Zum Tragverhalten Im Grundriss Gekrümmter Verbundbauten
Zum Tragverhalten Im Grundriss Gekrümmter Verbundbauten
Zum Tragverhalten Im Grundriss Gekrümmter Verbundbauten
Verbundträger
Vorgelegte
Dissertation
zur
der
von
Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr.-Ing. R. Kindmann für die Betreuung
und Unterstützung während der Entstehung dieser Arbeit sowie die Übernahme des
Referates.
Herrn Prof. Dr.-Ing. D. Hartmann danke ich herzlich für die Übernahme des Korefe-
rates.
Weiterhin gilt mein Dank allen meinen Kollegen, die durch ihre Diskussionsbereit-
schaft zum Enstehen dieser Arbeit beigetragen haben.
Schließlich danke ich meiner Familie für ihre verständnisvolle Unterstützung wäh-
rend der Erstellung dieser Arbeit.
Berichter:
Prof. Dr.-Ing. R. Kindmann, Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr.-Ing. D. Hartmann, Ruhr-Universität Bochum
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
1.1 Problemstellung und Zielsetzung 1
1.2 Stand der Forschung 9
1.3 Bezeichnungen 11
1.4 Allgemeine Annahmen und Voraussetzungen 13
1.5 Grundlagen der linearen Stabtheorie 14
2 Gekrümmte Verbundträger im Brückenbau 19
2.1 Vorbemerkungen 19
2.2 Trassierung 19
2.3 Lagerung 21
2.3.1 Allgemein 21
2.3.2 Lagerung von gekrümmten Bauwerken 22
2.4 Vollwandbalkenbrücken 23
2.4.1 Tragsysteme 23
2.4.2 Querschnittsvarianten 24
2.5 Belastungen 27
2.6 Werkstoffe 29
2.7 Ideelle Querschnittskennwerte 33
2.7.1 Vorbemerkungen 33
2.7.2 Mittragende Breiten – Schubverzerrung 33
2.7.3 Ideelle Querschnittskennwerte im Verbundbau 37
2.7.4 Ideelle Torsionssteifigkeit aufgelöster Kastenwände 41
2.7.5 Ideelle Schubsteifigkeit von Queraussteifungen 43
2.8 Hinweise zur Bemessung 45
3 Grundlegende Beziehungen für gekrümmte Träger 46
3.1 Vorbemerkungen 46
3.2 Statisch bestimmter Einfeldträger 46
3.3 Beidseitig gabelgelagerter Träger 47
3.3.1 Vorüberlegung 47
3.3.2 Schnittgrößen des Einfeldträgers mit Gabellagern 48
3.3.3 Gleichgewicht in Teilsystemen 50
3.3.4 Gleichgewicht um die Sehne 50
3.4 Zweifeldträger mit Gabellagern in den Endauflagern 54
3.5 Lastgrößen im Hauptachsensystem und Transformation 55
3.6 Gleichgewichtsgleichungen 56
4 Tragverhalten gekrümmter Träger 59
4.1 Untersuchte Träger 59
4.1.1 Vorbemerkungen 59
4.1.2 Systeme 59
4.1.3 Querschnitte 59
4.2 Idealisierung der Träger 62
VI
4.2.1 BOGEN2008 62
4.2.2 ANSYS 64
4.3 Gekrümmte Einfeldträger 65
4.3.1 Schnittgrößen 65
4.3.2 Tragfähigkeit gekrümmter Verbundträger 68
4.4 Gekrümmte Zweifeldträger 72
4.4.1 Schnittgrößen 72
4.4.2 Einfluss der Steifigkeiten und Lagerungsbedingungen auf die
Auflagerreaktionen 76
4.4.3 Tragfähigkeit gekrümmter Verbundträger 80
5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme 85
5.1 Vorbemerkungen 85
5.2 Gerader Stab mit Ersatzlasten 85
5.2.1 Ersatzlasten 85
5.2.2 Träger mit schwacher Krümmung 87
5.2.3 Träger mit starker Krümmung 87
5.2.3.1 Einfeldträger 87
5.2.3.2 Zweifeldträger 90
5.2.4 Beispiele 94
5.2.4.1 Einfeldträger mit starker Krümmung 94
5.2.4.2 Zweifeldträger aus Stahlprofilen 95
5.3 Gerade Träger mit Vorverformungen 99
5.3.1 Vorbemerkungen 99
5.3.2 Theorie II. Ordnung mit Vorverformungen 99
5.3.3 Analogiebetrachtung 101
5.4 Leitermodell zur Erfassung der Wölbkrafttorsion in gekrümmten
Trägern 103
6 Mäßig gekrümmtes Stabelement für FE-Berechnungen 106
6.1 Vorbemerkungen 106
6.2 Weggrößenverfahren 106
6.3 Kreisförmig gekrümmte Träger 107
6.3.1 Voraussetzungen 107
6.3.2 Verschiebungen u, v, w und Dehnung in Längsrichtung 107
6.3.3 Virtuelle Arbeit 110
6.3.4 Differentialgleichungen und Randbedingungen 111
6.3.5 Elementsteifigkeitsmatrix und -lastvektor 112
6.3.6 Gleichgewicht in den Knoten 114
6.4 Beispiele 115
6.4.1 Vorbemerkungen 115
6.4.2 Gekrümmter Einfeldträger aus Stahlprofilen 115
6.4.3 Zweifeldrige Fußgängerbrücke 116
6.4.4 Zweifeldträger mit horizontalen Lasten 118
VII
Literaturverzeichnis 161
Kurzfassung
In der vorliegenden Arbeit wird das Tragverhalten im Grundriss gekrümmter Träger
untersucht. Offene und geschlossene Querschnitte mit oben liegender Betonplatte aus
dem Verbundbrückenbau stehen dabei im Vordergrund. Maßgebende Parameter, die
den Einfluss der Krümmung auf den Verlauf von Schnittgrößen und Verformungen in
Ein- und Zweifeldträgern beschreiben, werden festgelegt. Die Auswirkungen des
zeitabhängigen Betonverhaltens werden untersucht.
Ersatzsysteme für stark gekrümmte Ein- und Zweifeldträger, bei denen die Krüm-
mung mit Hilfe von Ersatzlasten am geraden Ersatzstab berücksichtigt wird, werden
entwickelt. Außerdem wird ein mäßig gekrümmtes Stabelement für FE-
Berechnungen hergeleitet.
Ein Vorschlag zur Bemessung der Queraussteifungen in gekrümmten Trägern wird
gemacht. Darüber hinaus wird die Modellierung querweicher Systeme unter Verwen-
dung von Trägerrosten behandelt.
1 Einleitung
Beim Neubau übergeordneter Straßen sollen längere Geraden durch Kurven mit gro-
ßen Radien ersetzt werden. Dies vereinfacht das Abschätzen der Entfernung und Ge-
schwindigkeit entgegenkommender und nachfolgender Kraftfahrzeuge, die Blend-
gefahr wird reduziert und der Fahrer nicht zu überhöhten Geschwindigkeiten
verleitet. Gleichzeitig lässt sich eine gekrümmte Linienführung leichter an die Struk-
tur der Landschaft anpassen.
Ein typisch ausgeführtes Beispiel ist die 2004 fertig gestellte Werratalbrücke im Zuge
der A71 bei Einhausen (Bild 1.1). Sie quert das Tal der Werra in einem Radius von
R = 1.000 m und hat eine Gesamtlänge von ca. 1.200 m mit Stützweiten zwischen 37
und 85 m. Die Fahrbahn wurde mit zwei separaten Überbauten und einer Nutzbreite
zwischen den Geländern von 28,50 m ausgebildet. Der für einen Überbau gewählte
Verbundquerschnitt wurde als zweistegiger Plattenbalken mit gevouteten, luftdicht
verschweißten Hohlkastenträgern und Beton-Fahrbahnplatte realisiert. Die Kastenträ-
ger mit einem Achsabstand von 6800 mm sind 1680 mm breit und in Abständen von
ca. 5000 mm durch vollwandige Querschnitte quer ausgesteift. In Bild 1.2 ist der Re-
gelquerschnitt im Feld und über den Stützen dargestellt. Die Montage der Hohlkästen
erfolgte im Freivorbau mit Hauptträgerschüssen von bis zu 53 m. In diesem Zustand
traten maximale Durchbiegungen bis zu 1000 mm auf, die durch entsprechende
Werkstattüberhöhungen ausgeglichen wurden.
Bild 1.6 Streckenführung der H-Bahn an der Universität in Dortmund und Querschnitt
des H-Bahnträgers
Da die Kabinen am Fahrbahnträger hängen, wird dieser mit einem für den Lastabtrag
ungünstigen offenen Querschnitt ausgeführt. Bild 1.6 zeigt die Streckenführung der
H-Bahn an der Universität in Dortmund mit zahlreichen gekrümmten Bereichen und
den Querschnitt des eingebauten Fahrbahnträgers. Die Formerhaltung des Quer-
schnitts wird über außen liegende Aussteifungen gewährleistet. Die Fahrbahnträger
sind als Einfeldträger zwischen den Stützen eingehängt.
Zur Darstellung des Tragverhaltens von im Grundriss gekrümmten Trägern wird an
dieser Stelle auf Ergebnisse von im Kapitel 4 untersuchten Ein- und Zweifeldträgern
1 Einleitung 5
zurückgegriffen. Die Träger weisen Feldlängen von je 9,60 m auf und werden mit
einer konstanten Gleichstreckenlast von qz = 5 kN/m belastet. Die Schnittgrößen und
Verformungen sind nach Theorie I. Ordnung berechnet. Unterschieden werden ein
über die Länge konstanter offener und ein über die Länge konstanter wölbfreier
Stahlquerschnitt. Alle Auflager sind torsionsstarr. In Bild 1.7 und Bild 1.8 sind die
Schnittgrößenverläufe und Verformungen der kreisförmig gekrümmten Träger mit
R = 10 m im Vergleich zu den entsprechenden geraden Trägern mit gleichen Feldlän-
gen dargestellt. Des Weiteren werden die Ergebnisse bei der Wahl des offenen
IQuerschnitts den Ergebnissen bei Ausführung mit dem wölbfreien Quadrathohlpro-
fil gegenüber gestellt.
Für die betrachteten Einfeldträger entspricht der Querkraftverlauf Vz im gekrümmten
Träger dem Verlauf des geraden Trägers (Bild 1.7). Die Krümmung hat keine Aus-
wirkung auf den Querkraftverlauf. Beim geraden Träger resultieren aus einer Bean-
spruchung qz Biegemomente. Eine Krümmung führt zu einer Vergrößerung der
Biegemomente. Gleichzeitig erzeugt qz neben Biegemomenten auch Torsionsmo-
mente Mx. Es ist festzustellen, dass der Verlauf der Biege- und Torsionsmomente
vom gewählten Querschnitt unabhängig ist. Beim IQuerschnitt treten aber zusätzli-
che Wölbbimomente auf, die die Querschnittstragfähigkeit reduzieren. Torsionsbean-
spruchungen werden bei den Trägern mit dem Quadrathohlprofil ausschließlich durch
St. Venantsche Torsion abgetragen. Bei den Trägern mit IQuerschnitt tritt die
St. Venantsche Torsion mit der Wölbkrafttorsion in Kombination auf. Hieraus resul-
tieren die zusätzlichen Wölbbimomente. Die unterschiedliche Querschnittsform führt
bei gleichen Schnittgrößen My und Mx zu unterschiedlichen Verformungen. Der
IQuerschnitt weist im Vergleich zum Quadrathohlprofil ein sehr ungünstiges Ver-
formungsverhalten auf. Die Verdrehung ist in Feldmitte 195fach größer als beim
Quadrathohlprofil, die Durchbiegung w immerhin noch 44fach.
Beim Zweifeldträger hängen die dargestellten Schnittgrößenverläufe von der Krüm-
mung und vom Querschnittstyp ab (Bild 1.8). Es ist festzustellen, dass die Schnittgrö-
ßenverläufe Vz und My beim gekrümmten Träger mit dem Quadrathohlprofil in etwa
den Schnittgrößenverläufen des geraden Trägers entsprechen. Für den IQuerschnitt
ergeben sich große Unterschiede zu den am geraden Träger ermittelten Schnittgrö-
ßenverläufen. Die Vergrößerung des Stützmomentes beträgt immerhin 71 %. Aus der
Gleichgewichtsbetrachtung muss die Summe der Auflagerkräfte aber in beiden Fällen
der aufgebrachten Last entsprechen.
Der Torsionsmomentenverlauf Mx beim gekrümmten Zweifeldträger hängt sehr stark
vom gewählten Querschnitt ab und die Schnittgrößenverläufe sind auf den ersten
Blick schwer nachvollziehbar. Da die Torsionsbeanspruchungen aus der Krümmung
entstehen, ist die Größenordnung der Torsionsmomente an den Auflagern nicht direkt
aus der Belastung ablesbar. Auch bei den Zweifeldträgern sind die Verformungen
beim IQuerschnitt im Vergleich zum Quadrathohlprofil größer. Die Verdrehung
ist in Feldmitte 32fach größer, die Durchbiegung w 4,3fach.
6 1 Einleitung
Die oben dargestellten Beispiele zeigen, dass zur Kontrolle von Schnittgrößenverläu-
fen und zur Abschätzung des Verformungsverhaltens in gekrümmten Trägern ein tie-
fer gehendes Verständnis von Lastabtragungsmechanismen notwendig ist. In der
Praxis werden Träger mit starker Krümmung relativ selten ausgeführt. Um die Aus-
wirkungen der Kopplung von Biegung und Torsion richtig zu erfassen fehlen die Er-
fahrungen. Schwach gekrümmte Träger finden sich vermehrt bei der Ausführung von
langen Talbrücken, dann jedoch in der Regel mit einem geschlossenen Querschnitt.
Das Verformungsverhalten in torsionsbeanspruchten Trägern mit einem offenen
Querschnitt unterscheidet sich grundsätzlich von Trägern mit einem geschlossenen
Querschnitt. Bei einem geschlossenen Querschnitt erfolgt der Lastabtrag überwie-
gend durch St. Venantsche Torsion, beim offenen Querschnitt durch Wölbkrafttor-
sion. Dies führt bei Trägern mit einem offenen Querschnitt tendenziell zu größeren
Verdrehungen . In einem gekrümmten Träger erzeugt eine vertikale Beanspruchung
immer Torsion. Aufgrund der Kopplung von Biegung und Torsion hat das unter-
schiedliche Verformungsverhalten bei den Verdrehungen auch Einfluss auf die
Durchbiegung w. In Durchlaufträgern kann dies zu sehr unterschiedlichen Schnitt-
größenverläufen führen.
Maßgebende Parameter, die den Einfluss der Krümmung auf den Verlauf von
Schnittgrößen und Verformungen in Ein- und Mehrfeldträgern beschreiben, sollen
identifiziert werden.
