Chemie Und Eigenschaften Metallischer Werkstoffe
Chemie Und Eigenschaften Metallischer Werkstoffe
Chemie Und Eigenschaften Metallischer Werkstoffe
Werkstoffe I
Chemie und Eigenschaften
metallischer Werkstoffe
- Stahl und NE-Metalle -
Herbsttrimester 2017
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 7
1.1 Allgemein 7
2 Eisen 10
2.2 Rohstoffe 10
3 Metallkundliche Grundlagen 12
4.1 Allgemeines 22
4.4.1 Roheisenentschwefelung 25
4.4.2.1 LD-Verfahren 26
4.4.2.2 Elektrostahl-Verfahren 27
4.4.2.3 Energieoptimierungsofen 28
4.4.3 Sekundärmetallurgie 28
4.4.3.1 Fällungsdesoxidation 29
4.4.3.2 Vakuumbehandlung 30
2
4.5.1 Strangguss 31
4.5.2 Blockguss 33
4.6.1 Warmwalzen 34
4.7 Umwandlungen 36
4.7.3 Härten 39
5.1 Spannungs-Dehnungs-Linie 42
5.4 Zähigkeit 48
6.1 Allgemeines 55
6.2 Baustähle 55
6.2.2 Feinkornbaustähle 56
6.3.1 Betonstähle 59
6.3.2 Spannstähle 62
3
7 Schweißen 64
Übersicht 64
7.1 Widerstandsschweißen 64
7.2 Schmelzschweißen 66
7.2.2 Gasschmelzschweißen 67
7.3 Schweißbarkeit 69
7.3.1 Übersicht 69
7.3.2 Schweißeignung 70
7.3.3 Schweißmöglichkeit 73
7.3.4 Schweißsicherheit 74
7.5 Schweißnahtprüfungen 76
9 Schrauben 79
10 Nichteisenmetalle 80
10.1 Aluminium 80
10.1.1 Rohstoff 80
10.1.2 Herstellung 80
10.1.5 Bezeichnungen 87
10.1.6 Fügeverfahren 88
10.2 Kupfer 89
4
10.2.1 Rohstoff 90
10.2.2 Herstellung 90
10.2.5 Bezeichnungen 91
10.3 Zink 93
10.3.1 Rohstoff 93
10.3.2 Herstellung 93
11 Metallkorrosion 96
11.1.2 Aluminium 98
11.1.3 Kupfer 98
11.1.4 Zink 98
11.1.5 Blei 99
5
11.2.3.5 Korrosion durch unterschiedliche Belüftung 104
12 Literatur 113
6
1 Einleitung
1.1 Allgemein
Metalle sind im festen Zustand kristalline Stoffe. Als Baustoffe werden sie nicht in ihrer
elementaren Form sondern fast ausschließlich als Legierungen verwendet. Die größte
Bedeutung kommt Stahl, einer Legierung im Wesentlichen aus Eisen und Kohlenstoff zu. Die
für das Bauwesen wichtigen Metalle zeigt Bild 1.
Für den Einsatz im Bauwesen interessiert der Vergleich mit anderen Baustoffen, z. B. mit
Beton. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Werkstoffen liegt im Verhältnis
zwischen Zug- und Druckfestigkeit. Während die Zugfestigkeit von Beton nur etwa ein
Zehntel seiner Druckfestigkeit beträgt, sind Zug- und Druckfestigkeiten bei Stahl i. d. R.
gleich groß, der Bereich des praktisch genutzten Festigkeitsniveaus liegt eine Größenordnung
über dem des Betons. Dadurch wird das etwa dreimal höhere Gewicht von Stahl mehr als
ausgeglichen, sodass man mit Stahl bei kleinerem Gewicht größere Spannweiten als mit
Beton überbrücken kann. Allerdings schneidet beim Verhältnis der Kosten zur Festigkeit der
Baustoff Beton je nach Marktsituation um den Faktor 3 günstiger ab als Baustahl. Diese
Vergleiche machen deutlich, dass in Anwendungsfällen, bei denen das Eigengewicht des
Baustoffes nur eine untergeordnete Rolle spielt, Beton deutliche wirtschaftliche Vorteile hat,
während Stahl immer dann Vorteile hat, wenn das Eigengewicht der Konstruktion von
Bedeutung ist (z. B. weitgespannte Konstruktionen).
Die Eigenschaften von Stahl lassen sich durch die chemische Zusammensetzung und den
Herstellprozess in weiten Grenzen beeinflussen. Die gute Verformbarkeit bzw.
Weiterverarbeitbarkeit (Schweißen, Verschrauben) von Stahl und Eisen ermögliche eine
7
Vielzahl unterschiedlichster Konstruktionen. Nachteile von Stahl und Eisen sind die
Korrosionsanfälligkeit und die Temperaturempfindlichkeit.
Die Entwicklungslinien der Eisenerzeugung können anhand der Verhüttungsöfen für die
Eisenerze verfolgt werden. Die Reihenfolge Rennöfen – Stücköfen – Floßöfen –
Holzkohlehochöfen – Kokshochöfen – Direktreduktion beschreibt annähernd die
geschichtliche Entwicklung bis zur Gegenwart. In Rennöfen wurden gereinigte Eisenerze mit
Holzkohle niedergeschmolzen. Anfangs wurden die Öfen mit dem natürlichen Luftzug
betrieben, später sorgten handbetriebene Blasebälge für den notwendigen Luftüberschuss. Das
Ergebnis dieses Reduktionsvorganges war ein etwa kindskopfgroßer Klumpen, der mit
Schlacke durchsetzt war. Dieser Klumpen aus schmiedbarem Eisen wurde als Luppe
bezeichnet. Durch wiederholtes Aufheizen und Schmieden wurden die Schlackenreste
ausgetrieben. Die Luppen wurden dann meist sofort in Fertigerzeugnisse umgewandelt. An
dieser Verfahrensweise änderte sich bis ins Mittelalter grundsätzlich nichts. Die immer
bessere Ausnutzung der Wärme in den Öfen, unterstützt durch wassergetriebene Blasebälge,
ließ die Temperaturen so weit ansteigen, dass der Einsatz aufgeschmolzen wurde und in
flüssiger Form anfiel. Mit diesem Produkt beginnt die Entwicklung des Hochofens.
Die Namensgebung belegt, wie sehr unerwünscht dieses flüssige Produkt anfangs war. Man
sprach von „rohem“ Eisen, Dreckseisen und im Englischen von „Pig iron“ (Schweineeisen).
Trotz alledem wurde dieses so unerwünschte Produkt „Roheisen“ das wichtigste
Ausgangsmaterial der heutigen Stahlerzeugung. Man konnte dieses rohe Eisen erst einsetzen,
wenn es, wie es damals hieß, „gereinigt“ worden war. Diesen Vorgang bezeichnete man
damals wie heute als „Frischen“. Hierbei werden unter der Einwirkung von Luftüberschuss in
der Hauptsache Kohlenstoff und weitere Begleitelemente herausgebrannt.
Parallel dazu wurde die Umformung des Stahls entsprechend der zur Verfügung stehenden
Energieform (Dampf, Strom) weiterentwickelt. Einen Überblick über die Entwicklung der
Technologie zur Stahlerzeugung und -umformung sowie der Weltrohstahlerzeugung gibt Bild
2.
8
Bild 2: Entwicklung der Technologie zur Stahlerzeugung und –umformung [Lit 28]
9
2 Eisen
2.1 Die Eisengruppe [Lit 12]
Unter der Eisengruppe versteht man nicht wie bei anderen Nebengruppen im Periodensystem
der Elemente (PSE) die drei untereinander stehenden Elemente Eisen, Ruthenium und
Osmium, sondern die drei in der VIII. Nebengruppe nebeneinander stehenden Elemente Eisen
(Fe), Kobalt (Co) und Nickel (Ni) (vgl. Tabelle 1), die sich chemisch ähnlicher sind als
erstere. Die Elemente weisen eine abnehmende Beständigkeit (zunehmende
Oxidationswirkung) der höchsten Oxidationsstufe auf, die numerisch mit der
Gruppennummer übereinstimmt. Gleichzeitig zeichnet sich die zweiwertige Stufe durch eine
höhere Stabilität aus. Daher tritt seltener der Gesamtzahl der Außenelektronen entsprechende
Maximalwertigkeit auf (Eisen ist maximal sechswertig, Kobalt maximal fünfwertig und
Nickel maximal vierwertig). Die zweiwertigen Stufen sind in der Reihenfolge Fe2+, Co2+, Ni2+
zunehmend beständiger. Am Aufbau der Erdrinde sind die Metalle der Eisengruppe mit 4,7
(Fe), 0,0037 (Co) und 0,015 (Ni) M.-% beteiligt.
2.2 Rohstoffe
Unter den Elementen der Eisengruppe hat Eisen mit Abstand die größte bautechnische
Bedeutung. Es liegt in magmatischen Gesteinen in der Regel in zweiwertiger Form vor,
während es in Verwitterungsprodukten meistens als dreiwertiges Eisen zu finden ist. Aus
Roheisen werden in mehreren Verarbeitungsschritten unter anderem Stahl und Gusseisen
hergestellt. Rohstoff für das Roheisen sind Eisenerze. Die Wichtigsten sind (Bild 3):
10
„Kiesabbrand“ enthält 60 – 65 % Eisen und wird u. a. für die Eisengewinnung
eingesetzt.
Die untere Grenze des Eisengehalts für einen wirtschaftlichen Abbau liegt bei etwa 18 %.
11
3 Metallkundliche Grundlagen
3.1 Eigenschaften der metallischen Strukturen [Lit 24]
Metalle zeichnen sich durch Valenzelektronen aus, die im so genannten Elektronengas frei
beweglich sind und dabei im Atomverband bleiben.
Da keine gerichteten Bindungskräfte vorliegen, welche die Struktur bestimmen, sind die
Anziehungskräfte in Metallen praktisch richtungsunabhängig. Damit ist die Voraussetzung für
die Bildung dichtester Packungen gegeben, das heißt, hohe Raumfüllung und hohe
Koordination der Atome. Die festen metallischen Elemente, Legierungen und Verbindungen
sind nach regelmäßigen Strukturen in einem atomaren Gitteraufbau gestapelt, den man als
kristallin bezeichnet. Kristalle haben richtungsabhängige (anisotrope) physikalische
Eigenschaften.
Die Atomrümpfe kann man sich als starre Kugeln vorstellen, die sich bei dichtest gepackten
Strukturen berühren. Jedes Atom kann so höchstens 12 nächste Nachbarn haben, das
entspricht der Koordinationszahl 12. Eine derartige Packung wird u. a. von einem kubisch-
flächenzentrierten (kfz) Gitter realisiert. Eine weitere, bei Metallen häufig auftretende
Struktur ist das kubisch-raumzentrierte (krz) Gitter. Seine Koordinationszahl beträgt 8, es
hat damit also auch eine hohe Raumfüllung.
Bild 4 zeigt maßstäblich die Gitterformen des Eisens anhand einer so genannten Elementzelle.
In der Darstellung werden nur die Kernmittelpunkte gezeigt. In Wirklichkeit berühren sich die
Atome, in der am dichtesten gepackten Ebene (grün eingezeichnet).
()-Eisen -Eisen
krz kfz
T < 911 °C und T > 1392 °C 911 °C T 1392 °C
Mischkristalle entstehen sowohl durch ungewollte Verunreinigungen als auch durch gewollte
Legierungszusätze. Bild 5 zeigt schematisch mögliche Gitterformen von Mischkristallen.
12
Werden Atome des Grundgitters durch Fremdatome ersetzt, z. B. Mangan, Nickel, Chrom in
Eisen, so entstehen Substitutionsmischkristalle (Austauschmischkristalle), bei denen die
beteiligten Elemente ein gemeinsames Kristallgitter aufbauen.
Elemente mit sehr kleinen Atomradien haben die Fähigkeit, sich in Zwischengitterplätze
einzubauen und interstitielle (eingelagerte) Mischkristalle zu bilden, z. B. Wasserstoffe,
Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff in Eisen.
Ein weiteres Ordnungsmerkmal ist die Lage des Schmelzpunktes: Metalle mit einem
Schmelzpunkt oberhalb 1750 °C werden als hoch schmelzend bezeichnet.
Die meisten Metalle sind unedel. Sie kommen in der Natur an der Erdoberfläche in Gestalt
von Verbindungen vor und haben das Bestreben, aus dem metallischen Zustand in die Form
chemischer Verbindungen mit Nichtmetallen zurückzukehren. Viele Metalle reagieren
13
deshalb sehr leicht mit aggressiven Flüssigkeiten und Gasen, mit Wasser und wässrigen
Lösungen; sie korrodieren.
In Bild 6 sind Abkühl- und Aufheizkurven von reinem Eisen zusammen mit den jeweiligen
Raumstrukturen dargestellt. Bei Raumtemperatur weist reines Eisen ein raumzentriertes Gitter
auf und wird -Eisen genannt. Zwischen 769 °C und 911 °C weist Eisen immer noch eine -
Struktur auf, ist jedoch unmagnetisch. Dieser Zustand wird auch -Eisen genannt. Im
raumzentrierten Gitter bilden 8 Atome die Eckpunkte, ein Atom befindet sich im
Schwerpunkt des gedachten Würfels. Beim Erwärmen auf eine Temperatur von 911 °C klappt
das raumzentrierte Gitter in ein flächenzentriertes Gitter um: 8 Atome bilden weiter die
Eckpunkte des gedachten Würfels, je ein Atom befindet sich zentrisch in einer Würfelfläche,
das Würfelinnere bleibt frei. Man spricht hier von einer allotropen Umwandlung in -
Eisen.Bei reinem Eisen verursachen nicht nur die Änderungen des Aggregatzustandes,
sondern auch Veränderungen im Gitteraufbau sowie der Umschlag vom ferromagnetischen in
den unmagnetischen Zustand Haltepunkte. Die Punkte werden mit „A“ (arrêt = Stillstand)
bezeichnet, der Zusatz „c“ kennzeichnet den Haltepunkt bei der Erwärmung (chauffage =
Erwärmung), der Zusatz „r“ den bei der Abkühlung (refroidissement = Abkühlung).
Beim Übergang in den festen Aggregatzustand ordnen sich die Atome. An einzelnen Stellen
der Schmelze bilden sich spontan Keime, die als Kristallisationszentren
14
(Kristallisationskeime) wirken. Oft werden die Keime auch durch Verunreinigungen gebildet,
die in den Metallen enthalten sind. Die Keime wachsen nach verschiedenen Richtungen mit
einer bestimmten Kristallisationsgeschwindigkeit, bis sie durch andere Keime in ihrem
Wachstum behindert werden. Die Form der Körner wird dadurch unregelmäßig.
Über die Art des Erstarrungsvorganges kann Einfluss auf die Festigkeitseigenschaften
genommen werden. Grobkörnige Erstarrungsbereiche können durch anschließende
Umformung oder Wärmebehandlungen feinkörniger ausgebildet werden. Feinkörniges
Gefüge hat gegenüber grobkörnigem die besseren Festigkeitseigenschaften.
Beim Erstarren von Legierungen kann es zur Ausbildung von Seigerungen kommen.
Hierunter versteht man das Entmischen einer vormals homogenen Schmelze. Man
unterscheidet Korn- und Blockseigerungen. Bei der Kornseigerung ändert sich der
Legierungsgehalt innerhalb des einzelnen Kristallkorns. Im Korninneren ist der Anteil an der
höher schmelzenden Komponente größer, während näher an den Korngrenzen die niedriger
schmelzende Komponente überwiegt. Bei der Blockseigerung (vgl. Kapitel 4.5.2) reichert
sich im Blockinneren die Restschmelze immer mehr an der niedriger schmelzenden
Komponente an.
Ein großer Teil der metallurgischen Vorgänge, z. B. die meisten Umwandlungsprozesse, sind
mit einer Wanderung der Atome verbunden, das heißt, mit einem Prozess, der als Diffusion
bezeichnet wird und der in allen drei Aggregatzuständen auftreten kann. Für die Metallkunde
hat die Diffusion im Festkörper eine große Bedeutung.
Die treibende Kraft der Diffusion ist das Bestreben, örtliche Konzentrationsunterschiede zu
verringern bzw. zu beseitigen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Diffusion in einem
System letztendlich zu einem thermodynamisch stabilen Zustand des Systems führt. Bei
gleichem Konzentrationsgefälle benötigen gleiche Mengen diffundierender Teilchen bei
Gasen einige Sekunden, bei Flüssigkeiten einige Minuten und bei festen Stoffen mehrere
Tage bis viele Jahre zum Konzentrationsausgleich.
Beim Abkühlen einer Stahlschmelze lösen -Eisen und -Eisen Kohlenstoff in ihrem Gitter
und bilden damit Einlagerungsmischkristalle. Das kubisch-raumzentrierte (krz) -Eisen
(Ferrit) (Kantenlänge 0,297 nm) besitzt infolge seiner dichten Kugelpackung nur noch
15
geringe Hohlräume für die Aufnahme von C-Atomen zwischen den großen Eisenatomen.
Ferrit ist relativ weich und korrosionsanfällig. Unterhalb der Curie-Temperatur von 769 °C
ist es ferromagnetisch, darüber paramagnetisch.
Kohlenstoff
Bild 7: Zementit
Das kubisch-flächenzentrierte (kfz) -Eisen (Austenit) (Kantenlänge 0,365 nm) besitzt
dagegen in seinem Gitter infolge der weniger dichten Kugelpackung einen wesentlich
größeren Hohlraum zwischen den Eisenatomen. Austenit ist der Haupt-Gefüge-Bestandteil
vieler nichtrostender Stähle und ist nicht ferromagnetisch. Er kommt bei Raumtemperatur nur
in Legierungen vor.
Damit die größeren C-Atome in den vorhandenen Hohlraum passen, müssen beide Gitter
aufgeweitet werden. Dennoch vermag das Gitter des -Eisens nur wenige C-Atome
einzulagern. Mit steigender Temperatur nimmt die Gitteraufweitung noch etwas zu (Bild 8).
Deshalb beträgt die maximale Lösungsmenge für Kohlenstoff für
• -Eisen dicht unterhalb 1500 °C: 0,1 % C,
• -Eisen bei 1147 °C: 2,06 % C und
• -Eisen bei 723 °C: 0,02 % C.
Für Stähle, deren Gefüge Fe3C = Eisencarbid (Zementit) enthalten, hat das metastabile
16
(sinngemäß: das über längere Zeit stabile) Zustandsschaubild Fe - Fe3C Bedeutung (Bild 9).
In Stählen wird durch weitere Legierungszusätze das Fe3C stabil gehalten. Deshalb wird hier
nur das metastabile System Fe - Fe3C betrachtet; die dabei angestellten Überlegungen gelten
sinngemäß auch für das System Eisen - Grafit. Technische Legierungen liegen nur selten über
einem Kohlenstoffgehalt von 5 %, daher ist nur die eisenreiche Seite des Diagramms bis
6,67 % von Interesse, entsprechend 100 % Fe3C. Der Kurvenverlauf im Schaubild wird durch
die unterschiedliche Löslichkeit des Kohlenstoffs im - und -Eisen vorgezeichnet. Zusätzlich
ist noch ein eutektoidischer Punkt zwischen - und -Eisen vorhanden. Hier tritt die
zugehörige Hochtemperaturphase als feste Lösung oder Mischkristall auf und nicht als
Schmelze. Deshalb wird der Umwandlungspunkt mit der tiefsten Temperatur eutektoidisch
(ähnlich einem Eutektikum) genannt.
