Pruefingenieur 41

Als pdf oder txt herunterladen
Als pdf oder txt herunterladen
Sie sind auf Seite 1von 64

DER PRÜFINGENIEUR

Das Magazin der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik

Das Brandschutzkonzept für das Militärhistorische Museum Dresden


Simulationen für die effiziente Brandschutzplanung

Fortschritte der Initiative PraxisRegelnBau


DEGES: Planen für die Länder, bauen für Deutschland


Verwendbarkeitsnachweise und Anwendbarkeitsnachweise


Die MBO: Meilenstein auf dem Weg in die richtige Richtung


Reformvorschläge für die gesamtschuldnerische Haftung



41
www.bvpi.de | ISSN 1430-0984

November 2012 |
.
INHALT

EDITORIAL
Dr.-Ing. Markus Wetzel: Übergabe des Staffelholzes 4

NACHRICHTEN
Arbeitstagung 2012: Markus Wetzel zum neuen Präsidenten der Bundesvereinigung
der Prüfingenieure für Bautechnik gewählt 6
Flughafen Berlin-Brandenburg: Verkehrsausschuss des
Bundestages bittet die BVPI um Unterstützung 9
Bundesvereinigung der Prüfingenieure legt Abschlussbericht
über die Erprobung des Erdbeben-Eurocode vor 9
Der BÜV bereitet einen Leitfaden für unwettergefährdete
Bauwerke und den Überflutungsschutz vor 10
CEBC-Herbst-Meeting: Die deutschen Prüfingenieure gewinnen
in Europa berufspolitisch deutlich an Statur 11
Arbeitstagung 2013 der Bundesvereinigung am
20. und 21. September in Konstanz am Bodensee 11
Klaus Stiglat und Herbert Wippel wurden 80 Jahre alt
Ein erfolgreiches Doppel ein ganzes Ingenieurleben lang 12
Die Erprobung der Anwendung des Eurocode 6 für den
Mauerwerksbau wurde erfolgreich abgeschlossen 13

BRANDSCHUTZ
Dipl.-Ing. Sylvia Heilmann: Ein ingeniöses Brandschutzkonzept für
Daniel Libeskinds Militärhistorisches Museum in Dresden 14

BRANDSCHUTZ
Dr.-Ing. Dietrich Eckhard Hagen: Experimentelle und theoretische
Brand- und Rauchsimulationen als Grundlage einer effizienten Brandschutzplanung 21

NORMUNG
Dr.-Ing. Robert Hertle: Die Projektarbeit der Initiative PraxisRegelnBau
ist komplex und anspruchsvoll 26

INGENIEURBAU
Bauassessor Dipl.-Ing. Dirk Brandenburger: 20 Jahre DEGES – Rückblick
und Vorausschau: Planen für die neuen Länder, bauen für ganz Deutschland 33

BAUÜBERWACHUNG
Dr.-Ing. Hans-Alexander Biegholdt: Pflichten der Prüfingenieure und
Prüfsachverständigen: Verwendbarkeitsnachweise und Anwendbarkeitsnachweise 39

BAUAUFSICHT
Ministerialdirigent Ulrich Reinhard Beyer: Die Musterbauordnung der Länder
ist ein Meilenstein auf dem Weg in die richtige Richtung 45

HAFTUNG
Ministerialdirektor a. D. Michael Halstenberg: Reformvorschläge für das
Problem der gesamtschuldnerischen Haftung der Planer und Bauausführenden 49

BAUAUFSICHT
Dipl.-Ing. Gerhard Breitschaft: Aufgabe des DIBt: Die bautechnischen Aufgaben
des öffentlichen Rechts in Deutschland einheitlich behandeln 56

IMPRESSUM 60

Der Prüfingenieur | November 2012 3


EDITORIAL

Übergabe des Staffelholzes

Hans-Peter Andrä pflegte nicht den präsidialen Führungsstil; viel-


mehr bevorzugte er als Primus inter Pares den kollegialen Umgang im
Präsidium und erweiterten Vorstand, und er war am Austausch sowie
am Ausgleich unterschiedlicher Meinungen sehr interessiert. Mit En-
gagement förderte er das positive Berufsbild der planenden und prü-
fenden Bauingenieure in der Öffentlichkeit.

Ohne das persönliche Engagement Einzelner – so wie es Hans-Peter


Andrä in den vergangenen Jahren für uns alle gelebt hat – würde es
keine Verbandsarbeit und damit letztendlich auch keine Verbände ge-
ben. Wesentliche Aufgabe der BVPI ist es, das berechtigte Interesse der
Allgemeinheit an der Abwehr von Gefahren für Leib und Leben zu arti-
kulieren und zu vertreten.

Dr.-Ing. Markus Wetzel In diesem Bewusstsein hat die Bundesvereinigung der Prüfinge-
Präsident der Bundesvereinigung nieure für Bautechnik Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä auf der Jahrestagung
der Prüfingenieure für Bautechnik in Dresden am 14. September 2012 zu ihrem Ehrenpräsidenten er-
nannt.

Dresden ist eine derjenigen Städte Deutschlands, die aufgrund ihres Die jährlichen Arbeitstagungen – an wechselnden Standorten
historischen und kulturellen Erbes national und international wahrge- Deutschlands – bieten die Gelegenheit zum technisch-fachlichen Ge-
nommen werden. Aus diesem Grund habe ich zur Eröffnung der dies- dankenaustausch. Dieser ist vor dem Hintergrund der inzwischen bau-
jährigen Arbeitstagung der Prüfingenieure am 12. September 2012 in aufsichtlich eingeführten Eurocodes wichtig und richtig. Darüber hin-
Dresden – stellvertretend für alle Teilnehmer – unsere Freude darüber aus darf an dieser Stelle ihre Bedeutung für politische Meinungsbil-
zum Ausdruck gebracht, in dieser schönen Stadt zu Gast zu sein. dungsprozesse nicht unterschätzt werden.

Die Arbeitstagung 2012 stand im Zeichen der Verabschiedung des Das Selbstverständnis der Landesverbände der BVPI ist föderal
langjährigen Präsidenten der Bundesvereinigung der Prüfingenieure geprägt, da wesentliche Teile der öffentlichen Bauhoheit bei den
Deutschlands, Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä, der dieses Amt fast acht Jah- Bundesländern liegen. Für eine überregionale Ausrichtung und Wahr-
re innehatte. Als sein Nachfolger habe ich Hans-Peter Andrä gegen- nehmung unserer Positionen bedarf es einer Bundesvereinigung, die
über unseren aufrichtigen Dank für die vielen Jahre seiner Präsident- von den Landesverbänden getragen wird. Gleichwohl müssen wir
schaft zum Ausdruck gebracht. uns an dieser Stelle eingestehen, dass in jüngster Vergangenheit we-
sentliche Entscheidungen in Brüssel getroffen wurden, zur Zeit dort
Hans-Peter Andrä wusste darum, dass die Bundesvereinigung der in Realisierung sind und zukünftig in noch größerem Umfang dort
Prüfingenieure für Bautechnik mit lediglich 650 Mitgliedern enorm anstehen.
„strampeln“ muss, um sich im politischen Umfeld angemessen Gehör
zu verschaffen. Bei einer derartigen Verbandsgröße war es notwendig, Um auf diese Entscheidungsfindungsprozesse Einfluss nehmen zu
die BVPI in das Netzwerk der Kammern und Verbände zu integrieren – können, ist es für uns als Prüfingenieure wichtig zu wissen, wo wir
dieser Aufgabe hat sich Hans-Peter Andrä mit der für ihn typischen Be- heute stehen und wo wir uns zukünftig sehen. In diesem Zusammen-
harrlichkeit angenommen. hang müssen wir uns zunächst klarmachen, dass geistig schöpferi-
sche Leistungen – wozu auch die der Prüfingenieure zu rechnen sind
Für ihn, und damit für uns alle, sind die Prüfingenieure zum einen – nicht dem Preiswettbewerb unterworfen werden dürfen. Ebenso
diejenigen, die die ihnen zugewiesene hoheitliche Aufgabe verantwor- sollte sich die Gesellschaft – und damit sollten auch wir uns – die
tungsbewusst wahrnehmen, und zum anderen: Partner am Bau, die Frage stellen, inwieweit Sicherheit verhandelbar ist. Meines Erach-
sich aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungsprofile konstruktiv in den tens können wir an dieser Stelle qualifiziert mitreden, da wir als
Prozess der Planung und Bauausführung einbringen können. Prüfingenieure bezüglich der Qualität von Statik, Ausführungspla-

4 Der Prüfingenieur | November 2012


EDITORIAL

nung und Überwachung die beste Marktübersicht haben. Dies ist nur An dieser Stelle ist von uns allen viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
möglich, wenn wir eine ständige Auseinandersetzung um technische
Sachverhalte zulassen und Fortbildung auf hohem Niveau sicherstel- ■ Die neue Generation von Normen hat Berge von Papier produziert.
len. Aus diesem Grund versucht die PRB (Initiative Praxisgerechte Regel-
werke in Sachsen e.V.) Einfluss auf eine Vereinfachung der aktuellen
Als prüfende und aufstellende Ingenieure mit dem Drang zur Bau- Normengeneration zu nehmen und damit die bereits erkennbare
stelle im Zuge unserer Überwachungstätigkeit sind wir interdisziplinär nächste Normengeneration dahingehend zu beeinflussen, dass weni-
handelnd im baulichen Planungs-, Prüfungs- und Ausführungsprozess ger mehr ist und dem Ingenieur bei weniger Reglementierung mehr
tätig. Dies ist ein Alleinstellungsmerkmal, dessen wir uns bewusst sein Freiraum zum kreativen Entwickeln technischer Gedanken zugestan-
dürfen und das uns auch für andere interessant macht. den wird – mit anderen Worten: Wir wollen uns trotz der nationalen
Anhänge in der Erarbeitung der Normen stärker wiedererkennen als
Auf der Seite der öffentlichen Hand ist erkennbar, dass Ressourcen es bislang der Fall war.
nicht zuletzt unter wirtschaftlichen Aspekten optimiert und Kompeten-
zen gebündelt werden. Gelegentlich entsteht der Eindruck, dass hier- Andere Nationen sind aufgrund ihrer historisch gewachsenen
bei ein Teil der Fachlichkeit von Ingenieuren und Architekten verloren- Strukturen zentralistischer ausgerichtet als Deutschland und können
geht. Hier können wir als Prüfingenieurinnen und Prüfingenieure be- deshalb in Brüssel offensiver ihre Interessen vertreten und durchsetzen
ziehungsweise als Prüfsachverständige unter Umständen eine wesent- als wir es tun.
liche Lücke füllen.
Hier liegt eine große und wesentliche Aufgabe vor uns, die allein
Obwohl die internen Abstimmungsprozesse in Bundesländern so- mit dem ehrenamtlichen Engagement nicht zu leisten sein wird. Wir
wie national – auch vor dem Hintergrund des Normenwechsels – uns werden uns für diese Aufgabe professionell verstärken müssen mit Per-
nach wie vor intensiv beschäftigen, spüren wir, dass wir als Prüfinge- sonen, die über die entsprechenden fachlichen, interkulturellen und
nieure beziehungsweise Prüfsachverständige in Deutschland und sprachlichen Qualitäten verfügen und angemessen bezahlt werden
Europa nur dann zukunftsfähig sein werden, wenn wir politische Ent- müssen.
scheidungsfindungsprozesse aus Deutschland heraus gebündelt in
Brüssel aktiv mitbestimmen. Für diese Position habe ich auf der Arbeitstagung in Dresden um
Verständnis, inhaltliche Unterstützung und letztendlich um den finan-
Unsere auf Landes- und Bundesebene stark diversifizierenden Mei- ziellen Beitrag der Mitglieder der Bundesvereinigung der Prüfingenieu-
nungsbildungsprozesse erschweren es an dieser Stelle, unsere Positio- re für Bautechnik geworben.
nen zügig und verbindlich zu formulieren und hörbar nach außen zu
vertreten. Mag uns der diesjährige Tagungsort Dresden ein wenig den Weg
weisen. Eine Stadt am (im) Fluss, die in den zurückliegenden Jahrzehn-
Hierbei geht es um zwei Themen: ten existenzielle Herausforderungen (Kriegszerstörungen, Elbe-Hoch-
wasser) durch Mut und Engagement bewältigt hat.
■ Trotz intensiver Bemühungen in den vergangenen Jahren ist der
Prüfingenieur in Europa nicht umfänglich angekommen – statt dessen In diesem Sinn übernehme ich gerne von Hans-Peter Andrä das
spricht man lieber von Qualitätsmanagement und Verlässlichkeitsklas- Staffelholz als neuer Präsident der Bundesvereinigung der Prüfinge-
sen etc., die intern oder extern von Dritten auf ihre Einhaltung über- nieure für Bautechnik. Ganz herzlich danke ich für die überwältigende
prüft werden sollen. Hier stellt sich die Frage, in welcher Form diese Zustimmung, die ich als wohlwollenden Vertrauensvorschuss und bin-
angedachten Wege von wem überwacht werden sollen. Stellen in die- dende Verpflichtung verstehe.
sem Zusammenhang tatsächlich Mitarbeiter wie auch immer gearteter
großer Prüforganisationen eine Alternative dar zu den persönlich en-
gagierten Prüfingenieuren, die für ihre Befähigung einen langen Erfah-
rungsweg einschließlich einer Überprüfung durch die oberste Bauauf-
sicht der Länder zurücklegen müssen, bevor sie zu Prüfingenieuren be-
ziehungsweise Prüfingenieurinnen ernannt wurden?

Der Prüfingenieur | November 2012 5


NACHRICHTEN

Markus Wetzel zum neuen Präsidenten der Bundesvereini-


gung der Prüfingenieure für Bautechnik gewählt
Arbeitstagung 2012 in Dresden mit buntgemischter Vor-
tragsfolge und abwechslungsreichem Rahmenprogramm
Zum neuen Präsidenten der Bundesverei- züglich in medias res: Bei der Begrüßung der ■ Die staatliche Bauaufsicht könne – zwei-
nigung der Prüfingenieure für Bautechnik Mitglieder der BVPI und deren Gästen aus tens – nicht umfänglich durch neue hierar-
(BVPI) ist am 13. September anlässlich Politik, Wirtschaft und Verwaltung im Großen chische Strukturen der Verantwortung, wie
der Mitgliederversammlung 2012 der Saal des Congress Centrums direkt an der El- zum Beispiel deren Verlagerung auf den Auf-
BVPI im Maritim-Hotel in Dresden der 52- be in Dresden, vis-à-vis dem sächsischen traggeber, auf den Bauherrn oder auf den Be-
jährige Prüfingenieur und Beratende In- Landtag, definierte er mit sechs Stichpunkten treiber ersetzt werden, weswegen die Leis-
genieur Dipl.-Ing. Markus Wetzel aus eine Standortbestimmung der Prüfingenieure tungen der Prüfingenieure und Prüfsachver-
Hamburg gewählt worden Er übernahm und Prüfsachverständigen, die ehrlicher und ständigen wohl auch in Zukunft permanent
dieses Amt von Dr.-Ing. Hans-Peter Andrä, zielführender nicht hätte sein können. gefragt sein dürften, um die Sicherheit am
der es fast acht Jahre lang mit zukunftssi- Bau staatlicherseits und bauherrenseitig zu
cherem Nutzen für die Prüfingenieure ■ Auch er prangerte – erstens – den Preis- gewährleisten.
und Prüfsachverständigen in Deutsch- wettbewerb an, der die Prüfingenieure und
land ausgefüllt hat. Der neue Präsident Prüfsachverständigen immer öfter und immer ■ „Ist Sicherheit überhaupt verhandelbar?“
hat seinen Mitgliedern in seiner ersten spürbarer um die Früchte ihrer hochqualifizier- fragte Wetzel – drittens – provozierend in
öffentlichen Ansprache nach seiner Wahl ten, teuren Ausbildung und auch um die peku- Richtung Auftraggeber und Gesetzgeber.
angekündigt, den realen Wert des Wir- niäre Anerkennung ihrer unteilbaren und ho-
kens der Prüfingenieure und Prüfsachver- hen Verantwortung und Leistung am Bau ■ Und viertens: „Wir Prüfingenieure haben
ständigen für die Gesellschaft noch deut- brächte. Deshalb „müssen wir uns“, sagte bezüglich der Qualität von Statik und Ausfüh-
licher herausstellen und deshalb das be- Wetzel, „unabhängig davon, ob wir an der rungsplanung mit Abstand die beste Markt-
rufspolitisch so kostbare Alleinstellungs- Aufstellung der statischen Berechnung oder übersicht, da viele unterschiedliche Bearbei-
merkmal der Prüfingenieure und Prüf- an der bautechnischen Prüfung beteiligt tungsansätze über unsere Tische gehen“.
sachverständigen bundesweit publik und sind“, darüber im Klaren sein, dass grundsätz-
begreiflich machen zu wollen, um damit lich Unikate, also Prototypen, gebaut würden, ■ Dies wiederum bedeute – fünftens – eine
deren gutes Ansehen und deren renom- deren Erfolg auf einer geistig schöpferischen permanente Auseinandersetzung der Prüfin-
mierten Ruf überall dort zu sichern, wo Leistung beruhe. Diese Leistung aber „basiert genieure und Prüfsachverständigen mit
es notwendig ist. Wetzels erste Arbeitsta- auf Ausbildung, Können, Erfahrung und technischen Sachverhalten und ein hohes
gung als BVPI-Präsident war eine derjeni- Marktübersicht und darf nicht über einen rei- Niveau der fortwährenden Fortbildungsar-
gen, die bei allen Anwesenden sowohl nen Preiswettbewerb eingekauft werden“. beit.
hinsichtlich des Fach- als auch des Rah-
menprogramms als etwas besonderes in Dr.-Ing. Markus Wetzel ist
Erinnerung bleiben wird. zum neuen Präsidenten
der Bundesvereinigung
Dr.-Ing. Markus Wetzel ist einer der Part- der Prüfingenieure für
ner des wohl ältesten deutschen Büros Bera- Bautechnik gewählt wor-
tender Ingenieure für das Bauwesen, des In- den. Er hat in Aussicht
genieurbüros Wetzel & von Seht in Hamburg, gestellt, das Alleinstel-
das am 1. Januar 1876 als Gesellschaft Hen- lungsmerkmal der Prüf-
nicke & Goos, Zivilingenieure, gegründet ingenieure und Prüfsach-
worden war. Wetzel hat an der Universität verständigen in der
Hannover Bauingenieurwesen studiert und Öffentlichkeit deutlich
trat nach seiner Promotion und kurzer prakti- zum Ausdruck zu bringen.
scher Ingenieurtätigkeit bei der Baufirma
Wayss & Freytag in Frankfurt 1992 in das tra-
ditionsreiche Hamburger Ingenieurbüro Wet-
zel & von Seht ein, wo sein Vater, Dipl.-Ing.
Wilhelm Wetzel, seit 1973 verantwortlich tä-
tig war. 1994 wurde Markus Wetzel Partner
dieses Büros und 2003 als Prüfingenieur für
Bautechnik anerkannt.

Als neuer Präsident ging er zu Beginn der


diesjährigen Arbeitstagung der BVPI unver-

6 Der Prüfingenieur | November 2012


NACHRICHTEN
Ministerialdirigent Ulrich angemessen bezahlt werden müssen“, sagte
Reinhard Beyer vom Wetzel, um folgerichtig dann auch um das
Sächsischen Staatsminis- Verständnis und die Unterstützung der Prüfin-
terium des Innern vertrat genieure und Prüfsachverständigen dafür zu
die Landesregierung und werben, dass er sie „in dieser Sache dann
hat den Prüfingenieuren letztendlich auch um Ihren finanziellen Bei-
und Prüfsachverständigen trag werde bitten müssen“.
zugesagt, „alles zu tun,
was in meiner Macht Der scheidende Präsident, dem auf dem
steht, um den Prüfinge- traditionellen festlichen Gesellschaftsabend
nieuren und Prüfsach- dieser Arbeitstagung ein überaus ehrenvol-
verständigen in der les, dankendes Adieu gesagt worden ist, das
Fachkommission MBO in einer Eloge des Freundes und Kollegen
der ARGEBAU mehr Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach von der TU
Gehör zu verschaffen“ Dresden gipfelte, Hans-Peter Andrä (64) also,
hatte innerhalb des Verbandes seinen Ent-
schluss schon frühzeitig angekündigt, ab die-
sem Jahr das Amt des Präsidenten der BVPI
nicht weiterführen zu können und so dem
Vorstand und der Geschäftsführung die Mög-
lichkeit gegeben, den geringfügig vorfristi-
■ Und – sechstens – sei das Vier-Augen- begleiten wollen, sondern auch noch genug gen Wechsel im Amt des Präsidenten sorgfäl-
Prinzip in Verbindung mit Kompetenz, Unab- damit zu tun hätten, „dass wir als Prüfinge- tig und gewissenhaft vorzubereiten.
hängigkeit und persönlicher Verantwortung nieure in Deutschland und Europa zukunftsfä-
auch für die Zukunft ein „Garant für Sicher- hig bleiben können, indem wir die politischen Andrä hat als Präsident eine unverwech-
heit und Qualität am Bau“, wie Wetzel an Entscheidungsfindungsprozesse in Brüssel ak- selbare Sprache geführt und mit präzisem
dieser Stelle den Slogan der BVPI abwan- tiv mitbestimmen“, bedürfe es, so Wetzel sei- Wissen, häufig auch mit wohldosierter und
delnd zitierte. ne Mitglieder quasi vorwarnend, auch künftig zielgerichteter Ironie, seine Meinungen, sei-
einer schlagkräftigen und reaktionsschnellen ne Urteile und seine Argumente ausge-
Aus alldem ergebe sich ein Alleinstel- Bundesvereinigung. „Hier liegt“, begründete drückt; Kommentare und Erklärungen indes,
lungsmerkmal der Prüfingenieure und Prüf- Wetzel diesen seinen Hinweis, „eine große die regelmäßig mit denen der Prüfingenieure
sachverständigen, „das wir uns, die wir als Aufgabe vor uns, die wir allein mit ehrenamt- und Prüfsachverständigen kongruent gewe-
Prüfende und Aufstellende bei unseren Über- lichem Engagement nicht leisten können. Wir sen sind. Andrä hat auf diese Weise den Au-
wachungstätigkeiten interdisziplinär han- werden uns an dieser Stelle deshalb profes- ditorien und Adressaten seiner Ansprachen
delnd in baulichen Planungs-, Prüfungs- und sionell verstärken müssen mit Personen, die und Reden Wahrheiten und Wirklichkeiten
Ausführungsprozessen tätig sind, immer wie- über entsprechende fachliche, interkulturelle nahegebracht, die er aus gesellschafts-,
der selbst klar machen müssen“, denn dieses und sprachliche Qualitäten verfügen und die wirtschafts- und sozialpolitisch gesamtver-
Alleinstellungsmerkmal „macht uns allemal
auch für andere interessant“. Dr.-Ing. Robert Hertle
vom Vorstand der
Dies gelte natürlich auch und vor allem für Bundesvereinigung der
die auftragvergebenden und bauenden und Prüfingenieure für Bau-
planenden Stellen der öffentlichen Hand, in technik berichtete auf der
denen Ressourcen auch unter wirtschaftli- Arbeitstagung über die
chen Aspekten optimiert und Kompetenzen Fortschritte, die im
gebündelt würden. Manchmal habe er den Rahmen der pränorma-
Eindruck, betonte Wetzel in diesem Zusam- tiven Arbeit für die
menhang, dass „auf der öffentlichen Seite Initiative PraxisRegeln-
ein Teil der Fachlichkeit an Ingenieuren und Bau (PRB) seit der
Architekten verlorengeht“, was aber ande- Arbeitstagung 2011
rerseits dazu führen könne, dass „wir als erreicht worden sind,
Prüfingenieure und Prüfsachverständige hier insbesondere in
unter Umständen eine Lücke füllen müssen den einzelnen Projekt-
und füllen können“. gruppen.

Dafür sieht Wetzel in der föderalen Struk-


tur der Bundesrepublik Deutschland aber
nicht nur vorteilhafte Gegebenheiten, son-
dern auch so manchen Nachteil. Weil aber die
Prüfingenieure nicht nur den national-euro-
päischen Normungswechsel kommentierend

Der Prüfingenieur | November 2012 7


NACHRICHTEN

Der Große Saal des Dresdener Congress Centrums, direkt neben dem sächsischen Landtag am Ufer der Elbe, war mit über 400 Prüfingenieuren
und Prüfsachverständigen und deren Gästen gut gefüllt.

antwortlich reflektierender eigener Beob- spruchslos nur noch von Preis, Gewinn und tung, das wahlweise frequentiert werden
achtung hergeleitet und mit praktischer Er- Profit beherrscht werde. Gebäudesicherheit konnte: Eine (windige) Fahrradtour entlang
fahrung induziert hat. Im Mittelpunkt seiner dürfe aber, so Andräs präsidiale Botschaft, der sächsischen Weinstraße, eine Wanderung
Sichtweise der Dinge am Bau stand und nicht nach ökonomischen Gesichtspunkten auf einem der Traumpfade Europas, dem Ma-
steht die Unsinnigkeit eines unüberlegten beurteilt werden, weil der Schutz von Leib lerweg durch das Elbsandsteingebirge, eine
und voreiligen Bürokratieabbaus, auch Dere- und Leben und der Schutz von Hab und Gut lehrreiche Besichtigungstour durch die Silber-
gulierung genannt, die Andrä in zahllosen wichtiger seien als Preis und Profit. stadt Freiberg und eine informative Stadtfüh-
Vorträgen und Grußworten, Artikeln und In- rung durch Dresden mit allen geschichtlichen
terviews immer wieder und aufs Neue bloß- Die Dresdener Arbeitstagung 2012 der und baukulturellen Höhepunkten, die diese
gelegt hat. Deregulierung und Privatisierung Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Stadt zu bieten hat.
sind, so sein Urteil, gründlich gescheitert, Bautechnik war auf regionaler Ebene von der
weil sie dazu geführt hätten, dass der Ge- sächsischen Landesvereinigung der Prüfinge- Drinnen indes, in den Sälen des internatio-
setzgeber sich einfach aus seiner originären nieure perfekt vorbereitet und mit einem tou- nalen Dresdener Congress Centrums, schlu-
Verantwortung stiehlt und dabei ein bauord- ristisch sehr vielseitigen Rahmenprogramm gen sich die Ingenieure theoretisch und prak-
nungsrechtliches Vakuum zurückgelassen ausgestattet worden. tisch mit allerhand Fachlichem herum. Stich-
hat, in dem sich Dumpingpreise, Pfusch am worte zu den diesjährigen Vorträgen mögen
Bau und mindere Produktqualitäten breit- Und so hatte ihr Vorsitzender, Prof. Dr.-Ing. hier genügen, sie werden in dieser und in der
machen und ihr gesellschaftspolitisch, bau- Wolfram Jäger, schon bei der „Sächsischen kommenden Ausgabe des Prüfingenieurs ver-
kulturell und sozialwirtschaftlich verhäng- Ouvertüre“, einem feierlichen, stimmungs- öffentlicht. Auffallend war in diesem Jahr die
nisvolles, ja gemeingefährliches Unwesen vollen mit vielen virtuosen Höhepunkten Mannigfaltigkeit des Themenangebots, das
treiben können. Das von den Bundesländern glänzenden Konzert des weltbekannten nicht nur ingenieurtechnische und solche
verfolgte politische Ziel, zwecks Kostener- Blechbläserensembles von Ludwig Güttler, Vorträge enthielt, die sich mit der bautechni-
sparnis auf die Überprüfung und Überwa- am Vorabend der Arbeitstagung in der Frau- schen Prüfpraxis beschäftigen, sondern auch
chung vieler Bauten zu verzichten und statt- enkirche in Dresden Gelegenheit, das viel- solche, die haftungsrechtliche Grundsatzfra-
dessen ihre Betreiber in die Pflicht zu neh- hundertköpfige Auditorium der Prüfingenieu- gen und normentechnische Auspizien behan-
men, das habe sich, wurde Andrä während re und ihrer Gäste in einem kulturell und his- deln. „Solche technikfernen Themen werden
seiner Amtszeit als Präsident der BVPI zu be- torisch geradezu einmaligen Ambiente be- wir“, so sagte der Geschäftsführer der Bun-
tonen und zu belegen niemals müde, nicht grüßen und in der ebenso beispiellosen histo- desvereinigung der Prüfingenieure für Bau-
bewährt und obendrein noch schlimme Aus- rischen Umgebung des Sophienkellers un- technik, Dipl.-Ing. Manfred Tiedemann, am
wüchse gezeitigt. Der Wegfall der unabhän- ter’m Taschenbergpalais mitten in der Dres- Rande der Tagung, „in Zukunft wohl des Öf-
gigen Qualitätssicherung habe für Deutsch- dener Altstadt beim Abendessen auf die Ar- teren aufnehmen, um unseren Mitgliedern
land katastrophale Folgen, denn der mitleid- beitstagung einzustimmen. Tags darauf, die die Möglichkeit zu geben, sich auch über je-
lose und dumme Preiskampf in der Baubran- Prüfingenieure und ihre geladenen Kollegen ne Themen zu informieren, die sie in der ziel-
che sei einer der Gründe dafür, dass der aus den Behörden und Ämtern des Landes gruppengenauen Art, in der wir sie ihnen
Wettbewerb um Bauaufträge nicht mehr verfolgten die Fachvorträge, kam für die Be- präsentieren können, wohl nirgendwo finden
technisch-fachlich und innovativ geprägt sei, gleitung der Gäste dieser Arbeitstagung de- dürften“.
sondern diktatorisch, und dass er wider- ren vierteiliges Rahmenprogramm zur Gel- Klaus Werwath

8 Der Prüfingenieur | November 2012


NACHRICHTEN

Flughafen Berlin-Brandenburg: Verkehrsausschuss des


Bundestages bittet die BVPI um Unterstützung
Der Verkehrsausschuss des Deutschen Mit seinem Besuch der Flughafenbaustelle, Gebäudeausrüstung und insbesondere des
Bundestages hat die Bundesvereinigung an dem seitens der BVPI der Vorsitzende der Brandschutzes und des Rauchabzuges.
der Prüfingenieure für Bautechnik um Landesvereinigung der Prüfingenieure in Ber-
Mitwirkung bei einer Analyse derjenigen lin, Dr.-Ing. Hartmut Kalleja, und deren Ge- Da der Bau des Berliner Großflughafen sich
Fehler ersucht, die beim Bau des Berlin- schäftsführer, Dipl.-Ing. Manfred Tiedemann, in eine Kette vieler anderer namhafter Groß-
Brandenburger Großflughafens gemacht teilnahmen, wollte der Bundestagsverkehrs- projekte einreiht, die sich in letzter Zeit durch
worden sind und zur mehrmaligen Ver- ausschuss sich ein eigenes Bild vom aktuellen Zeitverschiebungen und Kostenüberschreitun-
schiebung des Eröffnungstermins ge- Baufortschritt machen und sich den aktuellen gen einen unrühmlichen Namen gemacht ha-
führt haben könnten. Fernziel der Assis- Zustand und die weitere Planung für die Be- ben, zog Kalleja nach dem Besuch der Baustel-
tenz der BVPI an diesem Projekt könne seitigung der Mängel erläutern lassen. le ein allgemeines Fazit: Wie bei jedem Bau-
es aber auch sein, so hat der Geschäfts- projekt ist auch bei Großprojekten besonderer
führer der Bundesvereinigung der Prüf- Die Bundesvereinigung, die sich, wie Tie- Wert darauf zu legen, dass allen am Bau Be-
ingenieure für Bautechnik, Dipl.-Ing. demann sagte, „bekanntermaßen als verlän- teiligten – von den Planern und den Baufir-
Manfred Tiedemann, dem Vorsitzenden gerte Werkbank der Bauaufsichten sieht“, men bis zu den Bauherren und künftigen Nut-
des Bundestagsverkehrsausschusses, Dr. hat Hofreiter und den anderen Teilnehmern zern – jederzeit unabhängige Fachkompetenz
Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grü- des Besuchstermins unmittelbar ihr grund- zur Verfügung steht, die als klar definiertes,
nen), nach der gemeinsamen Besichti- sätzliches Einverständnis signalisiert und da- unabhängiges Korrektiv für die Auftraggeber
gung der Baustelle des Hauptstadtflug- nach erste Recherchen dahingehend ange- und die Ausführenden und Liefernden vorhan-
hafens vorgeschlagen, die unabhängige stellt, welche ihrer Experten dieses komplexe den ist. Durch eine ständige prophylaktische
bautechnische und bauphysikalische Bauvorhaben würde erläutern können. Qualitätssicherung sowohl in der Planungs-,
Kompetenz, die der BVPI durch ihre Mit- als auch in der Ausführungsphase, ließen sich,
glieder zur Verfügung stehe, für die künf- Es handelt sich nicht nur um sehr hetero- so Kallejas Argument, auch bei Großvorhaben
tige Planung von ähnlichen Großprojek- gene bautechnische Fragen, sondern weiter- Terminsicherheit und Ausführungsqualität
ten zu aktivieren. gehend auch um Themen der technischen nachhaltig positiv beeinflussen.