Verbundträger werden häufig mit oben liegender Betonplatte ausgeführt. In Ver-
bundträgern sind Rissbildungen im Beton in Zug beanspruchten Bereichen zu be-
rücksichtigen. Der Einfluss der Rissbildung auf das Tragverhalten gekrümmter Ver-
bundträger ist zu klären. Des Weiteren sind die Einflüsse des Kriechens und des
Schwindens zu beachten. Bei länger andauernder Beanspruchung treten im Werk-
stoff Beton zeitabhängige Kriechverformungen auf. Dies führt zu zeitabhängigen
Umlagerungen von Schnittgrößen. Zur Berechnung dieser Zwangsschnittgrößen muss
bei einer elastischen Schnittgrößenberechnung auf das Kraftgrößenverfahren zurück-
gegriffen werden, da der zum Zeitpunkt t0 eingeprägte Schnittgrößenverlauf als zeit-
lich konstanter Lastfall und die Zwangsschnittgrößen als zeitlich veränderlicher Last-
fall aufgefasst werden müssen. Der Einfluss der Krümmung auf die Umlagerung von
Schnittgrößen infolge Kriechen ist zu untersuchen. Gleichzeitig treten im Beton be-
lastungsunabhängige Schwindverkürzungen auf. In Verbundträgern verhindert die
Verbindung der Betonplatte mit dem Stahlträger die Verkürzung der Betonplatte.
Hieraus resultiert ein primärer Beanspruchungszustand aus einer Schwindnormalkraft
NSh und einem Schwindmoment MSh. Die Kopplung von Biegung und Torsion im
gekrümmten Träger muss zu weiteren Schnittgrößen führen. Hier besteht Klärungs-
bedarf.
Das Tragverhalten gekrümmter Verbundträger soll untersucht und geklärt werden.
Große FE-Programmsysteme (z. B. ANSYS) bieten zur Berechung gekrümmter Träger
krummlinige Stabelemente an. In der Baupraxis kommen diese Programmsysteme
wegen ihrer Komplexität jedoch selten zur Anwendung. In der Praxis stehen dem In-
genieur für die richtige Berechnung der Schnittgrößenverläufe in gekrümmten Trä-
gern kaum EDV-Programme zur Verfügung. Räumliche Stabwerkprogramme ver-
1 Einleitung 9
wenden in der Regel gerade Stabelemente, bei denen die Wölbkrafttorsion keine
Berücksichtigung findet. Das gekrümmte Stabelement muss durch gerade Stabele-
mente polygonal angenähert werden. Des Weiteren führt die Vernachlässigung der
Wölbkrafttorsion bei offenen Querschnitten zu falschen Verformungen. Dies hat
Auswirkungen auf die Gebrauchstauglichkeit sowie auf die Schnittgrößenverläufe in
Durchlaufträgern. Die Verwendbarkeit dieser Programme ist zu überprüfen. In ein-
dimensionalen Stabwerkprogrammen findet teilweise die Wölbkrafttorsion Berück-
sichtigung (z. B. KSTAB [83]). Es ist zu überprüfen, in wie weit die Krümmung auch
als Ersatzlast oder –verformung aufgefasst werden kann und die gekrümmten Träger
auf diese Weise unter Berücksichtigung der Wölbkrafttorsion berechnet werden kön-
nen.
Es soll überprüft werden, in wie weit die Einflüsse der Krümmung über Ersatzlasten
oder -verformungen am geraden Träger erfasst werden können. Ein mäßig ge-
krümmtes Stabelement für die FE-Berechnung gekrümmter Träger soll zur Verfü-
gung gestellt werden.
Eine Voraussetzung für die Anwendung der Stabtheorie ist die Erhaltung der Quer-
schnittsform. Bei der Konstruktion von Trägern werden in der Regel an den Stellen,
an denen große Lasten in den Träger eingeleitet werden, Aussteifungen angeordnet.
Bei gekrümmten Trägern führt die Kopplung von Biegung und Torsion zu einer kon-
tinuierlichen Torsionsbeanspruchung aus der Krümmung, dessen Größe von der Bie-
gung und der Krümmung abhängt. Wenn die Stabtheorie verwendet werden soll, ist
zu gewährleisten, dass Profilverformungen gering bleiben.
Die notwendigen Maßnahmen, die die Erhaltung der Querschnittsform in gekrümm-
ten Trägern gewährleisten, sollen herausgestellt werden.
Im Brückenbau werden die Tragsysteme häufig unter Anwendung von Trägerrosten
modelliert. Der Träger wird dabei in mehrere Längsstäbe aufgeteilt, die an diskreten
Stellen durch Querstäbe verbunden sind. Bei dieser Art der Modellierung wird die
Voraussetzung, das der Querschnitt seine Form beibehält, verlassen. Bei breiten
Querschnitten kann auf diese Weise die Querweichheit Beachtung finden.
Es ist zu untersuchen, bei welchen Querschnittstypen eine Berechnung mit einem
Stab bzw. eine Berechnung als Trägerrost zu besseren Ergebnissen führt.
Die ersten Brücken mit engen Kurvenradien wurden Ende des 19. Jahrhunderts im
Zuge des Ausbaus von Stadtbahnen ausgeführt. Die Spannweiten waren auf einen
Öffnungswinkel von = /R 0,5 begrenzt [63]. Gottfeldt [33] entwickelte in den
30er Jahren ein Stabmodell zur Erfassung von Torsionsbeanspruchungen in Brü-
ckentragwerken. Er betrachtet zwei auf konzentrischen Kreisbögen liegende Haupt-
träger, die nur durch Querverbände miteinander verbunden sind. Unold [110] gibt
Lösungen für den Kreisringträger mit IQuerschnitt an. Die Wölbkrafttorsion findet
über Flanschbiegung Berücksichtigung.
10 1 Einleitung
In den 60er Jahren sind eine Reihe Publikationen erschienen, in denen das Problem
des in einer Ebene gekrümmten Trägers unter Anwendung der Stabtheorie behandelt
wird. Wansleben [119] betrachtet den konstant gekrümmten Träger mit Gabellagern.
Er berücksichtigt aber nicht die gegenseitige Abhängigkeit der Verschiebung w und
der Verdrehung . Wlassow [125] gibt die Gleichgewichtsgleichungen eines ge-
krümmten Stabelementes an. Bei der Ermittlung geht er davon aus, dass der Abstand
Schubmittelpunkt zu Schwerpunkt klein ist. Weiterhin stellt er den Zusammenhang
zwischen den Verschiebungsgrößen und den Schnittgrößen im gekrümmten Stabele-
ment unter Berücksichtigung der Wölbkrafttorsion über eine Analogiebetrachtung
zum geraden Stab her. Er zeigt die Kopplung der Verschiebung w und der Verdre-
hung auf und führt die reduzierte Verdrillung + w/R ein. Auf die Lösung der
Differentialgleichungen wird nicht eingegangen. Kreisel [61] gibt Lösungen der Dif-
ferentialgleichungen an, arbeitet die Theorie der Wölbkrafttorsion jedoch ohne Be-
rücksichtigung der reduzierten Verdrillung ein. Kollbrunner, Hajdin [57] betrachten
die Schnittgrößen als Resultierende der Spannungen. Dabei berücksichtigen sie die
unterschiedlichen Längen der Fasern in einem gekrümmten Element näherungsweise.
Die Schnittgrößen enthalten infolgedessen Flächenintegrale 3. Ordnung. Sie geben
ein numerisches Verfahren zur Lösung der Differentialgleichungen 4. Grades an.
Für wölbfreie Querschnitte gibt Wittfoht [124] aufbereitete Lösungen für den vertikal
beanspruchten Einfeldträger mit Gabellagern und starker Krümmung an. Für die Be-
rechnung von Durchlaufträgern unter Anwendung des Kraftgrößenverfahrens gibt er
die Lösungen von Einheitszuständen an. Vogel [115] gibt ebenfalls Lösungen für den
gekrümmten Durchlaufträger unter Anwendung des Kraftgrößenverfahrens an. Peter-
sen [76], [77], [78] betrachtet ebenfalls den wölbfreien Querschnitt. Er stellt die Feld-
matrix für einachsige Biegung und Torsion auf.
Dabrowski [14], [13] gibt Lösungen für den gabelgelagerten Einfeldträger mit offe-
nem Querschnitt unter Berücksichtigung einachsiger Biegung und Torsion an. Die
Unbekannten im Durchlaufträger berechnet er unter Verwendung des Kraftgrößen-
verfahrens. Schütz [100], [101] löst die gekoppelten Differentialgleichungen der
Durchbiegung und der Verdrehung. Becker [3], Heil [40] und Schmoll, Uhlig [98]
benutzen das Übertragungsmatrizenverfahren für die Berechnung des gekrümmten
Trägers mit offenem Querschnitt, Becker stellt die Feldmatrix für zweiachsige Bie-
gung mit Torsion zur Verfügung und Heil, Schmoll, Uhrig für einachsige Biegung
mit Torsion. Noch bis etwa 1985 war es eine wichtige Aufgabe, Tragwerke für eine
computerunterstützte FE-Berechnung so zu modellieren, dass der begrenzte Spei-
cherplatz ausreichte und Rechenzeiten nicht ausuferten. Da der Speicherbedarf beim
Übertragungsmatrizenverfahren gering ist und es sich besonders gut für die Modellie-
rung durchgehender Stabzüge eignet, nutzen Becker, Heil sowie auch Petersen dieses
Berechnungsverfahren. Für Grenzfälle, z. B. schwach gekrümmte Träger oder un-
günstige Stabkennzahlen, treten infolge von Differenzen zwischen großen Zahlen, die
sich nur wenig unterscheiden, numerische Probleme auf. Mit der Entwicklung leis-
tungsfähiger Computer werden FE-Berechnungen heutzutage in der Regel unter
Verwendung des Weggrößenverfahrens durchgeführt. In universell einsetzbaren FE-
Programmsystemen wie ANSYS [27] werden isoparametrische Stabelemente zur Be-
1 Einleitung 11
1.3 Bezeichnungen
Verschiebungsgrößen
u, v, w Verschiebungen
in x-, y-, z-Rich-
tung
x Verdrehung um
die x-Achse
y w Verdrehung um
die y-Achse
z v Verdrehung um
die z-Achse
Verdrillung der Bild 1.9 Definition positiver Verschiebungsgrößen
x-Achse im lokalen KOS [46]
Spannungen, Dehnungen
x Normalspannung in x-Richtung
Schubspannungen in y-z-Ebene
v Vergleichsspannung nach von Mises
x Dehnung in Stablängsrichtung
cs Schwinddehnung des Betons
Werkstoffkennwerte
Ea, Ecm Elastizitätsmoduln für Stahl und Beton
Ga , G c Schubmoduln für Stahl und Beton
fyk, fsk, fck Streckgrenzen für Baustahl, Bewehrungsstahl und Beton
Weitere Bezeichnungen
T Stabkennzahl für Torsion
My Verhältnis My = EIy,Stütz / EIy,Feld
T Verhältnis T = EIy / GIT
Verhältnis = –My,Stütz / My,Feld
Für alle Untersuchungen und Herleitungen in der vorliegenden Arbeit gelten, wenn
nicht ausdrücklich anders erwähnt, die folgenden Annahmen und Voraussetzungen:
Die Träger sind nur in einer Ebene im Grundriss kreisförmig gekrümmt.
Verschiedene Krümmungsradien gehen tangential ineinander über.
Der Querschnitt sei mindestens symmetrisch zur zAchse. Schwer- und
Schubmittelpunkt liegen auf der Symmetrieachse des Trägers. Die Stabachse
des idealisierten Trägers geht durch den Schwerpunkt S des Querschnitts (s.
Bild 1.10).
Belastungen wirken vertikal in zRichtung.
Die Lagerbedingungen beziehen sich auf die lokale Stabachse.
Die Stabtheorie sei gültig. Die Querschnittsform bleibt erhalten.
Der Einfluss der Verformungen auf das Gleichgewicht sei gering (Theorie I.
Ordnung).
Der Einfluss der Schubspannungen aus Querkraft (BernoulliHypothese) und
der Einfluss der sekundären Schubspannungen aus Wölbkrafttorsion (Wag-
nerHypothese) auf die Verformung des Stabes werden vernachlässigt.
14 1 Einleitung
Die Einleitung der Torsion wird nicht weiterverfolgt. Es wird davon ausgegan-
gen, dass Queraussteifungen in ausreichender Anzahl vorhanden sind und Tor-
sionsmomente nahezu kontinuierlich eingeleitet werden können.
Die Torsionssteifigkeit GIT ist über die Länge konstant.
Der erste Anteil ist die Verschiebung infolge einer Normalkraftbeanspruchung, der
zweite und dritte resultiert aus den Biegemomenten, und stellt die Verschiebungen
aufgrund von Querschnittsverdrehungen y und z dar. Der vierte Anteil erfasst die
Stablängsverschiebung aus Torsionsbeanspruchungen in Abhängigkeit von der last-
bezogenen Verdrillung.
Bild 1.11 Verschiebungen v und w eines Punktes P auf der Profilmittellinie [31]
Die Verformungen v und w in der Querschnittsebene ergeben sich aus der Verschie-
bung des Schubmittelpunktes M sowie aus zusätzlichen Verschiebungsanteilen, die
aus der Verdrehung resultieren. Es folgt:
v v M (z z M ) (1.2)
w w M (y y M ) (1.3)
Verzerrungen
Die auf eine Länge bezogenen Veränderungen der Verschiebungen bezeichnet man
als Verzerrungen. Jeder Punkt des Kontinuums erfährt Verschiebungen im Raum, die
durch die drei Verschiebungskomponenten u, v, w ausgedrückt werden. Die Kinema-
tik stellt den Zusammenhang zwischen den äußeren Weggrößen (Verschiebungen)
und den inneren Weggrößen (Verzerrungen) dar. Im Stabelement wird die Verschie-
bung jedes Punktes auf die Stabachse des Schwerpunktes bzw. Schubmittelpunktes
bezogen. Hieraus ergeben sich die 7 Weggrößen u, v, w für die Verschiebungen, ,
y, z für die Verdrehungen und für die lastbezogene Verdrillung. Bei Vernachläs-
sigung der Schubverzerrungen aus Biegung (BernoulliHypothese) und aus der
Wölbkrafttorsion (WagnerHypothese) lassen sich für ein gerades Stabelement fol-
gende Beziehungen aufstellen:
16 1 Einleitung
x
u x u y z z y (1.4)
x x
v u
xy z zM (1.5)
x y y
w u
xz y yM (1.6)
x z z
Schnittgrößen
Durch Integration der Spannungen nach Gln. (1.7) und (1.8) über den Querschnitt
werden Schnittgrößen zusammengefasst. Bei Stäben können maximal 8 verschiedene
Schnittgrößen auftreten. Die Normalkraft und die Biegemomente greifen im Schwer-
punkt an und die Querkräfte, Torsionsmomente und das Wölbbimoment wirken im
Schubmittelpunkt. In Tabelle 1.1 sind die Definitionen der Schnittgrößen zusammen-
gefasst.