17
bei einer Temperatur und nicht in einem Temperaturintervall. Unterhalb von 723 °C
entstehendes Perlit besteht zu 88 % aus Ferrit und zu 12 % aus Zementit. Die Massenanteile
der einzelnen Phasen lassen sich für alle Zusammensetzungen im gesamten
Temperaturbereich nach dem Hebelgesetz (vgl. „Einführung in die Bauchemie“, Kapitel 4.5)
ermitteln.
Auf der von den Punkten PSK gebildeten Isothermen stehen drei Phasen miteinander im
Gleichgewicht: Ferrit mit 0,02 % C, Austenit mit 0,8 % C und Zementit mit 6,69 % C. In
Abhängigkeit vom Kohlenstoffgehalt der Legierung ändern sich nur ihre Massenanteile. Der
eutektoidische Bereich wird unterteilt in untereutektoidische Legierungen mit einem
Kohlenstoffgehalt bis höchstens 0,8 % C sowie in übereutektoidische Legierungen mit einem
Kohlenstoffgehalt von 0,8 bis 2,06 % C.
Abkühlen
Die beschriebenen Vorgänge kehren sich bei der Abkühlung genau um: Ein Stahl mit 1,8 % C
besteht bei 1080 °C aus reinem Austenit. Dicht unterhalb dieser Temperatur wird die Linie S-
E erreicht, und damit beginnt das Abscheiden voreutektoidischen Sekundär-Zementits bei
gleichzeitigem Verarmen des Austenits an Kohlenstoff (Bild 9). Mit fortschreitender
Abkühlung und weiterer Zementitausscheidung verringert sich der C-Gehalt des geringer
werdenden Austenitanteils entlang der Linie E-S zum Punkt S. Im eutektoidischen Punkt S
bei 723 °C zerfällt das Austenit und es werden gleichzeitig Zementit und Ferrit als Perlit
ausgeschieden (vgl. Bild 10e) und Bild 11 c).
Alle Eisen-Kohlenstoff-Legierungen mit mehr als 2,06 % C erstarren eutektisch, wobei die
durch die Punkte E, C und F begrenzte Isotherme und Eutektikale im Punkt C die
Gleichgewichtskurve für die drei Phasen Austenit mit 2,06 % C, Schmelze mit 4,3 % C und
Zementit darstellt.
Für die Abkühlung einer Schmelze mit 4,3 % C gelten zunächst die Überlegungen, die für die
eutektoidische Legierung angestellt wurden: bei 1147 °C erstarrt die Schmelze, wobei
18
gleichzeitig Zementit mit 6,69 % C und Austenit mit 2,06 % C gebildet werden, die
metallographisch als „Ledeburit" bezeichnet werden. Beim weiteren Abkühlen zerfällt der
Austenit, wobei teilweise Zementit abgeschieden wird und sich sein Kohlenstoffgehalt
entlang der Linie E-S verringert. Bei 723 °C stehen Zementit, Austenit mit 0,8 % C und Ferrit
im Gleichgewicht. Unterhalb 723 °C liegen nach erfolgter Austenitumwandlung im Ledeburit
nur noch Zementit und Perlit vor.
Die Legierungen mit einem Kohlenstoffgehalt von 2,06 % bis 4,3 % C werden als
untereutektisch bezeichnet. Eine Schmelze mit 2,5 % C scheidet bei Erreichen der
Liquiduslinie Austenitkristalle ab, deren Kohlenstoffgehalt etwa 0,95 % C beträgt. Eine
allmähliche Abkühlung verändert die Zusammensetzung der Schmelze entlang B-C zum
eutektischen Punkt C, da die mit der flüssigen Phase im Gleichgewicht stehenden
Mischkristalle entlang der Linie I-E immer kohlenstoffreicher auskristallisieren.
Bei 1147 °C stehen miteinander im Gleichgewicht: Schmelze mit 4,3 % C, Austenit mit
2,06 % C und erstmals Zementit. Die Schmelze erstarrt als eutektisches Gemisch von
Austenit und Zementit = Ledeburit. Beim weiteren Abkühlen zerfällt der gebildete Austenit,
wie oben beschrieben.
Der sich bei 723 °C entlang der Linie PSK vollziehende Austenit-Zerfall in Ferrit und
Zementit wird auch als Perlitbildung bezeichnet. Infolge der geringeren Löslichkeit des
Kohlenstoffs im Ferritgitter scheiden sich innerhalb eines Austenitkorns plattenförmige
Ferrit- und Zementitkristalle ab (Bild 11 b). Dieser wichtigste Umwandlungsvorgang des
19
Austenits (mit 0,8 % C bei 723 °C) ist die Grundlage der Wärmebehandlung der Stähle. Er
vollzieht sich in zwei Teilvorgängen:
2. Die eingelagerten C-Atome werden aus dem entstehenden -Gitter gedrängt und
müssen nach außen diffundieren, wo sie sich nach sehr langem Weg zu
Zementitplatten zusammenballen. Dazu ist wesentlich mehr Zeit notwendig als für die
Gitterumwandlung.
Der Name Perlit rührt vom perlmuttähnlichen Glanz des Gefüges unter dem Mikroskop her.
Die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärzementit bezieht sich lediglich auf die
Art der Ausscheidung. Im übereutektischen Bereich (über 4,3 % C) scheidet sich
grobkörniges Primärzementit aus der Schmelze ab. Kohlenstoffärmere Legierungen bilden
dagegen primär Austenit aus der Schmelze, der beim Abkühlen allmählich den feinkörnigen
Sekundärzementit entstehen lässt.
1: Ferrit
2: Perlit
3: Sekundärzementit
4: Primärzementit
5: Ledeburit
Bild 10: Schematische Darstellung verschiedener Gefügetypen von Stahl und Gusseisen
20
Bild 11: Verschiedene Gefügeausbildungen von Stahl und Gusseisen mit
unterschiedlichem Kohlenstoffgehalt
21
4 Vom Erz zum Stahl
4.1 Allgemeines
Die Erzeugung von Roheisen ist der erste Schritt auf dem Weg zum Stahl. Die
Stahlproduktion folgt heute großtechnisch zwei Prozesslinien:
• Prozesslinie mit Elektrolichtbogenofen und
• klassische Prozesslinie mit Hochofen und Sauerstoffblaskonverter.
Die erste Prozesslinie für die Herstellung von Rohstahl nutzt die 100 %ige Recyclingfähigkeit
des Stahles aus. Aufbereiteter und speziell ausgewählter Schrott dient in diesem Fall als
Ausgangsmaterial, das über zwei Grafitelektroden in einem Lichtbogen zusammen mit
Zuschlagstoffen erschmolzen wird. Die weitere Verfeinerung erfolgt in den gleichen Schritten
wie in der Prozesslinie mit Hochofen und Sauerstoffblaskonverter (s. u.), allerdings ist das
Entfernen bestimmter Begleitelemente (Cu, S, P) schwieriger. Wesentliche Vorteile der
Prozesslinie mit Elektrolichtbogenofen sind die im Vergleich zur klassischen Prozesslinie
günstigeren Investitionskosten und der geringere Energieverbrauch [Lit 13].
22
Bild 13: Reduktionsprozesse im Hochofenprozess
Durch die Verbrennung der Kohle steigt die Temperatur im unteren Teil des Hochofens im
Bereich der Frischluftzufuhr bis auf 2000 °C. Bei den hohen Temperaturen wird die Kohle
über Kohlendioxid in Kohlenoxid überführt (Bild 14) (Boudouard-Gleichgewicht).
C + O2 CO2 + 397,8 kJ
172,6 kJ + CO2 +C 2 CO
2C + O2 2 CO + 221,2 kJ
23
Bild 14: Volumenprozente Kohlendioxid und Kohlenoxid im Boudouard-Gleichgewicht
Das heiße Kohlenoxid reduziert die Eisenoxide der darüber liegenden Schicht zu Eisen und
wird selbst in Kohlendioxid überführt:
In der folgenden Koksschicht wird das Kohlendioxid gemäß Bild 14 wieder in Kohlenoxid
umgewandelt, das dann von neuem als Reduktionsmittel wirkt. In summa erfolgt eine stark
endotherme direkte Reduktion der Eisenoxide durch den Kohlenstoff.
In den weniger heißen höheren Schichten (T < 900 °C) der Reduktionszone stellt sich das
Boudouard-Gleichgewicht nicht mehr in ausreichender Geschwindigkeit ein. Die Reduktion
erfolgt hier nur noch durch das im aufsteigenden CO/CO 2-Gemisch enthaltene Kohlenoxid
(schwach endotherme indirekte Reduktion). Hierbei bildet sich FeO und nur zu kleinen Teilen
Eisen.
Durch die zusätzliche Aufnahme von Kohlenstoff im Eisen sinkt der Schmelzpunkt des
reduzierten Eisens von 1536 °C (Bild 6) auf 1100 – 1200 °C. Das schmelzflüssige Eisen
durchläuft den glühenden Koks und die Schlacke und sammelt sich im unteren Teil des
Hochofens. Die leichtere Schlacke schwimmt auf dem Eisen und schirmt es so gegen die
oxidierende Wirkung der eingeblasenen Luft ab. In den oberen kälteren Teilen des Hochofens
(T < 400 °C) erfolgt keine Reduktion.
Nach Abschluss der Reduktion der Eisenverbindungen wird der Hochofen abgestochen,
wobei zuerst die flüssige Hochofenschlacke abfließt, danach das flüssige Roheisen. Eine
Trennung von Schlacke und Eisen ist wegen des Dichteunterschiedes beider Stoffe leicht
24
möglich: Das schwere Eisen sammelt sich an der untersten Stelle des Ofens. Das Roheisen
wird nach dem Abstich entweder flüssig dem Stahlwerk zugeführt oder für die weitere
Verarbeitung zu Roheisenblöcken vergossen. Danach durchläuft das Roheisen noch
verschiedene Prozesse, bis es schließlich als Stahl (Kohlenstoffgehalt ≤ 2,06 %) oder
Gusseisen (Kohlenstoffgehalt > 2,06 %) vorliegt (vgl. Kapitel 3.4).
Der Hochofenprozess erzeugt aus 2 t Erz, 1 t Koks, 0,5 t Zuschlag und 5,5 t Luft
durchschnittlich 1 t Eisen, 1 t Schlacke und 7 t Gichtgas (Heizwert ~ 4 GJ/m 3).
Das Roheisen enthält nach dem Verlassen des Hochofens noch einen recht hohen Anteil
Kohlenstoff (2 bis 6 M.-%), der das abgekühlte Roheisen sehr hart und spröde macht. Beim
Erhitzen erweicht das Roheisen nicht allmählich, sondern plötzlich. Daher verhindert der hohe
Kohlenstoffgehalt sowohl das Schmieden als auch das Schweißen von Roheisen.
4.4.1 Roheisenentschwefelung
Entschwefelung kann grundsätzlich über die Gasphase, durch Diffusionsausgleich mit einem
im Eisen gelösten Metall (Ce, Ca, Mg, Na, Mn) oder über die Schlacke erfolgen. Im Betrieb
gibt es zwei Möglichkeiten (Bild 15) [Lit 19]:
1. Entschwefelung von Roheisen mit CaO, Soda oder Mn (im Roheisenmischer);
2. Entschwefelung bei der Stahlherstellung (im Sauerstoffblaskonverter, im
basischen Elektrolichtbogenofen während der Frischperiode).
25
4.4.2 Stahlherstellungsverfahren [Lit 24, Lit 32]
Die eigentliche Stahlherstellung beginnt mit der Frischreaktion. Hierbei wird Sauerstoff in
flüssiges Eisen geblasen. Durch Energie- bzw. Sauerstoffzufuhr wird im Wesentlichen dem
Eisen der überwiegende Teil des Kohlenstoffs entzogen, bis Kohlenstoffgehalte für Baustähle
in der Größenordnung von 0,1 bis 0,5 % vorliegen. Solche Kohlenstoffgehalte ergeben
einerseits eine ausreichende Festigkeit, ermöglichen die Walzbarkeit des Stahls und erlauben
das Schweißen (bis zu Kohlenstoffgehalten von etwa 0,25 %). Der Sauerstoff kann sich im
Verlauf der Frischreaktion im Eisen lösen und es bildet sich flüssiges FeO. An der
Grenzfläche Metall Oxid oxidiert das entstandene FeO die störenden Begleitelemente, wie
Si, Mn oder P:
• Si + 2 FeO SiO2 + 2 Fe
• Mn + FeO MnO + Fe
• 2 P + 5 FeO P2O5 + 5 Fe
Zur Verschlackung der Oxide wird CaO zugesetzt. Der Kohlenstoff reagiert mit dem im
flüssigen Eisen gelösten Sauerstoff.
• C + O CO
Bestimmte Eigenschaften des Stahles können durch das Legieren mit Nichteisenmetalle wie
Chrom, Nickel und Molybdän erzielt werden, wobei der Anteil der Legierungselemente bis
über 20 % (z. B. Chrom) gehen kann.
Bei den Blasverfahren wird das Roheisen mit Sauerstoff oder Luft gefrischt. Der
Oxidationsprozess, der den Kohlenstoffanteil senkt (das Frischen), liefert in diesen Verfahren
genug Wärme, um den Stahl flüssig zu halten, eine externe Wärmezufuhr ist in den
Konvertern deshalb nicht notwendig. Die Blasverfahren kann man zusätzlich in
Aufblasverfahren und Bodenblasverfahren unterteilen. Zu den Bodenblasverfahren gehören
das Bessemerverfahren, das Thomasverfahren, die Rennfeuer und frühen Hochöfen. Das
bekannteste Aufblasverfahren ist das LD-Verfahren.
Bei den Herdfrischverfahren wird der zur Oxidation notwendige Sauerstoff dem zugesetzten
Schrott und Erz entnommen. Außerdem muss den Herdfrischkonvertern extern Wärme
zugeführt werden. Die bekanntesten Herdfrischverfahren sind das Siemens-Martin-Verfahren
und der Elektroofenprozess.
Die Verfahren zum Erzeugen des Rohstahls haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert.
Die Mitte des letzten Jahrhunderts gebräuchlichen (Siemens-Martin-Verfahren und Thomas-
Verfahren) wurden inzwischen vollständig verdrängt (Bild 16).
4.4.2.1 LD-Verfahren
Im Konverter (engl.: Basic Oxygen Furnace (BOF)) wird nach dem Linz-Donawitz- oder LD-
Verfahren durch eine Lanze Sauerstoff auf das Schmelzbad im Konverter geblasen, so werden
unerwünschte Begleitstoffe oxidiert und können dann als Schlacke abgestochen werden.
Durch Zugabe von Schrott und Erz von bis zu 25 % der Gesamtcharge wird die Schmelze
gekühlt, da der Oxidationsprozess eine starke Wärmeentwicklung verursacht. In den
Konverter muss flüssiges Roheisen chargiert werden, da das Verfahren die Einsatzstoffe nicht
aufschmelzen kann. Ein Konverter fasst bis zu 400 t Rohstahl. Neben Roheisen und Schrott
werden Kalk zur Schlackenbildung und Legierungsmittel eingesetzt. Der Blasprozess dauert
ca. 20 Minuten. Der fertige Stahl wird durch Kippen des Konvertergefäßes in Pfannen
26
abgestochen. Inzwischen existieren mehrere Varianten des LD-Verfahrens, bei dem etwa
gleichzeitig Sauerstoff und anschließend Argon durch Bodendüsen eingeleitet werden (LBE,
Lance Bubbling Equilibrium) [Lit 29, Lit 32].
4.4.2.2 Elektrostahl-Verfahren
Bei den Elektrostahl-Verfahren wird die zum Schmelzen erforderliche Wärme durch einen
Lichtbogen oder durch Induktion erzeugt.
Der Lichtbogenofen wird mit Schrott, Eisenschwamm und Roheisen beschickt. Außerdem
werden noch Kalk zur Schlackenbildung und Reduktionsmittel zugegeben. Der von den
Grafitelektroden zum Schmelzgut verlaufende Lichtbogen hat selbst eine Temperatur bis zu
27
3500 °C und erzeugt in der Stahlschmelze Temperaturen bis zu 1800 °C. Deshalb können
auch schwer schmelzbare Legierungselemente wie Wolfram und Molybdän als
Ferrolegierungen eingeschmolzen werden. Zusätzliches Einblasen von Sauerstoff oder
anderer Brennstoff-Gasgemische beschleunigt den Einschmelzprozess. Wenn die gewünschte
chemische Zusammensetzung und Temperatur des Stahles erreicht ist, wird der Ofen durch
Kippen in eine Pfanne entleert [Lit 29, Lit 32].
Mit dem Lichtbogenofen lässt sich jede Stahlsorte bei völliger Unabhängigkeit vom Einsatz
(Schrott, DRI (direct reduced iron), Roheisen sowie beliebige Mischungen) erschmelzen.
Außer dem Drehstrom-Lichtbogenofen, der mit drei Grafitelektroden arbeitet, wird heute
Rohstahl auch im Gleichstromlichtbogenofen mit nur einer Elektrode hergestellt. Mit
Lichtbogenöfen können alle Stahlsorten hergestellt werden.
4.4.2.3 Energieoptimierungsofen
Der Energieoptimierungsofen (Energy Optimizing Furnace (EOF)) stellt ein Sonderverfahren
dar (Bild 19). Das Aggregat besteht aus einem Vorwärmbereich und dem Schmelzofen.
Roheisen und Schrott werden unter geringem Einsatz von Primärenergie (Kohle und
Sauerstoff) zu Stahl verarbeitet. Darin lassen sich die Verfahrensschritte Schrottvorwärmen,
Kohlezugabe, Sauerstoffblasen und Nachverbrennung kombinieren. Der EOF eignet sich zur
Stahlerzeugung für integrierte Stahlwerke oder Ministahlwerke [Lit 19].
4.4.3 Sekundärmetallurgie
Nach dem Frischen ist der Stahl mit Sauerstoff übersättigt. Hohe Sauerstoffgehalte machen
den Stahl alterungsanfällig (> 0,03 %) und rotbrüchig (> 0,07 %) was bedeutet, dass beim
Warmverformen Risse entstehen können. Aus diesem Grund muss der Sauerstoff aus dem
Stahl entfernt werden, er muss desoxidiert werden.
Die Desoxidation bezeichnet die Verfahren zum Entfernen von überschüssigem Sauerstoff
(aus Frischprozess) aus Stahlschmelzen. Der Sauerstoffgehalt ist dabei so weit abzusenken,
dass die Erstarrung ohne Blasenbildung abläuft. Desoxidiert wird in der Pfanne oder im
28
Elektrolichtbogenofen. Man unterscheidet Desoxidation über die Gasphase,
Fällungsdesoxidation und Diffusionsdesoxidation, auch in Kombination mit synthetischen
Schlacken [Lit 19].