Bundesvereinigung der Prüfingenieure legt Abschluss-


bericht über die Erprobung des Erdbeben-Eurocode vor
Die Bundesvereinigung der Prüfinge- liegt seit einiger Zeit als DIN EN-Fassung mit der praktischen Anwendung der Norm
nieure für Bautechnik (BVPI) hat 2011 vor. Für die Anwendung der Normteile in aufbereitet, und die Ergebnisse wurden
den Abschlussbericht für das For- Deutschland sind bekanntlich Nationale An- durch Einstufung in die Kategorien Sicher-
schungsvorhaben vorgelegt, mit dem hänge (NA) erforderlich, die national be- heit, Unvollständigkeit, Schreib- und Formel-
der Erdbeben-Eurocode EC8 in der prak- stimmte Parameter (NDP) beziehungsweise fehler sowie Verständnis- und Anwendungs-
tischen Anwendung erprobt werden soll- nicht widersprechende Regelungen (NCI) probleme eingeteilt und gewichtet.
te, um gegebenenfalls Verbesserungen enthalten. Diese Nationalen Anhänge zu
oder Modifikationen vorschlagen zu den Teilen 1 und 5 liegen als DIN EN 1998- Diejenigen Punkte, deren Umsetzung be-
können. 1/NA:2011-01 sowie als DIN EN 1998- ziehungsweise Klärung für eine problemlose
NA:2011-07 vor. Anwendung des EC 8 nach Meinung des Pro-
Den Auftrag hatte die Bundesvereinigung jektteams unabdingbar sind, wurden dem
vom Deutschen Institut für Bautechnik (Ber- Ziel des Forschungsvorhabens war es nun, Spiegelausschuss vorgestellt.
lin) erhalten, und sie hat die Durchführung die Teile 1 (Grundlagen, Erdbebeneinwirkun-
des Projektes im Unterauftrag an fünf Inge- gen und Regeln für Hochbauten) und 5 Die Umsetzung in den NA oder in einen
nieurbüros delegiert, die im Stahlbeton- und (Gründungen, Stützbauwerke und geotechni- Erläuterungstext zur Norm soll in Kooperati-
Mauerwerksbau, im Stahl- und Verbundbau sche Aspekte) des EC 8 mit den jeweiligen on mit dem Projektteam erarbeitet werden.
und im Holzbau regelmäßig tätig sind, und NA hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspekte So soll sichergestellt werden, dass die neue
zwar in jenen Bundesländern, die am stärks- zu untersuchen und ihre Praxistauglichkeit zu Norm in Deutschland unbedenklich bauauf-
ten von Erdbeben gefährdet sind: in Baden- erproben. sichtlich bekannt gemacht werden kann.
Württemberg und in Nordrhein-Westfalen.
In dem jetzt vorliegenden Bericht wurden Dipl.-Ing. Marion Kleiber,
Die Normenreihe der DIN EN 1998 (Aus- die Erfahrungen des Projektteams bei der Dipl.-Ing. Matthias Gerold
legung von Bauwerken gegen Erdbeben) Durchführung des Forschungsvorhabens und

Der Prüfingenieur | November 2012 9


NACHRICHTEN

Der BÜV bereitet einen Leitfaden für unwettergefährdete


Bauwerke und den Überflutungsschutz vor
Der Arbeitskreis Katastrophenschutz im liches Ergebnis von Naturereignissen sind,
Bauüberwachungsverein (BÜV) arbeitet sondern auch menschliche Einflüsse einbezo-
unter anderem derzeit an einem Leitfa- gen werden müssen, wurde das Spektrum
den zum Thema „Unwettergefährdete auch auf Feuer, Explosion, Stoß und ABC er-
Bauwerke und Überflutungsschutz“. Er weitert.
wird einschlägige, generelle bauliche
und prophylaktische Maßnahmen an Die bisher aufgebauten Kontakte des Ar-
Gebäuden vorstellen und viele prak- beitskreises zu verschiedenen fachrelevan-
tisch nutzbare Hinweise für Bauherren, ten Institutionen auf Bundes- und Landes-
Planer und Behörden vorweisen – ein- ebene wurden genutzt, um mit externen Ex-
schließlich detaillierter Ausführungen perten einen weiterbringenden Erfahrungs-
über Schutzkonzepte wie Abschirmung, austausch herbeizuführen: So fand zum Bei-
Abdichtung oder Nasse Vorsorge und spiel am 26. Mai 2011 unter Beteiligung
über die damit verbundenen statischen Beim GeoForschungsZentrum Potsdam ha- von Vertretern des Bundesamtes für Bevöl-
Unterscheidungen. Der Arbeitskreis ver- ben die Mitglieder des Arbeitskreises Kat- kerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)
steht, wie sein Vorsitzender Dipl.-Ing. strophenschutz im Bauüberwachungsverein die 8. Arbeitskreissitzung in Bonn statt, an-
Matthias Gerold (Karlsruhe) im folgen- BÜV einige wertvolle kollegiale Kontakte ge- lässlich derer ein reger Gedankenaustausch
den kurzen Überblick über die Tätigkeit knüpft. Zu sehen sind hier (von links): Prof. vollzogen wurde – hier mit der Zielsetzung
seines Arbeitskreises schreibt, seine Dr.-Ing. Norbert Gebbeken, Prof. Dr. Jochen einer weiteren zukünftigen Zusammenar-
Aufgabe als Angebot zur fachlichen Zschau vom GFZ Potsdam, der Vorsitzende beit.
Mitarbeit nicht nur für die Prüfinge- des Arbeitskreises Dipl.-Ing. Matthias Gerold
nieure und Prüfsachverständigen, son- sowie der Prüfingenieur Dipl.-Ing. Klaus Zum Thema Explosionen und den damit
dern auch für die vielen externen Fach- Domröse und Dipl.-Ing. Momcilo Vidackovic einhergehenden Themen, wie zum Beispiel
leute in den Behörden auf kommunaler von der BÜV-Geschäftsstelle. Zerstörung von Bauwerken durch Unfälle
Ebene sowie auf Landes- und Bundes- oder terroristische Anschläge, konnte am
ebene. 3. November 2011 die 9. Sitzung des Arbeits-
Die Mitglieder des Arbeitskreises Kata- kreises bei der Wehrtechnischen Dienstelle
Ursprünglich war der Arbeitskreis unter strophenschutz im BÜV sind allesamt Prüfin- 52 (WTD) der Bundeswehr in Oberjettenberg
dem Dach des Deutschen Instituts für Prü- genieure, die einen direkten beruflichen Be- abgehalten werden. Neben einem interdis-
fung und Überwachung (DPÜ) gegründet zug zum Katastrophenschutz haben und sich ziplinären Gedankenaustausch konnten die
worden, und zwar aufgrund von Anfragen hinsichtlich der Ziele des Arbeitskreises aktiv Mitglieder des Arbeitskreises dabei auch
der Obersten Bauaufsichten der Länder an betätigen und hervorgetan haben. praktischen Versuchen zur Verbesserung von
die Prüfingenieure, ob zum Thema Naturka- baulichem Schutz (unter anderem durch Be-
tastrophen kompetente Ansprechpartner Vornehmlich behandelt wurden und wer- schuss) beiwohnen.
benannt werden könnten. Wegen einer den in diesem Arbeitskreis Themen des vor-
strategischen Neuausrichtungen auf Ver- beugenden Katastrophenschutzes (Hochwas- Schließlich fand am 14. Juni 2012 die vor-
bandsebene vollzog sich 2011 ein Wechsel ser, Überflutung, Wind, Erdbeben, Lawinen erst letzte Arbeitskreissitzung beim GeoFor-
vom DPÜ zum Bau-Überwachungsverein etc.) sowie des aktiven Katastrophenschut- schungsZentrum Potsdam statt, wobei tiefe
(BÜV). zes. Weil aber Katastrophen kein ausschließ- Einblicke in die Forschungsaufgaben auf den
Gebieten der Geodäsie, der Seismologie so-
wie der Erdbeben- und Tsunamifrühwarnung
gewährt wurden.
In eigener Sache: Korrektur Resümierend kann festgestellt werden,
In unserer Mai-Ausgabe 2012 ist uns im EDITORIAL auf Seite 4 ein unerfreulicher Fehler unter- dass der Arbeitskreis Katastrophenschutz des
laufen. Ausgerechnet im ersten Satz des Textes von Dr.-Ing. Dietmar Maier sind einige Wörter BÜV aktiv und zielführend die Bereitschaft
erschienen, die dort erkennbar nicht hingehören, den Satz aber so grob entstellen, dass wir ei- der Prüfingenieure, sich derartigen Heraus-
ne Richtigstellung für angebracht halten. forderungen zu stellen und diesbezügliche
Leistungen zu übernehmen, gegenüber ver-
Korrekt hätte der Satz so heißen müssen, wie ihn der Autor auch niedergeschrieben hat: schiedenen Institutionen und Einrichtungen
auf Bundes- und Landesebene nahebringen
„Das Vergessen gehört ebenso zur Menschheit, wie das Gewinnen von Erkenntnissen.“ konnte. Ziel ist es weiterhin, ein umfassendes
Netzwerk zu schaffen und allen in Kontakt
Die Redaktion bedauert ihren Fehler aufrichtig und bittet den Autor und die Leser um Ent- stehenden Stellen die aktive Mitarbeit anzu-
schuldigung. bieten.
Dipl.-Ing. Matthias Gerold

10 Der Prüfingenieur | November 2012


NACHRICHTEN

Die deutschen Prüfingenieure gewinnen in Europa


berufspolitisch deutlich an Statur
CEBC zeigt reges Interesse am deutschen Prüfsystem und
dem Fortschritt der pränormativen Aktivitäten
Die Mitglieder des europäischen Verban- ser Tagung die Repräsentanten solcher Län- gen Diskussion hat Tiedemann die gute Gele-
des für Bauprüfung und -überwachung der aufgetreten, die bisher dort nicht regel- genheit genutzt, vor aufmerksamem europäi-
(Consortium of European Building Con- mäßig vertreten waren, nämlich die Vertreter schen Publikum die grundsätzliche Vorge-
trol, CEBC) haben ein lebhaftes Interesse aus Rumänien und Ungarn – sowie als Gast hensweise und insbesondere die Aufgabe der
an den substanziellen Maßnahmen, mit ein Vertreter der Europäischen Kommission. Prüfingenieure für Standsicherheit und
denen die deutschen Verbände und Kam- Brandschutz eingehend zu erläutern. Dabei
mern der Ingenieure auf die europäische Das laute Echo, das Tiedemanns PRB-Be- kam die Qualifikation des deutschen Prüfin-
Baunormung reagieren. Das zumindest richt in Helsinki ausgelöst hat, und die rege genieurs besonders zur Geltung, der sich
ist der Eindruck, den der Geschäftsführer Wissbegier, mit der die deutschen pränorma- durch seine hohe Fachkompetenz, seine wirt-
der Bundesvereinigung der Prüfinge- tiven Bemühungen dort quittiert worden schaftliche Unabhängigkeit und seine soziale
nieure für Bautechnik, Dipl.-Ing. Manfred sind, seien, sagte Tiedemann nach seiner Kompetenz auszeichne. Diese Charakteristika
Tiedemann, Mitte September aus Helsin- Rückkehr aus Helsinki, ein überzeugender seien, so Tiedemann, das „ganz besondere
ki mitgebracht hat, wo er anlässlich ei- Beleg dafür, dass „es uns zunehmend ge- Unterscheidungsmerkmal zu anderen Prüf-
nes CEBC-Business Meetings über die lingt, unsere pränormative Vorgehensweise systemen auf europäischer Ebene“ sowie die
pränormative Arbeit der deutschen Inge- und unsere Ergebnisse auf europäischer Ebe- Tatsache, dass der Prüfingenieur prüft und
nieure und über die Arbeit der Initiative ne“ bekanntzumachen und hoffentlich damit plant und Planung und Prüfung „in aller Re-
PraxisRegelnBau (PRB) Bericht erstattet auch Verbündete zu finden“. Mit Nachdruck gel in einem ausgewogenen Verhältnis“ (na-
und auch das deutsche bautechnische Si- wies Tiedemann in diesem Zusammenhang türlich immer für unterschiedliche Objekte)
cherheitssystem mit seinen gesetzlichen darauf hin, dass die Konferenz der Bauminis- durchführe. Dieses Merkmal zeichne ihn
und tradierten Prinzipien der unabhängi- ter der deutschen Länder (ARGEBAU) ständi- deutlich als einen Mann der Praxis aus, der
gen bautechnischen Prüfung erläutert ges Mitglied des CEBC ist und als solches die nicht zu vergleichen sei mit jenen „Prüfsolda-
hat, und dies nicht nur vor einem breiten europapolitischen Entwicklungen genau be- ten“, die, mit Schutzhelm und Checkliste
internationalen Fachpublikum, sondern obachten könne, was den Ministern und ho- ausgestattet, „lediglich Häkchen machen
auch in Gegenwart eines aufmerksamen hen Beamten in der ARGEBAU wiederum po- können und von der Ausbildung und von der
Vertreters der Europäischen Kommissi- sitive Rückschlüsse bezüglich des berufspoli- Erfahrung her nicht in der Lage wären, ähnli-
on. tischen Standings der deutschen Bauaufsicht che Projekte wie die zu prüfenden auch ei-
ermögliche. genständig zu planen“.
Die Sitzung in Helsinki war die zweite
CEBC-Konferenz in diesem Jahr. Bereits im Diese Position der deutschen Prüfinge-
Mai hatte die Bundesvereinigung der Prüfin- nieure und Prüfsachverständigen hat Tiede-
genieure für Bautechnik (BVPI) Gastgeber ei- mann in Helsinki durch einen zweiten Bericht
nes solchen CEBC-Business-Meetings in untermauert, in dem er seinen europäischen
Hamburg sein können. Das jetzige Herbst- Kollegen anhand eines konkreten Vergleichs-
meeting habe, wie Tiedemann berichtete, ge- projekts den regulären Planungs- und Bauge-
zeigt, dass die Bedeutung der Kernaufgaben nehmigungsablauf in Deutschland erläutert
der Bauaufsichten auf europäischem Parkett und mit einem ähnlichen Projekt in Norwe-
zu wachsen beginne. Immerhin sind auf die- gen verglichen hat. In der anschließenden re-

Arbeitstagung 2013 der Bundesvereinigung am


20. und 21. September in Konstanz am Bodensee
Die Arbeitstagung 2013 der Bundesvereini- Württemberg arbeitet bereits an einem viel- gramm mit zahlreichen Referaten über aktu-
gung der Prüfingenieure für Bautechnik versprechenden Rahmenprogramm für die elle Themen vor.
(BVPI) wird am 20. und 21. September 2013 Begleitpersonen.
in Konstanz am Bodensee stattfinden. Die Die Bundesvereinigung bittet alle Mitglie-
Vorbereitungen für die Tagung laufen in der Gleichzeitig bereiten das Präsidium und der und interessierte Vertreter der Bauauf-
Bundesgeschäftsstelle der BVPI zügig an. Der die Geschäftsstelle der Bundesvereinigung sichten, den Termin der nächsten Arbeitsta-
Festausschuss der Landesvereinigung Baden- ein gewohnt beruflich attraktives Fachpro- gung der BVPI schon jetzt vorzumerken.

Der Prüfingenieur | November 2012 11


NACHRICHTEN

Klaus Stiglat und Herbert Wippel wurden 80 Jahre alt


Ein erfolgreiches Doppel ein ganzes Ingenieurleben lang
Am 3. August ist Dr.-Ing. Klaus Stiglat, tere Niederlassung in Berlin gegründet und Inhalte von immer unhandlicher werdenden
der gebürtige Ostpreuße, 80 Jahre alt mit einem bedeutenden großen Planungsauf- Normen auf den Punkt zu bringen, um den
geworden, am 15. Oktober durfte auch trag betraut, dem Wiederaufbau und der Sa- planenden und prüfenden Ingenieurkollegen
sein Freund Dr.-Ing. Herbert Wippel, der nierung des Neuen Museums auf der Muse- in der Praxis im Sinne des Wortes prägnante
Kurpfälzer aus Mannheim, dieses Ereig- umsinsel. „Kurz“-informationen an die Hand zu geben.
nis feiern. Kennengelernt haben sich die Das Wirken von Herbert Wippel im Ausschuss
beiden zu Beginn ihres Bauingenieurstu- 1983 erschien die erheblich erweiterte für die Zulassung von Prüfingenieuren, dem
diums an der Technischen Hochschule 3. Auflage des Sti/Wi-Plattenbuchs, mit des- er ebenfalls viele Jahre lang angehörte, war
Karlsruhe im Wintersemester 1952/53. sen Tabellen es möglich war, für fast jeden vor allem darauf ausgerichtet, das hohe Ni-
Dies ist inzwischen sechzig Jahre her und vorkommenden Fall, der nicht direkt in unse- veau der unabhängigen bautechnischen Prü-
wäre eines zusätzlichen Anlasses zum rem Buch enthalten ist, eine Näherungsun- fung aufrechtzuerhalten.
Feiern würdig. tersuchung mit Hilfe der dargestellten Plat-
tentypen vorzunehmen. … Häufig ist hierbei Klaus Stiglat nahm 25 Jahre lang die
Die Berufswege von Klaus Stiglat und nur etwas Phantasie und eingehende Über- Schriftleitung der Zeitschrift Beton- und
Herbert Wippel waren von Gemeinsamkeiten legung über das Verformungsverhalten der Stahlbeton wahr
geprägt: Nach dem Studium nahmen sie As- zu untersuchenden Platte notwendig, um sie Klaus Stiglat, geschichtsbewusst und bele-
sistentenstellen bei ihrem Lehrer Prof. Dr.- in die untersuchten Fälle einordnen zu kön- sen wie wenige, übernahm für fast 25 Jahre
Ing. B. Fritz am Institut für Baustatik an. Ne- nen, so ein Zitat aus dem Vorwort zur 3. Auf- die Schriftleitung der Zeitschrift Beton- und
ben den Aufgaben am Lehrstuhl widmeten lage. Stahlbetonbau, und schuf sich dort mit sei-
sie sich im Büro ihres Chefs beratender Tä- nen Beiträgen „In eigener Sache“ eine Platt-
tigkeit bei großen Hochbau- und Brücken- Mit diesem Standardwerk der Bauinge- form mit hoher Außenwirkung. In „seiner“
bauwerken, der bautechnischen Prüfung nieurliteratur, das Generationen von Trag- Zeitschrift, in Vorträgen, Aufsätzen und zu-
zum Beispiel im Kraftwerkbau und ihrer Pro- werksplanern die Bemessung von Platten- nehmend mit hintersinnigen Karikaturen hat
motion. Klaus Stiglat wurde 1960 promo- tragwerken unterschiedlichster Stützung er- er Fehlentwicklungen in der Normung und in
viert mit einem Beitrag Zur numerischen Be- möglicht und erleichtert hat, inzwischen aber der Ausbildung der Bauingenieure aufgegrif-
rechnung von rechteckigen und schiefen aus dem Büroalltag der Tragwerksplaner fast fen und angeprangert und auf die Gefahr
Platten mit Randversteifungen, Herbert Wip- verschwunden und durch Rechner mit einer zunehmender kritikloser Computergläubig-
pel folgte 1961 mit seiner Arbeit über ein damals für unmöglich erachteten Leistungs- keit hingewiesen. Er hat das anmaßende
Allgemeines und einheitliches Berechnungs- fähigkeit in Verbindung mit einfach zu bedie- Verhalten mancher Politiker gegeißelt und
verfahren von Verbundkonstruktionen aus nenden FE-Programmen ersetzt worden ist, bei der eigenen Zunft mehr Selbstbewusst-
Stahl und Beton. sind Klaus Stiglat und Herbert Wippel zu ei- sein, aber auch mehr Bereitschaft zur Über-
nem festen Doppelbegriff geworden. Ihre nahme von Verantwortung und mehr Kreati-
1964 entschieden sich Stiglat und Wippel Fachaufsätze waren stets darauf ausgerich- vität bei der Planung im Team mit Architek-
zusammen mit ihrem Studienfreund und Ar- tet, den Bauingenieuren in der Praxis für ten eingefordert. Er hatte aber auch die Idee
beitskollegen Ernst Buchholz und dem zwei theoretisch komplizierte Fragen einfach für einen Ingenieurbau-Preis, der seit 1988
Jahre jüngeren Kollegen Horst Weckesser für handhabbare Hilfsmittel mit einer im Bauwe- in zweijährigem Rhythmus ausgelobt und
den Weg in die Selbstständigkeit und gründe- sen ausreichenden Genauigkeit zur Verfü- vergeben wird und darauf ausgerichtet ist,
ten im Jahr 1965 die Ingenieurgruppe Bauen. gung zu stellen. die Leistungen der Bauingenieure öffentlich
wirksam darzustellen und zu würdigen. So
Trotz konjunktureller Rezession wuchs Beide nahmen sich auch in Phasen hoher ist er, wie Fritz Wenzel anlässlich seines 60.
die Ingenieurgruppe Bauen auf sehr soli- Belastung im Büro Zeit für ehrenamtliche Tä- Geburtstags schrieb, zum Mahner und zum
dem Fundament tigkeiten, sei es für die Ingenieurkammer Ba- Anwalt des Berufsstands der Ingenieure ge-
1966 erschien die 1. Auflage ihres gemeinsa- den-Württemberg, für die VPI für die Mitar- worden, und er ist dies mit seinen Essays,
men Werks, des Stiglat/Wippel „Platten“, be- beit in Sachverständigen-Gremien und in Vorträgen und Büchern, wie zum Beispiel
reits 1968 wurden beide zu Prüfingenieuren Normungsausschüssen. „Ingenieure und ihr Werk“ oder, ganz neu,
für Baustatik mit den Fachrichtungen Metall- „Bauingenieur? Bauingenieur! Aufsätze, Re-
und Massivbau ernannt. Die Ingenieurgruppe Das berufsständische Wirken von Herbert den und Essays“ auch nach dem Ende der
Bauen, in einer Rezessionsphase gegründet, Wippel war dabei mehr nach innen gerichtet. aktiven Berufstätigkeit geblieben. Sein eh-
begann mit größer werdenden Aufgaben auf Er gehörte über dreißig Jahre dem statisch– renamtliches Engagement und seine Ver-
solidem Fundament zu wachsen. Ernst Buch- konstruktiven Ausschuss der Landesvereini- dienste um die Vermittlung eines dem viel-
holz war 1971 Prüfingenieur geworden, der gung der Prüfingenieure in Baden-Württem- fältigen Wirken der Bauingenieure angemes-
Prüftitel für Horst Weckesser und ein großes berg an, brachte dort seine langjährige Er- senen Erscheinungsbildes in der Öffentlich-
Klinikprojekt in Mannheim waren schließlich fahrung bei der statisch-konstruktiven Trag- keit wurden 1997 mit der Verleihung des
die Anlässe, dort 1978 das erste Zweigbüro werksplanung vieler schadensfreier Bauwer- Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstor-
einzurichten. Nach dem Fall der Mauer und ke ein und verstand es, lange Diskussionen dens der Bundesrepublik Deutschland ge-
der Wiedervereinigung wurde 1991 eine wei- im Ausschuss über die Auslegung einzelner würdigt.

12 Der Prüfingenieur | November 2012


NACHRICHTEN
2001 haben die vier Gründer des Büros den „Vertrauen, Respekt und gegenseitige Deuchler, Ralf Egner, Arnold Hummel, Diet-
Druck des Berufsalltags hinter sich gelassen Achtung sind die wahren Fundamente einer mar H. Maier und Josef Seiler inzwischen an
und sind nach 35 Jahren erfolgreicher freibe- Partnerschaft, soll sie leben und wirken“, so vier Standorten mit 150 Angestellten.
ruflicher Tätigkeit als Partner der Ingenieur- hat kürzlich anlässlich meiner Verabschie-
gruppe Bauen in den Ruhestand gegangen. dung in den Ruhestand Klaus Stiglat die Vo- Die Bürogründer Klaus Stiglat, Herbert
raussetzungen für eine dauerhaft partner- Wippel und Horst Weckesser – Ernst Buch-
Ihre Verabschiedung anlässlich der Feier schaftlich funktionierende Führungsetage holz ist leider schon 2002 verstorben – kön-
des 35-jährigen Bürojubiläums hat Klaus aus unterschiedlichsten Charakteren be- nen stolz sein auf das Büro, das sie vor fast
Werwath unter dem Titel „Abschied von den schrieben. Auf diesen Grundlagen arbeitet fünfzig Jahren gegründet haben und auf sei-
Helden“ im Deutschen Ingenieurblatt 2001, auch die verjüngte Führung der Ingenieur- ne weitere Entwicklung.
Heft 4, ausführlich gewürdigt. gruppe Bauen mit Axel Bisswurm, Frank Josef Steiner

Die Erprobung der Anwendung des Eurocode 6 für den


Mauerwerksbau wurde erfolgreich abgeschlossen
Die von der Bundesvereinigung der Prüf- ■ Brehm Bauconsult GmbH (Bensheim) und Anhänge angepasst und die Ergebnisse auf
ingenieure für Bautechnik geforderte ■ Jäger Ingenieure GmbH (Radebeul), einem Workshop am 24. Januar 2012 ausge-
Anwendungserprobung des Eurocode 6 wertet.
für den Mauerwerksbau ist im März sodass sowohl Prüfingenieure als auch Auf-
2012 erfolgreich abgeschlossen worden. steller ausgewogen beteiligt waren. Die Ko- Die zweite Phase der Anwendungserpro-
Koordiniert von der Deutschen Gesell- ordinierung hatte freundlicherweise die bung hat gezeigt, dass nunmehr Bemessun-
schaft für Mauerwerks- und Wohnungs- DGfM übernommen, die insbesondere an der gen auf dem wirtschaftlichen Niveau der DIN
bau (DGfM) und gefördert vom Deut- Bewahrung einer wirtschaftlichen Bemes- 1053-1 annähernd durchgängig möglich
schen Institut für Bautechnik (DIBt) sind sung interessiert ist. sind. Toleranzen in der Zielgenauigkeit müs-
dafür von fünf Ingenieurbüros repräsen- sen jedoch zweifelsohne zugestanden wer-
tative Beispielobjekte bearbeitet wor- Die Ziele der Anwendungserprobung wa- den.
den. Im Ergebnis konnten Modifikatio- ren der Vergleich der Ausnutzungsgrade nach
nen in den Nationalen Anhängen vorge- DIN 1053-1 und Eurocode 6 sowie die Beur- Die Handhabung des Eurocode 6 wird
sehen werden, die zur Wirtschaftlichkeit teilung der Anwenderfreundlichkeit und Ver- durch die konsolidierte Fassung des beim
der Bemessung beitragen. Ebenso haben ständlichkeit des Eurocode 6 sowie seiner Beuth-Verlag erscheinenden DIN-Handbuchs
sich wertvolle Hinweise für die Anwen- Nationalen Anhänge. („Handbuch Eurocode 6 – Mauerwerksbau“)
dung ergeben. Der EC 6 ist vom Umfang deutlich vereinfacht werden. Dort sind Nor-
her überschaubar und für bisherige An- Die aus der Ingenieurpraxis stammenden mentext und Nationaler Anhang überscho-
wender der DIN 1053-100 gut handhab- Beispiele aus realen, bereits ausgeführten ben abgedruckt, sodass eine leichte Einarbei-
bar. Er besitzt für 85 Prozent der Anwen- Gebäuden enthielten im Wesentlichen nor- tung möglich ist. Einige der bisher bekannten
dungsfälle im Hochbau ein vereinfachtes mal ausgelastete Bauteile, während an den deutschen Regelungen sind dort wiederzufin-
Verfahren, dessen Form und Umfang sich von der DGfM ausgewählten Referenzhäu- den.
bei diesem Pilotprojekt bewährt haben. sern hoch ausgelastete Bauteile dreier Haus-
typen (Reihenhaus, Einfamilienhaus und Die erfolgreiche Anwendungserprobung
Im Aprilheft 2011 Der Prüfingenieur (Seite Mehrfamilienhaus) für vier verschiedene war ein Baustein für die am 26. Juni 2012
6) hatte die Bundesvereinigung einen Aufruf Stein-Mörtel-Kombinationen untersucht wur- vom DIBt veröffentlichte Gleichwertigkeitser-
gestartet, sich an dem Projekt zu beteiligen den. Die Vergleiche umfassten das genauere klärung, die eine Anwendung des Eurocode 6
beziehungsweise Anwendungsbeispiele bei- Verfahren (DIN 1053-1, DIN EN 1996-1-1 + seit dem 1. Juli 2012 ermöglicht.
zusteuern. Die Resonanz war verhalten, so- NA), das vereinfachte Verfahren (DIN 1053-
dass Anwendungsfälle aus den beteiligten 1, DIN EN 1996-3 + NA) und das stark ver- Für die Einarbeitung sei an dieser Stelle
Büros und Referenzhäuser der Deutschen Ge- einfachte Verfahren (DIN EN 1996-3 Anhang auf unterstützende Publikationen im Mauer-
sellschaft für Mauerwerks- und Wohnungs- A + NA). werk-Kalender und der Zeitschrift Mauer-
bau (DGfM) zur Auswahl kamen. An dem werk hingewiesen. In der Anwendung des EC
Projekt wirkten mit: In der ersten Phase erfolgten die Berech- 6 auftretende Fragen können im Leserforum
nungen auf Basis der Entwurfsfassungen der der Zeitschrift Mauerwerk gestellt werden.
■ Das BfB Büro für Baukonstruktionen Nationalen Anhänge. Die Ergebnisse, die auf
GmbH (Karlsruhe), einem Workshop am 22./23. August 2011 in ([email protected])
■ das Ingenieurbüro Dr. Brauer GmbH (Dor- Berlin vorgestellt wurden, flossen in die
magen), Überarbeitung der Nationalen Anhänge ein. Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger
■ Trag Werk Ingenieure Döking+Purtak Part- In der zweiten Phase wurden die Berechnun-
nerschaft (Dresden), gen an die endgültige Version der Nationalen

Der Prüfingenieur | November 2012 13


BRANDSCHUTZ

Ein ingeniöses Brandschutzkonzept für Daniel Libeskinds


Militärhistorisches Museum in Dresden
Alle gesetzlich verlangten Schutzziele konnten trotz
beträchtlicher Konfliktpunkte erreicht werden
Das neue Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dres- 1 Einführung: Planungsintention und
den ist in jeder Beziehung ein ganz besonderer Bau. Nicht nur
des Architekten Daniel Libeskinds nur scheinbar so brutaler Keil bauliche Gegebenheiten
hat es weltberühmt gemacht und jeden Tag zigtausende Besu-
cher zum Nachdenken animiert, sondern auch die höchst diffizi- Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr (MHM) hat den Auf-
len Brandschutzprobleme hatten es in sich, die dieser alt-neue trag, die deutsche Militärgeschichte von den Anfängen bis zur Gegen-
Bau aufwarf. Dennoch ist es den Ingenieuren gelungen, für die- wart im historischen Gesamtzusammenhang darzustellen. Der Schwer-
ses besondere Museumskonzept auch einen ganz besonderen punkt liegt auf der Darstellung der militärischen Entwicklung in
Brandschutzplan zu kreieren, mit dem sie bauliche, sicherheits- Deutschland seit 1945. Hier liegt besonderes Gewicht auf der Geschich-
technische und organisatorische Maßnahmen zu einem schlüs- te der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee in ihrer Einbindung
sigen Konzept komponierten, das alle gesetzlichen Schutzziele in die jeweiligen Bündnissysteme bis in die heutige Zeit. Neben dem
für die Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und Auftrag zum Ausstellen gehören Bildung und Forschung sowie Sam-
für den Schutz von Leben und Gesundheit erreicht, obwohl dies meln, Bewahren und Erhalten zur übergeordneten Aufgabe des MHM.
mehrerer mächtiger Konfliktpunkte wegen zunächst unmöglich
erschien. In dem folgenden Beitrag werden daher sowohl das Multiperspektivisch, kritisch modern und auf der Höhe der For-
Brandschutzkonzept der Ingenieure als auch die Konfliktpunkte schung – so möchte die Bundeswehr Militärgeschichte begreifen und
erläutert, die ihm zunächst entgegenstanden. erzählen. Sie versteht ihr Museum deshalb nicht primär als technikge-
schichtliches, sondern als modernes kulturhistorisches Museum. Es
soll über unsere Geschichte informieren, zu Fragen anregen und ver-
schiedene Antworten anbieten. Ein Museum, das ohne Pathos eine kri-
tische Auseinandersetzung anstrebt und zum Denken anregt.

Abb. 1: Kühn und kompromiss-


los schlägt Daniel Libeskind
Dipl.-Ing. Sylvia Heilmann seinen weltberühmten Keil aus
Stahl und Glas …
hat an der Technischen Hochschule Leipzig Bauingenieurwesen
(Konstruktiver Ingenieurbau) studiert und führt seit 1997 ein In-
genieurbüro für Brandschutz und Baustatik; seit 1999 ist sie Prüf-
ingenieurin für Brandschutz und seit 2000 öffentlich bestellte und
vereidigte Sachverständige für baulichen Brandschutz; seit 2002
ist sie Dozentin am Europäischen Institut für postgraduale Bil-
dung (EIPOS) der Technischen Universität Dresden AG sowie an
zahlreichen anderen Bildungsinstituten und Ingenieur- und Archi-
tektenkammern; seit 2006 hat sie einen Lehrauftrag für Brand-
schutz an der Technischen Universität Dresden, und seit 2008 ar-
beitet sie in der Arbeitsgruppe „Basisnorm“ im DIN-Normenaus-
schuss Bau für „Brandschutzingenieurverfahren“ (005-52-21)
mit; ihre zahlreichen Fachveröffentlichungen über Brandschutz
gehören mittlerweile zur Standardliteratur Abb. 2: … durch das historische Gemäuer des Militärhistorischen
Museums der Bundeswehr in Dresden

14 Der Prüfingenieur | November 2012


BRANDSCHUTZ

© Daniel Libeskind AG, Zürich


Der bislang reinste Libeskind-Bau in Dresden – wie der Architekt wohl selbst gesagt hat

ne Ausdehnung in Nord-Süd-Richtung von etwa 72 Meter auf (Abb.


3). Die Firsthöhe des bestehenden Gebäudes beträgt etwa 20,50 Me-
ter. Die geplante Gebäudeerweiterung in Form eines Keils ist fünfge-
schossig und mit einer Längenausdehnung von etwa 100 Meter ge-
plant. Der Neubaukeil ist wegen seiner Neigung unterschiedlich hoch:
der höchste Punkt auf der Südseite liegt etwa 30 Meter über Gelände
und der niedrigste Punkt auf der Nordseite etwa 17 Meter über der
Geländeoberkante. Durch den Neubaukeil inmitten des historischen
Gebäudes entsteht ein kleiner Innenhof.

2 Baurechtliche Grunddaten
Die Sächsische Bauordnung (SächsBO) in der Fassung von 28. Mai
Abb. 3: Der Lageplan des Militärhistorischen Museums der Bundes- 2004 bildet die gesetzliche Grundlage des Brandschutznachweises für
wehr in Dresden: Die Längenausdehnung in Ost-West-Richtung be- das Militärhistorische Museum und wird durch die dazugehörige Ver-
trägt 123 und in Nord-Süd-Richtung 72 Meter waltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur
Sächsischen Bauordnung (VwVSächsBO) in der Fassung von 18. März
Architekt des Neubaus des Militärhistorischen Museums der Bun- 2005 einschließlich der nach geschalteten Richtlinien ergänzt.
deswehr in Dresden mit seinem charakteristischen Keil ist der US-ame-
rikanische Stararchitekt Daniel Libeskind, der die Architekturgeschich- 2.1 Einordnung gemäß § 2 (3) SächsBO
te des 21. Jahrhunderts wie kaum ein anderer geprägt hat. In Dresden Im Militärhistorischen Museum befindet sich der Fußboden der im vierten
kann die deutsche Museumslandschaft auf einen weiteren symbol- Obergeschoß liegenden Nutzungsbereiche mit Aufenthaltsräumen bei et-
trächtigen Bau schauen, den der Architekt selbst als bislang reinsten wa 20 Meter mehr als 13 Meter über dem Gelände. Das Gebäude ist ge-
Libeskind-Bau bezeichnet. Der Dresdner Keil reiht sich in eine Reihe mäß § 2 (3) Nr. 5 SächsBO ein Gebäude der Gebäudeklasse 5.
weltbekannter Libeskind-Museen, wie dem jüdischen Museum Berlin
oder dem Imperial War Museum Manchester, ein.* 2.2 Baurechtliche Stellung gemäß § 2 (4) SächsBO
Aufgrund
Kühn und kompromisslos schlägt Libeskind den Keil aus Stahl und ■ der Gesamtfläche des Gebäudes mit mehr als 1.600 Quadratmetern,
Glas (Abb. 1) mitten durch das alte Gemäuer des Militärhistorischen ■ der geplanten Nutzung von Räumen durch mehr als 100 Personen,
Museums (Abb. 2). Gewagt ist das, und gleichwohl ist Libeskind da- ■ der geplanten Nutzung als Versammlungsstätte und
mit eine virtuose Kombination von Alt und Neu gelungen, welche, so ■ der geplanten Nutzung als Restaurant mit mehr als 40 Gastplätzen
scheint es, die Geschichte des Bauwerks zum Sprechen bringt. ist das Gebäude gemäß § 2 (4) Nr. 3, 6, 7 und Nr. 8 SächsBO ein Son-
derbau. Für diesen Sonderbau sind nach § 51 SächsBO die Erleichte-
Der Keil zerschneidet die räumliche Ordnung des Arsenals und er- rungen oder besonderen Anforderungen nach der Sächsischen Ver-
laubt so eine grundlegende Neuorientierung des Museums. Nicht nur, sammlungsstätten-Verordnung (SächsVStättVO) anzuwenden, soweit
dass der Keil Sinnbild des Aufbruches der Dresdner gegen Krieg und deren Geltungsbereich erreicht ist.
Zerstörung ist, er ist auch ein Mahnmal und erinnert an die V-Formati-
on der Flugzeuge während des Bombenangriffes auf Dresden im Feb- 2.3 Geltungsbereich der SächsVStättVO
ruar 1945. Der Geltungsbereich der SächsVStättVO ist wie folgt definiert:

Das nicht unterkellerte, dreigeschossige Hauptgebäude weist eine Die Vorschriften dieser Verordnung gelten für den Bau und Betrieb
Längenausdehnung in Ost-West-Richtung von etwa 123 Meter und ei- von
... Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen, die einzeln
*Diese Einführung entstammt der Website des Museums: mehr als 200 Besucher fassen. Sie gelten auch für Versammlungsstät-
www.mhmbw.de ten mit mehreren Versammlungsräumen, die insgesamt mehr als 200

Der Prüfingenieur | November 2012 15


BRANDSCHUTZ
Besucher fassen, wenn diese Versammlungsräume gemeinsame Ret- 4 Ausgewählte Brandschutzkonflikte
tungswege haben; ...
und deren konzeptionellen Lösungen
Die Vorschriften der SächsVStättVO gelten nach ihrem Paragrafen
1 (3) Nr. 3 nicht für Ausstellungsräume in Museen. Die Sächsische Bauordnung (SächsBO), nach der dieses Museum zu
bewerten war, enthält eine Vielzahl materieller Anforderungen zur
Im Militärhistorischen Museum sind neben den bestimmungsgemäß Umsetzung der oben definierten Schutzziele. Diese Maßnahmen sind
notwendigen Ausstellungsräumen auch weitere Versammlungsräume zunächst hinsichtlich der Risikosituation auf herkömmliche Wohn- und
(zum Beispiel Foyer, Restaurant, Konferenzraum usw.) geplant. Diese Bürohäuser ausgerichtet und erlauben die Einhaltung der bauaufsicht-
unterliegen gemäß § 1 (1) dem Geltungsbereich der SächsVStättVO. lich definierten Schutzziele des vorbeugenden baulichen Brandschut-
zes ohne technische oder organisatorische Maßnahmen.

3 Schutzziele nach europäischem In logischer Konsequenz können durch den Einsatz von sicherheits-
Standard technischen Maßnahmen, wie zum Beispiel einer automatischen
Brandmeldeanlage sowie der hier im Museum geplanten vollflächigen
Das europäische Sicherheitskonzept im Anhang I der Richtlinie automatischen Feuerlöschanlage, Abweichungen von geltenden Vor-
89/106/EWG des Rates vom 21.12.1988 unterscheidet sich hinsichtlich schriften zulässig sein.
der Schutzziele kaum vom deutschen Sicherheitskonzept.
In diesem Fall wird auf andere, als der in der SächsBO vorgeschrie-
Das Bauwerk muss danach so entworfen und ausgeführt sein, dass bei benen Weise dem Zweck einer technischen Vorschrift gleichermaßen
einem Brand die in Abb. 4 gelisteten fünf Schutzziele eingehalten werden. entsprochen und so das definierte Schutzziel auf andere Art erreicht.

