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BBSR- Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm

Online-Publikation
25/2024 Entwicklung eines semiprobabilistischen Sicherheits­konzepts
für feuchtebeeinflusstes Lehmmauerwerk

von

Dr.-Ing. Maximilian Brinkmann


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm
Entwicklung eines semiprobabilistischen Sicherheitskonzepts für
feuchtebeeinflusstes Lehmmauerwerk

Dieses Projekt wurde gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im
Auftrag ­des Bundesministeriums für Wohnen, Stadt­entwicklung und Bauwesen (BMWSB) aus Mitteln
des Innova­tionsprogramms Zukunft Bau.
Aktenzeichen: 10.08.18.7-21.44
Projektlaufzeit: 07.2021 bis 10.2023
IMPRESSUM

Herausgeber
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)
Deichmanns Aue 31–37
53179 Bonn

Fachbetreuer
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
Referat WB 3 „Forschung und Innovation im Bauwesen“
Dr. Jan Weckendorf
[email protected]

Autor
BBF | Beck Brinkmann Förster Beratende Ingenieure PartG mbB
Dr.-Ing. Maximilian Brinkmann (Projektleitung)
[email protected]
www.bbf-ing.de

Redaktion
BBF | Beck Brinkmann Förster Beratende Ingenieure PartG mbB

Stand
Februar 2024

Gestaltung
BBF | Beck Brinkmann Förster Beratende Ingenieure PartG mbB

Bildnachweis
Dr.-Ing. Maximilian Brinkmann: Titelbild, S. 17, S. 25

Vervielfältigung
Alle Rechte vorbehalten

Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beach-
tung privater Rechte Dritter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen des Herausgebers übereinstimmen.

Zitierweise
Brinkmann, Maximilian, 2024: Nachhaltig und zuverlässig bauen mit Lehm: Entwicklung eines semiprobabilistischen Sicherheitskon-
zepts für feuchtebeeinflusstes Lehmmauerwerk. BBSR-Online-Publikation 25/2024, Bonn.

ISSN 1868-0097 Bonn 2024


Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung 6

Abstract 8

1 Einführung 10

1.1 Motivation 10
1.2 Stand der Forschung 12
1.3 Zielstellung 14
1.4 Vorgehensweise 15

2 Experimentelle Untersuchungen zur Klimaabhängigkeit der Festigkeits- und


Verformungseigenschaften 17

2.1 Einführung 17
2.2 Lehmsteine 20
2.3 Lehmmauermörtel 23
2.4 Lehmmauerwerk 26
2.4.1 Einführung 26
2.4.2 Untersuchungen zum Einfluss der relativen Luftfeuchte 27
2.4.3 Untersuchungen zum Einfluss der Temperatur 29
2.5 Fazit 31

3 Tragfähigkeit druckbeanspruchten Lehmmauerwerks unter Feuchteeinfluss 33

3.1 Einführung 33
3.2 Modellierung der Spannungs-Dehnungs-Beziehung 33
3.3 Wirklichkeitsnahe Traglastberechnung unter Berücksichtigung des Feuchteeinflusses 36
3.3.1 Einführung 36
3.3.2 Ausgangswert der Querschnitts- und Systemtragfähigkeit 36
3.3.3 Berücksichtigung des Feuchteeinflusses auf die Wandtragfähigkeit 39

4 Hygrothermische Analysen praxisüblicher Wandaufbauten 42

4.1 Einführung 42
4.2 Allgemeine Simulationsrandbedingungen 42
4.3 Materialmodellierung 44
4.4 Klimarandbedingungen 46
4.5 Untersuchte Anwendungsfälle 47
4.6 Simulationsergebnisse 50

5 Zuverlässigkeitsanalyse 52

5.1 Vorgehensweise 52
5.2 Simulationsparameter 54
5.3 Modellierung der streuenden Simulationsparameter 56
5.3.1 Mechanische Materialparameter 56
5.3.2 Einwirkungen 57
5.3.3 Materialfeuchte 58
5.3.4 Modellunsicherheiten 60
5.4 Ergebnisse 61
6 Zusammenfassung und Fazit 64

7 Mitwirkende 66

8 Kurzbiographien 67

9 Literatur 69

10 Abbildungsverzeichnis 75

11 Tabellenverzeichnis 77

12 Anlagen 78

Anlage 1 - Normierte Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmmauerwerks bei einer


Temperatur von θ = 23 °C 78
Anlage 2 - Gutachten zu den hygrothermischen Materialeigenschaften der untersuchten
Lehmbaustoffe des Instituts für Bauklimatik der TU Dresden 79
Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 6

Kurzfassung
Im Rahmen des Forschungsprojekts „Nachhaltig und zuverlässig bauen mit Lehm - Entwicklung eines
semiprobabilistischen Sicherheitskonzepts für feuchtebeeinflusstes Lehmmauerwerk“ wurde die Zuverlässigkeit
druckbeanspruchter Lehmmauerwerkswände unter expliziter Berücksichtigung des Einflusses der vorherrschenden
Materialfeuchte sowie deren Streuung analysiert. Das übergeordnete Ziel war hierbei die Überprüfung der
Tragwerkszuverlässigkeit von Lehmmauerwerk nach Umstellung des bisher geltenden globalen Sicherheitskonzepts
auf ein semiprobabilistisches Nachweisverfahren. Im Rahmen der Nachweisführung muss dabei stets sichergestellt
sein, dass die normativ zulässige Versagenswahrscheinlichkeit beim Einsatz tragender Lehmbauteile nicht
überschritten und der zugehörige Zielzuverlässigkeitsindex gemäß DIN EN 1990/NA eingehalten wird.

Um die dafür erforderlichen zuverlässigkeitstheoretischen Untersuchungen durchführen zu können,


wurde im Zuge des Projekts zunächst die Klimaabhängigkeit bemessungsrelevanter Festigkeits- und
Verformungseigenschaften von Lehmmauerwerk sowie seiner Einzelkomponenten unter
Druckbeanspruchung experimentell analysiert. Innerhalb der durchgeführten Versuchsreihen wurden die
Spannungs-Dehnungs-Beziehungen sowie die daraus ableitbaren Materialeigenschaften der
untersuchten Lehmbaustoffe nach Konditionierung in verschiedenen Umgebungsklimata ermittelt. Auf
Basis der experimentellen Untersuchungsergebnisse sowie unter Einbezug einer umfangreichen
Literaturdatenbank konnte eine lineare Abhängigkeit zwischen der Druckfestigkeit bzw. dem
Elastizitätsmodul und der Materialfeuchte unstabilisierter Lehmbaustoffe hergeleitet werden.

Der hierdurch quantifizierbare Feuchteeinfluss auf die relevanten Festigkeits- und


Verformungseigenschaften von unstabilisierten Lehmbaustoffen wurde im weiteren Verlauf des Projekts
zur Entwicklung eines Traglastmodells verwendet, welches die Berechnung der Querschnitts- und
Systemtragfähigkeit druckbeanspruchter Lehmmauerwerkswände unter Berücksichtigung beliebiger
hygroskopischer Materialfeuchten erlaubt. Hierzu wurde zunächst ein Ansatz zur Modellierung der
nichtlinearen Spannungs-Dehnungs-Beziehung von Lehmmauerwerk unter Einbezug einer über den
Wandquerschnitt konstanten Materialfeuchteverteilung entwickelt. Die daraus resultierende Arbeitslinie
bildete daraufhin die Grundlage zur Modifizierung eines mauerwerkstypischen Traglastmodells zur
wirklichkeitsnahen Berechnung der Querschnitts- und Systemtragfähigkeit druckbeanspruchter Wände.
Mit Hilfe des angepassten Berechnungsansatzes ist es möglich, die Tragfähigkeit druckbeanspruchter
Lehmmauerwerkswänden unter Einbezug des materialspezifischen Festigkeits- und
Verformungsverhaltens sowie unter Berücksichtigung verschiedener Materialfeuchten analytisch zu
ermitteln.

Anschließend wurden hygrothermische Analysen von Lehmmauerwerkswänden für verschiedene


Anwendungsfälle mit unterschiedlicher Feuchteexposition durchgeführt. Hierzu wurde zunächst ein
hygrothermisches Materialmodell für unstabilisiertes Lehmmauerwerk kalibriert und mit Hilfe von
Literaturdaten validiert. Im Zuge der Simulationen wurden verschiedene Wandaufbauten unter
variierenden Randbedingungen betrachtet. Die ermittelten Materialfeuchten innerhalb des
Lehmmauerwerks sowie deren Schwankungen über den Jahresverlauf wurden im Rahmen der darauf

Kurzfassung BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


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aufbauenden Zuverlässigkeitsanalyse als Grundlage zur Kalibrierung einer geeigneten


Verteilungsfunktion für den Feuchtegehalt innerhalb von Lehmmauerwerkswänden verwendet.

Basierend auf den durchgeführten Voruntersuchungen wurde die Versagenswahrscheinlichkeit sowie


der daraus resultierende Zuverlässigkeitsindex von tragenden Lehmmauerwerkswänden mittels
probabilistischer Methoden bestimmt. Die Zuverlässigkeitsanalysen erlaubten Rückschlüsse auf die
Versagenswahrscheinlichkeit tragender Lehmmauerwerkswände, welche nach den normativen Regeln
der DIN 18940 auf Grundlage eines semiprobabilistischen Sicherheitskonzepts bemessen wurden. Es
wurde dabei sowohl der Einfluss variierender geometrischer Randbedingungen wie beispielsweise
unterschiedliche Wandschlankheiten oder Deckenspannweiten sowie der Einfluss verschiedener
Feuchteexpositionen untersucht.

Die Ergebnisauswertung zeigte, dass das semiprobabilistische Nachweisverfahren gemäß DIN 18940
eine zuverlässige Bemessung von tragendem Lehmmauerwerk ermöglicht. Im Fall von Außenwänden
aus Lehmmauerwerk ist zur Einhaltung der geforderten Tragwerkszuverlässigkeit jedoch insbesondere
in Gebieten mit erhöhter Schlagregenbeanspruchung auf einen ausreichenden Schlagregenschutz zu
achten. Weiterhin zeigen die Forschungsergebnisse, dass die semiprobabilistische Bemessung
druckbeanspruchter Lehmmauerwerkswände unter Ansatz des mauerwerkstypischen, materialseitigen
Teilsicherheitsbeiwerts in Höhe von γM = 1,5 für die untersuchten Anwendungsfälle zu einer
hinreichenden Zuverlässigkeit von tragenden Lehmmauerwerkswänden führt.

Die Erkenntnisse dieses Forschungsvorhabens flossen während der Projektlaufzeit kontinuierlich in die
Erarbeitung der Konstruktions-, Bemessungs- und Ausführungsnorm DIN 18940 sowie die
Überarbeitung der Produktnormen für Lehmsteine DIN 18945 und Lehmmauermörtel DIN 18946 ein
und leisteten somit einen entscheidenden Beitrag zur Weiterentwicklung der normativen Regelung von
tragenden Lehmbaustoffen innerhalb Deutschlands.

Kurzfassung BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 8

Abstract
In the context of the research project "Sustainable and Reliable Construction with Earth - Development of a Semi-
Probabilistic Safety Concept for Moisture-Affected Earth Masonry," the reliability of earth masonry walls under
compressive stress was analyzed with explicit consideration of the influence of material moisture content and its
variability. The overarching goal was to check the structural reliability after changing the existing global safety
concept to a semi-probabilistic design method for earth masonry walls. During the design, it is essential to ensure
that the normatively permissible failure probability for load-bearing earth components is not exceeded and that the
associated target reliability index according to DIN EN 1990/NA is maintained.

To conduct reliability-theoretical investigations, experimental investigations of the climate-dependent design-


relevant strength and deformation properties of earth masonry and its individual components under compression
were carried out. Within the experiments, stress-strain relationships and the resulting material properties of the
examined earth building materials were determined after conditioning the specimens in different environmental
climates. Based on the results and an extensive literature database, a linear relationship between the mechanical
properties and the material moisture of unstabilized earthen building materials was derived.

The influence of moisture content on the strength and deformation properties of unstabilized earthen building
materials was subsequently used in the development of an analytical model to calculate the load-bearing capacity.
This model allows for the determination of the cross-sectional and system load-bearing capacity of earth masonry
walls under compression, considering various hygroscopic material moistures. Initially, an approach to model the
nonlinear stress-strain relationship of earth masonry, considering a constant material moisture distribution across
the cross-section of the wall, was developed. The resulting stress-strain-relationship served as the basis for modifying
a typical masonry load-bearing capacity model. Using this adapted calculation approach, it is possible to determine
the load-bearing capacity of earth masonry walls under compression, considering material-specific strength and
deformation behavior and various material moisture contents.

Subsequently, hygrothermal analyses of earth masonry walls were conducted for different moisture exposure
scenarios. An hygrothermal material model for unstabilized earth masonry was first calibrated and validated using
literature data. Various wall constructions under varying boundary conditions were considered during the
simulations. The determined material moisture contents within the earth masonry and their fluctuations over the
course of a year formed the basis for calibrating a suitable distribution function for the moisture content of earth
masonry walls within the subsequent reliability analysis.

Based on the preliminary investigations, the failure probability and resulting reliability index of load-bearing earth
masonry walls were determined using probabilistic methods. The reliability analyses provided insights into the failure
probability of load-bearing earth masonry walls designed according to the rules of DIN 18940. The influence of
varying geometric boundary conditions, such as different wall slenderness or ceiling spans, as well as the influence
of different moisture exposures, were examined.

The results of the project showed that DIN 18940 allows for a reliable design of load-bearing earth masonry under
the condition, that adequate protection against driving rain, particularly for exterior walls in areas with high exposure,
is ensured. Furthermore, the research results indicated that a semi-probabilistic design of earth masonry walls under

Abstract BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 9

compression, assuming the masonry-specific partial safety factor of γM = 1.5, leads to sufficient reliability for load-
bearing earth masonry walls under the examined boundary conditions.

The findings of this research project continuously affected the development of the construction, design and
execution standard DIN 18940 and the revision of product standards for earth bricks DIN 18945 and earth mortar
DIN 18946 during the project's duration, thus making a significant contribution to the advancement of normative
regulations for load-bearing earth building materials in Germany.

Abstract BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 10

1 Einführung
1.1 Motivation
Hinsichtlich des stetig voranschreitenden Klimawandels ist es dringend notwendig die globalen
Treibhausgasemissionen zeitnah zu verringern. Da der Bau- und Gebäudesektor für 37 % der globalen
CO2-Emissionen sowie für 34 % des globalen Energiebedarfs verantwortlich ist [1], besteht in diesem
Bereich erheblicher Handlungsbedarf. Der vermehrte Einsatz nachhaltiger Materialien für den Neu- und
Umbau von Gebäuden kann dabei einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen
und damit auch zum Erreichen der Klimaschutzziele der Bundesregierung [2] leisten.

Vor diesem Hintergrund bietet sich die vermehrte Verwendung des Naturbaustoffs Lehm auf Grund
seiner ökologischen und bauphysikalischen Vorzüge für vielfältige Nutzungszwecke an. Die wesentlichen
ökologischen Vorteile von modernen Lehmbaustoffen sind dabei auf den geringen Primärenergiebedarf
bei der Produktion, die vollständige Wiederverwendbarkeit am Ende der Nutzungsdauer sowie die
nahezu flächendeckende Verfügbarkeit zurückzuführen [3–5]. Darüber hinaus bieten Lehmbaustoffe
diverse bauphysikalische Vorzüge wie beispielsweise eine hohe Wärmespeicherkapazität, die Fähigkeit
zur effektiven Regulierung der Innenraumluftfeuchte sowie gute Schallschutzeigenschaften, was in
Summe zu einem konstanten, gesunden und behaglichen Raumklima führt [5–7]. Neben diesen
ökologischen und bauphysikalischen Aspekten ist die Nutzung von energieeffizient produzierten
Lehmbaustoffen im Hinblick auf das steigende Baustoff- und Energiepreisniveau zudem unter
ökonomischen Gesichtspunkten interessant [8].

Auf Grund der materialspezifischen Eigenschaften von Lehmbaustoffen könnte ein möglicher
Einsatzbereich von Lehmstrukturen beispielsweise die Schaffung von nachhaltigen Wohngebäuden sein.
Da innerhalb Deutschlands zur Zeit ein großer Wohnraumbedarf von ca. 220.000 bis 350.000 neuen
Wohneinheiten pro Jahr besteht [9–12] und dieser umweltfreundlich und gleichzeitig kostengünstig
gedeckt werden sollte, bietet sich hier die Verwendung von Lehm als Alternative zu herkömmlichen
Baustoffen an. Tragendes Lehmsteinmauerwerk besitzt dabei besonderes Potential für eine verbreitete
Nutzung, da es analog zu herkömmlichem Mauerwerk verarbeitet werden kann und somit eine
unkomplizierte und niedrigschwellige baupraktische Anwendbarkeit ermöglicht. Auf Grund der
ökologischen und bauphysikalischen Vorzüge von Lehmmauerwerk kann dessen Einsatz neben der
Schaffung von Wohnraum aber auch im Zuge von Neu- und Umbaumaßnahmen anderer
geringgeschossiger Gebäude sinnvoll sein. Eine Anwendung wäre beispielsweise auch im Bereich von
nachhaltigen Büro- und Verwaltungsgebäuden oder öffentlichen Gebäuden wie Schulen oder
Kindergärten denkbar.

Für einen verbreiteten Einsatz tragenden Lehmmauerwerks muss jedoch sichergestellt sein, dass die
damit errichteten Strukturen alle üblichen Anforderungen an moderne Tragwerke erfüllen. Hierbei sind
neben den Aspekten der Gebrauchstauglichkeit und der Standsicherheit auch die Zuverlässigkeit des
Tragwerks zu analysieren. Im Vordergrund steht dabei die Einhaltung der gesellschaftlich und politisch
akzeptierten Versagenswahrscheinlichkeit von tragenden Bauteilen innerhalb von Gebäuden, welche

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 11

sich in normativ geregelten Zielzuverlässigkeiten widerspiegeln. Die Tragwerkszuverlässigkeit wird dabei


im Allgemeinen von vielzähligen Randbedingungen sowie unterschiedlichsten Berechnungsparametern
und deren Streuungen beeinflusst. Hierzu gehören beispielsweise die mechanischen
Materialeigenschaften, die äußeren Einwirkungen, die zugrunde liegenden Berechnungsmodelle oder
weitere systembedingte Einflussgrößen.

Innerhalb dieses Forschungsvorhabens steht die Zuverlässigkeit tragender Lehmmauerwerkswände


unter Druckbeanspruchung im Fokus. Es wird untersucht, welche Parameter die Tragfähigkeit
druckbeanspruchten Lehmmauerwerks maßgeblich beeinflussen und wie sich diese Einflussgrößen auf
die Versagenswahrscheinlichkeit des Tragwerks auswirken. Hierbei werden die materialspezifischen
Besonderheiten von Lehmbaustoffen, wie zum Beispiel der Feuchteeinfluss auf die mechanischen
Materialeigenschaften, explizit mitberücksichtigt. Ein wesentlicher Untersuchungsgegenstand dieses
Forschungsprojekts ist daher zunächst die Quantifizierung der Klimaabhängigkeit bemessungsrelevanter
Materialeigenschaften von Lehmmauerwerk, die Ermittlung und Analyse des zu erwartenden
Feuchtegehaltes innerhalb von Lehmmauerwerkswänden in unterschiedlichen Anwendungsfällen sowie
die Entwicklung eines Berechnungsmodells, welches den Einfluss der vorherrschenden Materialfeuchte
auf die Tragfähigkeit druckbeanspruchter Lehmmauerwerkswände wirklichkeitsnah berücksichtigen
kann. Aufbauend auf diesen Voruntersuchungen wird die Zuverlässigkeit druckbeanspruchter
Lehmmauerwerkswände unter Einbezug praxisrelevanter Randbedingungen untersucht und bewertet.
Durch diese umfangreiche zuverlässigkeitstheoretische Betrachtung von tragendem Lehmmauerwerk
kann dessen Versagenswahrscheinlichkeit innerhalb diverser Anwendungsfälle ermittelt und
Schlussfolgerungen über die Sicherheit von Gebäuden mit Tragwerken aus Lehmmauerwerk gezogen
werden.

Weiterhin kann auf Basis der Untersuchungsergebnisse die Zuverlässigkeit druckbeanspruchter


Lehmmauerwerkswände, welche nach dem kürzlich erarbeiteten Bemessungsansatz für tragendes
Lehmmauerwerk DIN 18940 [13] bemessen wurden, fundiert beurteilt werden. Das dort verankerte
semiprobabilistische Nachweiskonzept ist an das aktuelle Nachweis- und Sicherheitskonzept der
Eurocodes angelehnt und soll das für die Bemessung von Lehmmauerwerkswände bisher geltende
globale Sicherheitskonzept ablösen. Es gilt jedoch zu überprüfen, ob auf Basis des neuen normativen
Regelwerks die Einhaltung des geforderten Zielzuverlässigkeitsniveaus für Hochbauten in allen üblichen
Anwendungsfällen sichergestellt und eine zuverlässige Bemessung tragender Lehmbauteile ermöglicht
wird. Die wissenschaftliche Beurteilung der Tragwerkszuverlässigkeit wird erforderlich, da der
Anwendungsbereich von tragenden Lehmmauerwerkskonstruktionen auf Grundlage der DIN 18940 [13]
gegenüber der bisher in Deutschland geltenden Planungsgrundlage, den Lehmbau Regeln [47],
erheblich erweitert wird. Zudem erfolgt die normative Bemessung von Lehmmauerwerk in Anlehnung
an die Vorgehensweise des Eurocode 6, womit eine wesentliche Umstellung des gesamten
Nachweiskonzepts im Vergleich zu den bisher angewendeten Lehmbau Regeln [47] einhergeht.
Demzufolge ist die Zuverlässigkeit von tragenden Lehmmauerwerkswänden einer umfassenden Prüfung
zu unterziehen, um eine erhöhte Anzahl an Versagensfällen auszuschließen und somit das
gesellschaftliche Vertrauen in die moderne Lehmbauweise langfristig zu stärken.

Einführung BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 12

1.2 Stand der Forschung


In der Vergangenheit wurden bereits diverse Untersuchungen zu den mechanischen Eigenschaften
sowie dem Tragverhalten von Lehmbaustoffen durchgeführt. Hierbei wurden die Festigkeits- und
Verformungseigenschaften von Lehmsteinen, Lehmmauermörteln, Stampflehm sowie
Lehmsteinmauerwerk experimentell analysiert (z. B. in [14–23]). Auf Grundlage dieser Untersuchungen
kann festgestellt werden, dass die Festigkeits- und Verformungseigenschaften von Lehmbaustoffen für
die Errichtung tragender Bauteile in geringgeschossigen Gebäuden unter praxisüblichen
Belastungsbedingungen ausreichend sind. Dies kann durch die Verteilungen der an 13 verschiedenen
Stein-Mörtel-Kombinationen in [21, 22, 24, 25] ermittelten mittleren Mauerwerksdruckfestigkeiten sowie
-elastizitätsmoduln bei standardisierten Klimabedingungen (Luftfeuchte φ = 50 % und Temperatur
θ = 23 °C) in Abbildung 1 exemplarisch dargestellt werden [26]. Die aus diesen Versuchen
hervorgehende mittlere Mauerwerksdruckfestigkeit liegt mit f ≈ 3,3 N/mm² im Bereich anderer
niederfesten Mauerwerksbaustoffe.