4.4.3.1 Fällungsdesoxidation
Beim Abkühlen reagiert der in Form von FeO vorliegende Sauerstoff im Stahl mit
Kohlenstoff:
• FeO + C CO + Fe.
Bei C-Gehalten > 0,2 % des Stahles wird so ausreichend Sauerstoff abgebunden und aus der
Schmelze entfernt. Bei niedrig gekohlten Stählen (C < 0,1 %) verbleiben dagegen sehr hohe
Sauerstoffmengen im Stahl. Die Fällungsdesoxidation erfolgt hier über die Zugabe von
Elementen, die gegenüber dem Eisen eine hohe Affinität zu Sauerstoff besitzt. In Reihenfolge
zunehmender Affinität sind dies:
• Mn, V, Si, Ti, B und Al.
Je nach Grad der Desoxidation unterscheidet man zwischen unberuhigtem, beruhigtem und
besonders beruhigtem Stahl. Bei unberuhigtem Stahl (FU, früher: U) bringen die
entstehenden gasförmigen Reaktionsprodukte (CO) die Schmelze in Bewegung und reißen
vorhandene Verunreinigungen zur Mitte und nach oben hin mit. Dadurch kommt es bei
Blockguss (s. Kapitel 4.5.2) im Kern und am Kopf zu unerwünschten Anhäufungen von
Kohlenstoff, Phosphor und Schwefel, diese werden mit Seigerungen (Entmischungen)
bezeichnet.
29
Beim beruhigten Stahl (FN, früher: R) wird durch die Zugabe von Silicium die Bildung
von SiO2 erreicht, dieses Oxid kann vom Kohlenstoff nicht reduziert werden und die CO-
Bildung wird vermieden; der Stahl erstarrt beruhigt. Die Verunreinigungen verteilen sich
wesentlich gleichmäßiger über den Stahlquerschnitt.
Durch Zugabe von Aluminium (z.B. mindestens 0,020% Alges.) erhält man besonders
beruhigten Stahl (FF, früher: RR). Die hohe Sauerstoffaffinität von Al führt zur Bildung
von fein verteilten Tonerdeeinschlüssen (Al2O3). Zusätzlich wird die Alterungsbeständigkeit
des Stahls durch Abbinden von Stickstoff erhöht. Der übliche Richtwert ist ein Verhältnis
Mindestaluminium zu Stickstoff von 2:1, wenn keine anderen Stickstoff abbindenden
Elemente vorhanden sind. Das Ergebnis ist ein sehr "sauberer", feinkörniger und sehr zäher
Stahl, der sich sehr gut verformen und schweißen lässt.
4.4.3.2 Vakuumbehandlung
Die Vakuumbehandlung von Metallen zielt darauf, schädliche Gase aus Schmelzen zu
entfernen oder während der Behandlung fernzuhalten. Von den verschiedenen Verfahren ist
die Pfannenstandentgasung die technisch einfachste Methode zur Entgasung von Schmelzen.
Bei dieser Methode stellt man die gesamte Pfanne in ein Gefäß, in dem dann der Unterdruck
erzeugt wird. Die Schmelze wird entweder induktiv oder durch Einleiten von Spülgasen (z.B.
Argon) in Bewegung gehalten. Der flüssige Stahl wird aufgrund des Druckabfalls in viele
kleine Teile zerlegt. Die damit auftretende Oberflächenvergrößerung bewirkt eine sehr gute
Entgasung der Schmelze. So lässt sich die Entgasung beschleunigen und eine
Homogenisierung des Bades erreichen. Dies ist auch günstig für die Legierungstechnik.
Zusätzliche Beheizung mit Lichtbogen oder Induktionsspulen helfen, Wärmeverluste zu
kompensieren. Die Vakuumbehandlung gewinnt für die Herstellung hochwertiger Stähle
zunehmend an Bedeutung (Bild 20). Durch das Vakuum werden Kohlenstoff, Schwefel,
Wasserstoff, Stickstoff und einige flüchtige Verunreinigungen (Sn, Cu, Pb, Sb) entfernt,
Metalloxide über Kohlenstoff Sauerstoffreaktionen reduziert. Das Vakuumverfahren
gestattet eine sehr genaue Kontrolle der Zusammensetzung der Stahllegierung mit einer
Genauigkeit von 0,001 % [Lit 19, Lit 29].
Der Strangguss hat den Blockguss inzwischen weitgehend verdrängt (Bild 21).
Eine neue Entwicklung zum Vergießen des Stahls stellt das endabmessungsnahe Gießen oder
Gießwalzen dar, da dadurch bei der Erzeugung der Stahlflachprodukte erhebliche Walzarbeit
eingespart wird. Beim Dünnbrammengießen sollen Gießdicken von 50 bis 90 mm, beim
Vorbandgießen 10 bis 15 mm und beim Bandgießen 1 bis 5 mm erreicht werden. Das
Gießwalzen mit der Dünnbrammentechnologie ist inzwischen eine weltweit etablierte
Technik [Lit 29].
4.5.1 Strangguss
Der Strangguss ist ein (halb-)kontinuierliches Umformverfahren. Dafür wird eine bodenlose
gekühlte Kokille verwendet, in die der flüssige Stahl gegossen wird. Innerhalb der Kokille
erstarrt die Strangschale, die dann in Gießrichtung abgezogen wird und den flüssigen Kern
umschließt. Nach dem Verlassen der Kokille wird die Strangschale weiter mit Wasser
gekühlt, bis der Strang vollständig erstarrt ist. Die Querschnittsform eines Stranges wird
durch das herzustellende Fertigerzeugnis und den dazu notwendigen Verarbeitungsweg
bestimmt. Bei quadratischen Strängen sind Seitenlängen zwischen 100 mm und 350 mm
gebräuchlich. Das Stranggießverfahren wird bisher bevorzugt für beruhigt vergossene Stähle
angewendet. Entsprechend der Kokillenausbildung wird zwischen horizontalen, vertikalen
und gebogenen Stranggussanlagen unterschieden.
Während in einer gebogenen Anlage einige Luftblasen nicht mehr nach oben steigen können
und sich im erstarrenden Stahl festsetzen, können in den vertikalen Anlagen die Luftblasen
nach oben steigen (Bild 23). Dieser Prozess wird durch die so genannte „Soft-Reduction“
unterstützt. Sie verhindert das Ausbilden von Lunkern und Makroeinschlüsse (Bild 24).
31
Pfanne
Tundish
Kokille
Rollenstützgerüst mit
Soft-Reduction
Bieger
Brennschneidanlage
Bild 23: Verteilung des Sauerstoffs über den Brammenquerschnitt in einer vertikalen
Anlage (links) und einer gebogenen Anlage (rechts) [Lit 4]
32
flüssiger Kern flüssiger Kern
erstarrte erstarrte
Soft - Reduction
Stranggussschale Stranggussschale
Rollengerüst Rollengerüst
Lunker und
Makro-Einschlüsse
4.5.2 Blockguss
Blockguss ist ein diskontinuierliches Umformverfahren, bei dem die Schmelze satzweise in
Kokillen abgegossen wird und darin erstarrt. Je nach Art der Befüllung der Kokille
unterscheidet man fallenden, steigenden oder Gespannguss [Lit 19]. Der Blockguss ist in der
modernen Technologie der Stahlherstellung nahezu vollständig durch den so genannten
Strangguss ersetzt worden (vgl. Materialstrom in Bild 12). Das Blockgießen wird nur für
spezielle Stahlsorten und im Bereich der Baustähle ausschließlich dann angewendet, wenn die
Abmessungen des Halbzeugs aus dem Stranggießverfahren nicht ausreichen, z. B. für
Grobblech mit Stückgewichten über 30 t [Lit 13] für die Weiterverarbeitung durch Schmieden
und bei schlecht zu vergießenden Legierungen.
Der Stahlguss schrumpft beim Abkühlen bis zu 3 Vol.-%. Je nach Erstarrungsart bildet sich
dadurch am Kopf oder in Blockmitte ein Schrumpfungshohlraum, der als Lunker bezeichnet
wird (Kopflunker, Innenlunker). Bei der Weiterverarbeitung muss darauf geachtet werden,
dass sich diese Fehlstellen verschweißen. Geschieht dies nicht, spricht man von Dopplungen
(Werkstofftrennungen).
Das Ausbringen bei der Weiterverarbeitung von Blöcken ist zudem durch die Kopfseigerung
grundsätzlich schlechter als bei Strangguss. Diese Seigerungen sind Anreicherungen der
Stoffe mit den niedrigsten Schmelzpunkten in der Mitte des Blocks.
Die Abgrenzung zwischen Warm- und Kaltwalzen erfolgt durch die Temperatur: Beim
Warmwalzen liegt die Walztemperatur immer oberhalb Rekristallisationstemperatur.
33
4.6.1 Warmwalzen
Die zunächst erkalteten Blöcke bzw. Stränge werden im Warmwalzwerk wieder bis zum
rotglühenden Zustand (900 °C bis 1300 °C) aufgeheizt und dann auf die gewünschte
Profilform ausgewalzt. Ein Walzprodukt mit einem derartigen Werdegang (Verfahren A in
Bild 25) wird als warm gewalzt, als unbehandelt („U“, das heißt nicht kalt verformt) oder
auch als naturhart bezeichnet.
Das Walzen erfolgt in der Regel zwischen Temperaturen von 1100 °C bis 1200 °C, immer
oberhalb Rekristallisationstemperatur (vgl. Bild 25). Jeder Walzstich beim Warmwalzen
reduziert die Dicke und erhöht die Länge des Walzgutes und führt zu einer „Zerstörung“ des
Gefüges. Allerdings setzt bei ausreichend hohen Temperaturen unmittelbar nach der
Umformung die „Rekristallisation”, d. h. die Kornneubildung, ein. Bei mehreren Walzstichen
führt das wiederholte Durchlaufen der Schritte Warmumformung und Rekristallisation nach
und nach zu einer Verfeinerung des groben Gussgefüges.
Die Entwicklung der Baustähle zielte seit etwa 1985 auf eine verbesserte Schweißeignung der
Stähle. Dies wurde durch ein Reduzieren der Legierungselemente, insbesondere des
Kohlenstoffs, erreicht. Die dadurch verminderten Festigkeitseigenschaften wurden
kompensiert durch eine geeignete Kombination aus Walz- und/oder
Wärmebehandlungsverfahren. Diese Kombination wird als thermomechanisches Walzen
(TM-Walzen) bezeichnet.
Bild 25 zeigt die Möglichkeiten des TM-Walzens im Vergleich zu den beiden klassischen
Verfahren,
• dem Walzen bei hohen Temperaturen mit anschließendem Normalglühen und
• dem normalisierenden Walzen,
die dadurch gekennzeichnet sind, dass das Walzen und die Wärmebehandlung bei
Temperaturen oberhalb von 900 °C (-Gebiet) abgeschlossen sind (Verfahren B und C in Bild
25). Diese Stähle tragen die Bezeichnung N als Lieferzustand, da diese Stähle später bei
Temperaturen oberhalb 900 °C umgeformt werden können, ohne ihre mechanischen
Eigenschaften zu verlieren [Lit 13].
34
Bild 25: Walz- und Wärmebehandlungsverfahren [Lit 13]
Bei TM-Walzen werden die Eigenschaften durch eine exakt definierte Abfolge mehrerer
Walz- und Kühlsequenzen mit sehr niedrigen Endwalztemperaturen (zwischen 900 °C und
700 °C) erreicht. Der Rekristallisationsprozess des Austenits wird beim TM-Walzen durch
Zugabe von Mikrolegierungselementen (MLE) (Niob, Titan und Vanadium) verzögert.
Gegebenenfalls wird zusätzlich ein beschleunigtes Abkühlen (ACC = Accelerated Cooling)
zwischen den Walzsequenzen oder als Endkühlung angewendet (Verfahren F in Bild 25).
Durch ein zusätzliches Abschrecken und Selbstanlassen (QST = Quenching and Self-
Tempering) wird die Stahloberfläche nach dem Abschrecken durch den noch heißen Kern
wieder aufgeheizt. Ein weiteres Behandlungsverfahren ist das Vergüten aus der Walzhitze
(DQ = Direct Quenching). Diese Behandlung erzeugt ein sehr feinkörniges Gefüge hoher
Festigkeit verbunden mit wesentlich erhöhter Zähigkeit. Die Verfahren werden nicht strikt
getrennt, sondern gehen je nach Anforderung fließend ineinander über.
Die Kaltverformbarkeit ist ein Merkmal von Baustoffen mit ausgeprägt elastoplastischem
Verhalten. Sie tritt daher nur bei Metallen auf und ist abhängig vom kristallinen Aufbau und
somit von der Möglichkeit, innerhalb der Kristallite Gleitebenen zu bilden: Nach dem
Überschreiten des elastischen Bereiches tritt unter der Einwirkung von Schubspannungen eine
Verschiebung einzelner Kristallite entlang strukturbedingter Gleitebenen ein: Der Stahl fließt.
Mit zunehmender Verformung erschöpft sich das Fließvermögen immer mehr, erkennbar an
einer Verfestigung des Stahls. Die Metallkunde erklärt das Fließen als eine Wanderung von
Kristallfehlern (Versetzungen). Die Verfestigung eines Vielkristalls ist dann gleichbedeutend
mit einem Aufstau von Versetzungen vor Hindernissen, z. B. Korngrenzen, und einer
Aktivierung von ungünstiger gelegenen Gleitebenen. Die festigkeitssteigernde Wirkung dieser
Verspannungen des Gitters wird durch Diffusionsvorgänge noch gesteigert.
Schon eine geringe spätere Erwärmung kalt verformter Metalle ruft zwei Erscheinungen
hervor: Die verformten Kristalle entspannen sich (Kristallerholung), wodurch die
Stoffeigenschaften in Richtung auf die Ausgangswerte vor der Kaltverformung zurückgehen
35
können. Dies wird bewusst angewandt, wenn die mit der Kaltverformung verbundene
Versprödung unerwünscht ist, z. B. beim mehrmaligen Kaltziehen von Drähten. Sonst ist
jedoch Vorsicht geboten, da eine gewünschte Festigkeitserhöhung durch eine Wärmewirkung
im Rekristallisationsbereich (Schweißen, Glühen, Brand) völlig rückgängig gemacht wird.
Die verschiedenen Verfahren der Kaltverformung sind:
• Kaltwalzen:
für dünne Bleche, Folien, Bandstahl und Rohre. Durch das Strecken ergeben sich in
Längsrichtung höhere Festigkeiten als in Querrichtung (Anisotropie).
• Kaltpressen und Kaltschlagen:
für Schrauben, Muttern, Drahtstifte, Leichtstahlprofile und profilierte Bleche
(Tiefziehen)
• Kaltziehen und Kaltrecken:
für Drähte, Rohre und Betonstahl
4.7 Umwandlungen
Die Stahleigenschaften ändern sich mit zunehmender Abkühlgeschwindigkeit in Richtung
steigender Härte. Bei sehr schnellem Abkühlen wandelt sich das Austenit in Martensit um.
Dabei klappt das flächenzentrierte Raumgitter des Austenits schlagartig in das raumzentrierte
Martensitgitter um. Der gelöste Kohlenstoff bleibt durch die schlagartige Umwandlung im
raumzentrierten Gitter in Zwischengitterplätzen zwangsgelöst. Die daraus resultierenden
hohen Gitterspannungen führen zu hoher Festigkeit, sind aber durch die Aufweitung des
Gitters infolge der Kohlenstoffeinlagerung auch mit einer Versprödung verbunden.
Temperatur T
T0 = A3
T3, t3
Bainit
(Zwischenstufe)
Ms
T2, t2
Martensit
Abkühlzeit (log t)
Bild 26: ZTU-Schaubild bei kontinuierlicher Umwandlung
Da die Bildung des Martensits infolge der schnellen Abkühlung nur schwer zu steuern ist,
erreicht man durch erneutes Erwärmen, dass sich ein Teil der C-Atome durch die bei erhöhten
Temperaturen verbesserte Diffusionsfähigkeit von Kohlenstoff wieder aus der Zwangslage im
Gitter befreit und somit der Härteeffekt vermindert wird (vgl. Bild 25).
36
4.7.1 Wärmebehandlung von Stählen
Die Wärmebehandlung ist nach DIN 17014 das planmäßige Aussetzen eines Bauteils unter
Temperatur-Zeit-Folgen und ggf. andere physikalische und/oder chemische Einwirkungen mit
dem Ziel, Eigenschaften zu erreichen, die für die Weiterverarbeitung oder Verwendung
erforderlich sind. Es können Ausbildung und Gleichmäßigkeit des Gefüges sowie
Eigenspannungszustand des Bauteils beeinflusst werden. Jede Wärmebehandlung besteht aus
gezieltem Erwärmen, Halten (Aufrechterhalten der gleichen Temperatur über den Querschnitt
eines Bauteils) und Abkühlen. Maßgebend für Auswirkung und Benennung der Behandlung
sind Temperatur und Dauer des Haltens sowie die Geschwindigkeit des Abkühlens. Unter
dem Oberbegriff Wärmebehandlung sind alle Arten
• des Glühens und
• des Härtens einzuordnen.
37
Bild 27: Zusammenhang zwischen verschiedenen Glüharten und dem Kohlenstoffgehalt
1. Spannungsarmglühen. Innere Spannungen, die beim Abkühlen eines Werkstücks
auftreten, werden mit diesem Glühverfahren abgebaut.
2. Weichglühen stellt einen - für die Weiterverarbeitung günstigen - weichen Zustand
her. Dabei werden auch Zementitteilchen kugelig eingeformt (GKZ-Glühen).
3. Normalglühen stellt ein gleichmäßig feinkörniges Gefüge mit Perlitanteilen ein.
Änderungen der mechanischen Eigenschaften von Stahl durch Kaltverformung oder
gezielte Vergütungsprozesse werden durch Normalglühen wieder rückgängig
gemacht, der Stahl kehrt von seinen Eigenschaften her zum unbehandelten
Ausgangszustand zurück.
4. Rekristallisationsglühen. Hier wird der Stahl über seine Rekristallisationstemperatur
hinaus erwärmt, damit eine Umbildung des Kristallgitters stattfinden kann. Diese
Wärmebehandlung kommt vorwiegend nach starker Verformung zum Einsatz.
5. Grobkornglühen dient zur Erzielung eines groben Korns. Hierdurch wird die
Spanbarkeit verbessert.
6. Diffusionsglühen ermöglicht die Beseitigung örtlicher Konzentrationsunterschiede
(Seigerung).
38
4.7.3 Härten
Das Härten ist eine Wärmebehandlung, die aus Austenitisieren und schnellem Abkühlen
(Abschrecken) besteht und das Ziel der Martensitbildung verfolgt. Entscheidenden Einfluss
auf die Stahleigenschaften hat die Abkühlgeschwindigkeit. Durch ein beschleunigtes
Abkühlen ist die für die Kohlenstoffdiffusion notwendige Zeit in der Regel nicht vorhanden,
die Kohlenstoffatome werden in ihrer Beweglichkeit behindert. Das Erwärmen nach dem
Härten heißt Anlassen. Beim Anlassen bis ca. 300 °C werden z. B. bei kalt verformten
Stählen Verbesserungen in den Dehnungseigenschaften erreicht, ohne dass die Festigkeit
nennenswert beeinflusst wird (Bild 28).