Querschnittskennwerte
Die elastischen Querschnittseigenschaften, die Steifigkeiten des Stabes, werden über
Flächenintegrale bestimmt und auch als Querschnittskennwerte bezeichnet. Die
Querschnittskennwerte sind zur Ermittlung von Verformungen, Schnittgrößen in sta-
tisch unbestimmten Trägern mit veränderlichen Querschnitten und Spannungen nach
der Elastizitätstheorie erforderlich. In der Regel werden die Querschnittskennwerte
normiert, d. h. auf das yzHauptachsensystem, das seinen Ursprung im Schwer-
punkt S hat, und den Schubmittelpunkt M bezogen. Für einen normierten Querschnitt
gilt, dass die Flächenintegrale Ay, Az, A, Ayz, Ay und Az Null sind. Für eine An-
zahl von Profilen im Stahlbau sind die normierten Querschnittskennwerte tabelliert.
Für zusammengesetzte Querschnitte sind sie vorab zu ermitteln. Die für eine Berech-
nung nach Theorie I. Ordnung benötigten Querschnittskennwerte sind für zweiachsi-
ge Biegung mit Normalkraft und Torsion:
Fläche A und As bei schubweichen Stäben
Hauptträgheitsmoment Iy und Iz
Wölbwiderstand I
Torsionsträgheitsmoment IT
Fx 0: Normalkraft N
x dA
A
Vy 0 : Querkraft Vy
xy dA
A
Vz 0: Querkraft Vz
xz dA
A
My 0: Biegemoment
My x z dA
A
Mz 0: Biegemoment
Mz x y dA
A
Wölbbimoment
M x dA
A
18 1 Einleitung
A dA; As s A
A
I y z 2 dA; I z y 2 dA
A A
I 2 dA (1.9)
A
2 2
2 2
I T y y M z z M dA
A
y z
2.1 Vorbemerkungen
In diesem Kapitel sind einige für den Brückenbau wichtige Grundlagen zusammen-
getragen. Zunächst werden die bei der Planung von im Grundriss gekrümmten Brü-
cken nötigen Kenntnisse der Trassierung und der Lagerung vermittelt. Anschließend
werden die Tragsysteme von Vollwandbalkenbrücken besprochen und die Tragsys-
teme in Abhängigkeit typischer Querschnitte klassifiziert. Es wird auf die maßgeben-
den Belastungen im Brückenbau eingegangen. Bei der Bemessung von Verbundbrü-
cken sind Kenntnisse der im Verbund wirkenden Werkstoffe wichtig. Über den An-
satz ideeller Querschnittskennwerte können auch Träger, die die Voraussetzungen der
Stabtheorie nicht erfüllen, unter Verwendung von Stabelementen berechnet werden.
In den letzten Abschnitten wird auf diese Thematik eingegangen.
2.2 Trassierung
Die Trassierung einer Strecke erfolgt durch eine Aneinanderreihung von Geomet-
rieElementen. Im Verkehrswegebau üblich sind die Gerade und der Kreis als Tras-
sierungselemente mit konstantem Krümmungsradius und die Klothoide als Über-
gangsbogen zwischen Gerade und Kreis. Bei der Klothoide ändert sich die Krüm-
mung linear mit der Länge. So wird eine sprunghafte Änderung des Krümmungsra-
dius beim Übergang von der Gerade zum Kreis vermieden.
Bezeichnet i die Krümmung an der Stelle i, kann der Tangentenwinkel i (Bild 2.1)
wie folgt beschrieben werden:
i
di 1 i i2
i = i d (2.2)
d R i A 2 0 A2 2 A2
Bei Aufteilung der Klothoide in Kurvenabschnitte der Länge d können die Punkte
auf der Klothoide näherungsweise ermittelt werden. Der Punkt Pi+1 wird unter Benut-
zung des Tangentenwinkels i und der Koordinaten (xi,yi) in Punkt Pi bestimmt:
i2
i
2 A2
(2.5)
x i 1 x i d cos i yi 1 y i d sin i
i 1 i d
Die Koordinaten des Mittelpunktes (xM,yM) des Krümmungskreises und die Abrü-
ckung dieses Kreises – die Tangentenabrückung R – ergeben sich zu:
x Mi x i R i sin i y Mi y i R i cos i
(2.6)
R i y Mi R i
In Tabelle 2.1 sind übliche Abfolgen von GeometrieElementen und ihre Bezeich-
nungen dargestellt.
2.3 Lagerung
2.3.1 Allgemein
Lasten und Verformungen des Überbaus werden über Lager an den Stützungen auf
die Unterkonstruktion abgetragen. Lager sollten so konzipiert werden, dass sie mög-
lichst geringe Zwängungen im Überbau hervorrufen. Nach ihrer Funktion werden
feste und bewegliche Lager unterschieden. Dabei können Verschiebungs- und Ver-
drehungsfreiheitsgrade gesperrt sein. Im Brückenbau dürfen nur Lager mit allseitiger
Verdrehung eingesetzt werden.
Unterschieden werden Verformungs- und Gleitlager und Kombinationen dieser bei-
den Lagertypen. Verschiebungen und Verdrehungen zwischen Überbau und Unterbau
erzeugen beim Verformungslager Lagerverformungen. Beim Elastomerlager werden
diese gummielastisch aufgenommen. Wenn größere Verformungen aufgenommen
werden müssen, können Elastomerlager durch ein zusätzliches Gleitteil erweitert
werden. Wo immer möglich, sollten Verformungslager eingesetzt werden. Gleitlager
ermöglichen Relativbewegungen durch Gleiten. In der Gleitfuge wirken Gleitwerk-
stoff, Schmierstoff und Gegenwerkstoff zusammen. Punktkipplager wie Topflager
und Kalottenlager können als Gleitlager ausgebildet werden. In Tabelle 2.2 sind die
Symbole gebräuchlicher Lager dargestellt.
22 2 Gekrümmte Verbundträger im Brückenbau
Elastomerlager (Verformungslager)
Bei der tangentialen Anordnung der Lager wird der Überbau gezwungen, sich tan-
gential zur Bauwerksachse zu bewegen. Die Größe dieser zusätzlichen Zwangskräfte
ist abhängig von der Krümmung und der Steifigkeit des Überbaus und vom Steifig-
keitsverhältnis zwischen Überbau und Unterbau.
2.4 Vollwandbalkenbrücken
2.4.1 Tragsysteme
2.4.2 Querschnittsvarianten
Bild 2.4 Eingleisige Deckbrücke mit längsorientierter Fahrbahn nach FTA1 und
VTR10 [47] und Hutquerschnitt in Verbundbauweise
(1B) Kastenquerschnitte
Der geschlossene Querschnitt kann als wölbarmer Querschnitt ohne Berück-
sichtigung der Wölbkrafttorsion behandelt werden. Jedes kommerzielle Stab-
werksprogramm ist verwendbar. Ausgeführte Beispiele zeigt Bild 2.5.
Bild 2.6 Freie Verdrehung der Hauptträger bei Belastung der Fahrbahn und zu-
gehöriges Berechnungsmodell (Betrachtung des Hauptträgers als Teil-
system) [47]
(2B) Kastenquerschnitte
Die Schnittgrößen in Hauptträgern von Brücken mit Kastenquerschnitt müssen
unter Berücksichtigung der lastverteilenden Wirkung der Fahrbahnplatte, zu-
sätzlichen Trägerroststrukturen sowie der Torsionssteifigkeit und der Profil-
verformung berechnet werden ([22], 5.2.3.3 (1)). Die Lasten werden über
Quereinflusslinien auf die Hauptträger verteilt, um dann mithilfe einer Träger-
roststruktur (s. auch Abschnitt 9.2) im Bereich der Queraussteifungen als
St. Venantsche Torsion in den Träger eingeleitet zu werden. Beispiele für Kas-
tenquerschnitte sind in Bild 2.8 dargestellt.
2 Gekrümmte Verbundträger im Brückenbau 27
Kategorie 3
Zu dieser Kategorie zählen alle Querschnitte mit mehr als zwei Hauptträgern.
Quersysteme mit mehr als zwei Hauptträgern sind statisch unbestimmt. Die
Schnittgrößen in Hauptträgern von Brücken mit offenen Querschnitten und
mehr als zwei Hauptträgern sollten unter Berücksichtigung der lastverteilenden
Wirkung von orthotropen Platten und zusätzlichen Trägerroststrukturen be-
rechnet werden ([22], 5.2.3.2 (1)).
Bild 2.9 Auszug aus Richtzeichnung TRR 10 der Deutschen Bahn [47] und offe-
ner Querschnitt mit geschweißten I-Trägern
2.5 Belastungen
2.6 Werkstoffe
Für die Verbundquerschnitte werden die Werkstoffe Baustahl, Beton und Betonstahl
verwendet. Baustahl und Betonstahl haben ähnliche Werkstoffeigenschaften. Die
Werkstoffeigenschaften für Baustahl sind unter Anderem in DIN 18800 und DIN-
Fachbericht 103 zusammengestellt. Im Brückenbau dürfen Baustähle der Güte S 235,
S 275 und S 355 verwendet werden, bei Straßenbrücken auch S 460. Für gerippte
Betonstähle in ihrer Erzeugnisform als Stabstahl (S) und Matte (M) gelten die Rege-
lungen nach DIN 1045, DIN-Fachberichte 102 und 104. Für Verbundtragwerke darf
vereinfachend der Elastizitätsmodul des Betonstahls wie für Baustahl angenommen
werden. Bild 2.12 zeigt die den Untersuchungen in dieser Arbeit zugrunde gelegten
rechnerischen Spannungsdehnungslinien für diese beiden Werkstoffe. Bei plastischer
Querschnittsausnutzung darf bei Verbundtragwerken nur Betonstahl mit hoher Duk-
tilität verwendet werden. Die Zugdehnung des Betonstahls ist hierbei auf uk 0,025
zu begrenzen. In Tabelle 2.3 sind Streckgrenzen üblicher Baustähle und des Beton-
stahls, EModuli und Teilsicherheitsbeiwerte der Grundkombination angegeben.
Baustahl Betonstahl
Tabelle 2.3 EModul, Streckgrenzen und Teilsicherheitsbeiwerte für Baustahl und Be-
tonstahl
Baustahl Betonstahl
Streckgrenze S235, t 40 mm: 235 N/mm² BSt 500 S 500 N/mm²
fyk (Baustahl) S235, 40 < t 100 mm: 215 N/mm² BSt 500 M 500 N/mm²
bzw.
fsk (Betonstahl) S355, t 40 mm: 355 N/mm²
[N/mm²] S335, 40 < t 100 mm: 335 N/mm²
Streckgrenze
20 25 30 35 40 45 50
fck [N/mm²]
mittlere Zugfestigkeit
2,2 2,6 2,9 3,2 3,5 3,8 4,1
fctm [N/mm²]
mittlerer Sekantenmodul
Ecm = 9500 · (fck + 8)1/3 28.800 30.500 31.900 33.500 35.000 35.700 37.000
[N/mm²]
Teilsicherheitsbeiwert
c (Grundkombination) 1,5
2 Gekrümmte Verbundträger im Brückenbau 31
Tabelle 2.5 Ermittlung der Kriechzahl und Schwinddehnung nach Heft 525 des DAfStb
t,t0 0 c t, t0
0 RH fcm t0
RH 1 1 RH 100 3 0,1 h0 100 1 2
fcm 16,8 fcm
t0 1 0,1 t0,eff 0,2
mit t0,eff t0 9 2 t 01,2 1 0,5 Tage
0,3
t t0
c t,t 0
t t
H 150 1 1,2 RH 100
18
h 0 100 250 3 1500 3
H 0
Schwinddehnung cs
Abmessungen des Bauteils und der Zusammensetzung des Betons ab. Das Kriechen
wird des Weiteren deutlich vom Reifegrad des Betons beim erstmaligen Aufbringen
der Last sowie von der Dauer der Belastung beeinflusst. Für übliche Konstruktions-
betone kann im Bereich bis etwa c = 0,4·(fck + 8) ein annähernd linearer Zusammen-
hang zwischen kriecherzeugender Spannung und Kriechdehnung angenommen wer-
den. Bei der Ermittlung der Kriechzahl (t,t0) und der Schwinddehnung cs(t,ts) sind
diese Einflüsse zu berücksichtigen. Die Berechnung der Kriechzahl und der
Schwinddehnung für einen Zeitpunkt t sind in Heft 525 des DAfStb geregelt und in
Tabelle 2.5 dargestellt. Zur Berechnung der Kriechzahl und der Schwinddehnung
zum Zeitpunkt t = finden sich in DIN-Fachbericht 102 Diagramme, mit denen diese
in Abhängigkeit der Geometrie des Querschnitts abgelesen werden können (Tabelle
2.6). Da Brückenbauten in der Regel für eine Nutzungsdauer von 100 Jahren zu pla-
nen sind, ist nach DIN-Fachbericht 102 t = mit 30.000 Tagen anzusetzen.
2.7.1 Vorbemerkungen
Sind die Voraussetzungen zur Idealisierung des Trägers als Stab nicht erfüllt, muss
das System mit PlattenScheibenElementen modelliert werden. Um dies zu vermei-
den, sind Modelle entwickelt worden, so dass auch Querschnitte mit großen Abmes-
sungen, Verbundquerschnitte und aufgelöste Querschnitte über den Ansatz ideeller
Querschnittskennwerte in der Stabstatik Berücksichtigung finden können:
In Querschnitten mit breiten Gurten muss der Einfluss der Scheibenwirkung
(Schubweichheit der Gurte) über das Modell der mittragenden Breiten berück-
sichtigt werden.
Der Beton in Verbundquerschnitten mit oben liegender Betonplatte findet mit
auf den Baustahl bezogenen ideellen Querschnittskennwerten Berücksichti-
gung.
Der Einfluss aufgelöster Querschnittswände auf die Torsionssteifigkeit kann
über ideelle Bleckdicken erfasst werden.
Auch die Schubsteifigkeit von Queraussteifungen kann über eine ideelle
Schubfläche erfasst werden.
Die Einflüsse aus Schubverzerrungen auf die Steifigkeit müssen berücksichtigt wer-
den, falls diese die Schnittgrößenverläufe und die Querschnittstragfähigkeit signifi-
kant beeinflussen. Da im Rahmen der Stabtheorie die Scheibenwirkung einzelner
Querschnittsteile nicht erfasst werden kann, wird der Einfluss der Schubweichheit bei
einer Modellierung mit Stäben durch das Modell der mittragenden Gurtbreiten be-
rücksichtigt. Hierbei wird der veränderliche Verlauf der Längsspannungen in Quer-
richtung durch einen konstanten xVerlauf der Größe max x ersetzt. Damit die
34 2 Gekrümmte Verbundträger im Brückenbau
Gurtkraft in beiden Fällen identisch ist, muss die bei der Berechnung berücksichtigte
Gurtbreite auf eine mittragende Breite reduziert werden. Die mittragende Gurtbreite
ist von folgenden Parametern abhängig:
Verhältnis der Breite des Gurtes zur Länge des Trägers
statisches System
Art der Beanspruchung
vom Ort des betrachteten Querschnitts (Feldmitte, Auflager, etc.)
