektoren-
auftraggeber.
387
§ 129 Abs. 1 Z 9 für die öffentlichen Auftraggeber; keine gleichartige – zwingende – Regelung für Sektorenauftraggeber).
388
§ 79 Abs. 6
389
§ 129 Abs.1 Z. 7 bzw. § 269 Abs 5
390
§ 123 Abs. 2
391
§ 125 bzw. § 268
S e i t e | 85
derartige Angebotsausscheidungen ohne Gelegenheit des Bieters zur Aufklärung aus, wobei dem
Bieter eine angemessene Frist einzuräumen ist.
Das Bundesvergabeamt hat im Nachprüfungsverfahren N-1/98392 festgestellt, dass ein Ausscheiden eines
Angebotes wegen - möglicher - Unterpreise rein auf der Grundlage des Vergleichs mit Konkurrenzofferten bei
der selben Ausschreibung gleichfalls unzulässig ist und dass ein derartiges methodisches Vorgehen innovative
Lösungen ausschließen würde:
"Die Auftraggeberin hat die Ausscheidung des Angebotes nicht bloß mit der Verletzung arbeitsrechtlicher
Vorschriften begründet. So hat sie beispielsweise auch vorgebracht, daß ein Unterangebot, also ein nicht
kostendeckend kalkuliertes Angebot vorliegt. Zur Qualifizierung als Unterangebot hat sie vornehmlich Methoden
verwendet, welche im wesentlichen auf einem Vergleich mit den Preisen der anderen gelegten Angebote
beruhten. Dies ist ein Widerspruch zu den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes, da es unter
Berücksichtigung dieses vergaberechtlichen Grundsatzes jedenfalls nicht der Auftraggeberin obliegt, einen
Preiswettbewerb zwischen den Bietern zu verhindern. Bei der Prüfung, ob ein Unterangebot vorliegt, kann es
nach allgemeinem Verständnis nur darauf ankommen, ob ein Bieter gemessen an den ihm zur Verfügung
stehenden Möglichkeiten kostendeckend kalkuliert hat (vgl. hiezu auch Oberndorfer/Straube, Kommentar zu den
österreichischen Normen betreffend das Vergabe- und Verdingungswesen, Rz 10 zu Pkt. 1.3.1. der ÖNORM
A 2050). Ein Abstellen auf die Preise anderer eingelangter Angebote würde im Ergebnis den ökonomischen
Fortschritt hemmen und gerade die wirtschaftlich innovativsten Bieter von der Erlangung öffentlicher Aufträge
ausschließen."
Vor diesem Hintergrund ist klar, dass eine Angebotsausscheidung durch ausschließliche Anwen-
dung mathematischer Methoden völlig unzulässig ist, da dies als wettbewerbswidrig anzusehen
ist, wie der EuGH in der Rechtssachen C-103/88 („Fratelli Costanzo SpA“) und C-295/89 („Donà
Alfonso“) feststellte, wobei auch in diesen beiden Anlassfällen den Bietern keine Gelegenheit zur
Aufklärung der niedrigen Preise gegeben worden war. Derartige mathematische Methoden waren
früher in Italien und bis vor wenigen Jahren auch in der Schweiz angewandt worden.
Selbstverständlich gilt der Grundsatz der Preisangemessenheit auch gegenüber Angeboten, die nach
Auffassung des Auftraggebers durch hohe Preise gekennzeichnet sind, wobei die individuellen Bedin-
gungen, unter denen die Leistung erbracht werden soll, auch hier der Betrachtung zugrunde gelegt
werden müssen. Richtschnur für die Betrachtung wird ebenso eine seriöse Kostenschätzung des Auf-
traggebers sein müssen wie budgetäre Zwänge, soferne diese nicht durch Fahrlässigkeit oder Un-
achtsamkeit des Auftraggebers herbeigeführt wurden.
Eine spezielle Form der Preisangemessenheitsprüfung ist die „vertiefte Angebotsprüfung“, die nach
geltender Rechtslage nur bei Positionen, die als wesentliche gekennzeichnet wurden, sowie bei
ungewöhnlich niedrigen Preisen heranzuziehen ist. Die "vertiefte Angebotsprüfung" ist aus den
bayrischen Vergabebestimmungen abgeleitet und entspricht der inhaltlichen Ausgestaltung des
Bestbieterprinzips.