Der Gesamtvorgang aus Härten und Anlassen auf Temperaturen meist oberhalb von 550 °C
wird als Vergüten bezeichnet. Durch die Umwandlungshärtung wird die Festigkeit gesteigert,
zugleich aber auch das Gefüge neu gebildet und verfeinert. Zwar wird beim Anlassen die
zuvor erreichte Festigkeitszunahme teilweise wieder abgebaut, jedoch die Zähigkeit über den
ursprünglichen Wert hinaus erhöht.
Das Entmischen übersättigter Mischkristalle ist ein Vorgang, durch den die mechanischen und
physikalischen Eigenschaften einer Legierung in weiten Grenzen verändert werden können.
Da die Entmischungsvorgänge im Allgemeinen mit einer deutlichen Erhöhung der Festigkeit
der Legierung verbunden sind, spricht man auch von einer Aushärtung und versteht
dementsprechend unter Aushärten alle Maßnahmen zum Erzielen einer Festigkeitssteigerung
unter Ausnutzung der Temperaturabhängigkeit des Lösungsvermögens bei Mischkristallen.
Da diese Entmischung durch Diffusion in einem Festkörper erfolgt und damit eine längere
Zeitspanne beansprucht, verwendet man auch den Begriff Auslagerung zur Beschreibung der
Maßnahme, die eine Aushärtung zur Folge hat. Das Auslagern dient dem Zweck, aus
übersättigten Mischkristallen Kohlenstoff und Stickstoffverbindungen auszuscheiden, die
spröde und hart sind.
Der Begriff Alterung wird ebenfalls zum Beschreiben des Endzustandes einer Auslagerung
verwendet. Unter Alterung versteht man die Änderung der mechanischen und physikalischen
Eigenschaften mit der Zeit - als Folge der Diffusion interstitiell gelöster Teilchen. Bei Stahl
tritt dadurch eine Versprödung und damit ein Abfall des Verformungsvermögens ein. Die
Stoß- und Schlagempfindlichkeit steigen, zugleich werden Härte und Festigkeit größer.
39
Rm [N/mm2] A10 [%]
1600
1400
1200
1000
Rm
800
600
400 20
200 10
A10
0 0
0 200 400 600 800
Anlasstemperatur [°C]
Bild 28: Einfluss des Anlassens eines gehärteten Stahles (840°C / Wasser) mit 0,25 % C,
1 % Cr, 0,20 % Mo
Bei Betonstählen wird eine Aushärtung (Reckalterung) bis zu einem gewissen Grade
planmäßig angestrebt: Die Reckalterung ist die zeitliche Zunahme von Streckgrenze und
Zugfestigkeit bei gleichzeitiger Abnahme der Zähigkeit der kalt verformten Sorten. Sie tritt
nach einer Kaltverformung ab 2 bis 3 % und anschließendem Auslagern ein. Als Ursache für
die Versprödung sieht man die submikroskopische Ausscheidung von im Ferrit (-Eisen)
interstitiell gelöster Kohlenstoff- und Stickstoffatome auf den Gleitebenen der Kristallite an.
Man unterscheidet:
• Natürliche Alterung; sie tritt nach dem Kaltverformen und anschließendem Lagern
(einige hundert Stunden bis Monate, Jahre) bei Raumtemperatur ein.
• Künstliche Alterung; sie stellt sich nach dem Kaltverformen und anschließendem
kurzzeitigem Erwärmen (Minuten bis Stunden) auf 100 °C bis 300 °C ein.
Metalle, die durch eine Kaltverformung verfestigt wurden, haben das Bestreben, bei einer
späteren Erwärmung ihre ursprünglichen Eigenschaften wieder anzunehmen. Die dabei im
Gefüge ablaufenden Vorgänge können in zwei grundsätzlich verschiedene Prozesse der
Rückbildung des verformten Zustandes eingeteilt werden: Erholung und Rekristallisation.
Welcher der beiden Prozesse abläuft bzw. vorherrscht, hängt von Legierung,
Verformungsgrad und Erwärmungsverhältnis (Temperatur, Dauer) ab.
Bereits die Kristallerholung ist mit einer Entfestigung verbunden. Das Gefüge erfährt dabei
jedoch noch keine entscheidenden Veränderungen. Die verformten Kristallite behalten ihre
äußere Form bei, es ändern sich aber Zahl und Anordnung der Gitterfehler.
40
Aushärten bestimmter
Leichtmetalllegierungen
erwünscht
Künstliches Altern Natürliche Alterung
gehärteter Werkzeuge nach längerem
Auslagern bei
Alterversprödung Raumtemperatur
Aushärten weicher unlegierter Baustähle Künstliche Alterung
nach anschließendem
Abschreckalterung kurzzeitigem Erwärmen
unerwünscht Aushärten nach Abschrecken auf 100 °C bis 300 °C
von 700 °C Blausprödigkeit
Reckalterung bei Kaltverformung
Versprödung nach 2 bis 3 % im Gebiet von
Kaltverformung und Auslagern 250 °C bis 350 °C
41
5 Mechanische Eigenschaften von Stählen
5.1 Spannungs-Dehnungs-Linie
Die grundlegenden mechanischen Kenngrößen eines Stahles werden im einachsigen
Zugversuch bestimmt. Bei einem derartigen Versuch wird die Belastung langsam
(quasistatisch) bis zum Bruch gesteigert. Lasten und zugehörige Verformungen werden
kontinuierlich aufgezeichnet.
Stähle zeigen bis zu einer bestimmten Spannung ein rein elastisches Verhalten, das durch die
im Kristallgitter herrschenden Anziehungskräfte bestimmt ist. Es treten nur
Gitterverzerrungen in den Kristalliten auf, die sich bei Entlastung voll zurückbilden. Der
lineare Anstieg der Dehnung mit der Spannung wird durch den Elastizitätsmodul E
ausgedrückt (Hookesches Gesetz: = E · , EStahl ≈ 210000 N/mm2).
Die Dehnung ist bis zur Höchstspannung (Zugfestigkeit R m) gleichmäßig über die Länge der
Zugprobe verteilt. Bei weiterer Belastung schnürt jedoch der Stahl an einer Stelle ein, das
heißt, seine Quer- und damit auch seine Längsdehnung sind örtlich größer als im übrigen
Stahl. Die gleichmäßig über die Probe verteilte Dehnung, die Gleichmaßdehnung, wird also
durch die zusätzliche Dehnung an der Einschnürstelle, die Einschnürdehnung, überlagert.
Der Stahl versagt an dieser Stelle.
Wegen der großen Dehnungen jenseits der Streckgrenze (im Bereich von Prozenten) kann
dieser Bereich nicht mehr zur planmäßigen Aufnahme von Lasten bei der Bemessung
herangezogen werden. Die zulässige Stahlspannung wird deshalb grundsätzlich aus der Fließ-
bzw. Streckgrenze ermittelt:
42
Re
szul = .
g
Das plastische Verformungsvermögen von Stahl ist trotzdem eine für das Gebrauchsverhalten
von Baustählen entscheidende Materialeigenschaft. So wird beim Biegen von Stählen oder bei
Schraub- und Nietanschlüssen der plastische Bereich der Spannungslinie planmäßig aktiviert.
1: Nietanschluss 2: Biegen von Betonstahl
0,5
a u ß en 100 20% e l
2,5
Festigkeit C Korrosionsbeständigkeit Cr
Mn Ni
Cr, Ni, Cu, Al Mo
V, Nb Cu + P
Kaltverformbarkeit C Härtbarkeit C
Si Si
P, S Mn
Schweißbarkeit C
Mn
Bedeutung der Zeichen: verbesserte Eigenschaft
erheblich verbesserte Eigenschaft
verschlechterte Eigenschaft
erheblich verschlechterte Eigenschaft
44
5.3 Einfluss der Herstellverfahren und Behandlungsmethoden
Eine wesentliche Anforderung an moderne Baustähle ist ihre allgemeine Schweißbarkeit. Das
Erfüllen dieser Anforderung erfordert eine Begrenzung des Kohlenstoffgehaltes auf etwa
0,2 % C. Warm gewalzte, unbehandelte Stähle erreichen in diesem Fall Streckgrenzen in der
Größenordnung von Re = 300 bis 400 N/mm². Eine Erhöhung dieser Werte und damit der
nutzbaren Stahlspannungen ist entweder durch das Zulegieren von so genannten
Mikrolegierungselementen (z. B. Vanadium, Niob → Feinkornbaustähle), durch
Kaltverformen und durch Abschrecken mit Wasser unmittelbar nach dem Walzvorgang, als
Abschluss des Walzvorganges (wassergekühlte oder wasservergütete Stähle) oder durch das
thermomechanische Walzen möglich (vgl. Kapitel 4.6.1). In den genannten Fällen kann bei
gleich bleibendem Kohlenstoffgehalt die Streckgrenze auf R e = 500 bis 1100 N/mm²
gesteigert werden (Bild 34).
Bild 34: Entwicklung der höherfesten Stahlsorten in den letzten Jahren [Lit 15]
Für Spannstähle (im Spannbetonbau) sind zur Kompensation der Kriech- und
Schwindverluste des Betons wesentlich höhere Streckgrenzen erforderlich. Spannstähle
weisen deshalb höhere Kohlenstoffgehalte auf (und sind aus diesem Grund generell nicht
schweißbar) und werden generell behandelt (kalt verformt, vergütet bzw. kalt verformt und
vergütet).
45
Bild 35: Ausgerichtetes Gefüge eines kalt verformten Spannstahls St 1080/1330
Bild 36: Festigkeit- und Verformungsverhalten von Stahl in Abhängigkeit vom C-Gehalt
Im Gegensatz zu normalen unbehandelten Stählen weisen kalt verformte Stähle (Bild 37)
keine ausgeprägte Streckgrenze mehr auf, sodass eine der Streckgrenze äquivalente Spannung
(0,2 %-Dehngrenze; technische Streckgrenze Rp0,2, bei der die Probe eine bleibende
Dehnung von 0,2 % der Messlänge aufweist) festgelegt werden muss. Für Spannstahl wird
entsprechend die technische Streckgrenze Rp0,1 festgelegt.
46
[MPa] [MPa]
Rm
Rp0,2
Rm
Re
Festigkeits- und Verformungseigenschaften von Stählen können durch die Legierung (i. W.
Kohlenstoff und Mangan), durch Kaltverformung und durch Wärmebehandlung in weiten
Grenzen beeinflusst werden (Bild 38). Grundsätzlich gilt für alle Verfahren, dass
Maßnahmen, die zu Festigkeitssteigerungen führen, immer Einbußen im
Verformungsvermögen zur Folge haben (Bild 39).
47
Bild 38: --Linien und Brucheinschnürung in Abhängigkeit von der thermischen
Vorbehandlung (Bsp.)
Rm / Re [MPa]
1,3 Rm
Festigkeit Re
1,2 2
3
[%]
1,1
1
Dehnung
1,0
Kohlenstoff, Mangan 1: Kaltverformungsgrad
Kaltverformungsgrad 2: Mikrolegierungsanteile
Temperatur nach dem Härten 3: Wasserkühlung (+ Anlassen)
Bild 39: Grundsätzlicher Zusammenhang Festigkeit – Dehnung
5.4 Zähigkeit
Die Neigung eines Stahles zum spröden Trennbruch steigt bei Abnahme der Temperatur
sowie bei Zunahme der Verformungsgeschwindigkeit und der Räumlichkeit des
Spannungszustandes. Aus diesem Grunde eignet sich der Kerbschlagbiegeversuch, z. B. mit
der ISO-V-Probe (nach DIN 50 115) (schlagartige Beanspruchung, gekerbte Probe und damit
dreiachsiger Spannungszustand) besonders gut zur Beurteilung der Zähigkeit. Der
Kerbschlagbiegeversuch wird bei Baustählen sowohl in der allgemeinen Güteprüfung als ein
Merkmal zur Beurteilung der Schweißeignung eingesetzt, als auch zur Überwachung von
48
Wärmebehandlungen und Schweißarbeiten verwendet. Es wird dabei eine gekerbte Probe, die
verschieden groß, in der Kerbe verschieden geformt sein kann und mit den Enden an zwei
Widerlagern anliegt, durch einen einzigen Schlag auf einem Schlagwerk entweder
durchgebrochen oder durch die Widerlager gezogen und die verbrauchte Schlagarbeit A v
gemessen.
49
gekennzeichnet, die Differenz zwischen Ober- und Unterspannung wird als Schwingbreite
bzw. 2a bezeichnet.
Bei der Prüfung wird ein Spannungsausschlag vorgegeben und die Zahl der
Beanspruchungswechsel bis zum Bruch festgehalten. Trägt man diese erreichte
Bruchschwingspielzahl für verschiedene Spannungsausschläge auf, so erhält man die
Wöhlerkurven. Den Bereich der Kurve mit abnehmender Spannung bei zunehmender
Spielzahl nennt man den Bereich der Zeitfestigkeit. Unterhalb eines bestimmten
Spannungsausschlages tritt kein Bruch mehr auf, die Kurve hat den Bereich der
Dauerschwingfestigkeit erreicht. Für Stahl gilt der Spannungsausschlag als
Dauerschwingfestigkeit, bei dem eine Anzahl von 2 · 10 6 Schwingspielen ohne Bruch erreicht
wird.
Spannung
o Oberspannung
m Mittelspannung
o u Unterspannung
a a Spannungsausschlag
m 2a Schwingbreite der Spannung
2a
u
Zeit
Bild 41: Begriffe der Dauerschwingbeanspruchung
2a [N/mm2]
Dauerschwing-
festigkeit
50
Zug Zug
o
m o
1 2
m
0 0
Zug-Schwellbeanspruchung
+ +
0 3 0 4
- -
Wechselbeanspruchung Druck-Schwellbeanspruchung
o bzw. u
Re
1
2
51
o bzw. u [N/mm2]
200
5
35 zul st = 240 [N/mm2]
S
S
zul s = Re/1,75
20
t4
100
BS
-200 -100 100 200
m [N/mm2]
-100
zul s = Re/2,10
-200
zul st = -210 [N/mm2]
Bild 45: Smith-Diagramm für Baustahl S 355 und gerippten Betonstahl BSt 420 S
Bei höherer Temperatur ergibt sich durch die größere Beweglichkeit der Atome eine
Verringerung der Anziehungskräfte, das heißt, eine leichtere Verformbarkeit und
Verschieblichkeit der Kristalle und folglich auch eine kleinere Festigkeit.
Die Abminderung der Festigkeit bei Temperatureinwirkung zeigt Bild 46 für einen Baustahl
S 235 und Bild 47 für Spannstähle.
Re [N/mm2]
300
Brandschutz
200
100
0
0 100 200 300 400 500
Temperatur [°C]
52
Bild 47: Einfluss einer erhöhten Prüftemperatur auf die Streckgrenze R p0,2 von
Spannstählen
Bei kalt verformten Stählen ruft eine geringe spätere Erwärmung zwei Erscheinungen hervor:
Die verformten Kristalle entspannen sich (Kristallerholung), wodurch die Stoffeigenschaften
in Richtung auf die Ausgangswerte vor der Kaltverformung zurückgehen können. Dies wird
bewusst angewandt, wenn die mit der Kaltverformung verbundene Versprödung unerwünscht
ist, z. B. beim mehrmaligen Kaltziehen von Drähten. Sonst ist jedoch Vorsicht geboten, da
eine gewünschte Festigkeitserhöhung durch Wärmewirkung im Rekristallisationsbereich
(Schweißen, Glühen, Brand) völlig rückgängig gemacht wird.
54
6 Handelsformen und Bezeichnungen
6.1 Allgemeines
Stähle werden gemäß DIN EN 10027-1 nach ihrer Verwendung sowie ihren mechanischen
und physikalischen Eigenschaften (Tabelle 5) oder nach ihrer chemischen Zusammensetzung
(s. Kapitel 6.2.4) gekennzeichnet.
6.2 Baustähle
6.2.1 Allgemeine Baustähle
Allgemeine Baustähle sind in DIN EN 10025 genormt. Die Norm umfasst niedrig legierte
Stähle, die im warm gewalzten Zustand nach einem Normalglühen oder nach einer
Kaltverformung vorwiegend entsprechend ihrer Zugfestigkeit und Streckgrenze, z. B. im
Hochbau, Tiefbau, Brückenbau, Wasserbau und Behälterbau verwendet müssen. Die Stähle
müssen Mindestzugfestigkeiten und Mindeststreckgrenzen aufweisen. Die Stahlgütegruppen
gestatten es, die Schweißeignung und die Sprödbruchunempfindlichkeit einzuschätzen. Dies
ist insbesondere für die häufig mit Schweißarbeiten verbundene Weiterverarbeitung der
Baustähle wichtig. Zur Beurteilung der Schweißbarkeit dient im Wesentlichen der
Kohlenstoffgehalt. Die Sprödbruchsicherheit wird anhand der Kerbschlagzähigkeit
(Kerbschlagversuch) (Bild 40) ermittelt. Die Stähle werden mindesten beruhigt vergossen.
Die Bezeichnung der Baustähle setzt sich nach DIN EN 10025-2:04.2005 wie folgt
zusammen:
Dabei sind
• Streckgrenzenstufen: 235, 275 und 355 [MPa]
• Gütebezeichnung: XY:
Mindestkerbschlagarbeit (X) bei der Prüftemperatur (Y)
Index C: erhöhte Eignung für besondere Verwendungszwecke, wie z. B. zum
Kaltumformen
55
die Tabelle aufgelistet.
Beispiele: S235JR +N, S275J2 +AR, S355K2C (C: geeignet zum Abkanten)
6.2.2 Feinkornbaustähle
Feinkornbaustähle sind (niedrig) legierte, besonders beruhigte Stähle und enthalten Elemente
(z. B. Vanadium, Niob, Titan), die als Nitride oder Karbide das Wachsen der Kristallkörner
im Austenitgebiet behindern, insbesondere aber bei der Umwandlung als Keime wirksam sind
und daher zu feinem Korn im Lieferzustand und nach dem Schweißen führen. Sie sind
dadurch sprödbruchunempfindlicher als allgemeine Baustähle. Zudem steigert das feinkörnige
Gefüge die Streckgrenze, so dass gleiche Mindestwerte der Streckgrenze bei einem
niedrigeren Gehalt an Kohlenstoff erreicht werden. Die Stähle weisen deshalb auch eine
verbesserte Schweißeignung auf. Da beim Anwenden einer Vergütung (Abschrecken und
Anlassen) der Kohlenstoffgehalt noch stärker gesenkt werden kann als bei der Anwendung
des Normalglühens, zeigen sich die genannten Effekte bei den vergüteten Feinkornbaustählen
noch deutlicher als bei den normal geglühten Feinkornbaustählen [Lit 26].
Die wirtschaftliche Verwendung der Feinkornbaustähle ist im Stahlbau nur dann möglich,
wenn die höheren Werkstoffkosten durch Materialeinsparungen und geringere Kosten für das
Schweißen aufgefangen werden, wenn also die höheren Werte der Streckgrenze genutzt und
die tragenden Querschnitte verringert werden können (Bild 51). Die höheren Werte der
56
Streckgrenze können jedoch nicht genutzt werden, wenn beim Festigkeitsnachweis der
Elastizitätsmodul maßgebend ist, also z. B. bei Knick- und Biegebeanspruchungen.