Querschnitte mit breiten Gurten finden sich vor allem im Brückenbau. In Bild 2.14
sind die mittragenden Breiten eines Querschnitts mit zwei Hauptträgern, wie er häu-
fig im Brückenbau vorkommt, dargestellt. Zur Berechnung der mittragenden Breiten
finden sich Angaben in DIN-Fachbericht 103 (Stahlbrücken) und DIN-Fach-
bericht 104 (Verbundbrücken) sowie im EC 3 Teil 1-5 (Plattenförmige Bauteile) und
im EC4 Teil 2 (Verbundbrücken). Die mittragenden Breiten beeinflussen einerseits
die Steifigkeit der Bauteile in der statischen Berechnung des Tragwerks und anderer-
seits die Querschnittstragfähigkeit. Der Einfluss hängt vom betrachteten Grenzzu-
stand ab. Im Allgemeinen sollte für alle Grenzzustände, d. h. Grenzzustand der
Tragfähigkeit, der Gebrauchstauglichkeit und der Ermüdung, dieselben mittragenden
Breiten verwendet werden. In Bild 2.15 sind die geometrischen und mittragenden
Breiten beff für eine Stahl- und für einen Betongurt dargestellt.
Hierbei entspricht Asl der Querschnittsfläche aller Längssteifen innerhalb der Breite bi
und ti die Blechdicke. Die weiteren Bezeichnungen sind in Bild 2.15 definiert. Es gilt:
für Stahlgurte:
beff i bi mit i nach Tabelle 2.7 (2.11)
i
für Betongurte:
beff b0 bei und beff ,0 b0 i b ei (2.12)
i i
mit bei min e , bi und i 0,55 0,025 e / bi 1
8
Ist eine genauere Berechnung der Spannungsverteilung im Obergurt erforderlich, bei-
spielsweise bei Beul- oder Ermüdungsnachweisen, kann die Spannungsverteilung in
Stahl- und Betongurten nach Bild 2.17 angesetzt werden.
i bi
Nachweisort Wert
e
0,02 i = 1,0
1
Feldmoment i i,Feld
1 6,4 2
0,02 bis 0,70
1
i i,Stütz
Stützmoment 1 2
1 6,0 1,6
2 500
1
Feldmoment i i,Feld
5,9
> 0,70
1
Stützmoment i i,Stütz
8,6
i = (0,55 + 0,025 / ) 1,
alle Endauflager
jedoch i < 1
alle Kragarm i = i,Stütz am Auflager, i = 1,0 am Ende
2 Gekrümmte Verbundträger im Brückenbau 37
Betrachtet wird ein Verbundquerschnitt mit Baustahl und oben liegender Betonplatte
nach Bild 2.18. Die Betonplatte steht im starren Verbund mit dem Baustahl. Wenn
kein genaueres Berechnungsverfahren angewandt wird, sollten die elastischen Quer-
schnittseigenschaften von Verbundquerschnitten mit Hilfe von auf den Baustahl be-
zogenen ideellen Querschnittskenngrößen ermittelt werden. Der Verbundquerschnitt
wird in einen ideellen Gesamtquerschnitt überführt. Von der Gültigkeit des Hooke-
schen Gesetzes für Beton und Stahl wird ausgegangen.
Tabelle 2.8 Ideelle Fläche Ast und ideelles Trägheitsmoment Iy,st (Zustand II) [46]
Beim Verbundquerschnitt im Zustand I liegen der Baustahl in der Zugzone und der
Betongurt in der Druckzone. Die Ermittlung der ideellen Fläche Ai und des ideellen
Trägheitsmomentes Iy,i erfolgt über lastfallabhängige Reduktionszahlen nL, dem Ver-
hältnis des lastfallabhängigen Elastizitätsmoduls des Betons Ec zum Elastizitätsmodul
des Baustahls Ea. Der Bezugsfaktor zur Ermittlung von nL ist das Verhältnis
n0 = Ea/Ecm. Der Elastizitätsmodul des Betons Ecm entspricht hierbei dem mittleren
Sekantenmodul nach 28 Tagen (s. Abschnitt 2.6).
Für kurzzeitig wirkende Beanspruchungen aus Verkehr, Wind und Temperatur ent-
spricht die Reduktionszahl nL = n0. Das materialspezifische Verhalten des Betons (li-
nearviskoelastischer Werkstoff) führt zu einer zeit- und lastfallabhängigen Reduk-
tion des Elastizitätsmoduls. Der Einfluss auf die Reduktionszahl nL wird über einen
von der Beanspruchungsart abhängigen Kriechbeiwert L und der Kriechzahl t(t,t0)
bestimmt. Da die Auswirkungen des zeitabhängigen Verhaltens sich hinsichtlich der
Wirkung einer Betonnormalkraft und eines Betonbiegemomentes unterscheiden,
müsste korrekterweise jeweils eine Reduktionszahl bezogen auf die Betonfläche und
eine bezogen auf das Betonträgheitsmoment berechnet werden. Nach DIN-Fach-be-
richt 104 und DIN 18800-5 darf aber vereinfachend in beiden Fällen mit dergleichen
Reduktionszahl gerechnet werden. Die zugehörigen Kriechbeiwerte und die Berech-
nung der ideellen Fläche Ai und des ideellen Trägheitsmomentes Iy,i sind in Tabelle
2.9 zusammengestellt.
2 Gekrümmte Verbundträger im Brückenbau 39
Tabelle 2.9 Ideelle Fläche Ai und ideelles Trägheitsmoment Iyi (Zustand I) [46]
Bei der Berechnung des ideellen Torsionsträgheitsmomentes sind der offene und der
geschlossene Querschnitt zu unterscheiden (Bild 2.19). In offenen Querschnitten ist
die Schubspannungsverteilung linear veränderlich. Das ideelle Torsionsträgheitsmo-
ment des Verbundquerschnitts sollte als Summe des Torsionsträgheitsmomentes IT,a
des Stahlquerschnitts und IT,c des Stahlbetonquerschnitts bezogen auf den Baustahl
ermittelt werden:
40 2 Gekrümmte Verbundträger im Brückenbau
I T,c
I T,i,offen I T,a (2.14)
nG
Betrachtet wird ein unter Schubspannungen stehendes Element (Bild 2.20). In den
schrägen Schnittebenen treten Hauptzug- und Druckspannungen auf. Da Beton nur
eine geringe Zugfestigkeit aufweist, sind die Voraussetzungen eines linearelastischen
Werkstoffverhaltenes nicht mehr erfüllt. Die Zugkräfte müssen über die Bewehrung
aufgenommen werden. Zur Lastabtragung von Schubspannungen in Betonelementen
wurden Fachwerkmodelle entwickelt, die das Zusammenspiel zwischen Beton und
Bewehrung richtig darstellen. Da nach dem Fachwerkmodell die Zugkomponenten
2 Gekrümmte Verbundträger im Brückenbau 41
von der Bewehrung aufgenommen werden, können die für den Zustand I (Beton nicht
gerissen) ermittelten Torsionsträgheitsmomente auch für Bereiche im Zustand II (Be-
tongurt vollständig gerissen) Verwendung finden.
Beansprucht durch den Einheitsschubfluss T = „1“ ergibt sich für die ideelle Blechdi-
cke ti:
1
ti b (2.17)
G s (Verband)
42 2 Gekrümmte Verbundträger im Brückenbau
Tabelle 2.10 Ideelle Blechdicken zur Ermittlung von IT und zugehörige Verbandskräfte
E ab
ti
G d3 a3 1 1
AD 3 A o Au
D T d
V 0
E a b
ti 3 3
G 2d b a3 1 1
A D 4A V 12 A o A u
D T d
h
V T
2
E ab
ti 3 3
G d a 1 1
2A D 12 A o A u
D Td
E ab
ti
G d3 b3
a3 1 1
A D A V 12 A o A u
D Td
V Th
2 Gekrümmte Verbundträger im Brückenbau 43
In Tabelle 2.10 findet sich eine Zusammenstellung üblicher Verbandsarten nach [89].
Die Ober- und Untergurtflächen sind enthalten, können jedoch meist als sehr groß
betrachtet werden. Es ist zu beachten, dass die ideelle Blechdicke t i nur Schub, aber
keine Normalspannungen aufnehmen kann. Zur Berechnung der Biegesteifigkeit
kann sie dementsprechend nicht herangezogen werden. Die Verbandskräfte ermitteln
sich aus dem gegebenen Schubfluss der betrachteten „Verbandsscheibe“.
GAs = G · fQ · ti · h
mit
ti =bo/(2 · G · h · s)
s = vertikale Verformung unter Be-
rücksichtigung einer Einheitslast „1”
fQ =1, für offene Querschnitte
fQ =(bo + bu) / bo, für
Kastenquerschnitte
Tabelle 2.11 Ideelle Blechdicken zur Ermittlung der Schubsteifigkeit von Queraussteifun-
gen und zugehörige Schnittgrößen (Vi entspricht der ideellen Querkraft im
Ersatzstab), fQ = 1 für offene Querschnitte und fQ = 2 für einen Kastenquer-
schnitt
Querscheibe:
ti fQ t
1
V Vi
fQ
Querrahmen:
E 12 Is Iu b Is Io Iu 6 h Io Iu
ti fQ
G Io b h 6 a Iu b Is a Iu b Is
1
V Vi
fQ
Querverband (KVerband):
E b h AD
ti fQ
G 2 d3
1 V h
D i
fQ d
Querverband (Diagonalstab):
E b h AD
ti fQ
G d3
1 V h
D i
fQ d
2 Gekrümmte Verbundträger im Brückenbau 45
Die Bemessung von Brücken ist seit 2003 in den DIN-Fachberichten, den Nationalen
Anwendungsdokumenten der zugehörigen Eurocodes, geregelt [20] [23]:
DIN-Fachbericht 101: Einwirkungen im Brückenbau
DIN-Fachbericht 102: Betonbrücken
DIN-Fachbericht 103: Stahlbrücken
DIN-Fachbericht 104: Verbundbrücken
Für die Anwendung bei Straßenbrücken sind zusätzlich die „Allgemeinen Rund-
schreiben“ und die ZTV-ING [130] zu beachten. Für Eisenbahnbrücken finden sich
ergänzende Regelungen in der Richtlinie 804 [87].
Zur Sicherstellung ausreichender Tragfähigkeit und zur Gewährleistung der Ge-
brauchstauglichkeit wird zwischen den Nachweisen in den Grenzzuständen der Trag-
fähigkeit auf Traglastniveau und der Gebrauchstauglichkeit auf Gebrauchslastniveau
unterschieden. Zusätzlich müssen bei Straßen- und Eisenbahnbrücken weitere Be-
triebsfestigkeitsnachweise geführt werden.
Aktuell ist bei Verbundbrücken die Berücksichtigung von Schnittgrößenumlagerun-
gen infolge von Plastizierungen im Stahl nicht erlaubt. Beim Nachweis der Quer-
schnittstragfähigkeit bei geraden Verbundbrücken sind im Grenzzustand der Trag-
fähigkeit Plastizierungen zugelassen (Nachweisform „ElastischPlastisch“). Eine
ausreichende Rotationskapazität muss dabei gewährleistet sein. Querschnitte werden
entsprechend ihrer druckbeanspruchten Teile über die Nachweisform
vorh b / t grenz b / t (2.18)
3.1 Vorbemerkungen
Die Träger weisen eine gleich bleibende Krümmung auf und sind in zRichtung oder
durch Torsion belastet. Ausgehend vom statisch bestimmten Grundsystem wird ge-
zeigt, dass der Verlauf der Biege- und Torsionsmomente im beidseits torsionsstarr
gelagerten Einfeldträger und bei konstanter Torsionssteifigkeit allein von der Geo-
metrie abhängt. Durch Bilden von Teilsystemen können die Auflagerreaktionen so-
wie die Biegemomente an der Schnittstelle über Gleichgewichtsbetrachtungen
bestimmt werden. Eine Kontrolle der Auflagerbeanspruchungen liefert immer das
Bilden von Gleichgewicht um die Sehne, die die Verbindung der Endauflagerpunkte
schafft.
Die Schnittgrößenverläufe des Einfeldträgers mit Gabellagern und die Differential-
gleichungen werden in diesem Kapitel angegeben. Weiterhin werden die Beanspru-
chungen eines gekrümmten Trägers ins Hauptachsensystem transformiert.
Die Schnittgrößen ergeben sich aus Fz = MI-I = MII-II = 0 und sind in Bild 3.1
rechts dargestellt. Es ist festzustellen, dass bei der Abtragung des Torsionsmomentes
MxB das Biegemoment My Null ist. Das Torsionsmoment MxB ist über die gesamte
Länge konstant und kann folglich komplett der St. Venantschen Torsion zugeordnet
werden.
3.3.1 Vorüberlegung
Betrachtet wird nun der in Bild 3.2 dargestellte beidseits gelagerte Einfeldträger mit
dem Radius R, Öffnungswinkel und konstantem Querschnitt. Untersucht wird der
Einfluss der Biegesteifigkeit auf die Torsion. Zu diesem Zweck wird der Träger mit
einer Gleichstreckenlast qz belastet. Der an beiden Seiten gabelgelagerter Träger ist
einfach statisch unbestimmt. Über die Gleichgewichtsbedingungen können die
Schnittgrößenverläufe nicht eindeutig bestimmt werden. Der Einfluss von Verfor-
mungen ist zu berücksichtigen. Dies geschieht an dieser Stelle mithilfe des Kraftgrö-
ßenverfahrens. Das statisch bestimmte Ersatzsystem wird nach Bild 3.1 gewählt. Das
Torsionsmoment MxB = „1“ liefert den Einheitszustand. Die Verdrehung am Auflager
B infolge der Last- und Einheitszustände wird mithilfe der Arbeitsgleichung ermittelt.
Unter Vernachlässigung der Querkraft lautet der Arbeitssatz:
M yM y M x M x
1 i dx (3.2)
EI y GIT
Da das Biegemoment im Einheitszustand Null (s. Bild 3.1) ist, hängt die Verdrehung
am Auflager B nur von der Torsionssteifigkeit GIT ab, d. h. das Biegemoment kann
am statisch bestimmten Einfeldträger mit Gabellager berechnet werden. Bei über die
Länge konstanter Torsionssteifigkeit GIT können die Torsionsmomente an Teilsyste-
men berechnet werden (s. auch Abschnitt 3.3.3).
48 3 Grundlegende Beziehungen für gekrümmte Träger
Grundsystem:
Teil 1:
sin 2 sin 2
My ≤1 Fz R sin Mx sin
sin sin
sin 1 sin 1
≥1 Fz R sin Mx sin
sin sin
sin 2 sin 2
Mx ≤1 Fz R 2 cos Mx cos
sin sin
sin 1 sin 1
≥1 Fz R cos 1 Mx cos
sin sin
Teil 2:
Tabelle 3.2 Schnittgrößen Mxp, Mxs und M des gabelgelagerten, kreisförmig gekrümm-
ten Einfeldträgers nach Dabrowski [14]
sinh R 2
Mxs = M ≤ 1 Mx 1 Fz R sinh T
cosh R
sin 2
Mx Fz R cos
sin
sinh R 1
≥ 1 Mx 1 Fz R cosh T R
sinh T
sin 1
Mx Fz R cos
sin
Mxp = Mx Mxs
mx 1 qz R cosh R cosh T R
Mxs = M
sinh T
cos cos
mx R qz R 2 sin
Mxp = Mx Mxs
mx 1 qz R sinh R sinh T R
M 1
2 sinh T
sin sin
mx R 2 qz R 3
sin
1
GIT
mit ,
EI
1
T R und 2
1 R
50 3 Grundlegende Beziehungen für gekrümmte Träger
Durch Transformation der Lasten in den Schnittpunkt der senkrecht zu den gedrehten
Auflagerachsen stehenden Polstrahlen und geschicktes Bilden von Teilsystemen kön-
nen die Auflagerreaktionen und das Biegemoment My() im Schnitt auf einfache
Weise bestimmt werden. Diese Vorgehensweise führt zu einem tiefer gehenden Ver-
ständnis des Lastabtrags und des Gleichgewichts im gekrümmten Träger. Vorrauset-
zung ist eine über die Länge konstante Torsionsteifigkeit GIT. In diesem Fall kann
eine torsionsfreie Lagerung an der Schnittstelle angenommen werden.