Die vertiefte Angebotsprüfung kommt von den Bauvergabevorschriften her, sie kann aber zur Prüfung
von Preisen in Angeboten über alle Leistungen herangezogen werden. Ausgangspunkt ist die
betriebswirtschaftliche Zuschlagskalkulation, also ein Kalkulationsverfahren der Vollkosten-
rechnung.
392
BVA 19.1.1998 N-1/98-15 (Brenner Eisenbahn AG, "Geologische und hydrogeologische Erkundungen, Bodenmechanik").
393
§ 125 bzw. § 268
S e i t e | 86
Die vertiefte Angebotsprüfung ist eine Plausibilitätsprüfung auf der Basis "wesentlicher Positionen"
Wesentliche Positionen: Jedenfalls solche Positionen, die der Auftraggeber als wesentlich kenn-
zeichnet und die
• entweder für die Gesamtleistung von Bedeutung sind oder
• bei Massenänderungen eine Verschiebung der Bieterreihung bewirken könnten.
Nicht-Bauleistungen: Es ist zunächst zu prüfen, ob die vertiefte Angebotsprüfung von der Art der
Leistung bzw. Ausschreibung in Frage kommt.
10.4.1.1 Vorgangsweise
Die Überprüfung erfolgt nach verschiedenen Kriterien:
• zu hoher oder zu niedriger Gesamtpreis
• zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in den wesentlichen Positionen
394
Gabler Wirtschaftslexikon, Wiesbaden: Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, 1993
S e i t e | 87
Dieser zweite Denkansatz bzw. Standpunkt ist rechtlich nicht unumstritten, wenngleich sich die
Vergabekontrollinstanzen ihm des öfteren anschließen, soferne Manipulationsversuche im weitesten
Sinne ausgeschlossen werden können:
Er „benachteiligt“ klarerweise den „ordentlichen Bieter“, der vor der Einreichung des Angebotes mehr
Aufwand hat als jener Bieter, der mit der Nachbringbarkeit von Belegen rechnet bzw. sogar damit
spekuliert.
Es könnte passieren, dass ein Bieter „spielt“ und abwartet, wie seine Position im Wettbewerb ist -
falls er weit vor seinen Konkurrenten liegt, bringt er den (bei ihm vorliegenden) Nachweis nicht nach,
damit sein Angebot ausgeschieden werden müsste - entlassen Sie den Bieter nicht aus der Bin-
dungswirkung seines Angebotes, falls Sie wissen, dass der Bieter über die geforderten Nachweise
verfügt bzw. für den Auftraggeber andersverfügbar sind.
Für diesen Denkansatz spricht auch, dass man anderenfalls Bieter bzw. deren Angebote auch dann
ausscheiden müsste, wenn Nachweise fehlen, obwohl Sie als Auftraggeber wissen, dass der Bieter
über diese Nachweise verfügt, diese aber (aus welchem Grund immer) dem Angebot nicht ange-
schlossen hat - das kann kein inhaltlich sinnvoller Grund für die Ausscheidung eines Angebotes
sein!
Das BVergG396 sieht vor, dass der Auftraggeber solche Angebote ausscheiden KANN (aber nicht
muss!).
„Zumutbare Frist“ für das Nachbringen von Nachweisen sollten etwa 4 Arbeitstage (maximal eine
Woche) sein - werden die Nachweise binnen einer zumutbaren Frist nicht beigebracht, dann werden
Sie das Angebot ausscheiden können, wenn nicht sogar ausscheiden müssen.
Zwingend geforderte Nachweise, deren Voraussetzungen zum spätesten Zeitpunkt der Einreichung
eines Angebotes beim Bieter nicht vorgelegen haben, sind nicht nachbringbar, das Angebot ist daher
auszuscheiden (insbesondere bezüglich Berufsberechtigung!).