Hinsichtlich des Elastizitätsmoduls unterscheiden sich die Feinkornbaustähle nicht von den
allgemeinen Baustählen. Die wirtschaftliche Verwendung der hochfesten Stähle setzt
Konstruktionen voraus, die speziell auf die besonderen Eigenschaften dieser Stähle
ausgerichtet sind [Lit 26].
58
X5CrNi18-10
Legierungsgehalt 5 % 0,05 % C 18 % Cr 10 % Ni
Bild 52: Kennzeichnung (den Kurznamen) eines austenitischen korrosionsbeständigen
Stahls am Beispiel des V2A (Werkstoffnummer 1.4301 S. Kapitel 6.2.5)
Alle Stähle können auch nach einem einheitlichen System, der Bezeichnung nach
Werkstoffnummern, definiert werden, die in einem Standardwerk ("Stahlschlüssel")
zusammengestellt sind. Die Systematik ist in DIN EN 10027-2 wie folgt vorgegeben:
6.3.1 Betonstähle
Betonstähle kommen im Stahlbetonbau in Form von Stäben oder Matten zum Einsatz, die
unterschiedlichen Sorten sind in DIN 488 erfasst. Der Kohlenstoffgehalt der Betonstähle geht
59
bis maximal 0,22 %. Die Stähle sind prinzipiell schweißgeeignet und ohne Schaden plastisch
verformbar. Allerdings sind sie generell als nicht warmbiegefähig eingestuft, da das
Herstellverfahren aus der Rippung nicht mehr zu erkennen ist. Mikrolegierte und mit
Einschränkungen auch wassergekühlte Betonstähle können ohne wesentliche
Festigkeitsverluste durch Erwärmen auf der Baustelle gebogen werden, kalt verformte Stähle
verlieren dagegen erheblich an Streckgrenze und Festigkeit.
Betonstähle einen erweiterten Nachweis der Duktilität erbringen. Diese ist definiert durch das
Streckgrenzenverhältnis und die prozentuale Gesamtdehnung bei Höchstkraft. Auf Basis der
Duktilitätswerte werden zwei Duktilitätsklassen gebildet:
Betonstähle werden als anonymes Massenprodukt über den Handel vertrieben, die
Kennzeichnung der Sorte erfolgt über die Oberflächenprofilierung (Rippenanordnung). Das
Herstellwerk kann über das Walzkennzeichen (verdickte oder fehlende Rippen bestimmter
Anordnung in regelmäßigen Abständen) identifiziert werden (Bild 54).
Bild 54: Beispiel für die Kennzeichnung von Betonstahl nach DIN 488 [Lit 16]
Betonstähle müssen nach den deutschen Vorschriften (DIN 488) grundsätzlich
schweißgeeignet sein. Die unterschiedliche Duktilitätsklasse (A oder B) kann anhand der
Anzahl der Rippenreichen abgelesen werden. Betonstähle der Stahlsorte B500A weisen
grundsätzlich drei Rippenreihen (Bild 55), Betonstähle der Stahlsorte B500B zwei oder vier
Rippenreihen auf (Bild 56).
Die Stahlsorte B500A wird als gerippter Betonstabstahl, als gerippter Betonstahl in Ringen
oder als abgewickeltes Erzeugnis geliefert. Der Bewehrungsdraht mit glatter (+G) oder
profilierter (+P) Oberfläche kann in Ringen oder abgewickelt geliefert werden. Geschweißte
Betonstahlmatten werden aus beiden Stahlsorten hergestellt. Abweichend davon gibt es
andere Formen wie z. B. die Tiefrippung (Bild 57).
60
Bild 55: Beispiel für die Kennzeichnung der Stahlsorte B500A (3 Rippenreihen)
Bild 56: Beispiel für die Kennzeichnung der Stahlsorte B500B (links: 2 Rippenreihen,
rechts: 4 Rippenreihen)
Bild 57: Oberflächengestaltung von Betonmattenstahl B500A mit Tiefrippung [Lit 16]
61
Durch die Rippung wird der Verbund zum Beton erheblich verbessert, das Anbiegen von
Haken zur Verankerung kann entfallen, die Rissabstände und Rissbreiten werden erheblich
kleiner (Bild 58).
6.3.2 Spannstähle
Für den Spannbetonbau werden zur Kompensation der Kriech- und Schwindverluste
wesentlich höhere Festigkeiten benötigt. Spannstahl wird in verschiedenen Erzeugnisformen
und Festigkeiten eingesetzt. So gibt es diesen heute in Deutschland zum Beispiel
• als warmgewalzte Stäbe glatt mit Gewinde oder mit Gewinderippen und
Durchmessern von 12,5 bis 40 mm und mit Festigkeiten von St835/1030 bis
St1080/1230 N/mm2.
• als vergütete runde Drähte (glatt oder gerippt) mit Durchmessern von 5,2 bis 14
mm. (Beim Vergüten wird ein leicht legierter warmgewalzter Draht durch mehrstufige
Wärmebehandlung auf die gewünschte Eigenschaft gebracht.)
• als kalt gezogene runde Drähte (glatt oder profiliert), mit Durchmessern von 4 bis
12,2 mm mit Festigkeiten von St1370/1570 bis St1570/1770 N/mm². (Die kalt
gezogenen Drähte werden durch einen Mehrfachziehvorgang auf die gewünschte
Eigenschaft gebracht.)
Der bekannteste Spannstahl ist die Spanndrahtlitze, die aus 3 oder 7 verseilten kalt gezogenen
runden Einzeldrähten mit Durchmessern von 6,9 bis 18,3 mm eingesetzt wird [Lit 32].
62
St835/1030 ... St1570/1770
Rp0,2 Rm
63
7 Schweißen
Übersicht
Bei den Verbindungen wird zwischen lösbaren und unlösbaren Verbindungen unterschieden
(Bild 60). Zu den lösbaren Verbindungen zählen das Verschrauben, Vernieten und
Verklemmen, die stoffschlüssigen, unlösbaren Verbindungen sind das Schweißen, Löten und
Kleben. Baupraktisch muss auch das Nieten zu den unlösbaren Verbindungen gezählt werde,
auch wenn es nicht zu den stoffschlüssigen Verbindungen gehört. Von den Schweißverfahren,
die im Bild 61 zusammengestellt sind, sind im Bauwesen nicht alle von gleicher Bedeutung.
Die wichtigsten sind in Bild 62 und Bild 65 farbig gekennzeichnet.
Verbinden (Fügen)
-Verschrauben -Schweißen
-Verstiften (Bolzen, Nieten) -Löten
-Verklemmen (Falzen) -Kleben
-(Nieten)
Schmelzschweißen
Pressschweißen Schmelzschweißen
Bild 61: Auszugsweise Einteilung der Schweißverfahren nach DIN 1910-100 [Lit 6]
7.1 Widerstandsschweißen
Das Widerstandsschweißen gehört zu den Pressschweißverfahren (Bild 62). Beim
Widerstandsschweißen entsteht die Wärme durch elektrischen Strom und den
Übergangswiderstand an den Berührungsstellen sowie dem Ohmschen Widerstand der zu
verbindenden Teile. Beim Abbrennstumpfschweißen werden Strom und Kraft von
Spannbacken übertragen (Bild 63). Die Strom durchflossenen Teile werden unter leichtem
Berühren erwärmt, wobei schmelzflüssiger Werkstoff herausgeschleudert wird (Abbrennen).
Nach ausreichendem Erwärmen werden die Teile durch schlagartiges Stauchen geschweißt
(Abbrennstumpfschweißen aus dem Kalten). Dem Abbrennen kann ein Vorwärmen durch
einzelne Stromstöße vorangehen (Abbrennstumpfschweißen mit Vorwärmen).
64
Pressschweißen
65
Bild 64: Widerstandspunktschweißen (RP); Prinzipskizze nach DIN EN 14610 [Lit 9]
7.2 Schmelzschweißen
Schmelzschweißen ist das Schweißen bei örtlich begrenztem Schmelzfluss ohne Anwendung
von Druck mit oder ohne Schweißzusatz. Nachfolgend werden nur das aluminothermische
Schweißen, das Lichtbogenhandschweißen und das Schutzgasschweißen behandelt.
Schmelzschweißen
Alumino-
Laserstrahl-
thermisches
schweißen
Schweißen
Gas- Elektronen-
Lichtbogen-
schmelz- strahl-
schweißen
schweißen schweißen
66
Aluminium reduziert. Die große Reaktionswärme verflüssigt das Eisen ohne externe
Energiequellen. Das nach einigen Sekunden in den Fügespalt einfließende flüssige Eisen ist
mit ca. 2500 °C ausreichend heiß, um die zu verbindenden Schienenenden zur Verschweißung
anzuschmelzen [Lit 33]. Legierungselemente wie Vanadium machen den Schweißstahl härter
als den eigentlichen Schienenstahl.
1 Schlackenschutz
2 Tiegelmantel
3 feuerfestes Futter
4 Füllung
5 Zündmasse
6 Tiegelabdeckung
7 Wärmedämmung
8 Düsenstein
9 Abstichstift
Bild 66: Schematische Darstellung des aluminothermischen Schweißens nach DIN EN
14610 [Lit 9]
7.2.2 Gasschmelzschweißen
Beim Gasschmelzschweißen oder auch Autogenschweißen genannten Verfahren werden
Werkstücke aus Metall mittels einer offenen Flamme erhitzt, die bei der Verbrennung von
Ethin (C2H2) mit Sauerstoff (O2) (Acetylenschweißen) entsteht, und direkt oder mittels eines
speziell legierten Schweißdrahts miteinander verbunden. Alternativ werden als Brenngas
Propan oder Erdgas genutzt, die jedoch nicht die hohe Flammentemperatur von etwa 3200 °C
erreichen.
67
Bild 67: Schematische Darstellung des Gasschmelzschweißens nach DIN EN 14610 [Lit 9]
E-Schweißen ist sowohl mittels Gleichstrom als auch mittels Wechselstrom möglich. Beim
Schweißen mit Wechselstrom wechseln Elektronen- und Ionenfluss entsprechend der
Frequenz laufend ihre Richtung. Jeder Nulldurchgang des Stromes bewirkt Löschen und
Wiederzünden des Lichtbogens. Beim Schweißen mit Gleichstrom bildet die Elektrode
üblicherweise den Minuspol.
Das Lichtbogen-Handschweißen ist für Baustähle jeder Art wie auch für Betonstähle -
sofern sie als schweißgeeignet klassiert sind - in der Werkstatt und auf der Baustelle üblich.
Vorteilhaft ist die relativ einfache apparative Ausstattung. Die Nahtgüte hängt vom Geschick
des Schweißers ab, der daher besonders ausgebildet sein muss.
68
7.2.4 Metall-Schutzgasschweißen (MIG, MAG)
Der Lichtbogen brennt sichtbar zwischen der abschmelzenden Drahtelektrode und dem
Bauteil. Elektrode, Lichtbogen und Schweißbad werden gegen die Atmosphäre durch ein
eigens zugeführtes inertes oder aktives Schutzgas abgeschirmt (Bild 69). Als Schutzgase
werden Edelgase, mehratomige Gase oder Mischgase verwendet. Die Schweißverfahren
werden nach der Art des Schutzgases wie folgt eingeteilt:
• Beim Metall-Inertgasschweißen (MIG) ist das Schutzgas inert wie Argon, Helium
oder ihre Gemische.
• Beim Metall-Aktivgasschweißen (MAG) ist das Schutzgas aktiv. Es besteht zum
Beispiel beim CO2-Schweißen (MAGC) aus Kohlendioxid oder beim
Mischgasschweißen (MAGM) aus einem Gasgemisch.
7.3 Schweißbarkeit
7.3.1 Übersicht
Die Schweißbarkeit eines Bauteils ist vorhanden, wenn der Stoffschluss durch Schweißen mit
einem gegebenen Verfahren bei Beachtung eines geeigneten Fertigungsablaufes erreicht
werden kann. Dabei müssen die Schweißungen hinsichtlich ihrer örtlichen Eigenschaften und
ihres Einflusses auf die Gesamtkonstruktion die gestellten Anforderungen erfüllen. Die
69
Schweißbarkeit hängt ab von Schweißeignung des Werkstoffs, Schweißmöglichkeit der
Fertigung und Schweißsicherheit der Konstruktion.
• Schweißeignung ist eine Stoffeigenschaft, beeinflusst u. a. von chemischer
Zusammensetzung, metallurgischen und physikalischen Eigenschaften.
• Schweißmöglichkeit ist eine fertigungsbedingte Eigenschaft, beeinflusst u. a. von
Vorbereitung, Ausführung und Nachbehandlung der Schweißarbeiten.
• Schweißsicherheit ist eine konstruktionsbedingte Eigenschaft, beeinflusst u. a. von der
konstruktiven Gestaltung und dem Beanspruchungszustand.
Grundsätzlich gilt, dass fast alle Konstruktionen aus fast allen Stahlgüten schweißbar sind,
wenn die metallurgischen Zusammenhänge und Fragen der Schweißmöglichkeiten beachtet
werden. So macht es beispielsweise keinen Sinn, einen besonders schweißgeeigneten und
damit teuren Baustoff auszuwählen, wenn man gleichzeitig, z. B. durch nachlässige
konstruktive Durchbildung, Spannungsspitzen in der Konstruktion erzeugt.
Wegen der komplexen Zusammenhänge sind sowohl bei der Planung als auch bei der
Ausführung von Schweißverbindungen geprüfte Fachleute vorgeschrieben
(Schweißfachingenieur, geprüfte Schweißer). Firmen, die Schweißarbeiten ausführen,
brauchen dazu Befähigungsnachweise, die entsprechend vorgegebener Regelungen von den
Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalten (SLV) und Industrie- und Handelskammern
(IHK) erteilt werden.
7.3.2 Schweißeignung
Die Schweißeignung eines Stoffes ist um so besser, je weniger sein Einfluss beim Festlegen
der schweißtechnischen Fertigung für eine bestimmte Konstruktion beachtet werden muss.
Diese Aussage gilt entsprechend auch für Schweißmöglichkeit und Schweißsicherheit.
Tabelle 8 gibt an, nach welchen durch den Herstellungsprozess bedingten Kriterien die
allgemeinen Baustähle nach ihrer Schweißgüte eingeteilt werden. Seigerungen haben danach
keine Bedeutung. Die Sprödbruch- und die Alterungsneigung spielen nur für warmgewalzten
Stahl eine Rolle, die Härtungsneigung, das heißt, die Neigung zum unbeabsichtigten
Aufhärten, ist nur bei der höherfesten Sorte S 355 nach DIN EN 10025 zu beachten.
• Oberhalb der Soliduslinie (Zone 1) liegen Verhältnisse vor, wie sie bereits vom
Erstarren einer Schmelze bekannt sind. Es bildet sich ein Gussgefüge, dessen
Stängelkristalle in Richtung des Temperaturgradienten orientiert sind.
Mikroseigerungen treten besonders zwischen Solidus- und Liquiduslinie auf, das
heißt, vom Bauteil her betrachtet, an der Schmelzlinie.
• Der Bereich des Bauteils, in dem sich Temperaturen zwischen Solidus- und Perlitlinie
einstellen, wird als Wärmeeinflusszone (WEZ) bezeichnet. Im höheren
Temperaturbereich (Zone 2) bildet sich ein grobkörniges Gefüge, während sich bei
Temperaturen wenig über Ac3 ein feinkörniges, normal geglühtes Gefüge einstellt
(Zone 3). Verglichen mit den Verfahren der Wärmebehandlung ist die Haltezeit beim
Schweißen aber sehr kurz.
• Zwischen Ac3 (Punkt G) und Ac2 (Punkt P) kommt es zu einer teilweisen
Umwandlung des Perlits (Zone 4), da Perlit einen C-Gehalt von 0,8 % aufweist. Bei
rascher Wärmeableitung können diese austenitisierten Stellen gehärtet werden. Hierin
liegt eine Versprödungsgefahr auch für unlegierte, niedrig gekohlte Baustähle.
• Unterhalb der Perlitlinie liegt der Anlassbereich (Zone 5), in dem die Stähle danach
streben, ihre physikalische und chemische Zustandsform in ein Gleichgewicht zu
bringen, indem sie Eigenspannungen abbauen und Übersättigungen ausscheiden. Kalt
verformte Stähle rekristallisieren, was mit einer Grobkornbildung verbunden sein
kann.
Außer Kohlenstoff beeinflussen auch andere Elemente wie z. B. Mn, Cr, Ni die
Aufhärtungsneigung und Gefügeveränderungen in der WEZ.
Unlegierte Stähle lassen sich im Allgemeinen bis zu einem Kohlenstoffgehalt von 0,22 %
ohne besondere Vorwärmmaßnahmen schweißen. Zusätzliche Legierungsbestandteile können
sich jedoch auf die kritische Abkühlgeschwindigkeit und damit auf die Neigung zur
Aufhärtung nachteilig auswirken [Lit 26]. Ihre gemeinsame Wirkung kann über das
Kohlenstoffäquivalent (je nach Anwendung bezeichnet als CE, CEV oder CET) abgeschätzt
werden, das häufig mit der vom International Institute of Welding (IIW) empfohlenen Formel
für einen Stahl mit mehr als 0,18 % C als
M n Cr M oV Ni Cu
CE C
6 5 15
oder für legierte hochfeste Stähle, z. B. für vergütete Feinkornbaustähle, als
M n M o Cr Cu Ni
CET C
10 20 40
angegeben wird. Für Stahl mit weniger als 0,18 % Kohlenstoff wird die Ito-Bessyo Formel
Cu Cr Ni M o V
Si M n
CE V C 5 B
30 20 60 15 10
Auch andere Faktoren zur Gewichtung des Einflusses der genannten Elemente werden in der
Fachliteratur je nach Untersuchungsziel (Aufhärtungsneigung bzw. Gefügeveränderungen)
genannt. Das Kohlenstoffäquivalent gibt also an, welche Wertigkeit andere Elemente bezogen
auf die Wirkung einer gleich großen Menge an Kohlenstoff haben. Sein praktischer Nutzen
besteht darin, dass man ungefähr bis CE = 0,45 erfahrungsgemäß ohne Vorwärmen schweißen
kann (s. Tabelle 9). Da in dieser Zahl aber weder die metallurgische Entstehung des Stahles
noch die fertigungs- und konstruktionsbedingten Eigenschaften eines Bauteiles ausgedrückt
werden können, muss eine Aussage aufgrund des Kohlenstoffäquivalents stets vorsichtig
beurteilt werden. Andererseits können grundsätzlich auch Stähle mit höheren
Kohlenstoffgehalten geschweißt werden, wenn entsprechende Vorkehrungen getroffen
werden (z. B. Vor- und Nachwärmen zur Vermeidung von Aufhärtungen). Beim Schweißen
von behandelten, insbesondere kalt verformten Stählen muss dagegen darauf geachtet werden,
dass während des Schweißens nicht zu viel Wärme eingebracht wird, um ein Entfestigen
durch das Verändern des Gefüges zu verhindern.