Die Kompensation der baulichen Defizite durch sicherheitstechni-


Schutzziel 1 Erhalt der Tragfähigkeit des Bauwerks
sche Brandschutzmaßnahmen ist insbesondere für das bestehende Mi-
während eines bestimmten Zeitraumes
litärhistorische Museum von maßgebender Bedeutung, da die heute
Schutzziel 2 Begrenzung der Entstehung und Ausbrei- geltenden Brandschutzvorschriften ohne Substanzverlust, der einem
tung von Feuer und Rauch innerhalb des Abriss gleichkäme, nicht im vollen Umfang umsetzbar sind.
Bauwerks
Schutzziel 3 Begrenzung der Ausbreitung von Feuer auf Im Folgenden werden die Konfliktpunkte näher erläutert, die das
benachbarte Bauwerke Brandschutzkonzept wesentlich prägen, sowie die Konfliktlösung und
deren Schutzzielerfüllung dargestellt.
Schutzziel 4 Möglichkeiten für Personen, das Gebäude
unverletzt verlassen oder durch andere 4.1 Konflikt 1: Feuerwiderstand der Konstruktion
Maßnahmen gerettet werden zu können
Das Hauptproblem resultiert aus der vorhandenen Konstruktion. Der
Schutzziel 5 Berücksichtigung der Sicherheit der historische Massivbau ließ zunächst ein robustes Tragverhalten im
Rettungsmannschaften Brandfall vermuten, was sich allerdings nach genaueren Untersuchun-
gen der Tragwerksplaner nicht bestätigte. Dreißig Minuten Standsi-
Abb. 4: Diese fünf Schutzziele musste das Brandschutzkonzept für das cherheit im Brandfall wurden der Konstruktion bescheinigt, was nicht
Militärhistorische Museum in Dresden erreichen ausreicht, um das Schutzziel 1 (siehe Abb. 4) zu erfüllen. Eine Feuer-
widerstandsdauer von mindestens neunzig Minuten ist nötig, um zu
Keines dieser Schutzziele konnte im Militärhistorischen Museum gewährleisten, dass die Besucher unverletzt aus dem Museum fliehen
durch traditionelle oder konservative Lösungen erreicht werden. Um oder durch andere Maßnahmen gerettet werden (Schutzziel 4) und
den hohen Ansprüchen und Visionen des Architekten hinsichtlich auch die Rettungsmannschaften das Gebäude sicher verlassen können
Raumgestalt und Raumerleben zu genügen, mussten auch beim Ent- (Schutzziel 5).
wurf des Brandschutzkonzeptes mutige, aber keinesfalls unsichere An-
sätze gefunden werden. Das Brandschutzkonzept hatte sich dabei im- Eine Anhebung der Feuerwiderstandsdauer durch Ertüchtigen aller
mer an der Einhaltung dieser Schutzziele zu messen. Bauteile (F30 auf F90) schloss sich wegen des damit verbundenen, er-
heblich höheren Investitionsbedarfes aus. Davon unberührt waren
Neben dem internen Prüfverfahren auf Bauherrn- und Betreibersei- aber auch Bauteile vorhanden (insbesondere Gussstützen, Stahlunter-
te (dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien und Baumanagement züge, Zugstangen usw.), die keinen klassifizierbaren Feuerwiderstand
SIB und der Bundeswehr) wurde auch eine externe Prüfung durchge- (Abb. 5) aufwiesen und daher zu ertüchtigen (F30) waren. In Abb. 5
führt, so dass dieses besondere und einzelfallbezogene Brandschutz- und Abb. 6 ist eine Ertüchtigung eines Stahlträgers mit Trockenbau,
konzept seine hoheitliche Bestätigung fand. der auf einer Gussstütze (Ertüchtigung mit Dämmschichtbildner) ruht
und selbst die Holzbalkendecke trägt, dargestellt.
Mit dem Nachweis der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit der
Planung des Architekten, der Daniel Libeskind AG Zürich, wurde das Das Defizit im Zusammenhang mit der Feuerwiderstandsdauer wur-
allgemeine Planungsziel unter Bezug auf die öffentlich-rechtlichen de letztlich durch den Einbau einer vollflächigen automatischen Feuer-
Vorschriften erreicht. Abweichungen von gesetzlichen Vorschriften löschanlage kompensiert. Diese soll einerseits für eine Kühlung der
wurden hinsichtlich des Gefährdungspotentials eingeschätzt und zur Bauteile sorgen, um deren Tragverlust im Brandfall zu verhindern, und
Wahrung des definierten Sicherheitsniveaus durch Kompensations- sie kann andererseits die Brandausbreitung (Schutzziel 2) begrenzen
maßnahmen neutralisiert. (siehe weiter: Konflikt 2).

16 Der Prüfingenieur | November 2012


BRANDSCHUTZ
Zu weiteren Reduzierung des Brandausbreitungsrisikos wurden
Räume, in denen keine Sprinkleranlage eingebaut werden konnte, in
F 90/T 30 und Räume mit besonderen Funktionen in F 30/T 30 abge-
trennt.

4.3 Konflikt 3: Anwesenheit vieler Personen, die ortsunkundig


sind
Das Museumskonzept basiert darauf, dass die Besucher im Erdge-
schoß über die Personenaufzüge, die sich im Keil in einer so genannten
vertikalen Vitrine (Abb. 8) befinden, zunächst in das vierte Oberge-
schoß transportiert werden, um dort den Besucherrundgang am
„Dresden-Blick“ zu beginnen. Der Besucherrundgang startet also im
vierten Obergeschoß am „Dresden-Blick“ (Abb. 9). Alle Besucher des
Museums halten sich damit zunächst im vierten Obergeschoß auf. So
ergibt sich dort eine viel höhere Personenbelegung als sie entstehen
Abb. 5: Blick auf die mit Trockenbau in F30 ertüchtigte Stahl-Guss- würde, wenn der Rundgang im Erdgeschoss beginnen würde.
Konstruktion unter der Holzbalkendecke

Abb. 7: Modellbild Raumverbund über alle Geschosse

Abb. 6: Detailzeichnung für die Ausführungsplanung

Die darüber hinaus konzipierte automatische Brandmeldeanlage


soll eine schnelle Detektion von Rauch absichern, so dass unverzüglich
nach Brandausbruch hilfeleistende Stellen zur Einleitung wirksamer
Löschmaßnahmen alarmiert werden können. Die Brandmeldeanlage
(BMA) der Kategorie 1 nach DIN 14675 dient gleichwohl auch der Per-
sonensicherheit und gilt als positives Element bei der Schutzzielerfül-
lung Nr. 4.

4.2 Konflikt 2: Raumverbund über alle Geschosse


Die Besonderheit des Keils besteht darin, dass durch ihn alle Ge- Abb. 8: Modellbild von der alle Geschosse verbindenden Vitrine
schosse über innere Lufträume (sogenannte Vitrinen, siehe Abb. 7
und Abb. 8) miteinander in Verbindung stehen, sodass sich die
vorhandene Brandabschnittsfläche aus der Summe aller Geschoss-
flächen ergibt.

Ein brandschutztechnischer Raumabschluss zwischen den Geschos-


sen ist im Keil nicht gewünscht. Zudem sind aufgrund des Museums-
konzeptes Öffnungen in den Keilwänden ohne Verschluss vorgesehen
(siehe weiter: Konflikt 4), was ein erhöhtes Risikopotential für die
Brandausbreitung birgt. Letztlich verlangt auch das raffinierte Lüf-
tungs- und Entrauchungskonzept Nachström-Öffnungen in den Keil-
wänden, welche die Brandabschnittstrennung konterkarieren. Somit
ist bei dieser besonderen Museumsarchitektur ein deutlich höheres Ri-
siko für die Brandausbreitung festzustellen, das durch die geplante au-
tomatische Feuerlöschanlage gemindert werden konnte und so letzt-
lich die Genehmigungsfähigkeit gegeben war. Abb. 9: Der Dresden-Blick im vierten Obergeschoß

Der Prüfingenieur | November 2012 17


BRANDSCHUTZ

Abb. 10: Planauszug aus der Evakuierungsberechnung mit Brandabschnitten

Dies hatte maßgeblichen Einfluss auf das Evakuierungskonzept,


welches einerseits die theoretisch möglichen (basierend auf dem Flä-
chenangebot) und andererseits die praktisch zulässigen (basierend auf
den zur Verfügung stehenden Ausgangsbreiten) Besucheranzahlen zu
berücksichtigen hatte.

Daher wurde für das Militärhistorische Museum Dresden eine Eva-


kuierungsberechnung nach Predtetschenski/Milinski durchgeführt, in
deren Ergebnis die tatsächlich zulässige Personenzahl in den jeweili-
gen Ausstellungsräumen in Abhängigkeit von der maximalen Evakuie-
rungslänge sowie der vorhandenen Rettungswegbreiten festgelegt
wurde (Abb. 10).

Zudem wird die Personensicherheit durch folgende Sicherheitstech-


nik weiter gesteigert: Abb. 11: Darstellung der vier Brandabschnitte (BA1 bis BA4)
■ Automatische Feuerlöschanlage (Wasser) CEA 4001,
■ Gaslöschanlagen (VdS),
BA 1 Altbau West 3.900 m² (Summe EG und 1.OG, da kein
■ automatische Brandmeldeanlage Kategorie 1 (DIN 14675),
klassifizierter Raumabschluss)
■ Rauchansaugsystem in den Vitrinen (DIN EN 54-20),
■ Alarmierungsanlage mit Sprachdurchsage (DIN VDE 0833), BA 2 Neubaukeil 4.100 m² (Summe der infolge Luftraumver-
■ Sicherheitsbeleuchtung (DIN EN 50172), bundes zusammenhängenden Flächen EG
■ Sicherheitskennzeichnung (DIN 4844), – 4.OG)
■ Anlagen zur natürlichen und mechanischen Ableitung von Rauch BA 3 Altbau Ost I 2.700 m² (Summe EG und 1.OG, da kein
und Wärme (DIN EN 12101), Raumabschluss)
■ Aufzug mit Brandfallsteuerung (DIN EN 81-73),
BA 4 Altbau Ost II 3.600 m² (Summe EG und 1.OG, da kein
■ Sicherheitsstromversorgungsanlage (DIN VDE 0108).
Raumabschluss)

Abb. 12: Maximale Brandabschnittsflächen

18 Der Prüfingenieur | November 2012


BRANDSCHUTZ

Abb. 13: Sprühflutanlage als Öffnungsschutz, Vitrine muss in den erforderlichen Sprinklerschutz „versetzt“ werden

4.4 Konflikt 4: Brandabschnittstrennung


Die Gebäudeausdehnung, die durch den Keil nicht nur flächenmäßig
erweitert wird, sondern auch durch den architektonisch gewollten Ver-
zicht auf den Deckenverschluss im Bereich der sogenannten Vitrinen
(Abb. 8) einen umfänglichen Raumverbund über alle Geschosse er-
fährt, verlangt zur Erfüllung von Schutzziel 2 eine Unterteilung in
Brandabschnitte (BA) (Abb. 11).

Die Keilwände, die einen Neigungswinkel von 75 Grad aufweisen,


was im Übrigen besondere Aufmerksamkeit bei den Durchgangshöhen
erfordert, wurden als innere Brandwand ausgebildet, was bei einer
Stahlbetonkonstruktion unproblematisch ist.

Darüber hinaus wird brandschutztechnisch auch in den Altbau-


teilen keine raumabschließende Geschosstrennung zwischen dem
Erdgeschoß und dem ersten Obergeschoß realisiert. Die Geschoss-
decke zwischen Erdgeschoß und erstem Obergeschoß im Altbau ist
ausschließlich hinsichtlich der Tragfähigkeit als feuerhemmende
Konstruktion im Bestand bereits vorhanden, was aufgrund der ge-
planten brandschutztechnischen Sicherheitstechnik (automatische
BMA, Sprinkleranlage) auch belassen werden konnte. Ab dem ers-
ten Obergeschoß erfüllen die Geschossdecken den feuerhemmen-
den Raumabschluss.

Es ergeben sich nach Abb. 11 die in Abb. 12 gelisteten maximalen


Brandabschnittsflächen.

Der feuerbeständige Raumabschluss der notwendigen Öffnungen


in den inneren Bandwänden konnte nutzungsbedingt und aufgrund Abb. 14: Öffnung in der Keilwand mit Sprühflutanlage

Der Prüfingenieur | November 2012 19


BRANDSCHUTZ

Abb. 15: Mäandrierendes Vitrinensystem

4.5 Konflikt 5: Rauchabführung


Im Keil erfolgt die Entrauchung, welche durch die Brandmeldeanlage
automatisch angesteuert wird, maschinell mittels auf dem Dach ange-
ordneter Rauchgasventilatoren. Im Ergebnis der vorgelegten Brandsi-
mulationsberechnung wurden die Brandgasventilatoren genau positio-
niert, die erforderlichen Rauchabzugsmengen sowie die erforderlichen
Zuluftmengen festgelegt und in einer Entrauchungsmatrix integriert.

Die Rauchabführung in den Altbauteilen erfolgte auf herkömmliche


Weise über Fenster.

4.6 Konflikt 6: Ausstellung


Die Ausstellungsplanung verlangte ebenfalls besondere Aufmerksam-
Abb. 16: Vorderansicht des Vitrinensystems keit. So waren zum Beispiel in der Chronologie die Hauptgänge durch
die mäandrierenden Vitrinen in einer Entfernung von mehr als 20 Me-
der erforderlichen Nachström-Öffnungen für die Rauchabführung im ter vorgesehen, was als unzulässig bewertet wurde (Abb. 15 und
Keil nicht konsequent hergestellt werden. Um das Schutzziel 2 (Be- Abb. 16). Es mussten zusätzliche Ausgangsmöglichkeiten im Bereich
grenzung der Brandausbreitung innerhalb des Gebäudes) dennoch der Vitrinen geschaffen werden.
ausreichend sicher zu garantieren, wurden im Sturzbereich der Durch-
trittsöffnungen Wasserschleieranlagen als Sprühflutanlagen mit ver-
dichteten, offenen Sprühdüsen in zwei beziehungsweise drei Ebenen Projektdaten und Projektbeteiligte
(unter dem Sturz, hinter und vor dem Sturz) realisiert (Abb. 13 und Bauherr: Bauherr: Bundesrepublik Deutschland (Staatsbetrieb
Abb. 14) Aufgrund der schrägen Wände musste darauf geachtet wer- Sächsisches Immobilien- und Baumanagement, Dresden)
den, dass der Sprinklerschutz allseits gegeben ist. Gebäudedaten: BGF: 24.000 Quadratmeter
Ausstellungsfläche: 18.000 Quadratmeter
Unterstützt wurde dieses System durch ein geschicktes Entrau- Baukosten: 44 Millionen Euro (inklusiv Ausstellung)
chungskonzept, welches die Luftführung im Brandfall unter Berück- Projektbeteiligte:
sichtigung der Druckkaskaden regelt. Architekt: Daniel Libeskind AG, Zürich, Schweiz
Ausstellung: Holzer Kobler Architekturen, Zürich
Mit der geplanten Brandabschnittsunterteilung und der automati- Bauausführung: Reese Lubic Wöhrlin Architekten, Berlin
schen Feuerlöschanlage sowie dem Entrauchungskonzept aufgrund ei- Gebäudetechnik: IPRO Dresden
ner spezifischen Brandsimulationsberechnung wird insgesamt eine Tragwerksplanung: GSE Ingenieur-Gesellschaft, Berlin
übergroße Brandausbreitung begrenzt, so dass die bauordnungsrecht- Prüfingenieur Statik: CSZ Ingenieurconsult, Dresden
lichen Sicherheitsgrundsätze und die Schutzziele 1, 2, 4 und 5 erfüllt Brandschutz: Ingenieurbüro Heilmann, Pirna
werden. Das Schutzziel 3 wird durch ausreichende Abstände zu be- Prüfingenieur Brandschutz: Dipl.-Ing. Merz, Dresden
nachbarten Gebäuden eingehalten.

20 Der Prüfingenieur | November 2012


BRANDSCHUTZ

Experimentelle und theoretische Brand- und Rauchsimula-


tionen als Grundlage einer effizienten Brandschutzplanung
Brandschutzingenieurverfahren für ein mit den Schutz-
zielen der Bauordnung gleichwertiges Sicherheitsniveau
Weil sich die Brandschutzplanung nicht in jedem Fall und für al- 1 Einführung
le Gebäudetypen allein auf die Umsetzung baurechtlicher Re-
gelwerke stützen kann, kann es eine Aufgabe der Brandschutz- Die Möglichkeit, Simulationsrechnungen mit dem Ziel einzusetzen, die
ingenieurverfahren sein, für von der Bauordnung abweichende Umsetzung von konkret in baurechtlichen Regelwerken genannten An-
Bauweisen ein mit den Schutzzielen der Bauordnung gleichwer- forderungen alternativ nachzuweisen, ist durch baurechtliche Regelwer-
tiges Sicherheitsniveau aufzuzeigen. Im vorliegenden Beitrag ke gegeben. Abweichungen im Sinne von Paragraf 67 der Musterbau-
wird deshalb anhand ausgewählter Beispiele dargestellt, inwie- ordnung der Länder (MBO) und auch im Sinne von Paragraf 3 MBO sind
weit eine Brand- und Rauchsimulation eine Brandschutzpla- gewollte Mittel des Baurechtes, die einen Nachweis der Gleichwertigkeit
nung unterstützen kann. der abweichend vom Baurecht geplanten Bauweise erfordern. Somit
muss eine Brandschutzplanung, die Abweichungen von geltenden bau-
rechtlichen Regelwerken beinhaltet, diesen Nachweis einschließen.

Nachweise können unter anderem mit Hilfe von Brand- und Rauch-
simulationen geführt werden. Hierbei ist zunächst noch offen, ob die
Simulationen theoretischer oder experimenteller Art sind. Beide Mög-
lichkeiten sind in Wissenschaft und Forschung, in baurechtlichen Re-
gelwerken und auch in Baugenehmigungsverfahren genannte und
praktizierte Mittel.

Als experimentelle Brandsimulationen sind unter anderem Bauteil-


und Baustoffprüfungen zu nennen, die zu Einstufungen in Feuerwider-
standsklassen (beispielsweise mit Bezug auf allgemeine bauaufsichtli-
che Prüfzeugnisse oder auf allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen)
und in Eingruppierungen zu Baustoffklassen führen können. Zu den
experimentellen Rauchsimulationen zählen Experimente zur Untersu-
chung der Toxizität unter ganz bestimmten Brandrandbedingungen
und experimentelle Untersuchungen der Rauchausbreitung im Gebäu-
de mittels Generatoren von warmem und kaltem Rauch.

Simulationsrechnungen oder auch Simulationsexperimente bedie-


nen sich der Ingenieurmethoden des Brandschutzwesens. Unter Inge-
nieurmethoden im Brandschutz versteht man die Anwendung von in-
genieurmäßigen Verfahren, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen
beruhen und die auch zusätzlich empirisch gewonnene Ansätze und
Erkenntnisse verwenden.

Man verlangt im Allgemeinen hinsichtlich der Akzeptanz dieser In-


Dr.-Ing. Dietrich Eckhard Hagen genieurmethoden, dass diese verifiziert und validiert sind. Letztge-
nanntes ist für die bauaufsichtliche Akzeptanz von Nachweisen auf der
hat von 1974 bis 1980 an der TU Braunschweig studiert und am Basis von Ingenieurmethoden wesentlich.
dortigen Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz pro-
moviert; seit 1996/97/2005/2008 ist er öffentlich bestellter und Baurechtlich ist der Einsatz von Ingenieurmethoden (und damit von
vereidigter Sachverständiger für Brandschutz, staatlich anerkann- Brand- und Rauchsimulationen) in zahlreichen Querverweisen zum
ter Sachverständiger für die Prüfung des Brandschutzes bei der Baurecht abgesichert. So ist im Anhang zur Industriebaurichtlinie als
Ingenieurkammer Bau NRW, Nachweisberechtigter für den vor- ein Grundsatz für die Aufstellung von Nachweisen festgehalten, dass
beugenden Brandschutz bei der Ingenieurkammer Thüringen und auf der Grundlage von Methoden des Brandschutz-Ingenieurwesens
für den vorbeugenden Brandschutz bei Gebäuden der Gebäude- durch wissenschaftlich anerkannte Verfahren (zum Beispiel mit Wär-
klasse 4 und 5 und von Brandschutzkonzepten bei Sonderbauten mebilanzrechnungen) nachgewiesen wird, dass für sicherheitstech-
im Saarland beim Ministerium für Umwelt in Saarbrücken sowie nisch erforderliche Zeiträume die vorhandenen Rettungswege benutz-
Prüfingenieur für Brandschutz bar sind, eine wirksame Brandbekämpfung möglich ist und die Stand-
sicherheit der Bauteile gewährleistet ist.

Der Prüfingenieur | November 2012 21


BRANDSCHUTZ
Genau diese Ziele werden bei einfachen Nachweisen entsprechend Schutzzielkonflikte sind in Verbindung mit Denkmalschutzanforde-
der Industriebaurichtlinie (beispielsweise Nachweis mit den Tabellen rungen denkbar, die regelkonformen Ausführungen hinsichtlich des
der Ziffer 6 oder Nachweis mit dem einfachen rechnerischen Verfahren Brandschutzes entgegenstehen können. Vorgegebene Randbedingun-
der Ziffer 7) auch verfolgt, sie entsprechen den allgemeinen Schutzzie- gen, die die entsprechend heutiger Bestimmung zu realisierenden
len des in der MBO festgelegten Brandschutzniveaus. Brandschutzmaßnahmen erschweren, sind häufig durch bestehende
Gebäude gegeben.
In der Überschrift dieses Beitrages ist der Begriff „effiziente“
Brandschutzplanung genannt. Anforderungen an eine Effizienz der In Bestandsbauten können Bauteile und Baustoffe vorhanden sein,
Brandschutzplanung können mit Blick auf Kosten, auf Realisierbarkeit deren Konstruktion nicht den in Bauregellisten festgelegten Verwend-
eines Bauvorhabens, auf architektonische Gestaltung von Gebäuden, barkeitsnachweisen entspricht. Es können geometrische Randbedin-
auf Erhaltung von bestehender Bausubstanz bezogen sein, aber und gungen vorliegen (in Verbindung mit Rettungswegen, Brandabschnit-
nicht zuletzt auch auf brandschutztechnische Sicherheit. ten, Nutzungseinheiten), die mit den heutigen baurechtlichen Anfor-
derungen nicht in Übereinstimmung gebracht werden können.
Hieraus leiten sich die Begründung, die Motivation und auch die
baurechtliche Relevanz des Einsatzes von Brand- und Rauchsimulatio- Es folgt, dass insbesondere in Verbindung mit Bestandsbauten und
nen ab. mit denkmalgeschützten Gebäuden schutzzielorientierte Nachweisver-
fahren eingesetzt werden müssen, die den vorgegebenen Randbedin-
gungen Rechnung tragen und die den Nachweis der Gleichwertigkeit
2 Einsatzgebiete für Ingenieurmetho- der Lösung gegenüber baurechtlichen Anforderungen beinhalten.
den des Brandschutzes, Begründung für
Trotz der Fülle von baurechtlichen Regelwerken werden in der Rea-
Rauch- und Brandsimulationen lität baurechtlich nicht geregelte Sonderfälle mit Brandschutzkonzep-
ten zu bearbeiten sein. Beispiele hierfür sind
Bereits die baurechtlichen Regelwerke und die allgemein anerkannten
Regeln der Technik beinhalten Ergebnisse von Ingenieurverfahren oder ■ unterirdische Verkehrsanlagen (Tunnel),
leiten in Einzelfällen auch zum Einsatz von Ingenieurverfahren an. ■ Personenabfertigungsanlagen (Bahnhöfe, Flughäfen, Fährtermi-
Hierbei werden gegebenenfalls auch konkrete Vorschläge in Form von nals),
Berechnungsvorgaben gemacht. Ein Beispiel hierfür ist die Industrie- ■ für die Nutzung des Gebäudes erforderliche Spezifika, wie Atrium-
baurichtlinie, die ein abgestuftes Verfahren (abgestuft hinsichtlich der bauten, Geschossdurchbrüche in technischen Anlagen (Schwimm-
Genauigkeit der Nachweise) anbietet, um Methoden zur Umsetzung bäder), Besonderheiten mit produktionstechnischen Anlagen.
der brandschutztechnischen Schutzziele zu ermitteln. In das verein-
fachte Verfahren nach Ziffer 6 sind in Form von Tabellenwerten Er- In baurechtlichen Regelwerken ist bewusst das Instrument der Ab-
kenntnisse aus Empirie, Wissenschaft und Forschung eingeflossen. weichung (und der damit in Verbindung stehenden Kompensation)
enthalten. Wenn auch vielfach in Baugenehmigungsverfahren argu-
Anderen Regelwerken ist zu entnehmen, dass Ergebnisse von Simu- mentiert wird „in Neubauten sind Abweichungen nicht erforderlich“,
lationen Eingang in das baurechtliche Anforderungsniveau oder in das muss dennoch der Tatsache Rechnung getragen werden müssen, dass
technische Anforderungsniveau gefunden haben. Beispiele hierfür sind innovatives und individuelles Bauen ohne Abweichungen nicht mög-
lich ist.
■ Muster-Versammlungsstättenverordnung (Rettungswegbreiten,
Systematik der Breitenmodule), Daher ist der Nachweis einer ausreichenden Kompensation durch
■ DIN 18230 (erforderliche Feuerwiderstandsklasse in Abhängigkeit beispielsweise technische Anlagen in der Regel nur durch experimen-
vom sogenannten natürlichen Brand unter Verwendung eines Refe- telle oder rechnerische Simulationen zu erbringen. Beispiele hierfür
renzbauteils), können sein:
■ Eurocodes auf der Basis von DIN EN 1991 (Einwirkungen auf Trag-
werke im Brandfall, Tragwerksbemessungen für Stahlbetonbauteile, ■ die Reduktion der Feuerwiderstandsklasse durch Einsatz von Sprink-
Stahlbauteile und Holzkonstruktionen im Brandfall), leranlagen und Wärmeabzügen (System der Industriebaurichtlinie),
■ DIN 18232 – Teil 2 (Zonenmodellierung zur Ermittlung von rauch- ■ der Einsatz von brennbaren Baustoffen durch Verbesserung der
freien Zonen), Brandmeldung und Alarmierung,
■ VDI 6019 (Ingenieurverfahren zur Bemessung der Rauchableitung ■ der Verzicht auf Brandwände durch Einsatz von automatischen
aus Gebäuden), Löschanlagen oder durch Anordnung von Freiflächen (System der
Verkaufsstättenverordnungen),
in Zukunft: ■ überlange Rettungswege durch Brandmeldeanlagen, Alarmierungs-
■ DIN 18009 (in Vorbereitung, Normenausschuss„Brandschutzinge- einrichtungen und Vorrichtungen zur Rauchableitung,
nieurverfahren“) ■ zu geringe Rettungswegbreiten durch Nutzungseinschränkungen,
■ Verzicht auf einen zweiten Rettungsweg durch Anlagentechnik (Si-
und cherheitstreppenraum).
■ Arbeiten in CEN/TC 127, TG1 „Fire safety engineering“.
In den genannten Fällen ist die Diskussion zu führen, inwieweit die
Eine Notwendigkeit für den Einsatz von rechnerischer Simulation im Kompensation ausreichend ist. Insbesondere ist die Übertragung von
Sinne einer effizienten Brandschutzplanung kann durch Schutzzielkon- exakten, naturwissenschaftlich ermittelten Ergebnissen auf pragmati-
flikte und im Vorfeld bestimmende Randbedingungen gegeben sein. sche baurechtliche Anforderungen zu untersuchen.

22 Der Prüfingenieur | November 2012


BRANDSCHUTZ

3 Anwendungsbeispiele de ein 12,5 Meter langer Fahrzeugabschnitt mit einem Gewicht von
acht bis zwölf Tonnen präpariert.
Im Folgenden werden Konzepte erläutert, die aus den oben genannten
Gründen nur mit Unterstützung von experimentellen und rechneri- Um den Vollbrand im Experiment zu erreichen, wurde ein dem tat-
schen Brand- oder Rauchsimulationen zu verwirklichen waren. Bei- sächlichen Vorkommen angemessenes Zündinitial definiert. Die Anfor-
spiele werden für die Fälle derungen an ein geeignetes Zündinitial sind Realitätsnähe, Reprodu-
zierbarkeit und Risikorelevanz. In Anlehnung an tatsächliche Brandrisi-
■ keine Regelungen durch baurechtliche Regelwerke, ken in Fahrzeugen wurden Kissen aus Polyethanschaum mit Baum-
■ Schutzzielkonflikt wollbezug eingesetzt, die eine Energiefreisetzungsrate von 95 kW auf-
und wiesen und eine Branddauer von zehn bis fünfzehn Minuten hatten.
■ nicht regelkonforme Baurealisierung
herangezogen. Mit dem Experiment sollten unter anderem Energiefreisetzungsra-
ten festgestellt werden. Daher waren Messsysteme zu realisieren, die
3.1 Brandschutzkonzept für unterirdische Verkehrsanlagen und Rückschlüsse auf die Energiefreisetzungsrate geben können.
Tunnelsysteme („Keine baurechtlichen Regelwerke“)
Unterirdische Bahnhöfe sind Sonderbauten, für die keine Sonderbau- Eine Möglichkeit zur experimentellen Bestimmung der Energiefrei-
verordnungen existieren. Nutzungsbedingt und betriebsbedingt sind setzungsrate ist die Bestimmung des Massenverlustes durch Wägung
Geschossverbindungen und große Brandabschnitte erforderlich, die ei- der Bahn während des Abbrandes. Eine andere Möglichkeit liegt darin,
ne Rauch- und Temperaturausbreitung begünstigen und die eine Eva- den Sauerstoffverbrauch festzustellen.
kuierung, die in aller Regel nach oben zu erfolgen hat, behindern kön-
nen. Beide Systeme wurden eingesetzt und führten zu einer Angabe der
Energiefreisetzungsrate in Abhängigkeit von der Zeit.
Für Brandschutzkonzepte müssen die Lösungsansätze daher in der
Regel auf rechnerischen Simulationen des Brandes von Schienenfahr- Unterstützt mit den Ergebnissen dieser experimentellen Brandsimu-
zeugen und auf der rechnerischen Simulation der Rauchausbreitung in lation wurden Simulationsberechnungen für Rauch- und Temperatur-
der Verkehrsanlage (auch in Verbindung mit Evakuierungsberechnun- ausbreitung in den zu untersuchenden Raumstrukturen durchgeführt.
gen) basieren. Die eingesetzten Brandschutzmaßnahmen (im Wesentlichen Brand-
schutzabschottungen, Entrauchungsanlagen, Rauchschürzen) wurden
Die Diskussion in Verbindung mit vergrößertem Personenaufkom- unter Berücksichtigung der Energiefreisetzungsrate so dimensioniert,
men und mit mehreren Brandfällen hat zu der Erkenntnis geführt, dass dass eine Evakuierung der Bahnhöfe im Brandfall für den Lastfall
eine rechtzeitige Evakuierung für bemessungsrelevante Szenarien ge- „Vollbrand eines Fahrzeuges“ sichergestellt ist.
gebenenfalls nicht in jedem Fall nachgewiesen werden kann.
3.2 Problematik „offene Garage – geschlossene Garage“
Mit Hilfe der die Brandschutzkonzepte unterstützenden Simulation („Schutzzielkonflikt – Schallschutz – Lüftung“ und „Atypische
ist daher sowohl das Brandgeschehen mit relevanten Brandszenarien Randbedingungen“)
als auch die Verrauchung in den komplexen Gebäudestrukturen zu un- Die mit diesem Beispiel betrachtete Brandschutzproblematik ist Teil ei-
tersuchen. nes Brandschutzkonzeptes für ein oberhalb eines ICE-Bahnhofs errich-
tetes ca. 660 Meter langes und 66 Meter breites Hochhaus. Der Bahn-
Als Eingangsparameter derartiger Berechnungen sind die Gebäude- hof befindet sich in einer Höhe von ca. 12,50 Meter oberhalb der Ge-
abmessungen der Bahnhöfe und die relevanten Brandszenarien zu- ländeoberfläche in der sogenannten Ebene 03.
grunde zu legen.
Das darüber errichtete Gebäude hat eine Höhe von circa 44 Meter
Im Folgenden werden derartige Ergebnisse und Untersuchungen mit der für die Einstufung in die Gebäudeklasse relevanten Höhe von
vorgestellt, die in Verbindung mit Brandschutzkonzepten für unterirdi- 41 Meter. Der Länge nach ist das Gebäude in sechs Bauteile unterteilt,
sche Bahnhöfe der Essener Verkehrs AG erzielt wurden. der Höhe nach in die Ebenen 03 (ICE-Bahnhof, Gleise und Großgara-
ge), Ebene 04 (Großgarage) sowie Ebenen 05 bis 11 (multifunktionale
Im Rahmen von Brandversuchen wurden Ergebnisse sowohl im La- Nutzung mit Verkaufsstätten, Versammlungsstätten, Büros, Beherber-
bor als auch im Maßstab 1:1 ermittelt. Als Brandbemessungsszenario gungsstätten).
ist ein Vollbrand eines Schienenfahrzeuges im unterirdischen Bahnhof
zu unterstellen, da die Konzepte bei Betriebsstörungen zu einer Wei- Gegenstand der hier vorgestellten Untersuchung sind die Garagen
terfahrt eines beispielsweise brennenden Schienenfahrzeuges bis in in den Ebenen 3 und 4. Diese haben als äußeren Abschluss Stahlrohr-
den Bahnhof führen. fassaden erhalten. Durch die Stahlrohrfassaden wird der freie geome-
trische Querschnitt der Umfassungsbauteile auf etwa 18 bis 22 Pro-
Für die Festlegung der Brandszenarien lagen im vorliegenden Fall zent eingeschränkt.
Literaturdaten vor, die eine sehr große Streuung aufwiesen. Es war da-
her der Frage nachzugehen, ob die den rechnerischen Untersuchungen Im baurechtlichen Sinne handelt es sich somit um geschlossene,
zugrunde zulegenden Brandszenarien für den speziellen Anwendungs- oberirdische Großgaragen.
bereich relevant sind.
Entsprechend der Garagenverordnung müssen geschlossene
Zur Beantwortung dieser Frage wurde ein Brandversuch an einem Großgaragen für den Rauch- und Wärmeabzug entweder Öffnungen
Schienenfahrzeug der Essener Verkehrs AG durchgeführt. Hierfür wur- ins Freie haben, die mindestens 1.000 Quadratzentimeter je Einstell-

Der Prüfingenieur | November 2012 23


BRANDSCHUTZ
platz betragen und von keinem Einstellplatz mehr als 20 Meter ent- 3.3 Bewertung von nichtverwendbarkeitskonformen Bauteilen
fernt sind, oder es müssen selbsttätige maschinelle Rauch- und Wär- und Baustoffen („Nicht regelkonforme Möglichkeit der Baurea-
meabzugsanlagen angeordnet werden, die mindestens 16 Kubikme- lisierung“).
ter Abluft pro Stunde und Quadratmeter Garagenfläche abführen Mit dem nachfolgenden Beispiel wird ein mit einem Dämmschichtbild-
können. ner behandeltes Stahlbauteil betrachtet, das sich als tragendes und
aussteifendes Bauteil in derselben Garage befindet, die in dem Bei-
Die formale Einstufung in die Kategorie „geschlossene Garage“ spiel in Kapitel 3.2 hinsichtlich der Verrauchung untersucht wurde.
führt zunächst zusätzlich zu den Anforderungen der Lüftungsanlagen
wegen der 30 Meter-Rettungsweglängen zu einer sehr großen Anzahl Entsprechend der brandschutztechnischen Anforderungen an tra-
von Treppenräumen, die in das Rettungswegkonzept des Gebäudes gende und aussteifende Bauteile des Gesamtgebäudes (Hochhaus)
(multifunktionale Nutzung über neun Ebenen) nicht integriert werden müssen auch die tragenden und aussteifenden Bauteile der im Hoch-
konnten. Somit war zu untersuchen, ob trotz der Einstufung als ge- haus integrierten Garage feuerbeständig sein.
schlossene Großgarage ein im Sinne der Durchlüftung und im Sinne
der Entlüftung der Garage einer offenen Großgarage vergleichbarer Aus Gewichtsgründen und aus anderen, für die Garage erforderli-
Zustand geschaffen werden kann. Dies würde eine Abweichung vom chen baulichen Zwängen heraus, wurden Stahlbauteile eingesetzt, de-
Baurecht (größere Rettungsweglängen) begründen und kompensie- ren Feuerwiderstandsklasse mit einem reaktiven Brandschutzsystem
ren. realisiert wurden. Die Herstellung des Brandschutzsystems bei freilie-
genden Deckenträgern konnte unproblematisch entsprechend dem
Als Nachweismethode wurde sowohl eine rechnerische Entrau- Verwendbarkeitsnachweis erfolgen. Die Ausbildung der Details, insbe-
chungssimulation als auch eine experimentelle Entrauchungssimulati- sondere in Anschlussbereichen in angrenzenden Bauteilen, erforderte
on eingesetzt. besondere Überlegungen und Fugenausbildungen, um das im Brand-
fall bestimmungsgemäße Aufschäumen des Beschichtungssystems
Den Untersuchungen muss zunächst die Festlegung eines dem Ri- nicht zu behindern.
siko entsprechenden Brandszenariums vorangehen. So wurde unter
Berücksichtigung des Leitfadens der Vereinigung zur Förderung des Nach Fertigstellung der Beschichtungsarbeiten wurde aus bauphy-
Deutschen Brandschutzes (vfdb) als für das Brandereignis als Ver- sikalischen Gründen (Wärmeschutz) in der Ebene 04 auf das Brand-
gleichsquelle der Brand eines einzelnen PKW in der gesprinklerten schutzsystem eine nichtbrennbare Dämmung der Baustoffklasse A, be-
Garage mit einer Energiefreisetzungsrate von 2,7 MW berücksichtigt. stehend aus Foamglasplatten aufgebracht.
Hierbei wird unterstellt, dass aufgrund der automatischen Löschanla-
ge ein Übergreifen des Brandes auf benachbarte PKW verhindert Hierbei wurde der entsprechend den Verwendbarkeitsnachweisen
wird. für den Dämmschichtbildner erforderliche Abstand von drei Zentime-
tern zum reaktiven Brandschutzsystem nicht eingehalten. Als weitere
Es wurde mit den rechnerischen Simulationen festgestellt, dass sich Problematik stellte sich heraus, dass zu dem System der nichtbrennba-
bei den geplanten offenen Fassadenanteilen von 18 bis 22 Prozent ei- ren Dämmung eine mechanische Befestigung der Dämmplatten und
ne fast vollständige Verrauchung der Garage nach etwa fünf Minuten ein Voranstrich oder ein Kleber auf Bitumenbasis gehörte. Das Aufbrin-
einstellt. In weiteren Simulationen wurde im ersten Schritt die Öff- gen der Dämmung widerspricht dem Verwendbarkeitsnachweis, da
nungsfläche der Großgarage auf bis zu ein Drittel der Umfassungsbau- das Foamglas unter Temperaturbeanspruchung verharzt.
teile vergrößert (regelkonform entsprechend Garagenverordnung für
eine offene Großgarage). In einem zweiten Schritt wurde die Großga- Als Möglichkeit verblieb der Rückbau der nichtbrennbaren Däm-
rage mit einer maschinellen Rauch- und Wärmeabzugsanlage entspre- mung (die jedoch aus bauphysikalischen Gründen erforderlich ist) oder
chend den Anforderungen der Garagenverordnung versehen. der Nachweis, dass die Bauteile trotz der speziellen Bausituation die
geforderte Feuerwiderstandssicherheit über von 90 Minuten nicht ver-
Beide simulierten Optimierungen der Garagenentrauchung (größe- lieren.
re Öffnungsfläche einerseits und verordnungskonformer maschineller
Rauchabzug andererseits) führten nicht zu wesentlichen Verbesserun- Aus Kostengründen wurde der Weg der sowohl rechnerischen als
gen der Verrauchung. Somit mussten die Ergebnisse dahingehend in- auch experimentellen Untersuchung des Gesamtsystems im Einbauzu-
terpretiert werden, dass sowohl für eine regelkonform offene Großga- stand erwogen.
rage der geplanten Ausmaße als auch für eine geschlossene Großgara-
ge mit Entrauchungsanlagen eine Verrauchung im Brandfall nicht zu Im Experiment wurde ein Trägerabschnitt im Brandversuch einer
verhindern ist. Ähnliche Rechenergebnisse resultieren im Übrigen dreiseitigen Beflammung nach Einheitstemperaturkurve ausgesetzt.
auch aus anderen Untersuchungen zu dieser Thematik. Im Brandversuch wurde festgestellt, dass das Foamglas auf den be-
schichteten Flanschen zum Teil schmilzt und mit dem aufgeschäumten
Schlussendlich wurde zur baurechtlichen Durchsetzung der geplan- reaktiven Brandschutzsystem eine feste Kruste bildet. Unter dem Ge-
ten Garage mit den circa 50 Meter langen Rettungswegen eine En- misch aus Foamglas und reaktivem Brandschutzsystem betrug die ma-
trauchung mittels Schubventilatoren geplant. Die Volumenströme und ximale Stahltemperatur nach 90 Minuten circa 300 Grad Celsius. Ohne
die Standorte der Ventilatoren wurden mit Hilfe von Feldmodellsimula- Foamglasbeschichtung (nur mit dem reaktiven Brandschutzsystem ge-
tionsrechnungen festgestellt. schützt) beträgt die Bauteiltemperatur circa 500 Grad Celsius.