395
So genannte "Aicher-Formel" (AICHER, Josef: Wettbewerbsrechtliche und wettbewerbspolitische Aspekte der Vergabe
öffentlicher Aufträge, in: Österreichische Gesellschaft für Baurecht (Hrsg.): Forschungsprojekt Vergabe von Bauleistungen,
Verfahren und Kriterien zur Ermittlung des Bestbieters, Wien 1981).
396
§ 129 Abs. 2
S e i t e | 88
festgelegt zu werden und stellen jetzt den Maßstab für Bewertung und Reihung der Angebote dar.
Siehe dazu auch Abschnitt 7.2 bis 7.5.
Sofern der Preis das einzige Kriterium war, ist die Wertung einfach, da es sich um ein quantifizier-
bares Kriterium handelt; sinngemäß gleiches gilt bei anderen quantifizierbaren Kriterien (z.B.
Leistungskenndaten einer Maschine oder Energieverbrauch in der Zeiteinheit).
Bei schwierig zu bewertenden Leistungen - insbesondere bei der Wertung von Kriterien, bei denen
eine Quantifzierbarkeit nicht möglich ist - ist eine Bewertungskommission des Auftraggebers zu
empfehlen (der auch externe Personen angehören dürfen, die natürlich in keinerlei Befangenheits-
verhältnis zu einem der Bieter im konkreten Verfahren stehen dürfen und für die die Sorgfalts- und
Verschwiegenheitspflichten des Auftraggebers gelten). Wenn eine anonyme Bewertung möglich ist,
wie dies häufig bei Ideen-, Entwurfs- und Planungswettbewerben gemacht wird (z.B. aber auch bei
der Bemusterung mit Möbeln), dann sollte davon Gebrauch gemacht werden.
Die Bewertung nach (vorgegebenen) wirtschaftlichen Parametern ist im Normalfall völlig unproble-
matisch, schwieriger ist es mit der Bewertung äußerlicher Merkmale, soweit nicht Ästhetik oder
Design aus sachlichen Gründen als Kriterien in Betracht kommen.
Subjektive Momente sind nicht immer vermeidbar (z.B. bei der Bewertung von Möbeln, aber auch von
Schutzkleidung), stellen allerdings im Normalfall als Teil der Kollektivmeinung der Kommission kein
vergaberechtliches Problem dar.
Sofern nicht ausschließlich nach dem Billigstbieterprinzip vorgegangen wird, hat der Auftraggeber im
Rahmen der Zuschlagskriterien einen Ermessensspielraum, innerhalb dessen er die Angebote zu
bewerten hat.
Eine besondere Bedeutung spielen Referenzen, da sie auf die Gleichartigkeit von in der Vergangen-
heit vom Bieter erbrachter Leistungen abstellen, d.h. es ist ein zwar „sachlicher“, allerdings ver-
gangenheitsorientierter Vergleich. Referenzen sind „Grenzgänger“ zwischen Eignungs- und Zu-
schlagskriterien, nach der „reinen Lehre“ dürfen sie nur einmal zur Bewertung herangezogen werden,
d.h. entweder nur bei den Eignungskriterien oder aber nur bei den Zuschlagskriterien (sonst könnte
eine „Doppelmühle“ aufgemacht werden).
397
§ 2 Z 20d
S e i t e | 89
Sofern es sich um „ganz einfache“ Leistungen handelt, wird eine tatsächlich vergleichbare Referenz
ausreichend sein. Bei „durchschnittlichen“ Leistungen sollten 3 Referenzen ausreichend sein. Bei
sehr schwierigen Leistungen können es mehr als 3 Referenzen sein, es ist jedoch zu überlegen, ob
nicht, neben 3 Referenzen, Gespräche mit den für die Zuschlagserteilung in Betracht kommenden
Bietern, wie sie sich die Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vorstellen, zielführender sind.