72
< 0,45 Nicht erforderlich
0,45 - 0,60 100 °C bis 200 °C
> 0,60 200 °C bis 500 °C
Hinweise, wie man vorgehen sollte, wenn zusätzlich der Einfluss des Wasserstoffgehaltes
(HD), der Erzeugnisdicke und des Wärmeeintrags abgeschätzt werden sollen, werden in DIN
EN 1011-2 gegeben. Häufig bezieht man sich dann in den Verfahrensanweisungen für das
Schweißen auf die Abkühlzeit t8/5. Das ist die Dauer in Sekunden, die die Schweißnaht zum
Abkühlen von 800 °C auf 500 °C benötigt. Dieser Temperaturbereich ist für die Umwandlung
des Schweißnahtgefüges maßgebend. Der Kennwert t8/5 berücksichtigt das Zusammenspiel
von Erzeugnisdicke, Wärmeeintrag und Vorwärmtemperatur. Zu niedrige
Vorwärmtemperaturen erhöhen das Risiko des Entstehe von Kaltrissen. Zu hohe
Vorwärmtemperaturen beeinträchtigen die Zähigkeitseigenschaften der Wärmeeinflusszone
(Bild 71). [Lit 26]
7.3.3 Schweißmöglichkeit
Die Schweißmöglichkeit wird von folgenden Faktoren beeinflusst:
7.3.4 Schweißsicherheit
Die Schweißsicherheit wird von folgenden Faktoren beeinflusst:
• Konstruktive Gestaltung, z. B.
Kraftfluss im Bauteil,
Anordnung der Schweißnähte,
Werkstückdicke,
Kerbwirkung,
Steifigkeitsunterschied.
• Beanspruchungszustand, z. B.
Art und Größe der Spannungen im Bauteil,
Räumlichkeitsgrad der Spannungen,
Beanspruchungsgeschwindigkeit,
Temperaturen,
Korrosion.
Bei dünnen Bauteilen können die beim Abkühlen auftretenden Eigenspannungen durch
bleibende Verformungen abgebaut werden, während das bei dickeren Teilen nicht möglich ist.
In diesem Fall wächst also die Räumlichkeit des Spannungszustandes, wodurch reine
Sprödbrüche auftreten können. Die Schweißsicherheit nimmt also mit wachsender Stahldicke
ab.
Die Klassierung der Stabelektroden für das Verbindungsschweißen von unlegierten und
Feinkornstählen erfolgt nach DIN EN 499 [Lit 7]. Die Einteilung basiert auf acht Merkmalen:
• Produkt/Schweißprozess,
• Festigkeit und Bruchdehnung des Schweißgutes,
• Kerbschlagarbeit des Schweißgutes,
• chemische Zusammensetzung des Schweißgutes,
• Umhüllungstyp,
• Ausbringen und Stromart,
• Schweißposition und
• Wasserstoffgehalt des Schweißgutes.
Der Umhüllungstyp einer Stabelektrode hängt hauptsächlich von den Schlacke bildenden
Bestandteilen ab. Die Umhüllungstypen werden mit folgenden Buchstaben bzw.
Buchstabengruppen bezeichnet (Tabelle 10).
Tabelle 10: Einteilung und besondere Eignung der Umhüllungstypen für Stabelektroden nach
DIN EN 499 [Lit 7]
Typ Umhüllung Besondere Eigenschaften
A sauer umhüllt flache, glatte Schweißnaht; begrenzt geeignet für das
Schweißen in Zwangspositionen; empfindlich für das
Entstehen von Erstarrungsrissen
C zellulose umhüllt geeignet für das Schweißen in Fallpositionen
R Rutil umhüllt geeignet für das Schweißen dünner Bleche; geeignet für alle
Schweißpositionen außer Fallpositionen
RR dick Rutil umhüllt gutes Wiederzünden; feinschuppige, gleichmäßige Naht
RC rutilzellulose umhüllt wie R, jedoch auch für das Schweißen in Fallpositionen
geeignet
RA Rutil-sauer umhüllt wie A, geeignet für alle Schweißpositionen außer
Fallpositionen
RB Rutil-basisch umhüllt gute mechanische Eigenschaften des Schweißgutes; gut
geeignet für alle Schweißpositionen außer Fallpositionen
B basisch umhüllt gute Kerbschlagarbeit insbesondere bei tiefen Temperaturen;
bessere Risssicherheit als andere Umhüllungstypen; geeignet
für alle Schweißpositionen außer Fallpositionen
7.5 Schweißnahtprüfungen
Alle Schweißarbeiten an tragenden Bauteilen unterliegen gesetzlichen Bestimmungen mit
dem Ziel, durch Gütesicherung der Bauausführung zur Betriebssicherheit des Bauwerkes
beizutragen ("kleiner" und "großer" Befähigungsnachweis). Gebräuchliche Verfahren sind in
Tabelle 11 zusammengestellt.
76
8 Schweißen von Betonstählen
Das Schweißen von Betonstählen ist in DIN 4099 festgelegt. Wie zum Schweißen von
Baustählen sind zum Schweißen von Betonstählen besondere Befähigungsnachweise
erforderlich. Es wird zwischen tragenden und nicht tragenden (Schweißungen zur
Sicherstellung der Stabilität von Bewehrungskörben) unterschieden. Als Verbindungen
kommen baupraktisch infrage:
• Kreuzungsstöße,
• Überlappstöße,
• Laschenstöße,
• Stumpfstöße.
Bild 75: Schweißen von Betonstählen nach DIN 4099 – tragender Überlappstoß
77
Bild 76: Schweißen von Betonstählen nach DIN 4099 – nicht tragender Überlappstoß
Bild 77: Schweißen von Betonstählen nach DIN 4099 – tragender Laschenstoß
Lochspiel:
SL-, GV-Verbindungen 0,3 mm < d 2 mm
SLP-, GVP-Verbindungen d 0,3 mm
79
10 Nichteisenmetalle
Nichteisenmetalle (NE-Metalle) werden im Bauwesen in erheblich geringerem Umfang
eingesetzt als Stahl und Gusseisen. Die wichtigsten NE-Metalle sind Aluminium, Kupfer,
Zink, Blei und ihre Legierungen. Die NE-Metalle werden nach ihrer Dichte in zwei Gruppen
unterteilt:
• Leichtmetalle mit einer Dichte < 4,5 g/cm³ und
• Schwermetalle mit einer Dichte > 4,5 g/cm³.
Zu den Leichtmetallen zählt z.B. Aluminium (Al), während Kupfer (Cu), Blei (Pb) und Zink
(Zn) zu den Schwermetallen gehören (vgl. Tabelle 2).
10.1 Aluminium
Unter den Nichteisenmetallen hat Aluminium die größte bautechnische Bedeutung.
Aluminium gehört zu den Erdmetallen der III. Hauptgruppe des Periodensystems der
Elemente (Bor-Gruppe).
10.1.1 Rohstoff
Mit einem Anteil von 7,5 Masse-% ist Aluminium das am häufigsten vorkommende Metall
der Erdrinde. Es kommt in der Natur wegen seiner großen Affinität zu Sauerstoff nicht rein,
sondern als ein wesentliches gesteinsbildendes Element nur in Form oxidischer Verbindungen
vor. Die Minerale der Urgesteine sind mit Ausnahme des Quarzes zum Großteil
Doppelsilikate, in denen Aluminium eines der Salz bildenden Metalle ist. Reines
Aluminiumoxid Al2O3 (Tonerde) kommt in Form von Korund und mit Verunreinigungen aus
Eisenoxid und Quarz als Schmirgel vor [Lit 12].
10.1.2 Herstellung
Ausgangsprodukt für die Aluminiumgewinnung ist vor allem das Aluminiumhydroxid-
Gemisch Bauxit (Al(OH)3 [„Hydrargillit“] und AlO(OH) [„Böhmit“]). Die Herstellung des
Aluminiums gliedert sich daher auch in die zwei Arbeitsgänge: der Gewinnung von
Aluminiumoxid und der eigentlichen Elektrolyse.
Aluminium wird heute fast ausschließlich im nassen Aufschluss nach dem „Bayerverfahren“
unter Einsatz von 35 – 38 %iger Natronlauge (NaOH) produziert:
Aufschluss
Al(OH)3 + NaOH <=====> Na[Al(OH)4]
Ausfällung
Das Bayerverfahren beruht darauf, dass sich die Aluminiumhydroxide des fein gemahlenen
Bauxits bei höherer Temperatur leicht in Natronlauge lösen. Aus der vom Rückstand
(Rotschlamm) abgetrennten, verdünnten Aluminatlauge wird beim Abkühlen nach dem
Impfen mit frischem Aluminiumhydroxid als Kristallisationskeim reines Aluminiumhydroxid
abgeschieden [Lit 1]. Die eingesetzte Natronlauge wird beim Ausfällen des
Aluminiumhydroxids immer wieder zurückgewonnen. Das ausgefällte Aluminiumhydroxid
80
wird abgefiltert und nach dem Waschen in Drehrohröfen bei 1200 °C in wasserfreies
(„totgebranntes“) - Aluminiumoxid verwandelt [Lit 12]:
Für die anschließende Schmelzelektrolyse wird das Aluminiumoxid wegen seines hohen
Schmelzpunktes (2045 °C) nicht direkt geschmolzen, sondern eine Lösung mit Kryolith
[griechisch „Eisstein“] Na3(AlF6) (Schmelzpunkt 1000 °C) eingesetzt. Das eutektische
Gemisch aus 18,5 % Aluminiumhydroxid und 81,5 % Kryolith schmilzt bei 935 °C. Das
dabei eingesetzte Aluminiumoxid muss sehr rein sein. Bei der Schmelzelektrolyse laufen
schematisiert die folgenden Vorgänge ab:
Das gewonnene reine Aluminium ist bei dieser Temperatur mit einer Dichte von 2,35 g/cm³
schwerer als die Schmelze mit 2,15 g/cm³. Es sammelt sich daher unter der Schmelze und ist
so zugleich vor der erneuten Oxidation geschützt. Das gewonnene Aluminium hat einen
Reinheitsgrad von 99,8 bis 99,9 %.
Die Wirkung der Legierungselemente und der Kaltverformung auf die Festigkeitssteigerung
von Al-Legierungen ist im Prinzip ähnlich wie bei Stahl. Jede Festigkeitsbildung beruht auf
81
der Blockierung von Gleitebenen durch Versetzungen (Kristallfehler). Al-Legierungen
können dabei stahlähnliche Festigkeiten erreichen.
Das Ausscheidungshärten ist eine Wärmebehandlung, die aus drei Schritten besteht:
Lösungsglühen, Abschrecken und Auslagern. Wird bei Raumtemperatur ausgelagert, spricht
man von Kaltaushärtung, wird bei erhöhter Temperatur ausgelagert, spricht man von
Warmaushärtung (Bild 82). Durch das Glühen bei hoher Temperatur wird möglichst viel
von den zur Aushärtung führenden Legierungszusätzen im Aluminium-Mischkristall gelöst.
Nach einer gewissen Verweildauer wird durch schnelles Abkühlen der mit diesen
Legierungszusätzen angereicherte Mischkristall zunächst in den übersättigten Zustand
übergeführt. Anschließend kommt es durch Auslagern (bei Raumtemperatur oder erhöhter
Temperatur) zu Ausscheidungen aus dem übersättigten Mischkristall, die eine Steigerung der
Zugfestigkeit, der 0,2 %-Dehngrenze und der Härte bewirken (Bild 83). Je nach Legierung
benötigen die Ausscheidungen bei Raumtemperatur einen Zeitraum von Stunden, Tagen oder
Wochen, bis sich durch Diffusion ein Gleichgewichtszustand einstellt und die mechanischen
Eigenschaften ihren endgültigen Wert erreichen.
82
Bild 83: Einfluss der Auslagerungsart auf Festigkeit und Verformung einer
Aluminiumlegierung [Lit 23]
Wenn die Auslagerung bei Raumtemperatur zu lange dauert, wird durch Erwärmen bis etwa
200 °C (Warmauslagerung) der stabile Zustand in kürzerer Zeit erreicht. Temperatur und
Haltezeit müssen aufeinander abgestimmt sein, weil sonst wieder eine Entfestigung auftritt
(Bild 84).
Bild 84: Veränderung der Festigkeit und der Bruchdehnung von AlMgSi durch eine
Warmauslagerung bei unterschiedlichen Temperaturen [Lit 24]
In der Baupraxis kommen verschiedene Legierungen zum Einsatz, die zum Teil beim
Abkühlen aus der Schmelze stabile Mischkristalle bilden. Diese stabilen Mischkristalle
können beim Lösungsglühen nicht weiter gesättigt und damit auch nicht weiter gehärtet
werden (naturharte oder nicht aushärtbare Legierungen). Bei anderen Legierungen
83
kommt es zum Ausscheiden von Mischkristallen an Korngrenzen (aushärtbare
Legierungen). Bild 85 zeigt eine Zusammenstellung gebräuchlicher Aluminiumlegierungen.
Bild 86: Einfluss des Mg-Gehaltes auf die Festigkeit und die Bruchdehnung der
Aluminiumlegierung [Lit 24]
Nichtaushärtbare AlMg- und AlMgMn-Legierungen sind leichter verformbar, unempfindlich
gegen Temperatur, haben aber eine geringere Festigkeit. Sie können durch Kaltverformen
verfestigt werden, vgl. Tabelle 13.
84
Sowohl aushärtbare als auch nicht aushärtbare Al-Legierungen können durch
Kaltverformung (plastische Verzerrung der Kristallite) verfestigt werden. Sie haben dann
allerdings eine sehr geringe Verformbarkeit.
Bei höherer Temperatur sinkt die Festigkeit bei Al-Werkstoffen früher und stärker als bei
Stahl. Zulässige Spannungen gelten daher nur bis +80 °C. Die Zeitstandfestigkeit ist von der
Legierung abhängig, sie wird durch höhere Temperaturen sehr stark verringert (Bild 89).
Wegen des frühen Erweichens bei etwa 150 °C sind Brandschutzanforderungen bei tragenden
Bauteilen nur schwer zu erfüllen.
85
Bild 88: Festigkeitseigenschaften von AlMgSi1 in Abhängigkeit von der Temperatur
[Lit 24]
Bild 89: Zeitstandfestigkeit in Abhängigkeit von der Temperatur für verschiedene Al-
Werkstoffe [Lit 24]
Bei Dauerschwingbelastung von nicht aushärtbaren Legierungen verläuft die Wöhlerkurve ab
Schwingspielzahlen N > 5 · 106 nahezu horizontal wie bei Baustählen, bei ausgehärteten
Legierungen dagegen erst in einem Bereich oberhalb N = 10 8 (Bild 90). Die
Dauerschwingfestigkeit von geschweißten Konstruktionen ist stets geringer als die des
Grundwerkstoffs.
86
Bild 90: Typischer Verlauf der Wöhlerkurve von Aluminiumlegierungen bei
Biegewechselbelastung (nach Forrest) [Lit 24]
10.1.5 Bezeichnungen
Aluminiumwerkstoff und die Legierungselemente werden durch ihre chemischen Symbole
bezeichnet, die durch Kennzahlen für den prozentualen Anteil bestimmter
Legierungselemente ergänzt werden (DIN 1799). Hinter diesen Kurzzeichen kann mit dem
Buchstaben F die geforderte Zugfestigkeit mit einem 1/10 ihres Mindestwertes in N/mm 2
angegeben werden, z. B. AlMg3 F18. Anstelle von F wird der Buchstabe G bei rückgeglühten
und W bei weichen Legierungen gesetzt. Die Regellegierungen sind schweißbar.
Rp0,2
Eine andere Möglichkeit der Kennzeichnung ist die siebenstellige Werkstoffnummer (DIN
17007), z. B.: 3.3206.71 für die schweißbare Knetlegierung AlMgSi0,5.
87
10.1.6 Fügeverfahren
Bauteile aus Al-Werkstoffen können wie Stahlbauteile durch Nieten, Schrauben und
Klemmen sowie Kleben und Schweißen verbunden werden, wobei Letzteres dominiert. Beim
Schweißen treten gewisse Probleme auf, die bei der Wahl des Verfahrens zu beachten sind.
Wegen der hohen Wärmeleitfähigkeit benötigt Al trotz niedrigeren Schmelzpunktes in etwa
dieselbe Wärmemenge zum Schmelzen wie Stahl. Die Oxidhaut verflüssigt erst ab 2000 °C.
Gasschweißen oder Metalllichtbogenschweißen reichen dazu nicht aus. Die Folgen sind
Bindefehler. Das Aluminium verbindet sich außerdem mit dem Luftsauerstoff zum hoch
schmelzenden Aluminiumoxid, dass die ungeschützte Schweißnaht schwächt. Daher werden
Al-Werkstoffe in einer Schutzgasatmosphäre geschweißt:
Zu beiden Seiten der Schweißnaht schließt die Wärmeeinflusszone (WEZ) an, in der die
Schweißwärme zu Lösungsglühen und Rekristallisation führt (Bild 91). Bei
Aluminiumlegierungen sinkt die Festigkeit in der WEZ stark ab. Einflussgrößen sind die
Legierungselemente, die Nahtgröße, die eingebrachte Wärmemenge etc.
Die Festigkeit aushärtbarer Al-Legierungen wird weniger vermindert als die von nicht
aushärtbaren. Bei einer aushärtbaren Legierung kann nach dem Schweißen die ursprüngliche
Festigkeit des Grundmaterials durch Wärmebehandlung und Auslagerung wieder erreicht
werden. Die durch Kaltverformung erreichte Festigkeitssteigerung von nicht aushärtbaren
Legierungen geht durch das Schweißen wieder verloren.
Fein verteiltes Aluminium verbrennt bei Erhitzen an Luft unter starker Wärmeentwicklung zu
Aluminimumoxid:
Technisch wird ein Gemisch aus Aluminiumgries und Eisenoxid als Thermit zum Schweißen
von Eisenteilen (z. B. Schienen) genutzt (vgl. 7.2.1). Bei der Entzündung des Gemisches wird
unter extremer Hitzeentwicklung (Temperaturen bis 2400 °C) reines Eisen in weißglühender
Form geliefert:
88
Bild 91: Veränderung in der Schweißverbindung und der WEZ einer Aluminiumlegierung
[Lit 23]
10.2 Kupfer
Kupfer gehört zur I. Nebengruppe des Periodensystems der Elemente (Kupfergruppe). Bei
den Metallen dieser Gruppe (Cu, Ag, Au) schirmt die äußere 18er Schale der Elektronen die
anziehende Wirkung der positiven Kernladung auf das äußere Valenzelektron (s-Elektron)
nicht so wirksam ab, wie dies zum Beispiel bei der 8er Schale der Alkalimetalle der Fall ist.
Dadurch ist das äußere Elektron viel stärker gebunden. Zudem ist die Kernladung größer. Die
18er Schale ist nicht so fest gefügt und daher können die Valenzelektronen zum Teil noch mit
beansprucht werden. Dies führt im Gegensatz zu den einwertigen Alkalimetallen zu einer
ein-, zwei-, drei- oder teilweise noch höheren Wertigkeit. In wässriger Lösung ist bei Kupfer
89
die zweiwertige Oxidationsstufe am stabilsten. Kupfer kommt gediegen und in Form von
Oxiden, Sulfiden, Arseniden, Chloriden und Carbonaten vor.
