TARGET Der Entwicklungsprozess
Gründe für die Entwicklung
Der Betrieb eines eigenen Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystems ist für das Eurosystem ein zentraler Bestandteil bei der Erfüllung seiner Aufgaben, hier konkret bei der Förderung des reibungslosen Funktionierens der Zahlungssysteme (vgl. Artikel 22 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank. Das Eurosystem setzt sich aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und den nationalen Zentralbanken des Euro-Währungsgebiets zusammen.
Vor diesem Hintergrund hat das Eurosystem TARGET entwickelt und dabei die folgenden drei Hauptziele verfolgt:
- Erfüllung der Anforderungen der Geldpolitik des Eurosystems, um eine reibungslose Umsetzung sicherzustellen.
- Schaffung eines sicheren und verlässlichen Mechanismus für die Abwicklung von Euro-Zahlungen auf Basis einer Echtzeit-Brutto-Verrechnung (Real-Time Gross Settlement, RTGS).
- Verbesserung der Effizienz grenzüberschreitender Zahlungen zwischen den Mitgliedsstaaten des Euroraums.
Mit dem TARGET-System betreiben die Zentralbanken des Eurosystems eine Marktinfrastruktur, die neben den Märkten und Institutionen eine Kernkomponente des Finanzsystems darstellt und wesentlich zu einer soliden Währung, der Durchführung der Geldpolitik, dem Funktionieren der Märkte und der Finanzstabilität beiträgt. TARGET steht für "Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer”, also ein transeuropäisches automatisiertes Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystem (RTGS-System).
Erste Generation des TARGET-Systems
Mit Einführung des Euro wurde die erste Generation des TARGET-Systems am ersten Geschäftstag des Jahres 1999, dem 4. Januar 1999, in Betrieb genommen. Ausgestaltet als RTGS-System, führte es die Euro-Zahlungen einzeln, kontinuierlich und in Echtzeit aus und stellte eine sofortige Finalität sicher. Damit konnten erhaltene Gelder mehrmals am Tag wiederverwendet werden.
TARGET bestand aus einem Verbund von teils recht unterschiedlichen RTGS-Systemen, die nur zu einem gewissen Mindestmaß harmonisiert waren, so z. B. hinsichtlich der Öffnungszeiten oder auch der Nachrichtenformate und Preise für grenzüberschreitende Transaktionen. Das Eurosystem hatte damit einen Service für die (grenzüberschreitende) Abwicklung von Euro-Zahlungen in sicherem Zentralbankgeld innerhalb der Europäischen Union (EU) etabliert.
TARGET2 als zweite Generation des TARGET-Systems
TARGET hatte sich zwar bewährt, aber im Laufe der Zeit zeichneten sich zunehmend zwei Nachteile ab: der dezentrale technische Aufbau und eine zu geringe Einheitlichkeit von Technik und Leistungsangebot. Es wurde deutlich, dass das System langfristig den Ansprüchen an die Leistungsfähigkeit, Kosten und Stabilität nicht hinreichend genügen würde.
Vor diesem Hintergrund wurden die Arbeiten an einer zweiten Generation des TARGET-Systems begonnen. Am 19. Mai 2008 konnte der Verbund schließlich – nach einer sechsmonatigen Migrationsphase – durch ein neues System abgelöst werden, das auf einer gemeinsamen einheitlichen Plattform betrieben wurde: TARGET2. Verantwortlich für die technische Entwicklung und den Betrieb waren die Banca d’Italia, die Banque de France und die Deutsche Bundesbank; aus rechtlicher Sicht wurde TARGET2 als multiples System strukturiert, bei dem jede nutzende Zentralbank als eigenständige Systembetreiberin fungierte.
TARGET2 bot nun allen Teilnehmerinstituten ein vollständig harmonisiertes Leistungsangebot mit hohem Standardisierungsgrad zu einheitlichen Preisen (auch für nationale und grenzüberschreitende Zahlungen) und ermöglichte damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Finanzmarktakteure.
Neben der bisher schon möglichen Abwicklung von Zahlungen im Zusammenhang mit geldpolitischen Operationen sowie der Abwicklung von Interbankenzahlungen, zwischen Banken ausgetauschten Kundenzahlungen und Transaktionen anderer Marktinfrastrukturen (z. B. Zahlungs- und Wertpapierverrechnungssysteme), wurde die Abwicklung von Interbankenlastschriften sowie die Möglichkeit der Vorabeinreichung von Zahlungen ergänzt. Für die anderen Marktinfrastrukturen, sog. Nebensysteme, wurden maßgeschneiderte Abwicklungsverfahren eingeführt sowie die Möglichkeit der Nachtverarbeitung. Verbessert wurden außerdem die Möglichkeiten eines effizienten und europaweiten Liquiditätsmanagements für die Teilnehmerinstitute.
Im Interesse der Dezentralität im Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) waren die jeweiligen Zentralbanken weiterhin für die individuelle Kundenbetreuung zuständig.
Die Deutsche Bundesbank migrierte mit ihrer nationalen Bankengemeinschaft zum Starttermin am 19. November 2007 nach TARGET2. Ihr sog. nationales TARGET2-Komponenten-System erhielt den Namen "TARGET2-Bundesbank" (oder kurz: „TARGET2-BBk“).