Bei der inhaltlichen Bewertung der Angebote darf nicht von den in der Ausschreibung vorgegebenen
Bewertungsmodalitäten abgegangen werden - siehe diesbezüglich etwa Bescheid des Bundesvergabeamtes
vom 18.7. 1998 im Feststellungsverfahren F-5/98, wo im Zuschlagsverfahren nicht durch die Ausschreibungsbe-
stimmungen gedeckte Punkteabzüge vorgenommen wurden:
"Aus der Wortfolge 'gemäß den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien' in § 53 BVergG ist ferner im Ein-
klang mit der Rechtsprechung des EuGH zur Bedeutung der Bekanntmachungspflicht (vgl. EuGH vom
20.09.1988, Rs. C31/87, Gebroeders Beentjes gegen Königreich der Niederlande, Rz 34f; EuGH vom 22.6.1993,
Rs C-243/89, 'Storebaelt' Rz 37f; EuGH vom 25.4.1996, Rs C-87/94, 'Wallonische Autobusse', Rz 70f) abzulei-
ten, dass bei der Bestbieterermittlung nicht von den in der Ausschreibung getroffenen Festlegungen abgegangen
werden darf. Laut Ausschreibung waren die Referenzen nur zur Beurteilung der Kriterien 12b und 12c vorge-
sehen. Da die Auftraggeberin sie offenbar auch bei allen anderen Kriterien bewertet hat, ist sie insoweit von den
in der Ausschreibung getroffenen Festlegungen abgegangen und verletzten daher die vorgenommenen Punkte-
abzüge das Gebot zur Ermittlung des wirtschaftlich und technisch günstigsten Angebotes gemäß den in der Aus-
schreibung festgelegten Kriterien i.S.d. § 99 BVergG."
Ebenso klar ist, dass die Bieter die Zuschlagskriterien in gleicher Weise verstehen können müssen (BVA mit
Bescheid vom 2.7.1997, Nachprüfungsverfahren 4/97):
"Selbst wenn der Auftraggeber einem an sich zulässigen Angebot den Zuschlag erteilt hätte, hätte er gegen das
Bestbieterprinzip verstoßen, indem er das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot nicht gemäß den in
der Ausschreibung festgelegten Kriterien ausgewählt hat. Im Hinblick auf das Bestbieterprinzip verpflichtet § 67
Abs 3 BVergG den Auftraggeber, in den Ausschreibungsunterlagen "... alle Zuschlagskriterien, deren
Verwendung er vorsieht, grundsätzlich in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung anzugeben". § 74
Abs.1 BVergG verhält den Auftraggeber dazu, die Leistungen eindeutig, vollständig und neutral zu beschreiben.
Diese einzelnen Bestimmungen sollen dem allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bewerber und
Bieter zum Durchbruch verhelfen, indem jeder Bieter in die Lage versetzt wird, alleine aufgrund der Angaben in
der Leistungsbeschreibung und ohne zusätzliche Informationen ein technisch und wirtschaftlich optimales
Angebot zu legen. Der Auftraggeber wollte bestimmte Leistungskombinationen vermeiden ("Friktionsanleger"),
worüber er die Bewerber jedoch in den Ausschreibungsunterlagen nicht informiert hat. Die spätere
Zuschlagsempfängerin kannte die Aufgabenstellungen im Bereich des Auftraggebers seit Jahren und hat
deshalb keinen "Friktionsanleger" angeboten, wie ihn ein anderer Bieter verwendet. Das Bundesvergabegesetz
geht jedoch davon aus, dass es einem Bieter alleine aufgrund der Ausschreibungsunterlagen möglich sein muss,
die Erfordernisse ("Aufgabenstellungen") des Auftraggebers zu erkennen, ohne bereits seit längerer Zeit mit
diesem in Geschäftsbeziehungen zu stehen. Der Auftraggeber hat seine Ausschreibungsunterlagen daher - wie
oben bereits ausgeführt - so zu gestalten, dass ein Informationsvorsprung einzelner Bieter möglichst verhindert
wird."
Das bedeutet, dass bei einem Abgehen von den festgelegten Kriterien jedenfalls gegen den
Wettbewerbsgrundsatz, aber auch gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen wird.
Das bedeutet jedoch nicht, dass dadurch das Ermessen des Auftraggebers vollständig eingeschränkt würde, wie
das Europäische Gericht (1. Instanz) mit Entscheidung vom 8.5.1996, Rs. T-19/95, Adia interim SA gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, erkannte:
Die Europäische Kommission schrieb periodisch, so auch 1994, Rahmenverträge für die Überlassung von Leih-
arbeitern an die Kommission aus. Aus Ziffer 2 dieser Ausschreibung ergab sich, dass die Kommission beab-
sichtige, Rahmenverträge mit drei Leiharbeitsunternehmen zu schließen.