Die Wirksamkeit der Entrauchungsanlagen wurde in Umsetzung ei- Gleiche Ergebnisse werden auch durch rechnerische Brandsimula-
ner Auflage aus der Baugenehmigung mittels Rauchversuchen im rea- tionen erreicht. Hier wurde das Bauteil rechnerisch einer Temperatur-
len Gebäude überprüft. zeitbeanspruchung entsprechend der Einheitstemperaturkurve ausge-

24 Der Prüfingenieur | November 2012


BRANDSCHUTZ
setzt. Mit Hilfe der finiten Elemente können Bauteiltemperaturen im 5 Literatur:
Schichtaufbau (bestehend aus Foamglas, Dämmschichtbildner und
Stahlbauteil) ermittelt werden. Es zeigt sich auch hier, dass trotz ge- Musterbauordnung (MBO), Fassung November 2002, zuletzt geändert
genüber dem Verwendbarkeitsnachweis abweichendem Beschich- durch Beschluss der Bauministerkonferenz vom Oktober 2008
tungsaufbau eine Temperatur im Stahl resultiert, die deutlich unter-
halb der kritischen Stahltemperatur liegt. Fachkommission Bauaufsicht der ARGEBAU – Muster-Richtlinie über
den baulichen Brandschutz im Industriebau (Muster-Industriebauricht-
linie – M IndBauRL), Fassung März 2000
4 Zusammenfassung
Die Brandschutzplanung kann sich nicht in jedem Fall und für alle Ge- Fachkommission Bauaufsicht der ARGEBAU – Muster-Verordnung über
bäudetypen allein auf die Umsetzung baurechtlicher Regelwerke stüt- den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Muster-Versamm-
zen. Daher kann es eine Aufgabe der Brandschutzingenieurverfahren lungsstättenverordnung – MVStättV), Fassung Juni 2005
sein, für von der Bauordnung abweichende Bauweisen ein mit den
Schutzzielen der Bauordnung gleichwertiges Sicherheitsniveau aufzu- Fachkommission Bauaufsicht der ARGEBAU – Muster-Verordnung über
zeigen. den Bau und Betrieb von Verkaufsstätten (Muster-Verkaufsstättenver-
ordnung – MvkVO), Fassung September 1995
Im vorliegenden Beitrag wird anhand von ausgewählten Beispielen
dargestellt, inwieweit eine Brand- und Rauchsimulation eine Brand- Fachkommission Bauaufsicht – Projektgruppe MHHR – Muster-Richtli-
schutzplanung unterstützen kann. nie über den Bau und Betrieb von Hochhäusern (Muster-Hochhaus-
Richtlinie – MHHR), Fassung April 2008
Es wird aufgezeigt, dass der Einsatz von Brand- und Rauchsimula-
tionen in Übereinstimmung mit den baurechtlich festgelegten Wegen DIN 18230-1 – Baulicher Brandschutz im Industriebau – Teil 1: Rech-
der Brandschutznachweise steht. nerisch erforderliche Feuerwiderstandsdauer, September 2010

Brand- und Rauchsimulationen stellen Möglichkeiten dar, alternativ E DIN 18230-4: Baulicher Brandschutz im Industriebau – Teil 4: Ermitt-
zur Anwendung von vorschreibenden baurechtlichen Regeln schutz- lung der äquivalenten Branddauer und des Wärmeabzugs durch
zielorientierte Brandschutzbemessungen durchzuführen. Brandsimulation, 12. Arbeitsentwurf des NA 005-52-41, AA N 130,
September 2011
Bei wissenschaftlicher Absicherung der einsetzten Verfahren ist die
Akzeptanz der Bauaufsicht in der Regel gegeben. Durch die Anwen- DIN 18232-2 – Rauch – und Wärmefreihaltung, Teil 2: Natürliche
dung der Ingenieurmethoden (auf der Basis von rechnerischen oder Rauchabzugsanlagen (NRA), November 2007
der experimentellen Simulationen) sind Abweichungen vom Anforde-
rungsniveau des Baurechts sowohl für Bestandsbauten als auch für DIN EN 1991-1-2: Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 1-2 Allgemeine
Gebäudetypen, für die keine baurechtlichen Regelwerke existieren, be- Einwirkungen, Brandeinwirkungen auf Tragwerke; 12/2010
gründbar. Kompensationsmaßnahmen können problemnah und wirt-
schaftlich dimensioniert werden. Brandschutztechnische Ertüchti- VDI 6019 – Ingenieurverfahren zur Bemessung der Rauchableitung
gungsmaßnahmen können ggf. relativiert werden. aus Gebäuden – Ingenieurmethoden – Verein Deutscher Ingenieure –
Juli 2009

vfdb-Leitfaden – Ingenieurmethoden des Brandschutzes, Mai 2009,


herausgegeben von Dietmar Hosser, iBMB Braunschweig

Der Prüfingenieur | November 2012 25


NORMUNG

Die Projektarbeit der Initiative PraxisRegelnBau ist


komplex und anspruchsvoll
Erste Ergebnisse zeigen aber: diese Aufgabe ist notwendig
und muss zu Ende gebracht werden
Als wesentlich umfangreicher und komplizierter als alle Betei- 1 Einführung
ligten sich das vorstellten, hat sich die Aufgabe erwiesen, die
sich die Initiative Praxisgerechte Regelwerke im Bauwesen Mit der Gründung der Initiative Praxisgerechte Regelwerke im Bauwe-
(PRB) bei ihrer Gründung gestellt hat, nämlich: Verbesserung sen (PRB) im Januar 2011 verbanden die in der Praxis tätigen Inge-
von Inhalt und Präsentation der technischen Regeln der Euroco- nieure große Erwartungen hinsichtlich der Verbesserung und Vereinfa-
des durch vorwärtsgewandte Vereinfachung (und nicht etwa, chung des europäisch vereinheitlichten Technischen Regelwerks, wel-
wie Kritiker meinten: rückwärtsgerichtetes Zusammenstreichen ches seit Mitte dieses Jahres in weiten Teilen der Bundesrepublik
auf gewohnte Regelungsinhalte und -formate). Jetzt aber, nach Deutschland durch die Aufnahme in die länderspezifischen Listen der
22 Monaten Arbeit, legen die Projektgruppen ihre ersten Ergeb- technischen Baubestimmungen verbindlich anzuwenden ist. Von Sei-
nisse vor, und sie beweisen, dass es notwendig und sinnvoll ist, ten derjenigen Kollegen, die dieses Regelwerk an maßgebender Stelle
diese große Aufgabe anzugehen und erfolgreich zu Ende zu mit erarbeiteten, wurde der Initiative gegenüber auch deutliche Kritik
bringen. Die überaus positive Resonanz, die von den in der täg- geäußert. Diese Kritik, welche aus der persönlichen Perspektive be-
lichen Praxis tätigen Ingenieuren im In- und Ausland jetzt zu er- trachtet durchaus verständlich war, verkennt aber die Grundintention
fahren ist, belegt diese Einschätzung überzeugend und motivie- der PRB: Vereinfachung bedeutet Verbesserung von Inhalt und Präsen-
rend. Trotzdem: Die schiere Größe der Aufgabe hat zwangsläu- tation der technischen Regeln und nicht rückwärtsgerichtete Orientie-
fig zur Folge, dass alle Beteiligten einen sehr langen Atem ha- rung an gewohnten Regelungsinhalten und -formaten.
ben müssen: denn 37 Jahre europäischer Normenarbeit können
nicht innerhalb kurzer Zeit überarbeitet und verbessert werden. Dieses quer durch sämtliche Bauarten verlaufende Spannungsfeld
Wie lang dieser Atem noch sein muss, und was bisher in der PRB begleitet die konstituierende Phase der PRB bis heute und hat zur Fol-
an Substanziellem eruiert und geleistet worden ist, zeigt der ge, dass noch nicht alle im Zuge der Gründung geplanten Aktivitäten
folgende Beitrag. begonnen werden konnten.

Von den vorgesehenen sechs Projektgruppen (PG) innerhalb der


PRB (Tab. 1) sind derzeit die Projektgruppen 1, 2 und 6 aktiv. Bei den
Projektgruppen 3, 4 und 5 sind noch inhaltliche, organisatorische und
finanzielle Hürden zu überwinden, um in den Prozeß der Überarbei-
tung der zugehörenden Eurocodes zielgerichtet einsteigen zu können.

Projekt- Bezeichnung Zu bearbeiten- Leiter der


gruppe de Eurocodes Projektgruppe
1 Sicherheits- Eurocode 0 Dr.-Ing. Breinlinger
konzept und Eurocode 1
Einwirkungen
2 Betonbau Eurocode 2 Dr.-Ing. Fingerloos
3 Stahl- und Eurocode 3 N.N.
Dr.-Ing. Robert Hertle Verbundbau Eurocode 4

studierte das Bauingenieurwesen an der TU München und mach- 4 Holzbau Eurocode 5 N.N.
te sich 1992 als Beratender Ingenieur in Gräfelfing bei München 5 Mauerwerks- Eurocode 6 Dr.-Ing. Alfes
selbstständig; heute ist er Prüfingenieur für Baustatik (Fachrich- bau
tung Metallbau und Massivbau) und öffentlich bestellter und ver-
6 Geotechnik Eurocode 7 Dr.-Ing. Schuppener
eidigter Sachverständiger für Stahlbau und Baudynamik; er ist
Mitglied verschiedener nationaler und internationaler Normen- Tabelle 1: Übersicht über die Projektgruppen der PRB
ausschüsse im DIN und in CEN und Mitglied im Sachverständi-
genausschuss „Gerüste“ im Deutschen Institut für Bautechnik Die Dimension der Aufgabe, welche sich die PRB und ihre Projekt-
(DIBt); seit 2010 ist er Mitglied im Vorstand der Bundesvereini- gruppen vorgenommen haben, wird anhand zweier Eckdaten mehr als
gung der Prüfingenieure für Bautechnik (BVPI) und seit seiner deutlich:
Gründung Vorsitzender des Lenkungsausschusses der Initiative
Praxisgerechte Regelwerke im Bauwesen (PRB) ■ die heute zur Diskussion stehenden Eurocodes sind das Produkt des
im Jahr 1975 von der Europäischen Kommission initiierten Pro-

26 Der Prüfingenieur | November 2012


NORMUNG
gramms zur Beseitigung von Handelshemmnissen im Baubereich, Die nachfolgend vorgestellten Arbeitsergebnisse der aktiven Pro-
mithin das Ergebnis von mehr als 37 Jahren nationaler und interna- jektgruppen der PRB wurden dankenswerterweise von den Kollegen
tionaler Normungsarbeit, Florian Bodensiek, Frank Breinlinger und Wolfgang Schwind für die
PG 1, von Frank Fingerloos und Heinrich Hochreither für die PG 2 und
■ das Volumen der Eurocodes umfasst ohne nationale Anhänge und von Martin Ziegler für die PG 6 zur Verfügung gestellt.
Anwendungsdokumente derzeit 58 Teile mit insgesamt über 5200
Seiten. Ergänzend sei an dieser Stelle auf die erste PRB-Informationsveran-
staltung am 22. November 2012 in Berlin hingewiesen, die künftig je-
Beide Fakten illustrieren, dass es nicht möglich sein wird, innerhalb des Jahr mit aktuellen Statusberichten aus den einzelnen Projektgrup-
kurzer Frist die notwendigen Schritte zur Vereinfachung und Verbesse- pen und Diskussion der vorliegenden Ergebnisse der pränormativen
rung der Eurocodes erfolgreich und im Konsens mit den betroffenen Arbeit mit der Fachöffentlichkeit stattfinden soll.
Kreisen umzusetzen.

Diese Problematik kann insbesondere am Arbeitsprogramm der 2 Status der Arbeiten in den aktiven
Projektgruppe 1 deutlich abgelesen werden. Der Aufgabenbereich Projektgruppen
spannt sich von den Grundlagen der Sicherheitstheorie (Eurocode 0:
Grundlagen der Tragwerksplanung) über elementare Lastannahmen,
wie Eigenlasten und Verkehrslasten im Hochbau (Eurocode 1 Teil 1-1: 2.1 Projektgruppe 1 – Sicherheitskonzept und Einwirkungen
Einwirkungen auf Tragwerke – Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten) Wie schon einleitend erläutert, war es für die Projektgruppe 1 we-
bis hin zur Standardisierung von komplexen theoretischen Zusammen- sentlich, eine Priorisierung der Aufgabenbereiche der Eurocodes vor-
hängen bei der Definition von Windlasten, Explosionslasten oder Silo- zunehmen. Es stellte sich dabei heraus, dass in einem ersten Arbeit-
lasten (Eurocode 1 Teil 1-4: Einwirkungen auf Tragwerke – Windlasten; spaket der Eurocode 0 (Grundlagen der Tragwerksplanung) sowie der
Eurocode 1 Teil 1-7: Einwirkungen auf Tragwerke – Außergewöhnliche Teil 1-1 (Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau), der Teil
Einwirkungen; Eurocode 1 Teil 4: Einwirkungen auf Tragwerke – Ein- 1-2 (Brandeinwirkungen auf Tragwerke), der Teil 1-3 (Schneelasten)
wirkungen auf Silos und Flüssigkeitsbehälter). Hier ist die Konzentrati- und der Teil 1-4 (Windlasten) des Eurocodes 1 bearbeitet werden
on auf das Wesentliche notwendig, um in angemessenen Zeitabstän- (Abb. 1).
den zufriedenstellende Ergebnisse der Fachwelt präsentieren zu kön-
nen. Ähnliche Probleme sind auch in den anderen Arbeitsgruppen zu Grundlegende Untersuchungen fanden vor allem zur Frage der not-
gegenwärtigen. Diese beziehen sich aber weniger auf die große Breite wendigen und hinreichenden Einwirkungskombinationen für die
des zu behandelnden Stoffs, sie haben ihre Ursache mehr in der bishe- Nachweise in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit und der Ge-
rigen Präsentation der Normungsinhalte. brauchstauglichkeit statt. Für den allgemeinen Hochbau konnte ge-
zeigt werden, dass sich die entsprechenden Nachweisgleichungen
Neben diesen inhaltlich-strukturellen Schwierigkeiten waren in der deutlich vereinfachen lassen (Abb. 2 und Abb. 3). Sowohl für den
ersten Phase der Arbeiten in den Projektgruppen auch erhebliche or- Grenzzustand der Tragfähigkeit als auch für den Grenzzustand der Ge-
ganisatorische Weichenstellungen vorzunehmen. Betroffen davon wa- brauchstauglichkeit kann, bei Annahme einer linear elastischen Be-
ren sowohl die Zusammensetzung und innere Struktur der Projekt- rechnung der Schnittgrößen und bei der für diese Bauvorhaben in der
gruppen als auch die Abstimmung der Arbeiten der Projektgruppen Regel gültigen Annahme, dass die Auswirkungen der ständigen Einwir-
untereinander und die Zusammenarbeit der einzelnen Projektgruppen kungen das Bemessungsergebnis ungünstig beeinflussen, von deutlich
mit dem übergeordneten Lenkungsausschuß. Inzwischen haben sich vereinfachten Einwirkungskombinationen mit einem vereinheitlichten
hier für die aktiven Projektgruppen Strukturen herausgebildet, die ein Kombinationsfaktor Ψ = 0,7 ausgegangen werden. Die vorliegenden
effektives Bearbeiten der einzelnen Aufgaben ermöglichen. Ergebnisse bedürfen noch weitergehender Sensitivitätsstudien, indi-
zieren aber, dass im Rahmen der erzielbaren Genauigkeiten, sowohl
Die im Rahmen der PRB zu behandelnden Themen können nicht al- hinsichtlich der Modellbildung für die statische Analyse als auch hin-
leine durch nationale Aktivitäten zu einem erfolgreichen Abschluss ge- sichtlich der auf der Baustelle realisierbaren praktischen Umsetzung,
bracht werden. Die Weiterentwicklung und Verbesserung der Euroco- eine erhebliche Reduktion der zu untersuchenden Einwirkungskombi-
des mit dem Ziel, eine höhere Akzeptanz dieser Dokumente in der täg- nationen angezeigt und möglich ist.
lichen Arbeit der Bauingenieure zu erreichen, erfordert schon zum jet-
zigen Zeitpunkt das Einbeziehen der europäischen Partner. Nur dann, Die Arbeiten am Teil 1-3 (Schneelasten) des Eurocodes 1 zeigten,
wenn die von der PRB erarbeiten Verbesserungsvorschläge auf ein ent- dass ebenfalls ohne nennenswerte Einbuße an Aussagegenauigkeit,
sprechend breites geographisches Fundament gestellt werden kön- Belastungsbilder für Dächer signifikant vereinfacht werden können
nen, ist ihre erfolgreiche Implementierung in das zukünftige Regel- (Abb. 4). Gleiches ist für den Teil 1-4 des Eurocodes 1 (Windlasten)
werk möglich. festzustellen. Auch hier kann für die Anwendung im Bereich des allge-
meinen Hochbaus eine erhebliche Verschlankung und Vereinfachung
Der Anspruch, den die PRB bei ihrer Gründung formulierte, dass des Normentextes erreicht werden. Entsprechende Parameterstudien
die (prä-)normative Arbeit demokratisiert und professionalisiert wird, werden derzeit, mit dem Ziel, einen abgesicherten Vorschlag zu erar-
hat zwangsläufig zur Folge, dass auch entsprechende finanzielle Vor- beiten, durchgeführt.
aussetzungen gegeben sein müssen. Diese werden sowohl durch die
Beiträge der die PRB tragenden Verbände als auch durch extern ein- 2.2 Projektgruppe 2 – Betonbau
geworbene Forschungsgelder, insbesondere beim Bundesministerium Innerhalb der Projektgruppe 2 fand eine Aufteilung der Arbeiten am
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), zur Verfügung ge- Eurocode 2 Teil 1-1 (Bemessung von Stahlbeton- und Spannbeton-
stellt. tragwerken) in sechs wesentliche Arbeitsgebiete statt (Tab. 2). Aktu-

Der Prüfingenieur | November 2012 27


NORMUNG

Abb. 1: Aktuell durch die Projektgruppe 1 bearbeitete Teile des Eurocodes 1

Abb. 2: Erste Stufe der Vereinfachung der Einwirkungskombinationen

28 Der Prüfingenieur | November 2012


NORMUNG

Abb. 3: Zweite Stufe der Vereinfachung der Einwirkungskombinationen

Bemerkenswert sind auch die ersten Ergebnisse zur


Zusammenstellung und Auswertung der Nationally De-
termined Parameters (NDP) und der Non-contradictory
Complementary Information (NCI). Es ist eine weitge-
hende Übereinstimmung dieser Parameter und Festle-
gungen in Europa erkennbar. Mithin stellt sich die Fra-
ge, warum die nationalen Eitelkeiten hier eine europa-
weite Einigung bis jetzt nicht ermöglicht haben, wenn
im Nachgang diese durch nationale Festlegung prak-
tisch erreicht wird.

2.3 Projektgruppe 6 – Geotechnik


Die Arbeiten in dieser Projektgruppe sind schon weit
fortgeschritten. Dies vor allem deshalb, da schon er-
hebliche Vorarbeiten und Finanzierungszusagen durch
die Deutsche Gesellschaft für Geotechnik (DGGT) di-
Abb. 4: Vereinfachung der Schneelastansätze auf Dächer rekt in die Projektgruppe einfließen konnten.

ell kann über die Ergebnisse zur Querkraft-/Schubbemessung und zur Eine besondere Herausforderung für die Projektgruppe 6 stellen die im
Vereinfachung der diesbezüglichen Bemessungsregeln berichtet wer- Eurocode 7 (Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik)
den. Es ist gelungen, die Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchs- niedergelegten unterschiedlichen Nachweisverfahren – dort bezeich-
tauglichkeit und im Grenzzustand der Tragfähigkeit spürbar zu kom-
primieren, ohne dass Nachteile hinsichtlich der Gültigkeit der Nach- Bearbeiter Thema
weisgleichungen festzustellen sind. Wurden für die Formulierung der
bisherigen Regelungen im Minimum acht Spalten in der Norm benö- Dr.-Ing. Hochreither Querkraft
tigt, so ist es, bei konsequenter Umsetzung der PRB-Prinzipien, mög- Dr.-Ing. Jenisch Schubkraftübertragung Gurt/Steg und
lich, das Volumen auf weniger als 50 Prozent davon zu reduzieren Verbundfuge
(Abb. 5). Auch bei den Konstruktionsregeln für die Schubbewehrung
Dipl.-Ing. Landgraf Stabwerkmodelle
konnte eine nennenswerte Verminderung des Regelungsumfangs er-
reicht werden. Dr.-Ing. Schmitt Durchstanzen
Dr.-Ing. Steffens Torsion
Die übrigen in der Tab. 2 zusammengefassten Arbeiten der Projekt-
Dipl.-Ing. Ignatiadis Zusammenstellung und Auswertung
gruppe 2 sind derzeit im Gange. Insbesondere lassen die schon vorlie-
NDPs der CEN-Mitgliedsländer
genden Ergebnisse zum Themenbereich Durchstanzen erkennen, dass
auch hier eine ähnliche Verbesserung, wie sie für die Querkraft-/ Tabelle 2: Interne Forschungsarbeiten der Projektgruppe 2 in Bearbei-
Schubbemessung erreicht wurde, möglich ist. tung (Eurocode 2)

Der Prüfingenieur | November 2012 29


NORMUNG

Abb. 5: Vorschlag für die Querkraft-/Schubbemessung im Stahlbeton- und Spannbetonbau

net als Design Approach – dar. Abb. 6


zeigt eine diesbezügliche Zusammenfas-
sung zur Bildung der Bemessungswerte
unter Bezug auf die unterschiedlichen
Nachweisverfahren. Aus den dort wieder-
gegebenen Gleichungen zur Ermittlung
des Bemessungswerts des Widerstands ist
erkennbar, dass je nach gewähltem Ansatz
die Widerstandsgröße nicht-linear von den
gewählten Sicherheitselementen abhän-
gig ist. Ursächlich hierfür ist der Fakt, dass
in der Geotechnik der Baugrund sowohl
Einwirkung als auch Widerstand ist. Abb.
7 und Abb. 8 zeigen diese Zusammenhän-
ge nochmals anhand des Beispiels eines
quadratischen Einzelfundaments, bei wel-
chem der Nachweis der Gleitsicherheit
und der Nachweis der Grundbruchsicher-
heit geführt werden. Im erstgenannten
Fall ist ein linearer Zusammenhang zwi-
Abb. 6: Bemessungswerte und Nachweisverfahren in der Geotechnik schen Ausnutzungsgrad und Lastneigung

30 Der Prüfingenieur | November 2012


NORMUNG
vorhanden, während im zweitgenannten
deutliche, vom gewählten Nachweisver-
fahren abhängige Nichtlinearitäten zu
konstatieren sind. Gerade diese Nichtli-
nearitäten haben maßgebenden Einfluß
auf das Bemessungsergebnis in Abhän-
gigkeit des gewählten Nachweisverfah-
rens.

3 Nationale und
internationale
Kontakte
Die Arbeiten der PRB werden sowohl in
den nationalen Normengremien, als
auch auf europäischer Ebene wahrge-
nommen. Wie bereits einleitend erwähnt,
sind dabei durchaus auch kritische Stim-
men zu vernehmen. Die Mehrzahl aller
Stellungnahmen ist aber uneinge-
schränkt positiv und unterstützt die bei
der Gründung der PRB formulierten Ziele.
Mitarbeiter der PRB hatten die Möglich-
keit, an Sitzungen des Fachbereichsbei-
rats KOA 01 des NABau (Mechanische
Festigkeit und Standsicherheit) teilzu-
nehmen und dort die grundsätzlichen
Ziele und erste Ergebnisse der PRB zu er-
läutern. Ebenfalls war es möglich, auf
der Sitzung des CEN/TC 250 Plenary im
Mai dieses Jahres in Berlin die Initiative
vorzustellen. Die Resonanz des CEN/TC
250 auf die Vorschläge der PRB war nicht
uneingeschränkt positiv. Dies ist aber
wenig überraschend und war erwartet
worden, da PRB ja bewußt die Ergebnis-
se der nunmehr 37-jährigen Arbeit des Abb. 7: Gleitsicherheitsnachweis – Linearer Zusammenhang
CEN/TC 250 einer kritischen Überprüfung
unterzieht. Dennoch ist es gelungen, fachliche und persönliche Kon- offenbar nur in den Stückzahlen der von der British Standards Institu-
takte aufzubauen, die es, bei entsprechender Pflege, möglich erschei- tion verkauften Normen misst, und Anwendung in der täglichen Praxis
nen lassen, das gemeinsame Ziel einer Verbesserung der Eurocodes vorhanden ist. Die große Mehrheit, das heißt, mehr als 95 Prozent al-
zu erreichen. Hierfür ist allerdings ein langer Atem erforderlich, denn ler Bauwerke, werden im Vereinigten Königreich immer noch nach alt-
37 Jahre Normungsarbeit können nicht innerhalb von zwölf oder 18 hergebrachten British Standards und nicht auf Grundlage der Euroco-
Monaten revidiert und neu gestaltet werden. des entworfen und bemessen. Die im Vereinigten Königreich vorge-
nommene Nutzen-Kostenanalyse der Eurocodes tendiert, wie aus den
Außerordentlich positive Erfahrungen konnten im Rahmen eines dortigen Ingenieurverbänden verlautet, gegen null. Damit wird von
Vortrags vor dem Business Meeting des Consortium of European Buil- dieser Seite eine weitere Finanzierung der Eurocodearbeiten als nicht
ding Control (CEBC) in Hamburg und bei daran anschließenden bilate- sinnvoll und nicht vertretbar erachtet.
ralen Gesprächen gewonnen werden. Das CEBC dient den europäi-
schen Bauaufsichtsbehörden als Plattform für den Erfahrungs- Ebenfalls sehr kritisch wird die derzeit im CEN/TC 250 betriebene
austausch und die Formulierung gemeinsamer Standpunkte gegen- Ausdehnung des Eurocode-Programms gesehen. Außerordentlich pro-
über den europäischen politischen Strukturen. Die dort teilnehmenden blematisch erscheint es, den geplanten Eurocode für die Nachrech-
Experten aus den einzelnen Ländern haben fundierte Einblicke in die nung und Bewertung bestehender Konstruktionen erfolgreich auf Kiel
tägliche Praxis und bestätigten unisono die grundlegende PRB-Diag- zu legen, da es nicht möglich sein wird, durch eine derartige Norm
nose, dass die Eurocodes in der derzeitigen Präsentation nicht geeig- mehr als 100 Jahre gelebte Unterschiede sowohl in den Entwurfs- und
net sind, um erfolgreich in der täglichen Arbeit eingesetzt werden zu Nachweisverfahren als auch in den Bauverfahren zu vereinheitlichen,
können. Bemerkenswert waren hier vor allem Aussagen aus dem Ver- geschweige denn, vereinheitlichte Bewertungsmaßstäbe zur Beurtei-
einigten Königreich, welche deutlich gezeigt haben, dass dort eine lung von Tragfähigkeit und Standsicherheit bestehender Bauwerke zu
große Differenz zwischen behauptetem Eurocode-Erfolg, welcher sich formulieren.

Der Prüfingenieur | November 2012 31


NORMUNG

4 Schlußbemerkungen
Auch wenn sich die Aufgabe, die sich die PRB vor
nunmehr 22 Monaten gestellt hat, als umfang-
reicher und komplizierter herausgestellt hat, als
es damals angenommen wurde, zeigen doch die
ersten von den aktiven Projektgruppen vorgeleg-
ten Ergebnisse und die positive Resonanz bei
den in der täglichen Praxis tätigen Ingenieuren
im In- und Ausland, dass es notwendig und sinn-
voll ist, diese Aufgabe anzugehen und erfolg-
reich zu Ende zu bringen. Es werden sich dabei
noch unerwartete Hindernisse ergeben, und es
werden auch Irrungen und Wirrungen bei der Be-
arbeitung der einzelnen Aufgabenstellungen un-
vermeidbar sein. Die schiere Größe der Aufgabe
aber hat zwangsläufig zur Folge, dass von allen
Beteiligten ein langer Atem erforderlich sein
wird. 37 Jahre intensiver Normenarbeit können
nicht innerhalb kurzer Zeit überarbeitet und ver-
bessert werden.

Die vorliegenden Eurocodes stellen aktuell


das weltweit am weitesten entwickelte Normen-
werk für den konstruktiven Ingenieurbau dar. Sie
sind ein umfassender Fundus von technischem
Wissen und Hintergrundinformationen. Die PRB
hat es sich nicht zur Aufgabe gemacht, dieses
Wissen in den Hintergrund zu rücken, sondern
dieses Wissen für eine praxistaugliche Anwen-
dung aufzubereiten. Dieser Schritt, welcher bei
der Erarbeitung der derzeit vorliegenden Euroco-
des leider nicht mehr in der letzten Konsequenz
gegangen worden war, muss jetzt nachgeholt
werden, um die Akzeptanz dieser technischen
Regeln in der Fachöffentlichkeit herzustellen. Es Abb. 8: Grundbuchnachweis – nichtlinearer Zusammenhang
geht also nicht darum, die Eurocodes und das da-
rin niedergelegte technische Know-how neu zu erfinden oder die Euro- sem Hintergrund versteht sich die PRB als Plattform für die technische
codes sogar in Frage zu stellen, es geht nur darum, diese technischen Diskussion und Zusammenarbeit aller, die an einem zukunftsfesten
Regeln zielgerichtet weiterzuentwickeln und zu verbessern. Vor die- technischen Regelwerk interessiert sind.

32 Der Prüfingenieur | November 2012


INGENIEURBAU

20 Jahre DEGES – Rückblick und Vorausschau: Planen für


die neuen Länder, bauen für ganz Deutschland
„Die Prüfingenieure sind eine unverzichtbare Säule der Qua-
litätssicherung und weit mehr als normale Dienstleister“
Die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, 1 Die Aufgabe
besser bekannt unter ihrem Kürzel DEGES, wurde im Oktober
1991 gegründet, um den gewaltigen Bedarf an neuen Autobah- Der Auftrag an die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau
nen und Erweiterungen der bestehenden Autobahnen in den GmbH DEGES war seit ihrem Gründungstag am 7. Oktober 1991 klar:
neuen Ländern in die Hand zu nehmen. Nachdem die Verkehrs- „Die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit – Straße sollten von DEGES in
projekte Deutsche Einheit weitgehend realisiert sind, hat sich gleicher Qualität, zu gleichen Kosten, jedoch in kürzerer Zeit – als in
die DEGES aber auch im Westen Deutschlands als Planungs- und den alten Bundesländern derzeit möglich – realisiert werden.“ Nach
Baugesellschaft für die Fernstraßen des Bundes und der Stra- umfangreichen Abwägungsprozessen hatte sich der Bund entschie-
ßen der Länder etabliert, und sie ist nun auch dort für immer den, bei der Realisierung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit neben
mehr Projekte verantwortlich. Da die DEGES ein großer Auf- den Ländern auf eine Planungsgesellschaft zu setzen, da diese als ein-
traggeber auch der Prüfingenieure ist, die in ihnen „eine unver- zige die Gewähr im Hinblick auf die Gewinnung von zusätzlichem
zichtbare Säule im Rahmen der Qualitätssicherung“ und „weit kompetenten Personal bot, um die für die gewaltige Aufgabe notwen-
mehr als normale Dienstleister“ sieht, wird im folgenden Bei- digen Kapazitäten aufzubauen.
trag die zwanzigjährige Geschichte der DEGES und ihr Verhält-
nis zu den Prüfingenieuren dargestellt – und ein kleiner Aus- Die Vorteile der privatrechtlich organisierten DEGES wurden damals
blick in die Zukunft der DEGES gewagt. in den entsprechenden Papieren wie folgt zusammengefasst:

■ genau beschriebener und zeitlich begrenzter Auftrag,


■ höhere Beweglichkeit bei der Personalakquisition,
■ Bündelung von qualifizierten Mitarbeitern aus erfahrenen Kräften,
zumeist aus dem staatlichen, kommunalen oder privaten Bereich
der alten Bundesländer und aus den neuen Bundesländern sowie
■ Erfolgskontrolle für die rasche Realisierung der Verkehrsprojekte
Deutsche Einheit (VDE) durch gebündelte Verantwortlichkeit und
modernes Steuerungsinstrumentarium.

Der DEGES wurden die Planung und die schlüsselfertige Erstellung


der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit – Straße auf dem Gebiet der
neuen Länder übertragen. Einzelne Teilabschnitte der Ausbaustrecken
im Zuge der Bundesautobahnen A 2, A 4 und A 9 wurden von den
Länderverwaltungen geplant und realisiert. Sämtliche Neubauprojek-
te der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit lagen indes in der Hand der
DEGES.

1991 wurde das Investitionsvolumen für die Verkehrsprojekte Deut-


sche Einheit auf rd. 23 Milliarden Mark abgeschätzt. Davon hatte die
DEGES rund 14 Milliarden Mark zu schultern.