Abbildung 1: Verteilung der mittleren Druckfestigkeit sowie des mittleren Elastizitätsmoduls von Lehmmauerwerk bei einer
relativen Luftfeuchte von φ = 50 % und einer Temperatur von Θ = 23 °C basierend auf Literaturdaten

Weiterhin geht aus verschiedenen Veröffentlichungen hervor, dass die mechanischen


Materialeigenschaften von Lehm einer nicht zu vernachlässigenden Feuchteabhängigkeit unterliegen
[25, 27–32]. Dieser Effekt konnte durch ein kürzlich abgeschlossenes Forschungsvorhaben zur Ermittlung
von Bemessungsgrundlagen für tragendes Lehmmauerwerk bestätigt werden und sollte daher im
Rahmen der Traglastermittlung und der Bemessung von Lehmmauerwerk hinreichend berücksichtigt
werden [33, 34]. Die innerhalb des genannten Forschungsprojekts experimentell ermittelte
Feuchteabhängigkeit der Mauerwerksdruckfestigkeit sowie des Mauerwerkselastizitätsmoduls ist in
Abbildung 2 illustriert.

Einführung BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 13

Abbildung 2: Feuchteeinfluss auf die Mauerwerksdruckfestigkeit und den Mauerwerkselastizitätsmodul gemäß [33]

Zur Ermittlung baupraktisch relevanter Materialfeuchten von Lehmmauerwerkswänden sind die


hygrothermischen Materialeigenschaften von Lehm relevant. Hinsichtlich des wärme- und
feuchtetechnischen Speicher- und Transportverhaltens wurden z. B. in [25, 31, 35–46] vielfältige
Untersuchungen durchgeführt. Empfehlungswerte für gewisse hygrothermische Materialkennwerte von
Lehmbaustoffen, wie beispielsweise für die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl oder die
Wärmeleitfähigkeit, sind zudem in technischen Regelwerken wie den Lehmbau Regeln [47] oder der
DIN 4108-4 [48] zu finden. In Abbildung 3 sind exemplarisch die Verteilungen der
Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl von 22 verschiedenen unstabilisierten Lehmbaustoffen aus [25,
31, 35, 36, 38, 39, 41] sowie des Wasseraufnahmekoeffizienten von 10 verschiedenen unstabilisierten
Lehmbaustoffen aus [25, 35, 45, 46] dargestellt. Diese und weitere bauphysikalische Kennwerte können
zur Erstellung eines wirklichkeitsnahen hygrothermischen Materialmodells herangezogen werden,
welches daraufhin die Analyse der Materialfeuchte innerhalb praxisüblicher Lehmmauerwerkswände
sowie deren Streuungen erlaubt.

Abbildung 3: Verteilung der Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl sowie des Wasseraufnahmekoeffizienten von


Lehmbaustoffen basierend auf Literaturdaten

Im Gegensatz zu den mechanischen und bauphysikalischen Materialeigenschaften wurde die


Zuverlässigkeit von tragendem Lehmmauerwerk bisher nur selten wissenschaftlich thematisiert [24, 49].
Zudem berücksichtigen die bestehenden zuverlässigkeitstheoretischen Untersuchungen den Einfluss der
Bauteilfeuchte und deren statistische Streuung nicht explizit, weshalb zur realitätsnahen Ermittlung der

Einführung BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 14

Versagenswahrscheinlichkeit und des vorliegenden Zuverlässigkeitsniveaus von Tragwerken aus


Lehmmauerwerk Handlungsbedarf besteht.

Innerhalb Deutschlands erfolgte die Bemessung tragender Lehmmauerwerkswände bisher auf Basis der
Lehmbau Regeln [47]. Hierbei handelt es sich um ein technisches Regelwerk, welches in der Muster-
Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) des Deutschen Instituts für Bautechnik
für die Planung von Wohnungsgebäuden aus Lehmbaustoffen der Gebäudeklasse 1 und 2 mit höchstens
zwei Vollgeschossen aufgenommen wurde. Die Lehmbau Regeln [47] entsprechen jedoch im Bereich der
Bemessung tragender Bauteile nicht mehr dem Stand der Technik und können das Leistungsvermögen
modernen Lehmmauerwerks daher nicht adäquat abbilden. Zudem ergeben sich aus den Lehmbau
Regeln diverse konservative Restriktionen und erhebliche Einschränkungen des Anwendungsbereichs,
weshalb danach bemessene Lehmbauteile gegenüber Tragwerken aus anderen Baustoffen oftmals
unwirtschaftlich oder planerisch nicht realisierbar sind. Weiterhin stimmt das gemäß der Lehmbau
Regeln [47] für die Dimensionierung von tragenden Lehmbauteilen geltende globale Sicherheitskonzept
nicht mit den aktuell gültigen normativen Regelungen des Eurocodes überein. Dort ist
baustoffübergreifend ein semiprobabilistisches Sicherheitskonzept verankert, welches es erlaubt,
Streuungen sowohl auf der Einwirkungs- als auch auf der Widerstandsseite des nachzuweisenden
Bauteils detailliert zu erfassen. Hierdurch ist in der Regel eine präzisere Kalibrierung des
Zuverlässigkeitsniveaus möglich, was wiederum zu einer sicheren und gleichzeitig wirtschaftlichen
Bemessung führt. Aus diesen Gründen ist auch bei der Bemessung tragenden Lehmmauerwerks eine
Umstellung des Sicherheitskonzepts auf eine semiprobabilistische Nachweisführung erstrebenswert.

Um den Problemen des bisherigen Nachweisverfahrens für Lehmmauerwerkswände entgegenzuwirken,


erfolgte parallel zur Laufzeit dieses Forschungsprojekts eine intensive Überarbeitung und Erweiterung
der normativen Regelungen im Bereich des Lehmbaus. Durch die Einführung der neuen Konstruktions-,
Bemessungs- und Ausführungsnorm für tragendes Lehmsteinmauerwerk DIN 18940 [13] sowie der
Überarbeitung der zugehörigen Produktnormen für Lehmsteine DIN 18945 [50] und Lehmmauermörtel
DIN 18946 [51] wurde unter kontinuierlichem Einbezug der in diesem Bericht dargelegten
Forschungsergebnisse die Grundlage für eine erweiterte und zuverlässige Nutzung von tragendem
Lehmmauerwerk geschaffen.

1.3 Zielstellung
Um Lehmbaustoffe zur Errichtung nachhaltiger Bauwerke verbreitet einsetzen zu können, muss
sichergestellt sein, dass die für tragende Bauteile geltenden Zuverlässigkeitsanforderungen von
Lehmmauerwerkswänden in allen praxisrelevanten Anwendungsfällen erfüllt werden.

Das Hauptziel dieses Forschungsprojekts ist daher die Überprüfung der Tragwerkszuverlässigkeit nach
der Umstellung des in der Bemessung von tragendem Lehmmauerwerk bisher angewendeten globalen
Sicherheitskonzepts auf eine semiprobabilistische Nachweisführung. Dabei ist wissenschaftlich zu
validieren, dass durch die Umstellung des Sicherheitskonzepts das in DIN EN 1990 [76] definierte Ziel-
Zuverlässigkeitsniveau von tragenden Lehmmauerwerkswänden in praxisrelevanten
Anwendungsbereichen erreicht wird. Auf Basis der bisherigen qualitativen Erkenntnisse zum

Einführung BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 15

Materialverhalten von unstabilisierten Lehmbaustoffen ist die Feuchteabhängigkeit der mechanischen


Materialeigenschaften im Zuge der Untersuchungen explizit zu berücksichtigen.

Zur Erreichung des Forschungszweckes werden folgende Zwischenziele definiert:

■ Quantifizierung der Klimaabhängigkeit der bemessungsrelevanten Materialeigenschaften von


Lehmmauerwerk

■ Erarbeitung eines wirklichkeitsnahen Traglastmodells für druckbeanspruchte Lehmmauerwerkswände


unter expliziter Berücksichtigung des Einflusses der Materialfeuchte

■ Ermittlung der zu erwartenden Materialfeuchte innerhalb von Lehmmauerwerkswänden in


praxisrelevanten Anwendungsfällen sowie deren zeitlichen Streuung

■ Erarbeitung von statistischen Verteilungsfunktionen zur statistischen Abbildung der Materialfeuchte


innerhalb von Lehmmauerwerkswänden

■ Bewertung der Zuverlässigkeit von Lehmmauerwerkswänden unter Feuchteeinfluss anhand von


Zuverlässigkeitsanalysen unter Berücksichtigung praxisrelevanter Anwendungsfälle sowie variierender
Randbedingungen

1.4 Vorgehensweise
Zu Beginn des Forschungsvorhabens wird die Klimaabhängigkeit der bemessungsrelevanten Festigkeits-
und Verformungseigenschaften von Lehmmauerwerk anhand von experimentellen Untersuchungen
quantifiziert. Hierzu werden Lehmsteine, Lehmmauermörtel sowie daraus hergestellte
Mauerwerksprobekörper bei verschiedenen Umgebungsbedingungen innerhalb eines Klimaschranks bis
zur Massekonstanz konditioniert und anschließend einer Druckprüfung unterzogen. Auf Basis der
Ergebnisse dieser experimentellen Untersuchungen soll ein möglichst repräsentativer Zusammenhang
zwischen der Materialfeuchte und den mechanischen Materialeigenschaften von Lehmmauerwerk
abgeleitet werden.

Dieser Zusammenhang soll daraufhin die Basis für die Entwicklung eines Berechnungsmodells für die
analytische Bestimmung der Querschnitts- und Systemtragfähigkeit unter Berücksichtigung der
Materialfeuchte darstellen. Hierfür werden Traglastmodelle zur wirklichkeitsnahen Ermittlung der
Tragfähigkeit druckbeanspruchter Wände aus herkömmlichen Mauerwerksbaustoffen basierend auf den
individuellen Festigkeits- und Verformungseigenschaften von Lehmmauerwerk adjustiert. Zudem wird
eine Möglichkeit entwickelt, beliebige hygroskopische Materialfeuchten im Zuge der Berechnungen
einzubeziehen.

Anschließend erfolgt die Ermittlung der zu erwartenden Materialfeuchte innerhalb von


Lehmmauerwerkswänden in praxisrelevanten Anwendungsfällen. Hierzu müssen relevante
Materialkennwerte des Feuchtespeicher- und Feuchtetransportverhaltens von Lehmbaustoffen
identifiziert und ermittelt werden. Anschließend werden die Kennwerte in ein hygrothermisches
Materialmodell implementiert, um anhand instationärer, hygrothermischer Analysen die erwartbaren
Bauteilfeuchten in Lehmmauerwerkswänden abschätzen zu können. Dabei werden verschiedene

Einführung BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 16

Parameterkombinationen aus Wandaufbau, Innenklima und Außenklima untersucht. Basierend auf den
Simulationsergebnissen werden Anwendungsbereiche mit vergleichbaren Materialfeuchten definiert
und durch geeignete statistische Verteilungsfunktionen abgebildet.

Aufbauend auf diesen Untersuchungen werden umfangreiche probabilistische Analysen mit Hilfe von
Monte-Carlo-Simulationen durchgeführt. Im Rahmen der zuverlässigkeitstheoretischen Betrachtungen
werden praxisnahe Anwendungsfälle und Bemessungssituationen druckbeanspruchter
Lehmmauerwerkswände sowie die dabei zu erwartenden Materialfeuchten berücksichtigt. Die
Ergebnisanalyse erlaubt abschließend eine fundierte Beurteilung des zu erwartenden
Zuverlässigkeitsniveaus von tragenden Lehmmauerwerkswänden bei einer Nachweisführung auf Basis
eines semiprobabilistischen Sicherheitskonzepts.

Teilergebnisse dieses Forschungsvorhabens wurden bereits in den folgenden wissenschaftlichen


Publikationen beschrieben und veröffentlicht:

Brinkmann, M.; Wiehle, P. (2023): Correlation between relative humidity and the strength and deformation
characteristics of unstabilised earth masonry. In: Construction and Building Materials 366. [53]

Brinkmann, M. (2023): Tragfähigkeit druckbeanspruchten Lehmmauerwerks unter Berücksichtigung nichtlinearer


Feuchteprofile. Dissertation. Technische Universität Darmstadt. [26]

Einführung BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 17

2 Experimentelle Untersuchungen zur Klimaabhängigkeit


der Festigkeits- und Verformungseigenschaften
2.1 Einführung
Zu Beginn des Forschungsvorhabens wurde ein Versuchsprogramm konzipiert, welches die
experimentelle Analyse des Klimaeinflusses auf relevante mechanische Materialeigenschaften von
unstabilisierten Lehmsteinen, Lehmmauermörtel sowie Lehmmauerwerk unter Druckbeanspruchung
ermöglicht. Hierzu wurden zunächst die zu untersuchenden Baustoffe ausgewählt und geeignete
Probekörpergeometrien festgelegt.

Zur experimentellen Untersuchung der Steineigenschaften wurden zwei verschiedene Lehmsteine


analysiert. Um eventuell vorhandene produktionsbedingte Einflüsse auf die Feuchteabhängigkeit der
Materialeigenschaften berücksichtigen zu können, erfolgten die durchgeführten experimentellen
Untersuchungen sowohl an einem formgeschlagenen als auch an einem stranggepressten Lehmstein.
Bei beiden Lehmsteinen handelte es sich um Vollsteine im Normalformat. Der formgeschlagene
Lehmstein (Lehmstein I) ist gemäß DIN 18945 [54] der Anwendungsklasse Ib zuzuordnen und somit für
die Herstellung durchgängig verputzten Außenmauerwerks geeignet. Bei dem stranggepressten
Lehmstein (Lehmstein II) handelt es sich um einen ungebrannten Ziegelstein (Grünling), welcher auf
Grund seines höheren Tonanteils in die Anwendungsklasse II einzuordnen ist und somit eine geringere
Feuchteresistenz aufweist. Infolgedessen darf Lehmstein II gemäß der normativen Regelungen
ausschließlich für konstruktiv witterungsgeschütztes Außenmauerwerk oder Innenmauerwerk verwendet
werden. Gemäß der Herstellerangaben ist die Verwendung von Lehmstein I für die Herstellung von
tragenden Bauteilen zulässig, wohingegen Lehmstein II offiziell nicht für den Einsatz in tragenden
Konstruktionen klassifiziert ist. Alle relevanten Herstellerangaben der untersuchten Lehmsteine sind in
Tabelle 1 zusammengefasst.

Tabelle 1: Herstellerangaben der untersuchten Lehmsteine

Rohdichte Druckfestigkeits-
Bezeichnung Format Lochung Herstellungsart Anwendungsklasse
-klasse klasse
Lehmstein I formgeschlagen 2,0 2 Ib (tragend)
NF Vollstein
Lehmstein II stranggepresst 1,8 - II (nicht tragend)

Weiterhin erfolgten experimentelle Untersuchungen an einem mineralischen Lehmmauermörtel, welcher


für die Kombination mit Lehmsteinen der Anwendungsklasse I oder II zugelassen ist. Er lässt sich gemäß
Herstellerangaben der Korngruppe 0/4, der Rohdichteklasse 2,0 und der Druckfestigkeitsklasse M3 nach
DIN 18946 [55] zuordnen und ist somit für den Einsatz in tragenden Konstruktionen geeignet. Um die
vertikalen Verformungen des Festmörtels während der Druckprüfung über eine geeignete Messstrecke
aufnehmen zu können, wurden die Probekörper in Würfelschalungen mit einer nominellen Kantenlänge
von 10 cm hergestellt.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 18

Zur Analyse der Mauerwerkseigenschaften wurden Dreisteinkörper unter Verwendung des Lehmsteins I
sowie des beschriebenen Lehmmauermörtels gefertigt. In Anlehnung an herkömmlichen Normalmörtel
gemäß DIN EN 1996-1-1/NA [56] betrug die planmäßige Lagerfugendicke zwischen den drei halbierten
Lehmsteinen 12 mm. Um die Ebenheit der Lasteinleitungsflächen zu gewährleisten, wurden die
Probekörper an den Ober- und Unterseiten mit Gipsschichten planparallel abgeglichen. Die Messung
der vertikalen Verformungen während der Prüfung erfolgte durch je einen magnetisch befestigten,
induktiven Wegaufnehmer an den vier Außenseiten des Dreisteinkörpers. Alle untersuchten
Lehmbaustoffe sind in Abbildung 4 exemplarisch dargestellt.

Abbildung 4: Probekörper des Lehmstein II & Lehmstein I (a), Lehmmauermörtel (b), Lehmmauerwerk (c)

(a) (b) (c)

Um im Rahmen der Versuchsreihe den Feuchte- und Temperatureinfluss auf die mechanischen
Materialeigenschaften zutreffend ermitteln zu können, wurden alle Probekörper vor der Prüfung bei
verschiedenen Umgebungsklimata bis zum Erreichen ihrer Massekonstanz innerhalb eines
Klimaschranks gelagert, welcher es bei einer relativen Luftfeuchte von φ = 50 % ermöglicht, die
vorherrschende Temperatur in einem Bereich von 10 °C ≤ θ ≤ 95 °C mit einer Abweichung von maximal
θ ± 1,3 °C zu regulieren. Weiterhin kann die relative Luftfeuchte innerhalb des Klimaschranks bei einer
Temperatur von θ = 23 °C in einem Bereich von 35 % ≤ φ ≤ 98 % mit einer Abweichung von maximal
φ ± 2,5 % justiert werden. Um relative Luftfeuchten außerhalb des Regelungsbereichs des Klimaschranks
zu generieren, wurden gesättigte Salzlösungen gemäß DIN EN ISO 12571 [57] Anhang A verwendet. Das
Einstellen einer relativen Luftfeuchte von φ = 20 % erfolgte demzufolge mit Hilfe des Salzes
Kaliumacetat (C2H3KO2), wohingegen für eine relative Luftfeuchte von φ = 5 % das Trockensalz
Calciumchlorid (CaCl2) verwendet wurde.

Gemäß DIN 18945 [54] und DIN 18946 [55] gilt die Massekonstanz eines Lehmprobekörpers als erreicht,
wenn sich dessen Masse innerhalb von 24 Stunden um nicht mehr als 0,2 % verändert. Dieser Grenzwert
wurde bei allen Probekörpern spätestens nach einer einwöchigen Lagerung innerhalb des gewünschten
Umgebungsklimas eingehalten. Im Rahmen der nachfolgenden Auswertungen wird unterstellt, dass sich
nach Erreichen der Massekonstanz ein stetiger Feuchtegehalt innerhalb des Baustoffs eingestellt hat.
Daraus folgt, dass die angegebenen relativen Konditionierungsluftfeuchten äquivalent zum
Feuchtegehalt der untersuchten Lehmbaustoffe sind. Um einen Feuchteaustausch mit der Außenluft
nach Abschluss der Konditionierung zu verhindern, wurden alle Probekörper nach der Entnahme aus
dem Klimaschrank bis zum Prüfzeitpunkt mit einer diffusionsdichten Folie umwickelt. Die
Druckprüfungen erfolgten anschließend unter zentrischem Druck mit einer einheitlichen

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 19

weggesteuerten Belastungsgeschwindigkeit von 0,002 mm/s. Der Elastizitätsmodul wurde bei allen
untersuchten Lehmbaustoffen als Sekantenmodul bei einem Lastniveau in Höhe eines Drittels der
Druckfestigkeit ermittelt. Die gewählten klimatischen Randbedingungen sowie die Anzahl der
durchgeführten Untersuchungen sind für alle analysierten Lehmbaustoffe in Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 2: Umfang der durchgeführten experimentellen Untersuchungen

Relative Luftfeuchte Temperatur Versuchsumfang


φ θ Lehmstein I Lehmstein II Lehmmörtel Lehmmauerwerk
5% - - 3 3
20 % 23 °C 3 3 4 3
40 % - - - 4
10 °C - - - 3
50 % 23 °C 3 3 3 6
40 °C - - - 3
65 % - - - 3
80 % 23 °C 3 3 3 3
95 % 3 3 3 3

Um die Klimaabhängigkeit der untersuchten Lehmbaustoffe optimal analysieren zu können, ergaben


sich bei der Wahl der Probekörpergeometrien sowie bei der Festlegung der Prüfabläufe vereinzelte
Abweichungen gegenüber den normativen Vorgaben. Um eine gleichmäßig verteilte Materialfeuchte
innerhalb der Lehmmauerwerksprobekörper nach Abschluss der Konditionierung zu erhalten, wurden
die Druckversuche des Lehmmauerwerks beispielsweise an Dreisteinprobekörpern durchgeführt, welche
ein geringeres Volumen als die bei herkömmlichem Mauerwerk üblicherweise verwendeten RILEM-
Probekörper aufweisen und das Erreichen der gewünschten Ausgleichsmaterialfeuchte somit schneller
und konstanter möglich ist. Zur Ermittlung aussagekräftiger Verformungskennwerte erfolgte die Prüfung
der normalformatigen Lehmsteine zudem nicht an übereinanderliegenden Steinhälften, da die
Dehnungsmessung durch die gemäß DIN 18945 [54] vorzusehende Gipsfuge in der Mitte des
Probekörpers beeinflusst werden könnte. Auch die experimentellen Untersuchungen des
Lehmmauermörtels wurden an Prismas mit größeren Probekörperabmessungen als gemäß DIN 18946
[55] vorgegeben durchgeführt, um eine hinreichende Messstreckenlänge zur Aufnahme der
Vertikaldehnungen zu erhalten. Den Absolutwerten der generierten Prüfergebnisse fehlte somit die
direkte Vergleichbarkeit mit normativ ermittelten Materialkennwerten, weshalb nachfolgend auf deren
Darstellung gänzlich verzichtet wird. Stattdessen erfolgt im Zuge der Ergebnisauswertung eine
Normierung mit den experimentell bestimmten Mittelwerten des jeweiligen Materialkennwerts bei einer
Temperatur von θ = 23 °C und einer relativen Luftfeuchte von φ = 50 %. Hierdurch wird der Einfluss des
Umgebungsklimas auf die Festigkeits- und Verformungseigenschaften der untersuchten Lehmbaustoffe
unmittelbar und unabhängig von anderen Einflussfaktoren ersichtlich. Ein weiterer Vorteil dieser
Normierung besteht darin, dass das gewählte Referenzklima dem normativen Konditionierungsklima für
Lehmbaustoffe gemäß DIN 18945 [54] und DIN 18946 [55] entspricht, weshalb die normierten
Versuchsergebnisse als direkte Modifikationsfaktoren für normativ ermittelte Materialkennwerte in
Abhängigkeit der vorherrschenden klimatischen Umgebungsbedingungen angesehen werden können.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 20

2.2 Lehmsteine
Im Zuge der Probekörpervorbereitung wurden die untersuchten Lehmsteine zunächst längsseitig
halbiert, was zu einer planmäßigen Probekörpergeometrie von 120 x 115 x 71 mm³ führte. Zur
Beseitigung von Unebenheiten der Lasteinleitungsflächen wurden diese im Anschluss planparallel
geschliffen. Auf Grund der geringen Probekörperhöhe erfolgte die Ermittlung der vertikalen Dehnungen
mit Hilfe eines Seilzugwegaufnehmers, welcher am unteren Druckstempel der Prüfmaschine befestigt
wurde. Die Messwerte wurden zusätzlich mit Hilfe des internen Wegaufnehmers der Prüfmaschine
validiert. Die Druckfestigkeit der Lehmsteine wurde bei allen durchgeführten Prüfungen nach circa 5 – 11
Minuten erreicht.