2 In Ziffer 15 der Ausschreibung wurden folgende Kriterien für die Erteilung des Zuschlags aufgestellt:
Fähigkeit, das breitgefächerte Aufgabenspektrum abzudecken sowie Sprachkenntnisse
Organisation, Kundendienst und Verfügbarkeit
Preis.
3 Die Berechnung des Preises war nach Anweisung vorzunehmen, die in den Verdingungsunterlagen
festgelegt waren. Die Bieter mussten aufgrund von der Kommission angegebenen Referenzlöhnen für
jede Art von Leistungen zunächst einen Nettostundenlohn, sodann einen Bruttostundenlohn und an-
schließend einen in Rechnung gestellten Stundentarif aufstellen. Dieser bildet den Angebotspreis.
[Die notwendige Umrechnung von belgischen Franc in ECU und ein dadurch verursachter systematischer
S e i t e | 90
Rechenfehler der Klägerin bleiben von der weiteren Betrachtung ausgeklammert, da dies hier ohne
Belang ist.] (...)
7 Die Angebote wurden am 6. Oktober 1994 eröffnet. Bei der Bewertung der Angebote, die die formalen
Voraussetzungen und die Auswahlkriterien erfüllten, vergab der Auswahlausschuß für das Kriterium
Abdeckung des Aufgabenspektrums sowie Sprachkenntnisse 30 Punkte, für das Kriterium Organisation,
Kundendienst und Verfügbarkeit 30 Punkte und für das Preiskriterium 40 Punkte.
8 Wie sich aus Anhang 7 Buchstabe d des Protokolls des Auswahlausschusses ergibt, in dem die
Bewertung der drei Zuschlagskriterien zusammengefaßt wird, kam die Klägerin nach der Prüfung der
Kriterien Abdeckung des Aufgabenspektrums sowie Sprachkenntnisse einerseits und Organisation,
Kundendienst und Verfügbarkeit andererseits auf den zweiten Platz.
9 Bei der Prüfung des Preiskriteriums wandte der Auswahlausschuß folgende Formel an: Er bewertete das
preisgünstigste Angebot mit der Höchstzahl von Punkten (40) und zog sodann von den anderen
Angeboten entsprechend der Preisspanne, um die diese das preisgünstigste Angebot überstiegen, 5
Punkte ab. So erhielten die Angebote, die bis zu 5 % teurer waren als das preisgünstigste Angebot, 35
Punkte, die Angebote, die 5 % bis 10 % teurer waren, 30 Punkte, die Angebote, die 10 % bis 15 % teurer
waren, 25 Punkte und so weiter bis zu einem Minimum von 10 Punkten. Da die von der Klägerin
vorgeschlagenen Preise die des preisgünstigsten Angebots um mehr als 50 % überstiegen, erhielt das
streitige Angebot nur 10 Punkte für das Preiskriterium, und die Klägerin fiel vom zweiten auf den zehnten
Platz zurück.
10 Die drei von der Kommission berücksichtigten Angebote erhielten 73 und 74 Punkte. Das Angebot der
Klägerin erhielt 58 Punkte (28 für das Kriterium Abdeckung des Aufgabenspektrums sowie Sprachkennt-
nisse, 20 für das Kriterium Organisation, Kundendienst und Verfügbarkeit und 10 für das
Preiskriterium).“(...)