Betrachtet werden Einfeldträger mit der Belastung Fz, Mx, qz oder mx. Die Belastung
wird in den Schnittpunkt der senkrecht zu den gedrehten Auflagerachsen stehenden
Polstrahlen transformiert. Das resultierende Moment M wird unter Anwendung des
Sinussatzes nach Bild 3.3 zerlegt, so dass die entstehenden Momente Mx1 und Mx2 in
die Wirkungsrichtung der Gabellager zeigen. Die resultierende Kraft F wird im Ver-
hältnis des Öffnungswinkels eines Teilsystems zum einschließenden Winkel der Pol-
strahlen aufgeteilt. An den statisch bestimmten Teilsystemen können die
Auflagerreaktionen und das Biegemoment My() des beidseits torsionsstarr gelager-
ten Einfeldträgers bestimmt werden.
Mx1
2r
sin 2
Mx2
2r
sin 1
M M
mit r=
2 sin -1-2 2 sin
1 2 (Öffnungswinkel des Trägers)
Für den Einfeldträger mit Einzellast Fz bzw. Mx sind die Transformation und die Teil-
systeme in Tabelle 3.3 formuliert. Für den Einfeldträger mit konstanter Gleichstre-
ckenlast qz bzw. mx sind sie in Tabelle 3.4 angegeben. Die Gleichstreckenlast wird
durch die Resultierende in ihrem Schwerpunkt zusammengefasst. Das Streckentorsi-
onsmoment wird in jedem Punkt in die Wirkungsrichtungen der Gabellager zerlegt.
Transformation
F Fz M Fz R
Teilsysteme
sin 2 sin 1
Mx1 M Mx2 M
sin sin
Auflagerreaktionen und Biegemoment
2 1
Az F Bz F
MxA Mx1 A z R MxB Mx2 Bz R
My 1 Mx1 sin 1 Mx2 sin 2
Teilsysteme
Mx1 Mx sin 2 sin Mx2 Mx sin 1 sin
Auflagerreaktionen und Biegemoment
Az Bz 0
MxA Mx1 MxB Mx2
My 1 Mx1 sin 1
Mx2 sin 2
52 3 Grundlegende Beziehungen für gekrümmte Träger
Transformation
2 R
F qz R M F Rs F sin 2
Teilsysteme
Mx1 Mx2 2 qz R 2 sin2 2 sin
Auflagerreaktionen und Biegemoment
Az Bz 0,5 F 0,5 qz R
MxA Mx1 A z R MxB Mx2 Bz R
My 2 Mx1 sin 2 2 qz R 2 sin2 4
Mx2 sin 2 2 qz R 2 sin2 4
Teilsysteme
R
Mx1 Mx2 m x sin sin d mx sin x R sin dx
0 x 0
m R R m R
x cos x R x 1 cos
sin 0 sin
Auflagerreaktionen und Biegemoment
Az 0 Bz 0
MxA Mx1 MxB Mx2
My 2 0,5 Mx1 sin 2 0,5 Mx2 sin 2
3 Grundlegende Beziehungen für gekrümmte Träger 53
Bei Lasten in zRichtung entstehen eine durch die Krümmung hervorgerufene Ver-
drehung des Systems um die Achse, die die Verbindung zwischen den Auflagern dar-
stellt und hier als Achse I-I bezeichnet werden soll. Die Summe der
Torsionsmomente an den Auflagern kann durch Gleichgewichtsbildung um die Ach-
se I-I bestimmt und auf die lokale Stabachse des gekrümmten Trägers bezogen wer-
den. Zur Bildung von Gleichgewicht sind die Lasten und ihr Hebelarm zur Achse I-I
zu ermitteln. Für den Lastfall „Gleichstreckenlast“ und „Einzellast“ sind die Angaben
in Bild 3.4 zusammengestellt. Da der Kreisbogen beim Lastfall „Gleichstreckenlast“
symmetrisch belastet ist, muss sich die Torsion gleichmäßig auf beide Auflager auf-
teilen. Für die auf die gekrümmte Stabachse bezogene Summe der Torsionsmomente
an den Auflagern A und B gilt:
1 R qz eqz
M xA M xB q z R 2 tan 2 2 (3.3)
2 cos 2
Für den Lastfall „Einzellast“ ergibt sich die auf die Krümmung bezogene Summe der
Torsionsmomente am Auflager zu:
Fz v Fz
M xA M xB (3.4)
cos 2
Rqz qz R
eqz R 2 sin 2 cos 2
2 s 2 s 2
v(s) v max R R
4
2
vmax 2 R sin 4
s 2 R sin 2
Rqz qz 2 qz R
eBz 2 R sin2 4
eqz R 2 sin 2 cos 2
Die Summe der Torsionsmomente am Auflager bezogen auf die Achse I-I ergibt sich
somit zu:
M xA,I I M xC,I I R qz eqz Bz e Bz (3.5)
Die Auswirkung der Biegung auf die Summe der auf die Achse I-I bezogenen Torsi-
onsmomente am Auflager (–MxA,I-I + MxC,I-I) soll nun durch den Koeffizienten fMx
ausgedrückt werden. Es gilt:
M xA,I I M xC,I I R qz eqz Bz e Bz
f Mx 1 fB
R qz eqz R qz e qz
(3.6)
2 Bz
mit 2 sin 2 sin cos und f B
4 2 2 2 qz
Der obere Grenzwert für fMx beträgt fMx = 1 und stellt den Beanspruchungszustand
des Einfeldträgers dar. Infolge des hinzugefügten Auflagers B reduziert sich die Be-
anspruchung in den Gabellagern. Der Faktor ist ein reiner Geometriefaktor, der mit
stärker werdender Krümmung anwächst. Der Faktor fB stellt die Auflast dar, die vom
Auflager B aufgenommen wird. Je größer die Auflagerkraft Bz ist, desto größer wird
3 Grundlegende Beziehungen für gekrümmte Träger 55
der Faktor fB. Da der Biegemomentenverlauf von der Auflagerkraft Bz abhängt, zeigt
der Faktor fMx den Zusammenhang zwischen Biegung und Torsion auf. Es gilt:
Fall 1: fMx = 0 –MxA,I-I + MxC,I-I = 0
Fall 2: fMx > 0 –MxA,I-I + MxC,I-I < 0
Fall 3: fMx < 0 –MxA,I-I + MxC,I-I > 0
Im ersten Fall stehen die Belastung qz und die Auflagerkraft Bz im Gleichgewicht.
Die Gabellager erfahren keine Torsion. Im zweiten Fall hält die Auflagerkraft Bz ge-
gen die durch qz verursachte Verdrehung in Achse I-I. Eine Vergrößerung der
Krümmung bzw. Verstärkung des Zwischenauflagerbereichs wirkt sich reduzierend
auf die Belastung in den Gabellagern aus. Im dritten Fall verursacht die Auflagerkraft
Bz eine größere Verdrehung um die Achse I-I als die Beanspruchung qz. Die in den
Gabellagern aufzunehmende Torsion dreht nun positiv um die Achse I-I. Eine Ver-
größerung der Krümmung bzw. Verstärkung des Zwischenauflagerbereichs wirkt sich
vergrößernd auf die Belastung in den Gabellagern aus.
Um eine Berechnung nach der Stabtheorie zu ermöglichen, wird die Stabachse des
gekrümmten Trägers in der Regel im Schwer- bzw. Schubmittelpunkt des einfach-
symmetrischen Querschnitts angenommen.
Betrachtet wird ein Kreisbogensegment. Die Länge der durch einen beliebigen Quer-
schnittspunkt laufenden Faser hängt von ihrem Abstand zur gewählten Stabachse ab.
Wenn der Kreisbogen, den die Faser beschreibt, einen kleineren Radius aufweist als
die Stabachse, ist auch die Länge der Faser kürzer. Beschreibt die Faser einen größe-
ren Kreisbogen, ist sie entsprechend länger. Hieraus folgt, dass die Flächenhalbieren-
de des Kreisbogensegments nicht im Schubmittelpunkt des Querschnitts liegt und
somit auch nicht in der gewählten Stabachse. Betrachtet wird die Fläche des Kreisbo-
gensegments. Die gekrümmte Schwerachse, d. h. die Achse, die die Fläche in zwei
gleich große Flächen teilt, liegt im Abstand es zur gewählten Stabachse. In Bild 3.6 ist
die Flächenhalbierende des Kreisbogensegments grafisch dargestellt.
Bei einer Berechnung mit Stabelementen werden Strecken- und Flächenlasten in die
Achse, die durch den Schubmittelpunkt des Querschnitts führt, transformiert. Bei ei-
nem gekrümmten Träger sind die unterschiedlichen Längen der Fasern bei der Trans-
formation zu berücksichtigen. Eine konstante Flächenlast über die gesamte Breite des
Querschnitts wird z. B. eine Torsionsbelastung in der Schubmittelpunktsachse her-
vorrufen. In Tabelle 3.5 ist für ausgewählte Lastfälle die Transformation auf die
Schubmittelpunktsachse angegeben.
56 3 Grundlegende Beziehungen für gekrümmte Träger
3.6 Gleichgewichtsgleichungen
innen außen
qz p z b
es R 0,5 4R2 b2
qz pz ya ye
es R R y a 2 y a y e R y a y e 2
innen außen
R es
qzM qz
R
mxM qzM es
58 3 Grundlegende Beziehungen für gekrümmte Träger
Vy
N qx
R
N
Mz Vy Vy qy
R
Mx Vz zM
My Vz Vz qz
R R
My N zM
Mx mx,ges
R R
mx,II M y R dx (3.8)
x
4.1.1 Vorbemerkungen
In diesem Kapitel wird das Tragverhalten gekrümmter Stahl- und Verbundträger un-
tersucht. Hierfür werden Ein- und Zweifeldträger mit konstanter Gleichstreckenlast
gewählt.
Zunächst werden die Schnittgrößenverläufe beeinflussende Parameter an Stahlträgern
mit konstantem Querschnitt unter Annahmen des elastischen Werkstoffgesetzes her-
ausgearbeitet. Der Einfluss variierender Steifigkeiten und Lagerungsbedingungen auf
die Unterkonstruktion wird untersucht.
In gekrümmten Verbundträgern wird der Einfluss des Betons auf die Tragfähigkeit
untersucht. Dabei wird bei der Berechnung der elastischen Grenztragfähigkeit das
nichtlineare Materialverhalten des Betons unter Zug berücksichtigt. Die elastische
Grenzlast bezeichnet die Beanspruchung, bei der die elastische Grenzdehnung
el = fya / Ea des Stahls erreicht wird. Zur Erlangung eines tiefer gehenden Verständ-
nisses über das Tragverhalten von Verbundträgern wird eine Laststeigerung über die
elastische Grenzlast hinaus durchgeführt. Bei der Ermittlung der plastischen Grenz-
last werden physikalische und geometrische Nichtlinearitäten berücksichtigt.
4.1.2 Systeme
4.1.3 Querschnitte
mit Gabellager in B
ohne Gabellager in B
Die korrespondierenden Querschnitte sind so gewählt, dass sie annähernd die gleiche
Biegesteifigkeit EIy aufweisen. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen beim Lastab-
trag infolge Torsion, die über die Stabkennzahl T erfasst werden kann. Die Stab-
kennzahl T GI T EI ist ein Indikator für die Lastabtragungsmechanis-
men der Torsion. Bei Stabkennzahlen T 10 wird die Torsion überwiegend über
primäre Torsion, d. h. St. Venantsche Torsion, abgetragen. Zusätzliche Längsspan-
nungen infolge Verwölbung sind vernachlässigbar gering. Der Abklingungsbeiwert
hängt allein von der Querschnittsform ab. In die Stabkennzahl T geht zusätzlich die
Systemlänge ein. Lange Stäbe begünstigen einen optimalen Lastabtrag von Torsions-
lasten.
Für die Stahlträger werden der IQuerschnitt HE-A 500 und das Quadrathohlprofil
Q RO 490 x 12 gewählt. In beiden Querschnitten liegt der Schubmittelpunkt im
Schwerpunkt. Zur Berechnung der Stabsteifigkeiten werden die Querschnitte verein-
facht in Mittellinienmodelle überführt. Die für die Berechnung benötigten Ergebnisse
sind in Tabelle 4.1 zusammengefasst. Der IQuerschnitt (Q1) wird den offenen Quer-
schnitten zugeordnet, die Torsionslasten vorwiegend durch Wölbkrafttorsion abgetra-
gen. Für die untersuchten Systeme ergibt sich bei einer Feldlänge von = 9,60 m für
die Träger mit IQuerschnitt Q1 eine Stabkennzahl von T,Q1 = 960 · 4,3 ·103 =
4 Tragverhalten gekrümmter Träger 61
4,1 < 10. Der Einfluss der Wölbkrafttorsion ist bei diesen Trägern zu berücksichtigen.
Das Quadrathohlprofil (Q2) ist ein wölbfreier Querschnitt. Torsionslasten werden
ausschließlich durch St. Venantsche Torsion abgetragen, d. h. die Stabkennzahl be-
trägt T,Q2 = und es ist M = 0.
Die Längsabmessungen und die Wahl der Querschnitte bei den Verbundträgern sind
an die Ausführung von Fußgängerbrücken angelehnt. Auch hier werden ein offener
und ein geschlossener Querschnitt mit nahezu gleicher Biegesteifigkeit EIy gewählt.
Der Schubmittelpunkt liegt in der Symmetrieachse. Die Querschnitte sind in Tabelle
4.2 dargestellt und benötigte Querschnittskennwerte zusammengefasst. Die gewähl-
ten Verbundquerschnitte Q3 und Q4 haben jeweils eine Gesamthöhe von h = 1,00 m.