Um den Einfluss der relativen Luftfeuchte auf die Festigkeits- und Verformungseigenschaften der
Lehmsteine geeignet abzubilden, werden die experimentell ermittelten Spannungs-Dehnungs-Linien für
Lehmstein I in Abbildung 5 normiert dargestellt. Wie in Kapitel 2.1 bereits erläutert, dienen der bei einer
relativen Luftfeuchte von φ = 50 % und einer Temperatur von θ = 23 °C bestimmte Mittelwert der
Steindruckfestigkeit fb,50% sowie der Mittelwert der zugehörigen Dehnung εf,50% als Referenzwerte.

Weiterhin werden die aus den normierten Spannungs-Dehnungs-Linien abgeleiteten bezogenen


Mittelwerte der Druckfestigkeit fb/fb,50%, des Elastizitätsmoduls Eb/Eb,50% sowie der Dehnung bei Erreichen
der Druckfestigkeit εf/εf,50% für Lehmstein I in Abbildung 6 in Abhängigkeit der relativen Luftfeuchte
dargestellt. Die Fehlerindikatoren kennzeichnen dabei den Bereich einer Standardabweichung ober- und
unterhalb des Mittelwerts der jeweiligen Prüfserie. Bei Prüfserien ohne erkennbaren Fehlerindikator
beträgt die Standardabweichung der Prüfergebnisse weniger als 0,05. Die normierten Spannungs-
Dehnungs-Linien sowie die daraus abgeleiteten Festigkeits- und Verformungseigenschaften können für
Lehmstein II in analoger Weise aus Abbildung 7 und Abbildung 8 entnommen werden.

Abbildung 5: Experimentell ermittelte Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmsteins I bei variierender relativer


Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C

1,6
Lehmstein I
1,4

1,2

1,0
σ/fb,50%

0,8

0,6

0,4

0,2 φ = 20 % φ = 50 %
φ = 80 % φ = 95 %
0,0
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0
ε/εf,50%

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Abbildung 6: Normierte Mittelwerte der Festigkeits- und Verformungseigenschaften des Lehmsteins I bei variierender relativer
Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C

1,8 1,8
1,6 1,6
1,4 1,4
1,2 1,2

Eb/Eb,50%
fb/fb,50%

1,0 1,0
0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
R² = 0,98 R² = 0,96
0,2 0,2
0% 20% 40% 60% 80% 100% 0% 20% 40% 60% 80% 100%
Relative Luftfeuchte φ Relative Luftfeuchte φ
1,8
1,6
1,4
1,2
εf/εf,50%

1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Relative Luftfeuchte φ

Abbildung 7: Experimentell ermittelte Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmsteins II bei variierender relativer


Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C

1,6
Lehmstein II
1,4

1,2

1,0
σ/fb,50%

0,8

0,6

0,4

0,2 φ = 20 % φ = 50 %
φ = 80 % φ = 95 %
0,0
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0
ε/εf,50%

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 22

Abbildung 8: Normierte Mittelwerte der Festigkeits- und Verformungseigenschaften des Lehmsteins II bei variierender relativer
Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C

1,8 1,8
1,6 1,6
1,4 1,4

Eb/Eb,50%
1,2 1,2
fb/fb,50%

1,0 1,0
0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
R² = 0,94 R² = 0,91
0,2 0,2
0% 20% 40% 60% 80% 100% 0% 20% 40% 60% 80% 100%
Relative Luftfeuchte φ Relative Luftfeuchte φ
1,8
1,6
1,4
1,2
εf/εf,50%

1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Relative Luftfeuchte φ

Der Verfestigungsbereich der Spannungs-Dehnungs-Beziehungen von Lehmstein I und Lehmstein II


verläuft bei allen Umgebungsklimata deutlich nichtlinear. Im Entfestigungsbereich beider Lehmsteine ist
anhand der großen Dehnungszuwächse bei konstanter Spannung eine ausgeprägte Duktilität zu
erkennen. Da die Prüfungen von Lehmstein I bei einer relativen Luftfeuchte von φ = 50 % frühzeitig
manuell beendet worden sind, fällt hier der Entfestigungsbereich im Vergleich zu den übrigen
Konditionierungsklimata kürzer aus. Die hohe Duktilität der Lehmsteine wird jedoch durch die geringe
Probekörperhöhe und die damit einhergehende Querdehnungsbehinderung begünstigt und lässt sich
daher nicht ohne weitere Untersuchungen auf normative Probekörperabmessungen übertragen. Das
Versagensbild der Lehmsteine charakterisiert sich durch ein typisches Ausbrechen seitlicher Schalen, wie
es auch bei Vollsteinen aus anderen Mauerwerksbaustoffen beobachtet werden kann.

Mit steigender relativer Luftfeuchte ist ein deutliches Abflachen der Spannungs-Dehnungs-Beziehung
beider Lehmsteine zu erkennen. Dies hat eine Reduktion der Druckfestigkeit sowie des Elastizitätsmoduls
zur Folge, was ebenfalls in den Darstellungen der Feuchteabhängigkeit der Festigkeits- und
Verformungseigenschaften deutlich wird. Bei Verringerung der relativen Luftfeuchte wird dagegen ein
gegenläufiger Effekt in Form eines Anstiegs der genannten Materialkennwerte sichtbar. Zudem fällt auf,
dass Änderungen der relativen Luftfeuchte bei beiden Lehmsteinen einen nahezu linearen Einfluss auf
die Druckfestigkeit und den Elastizitätsmodul haben. Diese lineare Korrelation kann durch Betrachtung
des Bestimmtheitsmaßes bestätigt werden: Bei beiden untersuchten Lehmsteinen weist dieser sowohl
hinsichtlich der Druckfestigkeit als auch des Elastizitätsmoduls Werte von R² > 0,90 auf. Weiterhin zeigt

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 23

sich, dass die feuchtebedingte Änderung des Elastizitätsmoduls nicht nur qualitativ, sondern auch
quantitativ affin zur Änderung der Druckfestigkeit ausfällt. Demzufolge deuten die Versuchsergebnisse
auf eine Feuchteunabhängigkeit des Verhältnisses aus Elastizitätsmodul zu Druckfestigkeit der
untersuchten Lehmsteine hin.

Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass die Dehnung bei Erreichen der Druckfestigkeit von Lehmstein I
im untersuchten Feuchtebereich nahezu konstant bleibt, wohingegen bei Lehmstein II für relative
Luftfeuchten φ > 50 % ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen ist. Die zu beobachtende Steigerung der
experimentell ermittelten Dehnungen bei Erreichen der Druckfestigkeit könnte durch den
ausgeprägteren Tonanteil von Lehmstein II hervorgerufen werden, welcher die Feuchteabhängigkeit
dieses Parameters bei erhöhter Materialfeuchte möglicherweise verstärkt. Dabei sei jedoch darauf
hingewiesen, dass durch die bei hohen relativen Luftfeuchten abflachenden Spannungs-Dehnungs-
Beziehungen der Lehmsteine ein fließender Übergang zwischen dem Verfestigungs- und
Entfestigungsbereich entsteht, welcher die exakte experimentelle Bestimmung der Dehnung bei
Erreichen der Druckfestigkeit erschwert. Da die Spannungs-Dehnungs-Beziehung im Bereich von
ε/εf,50% ≈ 1 bereits nahezu horizontal verläuft und der Spannungsanstieg im nachfolgenden Bereich der
Arbeitslinie marginal ist, kann die Dehnung bei Erreichen der Druckfestigkeit der Lehmsteine zur
Modellierung des Materialverhaltens daher in guter Näherung als unabhängig von der relativen
Luftfeuchte beschrieben werden.

Basierend auf der Annahme einer annähernd feuchteunabhängigen Dehnung bei Erreichen der
Druckfestigkeit sowie der linearen Feuchteabhängigkeit der Druckfestigkeit und des Elastizitätsmoduls,
lässt sich feststellen, dass die Spannungs-Dehnungs-Linie der Lehmsteine durch Änderungen der
relativen Luftfeuchte ausschließlich eine Skalierung in Richtung der Spannungsachse erfährt,
wohingegen die Dehnungsachse nicht nennenswert beeinflusst wird. Hieraus ergibt sich eine vertikale
Streckung der Arbeitslinie bei niedriger relativer Luftfeuchte und eine korrespondierende Stauchung bei
hoher relativer Luftfeuchte.

Durch einen direkten Vergleich der Prüfergebnisse von Lehmstein I und Lehmstein II wird zudem
deutlich, dass deren Festigkeits- und Verformungseigenschaften in vergleichbarem Ausmaß von der
vorherrschenden relativen Luftfeuchte abhängen. Die durchgeführten Untersuchungen deuten somit
nicht darauf hin, dass die mechanischen Materialeigenschaften von Lehmsteinen der Anwendungsklasse
II stärker von Änderungen der Materialfeuchte im hygroskopischen Bereich beeinflusst werden als die
Materialeigenschaften von Lehmsteinen der Anwendungsklasse Ib.

2.3 Lehmmauermörtel
Zur Probekörperherstellung wurde der erdfeuchte Lehmmauermörtel per Hand mit Wasser angerührt.
Das Masseverhältnis zwischen Lehmmauermörtel und Wasser entsprach hierbei 6:1. Um die vertikalen
Verformungen des Festmörtels während der Druckprüfung über eine geeignete Messstrecke aufnehmen
zu können, wurden die Probekörper in Würfelschalungen mit einer nominellen Kantenlänge von 10 cm
hergestellt. Nach dem Einfüllen des Frischmörtels in die Schalung wurde dieser auf einem Rütteltisch
verdichtet. Das Ausschalen der Probekörper erfolgte nach ungefähr 14 Tagen. Nach einer weiteren

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 24

Trocknungszeit im Raumklima wurden die Ober- und Unterseiten der Würfel planparallel geschliffen, um
eine gleichmäßige Lasteinleitung während der Prüfung zu gewährleisten.

Die Ermittlung der vertikalen Dehnungen während der Druckprüfung erfolgte mit Hilfe eines
Seilzugwegaufnehmers, welcher am unteren Druckstempel der Prüfmaschine befestigt wurde. Die
Messwerte wurden zusätzlich mit Hilfe des internen Wegaufnehmers der Prüfmaschine validiert. Die
Druckfestigkeit des Lehmmauermörtels wurde bei allen durchgeführten Prüfungen nach circa 7 - 9
Minuten erreicht.

In Abbildung 9 sind die experimentell ermittelten normierten Spannungs-Dehnungs-Linien des


Lehmmauermörtels dargestellt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit umfasst diese Abbildung nur vier der
fünf untersuchten relativen Luftfeuchten. Weiterhin werden die normierten Mittelwerte der
Druckfestigkeit fmo/fmo,50%, des Elastizitätsmoduls Emo/Emo,50% sowie der Dehnung bei Erreichen der
Druckfestigkeit εf/εf,50% des Lehmmauermörtels für alle untersuchten relativen Luftfeuchten in Abbildung
10 dargestellt. Die Fehlerindikatoren innerhalb der Diagramme kennzeichnen den Bereich einer
Standardabweichung ober- und unterhalb des Mittelwerts der jeweiligen Prüfserie. Bei Prüfserien ohne
erkennbaren Fehlerindikator beträgt die Standardabweichung der Prüfergebnisse weniger als 0,05.

Abbildung 9: Experimentell ermittelte Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmmauermörtels bei variierender relativer


Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C

1,4

1,2

1,0

0,8
σ/fmo,50%

0,6

0,4

0,2 φ=5% φ = 50 %
φ = 80 % φ = 95 %
0,0
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0
ε/εf,50%

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Abbildung 10: Normierte Mittelwerte der Festigkeits- und Verformungseigenschaften des Lehmmauermörtels bei variierender
relativer Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C

1,6 1,6
1,4 1,4

Emo/Emo,50%
1,2 1,2
fmo/fmo,50%

1,0 1,0
0,8 0,8
0,6 0,6 R² = 0,78
R² = 0,96 R² = 1,00 für φ ≥ 50 %
0,4 0,4
0% 20% 40% 60% 80% 100% 0% 20% 40% 60% 80% 100%
Relative Luftfeuchte φ Relative Luftfeuchte φ
1,6
1,4
1,2
εf/εf,50%

1,0
0,8
0,6
0,4
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Relative Luftfeuchte φ

Die experimentell ermittelten Arbeitslinien des Lehmmauermörtels weisen im Gegensatz zu den


Arbeitslinien der Lehmsteine innerhalb ihres Verfestigungsbereichs einen nahezu linearen Verlauf auf.
Bei niedrigen relativen Luftfeuchten ist zu Beginn der Belastung eine konkave Krümmung der
Spannungs-Dehnungs-Linien zu erkennen, welche auf anfängliche Kompaktierungsvorgänge innerhalb
des Materials zurückzuführen ist. Dieses Phänomen einer mikrostrukturellen Konsolidierung im Zuge der
Erstbelastung wurde ebenfalls bereits bei anderen experimentellen Untersuchungen an drucklos
verdichteten Lehmbaustoffen beobachtet [17]. Das Versagensbild nach Überschreiten der
Druckfestigkeit charakterisiert sich durch vertikale Rissbildung in den Randbereichen der Probekörper.
Der Entfestigungsbereich der Spannungs-Dehnungs-Linien indiziert bei allen Umgebungsklimata ein
duktiles Werkstoffverhalten ohne schlagartiges Versagen.

Analog zu den in Kapitel 2.2 beschriebenen Untersuchungsergebnissen an Lehmsteinen fällt auf, dass
die Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmmauermörtels durch Änderungen der relativen
Luftfeuchte eine Skalierung in Richtung der Spannungsachse erfahren. Die Dehnung bei Erreichen der
Druckfestigkeit bleibt für jedes untersuchte Konditionierungsklima annähernd konstant und lässt sich
somit wie im Fall der Lehmsteine als feuchteunabhängig charakterisieren. Aus Abbildung 10 geht mit
einem Bestimmtheitsmaß von R² = 0,96 ein nahezu linearer Zusammenhang zwischen relativer
Luftfeuchte und mittlerer Druckfestigkeit hervor. Eine vergleichbare Linearität ist auch bei Betrachtung
des Elastizitätsmoduls im Bereich höherer relativer Luftfeuchte von φ ≥ 50 % zu erkennen. Bei
niedrigerer relativer Luftfeuchte steigt der experimentell ermittelte Elastizitätsmodul jedoch nicht weiter

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 26

an und weicht somit von einem idealisierten linearen Zusammenhang ab. Diese Abweichung lässt sich
auf die konkave Krümmung der Spannungs-Dehnungs-Linien von drucklos verdichteten
Lehmbaustoffen infolge der oben beschriebenen Kompaktierungsvorgänge zurückführen.

2.4 Lehmmauerwerk

2.4.1 Einführung

Aufbauend auf den bereits beschriebenen Untersuchungen an Lehmsteinen und Lehmmauermörteln


werden nachfolgend die experimentellen Analysen des Einflusses variierender Umgebungsklimata auf
die Festigkeits- und Verformungseigenschaften des Kompositbaustoffs Lehmmauerwerk dargelegt.
Hierzu wurden Druckversuche unter zentrischer Belastung an Dreisteinkörpern bei unterschiedlichen
relativen Luftfeuchten (vgl. Kapitel 2.4.2) sowie verschiedenen Umgebungstemperaturen (vgl. Kapitel
2.4.3) durchgeführt.

Die Probekörperherstellung erfolgte sowohl zur Untersuchung des Feuchteeinflusses als auch des
Temperatureinflusses analog. Die zu prüfenden Dreisteinkörper wurden unter Verwendung des für den
tragenden Einsatz zugelassenen Lehmsteins I in Verbindung mit dem bereits beschriebenen
Lehmmauermörtel gefertigt. Vor dem Vermauern wurden die Lehmsteine zunächst längsseitig halbiert.
In Anlehnung an herkömmlichen Normalmörtel gemäß DIN EN 1996-1-1/NA [56] beträgt die
planmäßige Lagerfugendicke zwischen den drei halbierten Lehmsteinen 12 mm. Um die Ebenheit der
Lasteinleitungsflächen zu gewährleisten, wurden die Probekörper an den Ober- und Unterseiten mit
Gipsschichten planparallel abgeglichen. Zur späteren Anbringung der Messtechnik wurden anschließend
Metallplättchen in die Mitte aller vier Außenflächen des oberen und unteren Lehmsteins geklebt. Die
Klebeflächen wurden hierfür zunächst mit einem Tiefengrund für sandige Oberflächen gefestigt. Die
Messung der vertikalen Verformungen während der Prüfung erfolgte durch je einen magnetisch
befestigten, induktiven Wegaufnehmer an den vier Außenseiten des Dreisteinkörpers. Die resultierende
Gesamtverformung wurde auf Basis des Mittelwerts der Messwerte aller vier Wegaufnehmer errechnet.
Die Druckfestigkeit der Dreisteinkörper wurde bei allen durchgeführten Prüfungen nach circa 15 – 19
Minuten erreicht. Ein exemplarischer Probekörper inklusive Messtechnik sowie eine vermaßte Skizze sind
in Abbildung 11 dargestellt.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 27

Abbildung 11: Dreisteinkörper inklusive Messtechnik (Maße in mm)

2.4.2 Untersuchungen zum Einfluss der relativen Luftfeuchte

Nachfolgend wird der Einfluss von Änderungen der relativen Luftfeuchte auf die Festigkeits- und
Verformungseigenschaften von Lehmmauerwerk analysiert. Zur Wahrung der Übersichtlichkeit werden
die experimentell ermittelten feuchteabhängigen Spannungs-Dehnungs-Beziehungen in Abbildung 12
nur für vier der sieben untersuchten relativen Luftfeuchten abgebildet. Aus Anlage 1 können alle
Spannungs-Dehnungs-Linien getrennt für die einzelnen Konditionierungsklimata entnommen werden.
Die resultierenden Mittelwerte der bezogenen Druckfestigkeit f/f50%, des bezogenen
Sekantenelastizitätsmoduls E0.33/E0.33,50% sowie der bezogenen Dehnung bei Erreichen der
Druckfestigkeit εf/εf,50% sind dahingegen bereits in Abbildung 13 für alle untersuchten relativen
Luftfeuchten aufgetragen. Die Fehlerindikatoren innerhalb dieser Darstellung kennzeichnen den Bereich
einer Standardabweichung ober- und unterhalb des Mittelwerts der jeweiligen Prüfserie. Bei Prüfserien
ohne erkennbaren Fehlerindikator beträgt die Standardabweichung der Prüfergebnisse weniger als 0,05.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 28

Abbildung 12: Experimentell ermittelte Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmmauerwerks bei variierender relativer
Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C

1,4

1,2

1,0

0,8
σ/f50%

0,6

0,4

0,2 φ = 20 % φ = 50 %
φ = 80 % φ = 95 %
0,0
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0
ε/εf,50%

Abbildung 13: Normierte Mittelwerte der Festigkeits- und Verformungseigenschaften des Lehmmauerwerks bei variierender
relativer Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C

1,6 1,6
1,4 1,4
E0.33/E0.33,50%

1,2 1,2
f/f50%

1,0 1,0
0,8 0,8
0,6 0,6 R² = 0,89
R² = 0,99 R² = 0,97 für φ ≥ 40%
0,4 0,4
0% 20% 40% 60% 80% 100% 0% 20% 40% 60% 80% 100%
Relative Luftfeuchte φ Relative Luftfeuchte φ
1,6
1,4
1,2
εf/εf,50%

1,0
0,8
0,6
0,4
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Relative Luftfeuchte φ

Bei Betrachtung der experimentell ermittelten Spannungs-Dehnungs-Linien des Lehmmauerwerks ist


wie bei den untersuchten Lehmsteinen ein deutlich nichtlinearer Ver- und Entfestigungsbereich zu

Experimentelle Untersuchungen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 29

erkennen. Das Versagen der Dreisteinkörper charakterisierte sich in der Regel durch Rissbildung am
mittleren Lehmstein sowie durch Ausbrechen der Mörtelfugen. Nach Erreichen der Druckfestigkeit fallen
die Spannungs-Dehnungs-Beziehungen nur moderat ab, was von einer hohen Duktilität des
untersuchten Lehmmauerwerks zeugt. Darüber hinaus sei erwähnt, dass jeder Versuch manuell beendet
wurde und nie ein schlagartiges Versagen des Probekörpers eintrat.

Bei steigender relativer Luftfeuchte lässt sich analog zu den Untersuchungen an den Einzelkomponenten
des Lehmmauerwerks ein deutliches Abflachen der Spannungs-Dehnungs-Linien beobachten. Hieraus
geht eine Abminderung der Druckfestigkeit sowie des Elastizitätsmoduls hervor. Bei Reduktion der
relativen Luftfeuchte ist ein gegenläufiger Effekt in Form eines Anstiegs der genannten
Materialkennwerte festzustellen. Bei Betrachtung der Dehnung bei Erreichen der Druckfestigkeit lässt
sich ebenfalls ein leichter Anstieg mit zunehmender relativer Luftfeuchte verzeichnen. Die Auswirkung
des Feuchteeinflusses ist hierbei jedoch marginal und kann somit im Sinne einer effizienten
Materialmodellierung in guter Näherung vernachlässigt werden. Wie in Abbildung 13 ebenfalls zu
erkennen ist, besteht mit einem Bestimmtheitsmaß von R² = 0,99 ein nahezu idealer linearer
Zusammenhang zwischen der Druckfestigkeit und der vorherrschenden relativen Luftfeuchte. Eine
analoge Feuchteabhängigkeit ist ebenfalls bei der Betrachtung des Elastizitätsmoduls in einem erhöhten
Feuchtebereich von 40 % ≤ φ ≤ 95 % festzustellen.

Wie bereits im Rahmen der Untersuchungen des Lehmmauermörtels zu erkennen war, steigt der
experimentell ermittelte Elastizitätsmodul bei relativen Luftfeuchten von φ < 40 % jedoch weniger stark
an, als es ein linearer Ansatz der Feuchteabhängigkeit suggerieren würde. Diese Abweichung entsteht
durch eine leicht konkave Krümmung im Anfangsbereich der Spannungs-Dehnungs-Linien und kann auf
Kompaktierungsvorgänge innerhalb der Mörtelfugen zurückgeführt werden.