49 Schließlich ist der Kommission kein offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung der organisatorischen
Fähigkeiten der Klägerin unterlaufen. Die Kommission verfügt nämlich über einen weiten Spielraum bei
der Beurteilung der Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines
ausgeschriebenen Auftrags zu berücksichtigen sind, und die Kontrolle des Gerichts muss sich auf die
Nachprüfung der Frage beschränken, ob kein schwerer und offenkundiger Fehler vorliegt (vgl. Urteil des
Gerichtshofes vom 23. November 1978 in der Rechtssache 56/77, Agence européenne
d`intérims/Kommission, Slg. 1978, 2215, Randnr. 20). Im vorliegenden Fall ist jedoch hinsichtlich der
Note, die der Klägerin für ihren Kundendienst gegeben wurde, nicht bestritten worden, dass das Angebot
der Klägerin im Unterschied zu dem der Firma Ecco keinen Hinweis auf die Qualität des Kundendienstes
enthielt, zu dem sie sich verpflichtete, so dass der Kommission kein offensichtlicher Beurteilungsfehler
unterlaufen ist, als sie der Firma Ecco für ihren Kundendienst drei Punkte mehr gegeben hat als der
Klägerin. Was die der Klägerin für ihre Verfügbarkeit gegebene Note betrifft, so hat sie sich im
Unterschied zur Firma Ecco in ihrem Angebot nicht verpflichtet, ständig eine „Kontaktperson“ in den
Räumlichkeiten der Kommission zu haben, so dass der Kommission kein offensichtlicher
Beurteilungsfehler unterlaufen ist, als sie der Firma Ecco für ihre Verfügbarkeit zwei Punkte mehr
gegeben hat als der Klägerin.
50 Im übrigen bezieht sich [der von der Klägerin geltend gemachte] Artikel 37 Absätze 1 und 2 der Richtlinie
92/50, wonach der Auftraggeber prüfen muss, ob sich die Bedingungen des Angebots nicht aus der Wirt-
schaftlichkeit der Dienstleistung, den gewählten technischen Lösungen, außergewöhnlich günstigen Be-
dingungen, über die der fragliche Bieter bei der Erbringung der Dienstleistung verfügt, oder aus der Origi-
nalität seiner Dienstleistung ergeben, auf ein Angebot, das ungewöhnlich niedrig zu sein scheint, während
es im vorliegenden Fall um ein Angebot geht, das ungewöhnlich hoch erscheint.
51 Aus alldem ergibt sich, dass die Kommission weder die Grundsätze der Gleichbehandlung und der ord-
nungsgemäßen Verwaltung noch Artikel 99 Buchstabe h Nr. 2 der Verordnung Nr. 3418/93 verletzt hat
und dass ihr auch kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist.“ (...)
Mit diesem Urteil erfolgt ein klares Votum für einen Ermessensspielraum des Auftraggebers, der allerdings
sachlich an die Vorgaben in den Ausschreibungsunterlagen gebunden ist.
S e i t e | 91
In Konkretisierung des Wettbewerbsprinzips dürfen nur behebbare, nicht jedoch unbehebbare Mängel
aufgeklärt werden und dem (den) betroffenen Bieter(n) ist eine Chance zu geben, die jedoch nichts
am Ergebnis des Wettbewerbs ändern darf.
Rechtsprechung des Bundesvergabeamtes im Nachprüfungsverfahren N-10/98 mit Bescheid vom 3.4. 1998:
Die Relevanz der bereits grundsätzlich unzulässigen nachträglichen Angebotsänderung ergibt sich auch aus
den durch diese beim Bieter eintretenden Kosten, deren Übernahme er unzulässigerweise beim Aufklärungsge-
spräch zusagte. Eine kostenrelevante Änderung des Leistungsinhalts stellt inhaltlich eine unzulässige nachträg-
liche Reduktion des angebotenen Preises dar und ist ein unzulässiges Nachtragsangebot, welches der Bestim-
mung des § 96 Abs 1 BVergG (Verhandlungsverbot) wie auch dem Gleichbehandlungsgebot (§ 21 Abs 1
BVergG) widerstreitet."
Speziell im Falle von Vergabekontrollverfahren kommt dem Ergebnis von Aufklärungsgesprächen und
deren Dokumentation große Bedeutung zu.
Das BVergG legt diesbezüglich - wörtlich - nur fest, dass Berichtigungen im Angebot (selbst) zu
vermerken sind400. Derjenige, der die Angebote prüft, hat einen Prüfvermerk auf dem Angebot vorzu-
nehmen, ob das Angebot
• vollständig,
• sachlich richtig,
• rechnerisch richtig
ist, allfällige Korrekturen sind im Angebot vorzunehmen.