10.2.1 Rohstoff
Kupfererze werden sowohl im Tagebau als auch im Untertagebau gewonnen. Vor der
eigentlichen Verhüttung der Erze erfolgt eine Abtrennung von "taubem" Begleitgestein,
sodass nach der Flotation (Schwimmaufbereitung) schließlich Erzkonzentrate mit einem
Kupfergehalt zwischen 20 und 30 Prozent vorliegen. Kupferkonzentrate werden
ausschließlich schmelzmetallurgisch (pyrometallisch) und oxidische Kupfererze (ca. 15 % bis
20 % der Kupfererze) nass metallurgisch (hydrometallurgisch) verarbeitet. Das wichtigste
Ausgangsmaterial ist Kupferkies (Chalkopyrit) 2 CuFeS 2 (= Cu2S · Fe2S3) [Lit 3, Lit 12].
10.2.2 Herstellung
Kupferkies wird zunächst in Kiesröstöfen vorgeröstet, um einen Teil des Schwefels zu
beseitigen. Das erhaltenen Röstgut besteht zur Hauptsache aus Cu2S, FeS und Fe2O3.
Anschließend wird das Röstgut mit Kohle und kieselsäurehaltigen Zuschlägen in Schachtöfen
oder Flammöfen eingeschmolzen, um einen Teil des Eisenoxids zu entfernen. Dabei entsteht
unter Kohlenoxidentwicklung ein flüssiges Gemisch von Silikatschlacke
und Kupferstein (Cu2S + FeS). Im flüssigen Zustand können Schlacke ( = 3 – 4 g/cm3) und
Kupferstein ( = 4 – 6 g/cm3) problemlos getrennt werden. In einem weiteren Schritt wird das
Rohkupfer in Konvertern unter Zugabe von Quarz vom Eisensulfid getrennt und entschwefelt.
Im ersten Teilprozess wird dabei das Eisensulfid oxidiert und mit dem zugegebenen Quarz
verschlackt. Die Schlacke wird nach 40 bis 60 Minuten abgegossen. Im zweiten Teil des
Prozesses werden zwei Drittel des Kupfersulfids zu Kupferoxid oxidiert, dass dann mit dem
restlichen Drittel zu metallischem Kupfer umgesetzt wird. [Lit 12]
Weitere Einsatzgebiete reichen über den Sanitär- und Heizungsbau einschließlich der
Solartechnik, die Innenarchitektur, den Metallbau bis hin zu Gleitlagern für Baumaschinen.
90
10.2.4 Mechanische Eigenschaften [Lit 3, Lit 24]
Kupfer ist wegen seiner guten Korrosionsbeständigkeit und seiner hohen elektrischen
Leitfähigkeit von bautechnischer Bedeutung. Sein hohes Lösungsvermögen im festen Zustand
für Gase kann zu Blasen und zur Versprödung führen (Wasserstoffkrankheit). Dieses Problem
wird durch Sauerstoffentzug beim Vergießen (Sortenkennzeichnung: vorangestelltes S) oder
durch Legieren vermieden. Unterschieden werden Knetlegierungen und Gusslegierungen.
Weiches Kupfer besitzt eine Zugfestigkeit von ca. 200 MPa, eine Dehngrenze von 40 bis
80 MPa sowie eine Bruchdehnung von über 40 %. Erfolgt eine Kaltverformung, steigen die
Zugfestigkeit auf mindestens 350 MPa und die Dehngrenze auf mindestens 320 MPa, jedoch
sinkt dann die Bruchdehnung auf Werte unter 5 %.
Mit Legierungen lassen sich Festigkeiten bis ca. 700 MPa, in speziellen Fällen sogar bis
1500 MPa erzielen, jedoch sinkt dann die Leitfähigkeit erheblich.
10.2.5 Bezeichnungen
Die Legierungen des Kupfers werden mit den Elementen und ihrem prozentualen Anteil
bezeichnet. Unter einem Gehalt von einem Prozent wird meistens keine Zahl angegeben; ist
das Element aber in der geringen Menge wichtig, wird es ohne Zahl genannt.
Beispiele:
• CuZn10: Kupfer mit einem zehnprozentigen Anteil von Zink (Messing)
• CuSn6: Kupfer-Zinn-Legierung mit 6 % Zinn (Bronze)
• CuZn40Mn2: Kupfer plus 40 Anteile Zink und zwei Anteile Mangan
(witterungsbeständiger Messingwerkstoff, der mit Trivialnamen als
„Baubronze“ bezeichnet wird)
Steht zusätzlich "-C" hinter der Bezeichnung, handelt es sich um einen Gusswerkstoff.
Beispiel: CuSn5Zn5Pb5-C. Dies ist ein Kupfergusswerkstoff mit je 5 % Zinn, Zink und Blei
(auch Rotguss genannt (s. u.)).
Höher legierte Kupferwerkstoffe tragen eigenständige Namen (DIN 1718) und haben
vielseitige Verwendung:
Messing ist eine Legierung aus Kupfer und Zink (Zn). Die gebräuchlichen Verbindungen
enthalten einen Zinkanteil von 5 bis 45 %. Mit höheren Zinkanteilen entstehen keine
brauchbaren Legierungen mehr.
Bronze, eine Legierung des Kupfers mit Zinn (Sn), lässt sich je nach Zusammensetzung und
Art der Verarbeitung in Knet- und Gusslegierung unterscheiden. Knetlegierungen enthalten
neben Kupfer bis zu 8,5 % Zinn, Gusslegierungen können einen Zinnanteil bis zu 20 %
aufweisen. Im Vergleich zu reinem Kupfer ist Zinnbronze (CuSn mit 2 – 20 % Sn) hart, fest,
verschleißarm, hat einen hohen Korrosionswiderstand und gute Federeigenschaften: Sie wird
91
z. B. für Schrauben, Beschläge, Ventile, Armaturen, Glocken und Statuen verwendet.
Zusätzlich zu dem Zinn, lässt sich durch das Zulegieren weiterer Elemente wie Zink, Nickel
und Phosphor die Eigenschaften von Bronze gezielt steuern.
Bronzen mit dem dritten Legierungselement Zink nehmen eine besondere Stellung ein; sie
machen die Gruppe der Kupfer-Zinn-Zink-Gusslegierungen (Rotguss (CuSnZn)) aus.
Rotguss ist hart, verschleißarm und widerstandsfähig auch in Seewasser. Verwendung z. B.
für Armaturen, Gleitlager.
Die reinen Kupfersorten haben eigene Namen wie Cu-DHP (Kupfer für Installationsrohre)
oder Cu-ETP (Kupfer für Stromkabel), die aus der vorstehenden Systematik herausfallen.
Diese Namen sind z. B. in der DIN V 17900 aufgeführt.
Die gute Korrosionsbeständigkeit der Kupferwerkstoffe beruht auf ihrer Fähigkeit, stabile
Deckschichten auszubilden, die den Werkstoff vor einem weiteren Korrosionsangriff
schützen. Bei reinem Kupfer lässt sich dies sichtbar an den oftmals grünen Kupferdächern
erkennen. Diese Kupfer-Carbonathaut (Patina) wird je nach Umgebung mit Einlagerung von
Sulfat und Chlorid gebildet. Durch Zugabe von Legierungselementen wird die
Deckschichtbildung positiv beeinflusst.
In der Atmosphäre bestehen diese kompakten und schützenden Schichten aus Oxiden und
schwer löslichen basischen Salzen. In Lösungen wird das Korrosionsverhalten in erster Linie
durch die Anwesenheit von Sauerstoff oder anderen Oxidationsmitteln beeinflusst. In
Abhängigkeit der Umgebungsparameter kann das Medium dauerhaft korrosiv sein oder zur
92
Bildung einer Schutzschicht führen. Ein Angriff des Kupfers kann jedoch nur dann erfolgen,
wenn das Angriffsmittel Sauerstoff oder Oxidationsmittel enthält oder selbst oxidierend wirkt.
In schwach angreifenden Mitteln (z. B. sauerstoffhaltigem Wasser) hemmen oder verhindern
die angesprochenen Schutzschichten das Fortschreiten der Korrosion. Gegen Kalk und
Zement, Trink- und Brauchwasser ist Kupfer beständig, in Legierungen auch gegen
Meerwasser. Gegen Chlorid und Kohlensäure ist es unbeständig.
10.3 Zink
Zink gibt der II. Nebengruppe der Elemente ihren Namen. Die Elemente dieser Gruppe (Zn,
Cd und Hg) besitzen wie die Erdalkalimetalle eine stabile Zahl von 2 n2 (2, 8, 18, 32)
Elektronen. Ähnlich wie bei der Kupfergruppe werden die beiden Außenelektronen durch die
hohe Kernladung und die geringe Abschirmung durch die 18 Außenelektronen fest an den
Kern gebunden. Die Elemente der Zinkgruppe schmelzen früher als die Erdalkalimetalle, im
Extremfall (Hg) bei Raumtemperatur.
Die hohe Kernladungszahl und die abgeschlossene Elektronenschale bedingt eine erhöhte
Ionisierungsenergie und verhindert eine Beteiligung der Elektronen der d-Schale an
chemischen Bindungen. Die Metalle der Zinkgruppe treten daher praktisch in allen
Verbindungen nur zweiwertig auf.
10.3.1 Rohstoff
In der Natur kommt Zink nur gebunden in Form sulfidischer oder oxidischer Erze vor. Von
Bedeutung sind Zinksulfid (Zinkblende) ZnS und Zinkspat (edler Galmei, Smithsonit)
ZnCO3.
Zn kristallisiert hexagonal (weniger Gleitebenen als die kubischen Gitter, sprödes Verhalten
bei Raumtemperatur). Eine Kaltverfestigung ist daher weitgehend ausgeschlossen. Eine
Verbesserung der Verformbarkeit ist nur durch Legieren möglich.
10.3.2 Herstellung
Zink wird heute zu 60 % trocken durch Reduktion von Zinkoxid mit Kohle und zu 40 % nass
durch Elektrolyse von Zinksulfid erzeugt. Das Zinkoxid wird zunächst aus dem Zinkspat
durch Brennen oder Rösten gewonnen:
Beim nassen Verfahren wird aus den Zinkoxid-haltigen Produkten zunächst mit
Schwefelsäure die Zinksulfat-Lösung:
Beim trockenen Verfahren wird die geröstete Zinkblende oder der gebrannte Zinkspat mit
gemahlener Kohle vermischt und in einem speziellen Gebläseschachtofen (Imperial-Smelting-
Ofen) auf 1100 °C – 1300 °C erhitzt. Das entstehende Kohlenstoffmonoxid reduziert das Oxid
zu Rohzink mit einer Reinheit von 97 % – 98 % reduziert.
93
237,9 kJ + ZnO Zn + CO.
Aus dem Kohlenstoffdioxid wird nach dem Boudouard-Gleichgewicht (vgl. Kapitel 4.3)
wieder Kohlenstoffmonoxid. Da die Ofentemperatur über dem Siedepunkt des Zinks (907 °C)
liegt, verlässt das Zink dampfförmig den Ofen und wird aufgefangen. In weiteren Schritten
wird es bis auf 99,99 % gereinigt.
Zink ist empfindlich gegen Säuren und Schwitzwasser ohne genügende Luftzirkulation
(Weißrost), es ist weniger empfindlich gegen Basen. Bei freier Bewitterung bildet es eine
wasserunlösliche Schutzschicht aus ZnCO 3 - Zn(OH)2. Die jährlichen Korrosionsverluste
betragen etwa 2 μm in Landluft, in Industrieluft mehr als 10 μm.
Der weitaus überwiegende Teil der Zinkerzeugung wird unlegiert als Überzug auf Stahl für
den Korrosionsschutz verwendet.
Zink steht an relativ unedler Stelle in der elektrochemischen Spannungsreihe. Trotzdem ist es
für den Korrosionsschutz des edleren Stahles von größter Bedeutung. Ein unverletzter
Zinküberzug besitzt einen hohen Widerstand gegen atmosphärischen Angriff. Ein verletzter
Überzug wirkt als Opferanode bei einem elektrochemischen Angriff.
Bild 94: Schliffbild eines Zinküberzuges mit typischem Schichtaufbau (Vergrößerung ca.
200:1) [Lit 27]
Weitere Verfahren (insgesamt aber nur ca. 10 % Anteil) sind das Flammspritzen von
dickeren, aber ungleichmäßigeren Schichten sowie der galvanische Auftrag von dünneren
Schichten. Durch Anordnung einer zusätzlichen organischen Beschichtung kann die
Schutzdauer bis zum doppelten Wert der Summe der Einzelschutzdauern verlängert werden.
Beispiele für verzinkte Konstruktionen in München sind die Seilnetz- und Sitzkonstruktionen
im Olympiastadion.
95
11 Metallkorrosion
Metalle unterliegen in der natürlichen Umwelt zahlreichen Einwirkungen, die zum Teil zur
Korrosion (lat. corrodere = zernagen) führen können. Unter Korrosion ist die unbeabsichtigte
Zerstörung der Metalle zu verstehen. Ursache für das Ablaufen von Korrosionsvorgängen
sind chemische oder elektrochemische Reaktionen des Metalls mit seiner Umgebung. Im
Zuge des Herstellungsverfahrens werden die Metalle in einen reineren, energiereicheren
Zustand umgewandelt. Die Metalle sind in diesem Zustand bestrebt, durch die Verbindung
mit anderen Elementen, insbesondere Sauerstoff und Wasserstoff, wieder in einen
energieärmeren Zustand überzugehen. Der Korrosionsprozess kehrt folglich nur den
Herstellungsprozess um. Da die Metalle durch die Korrosion wesentliche
Werkstoffeigenschaften verlieren, die zur Beeinträchtigung eines Bauteils oder eines ganzen
Systems führen können, ist ein Korrodieren der Metalle möglichst zu verhindern.
Die chemischen und elektrochemischen Vorgänge können bei gleichzeitigem Einwirken einer
Zugspannung zur Spannungsrisskorrosion führen. Die meisten Korrosionsschäden sind auf
die elektrochemische Korrosion zurückzuführen.
Der mit der Oxidation verbundene Übergang vom energiereichen in einen energieärmeren
Zustand ist mit einer messbaren Energieabgabe verbunden. Diese so genannte
Sauerstoffaffinität ist für die einzelnen Metalle sehr unterschiedlich. Sie ist am größten bei
den links im Periodensystem stehenden Alkalimetallen und nimmt nach rechts und von oben
nach unten im Periodensystem ab.
Die meisten Metalle zeigen eine große Affinität zu Sauerstoff. Dies macht sich im schnellen
Ausbilden von Oxidschichten auf frischen Metalloberflächen bemerkbar. Ist die sich bildende
Oxidschicht im angrenzenden Medium löslich oder porös (z. B. Eisenoxidhydroxid (Rost)),
dann kann die Korrosion weiter voranschreiten. Eine dichte unlösliche Oxidschicht (z. B.
Aluminiumoxid (Al2O3)) bringt hingegen die Korrosion zum Stillstand und wirkt wie eine
Schutzschicht. Diese Eigenschaft hängt von den Dichteunterschieden zwischen Oxid und
Metall ab (Tabelle 14). Während die Oxide von Magnesium und Aluminium eine höhere
Dichte als das jeweilige Metall haben, ist die Dichte des Eisenoxids deutlich geringer als die
des Eisens. Entscheidend ist neben der Dichte der Übergang vom Metall zum Oxid.
Schutzschichten können sich auch aus schwer löslichen Salzen bilden. Dies ist unter anderem
bei Kupfer und bei Blei der Fall.
96
Die Korrosion der Metalle hängt sehr stark vom pH-Wert des angreifenden Mediums ab.
Salze können durch Hydrolyse saure oder basische Lösungen ergeben, die dann aggressiv
reagieren. Lösliche Salze bilden mit Schwermetallen hauptsächlich Ionen (Cl -, SO42-, NO3-
oder NO2-).
Tabelle 14: Dichten einiger Metalle und ihre Oxide und Hydroxide [Lit 11]
Dichte Dichte Dichte
Metall Oxid Hydroxid
[g/cm³] [g/cm³] [g/cm³]
Fe 7,9 FeO 5,7 Fe(OH)2 3,4
Fe2O3 5,3 Fe(OH)3 3,1
Fe3O4 5,2 FeO(OH) 3,8
Al 2,7 -Al2O3 3,4 -Al(OH)3 2,5
-Al2O3 4,0 -AlOOH 3,0
Zn 7,1 ZnO 5,7 Zn(OH)2 3,1
Mg 1,7 MgO 3,6 Mg(OH)2 2,4
Bild 95: Korrosion von Eisen im Kontakt mit Salzsäure [Lit 11]
Bild 96: Korrosion von Aluminium im Kontakt mit Natronlauge [Lit 11]
Eisen angreifende Chlorid- und Sulfationen können aus Baustoffen (Gips, Magnesiabinder)
oder Streusalz stammen. Durch den Korrosionsangriff kommt es zur Bildung löslicher
Eisensalze (vgl. Bild 95):
Fe + 2 Cl- FeCl2 + 2 e-.
Die zur Bildung der Elektronen erforderlichen H +-Ionen kommen aus dem anwesenden
Wasser.
2 e- + 2 H+ H2.
97
Für den Einsatz von Eisen und Stahl im Betonbau ist die Beständigkeit gegen Kalkwasser
(Ca(OH)2) von entscheidender Bedeutung. Im Beton wird auch schon entstandener Rost durch
den hydratisierenden Zement chemisch gebunden.
Der Rost als Korrosionsprodukt des Eisens bei atmosphärischer Korrosion besteht
hauptsächlich aus Eisenoxidhydroxid. Rost ist ein fest haftendes bis plattig lose Gemenge
verschiedener Oxide des 2- und 3-wertigen Eisens.
11.1.2 Aluminium
Aluminium ist in der Kälte gegen oxidierende Säuren beständig. Andere Säuren lösen die
Oxidschicht auf und greifen das Metall an:
2 Al + 6 HCl 2 AlCl3 + 2 H2.
Aluminium ist gegen Laugen nicht beständig und darf deshalb nicht ohne einen besonderen
Schutz mit alkalisch reagierenden Baustoffen (Zement) in Berührung kommen:
2 Al + 6 NaOH + 6 H2O 2 Na3[Al(OH)6] + 3 H2.
Durch sein amphoteres Verhalten ist Aluminium gegen sauer und basisch reagierende Salze
nicht beständig. Die angreifende Wirkung nimmt in der nachstehenden Reihenfolge ab:
Cl- > NO3- > SO42- > Na+ > K+ > NH4+ > Ca2+ > Mg2+.
In Kontakt mit Meerwasser und mit Magnesiabinder korrodiert Aluminium sehr stark.
11.1.3 Kupfer
An trockener Luft bildet Kupfer an der Oberfläche langsam eine Schicht aus rotem Kupfer(I)-
oxid (Cu2O). Bei höheren Temperaturen bildet sich das leicht abblätternde schwarze
Kupfer(II)-oxid (CuO).