2.4.3 Untersuchungen zum Einfluss der Temperatur

Nachfolgend wird die Temperaturabhängigkeit der Festigkeits- und Verformungseigenschaften von


Lehmmauerwerk analysiert. Dazu sind die bei unterschiedlichen Temperaturen θ in Kombination mit
einer konstanten relativen Luftfeuchte von φ = 50 % experimentell ermittelten Spannungs-Dehnungs-
Linien in Abbildung 14 dargestellt. Die daraus abgeleiteten Festigkeits- und Verformungseigenschaften
können Abbildung 15 entnommen werden. Die Fehlerindikatoren innerhalb dieser Darstellung
kennzeichnen den Bereich einer Standardabweichung ober- und unterhalb des Mittelwerts der
jeweiligen Prüfserie. Bei Prüfserien ohne erkennbaren Fehlerindikator beträgt die Standardabweichung
der Prüfergebnisse weniger als 0,05.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 30

Abbildung 14: Experimentell ermittelte Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmmauerwerks bei variierender Temperatur θ
und einer konstanten relativen Luftfeuchte von φ = 50 %
1,4

1,2

1,0

0,8
σ/f23°C

0,6

0,4
θ = 10 °C
0,2 θ = 23 °C
θ = 40 °C
0,0
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0
ε/εf,23°C
Abbildung 15: Normierte Mittelwerte der Festigkeits- und Verformungseigenschaften des Lehmmauerwerks bei variierender
Temperatur θ und einer konstanten relativen Luftfeuchte von φ = 50 %

1,6 1,6
1,4 1,4
E0.33/E0.33,23°C

1,2 1,2
f/f23°C

1,0 1,0
0,8 0,8
0,6 0,6
0,4 0,4
0 °C 10 °C 20 °C 30 °C 40 °C 50 °C 0 °C 10 °C 20 °C 30 °C 40 °C 50 °C
Temperatur θ Temperatur θ
1,6
1,4
1,2
εf/εf,23°C

1,0
0,8
0,6
0,4
0 °C 10 °C 20 °C 30 °C 40 °C 50 °C
Temperatur θ

Bei Gegenüberstellung der Arbeitslinien lassen sich keine über die üblichen Materialstreuungen
hinausgehenden Abweichungen zwischen den unterschiedlichen Konditionierungsklimata feststellen.
Sowohl im Verfestigungs- als auch im Entfestigungsbereich wird kein signifikanter Temperatureinfluss

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 31

ersichtlich. Dies bestätigt sich ebenfalls bei Betrachtung der in Abhängigkeit der Temperatur
dargestellten Festigkeits- und Verformungseigenschaften. Die Druckfestigkeit sowie der
Elastizitätsmodul steigen ausgehend von dem Referenzwert bei θ = 23 °C bei einer Temperatur von
θ = 10 °C nur geringfügig an, wohingegen bei einer Erhöhung der Temperatur auf θ = 40 °C keine
Veränderung der genannten Materialkennwerte festzustellen ist. Die experimentell ermittelten
Dehnungen bei Erreichen der Druckfestigkeit bleiben bei einer Absenkung der Temperatur auf θ = 10 °C
konstant, fallen jedoch bei hoher Temperatur von θ = 40 °C marginal ab. An dieser Stelle ist anzumerken,
dass die Streuungen der Dehnungen in der letztgenannten Prüfserie vergleichsweise hoch sind und die
dargestellte Reduktion der Dehnung bei Erreichen der Druckfestigkeit somit nur bedingt belastbar ist.

Aus den durchgeführten Tastversuchen kann bei konstanter relativer Luftfeuchte keine signifikante
Temperaturabhängigkeit der Festigkeits- und Verformungseigenschaften von Lehmmauerwerk
innerhalb des baupraktisch relevanten Temperaturbereichs abgeleitet werden. Diese Erkenntnis ist in
Einklang mit Ergebnissen von an Stampflehm durchgeführten Untersuchungen aus der Literatur [58]. Die
Temperaturunabhängigkeit der Materialeigenschaften unstabilisierter Lehmbaustoffe lässt sich dabei
durch zwei entgegengesetzte physikalische Effekte erklären. Einerseits erhöht sich die absolute
Luftfeuchte bei steigender Temperatur in Kombination mit gleichbleibender relativer Luftfeuchte, was
zunächst zu einer erhöhten äußeren Feuchteeinwirkung führt. Gleichzeitig wird jedoch der exotherme
Prozess der Feuchteadsorption innerhalb eines mineralischen Baustoffs durch eine gesteigerte
Bauteiltemperatur gehemmt. Wie bereits in [59–61] gezeigt werden konnte, heben sich diese
gegenläufigen Effekte bei Massiv- bzw. Lehmbaustoffen nahezu vollständig auf, weshalb eine
Temperaturänderung keine nennenswerten Auswirkungen auf die Materialfeuchte und somit auch nicht
auf die mechanischen Eigenschaften unstabilisierten Lehmmauerwerks hat. Demzufolge muss die
Umgebungs- bzw. Bauteiltemperatur nicht als zusätzlicher Einflussparameter bei der
Materialmodellierung und der daran anknüpfenden Traglastberechnung berücksichtigt werden.

2.5 Fazit
Basierend auf den Versuchsergebnissen aller im Rahmen des Projekts untersuchten Lehmbaustoffe kann
ein analytischer Zusammenhang zwischen der Druckfestigkeit bzw. dem Elastizitätsmodul und der
relativen Luftfeuchte φ nach Gl. (1) hergeleitet werden. Der sich daraus ergebende Modifikationsfaktor
kann dazu verwendet werden, die bei normativen Klimabedingungen von φ = 50 % und θ = 23 °C
ermittelte Druckfestigkeit bzw. Elastizitätsmodul für davon abweichende Materialfeuchten umzurechnen

und somit den Feuchteeinfluss auf die genannten Festigkeits- und Verformungseigenschaften zu
berücksichtigen.

f E  [%]
  1,5  (1)
f50% E50% 100
Um die Allgemeingültigkeit dieses Zusammenhangs zu überprüfen, wurde zusätzlich eine umfangreiche
Literaturdatenbank mit weiteren Versuchsergebnissen in Bezug auf die Feuchteabhängigkeit der

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 32

mechanischen Materialeigenschaften unstabilisierter Lehmbaustoffe erstellt und mit den selbst


generierten Versuchsdaten gegenübergestellt. Wie in Abbildung 16 für die bezogene Druckfestigkeit
f/f50% zu erkennen ist, kann die analytisch hergeleitete lineare Approximation gemäß Gl. (1) in guter

Näherung auf beliebige unstabilisierte Lehmbaustoffe angewendet werden.

Abbildung 16: Lineare Approximation der bezogenen Druckfestigkeit f/f50% für unstabilisierte Lehmbaustoffe

1,6

1,4

1,2

1,0
El Fgaier et al. (2016)
Hansen & Hansen (2002)
f/f50%

0,8 Hartmann (2019)


Heath et al. (2009)
0,6 Müller et al. (2012)
Wiehle & Brinkmann (2020)
0,4 Lehmstein I
Lehmstein II
0,2 Lehmmauerwerk n = 487
Lehmmauermörtel
Approximation fcal/fexp = 0,98
0,0
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
φ

Neben den experimentellen Untersuchungen zur Feuchteabhängigkeit der Festigkeits- und


Verformungseigenschaften wurde zudem eine ergänzende Versuchsreihe zur Temperaturabhängigkeit
der mechanischen Materialparameter durchgeführt. Dabei konnte innerhalb eines praxisrelevanten

Temperaturbereichs von 10 °C ≤ θ ≤ 40 °C in Kombination mit einer konstanten relativen Luftfeuchte


von φ = 50 % keine nennenswerte Beeinflussung der Festigkeits- und Verformungseigenschaften durch
Änderungen der Temperatur festgestellt werden. Es lässt sich somit schlussfolgern, dass die Bauteil- bzw.
Umgebungstemperatur innerhalb baupraktischer Grenzen nicht als isolierter Einflussparameter bei der

Materialmodellierung und der Berechnung der Tragfähigkeit von Lehmmauerwerk berücksichtigt


werden muss.

Im Hinblick auf die im weiteren Verlauf des Forschungsvorhabens durchzuführende


Zuverlässigkeitsanalyse lässt sich zudem festhalten, dass die unter Laborbedingungen ermittelten

mechanischen Materialeigenschaften der analysierten Lehmbaustoffe nur geringe Streuungen


aufwiesen. Für das untersuchte Lehmmauerwerk ergab sich bei Betrachtung der Druckfestigkeit ein über
alle Versuchsreihen gemittelter Variationskoeffizient von 5,9 % und für den Elastizitätsmodul ein

mittlerer Variationskoeffizient von 9,1 %. Basierend auf diesen Werten ist somit nicht davon auszugehen,
dass die Zuverlässigkeit tragenden Lehmmauerwerks im Vergleich zu herkömmlichen
Mauerwerksbaustoffen durch produktionsbedingte Einflüsse beeinträchtigt wird.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 33

3 Tragfähigkeit druckbeanspruchten Lehmmauerwerks


unter Feuchteeinfluss
3.1 Einführung
Nachfolgend wird eine Methode zur Ermittlung der Tragfähigkeit druckbeanspruchten Lehmmauerwerks
unter expliziter Berücksichtigung des Feuchteeinflusses erarbeitet. Hierzu wird zunächst eine Möglichkeit
zur wirklichkeitsnahen und repräsentativen Modellierung der Spannungs-Dehnungs-Beziehung von
Lehmmauerwerk dargelegt und anhand experimenteller Versuchsdaten validiert. Anschließend werden
die in Kapitel 2.4 gewonnenen Erkenntnisse zur Klimaabhängigkeit der Festigkeits- und
Verformungseigenschaften unstabilisierten Lehmmauerwerks für die Entwicklung eines analytischen
Berechnungsmodells zur Ermittlung der Querschnitts- und Systemtragfähigkeit von
Lehmmauerwerkswänden verwendet.

Die Materialfeuchte des Lehmmauerwerks wird innerhalb des nachfolgenden Rechenmodells stets in
Form der äquivalenten relativen Luftfeuchte φ berücksichtigt. Dieser Parameter ist über die
materialspezifische Feuchtespeicherfunktion mit der volumen- oder massebezogenen Materialfeuchte
verknüpft und entspricht daher der Materialfeuchte, welche sich innerhalb eines Lehmbaustoffs einstellt,
wenn dieser innerhalb eines konstanten Umgebungsklimas mit einer relativen Luftfeuchte φ bis zum
Erreichen seiner Massekonstanz gelagert werden würde.

3.2 Modellierung der Spannungs-Dehnungs-Beziehung


Aufbauend auf den Ergebnissen der experimentellen Untersuchungen konnte ein Traglastmodell
entwickelt werden, mit dessen Hilfe sich die Querschnitts- und Systemtragfähigkeit vorwiegend
druckbeanspruchter Lehmmauerwerkswände unter expliziter Berücksichtigung des Feuchteeinflusses
realitätsnah ermitteln lassen. Als Grundlage des Berechnungsverfahrens diente das modifizierte einaxiale
Materialmodell gemäß Gl. (2), welches sowohl das ausgeprägt nichtlineare und duktile Materialverhalten
von Lehmmauerwerk abbilden sowie den Einfluss unterschiedlicher hygroskopischer Materialfeuchten
auf die resultierende Spannungsverteilung explizit berücksichtigen kann. Die Basis der Modellierung
bildete dabei der Ansatz zur Beschreibung von nichtlinearem Materialverhalten gemäß DIN EN 1992-1-
1/NA [62]. Die maßgebende Eingangsgröße zur Adjustierung des Verlaufs dieser Arbeitslinie ist der
bezogene Ursprungselastizitätsmodul k, welcher sich gemäß Gl. (5) aus dem Quotienten des
Ursprungselastizitätsmoduls E0 und der Druckfestigkeit f multipliziert mit der Dehnung bei Erreichen der
Druckfestigkeit εf berechnen lässt. Des Weiteren kann der Entfestigungsbereich der Spannungs-
Dehnungs-Beziehung bis zu der bezogenen maximalen Dehnung ηult in die Modellierung einbezogen
werden. Im Rahmen der Modellbildung wird dabei stets von einer konstanten Verteilung der
Materialfeuchte innerhalb der betrachteten Lehmmauerwerkswand ausgegangen.

Tragfähigkeit druckbeanspruchten Lehmmauerwerks unter Feuchteeinfluss BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 34

 f k    ²
  f  1  k  2  für    ult  1, 30
    50%   (2)
f 50% 0
 für    ult  1, 30
Mit:


 (3)
f
 ult
 ult  (4)
f
E0 E0
k  f (5)
Ef f
Der Vorfaktor f/f50% beschreibt die feuchteabhängige lineare Skalierung der Spannungs-Dehnungs-
Beziehung in Richtung der Spannungsachse und kann für unterschiedliche Materialfeuchten
näherungsweise mit Hilfe von Gl. (1) ermittelt werden. Durch diese Modifizierung des Spannungsverlaufs
ist es möglich, die Arbeitslinie von Lehmmauerwerk für beliebige konstante Feuchteprofile zu
approximieren.

Zur Ermittlung des anzusetzenden bezogenen Ursprungselastizitätsmoduls wurden Versuchsdaten aus


der Literatur [24, 33] analysiert. In Abbildung 17 ist die Verteilung des bezogenen
Ursprungselastizitätsmoduls der insgesamt 52 ausgewerteten Lehmmauerwerksprobekörper dargestellt.

Abbildung 17: Verteilung des bezogenen Ursprungselastizitätsmoduls k von unstabilisiertem Lehmmauerwerk basierend auf
Literaturdaten

15
kmin = 1,46
kmax = 3,32 25%
kmittel = 2,21
Anzahl der Prüfergebnisse

n = 52
10 20%

15%

5 10%

5%

0 0%
1,4 1,7 2,0 2,3 2,6 2,9 3,2
k

Basierend auf dieser Auswertung kann der bezogene Ursprungselastizitätsmodul für unstabilisiertes
Lehmmauerwerk im Mittel mit k = 2,2 angenommen werden. Diese Annahme entspricht einem mittleren
Verhältnis aus Elastizitätsmodul zu charakteristischer Mauerwerksdruckfestigkeit von E/fk = KE = 440 in
Verbindung mit einer mittleren Dehnung bei Erreichen der Druckfestigkeit von εf = 5,5 ‰. Zudem kann

Tragfähigkeit druckbeanspruchten Lehmmauerwerks unter Feuchteeinfluss BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 35

das duktile Entfestigungsverhalten von Lehmmauerwerk durch die Berücksichtigung einer bezogenen
maximalen Dehnung von ηult = 1,3 zutreffend abgebildet werden [26].

Zur Validierung des Werkstoffgesetzes gemäß Gl. (2) erfolgt in Abbildung 18 eine Gegenüberstellung
mit den in diesem Projekt experimentell ermittelten Spannungs-Dehnungs-Linien von Lehmmauerwerk
(vgl. Kapitel 2.4).

Abbildung 18: Vergleich der experimentell ermittelten Spannungs-Dehnungs-Beziehungen von Lehmmauerwerk (vgl. Kapitel 2.4)
mit dem feuchteabhängigen Werkstoffgesetz nach Gl. (2)

1,4

1,2

1,0

0,8
σ/f50%

0,6

0,4
φφ = 20 % ff/f50
/ f50% = 1,30
φ = 50 % ff/f50
/ f50% = 1,00
0,2 f / f50% = 0,70
φ = 80 % f/f50
φ = 95 % f / f50% = 0,55
f/f50
0,0
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6
η

Die Gegenüberstellung mit den Versuchsergebnissen aus Kapitel 2.4 zeigt, dass die Nichtlinearität der
experimentell ermittelten Arbeitslinien durch das vorgeschlagene Werkstoffgesetz in allen
Feuchtebereichen zutreffend abgebildet werden kann. Wie bereits aus Abbildung 16 hervor geht, wird
die Mauerwerksdruckfestigkeit der untersuchten Stein-Mörtel-Kombination im Fall niedriger relativer
Luftfeuchten durch die Näherungsgleichung der Feuchteabhängigkeit leicht überschätzt. Folglich liegt
die Approximation der Spannungs-Dehnungs-Beziehung bei φ = 20 % für diese individuelle Stein-
Mörtel-Kombination ebenfalls geringfügig oberhalb der experimentell ermittelten Arbeitslinien. Da im
Referenzklima von φ = 50 % keine Skalierung der Spannungsachse erforderlich ist, werden die
zugehörigen Versuchsergebnisse durch das vorgeschlagene Materialgesetz adäquat angenähert. Bei
erhöhten relativen Luftfeuchten von φ > 50 % wird die Druckfestigkeit des untersuchten
Lehmmauerwerks von der linearen Annäherung der Feuchteabhängigkeit leicht unterschätzt (vgl.
Abbildung 16), weshalb die approximierten Arbeitslinien für diesen Feuchtebereich einen etwas
flacheren Verlauf als die betrachteten experimentellen Ergebnisse aufweisen.

Da aus der durchgeführten Gegenüberstellung nur geringfügige Diskrepanzen zwischen den


experimentell ermittelten Arbeitslinien und dem vorgeschlagenen Materialmodell hervorgehen, ist das
feuchteabhängige Materialgesetz gemäß Gl. (2), insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass hierdurch
das durchschnittliche Materialverhalten beliebigen unstabilisierten Lehmmauerwerks abgebildet werden
soll, als zutreffend zu bewerten.

Tragfähigkeit druckbeanspruchten Lehmmauerwerks unter Feuchteeinfluss BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 36

3.3 Wirklichkeitsnahe Traglastberechnung unter Berücksichtigung des Feuchteeinflusses

3.3.1 Einführung

Zur Ermittlung der Tragfähigkeit druckbeanspruchten Lehmmauerwerks unter Berücksichtigung des


Feuchteeinflusses wird nachfolgend ein analytischer Berechnungsansatz dargelegt. Dabei ermöglicht die
Methode den Einbezug beliebiger konstanter Feuchteverteilungen innerhalb des Wandquerschnitts. Um
die zu erwartende Rechenzeit der darauf aufbauenden Zuverlässigkeitsanalyse zu minimieren, ist im
vorliegenden Fall ein geschlossen lösbares Verfahren gegenüber einer iterativen numerischen Methode
praktikabler und daher zu bevorzugen.

Das gewählte Vorgehen sieht daher zunächst die Ermittlung der Querschnitts- bzw. Systemtragfähigkeit
mit Hilfe eines wirklichkeitsnahen Traglastmodells für überwiegend druckbeanspruchte
Mauerwerkswände vor. Hierbei erfolgt noch kein Einbezug der tatsächlich vorherrschenden
Materialfeuchte, sondern es wird in Anlehnung an das gängige Referenzkonditionierungsklima für
Lehmbaustoffe eine Materialfeuchte von φ = 50 % unterstellt. Zur anschließenden Berücksichtigung
abweichender Materialfeuchten erfolgt eine Modifizierung des Ausgangswerts der Querschnitts- oder
Systemtragfähigkeit mit Hilfe des in Kapitel 2.5 dargestellten Zusammenhangs zwischen der
Materialfeuchte und den Festigkeits- und Verformungseigenschaften von Lehmmauerwerk. Dieser
Anpassungsfaktor berücksichtigt die feuchtebedingte Skalierung der Spannungsverteilung und
ermöglicht somit den expliziten Einbezug des Feuchteeinflusses auf die Tragfähigkeit einer
Lehmmauerwerkswand.

3.3.2 Ausgangswert der Querschnitts- und Systemtragfähigkeit

Als Basis des Berechnungsverfahrens wird zunächst ein Traglastmodell benötigt, welches die
Querschnitts- und Systemtragfähigkeit druckbeanspruchter Lehmmauerwerkswände unter
Berücksichtigung der zum Referenzkonditionierungsklima gehörenden Materialeigenschaften
zutreffend ermitteln kann. Prinzipiell können hierfür alle wissenschaftlichen oder normativen
Traglastmodelle verwendet werden, welche valide Ergebnisse für druckbeanspruchte Mauerwerkswände
liefern. Im Sinne einer möglichst präzisen Berechnung des Ausgangswerts der Wandtragfähigkeit wird
im Rahmen dieses Forschungsvorhabens das Approximationsverfahren nach Glock [63] herangezogen,
welches es erlaubt, die Materialeigenschaften von Lehmmauerwerk detailliert in die Traglastermittlung
einzubeziehen. Der Ausgangswert der Querschnittstragfähigkeit ΦI lässt sich auf dieser Grundlage mit
Hilfe der bezogenen Lastexzentrizität e/t und des Plastizitätsfaktors V nach Gl. (6) berechnen. Letzterer
berücksichtigt den bezogenen Ursprungsmodul k sowie die bezogene maximale Dehnung ηult der
zugrunde liegenden Materialmodellierung.

 e
 I  V  1  2   (6)
 t 

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 37

Mit:

V  1

exp 6  ult   k  1  1  e
t  1 (7)
k 2
 ult   k  1  1  1
2

k
Weiterhin lässt sich der Ausgangswert der Systemtragfähigkeit ΦII nach Glock [63] unter Einbezug
physikalischer und geometrischer Nichtlinearitäten sowie unter Berücksichtigung des wirklichkeitsnahen
Krümmungsverlaufs folgendermaßen ermitteln:

 II   II,cr  1   2   II,sb (8)

Der Basiswert des Traglastfaktors ФII,cr beschreibt hierbei die bezogene Systemtragfähigkeit eines
vollständig gerissenen Querschnitts unter Vernachlässigung der Biegezugfestigkeit (ft/f = 0) und ohne
Berücksichtigung des Entfestigungsbereichs der Arbeitslinie im Druckbereich (ηult = 1). Die bezogene
Lastexzentrizität eI/t beschreibt dabei die anfängliche Lastexzentrizität nach Theorie I. Ordnung. Die
Berechnung von ФII,cr erfolgt durch Gl. (9):

 I,0
 II,cr  3,1
(9)
 hef k 0,3

  f 
0, 3   t  1
e
1 2  I 
 t 
Die Bezugsquerschnittstragfähigkeit ФI,0 ergibt sich bei Ansatz von ηult = 1 gemäß Gl. (6) und (7) zu:

 
exp  6   k  2   I   1 
e
 eI    t   eI 
 I,0  Vult 1   1  2     1    1  2   (10)
 k  1
2
 t     t 

 
Der erste Anpassungsfaktor χ1 aus Gl. (8) adjustiert die resultierende Systemtragfähigkeit bei kleinen
Lastexzentrizitäten unter Berücksichtigung des Einflusses eines nicht oder nur teilweise gerissenen
Querschnitts.

 hef 
min 1  1  2  t  f  min 1  1
1   tanh   2  (11)
2  1  2  eI  2
 t 

Mit:

3 k  (k  2)
 min 1  1 (12)
4  eI 
k  (k  2)  exp  6  (k  2)  
 t 

Tragfähigkeit druckbeanspruchten Lehmmauerwerks unter Feuchteeinfluss BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 38

Mit Hilfe des zweiten Anpassungsfaktors χ2 aus Gl. (8) lässt sich der Entfestigungsbereich der zugrunde
liegenden Arbeitslinie in die Berechnung einbeziehen. Hierdurch lässt sich die Systemtragfähigkeit im
Bereich des Materialversagens, also im Fall gedrungener Mauerwerkswände, deutlich steigern. Da die
Querschnittstragfähigkeit bei hohen Wandschlankheiten infolge des maßgebenden Stabilitätsversagens
nicht vollständig ausgeschöpft wird, hat die Berücksichtigung des Entfestigungsbereichs in diesem Fall
keinerlei Auswirkungen auf die resultierende Systemtragfähigkeit.

  hef 
2

   f  
 2  (max  2  1)  exp  2   t   1 (13)
  1  2  eI  
  t  
 
Mit:

 e 
exp  6  ( ult  (k  1)  1)  I   1
1  t 
k2
Vult   ( ult  ( k  1)  1) 2  1
k 4
1  max  2    (14)
Vult 1  e  3
exp  6  (k  2)  I   1
 t 
1
( k  1) 2

Die geringe Biegezugfestigkeit von Mauerwerk senkrecht zur Lagerfuge erhöht die resultierende
Querschnittstragfähigkeit nur marginal und kann demzufolge bei kleinen und mittleren
Wandschlankheiten in guter Näherung vernachlässigt werden. Im Fall von Stabilitätsversagen vergrößert
ein Ansatz der Biegezugfestigkeit senkrecht zur Lagerfuge jedoch den ungerissenen Bereich des
Wandquerschnitts, was eine Erhöhung der effektiven Biegesteifigkeit zur Folge hat und somit die
Querverformungen und damit auch die Zusatzbeanspruchungen nach Theorie II. Ordnung verringert.
Um diesen Einfluss zu berücksichtigen, stellt ФII,sb für hohe Wandschlankheiten in Kombination mit
Lastexzentrizitäten von eI/t ≥ 0,20 einen unteren Grenzwert der bezogenen Systemtragfähigkeit dar:

1 ft  k  k  k  1
 II,sb      1     1   
2 f  50  3  50   hef  2
  f
 t  (15)
  2

2 2 
 e e 3 f / f  h  f t / f  hef  
 1  6   1  6   
I I t
   f   6 
ef
   f
 t  t 2 k  t   k  t  
   
Hierbei liegt der Berechnung ein linearer Verlauf der Zugspannungs-Dehnungs-Beziehung mit sprödem
Entfestigungsverhalten zugrunde. Um einen stetigen Übergang zwischen Druck- und Zugbereich der
bezogenen Arbeitslinie zu gewährleisten, wird der Zugelastizitätsmodul innerhalb des Modells
vereinfachend identisch zum Ursprungselastizitätsmodul unter Druckbeanspruchung angenommen.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 39

3.3.3 Berücksichtigung des Feuchteeinflusses auf die Wandtragfähigkeit

Bei der Berechnung der aufnehmbaren Normalkraft einer feuchtebeeinflussten Lehmmauerwerkswand


NR,φ, kann die vorherrschende Materialfeuchte φ mit Hilfe des Zusammenhangs zwischen der
Materialfeuchte und der Druckfestigkeit gemäß Kapitel 2.5 berücksichtigt werden. Die Ermittlung der
aufnehmbaren Normalkraft erfolgt dementsprechend durch Multiplikation des feuchteabhängigen
Anpassungsfaktors f/f50% gemäß Gl. (1) mit dem Ausgangswert der Querschnitts- oder
Systemtragfähigkeit ΦI,II, der Querschnittsfläche A sowie der Druckfestigkeit des Lehmmauerwerks bei
den normativen Referenzkonditionierungsbedingungen f50%:

  [%] 
NR,φ  f I,II  A f50%  1,5   I,II  A f50% (16)
f50%  100 

Der feuchteabhängige Anpassungsfaktor f/f50% modifiziert dabei die bei einer relativen Luftfeuchte von
φ = 50% ermittelte Mauerwerksdruckfestigkeit und ermöglicht somit die explizite Berücksichtigung des
Feuchteeinflusses auf die resultierende Tragfähigkeit des Lehmmauerwerks.