398
§ 127 für die öffentlichen Auftraggeber; keine vollständig vergleichbare Regelung für die Sektorenauftraggeber, bei diesen
sieht § 268 lediglich eine Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit der vertieften Angebotsprüfung vor.
399
§ 127 Abs 3 für die öffentlichen Auftraggeber; keine vergleichbare Regelung für Sektorenauftraggeber.
400
§ 124 Abs 2 für die öffentlichen Auftraggeber; keine vergleichbare Regelung für Sektorenauftraggeber.
S e i t e | 92
vorschlag 402
Bei kommissioneller Angebotsprüfung werden die Kommissionsmitglieder den Bericht oder aber
zumindest das Ergebnis der inhaltlichen Angebotsprüfung zu fertigen haben.
401
§ 128 für die öffentlichen Auftraggeber; keine vergleichbare Regelung für Sektorenauftraggeber.
402
§ 130 bzw § 271.
S e i t e | 93
Von der Zuschlagsentscheidung sind der (bei Teilvergaben: die) erfolgreiche(n) Bieter und alle
erfolglosen Bieter zu verständigen,403 bevor die Zuschlagserteilung erfolgt (Folge des „Ökopunkte-
Urteils“ des EuGH404). Gibt es nur mehr einen Bieter im Zuschlagsverfahren, vorausgesetzt, dass
Bieter, deren Angebote zwingend auszuscheiden waren, bereits ausreichend lange vor her
verständigt worden waren, so kann die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung selbstverständlich
entfallen.
Zwischen der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung an die Bieter und der vorgesehenen
Zuschlagserteilung mittels Auftragsschreibens ist gemäß BVergG405 eine 10-tägige Stillhaltefrist406
einzuhalten, die mit einer Verständigung an die Bieter zu laufen beginnt; bei beschleunigten
Verfahren wegen Dringlichkeit sowie bei Auftragsvergaben im Unterschwellenbereich beträgt die
Stillhaltefrist 7 Tage.
Eine Zuschlagserteilung (im Anwendungsbereich der Vergabegesetze) innerhalb dieser Frist ist mit
Nichtigkeit bedroht und kann mit entsprechenden Schadenersatzpflichten des Auftraggebers behaftet
sein.
Von der Zuschlagserteilung ist nur mehr der erfolgreiche Bieter zu verständigen.
12.3 Vergabevermerk
403
§ 131 bzw § 272
404
EuGH, Rs. C-81/98 Alcatel Austria AG u.a., Siemens AG Österreich, SAG-Schrack Anlagentechnik AG gegen Bundesmini-
ster für Wissenschaft und Verkehr, Urteil vom 28.10. 1999. Dieses Problem trifft direkt nicht nur Österreich, sondern auch
die Bundesrepublik Deutschland, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland, das Königreich der
Niederlande, das Königreich Dänemark, das Königreich Schweden und indirekt fast alle übrigen Mitgliedstaaten, auch
Frankreich.
405
§ 132 bzw 273
406
Diese Frist wird durch das Urteil des EuGH nicht bestimmt.
407
§ 136 - nur- für die öffentlichen Auftraggeber.
S e i t e | 94
• den Namen des erfolgreichen Bieters und die Gründe für die Auswahl seines Angebotes
sowie – falls bekannt – den Anteil des Auftrages bzw. den Anteil an der
Rahmenvereinbarung, den der erfolgreiche Bieter an Dritte weiterzugeben beabsichtigt,
• ausgenommen bei Baukonzessionsverträgen - die Begründung gemäß den §§ 36 und 42 für
die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens, eines wettbewerblichen Dialoges oder
eines nicht offenen Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung,
• gegebenenfalls die Gründe, aus denen der Auftraggeber auf die Vergabe eines Auftrages,
den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder die Einrichtung eines dynamischen
Beschaffungssystemes verzichtet hat.
Bei Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich ist der Vergabevermerk oder sind dessen Haupt-
punkte der Kommission auf Anfrage zu übermitteln.
Bei Auftragsvergaben unter 120.000 € kann von der Erstellung eines Vergabevermerks bzw. eines
Vermerks über den Widerruf eines Vergabeverfahrens Abstand genommen werden.