Die der DEGES übertragenen 1.100 Kilometer langen Autobahnen


Bauassessor untergliederten sich in 680 Kilometer Neubau und circa 420 Kilometer
Dipl.-Ing. Dirk Brandenburger sechsstreifigen Ausbau. Insgesamt war DEGES zu Beginn der neunzi-
ger Jahre also für rund 55 Prozent der VDE – Straße zuständig.
studierte von 1981 bis 1988 das Bauingenieurwesen (Konstrukti-
ver Ingenieurbau) an der TH Darmstadt, war dann als Planungsin- Zwischenzeitlich wurden weitere VDE-Projekte von den Ländern auf
genieur in einem Ingenieurbüro für Straßenplanung in Hachen- DEGES übertragen. Insgesamt umfasst das Projektportfolio der VDE-
burg (Ww.) tätig, begann 1989 eine Referendarausbildung bei Projekte derzeit 1.250 Kilometer, untergliedert in circa 810 Kilometer
der Straßenverwaltung Rheinland-Pfalz, war von 1991 bis 2006 Neubau und 470 Kilometer sechsstreifigen Ausbau. Die DEGES ist da-
als höherer bautechnischer Beamter des Landes Rheinland-Pfalz mit für 62 Prozent aller VDE-Projekte mit einem Investitionsvolumen
und des Bundes (ab 1995) tätig und wurde 2006 zum Techni- von 9,7 Milliarden. Euro verantwortlich.
schen Geschäftsführer der DEGES bestellt.

Der Prüfingenieur | November 2012 33


INGENIEURBAU

Foto: DEGES
DEGES-Projekt Strelasundquerung: Die neue, als Hochbrücke ausgeführte Rügenbrücke überspannt den Ziegelgraben, der als Nebenzug des Stre-
lasunds Stralsund und die Insel Dänholm trennt. Sie hat eine Länge von 583,30 Metern. Die beiden Hauptfelder mit 126 Meter (zum Festland hin)
und 198 Meter (zum Dänholm hin) Länge sind als Schrägseilbrücke und einem dreizelligen Stahlhohlkasten ausgeführt, der im Werk in Neumarkt-
Sengenthal vorgefertigt wurde. Die Brücke ermöglicht dem Schiffsverkehr eine Durchfahrtshöhe von 42 Metern. Der in einem hellen Blau gehalte-
ne, 128 Meter hohe Pylon ist zweigeteilt, mit einem ungefähr 40 Meter hohen Sockel aus Stahlbeton und einem Oberteil aus Stahl. Der Überbau
ist vom Unterbau durch Brückenlager getrennt. Die Gründung des Hauptpfeilers besteht aus 40 Bohrpfählen mit 1,5 Meter Durchmesser. Vom
tropfenförmigen Pylon aus tragen 32 harfenförmig schräg gespannte Stahlseile die beiden Hauptöffnungen.

2 Die Formalien über sie eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausüben. Die
Beauftragung der DEGES durch ihre Gesellschafter stellt somit ein ver-
Die Übertragung der Zuständigkeiten auf DEGES vom Bund und von gaberechtsfreies sogenanntes Inhouse-Geschäft dar.
den fünf neuen Ländern wurde in Dienstleistungsverträgen geregelt.
Danach gingen die Bauherren- und Hausherrenaufgaben auf DEGES
über. Diese sind insbesondere:
3 Der Start
Nach den ersten Aufbauarbeiten der eigenen Organisation hat DEGES
■ Aufgabenstellung und Investitionsplanung, seit März 1992 schrittweise die Planungen für die sieben Autobahn-
■ Budgetplanung, projekte aufgenommen. Teilweise konnten bereits erbrachte Vorleis-
■ Grunderwerb, tungen von den Ländern übernommen werden.
■ Vertragsabschlüsse für Planungs- und Bauarbeiten sowie
■ Baubetriebsplanung, Baulenkung und Erfolgskontrolle. In einem Gespräch mit der Berliner Morgenpost am 23. Februar
1992 sahen die beiden Geschäftsführer der DEGES die große Aufgabe
Hoheitliche Aufgaben, also die Durchführung von Verfahren wie vor sich: „Viel Geld ist vorhanden – aber es mangelt an Zeit!“
Raumordnung und Planfeststellung sowie die Bauaufsicht oder even-
tuell notwendige Enteignungsverfahren, verblieben bei den zuständi- Die von der Politik ausgegebenen Ziele von Fertigstellungen waren
gen Behörden der Länder. Die Funktion der DEGES lässt sich demnach überaus ambitioniert. So sollten die Ausbaustrecken der VDE-Projekte
wie folgt zusammenfassen: planen für die fünf neuen Länder, bauen im Wesentlichen bis zum Jahre 2000 fertiggestellt werden. Einige Ab-
für die Bundesrepublik Deutschland. schnitte der A 4 von Dresden nach Bautzen, der A 9 in Thüringen sowie
Teilabschnitte des Berliner Ringes sollten bereits in den Jahren 1996
Mit der Gründung und Beauftragung der DEGES wurde erstmals im bis 1998 für den Verkehr freigegeben werden. Bei den Neubaustrecken
Deutschen Straßenbau eine Organisationsprivatisierung erfolgreich standen die Umfahrung Wismar im Zuge der A 20 und der Neubau der
verwirklicht. Die Gesellschafter bedienen sich damit formal einer Ei- A 4 im Abschnitt Weißenberg – Görlitz sowie die A 14 zwischen Mag-
gengesellschaft zur Erledigung ihrer ureigensten Aufgaben. Die DEGES deburg und Schönebeck im Vordergrund. Auch diese Abschnitte sollten
ist nur für die an ihr beteiligten öffentlichen Auftraggeber tätig, die bis 1999 fertig gestellt werden.

34 Der Prüfingenieur | November 2012


INGENIEURBAU

4 Effiziente Aufgabenerledigung und Inzwischen wurden in Zusammenarbeit mit dem Bundesministeri-


um für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und insbesondere dem Frei-
ihre Grundlagen staat Thüringen erfolgreich ÖPP-Projekte realisiert. Hierzu gehören das
A-Modell „Umfahrung Hörselberge“ auf der A 4, das Verfügbarkeits-
4.1 Rasche Planung, Genehmigung und Baudurchführung modell auf der A 9 sowie das sogenannte Betriebs- und Erhaltungsmo-
Zu bemerken ist, dass die DEGES mit dem Mitte 1996 erreichten Perso- dell im Saale-Holzland-Kreis. Aktuell bearbeitet DEGES ÖPP-Projekte
nalstamm von rund 240 Mitarbeitern die Arbeit von 600 Mitarbeitern zum Ausbau der A 7 in Schleswig-Holstein und der Freien und Hanse-
in den von DEGES beauftragten Ingenieurbüros steuerte und über- stadt Hamburg sowie das F-Modell zur Weserquerung in der Freien
wachte. Nicht gezählte Bauarbeiter führten die von der DEGES ausge- Hansestadt Bremen. Zur Betreuung der ÖPP-Aufgaben hat DEGES eine
schriebenen Leistungen aus. eigenständige Abteilung geschaffen, die die vorhandenen techni-
schen, kaufmännischen und juristischen Kompetenzen der DEGES ver-
Die praktizierte rasche Umsetzung von Planung, Genehmigung und eint, um den Auftraggebern das ÖPP-Potential interdisziplinär anbie-
Baudurchführung der Projekte hat zu einem Realisierungszeitraum ten zu können.
von nur acht bis zehn Jahren geführt. So konnte mit den getätigten In-
vestitionen die größtmögliche Verkehrswirksamkeit in vergleichsweise 4.3 Juristische Begleitung aller Projektphasen
kurzen Zeiträumen erreicht werden. Diese waren Zur juristischen Betreuung sowohl der Planungs- und Genehmigungs-
als auch der Bauvorbereitungs- und Baudurchführungsphase der Pro-
■ für Entwurfsplanung inkl. Genehmigung Ø 1,5 bis 2 Jahre jekte hat sich die DEGES von Anfang an dafür entschieden, eigenes
■ für Planfeststellungsverfahren Ø 1,5 bis 2 Jahre qualifiziertes juristisches Potential einzusetzen. Hierfür stehen der DE-
■ für Baudurchführung Ø 3 bis 4 Jahre GES erfahrene Juristen im Fachplanungs-, Verfahrens-, Umwelt- und
Immissionsschutzrecht zur Verfügung.
4.2 Innovative Lösungsansätze
Neben innovativen Ansätzen im Rahmen der konventionellen Projekt- Darüber hinaus sind bei DEGES Spezialisten des Vergabe- und Wett-
realisierung hat sich DEGES frühzeitig mit der Umsetzung der Projekte bewerbsrechts sowie des Zivilrechts – insbesondere des Werkvertrags-
in Form von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) beschäftigt. und des allgemeinen Vertragsrechts – beschäftigt.

Foto:Schüler

DEGES-Projekt Talbrücke Reichenbach. Sie ist mit 1000 Metern Länge die nach der Talbrücke Werratal zweitlängste Brücke der Bundesautobahn
71. Sie gehört zu den ersten Großbrücken in Deutschland, die mit einem einteiligen Verbundquerschnitt, bestehend aus einem einzelligen Stahl-
hohlkasten und einer Stahlbetonfahrbahnplatte, ausgeführt wurden. Die Brücke liegt im Thüringer Wald zwischen den Anschlussstellen Ilmenau-
West und Gräfenroda und überspannt bei Geraberg, Elgersburg und Martinroda in einer maximalen Höhe von ungefähr 60 Meter das Tal des Rei-
chenbaches mit der Bundesstraße 4, der Landstraße 2899 (Martinroda-Geraberg) und der Bahnstrecke Erfurt–Ilmenau. Gebaut wurde die Brücke
von 1999 bis 2002, die Kosten betrugen 59 Millionen DM

Der Prüfingenieur | November 2012 35


INGENIEURBAU
Da DEGES über keine eigenen Kapazitäten für statisch/konstruktive
Prüfungen verfügt, werden diese Leistungen besonders ausgewählten
Sachverständigen – im Regelfall Prüfingenieuren – übertragen. Die
Wahrung der bauaufsichtlichen Aufgaben durch die Bediensteten der
Straßenbauverwaltung kann sich dadurch auf die Prüfung der Ord-
nungsmäßigkeit der Unterlagen in formeller Hinsicht beschränken, das
heißt, die Feststellung, dass alle erforderlichen Prüfungen durchge-
führt wurden.

Die Prüfingenieure erhalten den Prüfauftrag im Namen der Bundes-


republik Deutschland beziehungsweise des Landes vertreten durch DE-

Foto: DEGES
GES.

DEGES-Projekt Rennsteigtunnel. Er ist mit 7.916 Metern der längste DEGES sieht in den beauftragten Prüfingenieuren weit mehr als
Straßentunnel Deutschlands und nach dem Gran-Sasso-Tunnel, dem normale Dienstleister. Aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnis-
Plabutschtunnel sowie dem Seelisbergtunnel der viertlängste zwei- ses als verlängerter Arm der Bauaufsicht sind Prüfingenieure mit unse-
röhrige Straßentunnel Europas. Als Teil der Autobahn A 71 zwischen re wichtigsten und engsten Berater und Vertragspartner. Hier sind im
den Anschlussstellen Gräfenroda und Oberhof (in Zella-Mehlis) lie- wahrsten Sinne des Wortes „Beratende Ingenieure“ gefragt, die den
gend, unterquert er den Kamm des Thüringer Waldes. Auftraggeber aktiv unterstützen. Sie sind für DEGES neben der Wahr-
nehmung der statisch- konstruktiven Prüftätigkeit eine unverzichtbare
Säule im Rahmen der Qualitätssicherung.

Ziel war und ist dabei insbesondere, nach dem Vorbild großer
Wirtschaftsunternehmen eine juristische Mitgestaltung wegen der
5 Parallele Entwicklungen
Komplexität der übertragenen Aufgaben schon ab dem Projektbe- Die guten Erfahrungen der Gesellschafter mit der Arbeit der DEGES
ginn zur Qualitätssicherung und zur Risikominimierung zu gewähr- hatten parallel zu den erreichten Planungs- und Bauständen dazu ge-
leisten. führt, dass Überlegungen zu weiteren Aufgabenübertragungen auf die
DEGES angestellt wurden. 1999 wurden in Ausfüllung der bestehen-
Unter dem Stichwort Qualitätssicherung soll ein kleiner Einschub den Dienstleistungsverträge fünf Zubringerstrecken zu den VDE-Pro-
zum Thema „Zusammenarbeit mit den Prüfingenieuren“ nicht feh- jekten von den fünf Ländergesellschaftern der DEGES übertragen. Die-
len. se Projekte hatten eine Gesamtlänge von rund 140 Kilometern und ein
damals geschätztes Investitionsvolumen von 1,7 Milliarden Mark. He-
Nach Paragraf 4 Satz 1 und 2 des Bundesfernstraßengesetzes rausragende Projekte dabei waren zweifelsohne die geplante A 17 von
(FStrG) haben die Straßenbaulastträger dafür einzustehen, dass ihre Dresden nach Prag und die B 96 neu als Rügenzubringer von der A 20
Bauten allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Be- zur Insel Rügen mit der neuen Querung des Strelasunds zwischen
hördlicher Genehmigungen, Erlaubnisse und Abnahmen durch andere Stralsund und der Insel Rügen.
als die Straßenbaubehörden bedarf es nicht. Damit unterliegen Bau-
maßnahmen an Bundesfernstraßen ausschließlich der sicherheits- Nach zehn Jahren DEGES sprach der Aufsichtsratsvorsitzende Dr.
rechtlichen Generalklausel des Paragrafen 4 des FStrG und nicht dem Huber in seinem Geleitwort zur aufgelegten Broschüre von einer Halb-
Bauordnungsrecht der Länder. zeitbilanz. Zunächst war man 1991 davon ausgegangen, dass die DE-
GES eine Endlichkeit erfahren würde. Nach Erledigung der Aufgabe der
Die Einhaltung dieser Sicherheitsstandards haben die Straßenbau- Realisierung der VDE-Projekte sollte die Gesellschaft aufgelöst wer-
behörden in eigener Verantwortung zu gewährleisten. Als sogenannte den. Zehn Jahre hatte man 1991 prognostiziert, braucht man dafür. Al-
Eigenüberwacher haben sie eine Doppelfunktion; sie sind zugleich les in allem war der erreichte Stand vorzeigbar. Fast zwei Drittel der
Bauherr und hoheitliche Bauaufsicht. DEGES übertragenen Gesamtstreckenlänge von 1.370 Kilometer Auto-
bahnen und Bundesstraßen waren 2001 fertiggestellt oder in Bau.
Da DEGES im Auftrag der Länder tätig ist, stellte sich bereits bei der
Gründung 1991 die Frage der Verantwortlichkeiten der Straßenbauver- Nun war eine erweiterte Perspektive sichtbar geworden. Andere
waltungen der Länder für die bauaufsichtlichen Aufgaben bei Planung Länder aus dem Westen wurden auf die DEGES aufmerksam und er-
und Durchführung durch DEGES. kundigten sich beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Woh-
nungswesen nach Möglichkeiten, die DEGES für ihre Aufgaben einzu-
Entsprechend den Bestimmungen der Bauordnungen der Länder er- setzen.
streckt sich die bauaufsichtliche Aufgabe auch auf die Prüfung und
Genehmigung von Ausführungsunterlagen. Die bauaufsichtliche Prü- Einen Einsatz in den alten Ländern gab allerdings die Satzung der
fung der Ausführungsunterlagen umfasst hierbei die Prüfung in stati- DEGES nicht her. Daneben war der Einsatz der DEGES nach dem Ge-
scher, konstruktiver und allgemein technischer Hinsicht, die Prüfung sellschaftszweck auf die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit und hier-
auf Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik, der eingeführten bei auch nur auf die Straßenprojekte begrenzt.
technischen Bestimmungen und Zulassungen, der Vorschriften zum
Schutz der am Bau Beteiligten sowie die Prüfung, dass alle erforderli- Guter Rat war nun teuer, denn für ein ausgeweitetes Geschäftsfeld
chen Verwaltungsentscheidungen zum Beispiel im Rahmen von Plan- der DEGES war eine Satzungsänderung notwendig. Nach langen Kon-
feststellungsverfahren vorliegen und eingehalten werden. sultationen innerhalb der Bundesregierung und intensiven Abstim-

36 Der Prüfingenieur | November 2012


INGENIEURBAU

Foto: Lindner
DEGES-Projekt Thyratalbrücke: Sie ist mit 1115 Meter das längste Brückenbauwerk der Autobahn 38. Sie liegt im Landkreis Mansfeld-Südharz
zwischen den Autobahnanschlussstellen Heringen und Berga. Die Straßenüberführung überspannt in einer Höhe von maximal 40 Meter mit 13
Feldern nördlich von Bösenrode das Tal der Thyra sowie die Landesstraße 236 und die parallel verlaufende Bahnstrecke von Berga nach Rottleber-
ode. Die Trasse der Autobahn weist im Bereich der Brücke im Grundriss einen Radius von 2500 Meter sowie eine Längsgradiente von 2,02 Prozent
auf. Gebaut wurde die Überführung zwischen den Jahren 2002 und 2005 mit Baukosten von ungefähr 40 Millionen Euro.

mungen mit den Ländergesellschaftern war es dann Ende 2001 so Bundesminister Tiefensee vorzunehmen. Die Zeitungen titelten: „Eine
weit. In der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 4. De- neue Brücke in den Urlaub!“ Treffender kann man wohl die Funktion
zember 2001 wurde die Satzung geändert. Nach der Satzungsände- des neuen Wahrzeichens der Hansestadt Stralsund nicht beschreiben.
rung durfte die DEGES auch die Planung und Baudurchführung für die Bevor die Autofahrer die Brücke unter die Räder nehmen konnten,
den Bundesfernstraßen vergleichbaren Verkehrsinfrastrukturprojekte wurde diese erst einmal von 180.000 Besuchern bestaunt und began-
in der Baulast der Gesellschafter im ganzen Bundesgebiet überneh- gen.
men.
Trotz dieser Erfolge für die DEGES war nicht in Abrede zu stellen,
Dies bedeutete nicht mehr und nicht weniger, dass DEGES die Pla- dass die Bauhochphase überwunden war und die DEGES nach neuen
nung und Baudurchführung für öffentliche Auftraggeber im Bereich Aufgaben Ausschau halten musste, um für ihre leistungsfähigen Mitar-
des Straßenbaus, der Schienenverkehrsinfrastruktur und des Wasser- beiter Beschäftigung zu generieren.
straßenbaus übernehmen konnte. Nun war auch der Weg frei für den
Beitritt weiterer Ländergesellschafter, der allerdings noch bis 2007 auf
sich warten ließ. Aber die bestehenden Gesellschafter nutzten die Sat-
6 DEGES – Go west
zungserweiterung und übertrugen der DEGES weitere Projekte. Das Nach organisatorischen Veränderungen und einer Personalreduzierung
herausragendste Projekt hierbei war sicherlich die Übertragung des auf 209 Mitarbeiter im Jahr 2007 gelang es, die Freie und Hansestadt
Tunnelrohbaus und des Rohbaus der Stationen für den City-Tunnel Hamburg von der Leistungsfähigkeit der DEGES zu überzeugen. Nach
Leipzig. Der Freistaat Sachsen übertrug 2003 diese Aufgabe auf die nur sechs Monaten wurde eine Machbarkeitsstudie über den erforder-
DEGES. lichen Immissionsschutz für den geplanten achtstreifigen Ausbau der
A 7 im Stadtgebiet von Hamburg abgeschlossen. Hamburg war zufrie-
Bedeutende Fertigstellungen konnten auch in den Jahren 2006 und den und übertrug in der nächsten Zeit Projekte mit einem absehbaren
2007 gefeiert werden. Am 21. Dezember 2006, sozusagen als Weih- Investitionsvolumen von rund 1,4 Milliarden Euro in Planung auf die
nachtsgeschenk, konnte die letzte Lücke der Autobahn A 17 Dresden- DEGES, darunter eines der technisch anspruchsvollsten Projekte: die
Prag zwischen Pirna und der Bundesgrenze nach Tschechien ge- Erweiterung der A 7 nördlich des Elbtunnels auf acht Fahrsteifen bis
schlossen werden. Zehn Monate später war auch die neue Rügenbrü- zum Autobahndreieck Nord-West und weiter sechsstreifig bis zur Lan-
cke fertig. Bundeskanzlerin Dr. Merkel ließ es sich nicht nehmen, die desgrenze. In Schleswig-Holstein stand anschließend der sechsstreifi-
Freigabe der „ingenieurtechnischen Meisterleistung“ persönlich und ge Ausbau der A 7 auf der Tagesordnung, und dieses 60 Kilometer lan-
gemeinsam mit Ministerpräsident Ringstorff unter Begleitung von ge Projekt sollte als ÖPP-Modell realisiert werden. Da DEGES auf die-

Der Prüfingenieur | November 2012 37


INGENIEURBAU
sem Gebiet bereits Erfahrungen sammeln konnte, entschloss sich Für bestehende und neue Gesellschafter gibt es gute Gründe, um
Schleswig-Holstein in 2008, der DEGES beizutreten und die A 7 in Pla- die DEGES für sich nutzbar zu machen, weil
nung und Bauausführung zu übertragen.
■ die eigenen Kapazitäten zur Umsetzung anstehender Projekte nicht
2009 entschied sich die Freie Hansestadt Bremen, der DEGES beizu- mehr ausreichen,
treten, und übertrug die vormals von der Gesellschaft für Projektma- ■ wirtschaftlich kooperative Lösungen über die manchmal zu engen –
nagement im Verkehrswegebau mbH Bremen (GPV Bremen) verant- weil unwirtschaftlichen – Landesgrenzen hinaus angestrebt werden,
wortete Planung und Bauausführung der A 281, Autobahneckverbin- ■ zusätzliche leistungsfähige Ressourcen nicht selbst aufgebaut wer-
dung Bremen, der DEGES. DEGES hatte mit dieser Übertragung der A den sollen oder können, soweit sie nur für einen bestimmten Zeit-
281 auf einen Schlag einen Zuwachs von sechzehn Mitarbeitern und raum beziehungsweise für ein bestimmtes Projekt benötigt werden,
einer Zweigstelle in Bremen zu verzeichnen. Der Standort in Bremen ■ die Lücken bei den eigenen Ressourcen für Einzelprojekte oder auf
soll nun auch eine Art Brückenkopf in den nord-westdeutschen Raum Dauer in personeller Kooperation mit DEGES geschlossen werden
darstellen. Seit 1. Dezember 2010 ist die DEGES auch durch eine können und
Zweigstelle in Hamburg vertreten. ■ die neuen, innovativen Wege für Bau, Erhalt und Betrieb von Ver-
kehrsinfrastrukturprojekten untersucht und erprobt werden sollen.
2010 ist das Land Hessen der DEGES beigetreten und hat den süd-
östlichen Abschnitt der A 44, Kassel – Eisenach, der DEGES übertra- DEGES bringt alle Voraussetzungen mit, um als Projektmanage-
gen. Mit vereinten Kräften soll nun gemeinsam mit der Straßenbauver- mentgesellschaft sowohl für die Länder als auch für den Bund in den
waltung Hessen das zeitlich zurückgefallene VDE-Projekt voran ge- nächsten Jahren erfolgreich tätig zu sein.
bracht werden.
Jede Zeit hat dabei Ihre spezifischen Herausforderungen! Ging es in
20 Jahre nach der deutschen Einheit zieht Bundesminister Dr. Peter den neunziger Jahren und in den ersten Jahren nach der Jahrtausend-
Ramsauer im Oktober 2010 Bilanz: „Deutschland ist zusammenge- wende darum, die VDE-Projekte terminlich fertig zu stellen, stehen wir
wachsen. Für die Infrastruktur kann ich das mit Fug und Recht sagen. heute anderen Herausforderungen unter verschärften Bedingungen
Alte Ost-West-Lebensadern sind wieder geknüpft und neue entstan- gegenüber. Der Widerstand der Bürger gegen Verkehrsinfrastruktur-
den. Mit den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit haben wir seit 1991 projekte ist deutlich stärker ausgeprägt als zu VDE-Zeiten. Das heißt,
Gewaltiges geleistet.“ Straßenneubau und -erweiterung wird schwieriger. Hierauf müssen
sich die Mitarbeiter der DEGES einstellen. Eine frühzeitige Einbezie-
Die DEGES war dabei und ihre Mitarbeiter haben einen großen Bei- hung der Betroffenen und der interessierten Öffentlichkeit muss erfol-
trag geleistet. Als neue Zielmarke wird 2017 für den Abschluss der VDE gen. Neue Kommunikationsmittel wie Internet und der Einsatz von ge-
– Straße genannt. Alle verfügbaren Kräfte bei DEGES werden auf die- schulten Mediatoren zur Konfliktschlichtung sind dabei einzubeziehen.
ses Ziel ausgerichtet. Wir alle hoffen, dass sowohl das nötige Baurecht Für die Projekte muss geworben werden! Hierbei kommen DEGES ihre
zeitgerecht erlangt und das nötige Geld zur Verfügung steht. Erfahrungen aus den vielfältigen Projekten zugute.

Alles in allem eine günstige Perspektive für den weiteren Einsatz. Es


7 Perspektiven liegt nun an der DEGES selbst, durch weiterhin hohen Einsatz und ho-
Angesichts der nachhaltigen Bestrebungen des Bundes und der Länder hes fachliches Know-how bei gleichzeitiger Beachtung einer wirt-
zur Straffung ihrer Verwaltungen wächst die Rolle der DEGES als zu- schaftlichen Handlungsweise nicht nur zu bestätigen, dass zwanzig
sätzliche beziehungsweise gemeinsame Ressource der Gesellschafter Jahre Erfahrung ein besonderer Wert ist, sondern diese breite Erfah-
für komplexe länderübergreifende Aufgabenstellungen auch über die rung auch für die jetzigen und zukünftigen Auftraggeber nutzbringend
ursprünglich übertragenen VDE-Projekte hinaus. einzubringen.

38 Der Prüfingenieur | November 2012


BAUÜBERWACHUNG

Pflichten der Prüfingenieure und Prüfsachverständigen:


Verwendbarkeitsnachweise und Anwendbarkeitsnachweise
Die Bauüberwachung muss die Einhaltung der Qualitäts-
anforderung der Bauarten und -produkte sicherstellen
Die Bauüberwachung durch den Prüfingenieur, die als Instru- 1 Einleitung
ment der Gefahrenabwehr eingerichtet worden ist, kann nur
wirksam sein, wenn neben der Bauausführung auch die Einhal- Die Aufgaben des Prüfingenieurs werden hinsichtlich der Prüfung der
tung der Qualitätsanforderungen an die verwendeten Baupro- bautechnischen Nachweise und der Bauüberwachung in zahlreichen
dukte beziehungsweise Bauarten kontrolliert wird. Die Über- Publikationen (zum Beispiel in [1]) beschrieben und erläutert. Zu der in
prüfung der Ver- und Anwendbarkeit gehört deshalb zu den ori- der Bauüberwachung eingeschlossenen Kontrolle des Vorliegens der
ginären Pflichten der Prüfingenieure und Prüfsachverständigen, erforderlichen Verwendbarkeitsnachweise werden hier ergänzende
was im folgenden Beitrag näher erläutert wird. Er zeigt, dass Hinweise und Empfehlungen gegeben. So wird unter anderem ausge-
die Standsicherheit, beispielsweise einer Stahlbetonkonstrukti- führt, dass das Vorliegen der Fachbauleitererklärung (Abb. 1) nicht
on, nur dann gegeben ist, wenn deren Beton die zugesicherten den Verwendbarkeitsnachweis für die verwendeten Bauprodukte er-
Eigenschaften hat, und zwar selbst dann, wenn die Planung und setzt.
Ausführung den Technischen Baubestimmungen entsprechen.
(Soweit hier übrigens Aussagen zur Aufgabenerledigung des
Prüfingenieurs für Standsicherheit gemacht werden, gelten die-
se analog für den Prüfingenieur/Prüfsachverständigen für
Brandschutz.)

Falk Biegholdt 2012


Abb. 1: Fachbauleitererklärung

2 Bedeutung der Ver- und Anwendbar-


keitsnachweise im Sicherheitskonzept
nach DIN EN 1990
DIN EN 1990/NA:2010-12 benennt in den ergänzenden Regelungen zu
Anhang B in Tabelle NA.B.2 Anforderungen an die Überwachung der
Herstellung der baulichen Anlage. In Abhängigkeit von der Zuverläs-
sigkeitsklasse (RC) wird für die jeweils zugehörige Überwachungsstufe
Dr.-Ing. (IL) die erforderliche Überwachung der Herstellung (in IL 3 zusätzlich
Hans-Alexander Biegholdt während der Nutzung – entspricht der wiederkehrenden Überwa-
chung nach Sonderbauvorschriften, zum Beispiel gemäß § 46 Abs. 3
studierte das Bauingenieurwesen (Konstruktiver Ingenieurbau) MVStättVO1) beschrieben. Weiterhin wird in der Anmerkung klarge-
an der TU Leipzig und an der TH Darmstadt, war nach praktischen stellt, dass in den Ausführungsnormen Prüfpläne für Bauprodukte und
Tätigkeiten in einem Ingenieurbüro für Tragwerksplanung in Leip- für die Herstellung definiert werden. Mit den jeweils in den Ausfüh-
zig sechs Jahre lang wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für
Statik und Dynamik der Tragstrukturen der Universität Leipzig,
wo er 2001 promoviert wurde; im Mai 2002 trat er in die Landes- 1 Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungs-
stelle für Bautechnik an der Landesdirektion Sachsen ein, der er stätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung – MVStättV) Fas-
jetzt als Leiter vorsteht sung Juni 2005) zuletzt geändert durch Beschluss der Fachkommissi-
on Bauaufsicht vom Februar 2010

Der Prüfingenieur | November 2012 39


BAUÜBERWACHUNG

Überwachungsstufe Merkmale und Anforderungen System nach BauPVO Beispiele


IL 3 in Verbindung mit RC 3 Verstärkte und wiederholende Überwachung 1+,1, 2+ tragende Betonteile
(Fremdüberwachung) z.B. Treppen
DIN EN 14843

IL 2 in Verbindung mit RC 2 Verstärkte Überwachung 3 Holzbauwerke –


Überwachung der Herstellung durch Stiftförmige Verbindungsmittel-
unabhängige Drittstelle (Fremdüberwachung) DIN EN 14592

IL 1 in Verbindung mit RC 1 Normale Überwachung 4 Nichttragende Anwendung


(Eigenüberwachung) kleiner Hohlkastenelemente
DIN EN 14844

Tabelle 1: Zuordnung der Systeme der Konformität zu den Überwachungsstufen

Elemente der Konformitätskontrolle Systeme nach BauPVO Anhang V


1+ 1 2+ 3 4
Feststellung des Produkttyps (Typprüfung, Typberechnung, …) X X
Hersteller

Prüfung von im Werk entnommenen Proben nach festgelegtem Prüfplan X X X


Werkseigene Produktionskontrolle X X X X X
Feststellung des Produkttyps (Typprüfung, Typberechnung, …) X X X
zugelassene Stelle

Stichprobenprüfung (‘audit-testing‘) von vor dem Inverkehrbringen des X


Produktes entnommenen Proben
Erstinspektion des Werkes und der werkseigenen Produktionskontrolle X X X
Laufende Überwachung, Bewertung und Evaluierung der werkseigenen X X X
Produktionskontrolle

Tabelle 2: Zuordnung der Überwachung der Leistungserklärung zu den Systemen der Konformität

rungsnormen (z.B. EN 1992-1-1) benannten Produktnormen werden 3 Rechtliche Hinweise für den
direkt die Anforderungen an die Bauprodukte festgelegt.
Hersteller/Ver- und Anwender
In Abhängigkeit von der Bedeutung der Bauprodukte für die Erfül-
lung der Anforderungen von § 3 Abs. 2 MBO2 an die bauliche Anlage Für die Verwendung von Bauprodukten werden in § 17 MBO Festle-
ist es möglich, jeweils das System der Konformitätsbescheinigung den gungen getroffen:
Überwachungsstufen nach DIN EN 1990/NA:2010-12 Tabelle NA.B.2
zuzuordnen (Tab. 1). (1) Bauprodukte dürfen für die Errichtung, Änderung und Instand-
haltung baulicher Anlagen nur verwendet werden, wenn sie für den
Bauprodukte für tragende Zwecke unterliegen i.A. dem System 2+. Verwendungszweck …zulässig sind ….

Das in sich konsistente Sicherheitskonzept bedingt, dass die Bau- Sinngemäß heißt dies, dass Bauprodukte technischen Regeln oder
produkte, deren Herstellung der Fremdüberwachung unterliegen, auch Vorschriften entsprechen müssen beziehungsweise nicht wesentlich
hinsichtlich ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung zu überwachen davon abweichen dürfen. Tab. 3 gibt eine Übersicht über den jeweils
sind. Demnach sind außer für die Konformitätssysteme 1, 1+ und 2+ erforderlichen Ver-/Anwendbarkeitsnachweis und den zugehörigen
auch für Konformitätssystem 3 die Leistungserklärung (Verwendbar- Übereinstimmungsnachweis (Konformitätsnachweis).
keitsnachweise) zu überwachen (Tab. 2).
Ist die Konformitätserklärung gemäß Anhang ZA der europäischen
Dies wird durch Einsicht in die vorzulegende Leistungserklärung er- Bauproduktnormen nicht ausreichend (weitergehende Anforderungen)
füllt. Für Bauarten gilt sinngemäß gleiches. ist demnach zusätzlich zur vorhandenen CE-Kennzeichnung noch ein
weiterer Übereinstimmungsnachweis vorzulegen.

Für den Fall, dass Verwendungs- oder Anwendungsregeln (noch)


2 Musterbauordnung – MBO – Fassung November 2002 (zuletzt geän- nicht vorliegen, gibt Teil II der Liste der Technischen Baubestimmun-
dert durch Beschluss der Bauministerkonferenz vom Oktober 2008) gen3 an, wie die Verwendung des Bauprodukts geregelt ist.
3 Anwendungsregelungen für Bauprodukte und Bausätze nach euro-
päischen technischen Zulassungen und harmonisierten Normen nach Gegebenenfalls kann eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung
der Bauproduktenrichtlinie, Ausgabe September 2011 (DIBt Mittei- („Bauartzulassung“ im Sinne der Landesbauordnung gem. § 21 Abs. 1
lungen – Amtliche Mitteilungen 2/2012) MBO) notwendig sein.

40 Der Prüfingenieur | November 2012


BAUÜBERWACHUNG

Bauprodukt/Bauart Ver-/Anwendbarkeitsnachweis Übereinstimmungsnachweis (Konformitätsnachweis)


Bauprodukte nach BRL A Teil 1 jeweiliger Abschnitt der zutreffenden Ü-Zeichen gemäß MÜZVO
Technischen Regel (ggf. CE-Zeichen als Voraussetzung)
geregelte Bauprodukte

Bauprodukte nach BRL B europäische. Produktregelung in Verbindung CE-Zeichen (und ggf. Ü-Zeichen)
mit der Anwendungsnorm /-regel
Sonstige Bauprodukte nach § 17 Abs. 1 Satz 2 MBO nicht nicht erforderlich (ggf. CE- oder Ü-Zeichen)
erforderlich
Bauprodukte nach hEN europäische. Produktregelung in Verbindung CE-Zeichen (und ggf. Ü-Zeichen)
(nicht BRL B) mit der Anwendungsnorm/-regel
Bauprodukte nach Liste C (geregelt nach § 17 Abs. 3, Satz 2 MBO nicht Kennzeichnung mit Ü-Zeichen unzulässig
und ungeregelt) erforderlich (CE-Zeichen zulässig)
ungeregelte Bauprodukte/Bauarten Allg. bauaufsichtliche Zulassung (AbZ) Ü-Zeichen
Allg. bauaufsichtliches Prüfzeugnis (AbP)
Zustimmung im Einzelfall (Z.i.E.)
Europäische technische Zulassung (ETA) CE-Zeichen (und ggf. Ü-Zeichen)

Tabelle 3: Verwendbarkeits- bzw. Anwendbarkeitsnachweise für Bauprodukte/Bauarten

4 Prüfung von Bemessungsunterlagen den, fehlt die bisher gehandhabte bauaufsichtliche Prüfung. Für solche
Bauprodukte sind in dem Fall, dass diese in einer zu prüfenden bauli-
von Bauprodukten mit rechnerisch chen Anlage verwendet werden, die Tragsicherheitsnachweise auf
ermittelten Tragfähigkeitsmerkmalen Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Die entsprechende Regelung
findet sich in einer Anlage zu Teil II der Liste der technischen Baube-
Im Falle der Errichtung oder Verwendung von prüfpflichtigen baulichen stimmungen (Abb. 2).
Anlagen oder Teilen von diesen an mehreren Stellen müssen die Stand-
sicherheitsnachweise von einem Prüfamt geprüft sein (Typenprüfung). Mit dem Änderungsvorschlag auf der 190. Sitzung der Fachkom-
Teilweise wird in allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen der Ver- mission Bautechnik der ARGEBAU am 12./13. Juni 2012 wird das Erfor-
wendbarkeitsnachweis damit verknüpft. dernis einer weiteren Präzisierung wie folgt begründet:

Sofern in europäischen Produktregelungen die Konformität mit … wird nochmals darauf hingewiesen, dass es sich bei den Tragfä-
Tragfähigkeitsmerkmalen erklärt wird, die rechnerisch ermittelt wer- higkeitswerten in der Regel nicht um einzelne Werte handelt, sondern

DIBt Mitteilungen – Amtliche Mitteilungen 2/2012

Teil II der Liste der Technischen Baubestimmungen*


Anwendungsregelungen für Bauprodukte und Bausätze nach europäischen technischen Zulassungen und harmonisierten
Normen nach der Bauproduktenrichtlinie
Ausgabe September 2011

5 Anwendungsregelungen für Bauprodukte nach harmonisierten Normen (September 2011)


Lfd. Nr. Bezeichnung des Harmonisierte Norm Anwendungsregelung
Bauprodukts
1 2 3 4
5.62 Vorgefertigte tragende Bauteile EN 1090-1:2009 Anlage 5/32
und Bausätze aus Stahl und EN 1090-1:2009/AC:2010
Aluminium in Deutschland umgesetzt durch
DIN EN 1090-1:2010-07

Anlage 5/32
1 Werden Tragfähigkeitsmerkmale von Bauteilen oder Bausätzen in Form von Tragfähigkeitswerten oder kompletten statischen Berech-
nungen im Rahmen der CE-Kennzeichnung deklariert, so ist bei prüf- und bescheinigungspflichtigen Bauvorhaben die Vollständigkeit
und Richtigkeit der Tragsicherheitsnachweise durch einen Prüfingenieur/Prüfsachverständigen für Standsicherheit zu bestätigen.