Die Betonplatte hat eine Breite von b = 3,00 m. Der Abstand der Stege beträgt
1,90 m. Gewählt werden der Baustahl S 235 mit fy = 23,5 kN/cm² und Beton C 35/45
mit fck = 3,5 kN/cm². Bei der Betrachtung des Einfeldträgers wird die Bewehrung
vernachlässigt. Für den Durchlaufträger wird eine obere und untere Längsbewehrung
BST 500 S mit fy = 50 kN/cm² angesetzt. Zur Überprüfung der Ergebnisse aus ANSYS
und zur Analysierung von Traganteilen werden vorab die ideellen Querschnittskenn-
werte mithilfe von Mittellinienmodellen ohne Überlappungen bestimmt. Bei der Be-
rechnung der ideellen Querschnittskennwerte wird zwischen dem Feldbereich
(Zustand I) und dem Stützbereich (Zustand II) unterschieden (Abschnitt 7.2.2). Die
Querschnittskennwerte werden mit „QSW-Verbundträger-el“ und „QSW-FE ML“
[83] berechnet. Der Verbundquerschnitt wird hierbei ideell in einen Stahlquerschnitt
überführt (Abschnitt 2.7.3). Zur Ermittlung des ideellen Trägheitsmomentes und des
ideellen Wölbwiderstandes wird der Beton ideell über die Reduktionszahl n die das
Verhältnis der EModuli darstellt, erfasst. Bei der Ermittlung des ideellen Torsions-
trägheitsmomentes wird die Reduktionszahl nG mit dem Verhältnis der Schubmoduli
bestimmt. Es ergibt sich:
62 4 Tragverhalten gekrümmter Träger
Ea 21000
n0 6,31
E cm 3330
(4.1)
G 1 1, 2
nG a c n0 6,31 5,82
G c a 1 1,3
Die St. Venantsche Torsionssteifigkeit wird über die Länge konstant angenommen. Es
wird demnach nicht zwischen Zustand I und Zustand II unterschieden. Der ideelle
Wölbwiderstand wird über die ideelle Betondicke tc,i = tc/n0 berechnet. Da die Wölb-
steifigkeit EI in einem geschlossenen Träger von untergeordneter Bedeutung ist,
wird die Wölbsteifigkeit in diesem Fall ebenfalls konstant angesetzt. Beim offenen
Querschnitt Q3 hat die Wölbsteifigkeit einen großen Einfluss auf die Tragfähigkeit
des Systems. Der Einfluss des gerissenenen Betons muss bei der Bestimmung der
Wölbsteifigkeit über ideelle Betondicken erfasst werden.
Die Stabkennzahl T für die betrachteten Systeme ergibt sich für die Träger mit dem
offenen Verbundquerschnitt Q3 zu T,Q3 = 2000 · 1,94 ·10-3 = 3,88. Berücksichtigt
man bei der Berechnung der Stabkennzahl im Durchlaufträger einen gerissenen Be-
reich von maximal 15 % der Feldlänge über der Stütze erhöht sich die Stabkennzahl
auf T,Q3 = 4,1. Dies deutet darauf hin, dass durch den gerissenen Stützbereich ein
etwas größerer Anteil der Torsion über primäre Torsion abgetragen wird. Für Träger
mit dem geschlossenen Verbundquerschnitt Q4 ergibt sich die Stabkennzahl für Tor-
sion zu T,Q4 = 2000 · 0,07877 = 157,5.
Mit dem Programm „QST-Verbundträger-layer“ [121] werden die elastischen und
plastischen Grenzmomente bei reiner Biegung um die yAchse ermittelt. Da Trag-
phänomene herausgearbeitet werden sollen, werden in den nachfolgenden Untersu-
chungen alle Sicherheitsfaktoren = 1,00 gesetzt. Die Biegetragfähigkeit der
Querschnitte wird mit definierten Grenzdehnungen iterativ bestimmt. Die Bruchdeh-
nung des Betons wird bei der Berechnung des maximalen Momentes auf c 0,0035
und die Zugdehnung des Bewehrungsstahls bei der Ermittlung des minimalen Mo-
mentes auf uk 0,025 begrenzt. Die Unterschiede in den ermittelten Grenzmomenten
für die Verbundquerschnitte Q3 und Q4 betragen maximal 2%. Die Ergebnisse sind
in Tabelle 4.3 dargestellt.
4.2.1 BOGEN2008
Die Stahlträger werden mit dem innerhalb dieser Arbeit entwickeltem Programm
BOGEN2008 [122] berechnet. BOGEN2008 beruht auf dem Weggrößenverfahren
unter Verwendung eines gekrümmten Stabelementes (Kapitel 5). Die Berechnung
erfolgt linear. Bei den Verbundträgern, die mit ANSYS untersucht werden, werden
Vergleichsrechnungen mit BOGEN2008 durchgeführt.
4 Tragverhalten gekrümmter Träger 63
Querschnitt Q3 Querschnitt Q4
Tabelle 4.3 Verbundquerschnitte Q3 und 4 nach Tabelle 4.2: elastische und plastische
Biegetragfähigkeiten
Querschnitt Q3 Querschnitt Q4
4.2.2 ANSYS
Stabelement BEAM189
Mit dem dreiknotigen Stabelement BEAM189 von ANSYS wird ein schubweicher
Stab nach Timoshenko beschrieben, der geeignet ist für die Idealisierung schlanker
Querschnitte. Die Berücksichtigung der Wölbkrafttorsion über die Festlegung eines
siebten Freiheitsgrades () ist möglich. Der Faktor = GAs·2/(EIy) deutet auf die
Auswirkungen der Schubweichheit im betrachteten System hin. Die Länge bezeich-
net eine Systemlänge, d. h. den Abstand zwischen zwei Auflagern. Für die betrachte-
ten Verbundquerschnitte ist 145. Es kann davon ausgegangen werden, dass das
Verhalten des Trägers nahezu einem schubstarren Träger entspricht [27]. Die num-
merische Integration der Schnittgrößen und Verformungen erfolgt in den Gaußschen
Integrationspunkten des Stabelementes. Die Ausgabe dieser Größen erfolgt nach Ext-
rapolation in den Endknoten.
Querschnitt / Werkstoffe
BEAM189 ist geeignet für die Berechnung von Trägern mit Verbundquerschnitten.
Vorausgesetzt wird ein schubstarrer Verbund zwischen den unterschiedlichen Werk-
stoffen. Bei der numerischen Integration werden die Spannungen in den Gaußschen
4 Tragverhalten gekrümmter Träger 65
Lastangriffspunkt / Lagerung
Der Lastangriffspunkt liegt im Schwerpunkt. Die Lasten werden auf die Endknoten
des Elementes umgerechnet und aufgebracht. Die Lager werden in das lokale Koor-
dinatensystem des jeweils betrachteten Knotens auf der Stabachse gedreht.
Lösungsverfahren
Die Gleichgewichtsiteration bei nichtlinearem Tragverhalten (physikalisch und/oder
geometrisch) erfolgt mit dem NewtonRaphsonVerfahren, bei dem die Belastung in
jedem Iterationsschritt inkrementell gesteigert wird. Ausgehend von einem Gleich-
gewichtszustand und der zugehörigen tangentialen Steifigkeitsmatrix wird durch
Aufbringen eines Lastinkrementes das Verschiebungsinkrement ermittelt. Die inneren
Kraftgrößen werden aufgrund von nichtlinearen SpannungsDehnungsBeziehungen
nicht mit den äußeren Kräften übereinstimmen. Die Differenz wird als äußere Last
erneut aufgebracht und ausgehend von der bezüglich der aktuellen Verschiebungs-
komponente neu berechneten Steifigkeitsmatrix ein weiteres Verschiebungsinkrement
ermittelt. Ein Gleichgewichtszustand ist erreicht, wenn die Differenz zwischen inne-
ren und äußeren Kräften ausreichend klein ist. Voraussetzung zur Anwendung dieses
Verfahrens ist, dass der EModul als Verhältnis von Spannungen zu Dehnungen bei
größer werdenden Dehnungen konstant bleibt bzw. abnimmt.
4.3.1 Schnittgrößen
Querschnitte
Q1:HEA 500
Q2:Q RO 460 x 12
Material
S 235
2
Az [kN] My,max [kNm] M,min [kNm ]
0 0.25 0.5 0.75 1 0 0.25 0.5 0.75 1 -25
0 57 -20
5 58
[rad] [rad] -15
10 59
60 -10
15
61
20 -5 [rad]
62
25 63 0
30 64 0 0.25 0.5 0.75 1
10 -0.1
-0.05 [rad]
15
0
20 0 0.25 0.5 0.75 1
Auch hier wird die Kopplung von Torsion und Biegung deutlich. Die Beziehungen
zwischen Schnittgrößen und Verformungsgrößen im gekrümmten Stabelement sind in
Abschnitt 6.3.3 aufgestellt. Der Einfeldträger mit offenem Querschnitt weist ein sehr
ungünstiges Verformungsverhalten auf. Eine Vergrößerung der Krümmung führt zu
einem starken Anstieg der Verformungsgrößen wM und . Beim wölbfreien Quer-
schnitt führt eine Vergrößerung der Krümmung ebenfalls zu einem Anstieg von wM
und , jedoch fällt dieser eher moderat aus. So ist die betragsmäßig größte Verdre-
hung beim Querschnitt Q1 mit R = 10 m 195fach größer als die Verdrehung beim
68 4 Tragverhalten gekrümmter Träger
Maßgebende Parameter
Bei Einfeldträgern mit vertikaler Beanspruchung, konstantem Querschnitt und Gabel-
lagern an beiden Auflagern ergeben sich die Schnittgrößenverläufe aus Gleichge-
wichtsbetrachtungen. Der Träger verdreht sich infolge Belastung um seine Sehne,
wobei er von den torsionsstarren Lagern, die den Träger um die lokale xAchse hal-
ten, zurückgehalten wird. Aus Gleichgewichtsbetrachtungen folgt hieraus eine Ver-
größerung des Biegemomentes in Feldmitte. Der Faktor
M y x 0 M y x
f My M y,p / M y,0 mit M y,P My x / 2
2
M y,0 q z 2 8
zeigt den Einfluss der Krümmung des Trägers auf das Biegemoment auf. Die Verän-
derung des Biegemomentes ausgehend vom geraden Träger kann als Biegemoment
infolge Krümmung betrachtet werden. Beim Einfeldträger hängt der Faktor fMy nur
vom Öffnungswinkel = / R ab. Je kleiner der Krümmungsradius ist, desto größer
wird der Faktor fMy.
Einfluss auf die Querschnittstragfähigkeit hat neben dem Biegemoment das Wölbbi-
moment, welches an der Stelle des größten Biegemomentes ebenfalls maximal wird.
Das Wölbbimoment resultiert aus der Wölbkrafttorsion und wird über die Stabkenn-
zahl T erfasst. Für T > 10 ist der Einfluss der Wölbkrafttorsion vernachlässigbar.
Untersucht wird der Einfluss der Krümmung auf die elastische und plastische Grenz-
tragfähigkeit von Einfeldträgern in Verbund. Betrachtet werden die kreisförmig ge-
krümmten Einfeldträger mit Feldlängen von = 20 m mit kurzzeitig wirkenden
Lasten nach Bild 4.5.
Untersucht werden die Radien R = 10, 20, 40, 100 m und der gerade Stab jeweils mit
dem offenen Verbundquerschnitt Q3 und dem geschlossenen Verbundquerschnitt Q4
(Tabelle 4.2). Bei einem minimalen Radius R = 10 m beträgt der Öffnungswinkel
maximal = 2 rad. Dies entspricht einem Kreisbogen der zwischen einem Viertel-
und einem Halbkreis liegt. In Bild 4.6 sind die elastischen bzw. plastischen Grenzlas-
ten qz,gr und das Verhältnis My,max / My,el,max bzw. My,max / My,pl,max in Abhängigkeit
vom Öffnungswinkel dargestellt.
Beim Kastenquerschnitt Q4 beträgt die aufnehmbare elastische Grenzlast qz,gr bei ei-
nem Öffnungswinkel von = 2 rad ca. 57 % der maximalen elastischen Grenzlast.
Die Minderung der elastischen Grenzlast entspricht in dieser Variante in etwa dem
aus der Krümmung hervorgerufenem Anstieg des Biegemomentes (Abschnitt 4.3.1).
Das elastische Grenzmoment kann in allen Fällen erreicht werden
(My,max / My,el,max = 1).
4 Tragverhalten gekrümmter Träger 69
Querschnitte
Verbundquerschnitt Q3
Verbundquerschnitt Q4
(Tabelle 4.2)
Material
S 235
C 35/45
Grenzlasten
gz,gr,el = Elastische Grenzlast unter Berücksichtigung materieller Nichtlinearitäten (Abbruch-
kriterium el = fya/Ea)
gz,gr,pl = Plastische Grenzlast unter Berücksichtigung materieller und geometrischer Nicht-
linearitäten
Bild 4.5 Einfeldträger in Verbundbauweise
qz,gr [kN/m] My,max / My,el,max bzw. My,pl,max [-]
140 1.2
[rad] Q3,el Q4,el
120 1
100 Q3,pl Q4,pl
0.8
80
0.6
60
40 0.4
20 0.2 [rad]
0 0
0 0.5 1 1.5 2 0 0.5 1 1.5 2
MN
MN
MX MX
MN
MX MX
Die in Tabelle 4.2 abgebildete i,0Ordinate des Querschnitts Q3 stellt die Verwöl-
bung des Querschnitts im Zustand I dar. Die elastische Grenzspannung im Stahl kann
nur in einem einzelnen Punkt an der Innenkante des äußeren Hauptträgers erreicht
werden. Dies ist auch in der Darstellung der xSpannungen in Bild 4.7 links oben,
erkennbar. Im äußeren Hauptträger wechseln die Spannungen von rot nach grün. Dies
entspricht einem Zugspannungsverlauf mit maximaler Zugspannung im roten Be-
reich. Im inneren Hauptträger wechseln die Spannungen von dunkelblau nach hell-
blau. Dies entspricht einem Druckspannungsverlauf mit minimaler Druckspannung
im dunkelblauen Bereich. Bei Laststeigerung über die elastische Grenzlast hinaus
plastiziert der Querschnitt von Feldmitte ausgehend vom äußeren Träger zum inneren
Träger. Betrachtet man in den Zuständen der Laststeigerung den elastischen Rest-
querschnitt, lässt sich beobachten, dass sich die Querschnittsform des Restquer-
schnitts vom offenen Hutquerschnitt hin zum IQuerschnitt ändert. Der elastische
Restquerschnitt weist somit eine andere Verwölbung auf als der offene Querschnitt
des Grundzustandes. In Bild 4.7 links unten ist der xSpannungsverlauf zum Zeit-
punkt des Versagens dargestellt. Die Spannungen im Untergurt des inneren Hauptträ-
gers wechseln entsprechend der Verwölbung des elastischen Restquerschnitts von der
72 4 Tragverhalten gekrümmter Träger
4.4.1 Schnittgrößen
Querschnitte
Q1 HEA 500
Q2 Q RO 460 x 12
Material
S 235
rung der Auflagerkraft bereits Az = 4,4 kN (32 %). Die aus der Krümmung resul-
tierenden Auflagertorsionsmomente sind ebenfalls abhängig vom Krümmungsradius
und von der Querschnittsform. Beim Querschnitt Q1 steigt das Torsionsmoment MxB
am Auflager B mit größer werdendem Öffnungswinkel stärker an als das Torsions-
moment MxA am Auflager A. Beim Querschnitt Q2 wird die Torsion überwiegend
über die Auflager A und C abgetragen.