Der Vergabevermerk dokumentiert in nachvollziehbarer Weise die wichtigsten Daten eines Vergabe-
verfahrens.
Die Sektorenauftraggeber haben gemäß § 277 BVergG 2006 eine eingeschränkte Berichtspflicht und
es gilt eine 4-jährige (Mindest-)Aufbewahrungspflicht (für die öffentlichen Auftraggeber gilt eine 7-
jährige Aufbewahrungspflicht).
Unterhalb der Schwellenwerte sind - gegebenenfalls - nur die Auftraggeber nach Anhang V BVergG
betroffen.
408
§ 44 bzw § 205
S e i t e | 95
Endet das Vergabeverfahren nicht mit dem Zuschlag, so endet es entweder mit einem förmlichen
Widerruf409 oder einem faktischen Widerruf410.
Wird die Ausschreibung vor Angebotsöffnung widerrufen, so ist der beabsichtigte Widerruf bei
Verfahren mit Bekanntmachung genau so bekannt zu machen wie die Ausschreibung selbst, bei ein-
stufigen nicht offenen Verfahren und Verhandlungsverfahren sind die vom Auftraggeber zur
Angebotseinreichung eingeladenen Bewerber zu verständigen.
13.2 Stillhaltefrist
13.4 Widerrufserklärung
Wird die Widerrufsentscheidung nicht oder nicht erfolgreich bekämpft, so kann der Auftraggeber die
Ausschreibung widerrufen, wobei die Widerrufserklärung (allen Bietern, deren Angebote nicht
ausgeschieden wurden) bekannt zu geben ist.
409
§§ 138 und 139 bzw. § 278
410
§ 140 Abs. 9 bzw. 279 Abs. 9
411
§ 138
412
§ 139
413
§ 140 Abs. 1
414
§ 140 Abs. 1 Z 4
415
§ 140 Abs. 4
416
§ 140 Abs. 7
S e i t e | 96
Stellt das BVA - auf Antrag einer Bieters - fest, dass nach erheblicher Überschreitung der
Zuschlagsfrist und entgegen dem Ersuchen des Bieters um Fortführung des Vergabeverfahrens der
Auftraggeber dieses weder durch Zuschlag noch durch Widerruf beendet noch in sonstiger
angemessener Weise fortgeführt hat, so gilt dies als Erklärung des Widerrufs.
S e i t e | 97
http://www.ris.bka.gv.at
Abrufbar sind die Entscheidungen der Vergabekontrollorgane des Bundes (1994 - Ende 2001 und ab
1.9. 2002), der weiters der Höchstgerichte (VfGH, VwGH und OGH) sowie vereinzelte Entschei-
dungen der Vergabekontrollorgane der Länder, ferner über die Datenbank CELEX die Urteile des
EuGH und Schlussanträge der Generalanwälte (wichtig vor allem für Verfahren vor dem 17.6. 1997,
die über die Homepage des EuGH nicht abrufbar sind).
http://www.bva.gv.at
Abrufbar sind die – anonymisierten – Entscheidungen des Bundesvergabeamtes, sowohl in Form von
Volltextdokumenten als auch in Form von Rechtssatzdokumenten.
http://curia.europa.eu/
Abrufbar sind die Urteile des EuGH und die Schlussanträge der Generalanwälte, jeweils ab dem 17.6.
1997; praktisch alle Dokumente sind (auch) in deutscher Sprache abrufbar.
http://simap.eu.int
Abrufbar sind v.a. die Standardformblätter für die Bekanntmachungen von Ausschreibungen,
Vorinformationen und Auftragserteilungen sowie das gemeinsame Vergabevokabular (CPV).
http://www.bmwfj.gv.at/Tourismus/HistorischeBauten/Seiten/StandardisierteLeistungsbeschrei
bungen.aspx
Hier ist „Die Bauausschreibung“ abrufbar; die Autoren DI Dr. Dieter Offterdinger, DI Andrea Ilg und
Ing. Rudolf Resch gehen in diesem Werk in fundierter Weise auf wichtige Punkte für die korrekte
Anwendung standardisierter Leistungsbeschreibungen ein.