Da die Druckfestigkeit und der Elastizitätsmodul eine annähernd identische Abhängigkeit von der
Materialfeuchte aufweisen, kann das Verhältnis dieser beiden Kennwerte als feuchteunabhängig
betrachtet werden (E/f(φ) ≈ const.). In Verbindung mit der gleichzeitigen Feuchteunabhängigkeit der
Dehnungsachse der Spannungs-Dehnungs-Verteilung (ε(φ) ≈ const.) ergibt sich gemäß Gl. (5) ebenfalls
eine Feuchteunabhängigkeit des bezogenen Ursprungmoduls k. Daraus resultiert, dass die
Nichtlinearität der Arbeitslinie von Lehmmauerwerk nicht von Änderungen der Materialfeuchte
beeinflusst wird. Es lässt sich somit schlussfolgern, dass die Berechnung der Tragfähigkeit gemäß Gl. (7)
bei Annahme einer konstanten Verteilung der Materialfeuchte innerhalb des Wandquerschnitts sowohl
zur Ermittlung der Querschnittstragfähigkeit als auch zur Ermittlung der Systemtragfähigkeit von
Lehmmauerwerkswänden angewendet werden kann.

Zur Veranschaulichung des Feuchteeinflusses ist die bezogene Querschnittstragfähigkeit von


feuchtebeeinflusstem Lehmmauerwerk in Abbildung 19 exemplarisch für unterschiedliche
Materialfeuchten φ in Abhängigkeit der bezogenen Lastexzentrizität e/t dargestellt.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 40

Abbildung 19: Bezogene Querschnittstragfähigkeit von Lehmmauerwerk für verschiedene Materialfeuchten φ in Abhängigkeit
der bezogenen Lastexzentrizität e/t

1,60
k = 2,2
1,40 ηult = 1,3
1,20
ΦI,φ = NR,I,φ/(Α∙f50%)
1,00

0,80

0,60

0,40

0,20

0,00
0,00 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 0,30 0,35 0,40 0,45 0,50
e/t

Bei Betrachtung der Querschnittstragfähigkeit ist ein maßgeblicher Feuchteeinfluss infolge der durch
Änderungen der Materialfeuchte hervorgerufenen linearen Skalierung der Spannungsverteilung
ersichtlich. Die zu beobachtende Steigungsänderung des Verlaufs der Querschnittstragfähigkeit im
Bereich niedriger Lastexzentrizitäten wird dahingegen nicht durch den Feuchteinfluss bedingt, sondern
ergibt sich aus dem Übergang vom ungerissenen hin zu einem gerissenen Wandquerschnitt bei
steigender Lastexzentrizität.

Weiterhin wird in Abbildung 20 der Feuchteeinfluss auf die Systemtragfähigkeit exemplarisch illustriert.
Hierfür wurde die Wandtragfähigkeit für verschiedene Materialfeuchten φ sowie unterschiedliche
bezogene Lastexzentrizitäten eI/t in Abhängigkeit der Wandschlankheit hef/t berechnet und innerhalb
eines Diagramms dargestellt.

Abbildung 20: Bezogene Systemtragfähigkeit von Lehmmauerwerk für verschiedene Materialfeuchten φ sowie unterschiedliche
bezogene Lastexzentrizitäten eI/t in Abhängigkeit der Wandschlankheit hef/t

1,3
1,2 k = 2,2 φ = 25 %
1,1 ηult = 1,3 φ = 50 %
1,0 ft/f = 0 φ = 75 %
ΦII,φ = NR,ΙΙ,φ/(A∙f50%)

0,9 eI/t = 0,00


0,8 eI/t = 0,20
0,7 eI/t = 0,35
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0,0
0 5 10 15 20 25 30
hef/t

Der Traglastvergleich zeigt, dass eine Änderung der Materialfeuchte ebenfalls einen erheblichen Einfluss
auf die resultierende Systemtragfähigkeit von Lehmmauerwerk ausübt. Dabei ist die absolute Änderung

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 41

der Systemtragfähigkeit bei kleinen Lastexzentrizitäten und geringen Wandschlankheiten am


ausgeprägtesten. Bei großen Lastexzentrizitäten und hoher Wandschlankheit ist die Wandtragfähigkeit
dagegen systembedingt bereits so niedrig, dass der absolute Einfluss der Materialfeuchte kaum relevant
ist. Nichtsdestotrotz ist die relative Traglaständerung infolge variierender Materialfeuchten jedoch bei
beliebigen Kombinationen aus Wandschlankheit und Lastexzentrizität identisch und entspricht
ausgehend vom normativen Referenzkonditionierungsklima dem feuchteabhängigen Anpassungsfaktor
f/f50% gemäß Gl. (1).

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4 Hygrothermische Analysen praxisüblicher


Wandaufbauten
4.1 Einführung
Um die auftretende Materialfeuchte innerhalb praxisüblicher Lehmmauerwerkswände sowie deren
zeitliche Streuung zu ermitteln, werden nachfolgend die Ergebnisse instationärer hygrothermischer
Simulationen unter Berücksichtigung verschiedener Randbedingungen dargelegt. Die in diesem Kapitel
gewonnenen Erkenntnisse bilden im weiteren Verlauf des Forschungsvorhabens die Grundlage zur
Kalibrierung von statistischen Verteilungsfunktionen der Materialfeuchte. Hierdurch lässt sich die
Materialfeuchte im Rahmen der durchzuführenden Zuverlässigkeitsanalyse für verschiedene
Anwendungsfälle als eigenständige Zufallsvariable modellieren und die damit einhergehenden
Streuungen der Wandtragfähigkeit bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit explizit berücksichtigen.

Im Zuge der nachfolgenden Ausführungen werden eingangs die zugrunde liegenden allgemeinen
Simulationsrandbedingungen, die verwendeten Materialmodelle sowie die Klimarandbedingungen
dargelegt. Daraufhin wird die Materialfeuchte für repräsentative Anwendungsfälle von Lehmmauerwerk
über den Jahresverlauf ermittelt und analysiert.

Die Simulationsdurchführung orientiert sich hierbei an den Vorgaben des WTA Merkblatt 6-1 [64], des
WTA Merkblatt 6-2 [65] sowie der DIN EN 15026 [66]. Für die instationären hygrothermischen Analysen
wird das Programm DELPHIN (Version 6.1.2) verwendet, welches vom Institut für Bauklimatik der
Technischen Universität Dresden entwickelt wurde und die numerische Simulation gekoppelter Wärme-,
Feuchte- und Stofftransporte in kapillarporösen Baustoffen erlaubt.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die nachfolgenden Analysen grundsätzlich auf üblichen
Feuchtespeicher- und Feuchtetransportmechanismen mineralischer Baustoffe beruhen. Untersuchungen
aus der Literatur deuten darauf hin, dass sich diese Gesetzmäßigkeiten sowie die damit verbundenen
modelltechnischen Vereinfachungen näherungsweise auf unstabilisierte Lehmbaustoffe übertragen
lassen [44].

4.2 Allgemeine Simulationsrandbedingungen


Die nachfolgend dargelegten hygrothermischen Simulationen erfolgten eindimensional unter der
Annahme, dass der Feuchteverlauf über die Wandhöhe und -länge keine Veränderung erfährt. Die
zugrunde gelegten allgemeinen Simulationskonstanten sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Die dort
aufgeführten Wärme- und Wasserdampfübergangskoeffizienten wurden WTA Merkblatt 6-2 [65]
entnommen und berücksichtigen die bauphysikalisch üblichen Übergangsbedingungen zwischen der
untersuchten Wandkonstruktion und der Umgebungsluft. Die Wärmeübergangskoeffizienten umfassen
dabei sowohl Wärmetransporteffekte infolge Konvektion als auch infolge langwelliger
Wärmeabstrahlung. Der zugrunde liegende Adsorptionskoeffizient für Solarstrahlung wurde DIN V
18599-2 [67] entnommen und geht von einer hellen Wandoberfläche aus. Diese Annahme schätzt die
solaren Trocknungseffekte konservativ ab und liegt somit für die folgenden Analysen des Feuchtegehalts

Hygrothermische Analysen praxisüblicher Wandaufbauten BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 43

auf der sicheren Seite. Weiterhin wurde gemäß WTA Merkblatt 6-2 [65] davon ausgegangen, dass etwa
30 % des einwirkenden Schlagregens beim Auftreffen auf die Bauteiloberfläche abtropft und nicht vom
Oberflächenmaterial aufgenommen werden kann.

Tabelle 3: Allgemeine Simulationsrandbedingungen

Parameter Wert

Wärmeübergangskoeffizient Innen 8 W/(K∙m²)


(Konvektion und Strahlung) Außen 17 W/(K∙m²)
Innen 25∙10-9 s/m
Wasserdampfübergangskoeffizient
Außen 75∙10-9 s/m
Adsorptionskoeffizient für Solarstrahlung 0,4
Spritzwasserfaktor für Schlagregen 0,7

Die im Zuge der numerischen Simulation notwendige Diskretisierung des untersuchten Wandaufbaus
wurde dynamisch mit Netzelementbreiten in einem Bereich von bn = 1 mm – 50 mm durchgeführt. Um
die Feuchteänderungen an den Bauteilrändern sowie den einzelnen Schichtgrenzen präzise erfassen zu
können, erfolgte eine Netzverdichtung in den genannten Bereichen. Zur effizienteren Berechnung wurde
der Verdichtungsgrad in Richtung der jeweiligen Schichtmitten sukzessive verringert.

Die Simulationsergebnisse wurden in Zeitschritten von Δt = 6 h ausgegeben. Hierdurch konnte


sichergestellt werden, dass der tageszeitliche Einfluss auf die zu ermittelnde Materialfeuchte hinreichend
genau abgedeckt wird. Nach Abschluss der Berechnung erfolgte die Ausgabe der generierten Ergebnisse
für alle Zeitschritte innerhalb des letzten Simulationsjahres. Hierbei wurde darauf geachtet, dass sich der
Verlauf der Materialfeuchte im Ausgabejahr gegenüber dem Vorjahr nicht verändert hat und somit von
einem eingeschwungenen Feuchtezustand auszugehen ist. Die Materialfeuchte wurde anschließend für
jeden Zeitschritt in Form des Feuchtegehalts als lokaler Mittelwert aller Netzelemente innerhalb der
Lehmmauerwerksschicht ausgegeben. Zur konsistenten Darstellung der Ergebnisse wurde die
Materialfeuchte einheitlich als äquivalente relative Luftfeuchte φ angegeben. Diese Angabe kann mit
Hilfe der materialspezifischen Feuchtespeicherfunktion aus der absoluten Materialfeuchte ermittelt
werden.

Da die Ergebnisauswertung ausschließlich im eingeschwungenen Feuchtezustand erfolgte, waren die


Startbedingungen der Materialfeuchte und der Bauteiltemperatur sowie der Simulationszeitraum für die
Ergebnisse der Untersuchungen irrelevant. Es sei angemerkt, dass es in der Praxis nach der Herstellung
einer Lehmmauerwerkswand durch das Vornässen der Steine und den Auftrag von Mauer- und
Putzmörtel zu kurzfristig erhöhten Materialfeuchten kommen kann. Tastsimulationen haben jedoch
gezeigt, dass der eingeschwungene Feuchtezustand von Lehmbaustoffen zügig erreicht wird, sodass
eine kurzzeitig erhöhte Anfangsfeuchte im Hinblick auf die gesamte Lebensdauer eines Lehmgebäudes
nicht ausschlaggebend ist und somit näherungsweise vernachlässigt werden kann.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 44

4.3 Materialmodellierung
Vorbereitend zur Erstellung eines geeigneten Materialmodells wurden maßgebende bauphysikalische
Eingangsparameter zur numerischen Modellbildung von Lehmmauerwerk definiert. Da der Fokus der
durchzuführenden hygrothermischen Analysen auf der Ermittlung praxisrelevanter Materialfeuchten
sowie deren statistischen Streuungen liegt, sind insbesondere die Feuchtetransport- und
Feuchtespeichereigenschaften der untersuchten Lehmbaustoffe von Relevanz. Hierzu gehören
insbesondere die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl μ, der Wasseraufnahmekoeffizient Ww und die
Feuchtespeicherfunktion u(φ). Um auch das Wärmetransport- und Wärmespeicherverhalten im Rahmen
der Simulation zutreffend abbilden zu können, sind darüber hinaus Parameter wie die
Wärmeleitfähigkeit λ0, die spezifische Wärmekapazität c sowie die Porosität n bzw. die Rohdichte ρ
entscheidend.

Die zur Materialmodellierung erforderlichen Kennwerte wurden in Zusammenarbeit mit dem Institut für
Bauklimatik der Technischen Universität Dresden für die im Rahmen dieses Forschungsprojekts
untersuchten und in Kapitel 2 beschriebenen Lehmbaustoffe (Lehmstein I, Lehmstein II und
Lehmmauermörtel) ermittelt und zur numerischen Modellierung in zugehörige Materialdateien
überführt. Die experimentelle Ermittlung der erforderlichen Kennwerte sowie die Kalibrierung und
Validierung der entsprechenden Materialmodelle mittels Wasseraufnahme- und
Verdunstungsversuchen wurden im Rahmen eines Gutachtens dokumentiert (siehe Anlage 2 - Gutachten
zu den hygrothermischen Materialeigenschaften der untersuchten Lehmbaustoffe des Instituts für
Bauklimatik der TU Dresden). In Tabelle 4 sind die ermittelten hygrothermischen Materialparameter der
untersuchten Lehmbaustoffe zusammengefasst.

Tabelle 4: Hygrothermische Materialparameter der untersuchten Lehmbaustoffe

Hygrothermische Materialparameter
Lehmstein I Lehmstein II Lehmmörtel
Bezeichnung Symbol Einheit
Porosität n m³/m³ 0,36 0,32 0,31
Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl μ - 14,2 14,9 16,5
Wasseraufnahmekoeffizient Ww kg/(m²∙h0,5) 12,2 4,3 4,8
Rohdichte ρ g/cm³ 1,70 1,80 1,83
Spezifische Wärmespeicherkapazität c J/(kg∙K) 834 869 801
Wärmeleitfähigkeit (trocken) λ0 W/(m∙K) 0,88 0,86 1,26

Weiterhin sind in Abbildung 21 die experimentell ermittelten Feuchtespeicherfunktionen der


untersuchten Lehmbaustoffe dargestellt. Um einordnen zu können, welche der drei Materialien das
allgemeine Feuchtespeicherverhalten unstabilisierter Lehmbaustoffe im Mittel am zutreffendsten
abbilden können, wurden die Feuchtespeicherfunktionen der untersuchten Lehmbaustoffe zudem mit
einer umfangreichen Literaturdatenbank gegenübergestellt. Bestandteil dieser Literaturdatenbank sind
Feuchtespeicherfunktionen von insgesamt 42 verschiedenen unstabilisierten Lehmsteinen (vgl. [19, 25,
29, 31, 35–44, 68]). Sofern in einer Literaturquelle sowohl Ad- als auch Desorptionsisotherme verfügbar
waren, wurden diese im Rahmen der Auswertung gemittelt und zu einer Kurve zusammengefasst.

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Innerhalb des Diagramms wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit auf eine Unterscheidung der
einzelnen Literaturquellen verzichtet.

Abbildung 21: Gegenüberstellung der experimentell ermittelten Feuchtespeicherfunktionen von Lehmstein I, Lehmstein II und
Lehmmörtel mit Feuchtespeicherfunktionen unstabilisierter Lehmbaustoffe aus der Literatur

12 %
Lehmstein I
Lehmstein II
10 % Lehmmörtel
Materialfeuchte u [kg/kg]

Literaturdatenbank
8%

6%

4%

2%

0%
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Relative Luftfeuchte φ

Es ist zu erkennen, dass sich die Messwerte von Lehmstein I und Lehmstein II durchgehend innerhalb
des gestrichelt dargestellten üblichen Wertekorridors für unstabilisierte Lehmbaustoffe befinden. Die
Feuchtespeicherfunktion des Lehmmauermörtels verläuft dagegen deutlich flacher als die der
Lehmsteine und liegt daher im Bereich hoher relativer Luftfeuchten nicht mehr innerhalb des üblichen
Wertekorridors der Literaturdatenbank.

Da Lehmstein I das mittlere Feuchtespeicherverhalten unstabilisierter Lehmbaustoffe basierend auf der


durchgeführten Gegenüberstellung am zutreffendsten abbildet, ist es naheliegend das Materialmodell
von Lehmstein I für die nachfolgenden hygrothermischen Simulationen zu verwenden. Um diese
Annahme zusätzlich abzusichern, wurden die wesentlichen hygrothermischen Materialkennwerte von
Lehmstein I in Tabelle 5 mit dem üblichen Wertebereich für unstabilisierte Lehmbaustoffe aus der
Literatur verglichen.

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Tabelle 5: Vergleich der experimentell ermittelten hygrothermischen Materialeigenschaften von Lehmstein I mit Literaturdaten

Hygrothermische Materialparameter Literaturdaten


Lehmstein I
Bezeichnung Einheit Min. MW Max. Quelle
Porosität m³/m³ 0,25 - 0,45 [5, 25, 38, 44, 46] 0,36
Wasserdampfdiffusions- [5, 25, 31, 35, 36,
- 3,0 8,9 16,4 14,2
widerstandszahl 38, 39, 41, 47, 48]
Wasseraufnahmekoeffizient kg/(m²∙h0,5) 1,2 - 13,4 [5, 35, 45, 46, 69] 12,2
[29, 31, 35, 38, 39,
Rohdichte g/cm³ 1,63 1,92 2,10 1,70
41–44, 46, 69]
Spezifische
J/(kg∙K) 542 828 990 [5, 25, 29, 39, 47] 834
Wärmespeicherkapazität
Wärmeleitfähigkeit (trocken) W/(m∙K) - 0,82 - [47, 48] 0,88

Durch die tabellarische Gegenüberstellung lässt sich bestätigen, dass sich die experimentell ermittelten,
hygrothermischen Materialparameter von Lehmstein I innerhalb der üblichen Wertebereiche für
unstabilisierte Lehmbaustoffe bewegen. Der Wasseraufnahmekoeffizient von Lehmstein I liegt zwar im
oberen Bereich der Literaturwerte, auf Grund der großen Streubreite dieses Materialparameters in
Verbindung mit der zugehörigen komplizierten experimentellen Versuchsdurchführung kann der
Messwert von Lehmstein I für die nachfolgenden Simulationen dennoch als geeigneter Eingangswert
angesehen werden. Weiterhin sei angemerkt, dass ein größerer Wasseraufnahmekoeffizient zu einer
schnelleren Durchfeuchtung des Lehmmauerwerks bei Kontakt mit Flüssigwasser führt, weshalb die
Annahme eines Wertes im oberen Wertebereich hinsichtlich des Befeuchtungsverhaltens auf der
sicheren Seite liegt.

Basierend auf den durchgeführten Untersuchungen kann festgehalten werden, dass das generierte
Materialmodell von Lehmstein I für die Verwendung in den nachfolgenden Simulationen geeignet ist
und das mittlere Materialverhalten unstabilisierter Lehmbaustoffe zutreffend abbildet. Die zur
Durchführung der hygrothermischen Simulationen zusätzlich verwendeten Materialmodelle für Putze
und Dämmstoffe wurden der programminternen Materialbibliothek von DELPHIN entnommen.

4.4 Klimarandbedingungen
Für die Beurteilung der Bauteilfeuchte von Außenwänden sollte die Schlagregenbeanspruchung im
Rahmen der hygrothermischen Simulationen zutreffend abgebildet werden. Die einwirkende
Schlagregenmenge wird dabei wesentlich von Faktoren wie der Normalregenmenge, der
Windgeschwindigkeit und -richtung sowie der Wandausrichtung beeinflusst. Um diese
Einflussparameter adäquat berücksichtigen zu können, wurden innerhalb der instationären Analysen
hygrothermische Referenzjahre (HRY) [70] verwendet, welche speziell für feuchtetechnische Beurteilung
von Bauteilen mittels numerischer Simulationen entwickelt wurden. Sie setzen sich aus stündlichen
Klimadaten zusammen und unterteilen Deutschland in 11 verschiedene Klimazonen. Jedes
hygrothermische Referenzjahr besteht dabei aus 12 repräsentativen mittleren Monaten, welche aus
Klimaaufzeichnungen der Jahre 2003 bis 2010 abgeleitet wurden. Die jährliche Schlagregenmenge RS

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 47

kann dabei gemäß DIN EN ISO 15927-3 [71] aus den Klimadaten der hygrothermischen Referenzjahre
berechnet werden und bezieht sich auf einen Quadratmeter Wandfläche einer senkrechten Wand in
einer Referenzhöhe von 10 m über der Geländeoberkante. Auf eine Lageanpassung der
hygrothermischen Referenzjahre mit Hilfe des Lokalklimagenerators wurde im Rahmen der
Simulationsdurchführung verzichtet.