Erweiterungen von TARGET2
Seit Juni 2015 können TARGET2-Teilnehmerinstitute sog. T2S-DCA-Konten (TARGET2-Securities Dedicated Cash Accounts) für die geldliche Verrechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften eröffnen.
Darüber hinaus haben sie seit November 2018 die Möglichkeit, TIPS-DCA-Konten (TARGET Instant Payment Settlement Dedicated Cash Accounts) für die Abwicklung von Echtzeitzahlungen („Instant Payments“) „rund um die Uhr“ zu unterhalten.
Dritte und aktuelle Generation von TARGET
Mit Blick auf die Synergien zwischen ihren beiden Marktinfrastrukturen für den Zahlungsverkehr und die Wertpapierverrechnung, TARGET2 und TARGET2-Securities, hat das Eurosystem intensiv an der Konsolidierung beider Services gearbeitet. Zum bisherigen Entwickler- und Betreiberkonsortium (Banca d’Italia, Banque de France, Deutsche Bundesbank) kam nun auch – analog zu TARGET2-Securities und TIPS – die Banco de España hinzu.
Im Ergebnis wurden zum 20. März 2023 technische und funktionale Erweiterungen umgesetzt, die insbesondere den veränderten Marktanforderungen im Zahlungsverkehr und Liquiditätsmanagement Rechnung tragen und ein optimiertes Liquiditätsmanagement über alle TARGET-Services ermöglichen. Konkret hat das Eurosystem in seinem transeuropäischen automatisierten Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystem, das nun wieder „TARGET“ heißt, einen neuen sog. T2-Service eingerichtet, über den zentrale Liquiditätsmanagementdienste einschließlich der Abwicklung von Zentralbankgeschäften über MCA-Konten sowie die Echtzeit-Brutto-Abwicklung („RTGS“) von Zahlungen über RTGS-DCA-Konten angeboten werden. MCA-Konten (Main Cash Accounts) werden technisch in der sog. CLM-Komponente (Central Liquidity Management) von T2 geführt, RTGS-DCA-Konten (RTGS Dedicated Cash Accounts) in der sog. RTGS-Komponente von T2.
Das neu eingerichtete Liquiditätsmanagement über MCA-Konten umfasst aber nicht nur die Versorgung der im gleichen Service („T2“) angesiedelten RTGS-DCA-Konten für RTGS-Zahlungen, sondern auch die T2S-DCA-Konten für die geldliche Verrechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften und die TIPS-DCA-Konten für die Abwicklung von Echtzeitzahlungen.
Neben dieser strukturellen Anpassung wurden verschiedene funktionale Erweiterungen und Modernisierungen umgesetzt, wie z. B. erweiterte Funktionen beim Liquiditätsmanagement, Unterstützungen für die Datenanalyse oder auch längere Öffnungszeiten im RTGS-Zahlungsverkehr.
Außerdem wurde der Nachrichtenstandard für die Abwicklung der RTGS-Zahlungen auf den modernen ISO 20022-Standard umgestellt, und das System wurde fit gemacht für die Abwicklung von RTGS-Zahlungen in anderen Währungen als dem Euro.
Der Nachrichtenstandard ISO 20022 und die Mehrwährungsfähigkeit wurden in TARGET2-Securities und TIPS bereits mit deren Einführung in 2015 bzw. 2018 etabliert. Für diese beiden Services waren daher nur geringe Anpassungen erforderlich, wie z. B. die Anbindung an das zentrale Liquiditätsmanagement oder die gemeinsamen Komponenten, die von allen Services genutzt werden. Hierzu zählen das gemeinsame Referenzdatenmanagement, die Rechnungserstellung, die Steuerung des Geschäftstagesablaufs, das Data Warehouse (derzeit noch ohne TIPS) und der einheitliche technische Zugangspunkt zu allen Marktinfrastrukturen des Eurosystems. Dieser erlaubt die Anbindung über mehrere Netzwerkdienstleister, was den Teilnehmerinstituten einerseits die Wahl zwischen verschiedenen Konnektivitätsoptionen ermöglicht (und damit den Wettbewerb zwischen Netzwerkdienstleistern fördert) und außerdem die Chance zur Erhöhung der Ausfallsicherheit mittels paralleler Anbindungen über verschiedene Dienstleister bietet.
Letztlich wurde die Fähigkeit zur Cyber Resilience weiter verbessert, um den steigenden Gefahren der Cyber-Kriminalität wirksam entgegenzutreten.
Aufgrund der Umbenennung von TARGET2 in TARGET erhielt das nationale TARGET-Komponenten-System der Deutschen Bundesbank den Namen "TARGET-Bundesbank" (oder kurz: „TARGET-BBk“).
Mit der in 2023 eingeführten dritten TARGET-Generation hat das Eurosystem seine Marktinfrastruktur fit für die Zukunft gemacht, um weiterhin mittels harmonisierter Services und einer einheitlichen Preisstruktur auf EU-Ebene, der Unterstützung von Nebensystemen mit maßgeschneiderten Abwicklungsverfahren und der Unterstützung ihrer Nutzer mittels erweiterter Werkzeuge für das Liquiditätsmanagement zur Förderung der Finanzmarktintegration, der Finanzmarktstabilität und der Liquiditätseffizienz im Euroraum beitragen zu können.