Abb. 2: „Prüfung der Standsicherheitsnachweise europäischer Produkte“

Der Prüfingenieur | November 2012 41


BAUÜBERWACHUNG
um komplette statische Berechnungen, wie z. B. Bild ZA.3 aus DIN EN Beispielhaft wird in Abb. 3 die zugehörige Produktkennzeichnung
1090-1 zu entnehmen ist. Die Regelung unter der Nr. 1 der Anlage angeführt.
5/32 ist daher aus Sicht des DIBt unbedingt erforderlich, da ansonsten
auf das in Deutschland im Rahmen der Prüfung von statischen Bere- Die Deklaration der Übereinstimmung mit einer gegebenen Bauteil-
chungen übliche Vieraugenprinzip verzichtet wird.“ spezifikation erfolgt durch die Angabe der „Tragfähigkeitsmerkmale“

Die Anlage in Teil II der LTB mit der Änderung September 2012 lau- ■ Tragfähigkeit,
tet: ■ Ermüdungsfestigkeit,
■ Feuerwiderstand,
■ Herstellung,
Anlage 5/32
1. Werden Tragfähigkeitsmerkmale von Bauteilen oder Bausätzen wobei für die Bemessung der Verweis auf Berechnungen und die Ver-
in Form von rechnerisch ermittelten Tragfähigkeitswerten oder wendung national festgelegter Parameter (NDP) gemäß der angewen-
kompletten statischen Berechnungen im Rahmen der CE-Kenn- deten Eurocodes sowie für die Herstellung der Verweis auf die Bauteil-
zeichnung deklariert, so ist bei prüf- und bescheinigungspflich- spezifikation und den einschlägigen Teil von EN 1090 einschließlich
tigen Bauvorhaben die Vollständigkeit und Richtigkeit der Trag- der Ausführungsklasse (EXC) zu geben ist.
sicherheitsnachweise im Rahmen der nach der Landesbauord-
nung (§ 66 MBO) geforderten Prüfung der Standsicherheits-
nachweise der baulichen Anlage/Gebäude zu bestätigen.

Abb. 3: Beispiel für die CE-Kennzeichnung mit Angabe von Tragfähigkeitsdaten für das Bauteil

42 Der Prüfingenieur | November 2012


BAUÜBERWACHUNG

5 Nicht geregelte Bauprodukte/Bauar- Auch wenn augenscheinlich das verwendete Bauprodukt den Zweck
erfüllen kann, so ist ein fehlender Verwendbarkeitsnachweis doch
ten – was ist erlaubt? nachzufordern, da sich zwar der Einbau kontrollieren lässt, aber sich die
Herstellung des Bauproduktes der Aufsicht des Prüfingenieurs entzieht.
Die Leistungserklärung/Erklärung zur Übereinstimmung obliegt zuerst
dem Hersteller, gegebenenfalls mit dem Verweis auf das Übereinstim- Gleiches gilt für nachträgliche Ergänzungen und Änderungen deren
mungszertifikat. Sind Änderungen bei der Herstellung oder bei Ver- zulässiger Umfang zum Teil in der technischen Regel bereits beschrie-
wendung des Bauproduktes beziehungsweise bei der Anwendung der ben ist. Sind die Auswirkungen wesentlich für die zugesicherten Eigen-
Bauart nicht wesentlich, gilt der Verwendbarkeitsnachweis bzw. An- schaften (Abb. 5), ist der vorhandene Ver-/Anwendbarkeitsnachweis
wendbarkeitsnachweis als erbracht (Abb. 4). nicht ausreichend und gilt als nicht erbracht!

Besonderes Augenmerk ist auf die Kontrolle der Einhaltung der


Randbedingungen für die Verwendung zu legen, wie diese zum Bei-
spiel in den Anforderungen an den Untergrund bei Dübelverankerun-
gen formuliert sind.

6 Ver- und Anwendbarkeitsnachweise –


Dokumentation und Prüfung
Autor: Falk Biegholdt 2012 In der MBO wird durch § 81 Abs. 4 formuliert: Im Rahmen der Bau-
überwachung ist jederzeit Einblick in die Genehmigungen, Zulassun-
gen, Prüfzeugnisse, Übereinstimmungszertifikate, Zeugnisse und Auf-
zeichnungen über die Prüfungen von Bauprodukten, in die Bautagebü-
cher und andere vorgeschriebene Aufzeichnungen zu gewähren.
Abb. 4 „Wesentliche Abweichung“
Die Bauüberwachung wird somit auch auf die Bauprodukte ausge-
Diese Einschätzung nimmt der Hersteller/Verwender vor. dehnt.

Der scheinbar vorhandene Spielraum bei der Auslegung wird erfah- Gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MBO hat der Bauherr mit der Anzeige
rungsgemäß sehr großzügig genutzt, so dass dem Prüfingenieur bei zur beabsichtigten Aufnahme der Nutzung die Bescheinigung/Bestäti-
der Prüfung der Ver- und Anwendbarkeitsnachweise eine hohe Verant- gung über die ordnungsgemäße Bauausführung (überwacht nach
wortung zukommt. Maßgabe des § 81 MBO) vorzulegen.

Falk Biegholdt 2012

Abb. 5: Zugesicherte Eigenschaften

Der Prüfingenieur | November 2012 43


BAUÜBERWACHUNG
Das Erfordernis zur Einsicht und Bewertung der Verwendbarkeits- 7 Fehlende Ver- und Anwendbarkeits-
nachweise ergibt sich im Allgemeinen nicht wie in Sachsen aus dem
Verordnungstext selbst (Ziffer VI, Nr. 3 Satz 2 VwVBauPrüf 4): Es ist be- nachweise
sonders darauf zu achten, dass Übereinstimmung mit den geprüften
Unterlagen besteht und die erforderlichen Verwendbarkeitsnachweise Im Falle der Verwendung von Bauprodukten, die nicht den Vorgaben
oder Anwendbarkeitsnachweise vorliegen, sowie die Bauprodukte der §§ 17 bis 20 MBO entsprechen, sind nach §§ 78 und 79 MBO bau-
entsprechend gekennzeichnet sind., sondern zum Beispiel aus dem aufsichtliche Maßnahmen vorgesehen, die die Untersagung der Ver-
Formblatt5: wendung beziehungsweise die Einstellung von Arbeiten beinhalten.

Des Weiteren stellen nach § 84 Abs. 1 Nr. 9 MBO die Verwendung


6. Zusammenfassender Bericht von Bauprodukten ohne Ü-Zeichen und nach § 84 Abs. 1 Nr. 10 MBO
Dem zusammenfassenden Bericht werden als Anlage beigefügt. die Anwendung von Bauarten entgegen § 21 ohne eine „allgemeine
Überwachungsberichte bauaufsichtliche Zulassung“ (abZ), ohne „allgemeines bauaufsichtli-
Lieferscheine Transportbeton ches Prüfzeugnis“ (abP) oder ohne „Zulassung im Einzelfall“ (ZiE)
Prüfzeugnisse Betonwürfel Ordnungswidrigkeiten dar, die mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro
m Folgende bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweise geahndet werden können.
wurden vorgelegt (einzeln aufführen):
Zivilrechtlich führt der Mangel „fehlender Verwendbarkeitsnach-
weis“ gegebenenfalls zu weitreichenden Konsequenzen.

Sofern in Zulassungen Forderungen zur Qualifikation des Anwen- Beispiel: Fehlender Tragfähigkeitsnachweis bei Dachstuhlhölzern6:
ders aufgenommen sind, ist dem Prüfingenieur auch die Bescheini- BGB (alte Fassung) §§ 633, 635:
gung/Bestätigung dazu vorzulegen6.
1. Wird ein Dachstuhl mit Hölzern errichtet, die statische Aufgaben
übernehmen müssen, muss deren Eignung zu diesem Zweck nach-
4.1 Allgemeines
gewiesen werden.
Der mit der Herstellung des Bewehrungsanschlusses betraute Be- Der fehlende Nachweis führt dazu, dass nicht überprüft werden
trieb muss über kann, ob die errichtete Konstruktion den Vorgaben der genehmig-
– eine qualifizierte Führungskraft, ten Baustatik entspricht.
– einen verantwortlichen Bauleiter, 2. Bei keilholzverzinkten Konstruktivvollhölzern ist der Tragfähigkeits-
– Baustellenfachpersonal, das für die Ausführung des Beweh- nachweis dieser Hölzer für die Aufnahme der Dachlasten durch ei-
rungsanschlusses besonders ausgebildet ist und ne entsprechende Ü-Kennzeichnung zu erbringen.
– die notwendige Ausrüstung 3. Stellt der Auftragnehmer bei der Durchführung des vorbereitenden
nach Anlagen 11 - 13 „Anforderungen an den Betrieb zur Herstel- Aufmaßes eklatante Abweichungen zwischen der Örtlichkeit und
lung von Bewehrungsanschlüssen mit nachträglich eingemörtel- den Angaben in den ihm zur Verfügung stehenden Plänen fest, darf
ten Bewehrungsstäben“ verfügen und einen gültigen Eignungs- er mit den Arbeiten nicht beginnen, bevor er geklärt hat, ob die ihm
nachweis besitzen. zur Verfügung gestellten Pläne der Baugenehmigung entsprechen.

Auszug aus den Gründen: 2. (1) Die Verwendung von Hölzern mit
statischer Funktion ohne Kennzeichnung führt dazu, dass sämtliche
dieser Hölzer ausgetauscht werden müssen.

Der Auftrag des Prüfingenieurs/Prüfsachverständigen zur Prüfung


des Standsicherheitsnachweises nach § 66 Abs. 3 MBO, schließt ge-
mäß § 81 Abs. 2 MBO die Bauüberwachung mit ein. Die für die Auf-
nahme der Nutzung erforderliche Bescheinigung des Prüfsachverstän-
4 Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des In- digen nach § 82 Abs. 2 Satz 2 MBO (i.A. der abschließende Überwa-
nern über die bautechnische Prüfung von Bauvorhaben (VwVBau- chungsbericht) kann in der Regel bei fehlendem Ver- oder Anwendbar-
Prüf) vom 30. August 2005 SächsABl. Jg. 2005 Bl.-Nr. 38 S. 890 keitsnachweis hinsichtlich bestehender wesentlicher Anforderungen
5 Bauaufsicht123b, Zusammenfassender Bericht des Prüfingenieurs nicht ausgestellt werden, da für die nicht nachgewiesene Eigenschaft
(Stand 06/2007) Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Um- gilt, dass diese als nicht gegeben anzusehen ist (siehe Kapitel 6.) und
welt, Referat VI D – Oberste Bauaufsicht: Zusammenfassender Be- dies sich auf die Standsicherheit auswirkt.
richt zum Standsicherheitsnachweis (doc; 150 KB)
Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Nr. Z-21.8-1790 „Beweh-
8 Literatur
6

rungsanschluss mit Hilti-Injektionsmörtel HIT-RE 500“ vom


16.03.2009 [1] BauDir’in Dipl.-Ing. Kühne: Prüfung der Statik und der Bauausfüh-
7 OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. März 2011 – 1-21 U 6/07 (Auszug rung aus Sicht der ARGEBAU in Der Prüfingenieur, Heft 40, Mai
aus „Ziviles Baurecht 8/2011“) 2012

44 Der Prüfingenieur | November 2012


BAUAUFSICHT

Die Musterbauordnung der Länder ist ein Meilenstein auf


dem Weg in die richtige Richtung
Auch die Novelle 2012 wird zwischen Deregulierung und
klaren Detailregeln bestehen müssen
In diesem Jahr steht die Novellierung zweier baurechtlicher 1 Musterbauordnung (MBO)
Mustervorschriften der Länder an: die der Musterbauordnung
der Länder (MBO) und die der Muster-Verordnung über die Prüf- 1.1 Die Geschichte der MBO
ingenieure und Prüfsachverständigen (M-PPVO). Die Ergebnisse Eine richtungweisende Entscheidung wurde am 21. Januar 1955 mit
dieser Novellierungen werden für die Prüfingenieure und Prüf- der Bad Dürkheimer Vereinbarung getroffen. Der Bund verzichtete auf
sachverständigen von hoher Bedeutung sein, weshalb sie im seine Gesetzgebungszuständigkeit für einzelne, das Wohnungswesen
folgenden Beitrag, auf dem Wissensstand vom September 2012 berührende baupolizeiliche Vorschriften, wenn die Länder das Bauauf-
basierend, zusammengefasst dargestellt werden. Dabei wird sichtsrecht einheitlich und umfassend regelten. Hier wurde ein ent-
deutlich: Zentrales Bemühen der Novellierung ist es auch wei- scheidender Grundstein für die Übertragung des Bauordnungsrechts in
terhin, mit der MBO und mit der M-PPVO einen wichtigen Bei- Länderhand gelegt. In Folge dessen wurde eine Musterbauordnungs-
trag zur Harmonisierung des Bauordnungsrechts in Deutschland kommission gebildet, die bis Ende Oktober 1959 die erste MBO ausar-
zu leisten. beitete, die damals noch eine vollständige Prüfung aller genehmi-
gungsbedürftigen Bauvorhaben vorsah. Ziel war es, eine zeitgemäße
und einheitliche Bauordnung zu schaffen.

Eine Baugenehmigung konnte zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich ih-


res komplexen Prüfansatzes noch als öffentlich-rechtliche Unbedenk-
lichkeitsbescheinigung verstanden werden. Ungeachtet dessen stand
die MBO schon damals im Fokus von Deregulierungsbestrebungen.

In den siebziger Jahren kam es zu ersten umfassenden Neuordnun-


gen des Bauordnungsrechts. Verfahrensabläufe wurden vereinfacht.
Die Verwaltungsorganisation wurde mit dem Ziel gestrafft, den Staat
von Verwaltungsaufgaben zu entlasten.

Im Zuge des 1990 einsetzenden Reformprozesses der Landesbau-


ordnungen hatten sich diese nicht nur auseinander-, sondern insbe-
sondere auch von der bis dahin geltenden MBO wegentwickelt. Die
MBO hatte somit ihre Leitbildfunktion weitgehend verloren.

Damit wurden insbesondere länderübergreifend tätige Entwurfs-


verfasser, Nachweisersteller, Unternehmen und nicht zuletzt auch die
Prüfingenieure und Prüfsachverständigen vor erhebliche Probleme ge-
stellt.

Das erkannte die Bauministerkonferenz und erteilte 1999 den Auf-


Ministerialdirigent trag, die MBO so zu überarbeiten, dass ein zwischen den Ländern kon-
Ulrich Reinhard Beyer sensfähiges modernes Regelwerk entsteht. Rückblickend kann heute
konstatiert werden, dass dieses Ziel mit der 2002 beschlossenen MBO
studierte Agrarwissenschaften mit Schwerpunkt Wirtschafts- und erreicht wurde. Regelungen im Verfahrens- wie im materiellen Recht
Sozialwissenschaften in Stuttgart und ging nach mehrjähriger beschränkten sich auf das Notwendige und boten den Ländern gleich-
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für den Deutschen Raiffeisen- zeitig einen Orientierungsrahmen für die Fortentwicklung des Bauord-
verband in Bonn 1991 als Leiter des Ministerbüros und Persönli- nungsrechts.
cher Referent ins Hessische Landwirtschaftsministerium nach
Wiesbaden; 1992 ging er nach Sachsen, wo er in mehreren lei- Möglich war dies, da die MBO 2002 als Gemeinschaftsarbeit ver-
tenden und verantwortlichen Positionen im Landwirtschaftsmi- standen wurde und weil es gelang, die unterschiedlichen Sichtweisen
nisterium sowie vier Jahre als Leiter des sächsischen Verbin- und Interessen zusammenzuführen. Der Erfolg lässt sich darin bele-
dungsbüros in Brüssel tätig war; seit dem Sommer 2011 ist er Lei- gen, dass inzwischen der überwiegende Teil der Länder die Kernrege-
ter der Abteilung Stadtentwicklung. Bau- und Wohnungswesen lungen der MBO 2002 in Landesrecht umgesetzt hat. Insbesondere ist
im Sächsischen Staatsministerium des Innern Konsens bei der Umsetzung der materiellen und bauproduktenrechtli-
chen Regelungen zu verzeichnen.

Der Prüfingenieur | November 2012 45


BAUAUFSICHT
1.2 Entwicklungstrends der MBO zung in nationales Recht. Jedoch sind zu ihrer Durchführung nationale
Aus meiner Sicht steht die MBO beispielhaft für die Ausschöpfung der Vorschriften erforderlich. Neben notwendigen Anpassungen der gel-
Möglichkeiten zur Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren tenden Bundesvorschriften (zum Beispiel des Bauproduktengesetzes)
unter Beachtung der Ressourcen der Behörden. ergeben sich auch Änderungen im Landesrecht. Die das Bauproduk-
tenrecht betreffenden Paragrafen 17 ff der MBO werden deshalb an
Die Entwicklung der MBO steht auch für eine Beschränkung auf das die neuen Bestimmungen angepasst.
aus Sicht der Länder Notwendige.
Neben dem immer deutlicher werdenden „Mehr an Europa“ steht
Ich erinnere an die bis 1993 geltende Fassung der MBO, die vorsah, auch der demografische Wandel in Deutschland für einen Anpassungs-
dass sämtliche allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten bedarf der MBO.
sind. Das bedeutete, dass zur Einhaltung der in der MBO gestellten
Forderungen circa 2000 Normen bauaufsichtlich zu beachten waren – 1.3.2 Umgang mit einer immer älter werdenden Gesellschaft,
eine kaum überschaubare Anzahl von Regelungen! barrierefreies Bauen
Wir leben länger und bleiben auch länger gesund. Gleichwohl darf
Das wurde erkannt. Die MBO schreibt deshalb seit ihrer Fassung nicht verkannt werden, dass sich mit einer älter werdenden Gesell-
vom Dezember 1993 im Paragraf 3 Absatz 3 vor, dass die von der obers- schaft eine Reihe von Herausforderungen verbindet, für die Lösungen
ten Bauaufsichtsbehörde durch öffentliche Bekanntmachung als Tech- gefunden werden müssen. So wurde im Vorfeld der Änderung der
nische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln zu beach- MBO hinterfragt, inwieweit das bisher zu Grunde gelegte Selbstret-
ten sind. Eine Muster-Liste der Technischen Baubestimmungen mit et- tungsprinzip aus Wohnungen bei Wohnformen für Menschen mit Pfle-
wa 100 Regeln wurde erarbeitet. Seitdem wird weitestgehend gleich- gebedürftigkeit oder Behinderung aufrecht erhalten werden kann. Im
lautend von allen Ländern die Muster-Liste in Landesrecht überführt. Ergebnis wird vorgeschlagen, sowohl der eingeschränkten Selbstret-
tungsfähigkeit bestimmter Personengruppen als auch den mit dem
Heute noch enthaltene materielle Anforderungen beschränken sich Übergang des Heimrechts vom Bund auf die Länder einhergehenden
im Wesentlichen auf Anforderungen zur Gefahrenabwehr. geänderten Definitionen von Unterbringungs- beziehungsweise Wohn-
formen gerecht zu werden.
Aus bisherigen Änderungen der MBO zeichnet sich ein Trend zur
Vereinfachung und Beschleunigung der bauaufsichtlichen Verfahren Im Entwurf der MBO 2012 wird nicht mehr zwischen stationären
zugunsten der Bauherren, zur Förderung von Investitionen und im Sin- Einrichtungen und besonderen Wohnformen unterschieden, die der
ne einer Entlastung der Bauaufsichtsbehörden ab, der mit einer stei- Unterbringung von Menschen mit Betreuungs- und Pflegebedarf die-
genden privaten Verantwortung der am Bau Beteiligten einhergeht. nen. Bestimmte Nutzungseinheiten, deren (erklärter) Zweck es ist, Per-
sonen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung sowie mit einge-
Die MBO 2002 wurde seither lediglich zweimal durch Umlaufbe- schränkter Selbstrettungsfähigkeit aufzunehmen, sollen zukünftig als
schlüsse der Bauministerkonferenz geändert, einmal im Oktober 2008 Sonderbauten eingestuft werden, an die weitergehende Anforderun-
zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie und ein weiteres Mal gen gestellt werden können. Diese Regelung soll flankiert werden
im Mai 2009 zur Erledigung eines von der EU-Kommission anhängig durch eine Muster-Richtlinie über bauaufsichtliche Anforderungen an
gemachten Vertragsverletzungsverfahrens. Wohnformen für Menschen mit Pflegebedürftigkeit oder mit Behinde-
rung, kurz Muster-Wohnformen-Richtlinie.
1.3 MBO 2012
Derzeit steht ein Entwurf für die Novellierung der gültigen MBO zur Auch wenn die Prüfingenieure und Prüfsachverständigen in ihrer
Debatte, der einige Änderungen in der Musterwelt ankündigt. Tätigkeit im Bereich des Brandschutzes beziehungsweise der Trag-
werksplanung eher nur am Rande berührt sein werden, sei an dieser
Zunächst ist festzustellen, dass mit der Novelle der MBO 2012 die Stelle erwähnt, dass mit der MBO 2012 Anforderungen an das barrie-
Grundstrukturen der MBO 2002 unberührt bleiben. Die neu geschaffe- refreie Bauen klarer geregelt werden. Dies erfolgt insbesondere über
nen Regelungen ergeben sich einerseits aus den in den vergangenen eine vorangestellte Definition des Begriffs „barrierefrei“, der in den
zehn Jahren mit der MBO 2002 und dem ihr entsprechenden Landes- Einzelregelungen des Paragrafen 50 zum barrierefreien Bauen dann
recht gesammelten Erfahrungen. Andererseits haben Entwicklungen aufgegriffen wird.
im wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Bereich sowie im
europäischen Recht Handlungsbedarf ausgelöst. 1.3.3 Erleichterungen für erneuerbare Energien und Energieein-
sparung
Nachfolgend werde ich die Änderungen nennen, die besonders her- Auch die Energiewende macht vor der MBO 2012 nicht halt. Dies
vorzuheben sind: drückt sich zum einen in der abstandsflächenrechtlichen Privilegierung
von Maßnahmen der Wärmedämmung und von Solaranlagen an be-
1.3.1 Anpassung des Bauordnungsrechts an die EU-Bauproduk- stehenden Gebäuden aus. Dabei tragen die Voraussetzungen, an wel-
tenverordnung che die Privilegierung nachträglicher Wärmedämmung gebunden ist,
So ergibt sich aus der EU-Bauproduktenverordnung, die zeitlich ge- mit der Wahrung eines Abstands von 2,50 Meter dem Brandschutz und
stuft bis zum 1. Juli 2013 neue Instrumente und Verfahren des Baupro- den Interessen des Nachbarn einerseits Rechnung und ermöglichen
duktenrechts einführt und die bisher geltende europäische Baupro- andererseits nach vorliegenden Erkenntnissen ausreichende Dämm-
duktenrichtlinie aufhebt, für die MBO 2012 Änderungsbedarf. stoffdicken.

Zwar ist die EU-Bauproduktenverordnung in den europäischen Im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung der Nutzung erneuer-
Staaten unmittelbar geltendes Recht und bedarf somit keiner Umset- barer Energien werden zudem verfahrensrechtliche Erleichterungen in

46 Der Prüfingenieur | November 2012


BAUAUFSICHT
Bezug auf die Errichtung von Solaranlagen und Kleinwindenergieanla- 2 Muster-Verordnung über die Prüf-
gen geschaffen.
ingenieure und Prüfsachverständigen
In der MBO 2012 wird in den Katalog der verfahrensfreien Bauvor-
haben eine eigenständige Regelung für Anlagen zur Nutzung erneuer- In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch auf die Muster-Ver-
barer Energien aufgenommen, die neben den bisher schon als Anlagen ordnung über die Prüfingenieure und Prüfsachverständigen (M-PPVO)
der technischen Gebäudeausrüstung freigestellten Solaranlagen auch eingehen, die ebenfalls geändert werden soll. Die entsprechende
Kleinwindenergieenanlagen erfasst. Damit wird der Forderung der Öf- Rechtsgrundlage zur Übertragung von Aufgaben auf Prüfingenieure
fentlichkeit nach weniger Bürokratie entsprochen, und die Errichtung und Prüfsachverständige findet sich zukünftig wie bisher auch im Pa-
dieser Anlagen ist einfacher und kostengünstiger möglich. ragrafen 85 der MBO wieder. Der Grundstein dazu wurde aber bereits
1926 in Preußen gelegt.
Durch die Erweiterung der Verfahrensfreiheit ist somit die Frage
nicht mehr relevant, ob die durch die Solaranlage erzeugte Energie Zu verdanken ist dies dem Preußischen Minister für Volkswohlfahrt,
dem Eigengebrauch dient oder ins Stromnetz eingespeist wird. der durch Erlass vom 3. Dezember 1926 die Institution der „Prüfinge-
nieure für Baustatik“ veranlasste. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die
Verfahrensfrei werden mit der Neuregelung nun auch Solaranlagen Gemeinden allein die Verantwortung für die Erteilung von Baugeneh-
auf Gebäuden, was insbesondere im Hinblick auf die Errichtung von migungen mit allen Einzelheiten, wie Kontrolle der Übereinstimmung
Solaranlagen als aufgeständerte Anlagen auf Flachdächern von Be- mit den gesetzlichen Bestimmungen und der Standsicherheit sowie die
deutung ist. Um den Sicherheitsgedanken bei der Errichtung solcher Überwachung des Bauens selbst.
Anlagen nicht ganz aus dem Gedächtnis zu verlieren, verweise ich auf
das vom Deutschen Institut für Bautechnik veröffentlichte Positionspa- Diese Aufgaben konnten im Zuge der Entwicklung schwieriger Kon-
pier „Hinweise für die Herstellung, Planung und Ausführung von Solar- struktionen von den Gemeinden nicht mehr mit einfachen Mitteln al-
anlagen“. Hierin wird deutlich gemacht, dass die Verfahrensfreistel- lein beurteilt werden. Um nicht immer mehr Spezialisten vorhalten zu
lung nicht von der Einhaltung materieller, insbesondere bauproduk- müssen und somit die Verwaltung aufzublähen, konnte mit diesem Er-
tenrechtlicher Anforderungen entbindet! lass zum Wohle der Allgemeinheit auf die umfangreichen Erfahrungen
freischaffender, unabhängiger Bauingenieure zurückgegriffen werden.
1.3.4 Vereinfachungen bei der Nachweisführung und Prüfung Damit wurde gleichzeitig der Grundstein für Überlegungen zur Dere-
Ein Thema, das die Prüfingenieure und Prüfsachverständigen direkt gulierung gelegt.
berührt, findet im Entwurf der MBO 2012 ebenfalls Berücksichtigung
und betrifft Vereinfachungen bei der Nachweisführung und den Weg- Auch wenn der Staat seine originären hoheitlichen Aufgaben im Be-
fall von Prüfpflichten. reich der Gebäudesicherheit nicht gänzlich aus der Hand geben darf,
hat er dennoch Gestaltungsfreiheit, wie er seine Aufgaben wahr-
Mit der Änderung der MBO wird der Personenkreis, der Brand- nimmt. Bei der Privatisierung von Prüfaufgaben muss mit Augenmaß
schutznachweise erstellen darf, vergrößert. Zukünftig soll es bestimm- vorgegangen werden. Das wurde bei der Einführung des Prüfinge-
ten Personen unabhängig von der Bauvorlageberechtigung möglich nieurs/Prüfsachverständigen für Brandschutz bewiesen.
sein, als qualifizierter Brandschutzplaner tätig zu werden, wenn die
entsprechenden Kenntnisse im Brandschutz nachgewiesen werden. Sachsen hatte als erstes Land Prüfingenieure für Brandschutz ein-
Mit dieser Änderung wird auch ein Widerspruch in der bisherigen Re- geführt und damit als „Land der Ingenieure“ Neuland beschritten. Das
gelung beseitigt, nach der der Kreis von Personen, die von ihrer Quali- Fazit, vierzehn Jahre nach Einführung des Prüfingenieurs für Brand-
fikation her gesehen Prüfingenieur beziehungsweise Prüfsachverstän- schutz im Freistaat Sachsen, ist positiv.
diger für Brandschutz werden könnten, größer war als der Kreis der
nachweisberechtigten Personen. Der Pioniergeist hat sich gelohnt. Der Prüfingenieur/Prüfsachver-
ständige für Brandschutz ist inzwischen fest im System der Prüfung/
Im Bereich der Tragwerksplanung wird die Prüfpflicht bei der Besei- Bescheinigung bautechnischer Nachweise etabliert.
tigung nicht freistehender Gebäude entfallen. An Stelle der bisher im
Vorfeld geforderten Bestätigung beziehungsweise Prüfung der Stand- Viele Länder haben sich an Sachsen orientiert und nachgezogen.
sicherheit bei nicht freistehenden Gebäuden soll nun ein qualifizierter Bereits in der M-PPVO, die im Jahr 2003 verabschiedet wurde, fand
Tragwerksplaner nicht nur den Beseitigungsvorgang begleiten, son- der Prüfingenieur/Prüfsachverständige für Brandschutz neben dem
dern auch die Standsicherheit der Gebäude, an die das zu beseitigende Prüfingenieur/Prüfsachverständigen für Standsicherheit seinen festen
Gebäude angebaut ist, im erforderlichen Umfang nachweisen. Platz.

Für diejenigen Prüfingenieure und Prüfsachverständigen, die auch Davon wird bei der Überarbeitung der M-PPVO nicht abgerückt.
als Entwurfsverfasser tätig sind, wird zudem von Interesse sein, dass Neu erarbeitet wurden im Wesentlichen Regelungen für die Prü-
in der MBO 2012, im Hinblick auf ähnlich gelagerte Anforderungen fungsverfahren im Rahmen der Anerkennung von Prüfingenieu-
aus dem Energieeinsparrecht, auf den bautechnischen Nachweis des ren/Prüfsachverständigen. Aufgrund eines Hinweisbeschlusses des
Wärmeschutzes im Sinne einer Vereinfachung verzichtet werden soll. Berliner Verwaltungsgerichts vom 18. Januar 2010 sollen Regelun-
Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Nachweis nach Energieein- gen über den Prüfungsstoff, die Untergliederung in Teilprüfungen
sparverordnung den bauordnungsrechtlichen Wärmeschutznachweis oder Prüfungsabschnitte und die Bewertung in die M-PPVO einge-
großteils mit abdeckt. Ungeachtet dessen bleiben die materiellen fügt werden. Über den erforderlichen Detaillierungsgrad der Rege-
Anforderungen an den bauordnungsrechtlichen Wärmeschutz beste- lungen zum Prüfungsverfahren besteht zurzeit weiterer Abstim-
hen. mungsbedarf.

Der Prüfingenieur | November 2012 47


BAUAUFSICHT
Ein Thema muss hier auch behandelt werden, das immer wieder zur Nach meiner Einschätzung wird auch der Entwurf zur Änderung der
Diskussion anregt: das Erlöschen der Anerkennung als Prüfingeni- MBO dem Wunsch nach mehr Harmonisierung im Bauordnungsrecht
eur/Prüfsachverständiger mit Vollendung des 68. Lebensjahres, das gerecht, ohne den Ländern die Flexibilität zu nehmen, ihre Zuständig-
seit langem in der M-PPVO verankert ist. Die Mehrheit der Länder hat keit für das Bauordnungsrecht ausgestalten zu können.
sich in den Gremien auch weiterhin für die Beibehaltung der festen Al-
tersgrenze von 68 Jahren ausgesprochen. Für Sachsen sehe ich in der insbesondere von den Fachkommissio-
nen Bauaufsicht und Bautechnik auf aktuellen Stand gehaltenen Mus-
Die Prüfingenieure und Prüfsachverständigen haben sich durch ihre terwelt insgesamt eine Richtschnur, an der wir uns, zumindest hier in
Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik ebenfalls für ei- Sachsen, bei der Umsetzung von Anforderungen in Landesrecht auch
ne feste Altersgrenze ausgesprochen. In diesem Punkt stimmen die in Zukunft so stringent wie nur möglich halten wollen.
obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder und die Bundesvereini-
gung der Prüfingenieure für Bautechnik überein, auch wenn die Prüf- Damit soll dem wichtigen Anliegen der Rechtsvereinheitlichung im
ingenieure und Prüfsachverständige als Einzelpersonen zur konkreten Baurecht im Sinne der Bad Dürkheimer Vereinbarung zwischen Bund
Altersgrenze eine andere Auffassung vertreten. und Ländern Rechnung getragen werden. Denn es gilt die Tätigkeit
von Architekten, Ingenieuren und Unternehmen sowie der Bauindus-
Prüfingenieure und Prüfsachverständige nehmen eine herausragen- trie über die Ländergrenzen hinweg zu erleichtern. Die Musterbauord-
de Stellung ein. Diese haben sie sich nicht zuletzt durch das Anerken- nung ist ein Meilenstein auf dem Weg in die richtige Richtung. Die Zu-
nungsverfahren erworben, in dem ihre persönliche Eignung nach har- kunft wird es zeigen!
ten Kriterien geprüft wurde ebenso wie ihre fachlichen Kenntnisse.
Hinweis:
Mit dem erfolgreichen Absolvieren des Anerkennungsverfahrens Die Bauministerkonferenz hat die Änderung der MBO in der Fassung
und der anschließenden Prüftätigkeit haben die Prüfingenieure und des Entwurfs vom 15. Juni 2012 auf ihrer Sitzung am 20./21. Septem-
Prüfsachverständigen sich einen guten Ruf erarbeitet. Sie sollten sich ber 2012 beschlossen.
dessen immer bewusst sein und ihn weiterhin durch ein jederzeit ver-
antwortungsbewusstes Handeln untermauern. Quellen:
Musterbauordnung – MBO – Entwurf Stand: 30.05.2012
Muster-Verordnung über die Prüfingenieure und Prüfsachverständigen
3 Schluss nach § 85 Abs. 2 MBO (M-PPVO) – Entwurf Stand: 23.05.2012
Das Bauordnungsrecht ist und bleibt ein Spiegel sich wandelnder ge-
sellschaftlicher Anforderungen. Insoweit wird die MBO auch weiterhin
im Spannungsfeld zwischen Deregulierungsbestrebungen und dem
Wunsch nach klaren Detailregelungen bestehen müssen.

48 Der Prüfingenieur | November 2012


HAFTUNG

Reformvorschläge für das Problem der gesamt-


schuldnerischen Haftung der Planer und Bauausführenden
Warum tragen die Planer oft den gesamten Schaden selbst
dann, wenn dafür auch andere einzustehen hätten?
Immer wieder werden die obligatorisch haftpflichtversicherten 1 Einführung
Planer bevorzugt als das letzte Glied der Kette möglicher Ver-
antwortlicher am Bau gerichtlich in Anspruch genommen, wenn An der Entstehung eines Bauwerks wirkt eine Vielzahl von Beteiligten
Schäden zu konstatieren sind, für die auf Anhieb „niemand“ zu- mit, die mit dem Bauherrn in vertraglichen Beziehungen stehen. Diese
ständig gemacht werden konnte. Auf Grund des Prinzips der ge- Verträge, gleich ob sie mit Architekten, Sonderfachleuten oder Bauun-
samtschuldnerischen Haftung führt dies nicht selten dazu, dass ternehmern und Handwerker geschlossen werden, sind regelmäßig als
die Planer für den gesamten Schaden auch dann einstehen müs- Werkverträge zu qualifizieren [2]. Die Beteiligten haften dem Bauherrn
sen, wenn andere diesen mit verursacht haben und sogar einen daher unabhängig von irgendeinem Verschulden für den Eintritt des
größeren Anteil daran tragen. Sowohl der Baugerichtstag als jeweils vereinbarten Erfolgs. Dabei sind die vertraglichen Primärpflich-
auch die Bundesregierung haben sich vorgenommen, Auswege ten der Beteiligten durchaus unterschiedlich. Typischerweise haftet der
zu suchen und für eine gerechtere Schadensverteilung zu sor- Architekt für die Erstellung einer einwandfreien Planung und daneben
gen. Ob allerdings die in anderen EU-Staaten gängige globale meist auch für eine fehlerfreie Umsetzung der Planung in Form von Ko-
Versicherungslösung für Bauherren, Planer und bauausführende ordinierungspflichten und einer baubegleitenden Objektüberwachung.
Firmen der Weisheit letzter Schluss sein kann, diese Frage ver- Der Sonderfachmann hat für eine fehlerfreie Planung und möglicher-
sucht der Autor des folgenden Beitrages zu beantworten [1]. weise auch für die Umsetzung der beauftragten Fachplanung einzuste-
hen. Die ausführenden Unternehmen schulden die mangelfreie Umset-
zung der Planung, das heißt, die fehlerfreie Erstellung des eigentlichen
Bauwerks.