Im Zuge der nachfolgend dargestellten Untersuchungen wurde bei der Betrachtung von Außenbauteilen
mit außenliegender Wärmedämmung das hygrothermische Referenzjahr des Standorts Stötten
angesetzt. Dieser Klimadatensatz liegt gemäß DIN 4108-3 [72] innerhalb der
Schlagregenbeanspruchungsgruppe III und stellt somit im Fall einer westwärts ausgerichteten
Außenwand eine für Deutschland hohe Schlagregenbeanspruchung mit einer jährlichen
Schlagregenmenge von RS = 1060 mm/a dar. Um im Fall einer Außenwand mit kapillaraktiver
Außendämmung den Einfluss unterschiedlicher Schlagregenbeanspruchungen auf die resultierende
Materialfeuchte abbilden zu können, wurde dieser Wandaufbau zusätzlich zu einer hohen
Schlagregenbeanspruchung auch für eine geringe Schlagregenbeanspruchung am Standort Kassel mit
einer jährlichen Schlagregenmenge von RS = 190 mm/a untersucht.

Weil tragende Lehmmauerwerkswände mit innenliegender Wärmedämmung gemäß DIN 18945 [54]
standardmäßig nur mit Lehmsteinen der Anwendungsklasse Ia oder Ib in der
Schlagregenbeanspruchungsgruppe I ausgeführt werden dürfen, erfolgte die hygrothermische Analyse
dieses Wandaufbaus unter Ansatz des Klimadatensatzes des Standorts Potsdam (RS = 391,5 mm/a).

Da das Innenraumklima stark vom jeweiligen Nutzerverhalten sowie der vorhandenen


Gebäudeausstattung und -einrichtung abhängt, wurden für dessen Modellierung keine tatsächlichen
Messwerte verwendet. Stattdessen erfolgte die Modellierung des Innenraumklimas gemäß WTA
Merkblatt 6-2 [65] näherungsweise in Abhängigkeit der Außenlufttemperatur. Verschiedene
Nutzungszwecke können dabei durch unterschiedliche Feuchtelasten berücksichtigt werden. Im Rahmen
dieses Forschungsvorhabens wurde stets der Regelfall einer normalen Feuchtelast zugrunde gelegt,
welcher die Nutzung als Wohnraum (inklusive Küche und Bad) abdeckt. Da die Innenraumfeuchte
innerhalb des gewählten Modellierungsansatzes mit zunehmender Außenlufttemperatur ansteigt, wurde
für die Analyse der Innenwände der Standort Mannheim angesetzt. Dieser weist die höchste
Jahresdurchschnittstemperatur aller hygrothermischen Referenzjahre auf und führt somit zur
maßgebenden Feuchteexposition der untersuchten Innenwand.

4.5 Untersuchte Anwendungsfälle


Für die Ermittlung der über den Jahresverlauf zu erwartenden Materialfeuchte innerhalb einer
Lehmmauerwerkswand wurden zunächst praxisrelevante Anwendungsfälle definiert. Hierbei wurden
Anwendungsfälle, welche unterschiedliche Materialfeuchten erwarten lassen, getrennt voneinander
simuliert, um diese im Rahmen der anschließenden Zuverlässigkeitsanalyse individuell berücksichtigen
zu können.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 48

Eingangs wurde zwischen Innen- und Außenwänden unterschieden. Dabei erfolgten im Fall einer
Außenwand sowohl Untersuchungen für eine außenliegende als auch für eine innenliegende
Wärmedämmung. Außenwände mit außenliegender Wärmedämmung wurden zudem nochmals
hinsichtlich der Feuchteschutzwirkung des verwendeten Wärmedämmverbundsystems (WDVS)
unterschieden. Hierbei erfolgten einerseits Analysen für kapillaraktive Wärmedämmverbundsysteme,
welche eine ausgeprägtere Flüssigwasserleitfähigkeit aufweisen (z. B. bei Verwendung einer Holzfaser-
oder Mineralschaumdämmung in Verbindung mit einem Kalkzementputz). Andererseits wurden
Außenwände mit kapillarinaktiven Wärmedämmverbundsystemen untersucht, welche den
Flüssigwassertransport zum tragenden Lehmmauerwerk auf Grund des Einsatzes von
wasserundurchlässigen Wärmedämmmaterialien (z. B. Polystyrol) oder wasserabweisenden
Außenputzen gemäß DIN 4108-3 [72] nahezu vollständig vermeiden. Für den Fall eines außenliegenden
kapillaraktiven Wärmedämmverbundsystems wurden im Rahmen der Simulationen sowohl eine hohe
als auch eine niedrige Schlagregenbeanspruchung untersucht.

Um den raumklimatischen Vorteil der Feuchtepufferung des Lehmmauerwerks ausnutzen zu können,


wurde bei der Modellierung einer Außenwand ein Lehminnenputz vorgesehen. Im Fall einer Innenwand
wurde dieser Lehmputz auf beiden Seiten der modellierten Lehmmauerwerkswand angesetzt. Die
Modellierung des tragenden Lehmmauerwerks erfolgte durch das in Kapitel 4.3 erläuterte
Materialmodell von Lehmstein I. Um die aktuellen Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG)
hinsichtlich des maximal zulässigen Wärmedurchgangs opaker Außenbauteile beheizter Gebäude
einhalten zu können, wurde bei allen untersuchten Aufbauten einer Außenwand ein
Wärmedämmverbundsystem vorgesehen. Für die Modellierung einer Innendämmung oder einer
kapillaraktiven Außendämmung wurde dabei eine Holzfaserdämmplatte verwendet, wohingegen ein
außenliegendes kapillarinaktives Wärmedämmverbundsystem mit Polystyrol modelliert wurde. Der
letztgenannte Fall kann als näherungsweise äquivalent zur Verwendung eines wasserabweisenden
Außenputzes gemäß DIN 4108-3 [72] in Kombination mit einem beliebigen außenliegenden
Dämmmaterial betrachtet werden [73]. Die äußerste Schicht einer Außenwand wurde durch einen
Kalkzementputz dargestellt. Dabei wurde der Unter- und Oberputz vereinfachend als homogene Schicht
abgebildet. Die Wahl der Dicken des Außen- und Innenputzes erfolgten für die Modellbildung auf
Grundlage der durchschnittlichen Normalputzdicke gemäß DIN EN 13914-1 [74] bzw. DIN EN 13914-2
[75].

In Abbildung 22 sind die untersuchten Anwendungsfälle sowie die zugehörigen Wandaufbauten in Form
eines Flussdiagramms sowie einer ergänzenden tabellarischen Beschreibung nochmals dargestellt.
Zudem ist der Wandaufbau des Anwendungsfalls 1 in Abbildung 23 exemplarisch skizziert.

Hygrothermische Analysen praxisüblicher Wandaufbauten BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 49

Abbildung 22: Nummerierung und Aufbau der untersuchten Anwendungsfälle von Lehmmauerwerkswänden

Lehmmauerwerkswand

Außenwand Innenwand
5

Innendämmung Außendämmung
4

Kapillaraktives WDVS Kapillarinaktives WDVS


3

Niedrige Hohe
Schlagregenbeanspruchung Schlagregenbeanspruchung

1 2

Abbildung 23: Graphische Darstellung des Wandaufbaus für Anwendungsfall 1

1 Lehmputz d = 0,01 m

2 Lehmstein I t = 0,24 m

3 Holzfaserdämmplatte d = 0,15 m

4 Kalkzementputz d = 0,02 m

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 50

4.6 Simulationsergebnisse
Für die in Kapitel 4.5 definierten Anwendungsfälle wurde die Materialfeuchte innerhalb des
Lehmmauerwerks mit Hilfe instationärer hygrothermischer Simulationen ermittelt und in Abbildung 24
gegenübergestellt. Dabei ist zu beachten, dass sich die dargestellte Materialfeuchte nicht auf den
gesamten Wandaufbau sondern ausschließlich auf die tragende Lehmmauerwerksschicht bezieht.

Abbildung 24: Materialfeuchte des Lehmmauerwerks über den Jahresverlauf für verschiedene Anwendungsfälle

100 %
90 %
80 %
70 %
Relative Luftfeuchte φ

60 %
50 %
40 %
30 % 1 - Kapillaraktives WDVS mit niedriger Schlagregenbeanspruchung
2 - Kapillaraktives WDVS mit hoher Schlagregenbeanspruchung
20 % 3 - Kapillarinaktives WDVS
10 % 4 - Innendämmung
5 - Innenwand
0%
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Monat

Die Gegenüberstellung der Feuchteverläufe zeigt, dass im Fall einer Außenwand mit außenliegendem,
kapillaraktivem Wärmedämmverbundsystem oder einer Außenwand mit Innendämmung die höchsten
Materialfeuchten erreicht werden. Die dort auftretenden erhöhten Feuchtegehalte sind durch
wiederkehrende Schlagregenereignisse ohne ausreichende Trocknungsperioden in Verbindung mit der
vergleichsweise geringen Regenschutzwirkung der äußeren Bauteilschichten zu erklären. Im Fall der
innenliegenden Wärmedämmung findet in den Sommermonaten jedoch eine Trocknung des
Lehmmauerwerks statt, wodurch sich die resultierende Materialfeuchte verringert. Der untersuchte
Wandaufbau mit außenliegender kapillaraktiver Wärmedämmung (Anwendungsfall 2) erfährt durch die
angesetzte hohe Schlagregenbeanspruchung keine signifikante Trocknung, weshalb die Materialfeuchte
über den Jahresverlauf nahezu konstant verläuft.

Weiterhin lässt sich feststellen, dass die vorherrschende Schlagregenintensität im Fall eines
außenliegenden kapillaraktiven Wärmedämmverbundsystems einen signifikanten Einfluss auf die zu
erwartende Materialfeuchte hat. Im betrachteten Anwendungsfall wird bei niedriger
Schlagregenbeanspruchung eine maximale Materialfeuchte von φ = 65 % erreicht, wohingegen bei
hoher Schlagregenbeanspruchung bereits ein Maximalwert im oberen hygroskopischen Feuchtebereich
von φ = 90 % zu verzeichnen ist. Das Auftreten von überhygroskopischen Materialfeuchten (φ ≥ 95 %)
ist jedoch nicht zu erwarten, da hierfür überproportional viel Feuchtigkeit in das Lehmmauerwerk
eingetragen werden müsste und dies eine erhebliche Durchfeuchtung des außenliegenden
Wärmedämmverbundsystems zur Folge hätte. Dieser Fall ist daher bereits aus bauphysikalischer Sicht
durch geeignete Feuchteschutzmaßnahmen auszuschließen.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 51

Da der Schlagregenschutz bei einer Lehmmauerwerkswand mit Innendämmung allein durch den
mineralischen Außenputz sichergestellt wird und die Möglichkeit zur Feuchteabgabe in den Innenraum
durch die Innendämmung zusätzlich eingeschränkt ist, sind bei diesem Wandaufbau größere maximale
Feuchtegehalte als bei einer kapillaraktiven Außendämmung zu verzeichnen. Bereits bei der angesetzten
geringen Schlagregenbeanspruchung werden in den Wintermonaten überhygroskopische
Materialfeuchten von bis zu φ = 97 % innerhalb des Lehmmauerwerks ermittelt. In der sommerlichen
Trocknungsperiode reduziert sich der Feuchtegehalt auf ein Feuchteniveau von ungefähr φ = 80 %. Die
Ergebnisse bestätigen, dass eine Lehmmauerwerkswand mit Innendämmung bei mittlerer oder hoher
Schlagregenbeanspruchung auf Grund der dabei zu erwartenden dauerhaft erhöhten Materialfeuchten
nicht empfehlenswert ist.

Bei einer Außenwand mit kapillarinaktivem Wärmedämmverbundsystem sowie im Fall einer Innenwand
treten durch die geringe Feuchteeinwirkung nur geringere Materialfeuchten zwischen φ = 40 % - 60 %
auf. Zudem verläuft die Materialfeuchte über den Jahresverlauf qualitativ konträr zu den bisher
beschriebenen Anwendungsfällen. Da sowohl die Innenwand als auch die Außenwand mit
kapillarinaktivem Wärmedämmverbundsystem nahezu unbeeinflusst von den äußeren
Klimabedingungen sind, ist die Materialfeuchte in diesen Anwendungsfällen maßgeblich vom
vorherrschenden Innenraumklima abhängig. Da die relative Innenraumluftfeuchte gemäß der
Klimamodelle des WTA Merkblatt 6-2 [65] mit zunehmender Außentemperatur ansteigt, treten daher in
den Wintermonaten die niedrigsten und in den Sommermonaten die höchsten Feuchtegehalte innerhalb
des Lehmmauerwerks auf. Die Maximalwerte liegen dabei sowohl bei der Außenwand mit
kapillarinaktivem Wärmedämmverbundsystem als auch im Fall der Innenwand bei knapp 60 %.

Des Weiteren ist festzuhalten, dass die ermittelten Materialfeuchten in Abhängigkeit des betrachteten
Anwendungsfalls über den Jahresverlauf unterschiedlich stark schwanken. Diese zeitliche Streuung der
Materialfeuchte ist im Zuge der Zuverlässigkeitsanalyse in Form einer individuellen Basisvariable zu
berücksichtigen. Detaillierte Erläuterungen zur wahrscheinlichkeitstheoretischen Modellierung der
Materialfeuchte können Kapitel 5.2 entnommen werden.

Hygrothermische Analysen praxisüblicher Wandaufbauten BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 52

5 Zuverlässigkeitsanalyse
5.1 Vorgehensweise
Innerhalb dieses Kapitels wird die Analyse der Zuverlässigkeit druckbeanspruchter
Lehmmauerwerkswände für unterschiedliche Parameterkombinationen dargestellt. Hierzu wurde die
Versagenswahrscheinlichkeit von Lehmmauerwerkswänden sowie deren Zuverlässigkeitsindex mittels
Monte-Carlo-Simulationen ermittelt. Die Simulationsparameter wurden hierzu in variable,
deterministische und streuende Einflussgrößen unterschieden (vgl. Tabelle 6). Das Vorgehen sah dabei
zunächst die Wahl der variablen Simulationsparameter vor. Hierbei wurden die lichte Deckenspannweite
lf, die Wandschlankheit hef/t sowie der vorliegende Anwendungsfall und somit die zu erwartende
Materialfeuchte der Lehmmauerwerkswand in praxisrelevanten Bereichen variiert. Für die gewählten
variablen Simulationsparameter wurde anschließend der Bemessungswert der aufnehmbaren
Normalkraft NRd auf Basis des semiprobabilistischen Nachweisverfahrens für tragende
Lehmmauerwerkswände gemäß DIN 18940 [13] berechnet. Unter der Annahme einer vollständig
ausgenutzten Wand (NEd = NRd) konnten für die festgelegte Parameterkombination die Mittelwerte der
zugehörigen ständig einwirkenden Normalkraft μNG sowie der veränderlichen einwirkenden Normalkraft
μNQ ermittelt werden. Hierzu wurde das Verhältnis aus dem charakteristischen Wert der ständigen und
veränderlichen Normalkraft auf NGk/NQk = 2 festgelegt [81]. Anschließend wurden die Zufallszahlen der
streuenden Basisvariablen entsprechend ihrer Verteilungsfunktionen erzeugt. Die
wahrscheinlichkeitstheoretische Modellierung der zugrunde liegenden Basisvariablen ist in Kapitel 5.2
detailliert erläutert. Unter Ansatz der erzeugten Zufallszahlen konnte die Wandtragfähigkeit NR mit Hilfe
des wirklichkeitsnahen Berechnungsverfahrens gemäß Kapitel 3.3 ermittelt werden. Im Anschluss wurde
unter Einbezug der jeweiligen Modellunsicherheiten θ überprüft, ob das System für die erzeugten
Zufallszahlen tragfähig ist. Ist das System nicht tragfähig, wurde die Anzahl der Versagensfälle nfail um
einen Zähler erhöht. Daraufhin wurden neue Zufallszahlen der Basisvariablen erzeugt und die
Versagensanalyse für die eingangs festgelegte Kombination der variablen Simulationsparameter
wiederholt. Um eine hinreichende Genauigkeit der Versagenswahrscheinlichkeit zu erhalten, wurde der
Simulationsumfang auf n = 2 ∙ 107 festgelegt. Nach Durchführung von n = 2 ∙ 107 Versagensanalysen
konnte die Versagenswahrscheinlichkeit Pf gemäß Gl. (17) aus der Anzahl der Versagensfälle nfail sowie
dem Simulationsumfang n ermittelt werden.

nfail
Pf  (17)
n
Gemäß DIN EN 1990 [76] wird die Zuverlässigkeit eines Bauteils mit Hilfe des Zuverlässigkeitsindexes β
beurteilt. Dieser berechnet sich folgendermaßen:

  Φ1(1 Pf ) (18)

Der normative Zielzuverlässigkeitsindex beträgt für einen Bezugszeitraum von 50 Jahren sowie die
Annahme einer mittleren Zuverlässigkeits- bzw. Schadensfolgeklasse β = 3,8.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 53

Nach Ermittlung des Zuverlässigkeitsindexes für die anfänglich gewählte Parameterkombination wurden
neue Simulationsparameter gewählt und die Monte-Carlo-Simulation erneut durchgeführt.

Das gesamte Ablaufschema der Zuverlässigkeitsanalyse ist in Abbildung 25 anhand eines


Flussdiagramms dargestellt.

Abbildung 25: Ablaufschema der Zuverlässigkeitsanalyse

Wahl der variablen Simulationsparameter

Berechnung des Bemessungswerts der maximal aufnehmbaren


Normalkraft NRd

Bestimmung der Mittelwerte der einwirkenden Normalkräfte


μNG und μNQ bei vollständiger Bauteilausnutzung (NEd = NRd)

Erzeugung von Zufallszahlen der streuenden Basisvariablen


Wahl neuer Simulationsparameter

Ermittlung der Wandtragfähigkeit NR unter Ansatz der


Zufallszahlen mittels wirklichkeitsnahem Traglastmodell

Simulationsanzahl n = 20.000.000
Berücksichtigung der Modellunsicherheiten θ auf der
Einwirkungs- und Widerstandsseite

Prüfen, ob das System versagt:


NE,θ ≥ NR,θ?

Ja Nein

Versagensfälle nfail += 1 Versagensfälle nfail += 0

Wiederholung der Versagensanalyse nach Erzeugung neuer


Zufallszahlen

Simulationsanzahl n erreicht

Berechnung der Versagenswahrscheinlichkeit Pf = nfail / n


und des zugehörigen Zuverlässigkeitsindexes β = Φ-1(1-Pf)

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 54

5.2 Simulationsparameter
Bei der Festlegung der Simulationsparameter wurde zwischen deterministischen, variablen und
streuenden Eingangsgrößen unterschieden. Die deterministisch festgelegten Simulationsparameter sind
bei jeder Durchführung der Monte-Carlo-Simulationen unverändert und ohne Berücksichtigung
möglicher Streuungen in die Berechnungen eingeflossen. Bei den variablen Simulationsparametern
handelte es sich um Eingangsgrößen, welche im Zuge einer Sensitivitätsstudie in einem praxisrelevanten
Wertebereich variiert wurden, um den Einfluss wesentlicher Bemessungsparameter wie beispielsweise
der Wandschlankheit, der Deckenspannweite oder des vorliegenden Anwendungsfalls und der damit
zusammenhängenden Materialfeuchte zu analysieren. Simulationsparameter, welche durch ihre
Streuungen wesentlichen Einfluss auf die Zuverlässigkeit von Lehmmauerwerkswänden ausüben, wurden
mit Hilfe von geeigneten Verteilungsfunktionen modelliert und innerhalb der Monte-Carlo-Simulation
als streuende Basisvariablen berücksichtigt. Weitere Informationen zur Modellierung der streuenden
Simulationsparameter können Kapitel 5.3 entnommen werden.

Die bezogene Lastexzentrizität e/t wurde im Rahmen der Zuverlässigkeitsanalyse bei der
wirklichkeitsnahen Berechnung der Tragfähigkeit als deterministische Eingangsgröße angesetzt. Da die
durchgeführten Versagensanalysen auf den Bemessungsregeln für tragendes Lehmsteinmauerwerk
gemäß DIN 18940 [13] basieren, wurde die zugrunde liegende bezogene Lastexzentrizität
näherungsweise aus den normativen Traglastfaktoren errechnet. Unter der Annahme starr-plastischen
Materialverhaltens ergab sich die bezogene Lastexzentrizität zur Ermittlung der wirklichkeitsnahen
Wandtragfähigkeit daher gemäß Gl. (19):

e  1DIN 18940 (19)


t 2
Die anfängliche bezogene Lastexzentrizität nach Theorie I. Ordnung in Wandhöhenmitte ergab sich
gemäß DIN 18940 [13] in Verbindung mit Gl. (19) konstant zu em/t = 0,075. Die bezogene
Lastexzentrizität am Wandfuß bzw. -kopf ist von der charakteristischen Mauerwerksdruckfestigkeit, dem
Umgebungsfeuchtefaktor sowie der lichten Deckenspannweite abhängig und lag in einem Wertebereich
von 0,05 ≤ e/t ≤ 0,30.