Kupfer kann wegen seines halb edlen Charakters ohne weiteren Schutz an Stellen eingesetzt
werden, wo es mit dem Erdboden in Kontakt kommt. Unter der Einwirkung von Ammoniak
färbt sich Kupfer zunächst schwarz und bildet dann lösliches, blaues, giftiges
Tetraminkupferhydroxid:
2 Cu + 8 NH3 + 2 H2O + O2 2 [Cu(NH3)4] (OH)2.
In der Nähe von Viehställen und Sanitäranlagen ist deshalb beim Einsatz von Kupfer Vorsicht
geboten.
11.1.4 Zink
An Luft überzieht sich Zink sehr schnell mit einer Schutzschicht aus Oxid und
Hydrogencarbonat, die eine weitere Oxidation verhindert. In allen Säuren, aber auch in
Laugen löst sich Zink sehr rasch auf und zeigt damit seinen amphoteren Charakter (vgl.
Vorlesung Bauchemie).
Zn + H2SO4 ZnSO4 + H2.
Zn + 2 NaOH + 2 H2O Na2[Zn(OH)4] + H2.
Wenn sich auf Zinkoberflächen Schwitzwasser bildet, wird der Zutritt von CO 2 aus der
Umgebungsluft gehemmt. Dies kann bei kalten verzinkten Wasserleitungen oder auf der
Unterseite verzinkter Trapezblechdächer der Fall sein. Es kommt in diesem Fall zur
98
Entstehung des so genannten Weißrostes, einer porösen, schlecht haftenden Schicht aus
Zinkhydroxid und Zinkoxid, die keine schützende Deckschicht bildet. Besonders kritisch ist
dies bei frischen Zinkoberflächen, die noch nicht lange bewittert sind, da sich keine
Schutzschicht ausbilden kann. Das Zink wird dann stark korrodiert. Derartige Schäden
können vermieden werden, wenn die weißen Neubildungen abgebürstet werden und eine
bessere Belüftung erfolgt.
11.1.5 Blei
Blei ist im Allgemeinen gegen nicht oxidierende Säuren beständig. Dies gilt insbesondere
dann, wenn sich auf der Oberfläche schwer lösliche Salze bilden (z. B. PbSO 4). In
Salpetersäure löst sich Blei leicht auf.
Nicht oxidierende Säuren greifen Blei an, wenn gleichzeitig Sauerstoff aus der Luft einwirken
kann:
2 Pb + 4 CH3COOH + O2 2 Pb(CH3COO)2 + 2 H2O.
Bei Kontakt mit CO2-haltigem Wasser bildet sich schwer lösliches Bleihydrogencarbonat:
2 Pb + 4CO2 + 2 H 2O + O2 2 Pb(HCO3)2
Beim Einsatz von Blei ist zu beachten, dass lösliche Bleiverbindungen giftig sind.
Während Kalk- und Zementmörtel Blei angreifen und das schwach lösliche Pb(OH) 2 bilden,
greift Gips Blei nicht an.
Für die Reaktionen vom Sauerstofftyp muss zusätzlich der Zutritt von Sauerstoff zur Kathode
möglich sein.
Werden eine oder mehrere Bedingungen nicht erfüllt, kann das Metall nicht korrodieren.
Daraus leiten sich mögliche Maßnahmen zum Korrosionsschutz oder zur Vorbeugung ab.
Bei der elektrochemischen Korrosion wird zwischen dem anodischen und dem kathodischen
Teilprozess unterschieden.
11.2.2.1 Wasserstoffentladung
Korrosionsprozesse nach dem Wasserstofftyp laufen bei genügend saurem Elektrolyten (pH
4,5) ab. Dabei können nicht nur heterogene, sondern auch scheinbar homogene Metallgefüge
betroffen sein. Das unedlere Element wird zur Anode, das edlere Element zur Kathode. Bei
der Korrosion wird an der Kathode molekularer Wasserstoff gebildet, der als Gas entweicht:
2 H3O+ + 2 e- H2 + 2 H2O
100
Bild 98: Wasserstoffkorrosion bei verzinktem Stahlblech an einer Verletzung der
Zinkschicht [Lit 23]
Der Korrosionsprozesse nach dem Wasserstofftyp ist vor allem bei metallischen Überzügen
zu beobachten, wobei die unedlere Metallphase angegriffen wird.
11.2.2.2 Sauerstoffreduktion
Wenn der Elektrolyt nicht genügend sauer ist (pH > 4,5), wird der Wasserstofftyp vom
Sauerstofftyp verdrängt. Die kathodische Reaktion ändert sich dann wie folgt:
Bei dieser Reaktion verbindet sich der im Elektrolyten gebundene Sauerstoff unter
Elektronenverbrauch mit den reichlich vorhandenen Wasserstoffionen zu Wasser:
O2 + 4 H + + 4 e- 2 H2O
Hierbei werden OH--Ionen aus Sauerstoff und Wasser unter Verbrauch von Elektronen
erzeugt:
O2 + 2 H2O + 4 e- 4 OH-
Der Sauerstofftyp zeichnet sich durch einen wesentlich langsameren Korrosionsangriff aus. Er
kann aber sogar bei völlig homogenem Gefüge, insbesondere bei „nicht rostenden“ und
„säurefesten“ Stählen auftreten. Im Bauwesen liegt die Mehrzahl der Elektrolytlösungen
(Regen, Oberflächenwasser, Meerwasser) im schwach sauren bis alkalischen Bereich. Hier
übt der Sauerstoffgehalt einen bestimmenden Einfluss aus.
11.2.3.1 Flächenkorrosion
Flächenkorrosion ist nach DIN 50900 eine Korrosion mit nahezu gleichmäßigem Abtrag auf
der ganzen Fläche. Hierzu gehört auch die Muldenkorrosion mit örtlich unterschiedlichem
101
Abtrag. Die Flächenkorrosion entsteht, wenn einer großen Anodenfläche eine kleine
Kathodenfläche gegenübersteht. Die Abtragsrate ist relativ gering und wird durch anhaftende
Korrosionsprodukte noch gehemmt. Wegen der geringen Abtragsrate und weil die
Flächenkorrosion sehr gut zu erkennen ist, können Schutzmaßnahmen rechtzeitig ergriffen
werden, bevor eine Gefahr für die Bauteile oder Bauwerke besteht. Kritisch können allenfalls
schwer zugängliche Bereiche sein. Die Flächenkorrosion ist die ungefährlichste
Korrosionsart.
102
Bild 101: Lochfraß durch Chloridkorrosion
11.2.3.3 Spaltkorrosion
Spaltkorrosion kann in Spalten oder unter metallischen Abdeckungen (Unterlegscheiben,
Laschen, Dichtungsringen) durch Unterschiede in der Sauerstoffkonzentration zum Ausbilden
von Korrosionselementen entstehen.
103
Bild 103: Kontaktkorrosion (oben) und mögliche Abhilfe durch nicht leitende
Zwischenschicht (unten)
11.2.3.6 Streustromkorrosion
Vagabundierende Ströme können bei Systemen aus gleichen Metallen und mit gleichem
Potenzial zur Korrosion führen (Bild 105). In der Nähe elektrisch betriebener Bahnen verlegte
Rohrleitungen können angegriffen werden, wenn die Schienenstöße nicht leitend miteinander
verbunden sind. Der Stromfluss geht an den Stoßstellen über das elektrisch leitende Erdreich
104
in die Rohrleitung und wieder zurück in die Schiene. An der Rohrleitung kommt es zu einer
anodischen Auflösung des Metalls.
Bild 105: Galvanische Korrosion ausgelöst durch Streuströme im Erdreich [Lit 20]
11.2.3.7 Spannungsrisskorrosion
Die Korrosion der Metalle durch chemische oder elektrochemische Vorgänge kann
beschleunigt werden, wenn die Metalle gleichzeitig mechanisch auf Zug beansprucht werden.
Solche Voraussetzungen sind unter anderem an der Außenseite gebogener Metalle, bei
Schweißverbindungen oder bei Spannstählen gegeben. Je höher die Zugspannung ist, desto
größer ist die Gefahr der Spannungsrisskorrosion. Durch die Zugspannung wird das
Kristallgefüge aufgeweitet und das Eindringen von korrosiven Stoffen erleichtert. Die Risse
gehen von der Oberfläche aus und verlaufen entweder entlang der Korngrenzen
(interkristallin) oder gehen direkt durch die Kristallkörner hindurch (transkristallin) (Bild
106). Die Risse führen zu einem verformungsarmen Versagen ohne Vorwarnung.
105
Die anodische Spannungsrisskorrosion tritt an Metallen auf, die durch eine Passivschicht
geschützt sind, die wiederum lokal durch im Elektrolyten gelösten Korrosionsmittel
durchbrochen wird. Die Korrosion beginnt mit dem Ausbilden eines Lokalelements und
lochfraßähnlichen Schäden an der Metalloberfläche. Selbst durch nur in geringen Mengen
vorkommende Stoffe wie Chloride und Nitrate können gravierende Korrosionsschäden
verursacht werden. Bei Spannbetonbauwerken wird deshalb zum Beispiel der zulässige
Chloridgehalt der eingesetzten Materialien (Zement, Gesteinskörnung) im Vergleich zu
normalen Stahlbetonkonstruktionen drastisch verringert.
Bild 107: Einfluss der Luftfeuchtigkeit und der Luftverschmutzung auf den
Korrosionsfortschritt von unlegiertem Baustahl [Lit 30]
Wie viele chemische Prozesse läuft die Korrosion mit steigender Temperatur schneller ab.
Ebenso fördert die Anwesenheit von Luftschadstoffen den Korrosionsfortschritt. Die in der
106
Luft enthaltenen Verunreinigungen bilden mit der Luftfeuchtigkeit aggressive Säuren. Dies
äußert sich unter anderem im pH-Wert des Elektrolyten. In Großstädten und Industrieregionen
wurde der pH-Wert des Regens schon mit 3,0 ermittelt. Bild 108 zeigt schematisch die
Auswirkung des pH-Wertes auf die Korrosionsgeschwindigkeit von unlegiertem Baustahl und
die bei unterschiedlichem pH-Wert entstehenden Korrosionsprodukte.
Bild 108: Einfluss des pH-Wertes auf die Korrosion von unlegiertem Baustahl [Lit 20]
Das entstehende Aluminiumoxid bildet eine nahezu porenfreie, wenige Moleküllagen dicke
Schutzschicht, die im Bereich neutraler pH-Werte wasserunlöslich ist. Bei einer
mechanischen Verletzung heilt die Schutzschicht selbstständig wieder. Säuren (pH < 4) und
Laugen (pH > 10) greifen Aluminium an (Bild 109 b).
In der Baupraxis kommen Aluminiumlegierungen und nicht reines Aluminium zum Einsatz
(vgl. Bild 85). Das heterogene Gefüge der Legierungen bedingt heterogene Oxidschichten auf
der Oberfläche mit unterschiedlichem elektrochemischem Verhalten. In kleinen Bereichen
kann die lokale Heterogenität zu Lochfraß führen, wenn dieser Prozess nicht durch das
Ausbilden der korrosionshemmenden Schutzschichten bis zum Stillstand abgebremst wird.
Zink wird wegen seiner guten Korrosionsbeständigkeit an der freien Atmosphäre in vielen
Bereichen eingesetzt. Der Schutz wird durch eine fest haftende Schicht bewirkt, die
überwiegend aus Zinkhydrogencarbonat besteht:
2 Zn + H2O + CO2 + O2 Zn2(OH)2CO3
107
Bild 109: Korrosionsgeschwindigkeit von Zink (links) und Aluminium bzw. Baustahl
(rechts) in Abhängigkeit vom pH-Wert der Lösung [Lit 11]
Diese Deckschicht kann durch Witterungseinflüsse abgetragen werden, bildet sich jedoch aus
dem darunter liegenden Zinkschichten wieder neu. Der flächige Zinkabtrag verläuft linear mit
der Zeit. Daher kann aus den mittleren Abtragraten über die Zinkdicke auf die ungefähre
Schutzdauer geschlossen werden.
Die Beständigkeit von Zink hängt vom pH-Wert ab. Im pH-Bereich zwischen 6 und 12,5 ist
Zink recht beständig. Im sauren Bereich (pH < 6) und im sehr alkalischen Milieu (pH > 12,5)
nehmen die Abtragraten drastisch zu (Bild 109 a).
Kupfer bildet an der Atmosphäre zunächst eine Schutzschicht aus rotem Kupfer-(I)-oxid
(Cu2O), die sich nach Jahren in die typische grüne Patina umwandelt. Hierbei handelt es sich
je nach Luftzusammensetzung um basische Kupferverbindungen (CuCO 3 Cu(OH)2, CuSO4
Cu(OH)2, CuCl2 Cu(OH)2), die fest haften, witterungsbeständig sind und bei Beschädigung
wieder selbst heilen. An senkrechten Flächen nimmt die Kupferpatina eine tiefbraune bis
anthrazitgraue Färbung an.
Die Geschwindigkeit, mit der sich die schützende Patina ausbildet, hängt von der
Zusammensetzung der Atmosphäre ab. In einer Industrieumgebung dauert es etwa 5 – 8 Jahre,
in Meeresnähe 4 – 6 Jahre, in Städten 8 – 12 Jahre und auf dem Land 20 – 30 Jahre.
• Bodenart,
• spezifische Leitfähigkeit,
108
• Redoxpotenzial,
• pH-Wert,
• Gehalt an Cl-, SO42-, S2-, CaCO3/MgCO3 und
• Wassergehalt.
Sand- und kalkreiche Böden sind nicht aggressiv. Mit steigendem Tongehalt (Lehmböden)
nimmt die Aggressivität geringfügig zu. Deutlich aggressiver sind humushaltige Böden,
insbesondere Moorböden (Bild 110). Verursacht wird diese Aggressivität durch den Gehalt an
Huminsäuren, die sich auf den pH-Wert der Böden auswirken. Böden mit einem pH-Wert < 6
sind stark aggressiv, Böden mit einem pH-Wert > 6,5 sind nicht aggressiv.
Bei ausgedehnten Rohrleitungssystemen oder langen Spundwänden kann ein Wechsel der
Bodenbeschaffenheit Korrosion auslösen. Unterschiedliche Sauerstoff-, Feuchte- und/oder
Salzgehalte führen zur Ausbildung anodischer und kathodischer Bereiche mit der Folge einer
elektrochemischen Korrosion.
Rohrleitungen aus Stahl und Gusseisen müssen im Erdboden mit einer Schutzbeschichtung
versehen sein. Eine Beschädigung dieser Beschichtung führt zur Lochfraßkorrosion. Zink
wird im Erdboden angegriffen, wenn dieser Cl-, SO42-, NO3- oder NH4+-Ionen enthält.
11.3 Korrosionsschutz
Der Korrosionsschutz kann grundsätzlich in
• aktiven Korrosionsschutz und
109
• passiven Korrosionsschutz
unterteilt werden (Bild 111). Beim aktiven Schutz wird entweder der Baustoff oder das
Korrosionsmittel so beeinflusst, dass es nicht zur Korrosion kommt. Beim passiven
Korrosionsschutz werden die Korrosionsmittel vom Baustoff ferngehalten.
Das Ziel, den metallischen Werkstoff nicht angreifbar zu machen, wird durch den
kathodischen Korrosionsschutz erreicht. Dazu wird ein dem Korrosionsstrom
entgegengesetzter mindestens gleich starker Schutzstrom induziert. Die der Kathode
zufließenden Elektronen decken den Bedarf zur elektrischen Neutralisation und verhindern so
ein Austreten positiver Metallionen aus dem Werkstoff.
Der erforderliche Schutzstrom wird in gut leitenden Böden durch Verbinden der zu
schützenden Bauteile mit einer Aktivanode (Opferanode aus Zn-, Mg- oder Al-Legierungen)
erreicht. Beim kathodischen Korrosionsschutz durch Fremdstrom wird an einer nahezu
unlöslichen Anode (z. B. Grafit) ein Gleichstrom eingeleitet. Zu hohe Schutzströme können
kontraproduktiv sein, da sie an den zu schützenden Bauteilen eine Wasserstoffversprödung
verursachen können.
110
11.3.2 Passiver Korrosionsschutz
Die Trennung metallischer Bauteile vom Elektrolyten kann durch verschiedene
Schutzschichten erfolgen:
• metallische Überzüge,
• anorganische, nichtmetallische Überzüge und
• organische Beschichtungen.
Schmelztauchen
Das zu schützende Bauteil (meist Stahl) wird in ein Bad aus niedrig schmelzendem Metall
(Zink, Aluminium, ...) getaucht. Auf der Oberfläche entsteht durch die metallische
Verbindung beider Werkstoffe eine fest haftende Verbindung. Die Schichtdicke wird durch
die Verweilzeit des Bauteils in der Schmelze bestimmt. Das wichtigste Verfahren ist das
Feuerverzinken, bei dem der Überzug bei einer Temperatur von ca. 460 °C erzeugt wird.
Galvanisieren
Die Galvanotechnik nutz das Prinzip der elektrochemischen Metallabscheidung (Elektrolyse).
Das zu beschichtende Metall wird als Kathode geschaltet in eine Salzlösung (Elektrolyt) des
Beschichtungsmetalls gehängt. Das anodische Beschichtungsmetall (Zn, Cr, Ni, Mg, Pb) des
Elektrolyten wird aufgelöst und lagert sich auf der Kathode (zu beschichtendes Metall) ab.
Vorteile des Verfahrens sind u. a. eine genaue, wenn auch dünne Schichtdicke und keine
Werkstoffbeeinflussung durch hohe Temperaturen.
Die Galvanotechnik wird auch zum Verstärken der natürlichen oxidischen Schutzschicht von
Aluminium eingesetzt. Das Aluminiumteil wird in einem Elektrolysebad aus Schwefel- und
Oxalsäure (H2C2O4) mit einer sehr harten und elektrisch isolierenden 0,02 mm dicken Schicht
elektrolytisch oxidiert (eloxiert). Die Deckschicht kann eingefärbt werden und hat einen
hohen Verschleißwiderstand.
Thermisches Spritzen
Zur Reparatur und bei sperrigen Teilen kann ein schützender Zinküberzug durch thermisches
Spritzen aufgebracht werden. Das Überzugsmetall wird als Draht oder Pulver in der heißen
Spritzpistole geschmolzen und unter Druck (und möglichst Schutzgas) auf die Stahloberfläche
gespritzt. Die beste Schutzwirkung wird erreicht, wenn die flüssigen Metallteilchen (10 –
100 µm) miteinander und mit dem Untergrund verschmelzen. Da eine porenfreie Oberfläche
111
nicht leicht zu erzielen ist, wird im Allgemeinen ein Überzugsmetall gewählt, das
elektronegativer ist als das Grundmetall, um zumindest einen kathodischen Schutz
sicherzustellen.
Diffusionsverfahren
Die zu schützenden Metallteile werden bei sehr hohen Temperaturen (ca. 1100 °C) in
Behältern mit Metallpulver (Zn, Cr) mit dem verdampfenden Metallpulver überzogen. Durch
die Diffusion (Platzwechsel Fe – Cr) entsteht eine sehr dünne, reine Cr-Schicht. Der Cr-
Gehalt nimmt nach innen kontinuierlich ab. Die Schutzwirkung ähnelt der entsprechender
Legierungen.
112
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