Die während der Bauphase entstehenden Probleme kann der Bau-


herr in der Praxis vielfach im Rahmen von Beanstandungen [3] vor Ab-
nahme bewältigen. Die Durchsetzung seines Erfüllungsanspruchs wird
ihm zumindest dadurch erleichtert, dass er den Werklohn regelmäßig
erst nach Abnahme der Leistung (§ 640 BGB) zahlt, er gegebenenfalls
auf Sicherheiten, zum Beispiel in Form von Vertragserfüllungsbürg-
schaften, zurückgreifen kann und er bei der Geltendmachung seines
Erfüllungsanspruchs auf die Unterstützung seiner Planer setzen kann.

Nach Abnahme des Bauwerks stellt sich die Situation jedoch


schlagartig anders dar. Tritt nunmehr ein Mangel auf, steht der Bau-
herr vor dem Problem, dass die Beteiligten die „Schuld“ für den Man-
gel oftmals auf einen der anderen Beteiligten schieben und ihre (allei-
nige) Mitverantwortung bestreiten. Der Bauherr muss dann überlegen,
ob er gegen einen oder mehrere der Beteiligten rechtlich, notfalls ge-
richtlich vorgeht. Diese Entscheidung ist aber nicht nur von der Frage
abhängig, wer für den Mangel verantwortlich ist. Dies wird der Bau-
Ministerialdirektor a. D. herr auf Anhieb und ohne entsprechende Sachverständigenuntersu-
Michael Halstenberg, chung ohnehin nur in wenigen Fällen ausmachen können. Die Ent-
scheidung einer Inanspruchnahme wird vielmehr auch von rechtlichen
studierte Rechtswissenschaften in Köln, war von 1988 bis 2004 in und prozesstaktischen Erwägungen geleitet.
verantwortlichen Positionen im Ministerium für Stadtentwick-
lung, Wohnen und Verkehr von NRW tätig, fungierte von 1999 bis Kommen mehrere der Beteiligten als Verursacher des Mangels in
2004 als EU-Referent der Deutschen Bauministerkonferenz, leite- Betracht, so ist der Bauherr gut beraten, zunächst alle in Betracht
te dann bis 2009 die Abteilung Bauwesen, Bauwirtschaft und kommenden Schadensverursacher in Anspruch zu nehmen, jedenfalls
Bundesbauten im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt- soweit eine (gegebenenfalls nachfolgende) gerichtliche Inanspruch-
entwicklung; seit Dezember 2009 ist er als Rechtsanwalt für die nahme letztlich auch Erfolg verspricht und nicht etwa an der fehlenden
Kanzlei HFK Rechtsanwälte LLP (Düsseldorf) tätig und zugleich Solvenz des Betreffenden in letzter Konsequenz zu scheitern droht.
stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Ge- Hier aber besteht bereits ein erster erheblicher Unterschied. Soweit der
sellschaft für Baurecht und Mitglied der Arbeitsgruppe zur Re- Bauherr nicht über eine Gewährleistungsbürgschaft gegenüber dem
form des Bauvertragsrechts im Bundesministerium der Justiz Bauunternehmen verfügt oder hinsichtlich eines noch nicht gezahlten
Werklohns Zurückbehaltungsrechte geltend machen kann, wird er

Der Prüfingenieur | November 2012 49


HAFTUNG
nicht außer Acht lassen können, dass die beteiligten Planer gegen eine Bauwerk die vereinbarte Beschaffenheit aufweisen muss, ansonsten
Inanspruchnahme prinzipiell besser abgesichert sind. Denn auf Grund die nach der vertraglich vorausgesetzten oder nach der gewöhnlichen
der bestehenden Rechtslage sind sie regelmäßig verpflichtet, eine Verwendung zu erwartende Beschaffenheit. Selbst wenn das Werk die
Haftpflichtversicherung – wenn auch nicht in unbegrenzter Höhe – zu vereinbarte Beschaffenheit hat, muss es auch funktionstüchtig sein,
unterhalten [4]. Außerdem kann sich der Bauunternehmer oftmals auf das heißt, zur „gewöhnlichen Verwendung“ geeignet sein und eine
ein Mitverschulden des Bauherrn berufen, da Fehler des planenden Ar- übliche Beschaffenheit aufweisen, die vom Besteller berechtigterweise
chitekten diesem zuzurechnen sind. Der Bauherr läuft also Gefahr, erwartet werden kann. Dabei sind die anerkannten Regeln der Technik
nicht den ganzen Schaden gegenüber dem Bauunternehmen geltend und zwingende öffentlich-rechtliche Regelungen auch ohne ausdrück-
machen zu können. Schließlich kann das Bauunternehmen zunächst liche Vereinbarung gleichsam als Mindeststandard auch dann einzu-
auf sein Nachbesserungsrecht (§§ 634, 635 BGB) verweisen [5], wo- halten, wenn dies im Vertrag nicht ausdrücklich Erwähnung gefunden
hingegen der Bauherr möglicherweise eher an der Zahlung des für die hat [9].
Mangelbeseitigung erforderlichen Betrags interessiert ist, da er das
Vertrauen in das Können des Unternehmers bereits verloren hat. Als Folge davon ist das Werk mangelhaft, wenn es nicht den aner-
kannten Regeln der Technik entspricht, denn dann gilt seine Funkti-
Diese Gesichtspunkte führen meist zu einer vorrangigen Inan- onstüchtigkeit als beeinträchtigt. Umgekehrt kann ein Werk auch dann
spruchnahme der Planer. Befürchtet der Bauherr darüber hinaus die In- mangelhaft sein, wenn die anerkannten Regeln der Technik (als Min-
solvenz des Bauunternehmens wäre es – zumal aus Sicht der anwaltli- deststandard) eingehalten wurden, denn eine Pflichtverletzung liegt
chen Beratung – erst recht fahrlässig, nicht primär gegen den Planer auch vor, wenn der Schuldner etwas anderes herstellt als es in dem
vorzugehen. Der Planer läuft dann nicht nur Gefahr, für den Gesamt- Vertrag vorgesehen ist [10].
schaden in Anspruch genommen zu werden. Er trägt auch das Risiko,
im Falle einer Verurteilung, auf dem gesamten Schaden sitzenzublei- Was der Architekt im Einzelnen schuldet, um zur Herstellung des
ben, weil bei den anderen Beteiligten nichts mehr zu holen ist. mangelfreien Bauwerks beizutragen, ergibt sich in dem jeweiligen Ein-
zelfall aus dem konkreten Vertrag. Dabei wird immer wieder überse-
Der folgende Beitrag befasst sich daher mit der Frage, unter wel- hen, dass sich die Leistungspflicht des Planers nicht nach den Leis-
chen Voraussetzung der Planer haftet und in welchen Fällen er vom tungsphasen der HOAI bestimmt. Denn die HOAI ist zwar (verbindli-
Bauherrn für den Gesamtschaden „gesamtschuldnerisch“ in Anspruch ches) Preisrecht, bestimmt aber nicht den Inhalt der schuldrechtlichen
genommen werden kann. Sodann werden die Probleme dargestellt, Verpflichtung des Planers. Dafür ist allein der Inhalt des zwischen den
die sich aus der aktuellen Rechtlage ergeben. Schließlich werden der Parteien geschlossenen Vertrags maßgeblich [11], der sich allerdings
bestehende Reformbedarf und die hierzu gemachten Lösungsvorschlä- auf die Leistungsbilder der HOAI beziehen kann [12]. Der Architekt
ge erörtert. kann aber auch nur einzelne Leistungen übernehmen, wobei insbeson-
dere zwischen seiner planenden Tätigkeit und der Objektüberwachung
zu differenzieren ist.
2 Die Leistungspflichten der beteiligten
Planer und Bauunternehmer Trägt der Architekt die Gesamtverantwortung muss er diese auch
umfassend wahrnehmen. Er darf dann beispielsweise fehlerhaften
Auch wenn alle am Bau beteiligten Planer und Unternehmen zusam- Vorgaben eines anderen Planers nicht blind vertrauen, weil er selbst
menwirken müssen, um das Bauwerk entstehen zu lassen, ist zunächst mit der umfassenden Planung beauftragt ist [13]. Eine Haftungsbe-
zu betonen, dass die Beteiligten dem Bauherrn nicht etwa von vorne- grenzung des Architekten kommt allenfalls in Betracht, wenn er aus-
herein „gesamtschuldnerisch“ für alle Leistungen haften, die für die drücklich darauf hinweist, dass er zur Beurteilung der Lösung nicht in
Erstellung des Bauwerks erforderlich sind. Vielmehr sind sie nur zur der Lage ist [14]. Verletzt der Architekt seine Hinweis- und/oder Prüf-
mangelfreien Leistung der jeweils individualrechtlich vereinbarten pflicht, haftet er [15].
(Teil-)Leistungen verpflichtet [6].
Auch in Bezug auf einen Fachplaner verbleibt es dabei, dass der die
Folglich hat der Architekt regelmäßig die Planung zu erstellen, die Gesamtverantwortung tragende Architekt die Detailplanungen des be-
erforderlich ist, um das Bauwerk mangelfrei erstellen zu können. Der auftragten Fachmanns überprüfen muss, auch wenn dieser über eine
Fachplaner hat entsprechend die Teile der Planung zu erstellen, für die größere Sachkunde verfügt. In diesen Fällen kann von dem Architek-
er eine Leistungspflicht übernommen hat. Allerdings müssen beide, ten zwar nicht erwartet werden, dass er „schlauer ist als der Spezia-
auch wenn der Bauherr mit einem Architekten und einem Sonderfach- list“. Er hat die Planung aber daraufhin zu prüfen, ob offensichtliche
mann hierzu gesonderte Verträge schließt und dementsprechend jeder Fehler vorliegen, der Sonderfachmann zum Beispiel von falschen Vor-
(nur) für die von ihm übernommenen Verpflichtungen haftet, „plane- aussetzungen ausgegangen oder einem Irrtum unterlegen ist, der
risch“ dennoch zusammenwirken, wenn der Vertragserfolg anders auch einem durchschnittlichen Planer hätte auffallen müssen [16].
nicht zu gewährleisten ist [7]. Dies gilt zum Beispiel bei Verletzung einfacher bauphysikalischer Re-
geln, denn derartiges Standardwissen kann bei Architekten immer vor-
Der Bauunternehmer schuldet schließlich – soweit er nicht auch ausgesetzt werden [17]. Eine Prüfpflicht besteht erst recht, wenn der
planerische Leistungen übernommen hat – die mangelfreie Erstellung Planer durch einen der ausführenden Unternehmer auf entsprechende
des Bauwerks auf der Grundlage der ihm vom Bauherrn zur Verfügung Unstimmigkeiten hingewiesen worden ist.
gestellten Planung.
Selbst wenn der Architekt nicht mit der Planung, sondern nur mit
Ein Mangel ist die Abweichung der vereinbarten Soll- von der Ist- der Überwachung der Bauausführung beauftragt war, kann er sich
Beschaffenheit, und zwar grundsätzlich unabhängig von wirtschaftli- nicht ohne weiteres auf fehlerhafte Vorplanungen berufen [18]. Ist der
cher oder technischer Gleichwertigkeit [8]. Das bedeutet, dass das Architekt mit der Objektüberwachung befasst, bleibt er auch dann für

50 Der Prüfingenieur | November 2012


HAFTUNG
die Objektüberwachung zuständig, wenn Sonderfachleute Stichproben zugleich die Schuldverpflichtung des anderen. Vielmehr erfüllt jeder
machen [19]. der Beteiligten seine Schuld. Der Planer hat Planungs- und Überwa-
chungspflichten, während sich die Pflicht des Bauunternehmers auf
Des Weiteren ist zu beachten, dass auch der ausschließlich auf die die körperliche Realisierung des Bauwerks richtet.
Bauaufsicht abzielende Objektüberwachungsvertrag des Architekten
der Verwirklichung eines plangerechten und mangelfreien Bauwerks Problematisch wird die Sache jedoch dann, wenn sich das Bauwerk
dient und daher ebenfalls als Werkvertrag zu qualifizieren ist [20]. In nach Abnahme als mangelhaft herausstellt. Denn dann kommen als
diesen Fällen schuldet der Planer (Architekt oder Sonderfachmann) die Ursache neben einer mangelhaften Bauausführung sowohl eine man-
Überwachung des Objekts in angemessener und zumutbarer Weise. gelhafte Planung als auch eine unzureichende Bauüberwachung des
Das bedeutet, dass der Planer sich dem Baufortschritt entsprechend Planers in Betracht.
durch häufigere Kontrollen vergewissern muss, ob die Planung ent-
sprechend umgesetzt und seine Anweisungen entsprechend befolgt Angesichts der unterschiedlichen Primärleistungspflichten der Be-
werden [21]. Dabei erfordern wichtige und erfahrungsgemäß schaden- teiligten könnte man durchaus die Frage aufwerfen, ob überhaupt ein
anfällige oder gefährliche Bauarbeiten wie etwa Estrichlege-, Abdich- „Gesamtschuldverhältnis“ im Hinblick auf eine Mängelbeseitigung
tungs- oder Abbrucharbeiten ein höheres Maß an Überwachung als nach Fertigstellung besteht. Indes wird diese Frage von der herrschen-
einfache Handwerksarbeiten [22]. Letztlich ist der Architekt damit zu den Meinung im Hinblick auf den gemeinsam verursachten Mangel
einem vorbeugenden Einschreiten verpflichtet [23]. bejaht [27].

Die im Ergebnis hohen Anforderungen der Rechtsprechung an die Das mag zunächst überraschen. Denn der Bauunternehmer schul-
Objektüberwachung resultieren nicht zuletzt aus dem entsprechenden det nach Abnahme des Bauwerks eine Mängelbeseitigung, während
Leistungsbild der Architekten als zentraler Figur für die Koordinie- dem Planer eine solche nicht mehr möglich ist. Denn die mangelhafte
rungs- und Überwachung. Planung und/oder Bauüberwachung hat sich bereits in dem mangel-
haften Bauwerk manifestiert, so dass die nachträgliche Erbringung ei-
Diese Verpflichtung wird auch nicht abgemildert, wenn der Bauherr ner mangelfreien Planung an dem Mangel des Bauwerks nichts mehr
die Bauarbeiten selbst ausschreibt und vergibt und der Architekt keine zu ändern vermag. Auch eine Nachholung der mangelhaften Bauüber-
Möglichkeit hat, darauf hinzuwirken, dass Leistungsfähigkeit und Zu- wachung ist nicht mehr möglich. Vielmehr hat die mangelhafte Leis-
verlässigkeit des Bauunternehmers gegeben sind. Vielmehr wird vom tung des Planers einen (Mangelfolge-)„Schaden“ des Bauwerks verur-
Architekten in solchen Fällen erwartet, dass er mögliche Defizite durch sacht, für den er Schadenersatz schuldet.
eine erhöhte Überwachungspflicht ausgleicht [24]. In Einzelfällen ist
eine unverminderte Leistungspflicht des Architekten sogar dann be- Diese Situation hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem grund-
jaht worden, wenn dieser dem Bauherrn von der Beauftragung eines legenden Urteil vom 1. Februar 1965 [28] aber dahin bewertet, dass
erwiesenermaßen unzuverlässigen Bauunternehmers abgeraten hatte beide Parteien selbst in Fällen gesamtschuldnerisch haften, in denen
[25]. ein Planer Schadenersatz, der Unternehmer aber Nachbesserung
schuldet. Denn die an der Erstellung eines Bauwerks Beteiligten hät-
ten beide nicht nur einen Beitrag zur Entstehung des Schadens geleis-
3 Die gesamtschuldnerische Haftung tet. Ihre Leistungen zur Beseitigung des Mangels dienten letztlich
der Beteiligten demselben Zweck, nämlich dem Bauherrn für den Schaden einzuste-
hen, den dieser durch den Mangel erlitten habe. Sie bildeten daher in
Das Rechtsinstitut der gesamtschuldnerischen Haftung trägt dem An- Bezug auf das Leistungsinteresse eine rechtliche „Zweckgemein-
liegen Rechnung, dass der Gläubiger aus dem Umstand, dass ein Werk schaft“, die nicht nur zufällig und absichtslos zustande gekommen sei.
von mehreren Beteiligten zu erstellen ist, für die Rechtsverfolgung Der Bauherr könne daher von jedem die Beseitigung des Mangels for-
kein Nachteil erwachsen soll. Umgekehrt soll sichergestellt werden, dern, allerdings würde die Leistung des einen den anderen von der
dass die Schuldner nicht mehrfach für die gleiche Leistung in Anspruch Leistungspflicht befreien, folglich könne die Leistung nur einmal gefor-
genommen werden können. Schließlich sollen die Schuldner unterei- dert werden.
nander einen gerechten, ihrem Verursachungsbeitrag entsprechenden
Schadensausgleich herbeiführen können. Dementsprechend bestimmt Die Annahme einer Gesamtschuld sei auch nicht dadurch ausge-
Paragraf 421 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), dass der schlossen, dass der Bauunternehmer gegebenenfalls zur Nachbesse-
Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner rung verpflichtet sei, der Architekt aber auf Schadenersatz hafte, denn
ganz oder zu einem Teil fordern kann, wenn mehrere Schuldner die eine „Identität der geschuldeten Leistung“ sei insoweit nicht erforder-
Leistung in einer Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu be- lich. Schließlich könne die Nachbesserungspflicht des Bauunternehmers
wirken verpflichtet ist (der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu alsbald in eine Schadensersatzpflicht in Geld übergehen. Umgekehrt
fordern berechtigt ist). könne der Architekt seine Leistungen grundsätzlich zwar nicht nachbes-
sern, in besonderen Fällen könne der Architekt aber selbst dafür sor-
Die gesamtschuldnerische Haftung setzt daher ein Gesamtschuld- gen, dass der Mangel behoben werde. Die Leistungen des Bauunter-
verhältnis zwischen dem Planer und dem Bauunternehmer voraus. nehmers und des Architekten stünden sich mithin so nahe, dass ihre
„inhaltliche Verschiedenheit hart an der Grenze zur inhaltlichen Gleich-
Aufgrund der unterschiedlichen (Primär-)Leistungspflichten der Be- heit (Identität)“ liege. Da das Gesetz aber keine „Identität“ fordere,
teiligten, stellt sich die Frage nach einer gesamtschuldnerischen Haf- sondern nur, dass der Gläubiger „eine“ Leistung fordern könne, die den
tung in der Erfüllungsphase regelmäßig nicht, denn die hierfür erfor- jeweils anderen Schuldner entlaste, sei die Annahme einer Gesamt-
derliche „Gesamtschuld“, etwa in Form der Erstellung eines Bau- schuld gerechtfertigt. Dem ist die herrschende Meinung gefolgt [29].
werks, besteht nicht [26]. Keiner der Beteiligten erfüllt mit seinem Tun Hierbei hilft es dem Planer auch nicht, dass der Bauherr gegebe-

Der Prüfingenieur | November 2012 51


HAFTUNG
nenfalls noch Nachbesserungsansprüche gegenüber dem Bauunter- lens“ der Bauauftraggeber oftmals ein größeres Augenmerk auf den
nehmen hat, die er „zunächst“ und möglicherweise sogar einfacher Preis als auf die Leistungsfähigkeit und die Zuverlässigkeit des bauaus-
durchsetzen könnte [30]. Denn der Bauherr ist als Gesamtschuldner führenden Unternehmens gelegt wird.
grundsätzlich frei, wen er in Anspruch nimmt [31]. Nur im Einzelfall
kann sich die vorrangige Inanspruchnahme des Architekten auf Scha- Das gilt im Übrigen auch für die öffentlichen Auftraggeber, die im
denersatz als treuwidrig darstellen, zum Beispiel wenn der Bauherr Rahmen der Vergabe regelmäßig den Preis als entscheidendes Zu-
den Mangel offensichtlich auf einfache und billigere Weise von dem schlagkriterium fixieren.
Unternehmer beseitigen lassen kann. Denn den Bauherrn trifft inso-
weit eine Schadensminderungspflicht [32]. Aber selbst wenn ein qualitativ gutes Unternehmen den Zuschlag
erhält, ist der Anreiz nicht groß, eine einwandfreie Bauleistung zu ei-
In Bezug auf die Inanspruchnahme des Bauunternehmers ist aller- nem oft nicht auskömmlichen Preis abzuliefern. Stattdessen wird auf
dings zu differenzieren. Beruht die (Mit-)Haftung des Architekten (nur) Seiten der Auftragnehmer meist nach Möglichkeiten gesucht, Nachträ-
auf einer mangelhaften Planung, so entlastet dies den Bauunterneh- ge geltend zu machen oder das Projekt über günstigere Nachunter-
mer. Denn der Bauherr schuldet dem Bauunternehmen eine mangel- nehmen und abgesenkte Qualitäten abzuwickeln.
freie Planung. Stellt er folglich fehlerhafte Pläne zur Verfügung, trifft
ihn in Bezug auf die Umsetzung dieser mangelhaften Planungen ein Ungeachtet dieser ökonomischen Rahmenbedingungen soll der Ar-
Mitverschulden. Dieses kann der Bauunternehmer dem Bauherrn mit chitekt für die vertragsgerechte Realisierung des Bauwerks selbst
der Folge entgegenhalten, dass er nur nach einer nach Paragraf 254 dann haften, wenn er den Bauherrn umfassend auf die sich daraus er-
des Bürgerlichen Gesetzbuches zu ermittelnden Quote haftet [33]. gebenden Probleme hinweist. Es ist aber zweifelhaft, ob der Architekt
tatsächlich in der Lage ist, eine mangelhafte Leistungsfähigkeit in je-
Dies gilt hingegen nicht, wenn der Architekt (nur) auf Grund einer dem Fall mit einem noch angemessenen Kontrollaufwand auszuglei-
unzureichenden Bauüberwachung haftet, denn der Bauherr schuldet chen. Da der Architekt zum Zeitpunkt der Beauftragung der Bauunter-
dem Bauunternehmer keine Bauüberwachung [34]. nehmen bereits vertraglich gebunden ist, kann er seinen Vertrag noch
nicht einmal kündigen, ohne zu riskieren, dafür auf Schadenersatz in
Der Architekt kann den Folgen einer gesamtschuldnerischen Haf- Anspruch genommen zu werden.
tung praktisch auch kaum durch eine vertragliche Freizeichnung ent-
gehen, zumal eine generelle oder bedingte Freizeichnung einer AGB- Daher ist die Frage nicht unberechtigt, warum der Bauherr von der
Kontrolle gem. Paragraf 309 Nummer 8 b des Bürgerlichen Gesetzbu- Wettbewerbssituation bei Bauleistungen und den damit verbundenen
ches regelmäßig nicht standhalten dürfte [35]. günstigen Preisen allein profitieren soll, während der Planer ohne jeg-
liche Gegenleistung die daraus resultierenden Probleme auf seine Kos-
Das Gesamtschuldverhältnis kann auch zwischen mehreren betei- ten ausgleichen soll. Stattdessen läge es durchaus nahe, den Bauherrn
ligten Planern bestehen. Dabei stehen die sogenannten Sonderfach- – zum Beispiel über ein haftungsminderndes Mitverschulden – zumin-
leute im Vordergrund, insbesondere die Tragwerksplaner [36]. In die- dest dann in die Pflicht zu nehmen, wenn er sein Vertrauen unberech-
sen Fällen gilt aber das bereits für den planenden Architekten Ausge- tigt in ein Unternehmen gesetzt hat, obwohl er gewarnt war [38].
führte: der Bauunternehmer kann sich insoweit auf ein Mitverschul-
den des Bauherrn berufen, da der Sonderfachmann gemäß Paragraf Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Inanspruchnahme der
278 BGB Erfüllungsgehilfe des Bauherrn ist, so dass seine fehlerhafte Haftpflichtversicherung der Planer, Diese dient eigentlich als Sicherheit
Planung dem Bauherrn als Mitverschulden zugerechnet wird (§ 254 für den Geschädigten, damit Schäden, die der Planer durch seine Tä-
BGB). tigkeit unmittelbar verursacht, auch ersetzt werden.

Wird einer der Gesamtschuldner vom Bauherrn in Anspruch genom- Es ist aber zweifelhaft, ob der Gesetzgeber dabei auch erkannt hat
men, hat er gegenüber den übrigen Schuldnern einen Ausgleichsan- und in Kauf nehmen wollte, dass die Planer auch für Schäden haften,
spruch nach Paragraf 426 Absatz 1 BGB [37], der zu einer Quotierung die sie nicht allein verursacht haben. Kommt es in der Praxis nämlich
des Schadens entsprechend dem Maß des Verursachungsbeitrags der nicht zu einem entsprechenden Gesamtschuldnerausgleich, so müssen
Beteiligten führt. die an der Versicherungsgemeinschaft beteiligten Planer im Rahmen
ihrer Haftungsgemeinschaft die Mittel auch für solche Schäden bereit-
stellen, für die andere Berufsgruppen und Unternehmen die (Mit-)Ver-
4 Probleme der gesamtschuldnerischen antwortung tragen.
Haftung
Um es deutlicher zu sagen: mit welcher Berechtigung sollen Planer
Die umfassende und sehr weit gehende Verpflichtung zur Objektüber- (die möglicherweise selbst noch nicht einmal Schäden verursachen)
wachung ist angesichts zweier Umstände durchaus bedenklich. Zum solidarisch für Schäden eintreten müssen, die nicht durch ihre Berufs-
einen soll der Architekt eine mangelhafte Leistungsfähigkeit des bau- kollegen (allein) verursacht worden sind.
ausführenden Unternehmens durch eine höhere Kontrolldichte aus-
gleichen. Soweit er dabei der HOAI unterliegt ist jedoch zumindest Planer haften damit auch für Schäden, für die eigentlich bauausfüh-
zweifelhaft, ob er hierfür eine höhere Vergütung verlangen kann. Er rende Unternehmen einzustehen hätten, die sich an dem Haftungssys-
muss im Zweifel also einen deutlich höheren Aufwand für die gleiche tem aber in keiner Weise beteiligen. Auf diese Art und Weise unterhal-
Vergütung betreiben. ten die Planer letztlich nicht nur ein solidarisches Haftpflichtversiche-
rungssystem, sondern eine „verkappte“ gesetzliche Gewährleistungs-
Zum zweiten ist allenthalben bekannt, dass auf Grund des hohen versicherung [39]. Dies ist auch Ursache für die aus Sicht der Planer
Preiswettbewerbs bei Bauleistungen und des großen „Einsparungswil- vielfach kritisierte Entwicklung der Versicherungsbeiträge.

52 Der Prüfingenieur | November 2012


HAFTUNG

5 Reformbestrebungen Allerdings würde dies für die Wirtschaft nicht unerhebliche Kosten
verursachen, weil eine solche Bürgschaft unter Berücksichtigung der
Die geschilderten Probleme haben die seit langem geführte fachliche Subunternehmerketten mehrfach gegeben werden müsste.
Diskussion befeuert, die gesamtschuldnerische Haftung zu überden-
ken. Insbesondere der 3. Deutsche Baugerichtstag hat im Rahmen sei- Auch wenn eine solche Bürgschaft nur einen Teil der Leistung abde-
ner Thesen zur Diskussion gestellt, den „Zweckgemeinschafts-Begriff“ cken könnte, wären die Kosten im Hinblick darauf, dass das gleiche Ri-
aufzulösen, mit dem die Rechtsprechung die Architekten in die ge- siko mehrfach abgesichert werden müsste, hoch. Auch werden solche
samtschuldnerische Haftung mit den ausführenden Unternehmen Bürgschaften auf die Kreditlinien der Unternehmen angerechnet, be-
dränge, da er in Wirklichkeit nicht bestehe. Die Haftung eines jeden am einträchtigen also ihre Liquidität.
Bau Beteiligten sei einzelfallbezogen zu prüfen [40].

In seinen Empfehlungen hat der Deutsche Baugerichtstag nach Dis-


6 Versicherungsmodelle
kussion des Themas allerdings nur dazu aufgerufen, die gesamtschuld- Daher wurden die Überlegungen im Rahmen des 4. Deutschen Bauge-
nerische Haftung und die damit verbundenen Probleme umfassend zu richtstags [41] weitergeführt und die Möglichkeiten einer Versiche-
untersuchen und sach- und interessengerechten Lösungen zuzuführen. rungslösung erörtert. Die Mitglieder des Arbeitskreises I (Bauversiche-
Dabei seien materiell-rechtliche, versicherungsrechtliche, vergabe- rungsrecht) waren sich schließlich weitgehend einig, dass ganzheitli-
rechtliche und prozessuale Aspekte zu berücksichtigen. che Lösungen der Versicherungswirtschaft dazu beitragen können,
Rechtsstreitigkeiten zu reduzieren und schneller als bisher zufrieden-
Daraufhin hat die Bundesregierung dieses Thema im Rahmen ihrer stellende Konfliktlösungen für alle Beteiligten herbeizuführen.
Arbeitsgruppe „Novellierung des Bauvertragsrechts“ aufgegriffen. Die
bislang gemachten Lösungsvorschläge stoßen jedoch nach wie vor auf Der Arbeitskreis stimmte daher mit großer Mehrheit dafür, dass der
die unterschiedlichsten Bedenken: Gesetzgeber im Rahmen einer geplanten gesetzlichen Verpflichtung
des Unternehmers, Fertigstellungs- und Mängelhaftungsrisiken abzusi-
So ist das Institut der „Gesamtschuldnerischen Haftung“ ein allgemei- chern, eine vergleichbare Alternative durch Versicherungslösungen mit
nes Rechtsinstitut, kein spezifisches Ausgleichsmechanismus für „Schä- in das Gesetz aufnehmen solle, die sowohl Fertigstellungs- als auch
den am Bau“. Daher sind die Voraussetzungen auch abstrakt formuliert Mängelhaftungsrisiken umfasst. Der Versicherungsschutz könne auch
und stehen letztlich für eine grundsätzliche Entscheidung des Gesetzge- einen Regressverzicht für etwaige Ansprüche gegen mitversicherte
bers, dem Gläubiger eine angemessene Rechtsposition zu verschaffen, Schadenverursacher beinhalten, insbesondere bei einer Qualitätssi-
wenn er von jedem der Beteiligten die gesamte Leistung fordern kann. cherung (zum Beispiel Präqualifizierung und baubegleitende Quali-
tätsüberwachung). Die Versicherung müsse projektbezogen ausgestal-
Hierdurch soll ihm vor allem das Risiko genommen werden, jeden tet sein und einen Direktanspruch des Bauherrn gegenüber der Versi-
der Beteiligten auf „Teile“ der Leistung in Anspruch nehmen zu müs- cherung gewährleisten. Die Mindestversicherungssumme müsse den
sen, obwohl er dies regelmäßig nicht kann, da es sich bei einem Bau- gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Für Erfüllungs- und Mängelhaf-
werk um eine unteilbare Leistung handelt. tungsrisiken könne ein Sublimit vorgesehen werden, das der Höhe
nach den durchschnittlichen Schäden bei Verbraucherobjekten ent-
Das gilt letztlich auch für die Beseitigung eines Mangels des Bau- spreche.
werks, weil der Geschädigte sonst vor Inanspruchnahme der Beteilig-
ten zu überlegen hätte, welchen betragsmäßig exakt zu beziffernden Die Arbeitsgruppe „Bauvertragsrecht“ der Bundesregierung hat
Anteil er welchem der am Bau Beteiligten gegenüber geltend machen dies zum Anlass genommen, das Thema mit der Versicherungswirt-
kann. Hierfür hat er letztlich weder eine rechtlich aber auch keine schaft zu erörtern, da insbesondere sichergestellt werden muss, dass
sachlich verlässliche Basis. eine solche Versicherung betriebswirtschaftlich darstellbar ist.

Dagegen bietet das Instrument des Gesamtschuldnerausgleichs Nach dem derzeitigen Sachstand dürfte zunächst feststehen, dass
(§ 426 Abs. 1 BGB) für die „Schädiger“ die Möglichkeit, die Schadens- die Schaffung einer „Pflichtversicherung“, wie sie insbesondere in
anteile gerecht untereinander zu verteilen, wobei diese zugegebener- Frankreich in Form der „R. C. décennale“ besteht, jedenfalls nicht be-
maßen das gegenseitige Insolvenzrisiko tragen müssen, was insbeson- absichtigt ist. Damit stellt sich auch nicht die Frage eines „Kontrahie-
dere die Planer zunehmend als „ungerecht“ empfinden. rungszwangs“ für die Versicherungsunternehmen. Vielmehr sollte
überlegt werden, die Möglichkeit zu schaffen, dass die Beteiligten Ri-
Die gesetzliche „Abschaffung“ der gesamtschuldnerischen Haftung siken im Sinne eines aktiven Risikomanagements auf einen Dritten,
von Planer und Bauausführendem ginge zudem allein zu Lasten des nämlich den Versicherer, mit dem Abschluss einer Versicherung für ein
Bauherrn, ohne dass es dafür eine hinreichende Begründung gibt, (Bau-)Objekt vertraglich übertragen können. Allerdings würde der
denn der Bauherr hat den Mangel beziehungsweise den Schaden in Gesetzgeber dem Gedanken, einer Versicherung die Funktion eines
der Regel ja gerade nicht (unmittelbar) verursacht. Sicherungsmittels (gesetzlich) zuzuerkennen, sicherlich dann leichter
nähertreten können, wenn damit vor allem zwei Probleme gelöst
Richtiger scheint es daher, die Absicherung der Beteiligten anzu- werden:
gleichen, was in letzter Konsequenz eine finanzielle Absicherung der
Gewährleistung bedeutet. ■ Mehr Sicherheit für den Besteller (Verbraucher) in Form eines ver-
lässlichen und dauerhaften Partners bei der Beseitigung von Ge-
Dies könnte durch eine Absicherung der Mängelgewährleistung ge- währleistungsschäden;
schehen, indem der Bauunternehmer gesetzlich verpflichtet wird, eine ■ gerechtere“ Verteilung von Gewährleistungsschäden zwischen den
entsprechende Bürgschaft zu stellen. Beteiligten (Planern und bauausführenden Unternehmen).