In Tabelle 6 sind alle deterministischen, variablen und streuenden Simulationsparameter inklusive ihrer
zugewiesenen Werte zusammenfassend dargestellt. Bei streuenden Eingangsgrößen sind neben dem
Mittelwert zudem die gewählte Verteilungsfunktion sowie der zugrunde liegende Variationskoeffizient
ν der einzelnen Simulationsparameter angegeben. Detaillierte Informationen zu den
Modellierungsansätzen der streuenden Materialparameter können Kapitel 5.3 entnommen werden.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 55

Tabelle 6: Zusammenfassung der Simulationsparameter

Variable Simulationsparameter
Bezeichnung Symbol Einheit Wertebereich
Lichte Deckenspannweite lf m 2-6
Wandschlankheit hef/t - 5 - 15
Anwendungsfall - - 1 – 5 (s. Abbildung 22)
Deterministische Simulationsparameter
Bezeichnung Symbol Einheit Wert
Querschnittsfläche A m² 1,00
Bezogener Ursprungselastizitätsmodul k - 2,20
Bezogene maximale Dehnung ηult - 1,30
Biegezugfestigkeit ft N/mm² 0,00
Dauerstandsfaktor ζ - 0,85
Verhältnis des charakteristischen Werts der ständig
NGk/NQk - 2,00
und veränderlich einwirkenden Normalkraft
Materialseitiger Teilsicherheitsbeiwert γM - 1,50
Teilsicherheitsbeiwert für ständige Einwirkungen γG - 1,35
Teilsicherheitsbeiwert für veränderliche Einwirkungen γQ - 1,50
Bezogene Exzentrizität in Wandhöhenmitte em/t - 0,075
Streuende Simulationsparameter
Bezeichnung Symbol Einheit Verteilung Mittelwert ν
Charakteristische Mauerwerksdruckfestigkeit fk N/mm² LN 1,9 17,0 %
Elastizitätsmodul E N/mm² LN KE · f k 25,0 %
Verhältnis aus Elastizitätsmodul zu charakteristischer
KE - LN 440 18,1 %
Mauerwerksdruckfestigkeit
Ständig einwirkende Normalkraft NG N/mm² N var. 10,0 %
Veränderlich einwirkende Normalkraft NQ N/mm² GUM var. 25,0 %
Anwendungsfall 1 φ1 % GUM 61,1 7,4 %
Anwendungsfall 2 φ2 % GUM 88,9 1,2 %
Materialfeuchte
Anwendungsfall 3 φ3 % GUM 50,2 10,8 %
(Bezugszeitraum 1 Monat)
Anwendungsfall 4 φ4 % GUM 89,7 7,4 %
Anwendungsfall 5 φ5 % GUM 53,1 10,1 %
Modellunsicherheit der Einwirkungsseite θE - LN 1,0 5,0 %
Modellunsicherheit der Widerstandsseite θR - LN 1,0 14,0 %
Modellunsicherheit der Materialfeuchte θφ - LN 1,0 5,0 %
LN = Lognormalverteilung; N = Normalverteilung, GUM = Gumbelverteilung

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5.3 Modellierung der streuenden Simulationsparameter

5.3.1 Mechanische Materialparameter

Im Zuge der Materialmodellierung und der darauf aufbauenden wirklichkeitsnahen Berechnung der
Tragfähigkeit von Lehmmauerwerkswänden wurden sowohl die Mauerwerksdruckfestigkeit als auch der
Elastizitätsmodul als streuende Parameter angesetzt. Bei der Modellierung der
Mauerwerksdruckfestigkeit wurde mit fk = 1,9 N/mm² der kleinstmögliche charakteristische Wert gemäß
DIN 18940 [13] gewählt. Diese Mauerwerksdruckfestigkeit gehört zu einer Stein-Mörtel-Kombination
mit der Steindruckfestigkeitsklasse 2 sowie der Mörtelklasse M 2,5. Der charakteristische Wert entspricht
dabei dem 5%-Fraktilwert der statistischen Verteilungsfunktion. Der zugehörige Mittelwert μf lässt sich
dementsprechend mit Gl. (20) ermitteln.

fk
f  (20)
1+Φ (0,05) f
1

Der Variationskoeffizient der Mauerwerksdruckfestigkeit wurde basierend auf den Empfehlungen für
Ziegelmauerwerk des JCSS Probabilistic Model Code – Part 3: Resistance models – Masonry properties
[77] mit νf = 17 % festgelegt. Zudem wurde die Modellierung auf Basis desselben Regelwerks mit Hilfe
einer Lognormalverteilung durchgeführt.

Für die statistische Modellierung des Elastizitätsmoduls wurde sich ebenfalls an der Empfehlung des
JCSS Model Code [77] orientiert, welche den Ansatz einer Lognormalverteilung sowie einen
Variationskoeffizienten von νE = 25 % vorsieht. Darüber hinaus wurde im Zuge der Modellierung die
Korrelation zwischen dem Elastizitätsmodul und der Mauerwerksdruckfestigkeit einbezogen. In
Anlehnung an DIN EN 1996-1-1/NA [56] wurde diese Korrelation durch die Berechnung des
Elastizitätsmoduls aus dem Produkt der charakteristischen Mauerwerksdruckfestigkeit fk und der
Kennzahl KE berücksichtigt:

E  KE  fk (21)

Für Lehmmauerwerk kann der Mittelwert der Kennzahl KE mit μKE = 440 angesetzt werden (vgl. Kapitel
3.2). Um im Rahmen der Zuverlässigkeitsanalyse unterschiedliche Variationskoeffizienten für die
Mauerwerksdruckfestigkeit und den Elastizitätsmodul berücksichtigen zu können, wurde die Kennzahl
KE nicht als deterministische, sondern als streuende und lognormalverteilte Eingangsgröße definiert. Der
erforderliche Variationskoeffizient dieser Basisvariable νKE ließ sich aus den Variationskoeffizienten der
Mauerwerksdruckfestigkeit νf = 17 % und des Elastizitätsmoduls νE = 25 % berechnen [78]:

E2 f2 0,252  0,172


K   18,1% (22)
E
1f2 1 0,172

Im Zuge der Versagensanalyse wurde zur Ermittlung des Elastizitätsmoduls zunächst eine Zufallszahl der
Kennzahl KE sowie eine Zufallszahl der Mauerwerksdruckfestigkeit f generiert. Der erzeugte Zufallswert
der Mauerwerksdruckfestigkeit wurde anschließend durch Umstellen von Gl. (20) auf das
charakteristische Niveau abgemindert (fk = (1 + Φ-1(0,05) ∙ νf) ∙ f). Anschließend erfolgte gemäß Gl. (21)

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 57

die Multiplikation der somit erhaltenen Zufallszahl der charakteristischen Mauerwerksdruckfestigkeit fk


mit der Zufallszahl KE. Durch dieses Vorgehen konnten im Rahmen der Zuverlässigkeitsanalyse sowohl
die Korrelation zwischen der Mauerwerksdruckfestigkeit und dem Elastizitätsmodul als auch die
individuellen Streuungen der jeweiligen mechanischen Materialeigenschaften hinreichend
berücksichtigt werden.

5.3.2 Einwirkungen

Die innerhalb der Versagensanalysen zu berücksichtigende einwirkende Normalkraft besteht sowohl aus
ständigen als auch veränderlichen Einwirkungen, welche im Zuge der Zuverlässigkeitsanalyse individuell
zu modellieren waren. Die ständig einwirkende Normalkraft NG stellt dabei im Anwendungsgebiet von
tragendem Lehmmauerwerk den dominierenden Anteil dar und besteht vorrangig aus dem
Eigengewicht des Bauwerks. Entsprechend der Empfehlungen des JCSS Probabilistic Model Code –
Part 2: Load models [79] wurde die ständige Einwirkung mit einer Normalverteilung modelliert. Der
Variationskoeffizient wurde mit νNG = 10 % angesetzt. Dieser Wert deckt dabei Streuungen der
Rohdichte sowie der Bauteilgeometrien ab. Der charakteristische Wert der ständig einwirkenden
Normalkraft NGk entspricht dem 50%-Fraktilwert der zugrunde liegenden Verteilungsfunktion.

Die veränderlichen Einwirkungen NQ umfassen im Anwendungsgebiet von tragendem Lehmmauerwerk


hauptsächlich Verkehrslasten aus Wohn- oder Büronutzung. In Anlehnung an [78] wurde zur
Modellierung eine Gumbelverteilung gewählt. Der Variationskoeffizient wurde auf νNQ = 25 % festgelegt,
welcher im Rahmen der Versagensanalyse einen Mischwert aus Wohn- und Büronutzung für einen
Bezugszeitraum von 50 Jahren darstellt [80]. Der charakteristische Wert der veränderlich einwirkenden
Normalkraft NQk entspricht dabei dem 98%-Fraktilwert der gewählten Gumbelverteilung bei Betrachtung
eines Bezugszeitraums von einem Jahr. Der Mittelwert der veränderlichen Einwirkung kann für einen
Bezugszeitraum von 50 Jahren näherungsweise durch μNQ = 1,13 · NQk bestimmt werden [78].

Der Bemessungswert der einwirkenden Normalkraft NEd wurde im Zuge der Zuverlässigkeitsanalyse nach
Gleichung 1 aus DIN 18940 [13] mit Hilfe der charakteristischen Werte der ständig und veränderlich
einwirkenden Normalkräfte sowie den zugehörigen Teilsicherheitsbeiwerten ermittelt:

NEd   G  NGk   Q  NQk (23)

Die vereinfachten Einwirkungskombinationen nach Gleichung 2 und 3 aus DIN 18940 [13] wurden in den
nachfolgenden Analysen nicht untersucht.

Das Verhältnis der charakteristischen Werte der ständig und veränderlich einwirkenden Normalkraft
beträgt im herkömmlichen Mauerwerksbau ungefähr NGk/NQk ≈ 2,0 [81]. Da Lehmsteine für die
Errichtung tragender Strukturen vergleichsweise hohe Rohdichten aufweisen müssen und
Lehmmauerwerkswände in der Baupraxis zudem eher gedrungen ausgeführt werden, ist davon
auszugehen, dass der genannte Verhältniswert im Fall von Bauwerken aus tragendem Lehmmauerwerk
oftmals größer ausfällt (NGk/NQk ≈ 2 – 6). Diese Annahme trifft insbesondere bei Gebäuden mit
Stahlbetondecken zu, da hierdurch der Eigengewichtsanteil im Gegensatz zur Verwendung einer
Holzdecke nochmals beträchtlich erhöht wird. Nichtsdestotrotz wurde das Verhältnis der

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 58

charakteristischen Werte der ständig und veränderlich einwirkenden Normalkraft im Zuge der
Zuverlässigkeitsanalysen auf der sicheren Seite liegend mit dem üblichen Wert des Mauerwerksbaus
NGk/NQk = 2,0 angesetzt.

5.3.3 Materialfeuchte

Wie durch die hygrothermischen Analysen in Kapitel 4 gezeigt wurde, fällt die zu erwartende
Materialfeuchte innerhalb des Lehmmauerwerks in Abhängigkeit des vorliegenden Anwendungsfalls
unterschiedlich aus. Um die Zuverlässigkeit tragender Lehmmauerwerkswände umfassend analysieren
zu können, wurde die Materialfeuchte daher für jeden der fünf Anwendungsfälle gemäß Abbildung 22
mit einer individuellen statistischen Verteilung modelliert.

Da zur Bemessung von Lehmmauerwerkswänden die Maximalwerte der Materialfeuchte innerhalb des
Nutzungszeitraums des Gebäudes maßgebend sind, wurde der Feuchtegehalt für alle Anwendungsfälle
mit Hilfe einer Extremwertverteilung abgebildet. Analog zur Modellierung der Nutzlasten fiel die Wahl
hierbei auf eine Gumbelverteilung. Die Parameter der Wahrscheinlichkeitsfunktion wurden auf Basis der
mit Hilfe hygrothermischer Simulationen ermittelten Monatsmaximalwerte bestimmt (vgl. Kapitel 4). Im
Anschluss ließ sich der daraus resultierende Bezugszeitraum der statistischen Verteilungsfunktion von
t0 = 1 Monat auf den bemessungsrelevanten Nutzungszeitraum eines Gebäudes von tref = 50 Jahren
umrechnen. Im speziellen Fall einer Gumbelverteilung ergibt sich durch die rechnerische Änderung des
Bezugszeitraums eine Anpassung des Mittelwerts der Materialfeuchte μφ, wohingegen die zugehörige
Streuung konstant bleibt. Die entsprechende Modifikation des Mittelwerts der Materialfeuchte erfolgte
in Abhängigkeit der zugehörigen Standardabweichung σφ gemäß nachfolgender Gleichung [78]:

tref φ  6
φ,ref  φ,0  ln  (24)
t0 

Da die Materialfeuchte stets innerhalb eines Definitionsbereich von 0 % ≤ φ ≤ 100 % liegen muss,
wurden die Zufallszahlen der Materialfeuchte ebenfalls auf diesen Wertebereich beschränkt. Weiterhin
wurde der Mittelwert der Materialfeuchte mit μφ ≤ 95 % definitorisch auf den hygroskopischen
Feuchtebereich begrenzt, da höhere Feuchtegehalte aus bauphysikalischen Gründen auszuschließen
sind.

Die Verteilungsfunktionen der Materialfeuchte sind für die untersuchten Anwendungsfälle sowohl für
den Beobachtungszeitraum von einem Monat als auch für den angepassten Bezugszeitraum von
50 Jahren in Abbildung 26 dargestellt. Die empirischen Wahrscheinlichkeitsfunktionen basieren auf den
Ergebnissen der hygrothermischen Simulationen und stellten die Datengrundlage für die Kalibrierung
der Extremwertverteilungen dar.

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Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 59

Abbildung 26: Wahrscheinlichkeitsfunktonen der Materialfeuchte

Wahrscheinlichkeitsverteilung F(φ)
Wahrscheinlichkeitsverteilung F(φ)

1,0 Anwendungsfall 1 1,0 Anwendungsfall 2

0,8 0,8

0,6 0,6

0,4 0,4

0,2 0,2

0,0 0,0
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Materialfeuchte φ Materialfeuchte φ
Empirische Verteilungsfunktion Empirische Verteilungsfunktion
Gumbel (Bezugszeitraum 1 Monat) Gumbel (Bezugszeitraum 1 Monat)
Gumbel (Bezugszeitraum 50 Jahre) Gumbel (Bezugszeitraum 50 Jahre)

Wahrscheinlichkeitsverteilung F(φ)
Wahrscheinlichkeitsverteilung F(φ)

1,0 Anwendungsfall 3 1,0 Anwendungsfall 4

0,8 0,8

0,6 0,6

0,4 0,4

0,2 0,2

0,0 0,0
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Materialfeuchte φ Materialfeuchte φ
Empirische Verteilungsfunktion Empirische Verteilungsfunktion
Gumbel (Bezugszeitraum 1 Monat) Gumbel (Bezugszeitraum 1 Monat)
Gumbel (Bezugszeitraum 50 Jahre) Gumbel (Bezugszeitraum 50 Jahre)
Wahrscheinlichkeitsverteilung F(φ)

1,0 Anwendungsfall 5

0,8

0,6

0,4

0,2

0,0
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Materialfeuchte φ
Empirische Verteilungsfunktion
Gumbel (Bezugszeitraum 1 Monat)
Gumbel (Bezugszeitraum 50 Jahre)

Um zu berücksichtigen, dass die Extremwerte der Materialfeuchte φ sowie der veränderlich einwirkenden
Normalkraft NQ innerhalb des betrachteten Bemessungszeitraums von 50 Jahren mit hoher
Wahrscheinlichkeit nicht gleichzeitig auftreten, wurden im Rahmen der Versagensanalysen zwei
verschiedene Grenzzustandsfunktionen betrachtet, in denen entweder die Materialfeuchte oder die
veränderlich einwirkende Normalkraft als Leiteinwirkung definiert wurde. Die jeweilige Leiteinwirkung
wurde dabei stets für einen Bezugszeitraum von 50 Jahren modelliert. Da der daraus resultierende

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Extremwert im Fall der veränderlich einwirkenden Normalkraft in der Regel nur maximal wenige Wochen
am Stück auftritt, wurde die Extremwertverteilung der Materialfeuchte als zugehörige Begleiteinwirkung
für einen Bezugszeitraum von einem Monat angesetzt. Für die Grenzzustandsfunktion, in der die
Materialfeuchte die Leiteinwirkung darstellte, wurde die Extremwertverteilung der veränderlich
einwirkenden Normalkraft als zugehörige Begleiteinwirkung dagegen für einen Bezugszeitraum von
einem Jahr berücksichtigt. Diese Annahme begründet sich darin, dass sich die Materialfeuchte in
regenreichen Jahren ohne ausreichende Trockenperioden innerhalb der Lehmmauerwerkswand
kumulieren kann und der entsprechende Extremwert der Materialfeuchte daher über längere Zeit
vorherrscht. Da die veränderlich einwirkende Normalkraft analog zur Materialfeuchte durch eine
Gumbelverteilung modelliert wurde, kann die Umrechnung des Bezugszeitraums hierbei ebenfalls mit
Vorgehen gemäß Gl. (24) erfolgen.

5.3.4 Modellunsicherheiten

Zur Berücksichtigung epistemischer Modellunsicherheiten wurden die rechnerisch ermittelten


Einwirkungen, Widerstände und Materialfeuchten im Zuge der Versagensanalysen mit zugehörigen
Modellunsicherheitsfaktoren belegt. Die Modellunsicherheitsfaktoren wurden dabei in Anlehnung an
den JCSS Probabilistic Model Code – Part 3: Resistance models [82] lognormalverteilt und mit einem
Mittelwert von μθ = 1,0 abgebildet.

Die Festlegung des Variationskoeffizienten der Modellunsicherheit der Einwirkung erfolgte gemäß JCSS
Probabilistic Model Code – Part 3: Resistance models [82]. Dabei gilt für Bauteile mit überwiegender
Normalkraftbeanspruchung ein Variationskoeffizient von νθΕ = 5 %.

Der Variationskoeffizient der Modellunsicherheit der Bauteilwiderstände wurde mit νθR = 14 % angesetzt.
Dieser Wert ist implizit im normativen Bemessungsverfahren für herkömmliches Mauerwerk enthalten
und führt dort zu dem in Deutschland vorgesehenen materialseitigen Teilsicherheitsbeiwert von
γM = 1,50 [78].

Der Variationskoeffizient der Modellunsicherheit bei Ermittlung der Materialfeuchte innerhalb des
Lehmmauerwerks auf Basis der instationären, hygrothermischen Simulationen (siehe Kapitel 4) wurde
äquivalent zum Variationskoeffizient der Modellunsicherheit der Einwirkungen mit νθφ = 5 %
abgeschätzt.

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5.4 Ergebnisse
Die Ergebnisse der Zuverlässigkeitsanalysen sind in Abbildung 27 in Abhängigkeit des jeweiligen
Anwendungsfalls, der Wandschlankheit hef/t und der lichten Deckenspannweite lf grafisch dargestellt.
Zur besseren Einordnung der Ergebnisse ist der Zielzuverlässigkeitsindex von β = 3,8 gemäß DIN EN
1990 [76] durch eine horizontale Hilfslinie markiert. Da der Zuverlässigkeitsindex in Abhängigkeit der
individuellen Bemessungssituation schwankt, wird zudem ein Zielbereich von β= 3,8 ± 0,5 definiert und
innerhalb der Diagramme grau hinterlegt. Liegt der ermittelte Zuverlässigkeitsindex oberhalb dieses
Zielbereichs ist die Nachweisführung als zu unwirtschaftlich einzustufen. Liegt der ermittelte
Zuverlässigkeitsindex dagegen unterhalb des Zielbereichs ist die Bemessung als unsicher zu bewerten.

Abbildung 27: Zuverlässigkeitsindex druckbeanspruchten Lehmmauerwerks in Abhängigkeit der Wandschlankheit für


verschiedene Anwendungsfälle und unterschiedliche lichte Deckenspannweiten

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Bei Betrachtung der Ergebnisse fällt auf, dass eine Änderung der lichten Deckenspannweite innerhalb
eines Wertebereichs von lf = 2 m – 4 m keinerlei Einfluss auf den resultierenden Zuverlässigkeitsindex
hat. Dies begründet sich darin, dass bei kleinen Deckenspannweiten der Stabilitätsnachweis in
Wandhöhenmitte maßgebend wird, welcher im Rahmen des normativen Nachweisverfahrens gemäß
DIN 18940 [13] nicht von der Deckenspannweite, sondern ausschließlich von der Wandschlankheit
beeinflusst wird. Erst bei einer lichten Deckenspannweite von lf = 5 m in Kombination mit
Wandschlankheiten von hef/t ≤ 10 oder bei einer Deckenspannweite von lf = 6 m in Verbindung mit
beliebigen Wandschlankheiten wird bei Außenwänden der Querschnittsnachweis am Wandkopf
und -fuß maßgebend. Da die Wandschlankheit bei der Nachweisführung an den Wandenden keinen
Einfluss auf die resultierende Traglast hat, weist der Zuverlässigkeitsindex bei Wechsel der maßgebenden
Nachweisstelle zunächst eine Unstetigkeit auf und verläuft im Fall von Querschnittsversagen am
Wandkopf und -fuß konstant. Da bei Innenwänden gemäß DIN 18940 [13] immer der Stabilitätsnachweis
in Wandhöhenmitte maßgebend ist, tritt dieses Phänomen jedoch nur bei Außenwänden auf.

Weiterhin lässt sich im Fall von Stabilitätsversagen beobachten, dass der Zuverlässigkeitsindex bei
steigender Wandschlankheit kontinuierlich abfällt. Da das Verformungsverhalten bei schlankeren
Lehmmauerwerkswänden auf Grund der Zunahme der Effekte nach Theorie II. Ordnung einen größeren
Einfluss als bei gedrungenen Wänden auf die resultierende Tragfähigkeit hat, wirkt sich die im Vergleich
zur Mauerwerksdruckfestigkeit höhere Streuung des Elastizitätsmoduls zunehmend stärker auf den
Zuverlässigkeitsindex aus. Der bei steigender Wandschlankheit erhöhte Einfluss des
Verformungsverhaltens hat daher zur Folge, dass die Tragfähigkeit schlankerer Wände einer stärkeren
Streuung unterliegt, was wiederum in einem abfallenden Zuverlässigkeitsindex resultiert.

Bei Betrachtung der unterschiedlichen Anwendungsfälle lässt sich feststellen, dass der
Zuverlässigkeitsindex bei Außenwänden mit kapillarinaktivem Wärmedämmverbundsystem
(Anwendungsfall 3), bei Außenwänden mit Innendämmung (Anwendungsfall 4) sowie bei Innenwänden
(Anwendungsfall 5) stets in einem Bereich von β = 3,7 – 4,2 liegt und damit der angestrebte
Zielzuverlässigkeitsindex zutreffend angenähert wird. Durch den effektiven Schlagregenschutz im Fall
eines kapillarinaktiven Wärmedämmverbundsystems, welcher beispielsweise durch die Verwendung
eines wasserabweisenden Außenputzes oder die Verwendung eines wasserundurchlässigen
Dämmstoffes erreicht werden kann, ist die zu erwartende Materialfeuchte innerhalb des
Lehmmauerwerks vorrangig vom Innenraumklima abhängig. Aus diesem Grund spiegelt die
Nutzungsklasse 1 mit einem Umgebungsfeuchtefaktor von M = 0,80 gemäß DIN 18940 [13] den
Feuchteeinfluss auf die resultierende Wandtragfähigkeit adäquat wieder und führt zu einer zuverlässigen
Bemessung. Bei einer Außenwand mit innenliegender Wärmedämmung sind im Vergleich deutlich
höhere Materialfeuchten innerhalb des Lehmmauerwerks zu erwarten, diese werden jedoch durch die
Einordnung von Außenwänden mit Innendämmung in Nutzungsklasse 2 durch den zugehörigen
Umgebungsfeuchtefaktor von M = 0,55 im Zuge der Nachweisführung nach DIN 18940 [13] zutreffend
berücksichtigt, weshalb auch in diesem Anwendungsfall von einer zuverlässigen Bemessung
ausgegangen werden kann.

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Im Fall einer Außenwand mit kapillaraktivem Wärmedämmverbundsystem ist das tragende


Lehmmauerwerk nicht vollständig vor einwirkendem Schlagregen geschützt, was zu einer erhöhten
Materialfeuchte innerhalb der Wand führt. Bei geringer Schlagregenbeanspruchung (Anwendungsfall 1)
sowie Zuordnung des Bauteils in Nutzungsklasse 1 gemäß DIN 18940 [13] führt das gegenüber den
bisher beschriebenen Anwendungsfällen bereits zu einem leicht reduzierten Zuverlässigkeitsindex von
β = 3,6 – 3,9. Trotz des gesteigerten Feuchteeinflusses liegt dieser Wertebereich jedoch noch innerhalb
des definierten Wertekorridors und nähert die Zielzuverlässigkeit sehr zutreffend an. Bei starker
Schlagregenbeanspruchung (Anwendungsfall 2) sowie Zuordnung des Bauteils in Nutzungsklasse 1
gemäß DIN 18940 [13] beträgt der Zuverlässigkeitsindex jedoch nur noch β = 2,6 – 2,9 und
unterschreitet somit deutlich die angestrebte Zielzuverlässigkeit. Um eine unsichere Bemessung von
Lehmmauerwerk zu vermeiden, sollte daher bei Ansatz der Nutzungsklasse 1 stets ein ausreichender
Schlagregenschutz durch Verwendung eines wasserabweisenden Außenputzes oder eines
kapillarinaktiven und außenliegenden Dämmmaterials vorgeschrieben werden. Kann der
Schlagregenschutz bei Außenwänden aus Lehmmauerwerk nicht vollständig gewährleistet werden, sollte
der zu erwartende gesteigerte Feuchtegehalt bei der Nachweisführung durch Zuordnung der
entsprechenden Außenbauteile in Nutzungsklasse 2 berücksichtigt werden.