Der aus der veränderten Aufteilung der Lagerkräfte abzulesende Querkraftverlauf
stellt den veränderten Verlauf des Biegemomentes dar. Das Moment My,Stütz wird mit
zunehmendem Öffnungswinkel tendenziell größer. Beim Quadrathohlprofil Q2 be-
trägt die maximale Änderung des Stützmomentes My = –6,28 kNm (+11 %), beim
offenem Querschnitt Q1 My = –41,24 kNm (+72 %). Der Einfluss der Krümmung auf
das Moment My,Stütz kann besonders bei offenen Querschnitten beachtlich sein und
kann am Verhältnis der Biegesteifigkeit EIy zur Torsionssteifigkeit GIT abgelesen
werden. Es gilt nach [14]:
T EI y GIT (4.2)
Das Verhältnis T hängt einzig von der Querschnittsform ab. Für den offenen Quer-
schnitt Q1 ist T = 820 und für das wölbfreie Quadrathohlprofil Q2 ist T = 1,73. Je
geringer die Torsionssteifigkeit des Systems, d. h. je größer T, desto größer sind die
zu erwartenden Stützmomente.
Der Faktor fMy = My,P / My,0 mit My,0 = qz·²/8 in Bild 4.11 zeigt die Abweichung der
Momentenlinie gegenüber der q2/8–Parabel an (Abschnitt 4.3.1). In diesem Beispiel
liegt die Abweichung zum Parabelstich in allen Varianten unter 4 %
(0,99 ≤ fMy ≤ 1,04). Der Anstieg des Stützmomentes resultiert also hauptsächlich aus
einem veränderten Querkraftverlauf. Beim offenen Querschnitt Q1 nimmt das Ver-
hältnis fMy nach einem Anstieg bis zu fMy = 1,001 bei = 0,48 rad wieder ab und liegt
bei einem Öffnungswinkel von = 1,92 rad sogar unter 1,0.
Der Faktor (Bild 4.11) zeigt das Verhältnis Stützmoment zu Feldmoment an. Je
größer der Faktor ist, desto größer ist der negative Stützbereich. Der Nulldurchgang
des Biegemomentes wandert in Richtung Feld. Dies führt zu einer Verschiebung des
relativen Extremums im Schnittgrößenverlauf der Torsion. An dieser Stelle ändert der
Schnittgrößenverlauf seine Richtung. Wählt man einen über die Länge konstanten
Querschnitt ist bei einem schubstarren Träger 1,78. Bei 1,85 (s. auch Ab-
schnitt 7.3.2) führt die Ausdehnung des negativen Stützbereichs bei einer konstanten
Gleichstreckenlast dazu, dass MxB in B entgegensetzt von MxA in A wirkt.
In Bild 4.12 sind die maximalen Verformungen max wM und die minimalen Verdre-
hungen min in Feldmitte angegeben. Beim Quadrathohlprofil Q2 ändern sich die
Verformungen gegenüber einer Berechnung am geraden Träger auch bei großen Öff-
nungswinkeln nur unwesentlich. Beim offenen Querschnitt Q1 vergrößert sich die
vertikale Verschiebung wM bei einem Radius von R = 10 m auf das 5fache (s. hierzu
Abschnitt 5.2.3.2). Das Verhältnis max wQ1 / max wQ2 beträgt beim Zweifeldträger
4,3 (Einfeldträger: 44fach). Das Zwischenauflager wirkt sich wie zu erwarten günstig
auf das Verformungsverhalten des offenen Querschnitts Q1 aus.
4 Tragverhalten gekrümmter Träger 75
Maßgebende Parameter
In durchlaufend gekrümmten Trägern wird für die richtige Ermittlung der Schnittgrö-
ßenverläufe eine zusätzliche Verformungsbetrachtung an den Zwischenauflagern er-
forderlich. Gleichgewicht wird überwiegend durch eine Veränderung des
Querkraftverlaufs erreicht. Der Faktor f My ist bei der Betrachtung von durchlaufend
gekrümmten Trägern vernachlässigbar.
Die sich aus dem veränderten Querkraftverlauf ergebenen Stützmomente an den Zwi-
schenauflagern lassen sich in zwei Anteile aufteilen:
(1) Stützmoment infolge vertikaler Beanspruchung am geraden Ersatzstab der
Bogenlänge
My = EIy,Stütz / EIy,Feld
(2) Stützmoment infolge der sich aus der Geometrie des Trägers ergebenden
Torsionsbeanspruchungen
T = EIy / GIT
Im Anteil (2) bildet die Biegesteifigkeit EIy die Steifigkeit gegenüber einer Verdre-
hung um die yAchse und die Torsionssteifigkeit GIT die Steifigkeit gegenüber einer
Verdrehung um die xAchse ab. Beide Anteile der Verdrehung sind über die Krüm-
76 4 Tragverhalten gekrümmter Träger
mung miteinander gekoppelt (Abschnitt 5.2.3.2). Je größer der Faktor T ist, desto
größer wird das Stützmoment.
Bei Querschnitten mit kleiner Torsionssteifigkeit, d. h. mit kleinen Stabkennzahlen
T, kann es sinnvoll sein, ebenfalls die der Verdrehung um die xAchse einen Wider-
stand entgegenbringende Wölbsteifigkeit EI mit hinzuzuziehen. Das Verhältnis Bie-
gesteifigkeit zur Wölbsteifigkeit kann über den Faktor 2T T 2 EI y EI erfasst
werden. Je größer der Faktor 2T T ist, desto größer wird das Stützmoment.
Die Resultierende der sich aus der Geometrie ergebenden Torsionsbeanspruchung
mx,II ergibt sich aus den vom Biegemoment eingeschlossenen Flächen (Abschnitt
3.6). Der Faktor
M y,Stütz / M y,Feld
zeigt den Einfluss des Biegemomentes auf diesen Anteil der Torsionsbeanspruchung
an, da der Biegemomentenverlauf bestimmend für den Verlauf und die Größe der
Torsionsbeanspruchung mx,II ist, der wiederum Einfluss auf den Biegemomentenver-
lauf hat. Ein tiefer gehendes Verständnis für die Auswirkungen von Steifigkeitsver-
hältnissen auf den Schnittgrößenverlauf ist notwendig bei der Konzeption von
durchlaufend gekrümmten Trägern.
sich das Stützmoment und folglich auch der Biegemomenten– sowie der Querkaftver-
lauf im geraden Träger. Ein steiferer Stützbereich führt zu größeren Stützmomenten,
eine Reduktion der Biegesteifigkeit über der Stütze führt zu kleineren Stützmomen-
ten. Die Größe des Stützmomentes My,Stütz kann an der Auflagerkraft Bz abgelesen
werden. Je größer Bz ist, desto größer ist das Stützmoment My,Stütz.
System 1 (S1)
mit Gabellager in B
System 2 (S2)
ohne Gabellager in B
Steifigkeit im Feld I1
Querschnitte Q1 (HE-A 500) und Q2 (Q RO 460x12)
Steifigkeit im Stützbereich I2 (Varianten)
VA I2 = 0,5 · I1
VB I2 = 1,0 · I1
VC I2 = 1,5 · I1
Az [kN] Bz [kN]
0 45
15
30
60
45
60
75 75
VA VB VC VA VB VC
0 -30
-20
10
-10
20
0
30 10
VA VB VC VA VB VC
6 30
20
4 10
0
2 -10
-20
0 -30
VA VB VC VA VB VC
-0.03
1.0
-0.02
2.0
-0.01
3.0 0.00
VA VB VC VA VB VC
S1, Q1 (HE-A 500)
S2, Q1 (HE-A 500)
S1, Q2 (Q RO 490x12)
S2, Q2 (Q RO 490x12
Bild 4.14 Einfluss unterschiedlicher Steifigkeiten bei den Zweifeldträgern in Bild 4.13
80 4 Tragverhalten gekrümmter Träger
Bei den Systemen S2 müssen die gesamten sich aus der Krümmung ergebenden Tor-
sionsbeanspruchungen zu den Endauflagern abgetragen werden. Eine Verstärkung
des Stützbereichs wirkt sich günstig auf die Summe der Torsionsbeanspruchungen
m x,II aus. Die Auflagergröße MxA wird kleiner. Da im System S2 der Einfluss der
Biegesteifigkeiten auf den Verlauf der Schnittgrößen beim wölbfreien Querschnitt Q2
größer ist als beim offenen Querschnitt Q1 wirkt sich eine Verstärkung des Stützbe-
reichs (Variante VC) in diesem Fall auch stärker aus.
Zusammenfassend lässt sich für die betrachteten Systeme feststellen:
Beim offenen Querschnitt sind die Verformungen generell größer als beim
wölbarmen Querschnitt.
Durch die Anordnung eines Gabellagers in B können die Verformungen redu-
ziert werden. Die kleineren Verformungen werden dabei durch teilweise sehr
große Stützmomente am Mittelauflager erreicht.
Die betragsmäßig aufzunehmende Summe der Torsionsmomente
2 · |Mx,A| + |Mx,B| an den Auflagern ist bei Anordnung eines Gabellagers in B
tendenziell größer.
Der wölbarme Querschnitt trägt die Torsion infolge der sich einstellenden Tor-
sionsbeanspruchungen überwiegend zu den Endauflagern ab.
Bei Anordnung von Gabellagern in B trägt der offene Querschnitt die Torsion
infolge der sich einstellenden Torsionsbeanspruchungen überwiegend zum
Auflager B ab.
Beim wölbarmen Querschnitt wirkt sich eine Verstärkung im Stützbereich
günstig auf die Torsionsbeanspruchungen infolge Krümmung aus, d. h. die
Summe der Torsionsbeanspruchungen m x,II wird kleiner.
Beim offenen Querschnitt und torsionsfreier Lagerung in B hat eine Verände-
rung der Steifigkeit über der Stütze nur geringen Einfluss auf die Schnittgrö-
ßenverläufe, jedoch auf die Verformungen.
Querschnitte
Verbundquerschnitt Q3
Verbundquerschnitt Q4
(Tabelle 4.2)
Material
S 235
C 35/45
BST 500 S
Grenzlasten
gz,gr,el = Elastische Grenzlast unter Berücksichtigung materieller Nichtlinearitäten (Abbruch-
kriterium el = fya/Ea)
gz,gr,pl = Plastische Grenzlast unter Berücksichtigung materieller und geometrischer Nicht-
linearitäten
Bild 4.15 Zweifeldträger in Verbundbauweise
Infolge von Rissbildung über der Stütze weist der Verbundträger über der Stütze und
im Feld unterschiedliche Biegesteifigkeiten auf. Bei Annahme abgeschlossener Riss-
bildung beträgt für beide Querschnitte das Verhältnis My = EaIy,st/EaIy,i,0 = 0,48. Im
geraden Träger ergibt sich ein Stützmoment von My,Stütz = 0,092 · qz · 2 mit einem
Verhältnis = My,Stütz / My,Feld = 1,13. Das Auflager B muss dabei 60 % (fB = 0,6)
der Beanspruchung aufnehmen. Der Stützquerschnitt ist zum Zeitpunkt des
Versagens zu 100 % (My,Stütz/My,el,min) ausgenutzt, der Feldquerschnitt zu ca. 75%
(My,Feld/My,el,max).
Die elastische Grenzlast nimmt mit zunehmendem Öffnungswinkel ab. Beim Kasten-
querschnitt beträgt sie bei = 2 rad 85 % der maximalen elastischen Grenzlast. Die
Reduzierung resultiert aus einer Vergrößerung des Stützmomentes infolge Krüm-
mung, wobei der Anteil der Krümmung am Stützmoment 15 % enstpricht. Wie be-
reits in Abschnitt 4.4.1 erläutert resultiert der Anstieg des Stützmomentes
hauptsächlich aus einem veränderten Querkaftverlauf. Die Abweichung des Parabel-
stichs zu M0 = qz,gr · 2/8 beträgt maximal 6 % (1,0 fMy 1,06). Beim offenen Quer-
schitt setzen sich die Traganteile, die die Querschittstragfähigkeit an der Stütze
beeinflussen, aus drei Anteilen zusammen – dem Anteil aus dem vergleichbaren ge-
raden Stab, dem Anteil aus Krümmung sowie dem Anteil Wölbbimoment aus Krüm-
mung. Die elastische Grenzlast reduziert sich bei = 2 rad auf 52 %. Dies entspricht
dem Anteil aus dem vergleichbaren geraden Stab. Der Anteil der Krümmung am
Stützmoment beträgt 22 %. Der Anteil des Stützmomentes an der Beanspruchung an
der Stütze liegt My,Stütz/My,el,min nur noch bei 74 %. Der Anteil der Längsspannung aus
Verwölbung beträgt somit 26 %.
Mit den in ANSYS ermittelten Schnittgrößen und den vorab ermittelten Querschnitts-
kennwerten (Tabelle 4.2) ergibt sich die minimale Grenzspannung min an der Innen-
kante des äußeren Hauptträgers zu:
82 4 Tragverhalten gekrümmter Träger
M y,Stütz M ,Stütz
min zu max u
Iy I
329.525 6369880 (4.3)
100 58,8 7415
779.636 8.213.210.000
17, 41 5,75 23, 2 kN/cm 2 23,5 kN/cm 2
Der Zusammenhang der Schnittgrößen My, Mx und M wird in Bild 4.17 am offenen
Querschnitt Q3 veranschaulicht. Der Einfluss auf die Grenztragfähigkeit soll erläutert
werden. Durch die Krümmung vergrößert sich das Verhältnis MStütz / MFeld. Der
Nulldurchgang im Biegemomentenverlauf wandert in Richtung Feld. Hierdurch
nimmt das Torsionsmoment MxB am Auflager B mit zunehmendem Öffnungswinkel
ab. Bis 1,65 ist die Wirkungsrichtung von MxB am Auflager B positiv, das Wölb-
bimoment M,Stütz ist ebenfalls positiv und wird mit größer werdendem Öffnungswin-
kel ebenfalls größer. Die wölbeinspannende Wirkung von MxB wirkt sich bei
positiver Wirkungsrichtung verstärkend auf das Wölbbimoment M,Stütz aus. Im
Schnittgrößenverlauf M kann man dies an einer ausgeprägten Spitze über der Stütze
erkennen Da MxB mit zunehmenden Öffnunsgwinkel kleiner wird, wird auch die
wölbeinspannende Wirkung von MxB kleiner. Bei 1,65 ändert sich die Wirkungs-
richtung von MxB. Mit negativem MxB wirkt sich die wölbeinspannende Wirkung re-
duzierend auf das Wölbbimoment M,Stütz aus. Dies zeigt sich durch eine
Einschnürung im M-Verlauf über der Stütze. Mit zunehmendem Öffnungswinkel
wird bei einer betragsmäßigen Vergrößerung von MxB die Einschnürung größer. Dies
führt mit größer werdendem Öffnungswinkel dazu, dass der Anteil der Verwölbung
an der Auslastung kleiner wird und somit der Abfall der Grenzlast qz,gr reduziert wer-
den kann.
< 1,65 rad MxB > 0 = 1,65 rad MxB = 0 > 1,65 rad MxB < 0
5.1 Vorbemerkungen
5.2.1 Ersatzlasten
Betrachtet werden Ein- und Zweifeldträger mit Belastungen qz und Fz. Die hierfür
benötigten Gleichungen lauten nach Tabelle 3.6:
Vz
q z (5.1)
dx
86 5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme
My Mx
Vz (5.2)
dx R
Mx My
m x,ges (5.3)
dx R
Zieht man an beiden Enden des gekrümmten Trägers erhält man einen geraden Stab
mit der Länge . Die Länge entspricht der Bogenlänge des gekrümmten Trägers. Es
ist sofort erkennbar, dass die Gleichungen des gekrümmten Trägers den zugehörigen
Gleichungen des geraden Trägers mit der Länge und zusätzlichen Anteilen, die den
Einfluss der Krümmung darstellen, entsprechen.