Der Prüfingenieur | November 2012 53


HAFTUNG
Insoweit wäre denkbar, dass der Gesetzgeber – gegebenenfalls un- sigen und qualifizierten Unternehmen baut. Die erforderlichen Instru-
tergesetzlich – Parameter festlegt, die erfüllt sein müssen, damit eine mente stellt der Markt bereits zur Verfügung. So unterhalten sowohl
Versicherung als „taugliches“ Sicherungsinstrument zur Erfüllung ge- das Baugewerbe („Zert Bau“) als auch die Bauindustrie („DQB“) Ein-
setzlicher Pflichten anerkannt werden kann. richtungen, die die Erfüllung bestimmter Qualitätsanforderungen für
Baubetriebe bescheinigen.
Schließlich darf nicht übersehen werden, dass entsprechende Dis-
kussionen auch auf Ebene der Europäischen Union geführt werden. Darüber hinaus gibt es am Markt weitere Anbieter. Eine derartige
Qualitätssicherung ist im Hinblick auf die erforderliche Flexibilität bei
Dabei geht es nicht nur um die Fortführung der sogenannten ELIOS- der Beauftragung von Unternehmen unerlässlich. Letztlich muss dem
Studie. Versicherungslösungen werden vielmehr, gerade auch im Baube- Versicherer freistehen, welche Anforderungen er stellt und welche Un-
reich, als Möglichkeit gesehen, dem Verbraucher eine Sicherheit in Be- ternehmen er versichert.
zug auf eine mangelfreie Ausführung seines Bauwerks zu verschaffen.
Darüber hinaus nimmt die Zertifizierung von Gebäuden zu, die mit
So hat die EU-Kommission in einer aktuellen Mitteilung [42] im Zu- einer Qualitätsüberwachung verbunden ist. Anbieter wie die DGNB,
sammenhang mit der Förderung kleiner Renovierungsprojekte mit ver- LEED oder BREEAM vermitteln sogenannte Auditoren und Consul-
traglich garantierten Bauleistungen und Anreizen für Investitionen in tants, die die Durchführung der Baumaßnahmen unabhängig überwa-
ressourcenschonende Renovierungen (Steigerung der Gesamtenergie- chen. Auch hieran könnten Versicherer anknüpfen.
effizienz von Gebäuden) ausgeführt:
Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Angaben des Unterneh-
Die Kommission wird 2013 die vorläufigen Schlussfolgerungen hin- mens fehlerhaft oder falsch waren, kann eine unmittelbare Haftung
sichtlich eines laufenden Pilotprojektes vorlegen, mit dem derzeit aus- gegen die Beteiligten vorgesehen werden, was der Versicherung gege-
gelotet wird, inwieweit solche Versicherungsprogramme zur Anwen- benenfalls auch einen Regress ermöglicht.
dung kommen könnten, mit denen vertragliche Leistungsgarantien
und grenzüberschreitende Dienstleistungen, insbesondere für Auftrag- Bei einer umfassenden Überwachung und Qualitätssicherung ist
nehmer aus dem Bereich kleiner Bauunternehmen, abgedeckt werden ansonsten denkbar, dass auf einen (verwaltungsaufwendigen) Regress
könnten. verzichtet werden kann. Dieser könnte dann auf bestimmte Fälle be-
grenzt bleiben. Neben grob fahrlässigem Handeln käme dies zum Bei-
Die aktuellen nationalen gesetzgeberischen Aktivitäten geben den spiel bei Falschangaben in Betracht.
Versicherungsunternehmen daher die Möglichkeit, sich frühzeitig und
aktiv in die Konzeption derartiger Instrumente einzubringen. Eine indirekte Regressmöglichkeit liegt auch darin, dass bestimmte
Unternehmen von der Deckung ausgeschlossen werden. Der Bauherr
Sollte es tatsächlich gelingen, zumindest die typischen Verbraucher- erhält also keine Deckung, wenn er mit einem solchen Unternehmen
projekte in einem ersten Schritt mit einer Gewährleistungsversiche- bauen will. Alternativ kann die Prämie höher ausfallen.
rung auszustatten, wäre für eine Vielzahl von Fällen und Versiche-
rungsnehmern das Problem weitgehend entschärft. Im Ergebnis könnte der Versicherungswirtschaft nicht zuletzt als
Vertreter der Solidargemeinschaft der am Bau Beteiligten die Rolle ei-
Zur Begrenzung der Risiken müsste allerdings eine unabhängige nes Qualitätssicherers zukommen – sicherlich nicht zum Schaden der
Überwachung der Bauleistung erfolgen. Anders ist eine ausreichende Bauherrn, der Planer und der leistungsfähigen und zuverlässigen Bau-
Qualität während der Bauphase nicht zu gewährleisten. Hierzu kom- unternehmen, die schon seit langem einen stärkeren Qualitätswettbe-
men im Prinzip zwei Möglichkeiten auch nebeneinander in Betracht: werb an Stelle des bisherigen Preiswettbewerbs anstreben.

Zum einen sollte ein unabhängiger Sachverständiger zu bestimm-


ten Zeitpunkten (Rohbau; Abdichtungsmaßnahmen etc.) Zwischenab-
7 Anmerkungen und Literatur
nahmen durchführen. Die Kosten sind bei der Festlegung der Prämie [1] Den folgenden Ausführungen liegt ein Vortrag des Verfassers zu-
zu berücksichtigen. Der Sachverständige würde im Auftrag der Versi- grunde, den dieser auf der Arbeitstagung der Bundesvereinigung
cherung tätig. Die Beteiligten wären vertraglich zu verpflichten, mit der Prüfingenieure für Bautechnik e. V. am 14. September 2012 in
ihm zu kooperieren und die notwendigen Unterlagen (zum Beispiel Dresden gehalten hat.
bautechnische Nachweise) zur Verfügung zu stellen. [2] BGH, Beschluss vom 1.2.1965 – GSZ 1/64, NJW 1965, 1175.
[3] Gemeint ist hier nicht die Nachbesserung einer (abgenommenen)
Zum anderen ist auf die Qualifizierung der Beteiligten zu achten. So Leistung im Rahmen der Gewährleistung, sondern die Möglichkeit
könnte verlangt werden, dass bei der Erstellung des Bauwerks ein Ar- des Bauherrn, auf Vertragserfüllung zu bestehen. Im Kern bringt
chitekt mitzuwirken hat, alternativ, etwa bei Bauträgern, ein entspre- der Bauherr damit zum Ausdruck, dass er die momentane Leistung
chender Nachweis zu erfolgen hat, dass bauvorlageberechtigte Mitar- bei Abnahme nicht als vertragsgemäß anerkennen wird.
beiter bei der Erstellung des Bauwerks mitwirken. [4] Anders als Bauunternehmer haften Planer aber vielfach auch noch
mit ihrem Privatvermögen.
In Betracht kommt darüber hinaus, bestimmte Anforderungen an [5] Sprau in Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, Rn. 2 zu § 634.
das Bauunternehmen zu stellen, etwa, dass sie präqualifiziert sind, be- [6] Drossart in Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 2. Aufl. 2012,
ziehungsweise die Anforderungen an eine Präqualifizierung erfüllen. Rn. 102.
Hierbei könnten die bauausführenden Unternehmen zur Abgabe be- [7] Verletzen beide diese Pflichten, haften sie für eine mangelhafte
stimmter Nachweise und Erklärungen verpflichtet werden. Der Bau- Planung dann doch als Gesamtschuldner, vgl. OLG Celle, Urt.
herr erhält hierdurch auch die Gewissheit, dass er mit einem zuverläs- 19.08.2009 – 7 U 257/08.

54 Der Prüfingenieur | November 2012


HAFTUNG
[8] Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 04.04.2006 – 12 U 205/05. [26] BGH, Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 1.2.1965
[9] Nach alter Rechtslage war die Tauglichkeit des Werks objektiv zu – GSZ 1/64, BGHZ 43, 227 = NJW 1965, 1175.
bestimmen, dabei kam den „anerkannten Regeln der Technik“ [27] Werner/Pastor, Der Bauprozess, 13. Aufl. 2011, Rn. 2481 ff.; Soer-
eine erhebliche Bedeutung zu. Ein Verstoß gegen die Regeln führ- gel, „Gesamtschuldnerische Haftung der Baubeteiligten“, BauR
te praktisch zur Mangelhaftigkeit. Auch nach neuer Rechtslage 1a/2005, S. 239 ff.
durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat sich daran [28] BGH, Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 1.2.1965
nichts geändert, obwohl der Begriff im Gesetz (weiterhin) nicht – GSZ 1/64, BGHZ 43, 227 = NJW 1965, 1175.
auftaucht, ständige Rspr. des BGH vgl. Urteil vom 04.06.2009 – [29] Drossart in Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht,2. Aufl. 2012,
VII ZR 54/07; vgl. auch BT-Drucks. 14/6040, 261: „Dass, soweit Rn. 101 ff.
nichts anderes vereinbart ist, die allgemeinen Regeln der Technik [30] Soergel bezeichnet den objektüberwachenden Architekten denn
einzuhalten sind, ist nicht zweifelhaft. Eine ausdrückliche Erwäh- auch als „klassischen und echten Gesamtschuldner“, BauR
nung (im Gesetz) bringt deshalb keinen Nutzen.“ 1a/2005, 239 (243).
[10] Vgl. BGH Urteil vom 04.06.2009 – VII ZR 54/07; BGH, Urt. [31] BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – VII ZR 5/06, BauR 2007, 1875.
09.07.2002 – X ZR 242/99. [32] BGH, VII ZR 5/06, ZfBR 2007, 784.
[11] Ständige Rechtsprechung des BGH: BGH, VII ZR 157/06, ZfBR [33] Ständige Rspr. des BGH, Urteil vom 24.05.2005 – VII ZR 328/03,
2008, 354; BGH, VII ZR 283/95, ZfBR 1997, 74. NJW-RR 2005, 891; Urteil vom 27.06.1985 –VII ZR 83/84, BauR
[12] Vgl. Weber, „Die vertragliche Haftung des Architekten für Verlet- 1985, 561; OLG Jena, Urteil vom 21.07.2011 – 1 U 1223/05; OLG
zungen der vertraglichen Bauaufsichtspflicht“, ZfBR 2010, 107 f. Celle, Urteil vom 04.02.2010 – 6 U 88/09, BauR 2010, 924.
m. w. N.. [34] BGH, Urteil vom 29.09.1988 – VII ZR 182/97, BauR 1989, 97 und
[13] Vgl. OLG Karlsruhe Urteil vom 19.03.2010 – 19 U 100/09, BauR VII ZR 70/01, NJW-RR 2002, 1175, OLG Stuttgart, Urteil vom
2010, 83. 28.07.2010 – 3 U 26/10.
[14] Vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 11.12.2008 – 8 U 102/07. [35] Vgl. dazu: Weber, „Die vertragliche Haftung des Architekten für
[15] Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.08.2008 – 10 U 4/06. Verletzungen der vertraglichen Bauaufsichtspflicht“, ZfBR, 2010,
[16] OLG Celle, 7 U 69/06, NJOZ 2007, 3947. 107, 111 f..
[17] Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. 19.06.2007 – 21 U 38/05 und [36 Vgl. dazu Soergel, BauR 1a/2005, 239, 245 f.
28.10.2008 – 21 U 21/08 [37] Vgl. dazu: Kniffka, „Gesamtschuldnerausgleich im Baurecht“,
[18] Vgl. dazu das sog. Glasfassadenurteil des BGH , Urt. 27.11.2008, BauR 1a/2005, 274 ff..
VII ZR 206/06, BGHZ 179, 55: danach kommt nunmehr ein Mit- [38] In diese Richtung gehen auch die Ausführungen von Putzier,
verschulden des Bauherrn in Betracht, wenn er dem Architekten „Warum die Überwachung der handwerklichen Arbeit durch den
fehlerhafte Pläne eines von ihm beauftragten Sonderfachmanns Architekten nicht zur gesamtschuldnerischen Haftung für Aus-
zur Verfügung stellt. führungsmängel führen kann“, BauR 2012, 143 (144) unter Hin-
[19] Vgl. OLG Frankfurt, Urt. 23.08.2006 – 23 U 138/01. weis auf Vogel, ZfBR 2004, 425.
[20] BGH, Urteil vom 22.10.1981 – VII ZR 310/79, ZfBR 1982, 15. [39] Vgl. Soergel, BauR 1a/2005, S. 239, 244: „Die freie Auswahl des
[21] BGH, Urteil vom 09.11.2000 – VII ZR 362/99, ZfBR 2001, 106. Gläubigers … unterläuft – wie nicht zu verkennen ist – das Män-
[22] OLG Stuttgart, Urteil vom 13.02.2006 – 5 U 136/05 -, BauR 2006, gelbeseitigungsrecht des Bauunternehmers. Die Rechtsprechung
1772; OLG Hamm, 24 U 27/89; NJW –RR 1990,158; Weber, „Die hat dies aber in Kauf genommen.“
vertragliche Haftung des Architekten für Verletzungen der ver- [40] These Nr. 5 des Arbeitskreises IV – Architekten- und Ingenieur-
traglichen Bauaufsichtspflicht“, ZfBR 2010, 107 f. mit konkreten recht, des 3. Deutschen Baugerichtstags am 7./8. Mai 2010 in
Beispielen aus der Rechtsprechung. Hamm/Westf.
[23] Kritisch hierzu Putzier, BauR, 2012, 143 f. unter Verweis auf ein [41] 4. Deutscher Baugerichtstag am 11.12. Mai 2012 in Hamm/
fehlendes Direktionsrecht des Architekten gegenüber dem Bau- Westf.
unternehmer – vgl. hierzu aber § 4 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B. [42 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und
[24] BGH, VII ZR 362/99, ZfBR 2001, 106; OLG Naumburg, Urteil vom den Rat – Strategie für die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit des
29.04.2006 – 1 U 27/06, NZBau 2007, 453. Baugewerbes und seiner Unternehmen – COM (2012) 433 final
[25] BGH, Urteil vom 10.11.1977 – VII ZR 321/75, NJW 1978, 322. vom 31. Juli 2012.

Der Prüfingenieur | November 2012 55


BAUAUFSICHT

Aufgabe des DIBt: Die bautechnischen Aufgaben des


öffentlichen Rechts in Deutschland einheitlich behandeln
„Wir werden uns für mehr Verständlichkeit und
Benutzerfreundlichkeit bauaufsichtlicher Regeln einsetzen“
Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) gehört zweifelsfrei 1 Einführung
zu den renommiertesten und profiliertesten deutschen Bund-
Länder-Behörden, nicht nur in Deutschland selbst, sondern auch Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) wurde von den Ländern
in Europa und weltweit. Kurz gesagt erteilt es Europäische und dem Bund mittels eines Staatsvertrages, nämlich mit dem Abkom-
Technische Zulassungen für Bauprodukte und -systeme sowie men über das Deutsche Institut für Bautechnik, gegründet, um bau-
allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen für Bauprodukte und technische Aufgaben des öffentlichen Rechts in Deutschland einheit-
Bauarten; außerdem erkennt es Prüf-, Überwachungs- und Zer- lich zu behandeln. Deshalb hat das DIBt, durch sein Abkommen festge-
tifizierungsstellen für Aufgaben im Rahmen des Ü-Zeichens und legt, unter anderem die Aufgabe,
der CE-Kennzeichnung von Bauprodukten an, und es veröffent-
licht die Bauregellisten sowie die sogenannten Muster-Listen ■ europäische technische Zulassungen und allgemeine bauaufsichtli-
der Technischen Baubestimmungen. Mit dieser Aufgabenpalette che Zulassungen zu erteilen,
ist das DIBt ein ständiger Gast in den Büros der Prüfingenieure ■ Bekanntmachungen zur Einführung Technischer Baubestimmungen
und Prüfsachverständigen – Grund genug, einmal die enorme vorzubereiten,
Vielfalt seiner Obliegenheiten und Aufgaben aufzublättern. ■ bautechnische Untersuchungen einschließlich Bauforschungsaufträ-
ge anzuregen, zu vergeben, zu begutachten und zu betreuen sowie
Bauforschungsberichte auszuwerten,
■ auf Antrag eines oder mehrerer Beteiligter im Einzelfall Gutachten,
zum Beispiel zur Verwendung von Bauprodukten, zu erstatten,
■ die für die Marktaufsicht im Sinne von Paragraf 13 des Bauproduk-
tengesetzes zuständigen Behörden fachlich zu beraten sowie die
Marktaufsichtsverfahren der Länder zu koordinieren,
■ die Bauregellisten A und B sowie die Liste C aufzustellen und be-
kanntzumachen,
■ die Anerkennung und Überwachung von Prüf-, Überwachungs- und
Zertifizierungsstellen nach dem Bauproduktengesetz und den Lan-
desbauordnungen vorzubereiten (und bei Übertragung durch ein
Land auch vollständig durchzuführen).

Das Institut kann


■ an der Ausarbeitung technischer Richtlinien und technischer Regeln
■ im nationalen, europäischen und internationalen Bereich und
■ in Gremien bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften
sowie
■ sonstigen europäischen und internationalen Gremien mitarbeiten.

Aufgrund aktueller Entwicklungen, insbesondere wegen der neuen


europäischen Bauproduktenverordnung, werden gegenwärtig das Ab-
kommen und auch die einzelnen Aufgaben des Instituts neu gefasst.
Bis zu dieser Neufassung des Abkommens werden neue oder veränder-
te Aufgaben direkt auf Grund von Landes- oder Bundesgesetzen oder
Dipl.-Ing. Gerhard Breitschaft entsprechenden Verordnungen wahrgenommen.

studierte Bauingenieurwesen (Konstruktiver Ingenieurbau) an der Im Folgenden soll auf die einzelnen Aufgaben des DIBt eingegan-
TU Berlin, begann 1987 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am In- gen und dabei jeweils über neue Entwicklungen berichtet werden.
stitut für Mechanik der TU Berlin und war von 1993 bis 2003 in
drei Ingenieurbüros tätig, wo er Tragwerksplanungen und bau-
technische Prüfungen absolvierte und in der Softwareentwick- 2 Europäische Technische Zulassungen
lung tätig war; 2003 übernahm er die Leitung der Abteilung Kon- (ETA)
struktiver Ingenieurbau des Deutschen Instituts für Bautechnik,
dessen Präsident er seit 2009 ist. Gegenwärtig gibt es circa 2200 gültige Europäische Technische Zulas-
sungen (ETA), wobei rund 810 vom DIBt erteilt wurden. Ab dem Inkraft-

56 Der Prüfingenieur | November 2012


BAUAUFSICHT
treten der neuen Bauproduktenverordnung, also ab dem 1. Juli 2013, ■ Behälter, in denen explizit Super E10 und Heizöle mit erhöhtem
werden Europäische Technische Zulassungen nicht mehr erteilt, beste- (Bio-)Alkoholanteil gelagert werden können,
hende behalten jedoch ihre festgelegte Gültigkeit. Wichtig ist aber, dass ■ Kleber und Verlegeunterlagen von Bodenbelägen, die hinsichtlich
auch für bisher europäisch zugelassene Produkte dann nach der neuen ihrer Emissionen in Innenräumen bewertet wurden
Bauproduktenverordnung eine Leistungserklärung vorliegen muss. erteilt.

Anstelle der Europäischen Technischen Zulassung wird es zukünftig


die Europäische Technische Bewertung (ETB) geben. Erteilt werden 4 Einführung Technischer
diese von den neuen Technischen Bewertungsstellen, was in Deutsch- Baubestimmungen
land das DIBt sein wird.
Hier war die Vorbereitung der bauaufsichtlichen Einführung der Euro-
Grundlage der Europäischen Technischen Bewertung wird das Euro- codes die größte Aufgabe der letzten Monate. Die Eurocodes sind nun
päische Bewertungsdokument sein, was den bisherigen Prozessen ei- in ihren wesentlichen Teilen in den Landeslisten der Technischen Bau-
nes Common Understanding of Assessment Procedure (CUAP) oder ei- bestimmungen aufgeführt und damit anzuwenden beziehungsweise
ner European Technical Approval Guideline (ETAG) vergleichbar sein anwendbar. In Bayern und Hessen dürfen bis Ende 2013 auch noch die
wird. Die Europäische Technische Bewertung führt auch zu CE-gekenn- entsprechenden alten deutschen Normen angewendet werden.
zeichneten Bauprodukten, ist aber im Wesen von der Zulassung ver-
schieden. So haben beispielsweise die Bewertungen keine Gültigkeits- Für die Eurocodes im Mauerwerksbau wurden Hinweise zur Fest-
dauer mehr und enthalten nur ausgewertete Prüfergebnisse zu einem stellung der Gleichwertigkeit nach Paragraf 3, Absatz 3, Satz 3 der
bestimmten Zeitpunkt, ähnlich einer Erstprüfung. Die Gültigkeit der Musterbauordnung (MBO) gegeben. Der Eurocode 6 wird voraussicht-
Prüfgrundlagen ist beim Einbau des Produktes im Bauwerk sicherzu- lich im Jahr 2014 in die Listen der Technischen Baubestimmungen auf-
stellen, wer diese Überprüfung übernehmen muss, ist noch nicht ab- genommen.
schließend geklärt. Angaben zum Einbau oder der Bemessung werden
in den Bewertungen nicht enthalten sein. Die Zulassungen werden auf Antrag auf die Eurocodes umgestellt.
Produkte, deren Zulassungen bislang noch nicht umgestellt wurden,
Da eine europaweite Abstimmung der Europäischen Technischen dürfen aber trotzdem verwendet werden, eine entsprechende Über-
Bewertungen nicht mehr vorgesehen ist, und damit jede europäische gangslösung findet sich in den Vorbemerkungen zur Liste der Techni-
Technische Bewertungsstelle die Bewertung direkt auf Basis des abge- schen Baubestimmungen.
stimmten Bewertungsdokument ausstellt, wird sich die Vielfältigkeit
Europas in den Bewertungen widerspiegeln.
5 Bauforschung
Positiv werden sicherlich die kürzeren Bearbeitungszeiten aufge- Jedes Jahr vergibt die Bauministerkonferenz Förderungsmittel in Höhe
nommen werden, die aufgrund der Vorgaben von Bearbeitungsfristen von einer Million Euro für Bauforschungsvorhaben, die bauaufsichtli-
für das Bewertungsdokument und durch den Wegfall der europawei- che Bezüge aufweisen. Das DIBt regt die Vorhaben an, bewertet die
ten Abstimmung der Bewertung erwartet werden. Forschungsanträge und begleitet die Forschung. Die Ergebnisse wer-
den in einer Kurzfassung in den Mitteilungen veröffentlicht. In diesem
Jahr wurden beispielsweise folgende Anträge gefördert:
3 Allgemeine bauaufsichtliche
Zulassungen (abZ) ■ Bestimmung der maßgebenden Einwirkungskombinationen nach
DIN EN 1990 zur rationellen Bemessung von Stahlbetonbauteilen im
Im Jahr 2011 wurden vom Institut 3229 allgemeine bauaufsichtliche üblichen Hochbau,
Zulassungen (abZ) erteilt. Insgesamt gibt es ungefähr 8000 gültige all- ■ Ermittlung der äquivalenten Wärmeleitfähigkeit von wärmetech-
gemeine bauaufsichtliche Zulassungen. nisch verbesserten Abstandhaltern,
■ Einfluss von Steingeometrie, Mörtel und Feuchte auf die äquivalente
Diese nationalen Zulassungen wird es auch in Zukunft noch geben, Wärmeleitfähigkeit von wärmetechnisch hochwertigem Mauerwerk,
da sie, wie schon heute und in der Vergangenheit, nur für die Produkte ■ Zustanduntersuchung von CFK-Klebeverstärkung an Betonbauteilen
oder Bauarten erteilt werden, für die es keine Normen gibt oder die mittels zerstörfreier Prüfung (ZfP),
von Normen bedeutend abweichen. Dabei ist es unerheblich, ob Ab- ■ Untersuchungen zur Gefährdung der Standsicherheit an Spannbe-
weichungen von einer europäischen Norm oder einer deutschen Norm tonhohlplatten im Bestand infolge von Brandeinwirkungen,
vorliegen. ■ Umstellung der Nachweisführung für Zulassungen für bewehrte Bo-
denkörper mit Geogittern zur Sicherung von Geländesprüngen auf
Besonders innovative Produkte werden gegenwärtig in den Berei- das Teilsicherheitskonzept nach EC 7-1/DIN 1054,
chen Energieeffizienz und Umwelt- sowie Gesundheitsschutz zugelas- ■ Tragfähigkeit von Erdschrauben unter statischer Last und unter
sen. Neuartige Zulassungen wurden beispielsweise für Wechsellast,
■ vorgefertigte dreischalige Mauersteine mit integrierter Wärmedäm- ■ sichere Auslegung von Horizontalverbänden zur Stabilisierung bie-
mung, gedrillknickgefährdeter Brettschichtholzbiegeträger,
■ glasfaserverstärkte Kunststoffverankerungen für Stahlbetonsand- ■ Bewertung struktureller und mathematischer Störstellen bei der nu-
wichplatten, merischen Simulation von schalenförmigen Kunststoffbauteilen,
■ Betonelemente für Deichdeckwerksysteme im Küstenschutz (ETA), ■ EN 1996 – Anwendungserprobung,
■ aus energetischen Gründen verschließbare Rauchabzüge von Fahr- ■ Untersuchungen zum Tragverhalten von Ziegelmauerwerk bei dop-
schächten, pelt exzentrischer Druckbeanspruchung,

Der Prüfingenieur | November 2012 57


BAUAUFSICHT
■ Grundlegende Betrachtung und Bewertung derzeitiger Baupraxis im Entgelt vertreiben. Für die Richtigkeit und Aktualität solcher Veröf-
Hinblick auf die Nutzung von Sandwichelementen im Dachbereich fentlichung durch Dritte können wir natürlich keine Gewähr überneh-
als lastabtragende Bauteile von Solaranlagen, men.
■ Auslaugverhalten von Zementsuspensionen,
■ Laborvergleichsversuch zur Umweltverträglichkeit von Abdichtungs- Da die Bauregellisten durch ihre vielen Querverweise auf Anlagen
produkten (KMB und MDS), und andere Listenteile, auch auf die Liste der Technischen Baubestim-
■ Überprüfung des Einflusses standardisierter Elutionswässer auf das mungen, die zugegebenermaßen nicht besonders benutzerfreundlich
Auslaugverfahren von Bauprodukten im inversen Säulenversuch. sind, wird zur Zeit an einer datenbankgestützten Suchhilfe gearbeitet,
die dann auch online zur Verfügung gestellt werden soll.
6 Zustimmungen im Einzelfall Seitens der Europäischen Kommission, unterstützt auch durch deut-
Zustimmungen im Einzelfall (ZiE) werden von den obersten Baubehör- sche Produkthersteller, steht seit Jahren immer wieder die Bauregellis-
den der Länder erteilt. In zahlreichen Zustimmungsverfahren, insbeson- te B Teil 1 in der Kritik. Dort finden sich zu einigen harmonisierten eu-
dere, wenn es sich um zulassungsnahe Produkte handelt, wird das DIBt ropäischen Produktnormen zusätzliche Festlegungen der Bauaufsicht,
jedoch als Gutachter eingeschaltet. In einigen Ländern gibt es nun Über- die zu einem zusätzlichen Ü-Zeichen führen.
legungen, die Zustimmungsverfahren dem Institut im Ganzen zu über-
tragen, um Synergien zu nutzen. Davor sind aber noch rechtliche und Wir sind der Auffassung, dass im Falle unvollständiger Normen,
wirtschaftliche Fragen unter den Ländern zu klären und abzustimmen. wenn beispielsweise wichtige Angaben zur Standsicherheit, zum
Brandschutz oder zum Gesundheitsschutz fehlen, diese zwingend er-
gänzt werden müssen. Natürlich wäre es besser, diese mangelhaften
7 Marktüberwachung Normen in den europäischen Normengremien zu verbessern. Dieses
Das Institut befasst sich als gemeinsame Stelle der Länder mit organi- Vorgehen wird auch versucht, es ist jedoch sehr langwierig und führt
satorischen und technischen Fragen der Marktüberwachung für CE-ge- auch nicht immer zum Ziel, so dass zumindest übergangsweise, aus
kennzeichnete Bauprodukte. Die Verpflichtung zur Durchführung einer Gründen der Sicherheit die nationalen Nachregelungen aufrechterhal-
Marktüberwachung ergibt sich aus der europäischen Verordnung (EG) ten werden müssen.
765/2008. Die Marktüberwachung soll falsch gekennzeichnete Bau-
produkte finden und je nach Sachverhalt entweder für eine richtige Andere, bisher von der Europäischen Kommission vorgesehene Ver-
Kennzeichnung sorgen oder im schlimmsten Fall, wie bei erheblichen fahrensweisen für mangelhafte Normen sind entweder unverhältnis-
technischen Mängeln oder Gefahren für Umwelt oder Gesundheit, ein mäßig hart (komplette Zurückziehung/Verbot einer Produktnorm) oder
Produkt vom Markt nehmen. Sie sollte nicht als Erschwernis für regel- sehr schwerfällig und langwierig, wie die Behandlung in der soge-
konforme Produkte verstanden, sondern im Gegenteil als Qualitätssi- nannten Querries Group.
cherung für diese gesehen werden.

Neben der reaktiven Marktüberwachung, bei der die Behörden von 9 Anerkennung unabhängiger
Betroffenen auf falsch gekennzeichnete und technisch mangelhafte Drittstellen
Produkte hingewiesen werden, gibt es die sogenannte aktive Markt-
überwachung, in deren Rahmen stichprobenhaft, einem Marktüber- Das DIBt hat schon seit langem die Aufgabe, Prüf-, Überwachungs-
wachungsprogramm folgend, Produkte im Handel zunächst nach Pa- und Zertifizierungsstellen (PÜZ-Stellen) im nationalen und notifizierte
pierlage und gegebenenfalls anschließend im Labor geprüft werden. Stellen im europäischen Bereich anzuerkennen beziehungsweise die
Anerkennung vorzubereiten. Während die Anerkennung von Stellen für
Seit Beginn der aktiven Marktüberwachung im Jahr 2010 wurden Produkte nach deutschen Produktnormen und allgemeinen bauauf-
circa 350 Marktüberwachungsverfahren durchgeführt. Im laufenden sichtlichen Zulassungen unverändert bleibt, wird sich das Anerken-
Jahr 2012 erfolgten im Rahmen der aktiven Marktüberwachung Stich- nungsverfahren für Europäische Normen wegen der neuen Baupro-
probenprüfungen aus den Produktbereichen Raumheizer, Mineralwol- duktenverordnung erheblich ändern.
le, Polystyrol, Schaumglas, Holzwerkstoffe, Zement, Gesteinskörnun-
gen, Stahlträger, Aluminium, Schraubenverbindungen, PVC-Bodenbe- Zukünftig müssen die europäisch arbeitenden Stellen immer eine
läge Mauermörtel, Mauerziegel, Gipsplatten Sandwichdachelemente, Akkreditierung durch die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) vor-
Fenster und Außentüren. legen, bevor sie vom DIBt als der notifizierenden Behörde der Europäi-
schen Kommission und den anderen Mitgliedsstaaten gegenüber als
Prüf-, oder Zertifizierungsstelle notifiziert werden können.
8 Bauregellisten
Die Bauregellisten A, B und die Liste C werden vom DIBt nach Bera- Die fachliche Begutachtung und die Überwachung der Stellen wer-
tung im Grundsatzausschuss GA1 und in der Projektgruppe Bauregel- den dann von der DAkkS durchgeführt. Das DIBt unterstützt die DAkkS
liste der Bauministerkonferenz herausgegeben. dabei in fachlicher Hinsicht, indem Vertreter des Instituts in verschie-
denen Ausschüssen der DAkkS mitarbeiten.
Seit diesem Jahr wurden die Listen erstmals kostenfrei und in elek-
tronischer Form über unsere Internetseite www.dibt.de vertrieben. Ge- Alle Stellen müssen sich nach der neuen Bauproduktenverordnung
druckte Versionen können gegen eine Druckkostenpauschale über das notifizieren lassen, auch wenn sie bereits nach der Bauproduktenricht-
DIBt bestellt werden. linie notifiziert waren und sich die Produktnorm nicht geändert hat.
Es gibt aber auch kommerzielle Verlage, die, ohne Absprache mit Grund hierfür sind fehlende Übergangsregelungen für solche Stellen in
dem DIBt, unsere Bauregellisten gedruckt oder elektronisch gegen der europäischen Verordnung.

58 Der Prüfingenieur | November 2012


BAUAUFSICHT

Foto: Lienhard Schulz/Wikipedia


DAS DEUTSCHE INSTITUT FÜR BAUTECHNIK hat seinen Sitz in der Kolonnenstraße in Berlin-Schöneberg. Das große rote Gebäude ist über die
Kolonnenbrücke erreichbar, die den Ostausgang der von Gleisanlagen umschlossenen Roten Insel bildet. Die Balkenbrücke wurde 1953/54 neu
erbaut, die erste Brücke wurde aber schon 1841 errichtet.

10 Erarbeitung technischer Regeln Innerhalb der Organisation europäischer Zulassungsstellen (Euro-


pean Organisation for Technical Approvals, EOTA) arbeitet das DIBt in
Die technischen Mitarbeiter des DIBt arbeiten zu großen Teilen in den allen maßgeblichen technischen Arbeitsgruppen mit. Das Institut ist
Normenausschüssen des DIN und teilweise auch in europäischen Nor- zudem Mitglied in der Union Européenne pour l´Agrément technique
menausschüssen mit. Dies ist auch für die Zulassungsarbeit erforder- dans la construction (UEAtc) und in der World Federation of Technical
lich und wichtig, um möglichst gut im Fachgebiet verankert zu sein. In Assessment Organizations (WFTAO), beides internationale Zusam-
den Normenausschüssen werden dann vorwiegend die bauaufsichtli- menschlüsse von Einrichtungen, die technische Bewertungen von Bau-
chen Interessen vertreten. Neben den Normenausschüssen des DIN produkten in ihren jeweiligen Ländern durchführen.
gibt es aber noch andere Organisationen, in denen Regeln für das
Bauwesen erarbeitet werden. Vertreter des DIBt wirken unter anderem
auch im Deutschen Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb), im Deutschen
12 Ausblick
Ausschuss für Stahlbau (DASt), bei der Deutschen Vereinigung für Wie auch in den vergangenen Jahren rechnet das DIBt weiterhin mit
Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA), beim Deutschen Verein wachsenden Aufgaben, da zum einen die Innovationskraft der Herstel-
des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und natürlich in unseren hausei- ler von Bauprodukten oder der Entwickler von Bauarten ungebrochen
genen Projektgruppen bei der Regelsetzung mit. ist und zum anderen die Personalsituation in den Baubehörden der
Länder immer angespannter wird.
So wurde zum Beispiel im laufenden Jahr die Überarbeitung der
Richtlinie Windenergieanlagen abgeschlossen. Diese Richtlinie wurde Insbesondere auf den Feldern des Gesundheits- und Umweltschut-
dem neuen Normenwerk angepasst, Erleichterungen für kleine Anla- zes, der Nachhaltigkeit und der Energieeinsparung bereitet sich das
gen sowie ein Kapitel zum Weiterbetrieb von Windenergieanlagen, die DIBt auf besonders viele Neuerungen vor.
ihre Entwurfslebensdauer überschritten haben, wurden aufgenom-
men. Wie stark die neuen Europäischen Technischen Bewertungen nach-
gefragt werden, kann heute nur schwer eingeschätzt werden. Die Be-
Für die Herstellung, Planung und Ausführung von Solaranlagen arbeitungszeiten von Zulassungen sollen durch Verbesserung von Ar-
wurde ein Hinweisblatt erstellt und veröffentlicht. beitsabläufen und durch Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter, die aller-
dings kostendeckend arbeiten müssen, verkürzt werden.
11 Internationale Gremien Ähnlich den Bestrebungen bei der Normung, wollen wir uns auch
Neben den europäischen Normengremien gibt es zahlreiche von der bei den bauaufsichtlichen Regeln, beispielsweise in den Bauregellisten
Europäischen Kommission eingerichtete Fachgremien, in denen sich und den Technischen Baubestimmungen und natürlich auch bei den
auch Vertreter des DIBt beteiligen. Hierzu gehören beispielsweise die Zulassungen, für eine Verbesserung der Verständlichkeit und der Be-
Expert Group for dangerous Substances (EGDS) oder die European Ex- nutzerfreundlichkeit einsetzen.
pert Group of Fire Related Issues (EGF).
Diese Ziele sind leider nicht alle kurzfristig zu erreichen, hier sind
Der Präsident des DIBt vertritt die Interessen der Länder im Ständi- ein langer Atem und auf Seiten der Betroffenen etwas Geduld erforder-
gen Ausschuss für das Bauwesen (StAB), sowohl nach der Bauproduk- lich.
tenrichtlinie als auch nach der Bauproduktenverordnung.

Der Prüfingenieur | November 2012 59


IMPRESSUM

HERAUSGEBER
Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik e.V.
Dr.-Ing. Markus Wetzel, Kurfürstenstr. 129, 10785 Berlin
E-Mail: [email protected], Internet: www.bvpi.de

ISSN 1430-9084

REDAKTION
Klaus Werwath, Lahrring 36, 53639 Königswinter
Tel.: 0 22 23/91 23 15, Fax: 0 22 23/9 09 80 01
E-Mail: [email protected]

TECHNISCHE KORRESPONDENTEN
Baden-Württemberg: Dr.-Ing. Frank Breinlinger, Tuttlingen
Bayern: Dr.-Ing. Markus Staller, Gräfelfing
Berlin: Dipl.-Ing. J.-Eberhard Grunenberg, Berlin
Brandenburg: Prof. Dr.-Ing. Gundolf Pahn, Herzberg
Bremen: Dipl.-Ing. Ralf Scharmann, Bremen
Hamburg: Dipl.-Ing. Horst-Ulrich Ordemann, Hamburg
Hessen: Dipl.-Ing. Bodo Hensel, Kassel
Mecklenburg-Vorpommern: Dr.-Ing. Günther Patzig, Wismar, Wismar
Niedersachsen: Dipl.-Ing. Wolfgang Wienecke, Braunschweig
Nordrhein-Westfalen: Dipl.-Ing. Josef G. Dumsch, Wuppertal
Rheinland-Pfalz: Dipl.-Ing. Günther Freis, Bernkastel-Kues
Saarland: Dipl.-Ing. Gerhard Schaller, Homburg
Sachsen: Dr.-Ing. Klaus-Jürgen Jentzsch, Dresden
Sachsen-Anhalt: Dr.-Ing. Manfred Hilpert, Halle
Schleswig-Holstein: Dipl.-Ing. Kai Trebes, Kiel
Thüringen: Dipl.-Ing. Volkmar Frank, Zella-Mehlis
BVPI/DPÜ/BÜV/vpi-EBA: Dipl.-Ing. Manfred Tiedemann

DRUCK
Vogel Druck und Medienservice, Leibnizstraße 5, 97204 Höchberg

DTP
Satz-Studio Heimerl, Scherenbergstraße 12, 97082 Würzburg

Die meisten der in diesem Heft veröffentlichten Fachartikel


sind überarbeitete Fassungen der Vorträge, die bei den Arbeitstagungen
der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik gehalten worden sind.

Der Inhalt der veröffentlichten Artikel stellt die Erkenntnisse und Meinungen
der Autoren und nicht die des Herausgebers dar.

„Der Prüfingenieur“ erscheint mit zwei Ausgaben pro Jahr.


Bestellungen sind an den Herausgeber zu richten.

60 Der Prüfingenieur | November 2012


.
.
.

Das könnte Ihnen auch gefallen