Weiterhin lässt sich basierend auf den dargestellten Ergebnissen festhalten, dass die Übertragung des
semiprobabilistischen Sicherheitskonzepts für herkömmliches Mauerwerk in Anlehnung an DIN EN
1996/NA auf die Bemessung druckbeanspruchten Lehmmauerwerks möglich ist und zu einer
zuverlässigen Bauteildimensionierung führt. Der Ansatz des im Mauerwerksbau üblichen
materialseitigen Teilsicherheitsbeiwerts von γM = 1,5 führt dabei auch im Fall von Lehmmauerwerk zu
einer zuverlässigen Bemessung.

Zuverlässigkeitsanalyse BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 64

6 Zusammenfassung und Fazit


Innerhalb des vorliegenden Forschungsberichts werden die Ergebnisse umfangreicher
Zuverlässigkeitsanalysen für druckbeanspruchte Lehmmauerwerkswände unter expliziter
Berücksichtigung des Einflusses der zu erwartenden Materialfeuchte und deren Streuungen dargelegt.

Vorbereitend wurden hierzu zunächst die Klimaabhängigkeit bemessungsrelevanter Festigkeits- und


Verformungseigenschaften von Lehmmauerwerk sowie seiner Einzelkomponenten experimentell
analysiert und in Kapitel 2 beschrieben. Im Zuge der durchgeführten Versuchsreihe wurden die
Spannungs-Dehnungs-Beziehungen sowie die daraus ableitbaren Materialeigenschaften der
untersuchten Lehmbaustoffe in verschiedenen Umgebungsklimata ermittelt und die zu beobachtende
Klimaabhängigkeit evaluiert. Es konnte dabei festgestellt werden, dass Temperaturänderungen bei
konstanter relativer Luftfeuchte keinen maßgebenden Einfluss auf die resultierenden Festigkeits- und
Verformungseigenschaften von Lehmmauerwerk haben. Im Gegensatz dazu führen Änderungen der
relativen Luftfeuchte zu einer signifikanten Skalierung der Spannungs-Dehnungs-Beziehung in Richtung
der Spannungsachse und wirken sich somit erheblich auf die mechanischen Eigenschaften der
untersuchten unstabilisierten Lehmbaustoffe aus. Auf Basis der experimentellen
Untersuchungsergebnisse sowie unter Einbezug einer umfangreichen Literaturdatenbank konnte eine
lineare Abhängigkeit zwischen der Druckfestigkeit bzw. des Elastizitätsmoduls und der Materialfeuchte
unstabilisierter Lehmbaustoffe identifiziert werden.

Der damit quantifizierte Feuchteeinfluss auf die relevanten Festigkeits- und Verformungseigenschaften
von unstabilisierten Lehmbaustoffen wurde in Kapitel 3 zur Entwicklung eines Traglastmodells
verwendet, welches die Berechnung der Querschnitts- und Systemtragfähigkeit druckbeanspruchter
Lehmmauerwerkswände unter Berücksichtigung beliebiger hygroskopischer Materialfeuchten erlaubt.
Hierzu wurde zunächst ein Ansatz zur Modellierung der nichtlinearen Spannungs-Dehnungs-Beziehung
von Lehmmauerwerk unter Einbezug einer über den Wandquerschnitt konstanten
Materialfeuchteverteilung entwickelt. Die daraus resultierende Arbeitslinie bildete im Folgenden die
Grundlage zur Modifizierung eines mauerwerkstypischen Traglastmodells zur Berechnung der
Querschnitts- und Systemtragfähigkeit druckbeanspruchter Wände. Mit Hilfe dieses angepassten
Berechnungsansatzes ist es möglich, die Tragfähigkeit druckbeanspruchter Lehmmauerwerkswänden
unter Einbezug des materialspezifischen Festigkeits- und Verformungsverhaltens sowie unter
Berücksichtigung verschiedener Materialfeuchten wirklichkeitsnah zu ermitteln.

Anschließend wurden in Kapitel 4 hygrothermische Analysen von Lehmmauerwerkswänden für


Anwendungsfälle mit unterschiedlicher Feuchteexposition dargelegt. Hierzu wurde zunächst ein
hygrothermisches Materialmodell für unstabilisiertes Lehmmauerwerk kalibriert und mit Hilfe von
Literaturdaten validiert. Nach einer detaillierten Beschreibung der angesetzten
Simulationsrandbedingungen wurden die Ergebnisse der instationären, hygrothermischen Simulationen
für unterschiedliche Anwendungsfälle von tragenden Lehmmauerwerkswänden analysiert. Im Zuge der
Simulationen wurden sowohl Außen- als auch Innenwände sowie verschiedene Wandaufbauten wie zum
Beispiel Außenwände mit außen- oder innenliegender Wärmedämmung betrachtet. Die ermittelten

Zusammenfassung und Fazit BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 65

Materialfeuchten innerhalb des Lehmmauerwerks sowie deren Schwankungen wurden im Rahmen der
Zuverlässigkeitsanalyse als Grundlage zur Kalibrierung von geeigneten Verteilungsfunktionen für den
Feuchtegehalt von Lehmmauerwerkswänden verwendet.

Aufbauend auf den durchgeführten Voruntersuchungen wurden in Kapitel 5 Monte-Carlo-Simulationen


zur Ermittlung der Versagenswahrscheinlichkeit sowie dem daraus resultierenden Zuverlässigkeitsindex
von tragenden Lehmmauerwerkswänden durchgeführt. Zunächst wurden die gewählte Vorgehensweise
sowie die zugrunde liegenden Simulationsparameter beschrieben. Im Anschluss erfolgte die Darlegung
der Modellierungsansätze für die streuenden Simulationsparameter, welche unter expliziter
Berücksichtigung der materialspezifischen Besonderheiten von Lehmmauerwerk definiert wurden. Die
darauf aufbauenden Zuverlässigkeitsanalysen erlaubten Rückschlüsse auf die
Versagenswahrscheinlichkeit tragender Lehmmauerwerkswände, welche nach den normativen Regeln
der DIN 18940 [13] bemessen wurden. Es wurde dabei sowohl der Einfluss variierender geometrischer
Randbedingungen, wie beispielsweise unterschiedliche Wandschlankheiten oder Deckenspannweiten,
sowie der Einfluss verschiedener Feuchteexpositionen untersucht. Die Ergebnisauswertung zeigte, dass
das Nachweisverfahren gemäß DIN 18940 [13] eine zuverlässige Bemessung von tragendem
Lehmmauerwerk ermöglicht. Insbesondere in Gebieten mit erhöhter Schlagregenbeanspruchung ist bei
Außenbauteilen jedoch ein vollständiger Schlagregenschutz zu gewährleisten. Dieser kann
beispielsweise durch die Verwendung eines wasserabweisenden Außenputzes oder den Einsatz
außenliegender kapillarinaktiver Dämmstoffe erreicht werden. Bei einer Bemessung tragender
Lehmmauerwerkswände nach DIN 18940 [13] ist der Schlagregenschutz durch entsprechende
konstruktive Regelungen in allen Anwendungsfällen sichergestellt. Weiterhin zeigen die
Forschungsergebnisse, dass eine semiprobabilistische Bemessung druckbeanspruchter
Lehmmauerwerkswände unter Ansatz des mauerwerkstypischen, materialseitigen Teilsicherheitsbeiwerts
in Höhe von γM = 1,5 für die untersuchten Anwendungsfälle zu einer hinreichenden
Tragwerkszuverlässigkeit und einer sicheren Anwendung führt.

Die Erkenntnisse dieses Forschungsvorhabens flossen bereits während der Projektlaufzeit kontinuierlich
in die Erarbeitung der Konstruktions-, Bemessungs- und Ausführungsnorm DIN 18940 [13] sowie in die
Überarbeitung der Produktnormen für Lehmsteine DIN 18945 [50] und Lehmmauermörtel DIN 18946
[51] ein und leisteten somit einen Beitrag zur Weiterentwicklung der normativen Regelung von
Lehmbaustoffen innerhalb Deutschlands. Das angestrebte Förderziel der normativen Implementierung
eines semiprobabilistischen Sicherheitskonzepts zur Bemessung druckbeanspruchten Lehmmauerwerks,
welches sowohl die üblichen Materialstreuungen als auch die Streuungen der zu erwartenden
Bauteilfeuchte berücksichtigt, konnte somit vollumfänglich erfüllt werden. Ergänzend dazu konnte im
Rahmen des Forschungsprojekts dargelegt werden, dass das geforderte Zuverlässigkeitsniveau
innerhalb des normativen Anwendungsbereichs von tragenden Lehmmauerwerkswänden unter
praxisrelevanten Randbedingungen erreicht werden kann und somit das nachhaltige und zuverlässige
Bauen mit tragendem Lehmmauerwerk auf Grundlage der neuen normativen Regelungen möglich ist.

Zusammenfassung und Fazit BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 66

7 Mitwirkende
Autor

Dr.-Ing. Maximilian Brinkmann


BBF | Beck Brinkmann Förster Beratende Ingenieure PartG mbB
[email protected]
www.bbf-ing.de

Weitere Mitwirkende

Dr.-Ing. Dominik Müller


RSP Remmel + Sattler Ingenieurgesellschaft mbH
[email protected]
www.rsp-ingenieure.de

Dr.-Ing. Dominik Beck


BBF | Beck Brinkmann Förster Beratende Ingenieure PartG mbB
[email protected]
www.bbf-ing.de

Prof. Dr.-Ing. Valentin Förster


BBF | Beck Brinkmann Förster Beratende Ingenieure PartG mbB
[email protected]
www.bbf-ing.de

Projektpartner und weitere Fördermittelgeber

Freunde des Instituts für Massivbau der Technischen Universität Darmstadt e. V.


Franziska-Braun-Str. 3
64287 Darmstadt

Mitwirkende BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 67

8 Kurzbiographien
Dr.-Ing. Maximilian Brinkmann
2014 – 2019 Bauingenieurstudium an der Technischen Universität Darmstadt,
Auszeichnung der Masterthesis mit dem „DVL Lehmbaupreis 2020“,
2019 – 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Massivbau der
Technischen Universität Darmstadt, seit 2022 Mitarbeiter im
Normungsausschuss Lehmbau (NA 005-06-08), 2023 Promotion zum Thema
„Tragverhalten druckbeanspruchten Lehmmauerwerks unter Berücksichtigung
nichtlinearer Feuchteprofile“, seit 2023 Beratender Ingenieur der
Ingenieurkammer Hessen und geschäftsführender Partner im Ingenieurbüro
„Beck Brinkmann Förster Beratende Ingenieure PartG mbB“ in Darmstadt

Dr.-Ing. Dominik Müller


2009 – 2016 Bauingenieurstudium an der Technischen Universität Darmstadt,
2013 Tragwerksplaner bei Stantec Consulting Ltd. in Calgary Kanada,
2016 – 2021 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Massivbau der TU
Darmstadt, 2022 Promotion zum Thema „Probabilistic Assessment of Existing
Masonry Structures", seit 2021 Tragwerksplaner bei der RSP Remmel + Sattler
Ingenieurgesellschaft mbH in Frankfurt am Main

Dr.-Ing. Dominik Beck


2013 – 2018 Bauingenieurstudium an der Technischen Universität Darmstadt
mit Auszeichnung als bester Absolvent des Bauingenieurwesens an der
Technischen Universität Darmstadt im 2. Abschlusshalbjahr 2018, 2018 – 2019
Projektingenieur im Ingenieurbüro Gruber + Hartmann Ingenieurbüro für
Baustatik, 2019 – 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Massivbau
der Technischen Universität Darmstadt, 2023 Promotion zum Thema
„Bemessung von Betonfertigteilen mit vorgespannter Bewehrung aus
Faserverbundkunststoff“, seit 2023 Beratender Ingenieur der Ingenieurkammer
Hessen und geschäftsführender Partner im Ingenieurbüro „Beck Brinkmann
Förster Beratende Ingenieure PartG mbB“ in Darmstadt

Kurzbiographien BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 68

Prof. Dr.-Ing. Valentin Förster


2006 – 2012 Studium des Bauingenieurwesens (Dipl.-Ing. (FH) und M.Sc.) an
der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt und an
der Technischen Universität Darmstadt. 2012 – 2017 wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Institut für Massivbau der Technischen Universität Darmstadt.
Promotion zur Tragfähigkeit unbewehrter Beton- und
Mauerwerksdruckglieder bei zweiachsig exzentrischer Beanspruchung im Jahr
2018. 2018 – 2012 Tragwerksplaner im Ingenieurbüro König und Heunisch
Planungsgesellschaft in Frankfurt am Main. Seit 2022 Professor für
Bauingenieurwesen im Dualen Studium der iu Internationalen Hochschule am
Standort Frankfurt. Seit 2023 geschäftsführender Partner im Ingenieurbüro
„Beck Brinkmann Förster Beratende Ingenieure PartG mbB“. Mitgliedschaften
in mehreren Normungsgremien (Mauerwerksbau), der Initiative Praxisgerechte
Regelwerke im Bauwesen (PRB) sowie im Forschungsbeirat des Deutschen
Ausschusses für Mauerwerksbau (DAfM).

Kurzbiographien BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 69

9 Literatur
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[66] DIN EN 15026 (2007): Wärme- und feuchtetechnisches Verhalten von Bauteilen und Bauelementen
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[68] Hansen, K.K. (1986): Sorptions isotherms – A catalogue. Technical University of Denmark.

[69] Jäger, W.; Hartmann, R. (2019): Lehmmauerwerk: Entwurfs- und Konstruktionsgrundsätze für eine
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Fraunhofer Institut für Bauphysik.

[71] DIN EN ISO 15927-3 (2009): Wärme- und feuchteschutztechnisches Verhalten von Gebäuden –
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senkrechte Oberflächen aus stündlichen Wind- und Regendaten.

Literatur BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 74

[72] DIN 4108-3 (2018): Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 3: Klimabedingter
Feuchteschutz - Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung.

[73] Künzel, H.M. (2012): Regenschutz durch wasserabweisende Außenputze. In: ausbau+fassade
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[74] DIN EN 13914-1 (2016): Planung, Zubereitung und Ausführung von Außen- und Innenputzen – Teil
1: Außenputze.

[75] DIN EN 13914-2 (2016): Planung, Zubereitung und Ausführung von Innen- und Außenputzen – Teil
2: Innenputze.

[76] DIN EN 1990 (2010): Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung.

[77] JCSS Probabilistic Model Code (2011) – Part 3: Resistance models - Masonry properties.

[78] Müller, D. (2022): Probabilistic Assessment of Existing Masonry Structures – The Influence of
Spatially Variable Material Properties and a Bayesian Method for Determining Structure-Specific Partial
Factors, Technische Universität Darmstadt, Dissertation.

[79] JCSS Probabilistic Model Code (2001) – Part 2: Load Models.

[80] Rackwitz, R. (1997): Einwirkungen auf Bauwerke. In: Der Ingenieurbau. Ernst & Sohn, Berlin.

[81] Glowienka, S. (2007): Zuverlässigkeit von Mauerwerkswänden aus großformatigen Steinen –


Probabilistische Analyse von großformatigem Mauerwerk aus Kalksandstein und Porenbeton mit
Dünnbettvermörtelung, Technische Universität Darmstadt, Dissertation.

[82] JCSS Probabilistic Model Code (2000) – Part 3: Resistance Models.

Literatur BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 75

10 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Verteilung der mittleren Druckfestigkeit sowie des mittleren Elastizitätsmoduls von
Lehmmauerwerk bei einer relativen Luftfeuchte von φ = 50 % und einer Temperatur von Θ = 23 °C
basierend auf Literaturdaten .................................................................................................................................................. 12

Abbildung 2: Feuchteeinfluss auf die Mauerwerksdruckfestigkeit und den Mauerwerkselastizitätsmodul


gemäß [33] ..................................................................................................................................................................................... 13

Abbildung 3: Verteilung der Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl sowie des


Wasseraufnahmekoeffizienten von Lehmbaustoffen basierend auf Literaturdaten ........................................ 13

Abbildung 4: Probekörper des Lehmstein II & Lehmstein I (a), Lehmmauermörtel (b), Lehmmauerwerk
(c) ....................................................................................................................................................................................................... 18

Abbildung 5: Experimentell ermittelte Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmsteins I bei


variierender relativer Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C .................................. 20

Abbildung 6: Normierte Mittelwerte der Festigkeits- und Verformungseigenschaften des Lehmsteins I


bei variierender relativer Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C .......................... 21

Abbildung 7: Experimentell ermittelte Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmsteins II bei


variierender relativer Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C .................................. 21

Abbildung 8: Normierte Mittelwerte der Festigkeits- und Verformungseigenschaften des Lehmsteins II


bei variierender relativer Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C .......................... 22

Abbildung 9: Experimentell ermittelte Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmmauermörtels bei


variierender relativer Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C .................................. 24

Abbildung 10: Normierte Mittelwerte der Festigkeits- und Verformungseigenschaften des


Lehmmauermörtels bei variierender relativer Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23
°C ....................................................................................................................................................................................................... 25

Abbildung 11: Dreisteinkörper inklusive Messtechnik (Maße in mm) ................................................................... 27

Abbildung 12: Experimentell ermittelte Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmmauerwerks bei


variierender relativer Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23 °C .................................. 28

Abbildung 13: Normierte Mittelwerte der Festigkeits- und Verformungseigenschaften des


Lehmmauerwerks bei variierender relativer Luftfeuchte φ und einer konstanten Temperatur von θ = 23
°C ....................................................................................................................................................................................................... 28

Abbildung 14: Experimentell ermittelte Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmmauerwerks bei


variierender Temperatur θ und einer konstanten relativen Luftfeuchte von φ = 50 %.................................. 30

Abbildung 15: Normierte Mittelwerte der Festigkeits- und Verformungseigenschaften des


Lehmmauerwerks bei variierender Temperatur θ und einer konstanten relativen Luftfeuchte von φ = 50
% ........................................................................................................................................................................................................ 30

Abbildungsverzeichnis BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 76

Abbildung 16: Lineare Approximation der bezogenen Druckfestigkeit f/f50% für unstabilisierte
Lehmbaustoffe ............................................................................................................................................................................. 32

Abbildung 17: Verteilung des bezogenen Ursprungselastizitätsmoduls k von unstabilisiertem


Lehmmauerwerk basierend auf Literaturdaten ............................................................................................................... 34

Abbildung 18: Vergleich der experimentell ermittelten Spannungs-Dehnungs-Beziehungen von


Lehmmauerwerk (vgl. Kapitel 2.4) mit dem feuchteabhängigen Werkstoffgesetz nach Gl. (2) ................... 35

Abbildung 19: Bezogene Querschnittstragfähigkeit von Lehmmauerwerk für verschiedene


Materialfeuchten φ in Abhängigkeit der bezogenen Lastexzentrizität e/t .......................................................... 40

Abbildung 20: Bezogene Systemtragfähigkeit von Lehmmauerwerk für verschiedene Materialfeuchten φ


sowie unterschiedliche bezogene Lastexzentrizitäten eI/t in Abhängigkeit der Wandschlankheit hef/t .. 40

Abbildung 21: Gegenüberstellung der experimentell ermittelten Feuchtespeicherfunktionen von


Lehmstein I, Lehmstein II und Lehmmörtel mit Feuchtespeicherfunktionen unstabilisierter Lehmbaustoffe
aus der Literatur .......................................................................................................................................................................... 45

Abbildung 22: Nummerierung und Aufbau der untersuchten Anwendungsfälle von


Lehmmauerwerkswänden ........................................................................................................................................................ 49

Abbildung 23: Graphische Darstellung des Wandaufbaus für Anwendungsfall 1 ............................................ 49

Abbildung 24: Materialfeuchte des Lehmmauerwerks über den Jahresverlauf für verschiedene
Anwendungsfälle......................................................................................................................................................................... 50

Abbildung 25: Ablaufschema der Zuverlässigkeitsanalyse......................................................................................... 53

Abbildung 26: Wahrscheinlichkeitsfunktonen der Materialfeuchte ....................................................................... 59

Abbildung 27: Zuverlässigkeitsindex druckbeanspruchten Lehmmauerwerks in Abhängigkeit der


Wandschlankheit für verschiedene Anwendungsfälle und unterschiedliche lichte Deckenspannweiten 61

Abbildungsverzeichnis BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 77

11 Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Herstellerangaben der untersuchten Lehmsteine ..................................................................................... 17

Tabelle 2: Umfang der durchgeführten experimentellen Untersuchungen ......................................................... 19

Tabelle 3: Allgemeine Simulationsrandbedingungen................................................................................................... 43

Tabelle 4: Hygrothermische Materialparameter der untersuchten Lehmbaustoffe ......................................... 44

Tabelle 5: Vergleich der experimentell ermittelten hygrothermischen Materialeigenschaften von


Lehmstein I mit Literaturdaten .............................................................................................................................................. 46

Tabelle 6: Zusammenfassung der Simulationsparameter ........................................................................................... 55

Tabellenverzeichnis BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 78

12 Anlagen
Anlage 1 - Normierte Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des Lehmmauerwerks bei einer
Temperatur von θ = 23 °C
1,4 1,4
1,2 1,2
1,0 1,0
0,8 0,8
σ/f50%

σ/f50%
0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 φ=5% 0,2 φ = 20 %
0,0 0,0
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0
ε/εf,50% ε/εf,50%
1,4 1,4
1,2 1,2
1,0 1,0
0,8 0,8
σ/f50%

σ/f50%

0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 φ = 40 % 0,2 φ = 50 %
0,0 0,0
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0
ε/εf,50% ε/εf,50%
1,4 1,4
1,2 1,2
1,0 1,0
0,8 0,8
σ/f50%

σ/f50%

0,6 0,6
0,4 0,4
0,2 φ = 65 % 0,2 φ = 80 %
0,0 0,0
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0
ε/εf,50% ε/εf,50%

1,4
1,2
1,0
0,8
σ/f50%

0,6
0,4
0,2 φ = 95 %
0,0
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0
ε/εf,50%

Anlagen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 79

Anlage 2 - Gutachten zu den hygrothermischen Materialeigenschaften der untersuchten


Lehmbaustoffe des Instituts für Bauklimatik der TU Dresden

Anlagen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 80

Anlagen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 81

Anlagen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 82

Anlagen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 83

Anlagen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 84

Anlagen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 85

Anlagen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 86

Anlagen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 87

Anlagen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 88

Anlagen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024


Nachhaltig und zuverlässig Bauen mit Lehm 89

Anlagen BBSR-Online-Publikation Nr. 25/2024

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