Die Abhängigkeiten zwischen den Biege- und Torsionsmomenten sind bei Betrach-
tung der Gln. (5.1) bis (5.3) erkennbar. Unter der Annahme mx,ges = 0 kann die Er-
satzbelastung m x , die den Einfluss der Krümmung auf die Torsion ausdrückt, direkt
abgelesen werden:
My
M x
R
(5.4)
My
mx
R
Die Ersatzlast m x ist die sich aus der Krümmung ergebende Torsionsbeanspruchung
mx,II (s. Abschnitt 3.6). Der Einfluss der Krümmung auf die Biegung kann über eine
Ersatzlast q z erfasst werden. Diese Ersatzlast stellt die Vergrößerung des Biegemo-
mentes gegenüber dem geraden Träger dar, hat jedoch keinen Einfluss auf den Quer-
kraftverlauf. Es gilt:
M
M y V x
R
q z qz M y (5.5)
My
qz M y
R2
für die Berechnung von My
Vz q z
(5.6)
q z Vz 0 für die Berechnung von Vz
Die Ersatzlast q z ist eine sich aus der Krümmung ergebende Biegebeanspruchung. Es
ist festzustellen, dass bei in zRichtung beanspruchten Trägern der Einfluss der Tor-
sionsbeanspruchung aus Krümmung größere Auswirkungen auf den Schnittgrößen-
verlauf hat als die Biegebeanspruchung aus Krümmung.
5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme 87
Betrachtet wird der schwach gekrümmte gabelgelagerte Einfeldträger mit einer Be-
lastung qz. Das System und das zugehörige Ersatzsystem mit Länge des Bogens und
der Ersatzlasten nach Gl. (5.4) sind in Bild 5.1 dargestellt.
5.2.3.1 Einfeldträger
Betrachtet wird der stark gekrümmte gabelgelagerte Einfeldträger mit der Belastung
qz nach Bild 5.2. Eine Ersatzbelastung mx nach Gl. (5.4) mit dem am Ersatzsystem
ermitteltem Biegemoment My,0 = qz · 2/8 kann nur eine erste Näherung sein, da das
Torsionsmoment wiederum Einfluss auf das Biegemoment hat. Für die Bestimmung
der Biegemomente wird eine zusätzliche Ersatzbelastung q z nach Gl. (5.5) erforder-
lich. Die Abhängigkeiten zwischen den Torsions- und Biegemomenten kann in einem
iterativen Vorgang nach Bild 5.3 erfasst werden.
Die Ersatzlasten mx und q z sollen nun direkt ermittelt werden. Hierfür wird auf die
Lösungen von Dabrowski zurückgegriffen, s. Tabelle 3.1. Mithilfe der dort angege-
benen Formeln werden lastbezogene Vergrößerungsfaktoren fv bestimmt, die die
Vergrößerung des Biegemomentes in Feldmitte aufzeigen.
88 5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme
Wenn die Ersatzlasten bestimmt sind, können die Schnittgrößen, insbesondere die
Aufteilung der Torsion in St. Venantsche Torsion und Wölbkrafttorsion und die Ver-
formungen am Ersatzsystem ermittelt werden.
Betrachtet wird ein stark gekrümmter Einfeldträger mit einer Belastung qz. Das Sys-
tem und die Schnittgrößenverläufe aufgetragen über die Bogenlänge sind in Bild
5.4 dargestellt. Die Schnittgrößen S werden in zwei Anteile aufgeteilt. S0 entspricht
den am Ersatzsystem ohne Ersatzbelastung ermittelten Schnittgrößen – dem
0System. Die Veränderung der Schnittgrößen infolge der Krümmung wird mit S
ausgedrückt. Die Ersatzlasten ergeben sich somit nach Gln. (5.4) und (5.5) zu:
5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme 89
My M y,0 M y
qz (5.7)
R2 R2
My M y,0 M y
mx (5.8)
R R
Mit dem Faktor fv lässt sich nun der bei der Ermittlung der Biege- und Torsionsmo-
mente gemachte Fehler bei der Berechnung mit einem Ersatzsystem ohne Berück-
sichtigung von q z (Berechnung für schwach gekrümmte Träger) abschätzen.
Für den mit einer Gleichstreckenlast qz belasteten Einfeldträger mit variablem Öff-
nungswinkel ergibt sich der Vergrößerungsfaktor fv mit dem Feldmoment My(/2)
90 5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme
nach Dabrowski (Tabelle 3.1) und dem Parabelstich M y,0 / 2 q z 2 8 für das
0System zu:
16 sin 8 sin
f v f v,qz 2 1 (5.11)
2 sin
In Bild 5.5 ist der Faktor fv,qz über den Öffnungswinkel = /R aufgetragen. Es ist
ersichtlich, dass die Auswirkungen der Krümmung auf das Biegemoment für kleine
Öffnungswinkel gering sind. Für Öffnungswinkel 0,5 rad liegt die Vergrößerung
des Biegemomentes in Feldmitte unter 5 %.
5.2.3.2 Zweifeldträger
Betrachtet wird der gabelgelagerte Zweifeldträger mit Spannweiten von 2 · als
Kreisbogen mit einer Belastung qz. Beim geraden Zweifeldträger mit R = hängt der
Verlauf der Biegemomente von der Verteilung der Biegesteifigkeiten im Träger ab.
5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme 91
Vergrößerungsfaktor fv = fv,Fz:
2 sin 1 sin 2 sin 2 sin
2 1 2 1
1 : fv =fv,Fz 1 : fv =fv,Fz
2 1 sin 2 2 sin
Ersatzlasten:
4 x x
My,0 (x) fv,Fz My,0 2
qz (x) 2
2
R
My,Fz qz x
mx (x)
R
Bild 5.6 Stark gekrümmter Einfeldträger mit Einzellast Fz und zugehöriges Ersatzsys-
tem
Bei der Wahl eines konstanten Querschnitts beträgt das Stützmoment bekannterweise
My,Stütz = 0,125 · qz ·2. Mit ansteigender Krümmung, d. h. kleiner werdendem Radi-
us R, vergrößert sich der Betrag des Stützmomentes in Abhängigkeit vom Quer-
schnitt. Bei der Wahl eines offenen Querschnitts mit einem ungünstigen Verhältnis
von Biegesteifigkeit EIy zur Torsionssteifigkeit GIT, d. h. einem großen Verhältnis-
wert T nach Gl. (4.2) fällt das Stützmoment bei ansonst gleichen Systemparametern
betragsmäßig größer aus als bei einem geschlossenen Querschnitt mit kleinerem T.
Zur Veranschaulichung wird auf den gabelgelagerten Einfeldträger zurückgegriffen.
Eine Verdrehung führt in dem gekrümmten Träger in einem Abstand d zu einer
zusätzlichen Verdrehung y,0 quer zur Stabachse (Bild 5.7). Wenn man den Träger
in ausreichend viele Abschnitte unterteilt, lässt sich, unter der Annahme das die Ver-
drehung y() an der Stelle der Verdrehung einen Nulldurchgang hat, durch Auf-
summieren der Verdrehungsanteile y die zusätzliche Verdrehung y() bestimmen.
Bei einer Aufteilung des Winkels in n Bereiche ermittelt sich die zusätzliche Ver-
drehung y() am Auflager des Einfeldträgers zu:
n 1 n 1
n 1
y y,i i sin i (5.14)
i 0 i0 n i 0 n
92 5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme
infolge der Verdrehung muss entsprechend Gl. (5.14) aus der Umlenkung
der Verdrehung berechnet werden.
8. Bestimmen des Faktors f = –y(My) / y() am Zwischenauflager
f = 1 Lösung gefunden
f < 1 M y,Stütz vergrößern, weiter mit Schritt 5
f > 1 M y,Stütz verkleinern, weiter mit Schritt 5
Die gegenseitige Beeinflussung von Biegung und Torsion wird bei diesem Modell
nicht vollständig erfasst, da die Verdrehung y auch Auswirkungen auf die Verdre-
hung hat. Die Abweichungen gegenüber einer Berechnung mit BOGEN2008 wird
mit größer werdendem T auch größer. Als erste Näherung zur Abschätzung, in wel-
chem Maße sich der Momentenverlauf infolge der Krümmung gegenüber dem am
geraden Stab berechneten Momentenverlauf ändert, ist das Modell praktikabel.
94 5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme
5.2.4 Beispiele
In Tabelle 5.1 sind die Ergebnisse zusammengefasst. Dargestellt sind die Auflager-
torsionsmomente an den Stabenden MxA und MxB, die Biegemomente in Feldmitte
My(/2), am Lastangriffspunkt My(1) und das maximale Moment max My für die
untersuchten Laststellungen. Die Abweichungen gegenüber den mit BOGEN2008
ermittelten Schnittgrößen sind angegeben.
Mit einem Öffnungswinkel von = 2 rad wird in diesem Beispiel ein Träger mit
starker Krümmung untersucht. Es wird noch einmal sehr deutlich, dass die Vernach-
lässigung der Torsion auf das Biegemoment bei der Ermittlung der Schnittgrößen in
Variante A zu einem Fehler von bis zu 46 % führt. Variante B führt zu einer sehr gu-
ten Übereinstimmung mit den mit BOGEN2008 ermittelten Schnittgrößen. Für Ein-
feldträger mit Einzellast sind die Formeln zur Ermittlung der Ersatzlasten in Bild 5.6
zusammengestellt. Für den Fall „Einzellast in Feldmitte“ (1 = 1 rad) werden die Er-
satzlasten exemplarisch berechnet und in Bild 5.10 dargestellt.
5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme 95
m x , qz nachBild5.6mit
fv fv,Fz
2 sin 1 sin 2
2 1 2 sin 1 1
1 sin 1 sin 2
0,5574
Bild 5.10 Ersatzsystem mit Ersatzlasten m x und qz für die Laststellung Fz in Feldmitte
(1 = 1 rad)
Bild 5.11 Verdrehung y(M) aus dem Biegemoment und entgegen gesetzte Verdre-
hung y() aus der Umlenkung von
Die Schnittgrößenverläufe werden nun am geraden Stab mit den ermittelten Ersatz-
lasten unter Verwendung von KSTAB berechnet. In Bild 5.13 sind sie mit durchgezo-
genen Linien gezeichnet. Die Ergebnisse der exakten Lösung sind in Klammern mit
angegeben. Es ist eine gute Übereinstimmung der Näherungslösung mit der exakten
Lösung feststellbar.
Das gleiche Beispiel wird mit einem kommerziellen Stabwerkprogramm (RSTAB) mit
geraden Stabelementen ohne Berücksichtigung der Wölbkrafttorsion () nachge-
rechnet. Dabei wird der Bogen polygonal angenähert. Mit 100 Elemente ist eine sehr
feine Einteilung gewählt worden. Die Ergebnisse sind ebenfalls in Bild 5.13 gestri-
chelt dargestellt. Sie weichen teilweise bis zu 70 % von der exakten Lösung ab. Eine
Berechnung mit BOGEN2008 und I = 0 führt zu einem Stützmoment von
MStütz = 87,48 kNm. Dies entspricht in etwa dem Ergebnis aus RSTAB.
5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme 97
Die Unterschiede der Ergebnisse lassen sich folglich auf die Vernachlässigung der
Wölbkrafttorsion zurückführen.
Die maximale Verschiebung in der Feldmitte beträgt bei BOGEN2008 wM = 0,63 cm,
bei RSTAB ergibt sich eine maximale Verschiebung von wM = 2,43 cm. Die maximale
Verschiebung bei RSTAB ist fast viermal größer als bei BOGEN2008. Bei gekrümm-
ten Trägern mit offenen Querschnitten führt die Vernachlässigung der Wölbkrafttor-
sion (ohne ) nicht nur zu falschen Ergebnissen bei den Verdrehungen, sondern
durch die Kopplung der Verschiebung wM und der Verdrehung ebenfalls zu fal-
schen Ergebnissen bei den Verschiebungen und in statisch unbestimmten Systemen
somit zu falschen Schnittgrößenverläufen.
In Bild 5.14 sind mit dem Stützmoment über der Mittelstütze My,Stütz und dem Torsi-
onsmoment am linken Trägerrand MxA ausgewählte Schnittgrößen der Näherungslö-
sung im Verhältnis zu den mit BOGEN2008 ermittelten Ergebnissen über den
Öffnungswinkel aufgetragen. Bei den HE-ATrägern liegt die Abweichung gegen-
über einer genauen Berechnung mit BOGEN2008 erwartungsgemäß höher als bei den
Trägern mit Quadrathohlprofil. Beim Stützmoment beträgt der Fehler maximal 4 %,
beim Torsionsmoment MxA bereits 10 %. Die Momentenumlagerungen zur Mittel-
stütze hin werden bei den HE-ATrägern überschätzt, bei den Trägern mit Quadrat-
hohlprofil werden sie unterschätzt. Dennoch sind die Ergebnisse auch bei größeren
Öffnungswinkeln als Näherung brauchbar.
98 5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme
Bild 5.13 Zweifeldträger mit R = 10 m und HE-A 500 mit Gleichstreckenlast qz:
My, Mx und M (Näherungslösung im Vergleich zu BOGEN2008 und RSTAB)
Bild 5.14 Relativer Fehler der mit KSTAB berechneten Näherungslösung am Ersatz-
system im Vergleich zu den Ergebnissen aus BOGEN2008
5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme 99
5.3.1 Vorbemerkungen
Bild 5.15 Schwach gekrümmter Einfeldträger und zugehöriges Ersatzsystem mit Vor-
verformung
Über einen Vergleich der Arbeitsanteile des geraden Stabelementes nach Theorie
II. Ordnung und des mäßig gekrümmten Stabelementes nach Abschnitt 6.3.3 soll die
Gleichwertigkeit der Ansätze überprüft werden. Hierzu wird die in dieser Arbeit her-
geleitete virtuelle Arbeit des mäßig gekrümmten Stabelementes an dieser Stelle ange-
geben und in Tabelle 5.2 zusammengefasst.
Tabelle 5.2 Virtuelle Arbeit W = W ext + W int für den mäßig gekrümmten Stab nach
Kapitel 6
vM vM vM vM
Wint us EA us us EA R R EA us R EA R dx
u u u u
EIz vM
vM EIz s s EIz vM
vM s EIz s dx
R R R R
EIy wM
wM wM
EIy
EIy wM EIy dx
R R R R
wM wM
wM wM
EI EI R R EI R EI R dx
wM
wM
wM wM
GIT GIT R R GIT R GIT R dx
Tabelle 5.3 Virtuelle Arbeit W = W ext + W int für gerade Stäbe [52]
Wext qy yq yM qz zq zM dx
Fy yF yM Fz zF zM
Fx zF Fx zF vM
vM wM
Fx yF Fx yF wM
vM My My vM dx
mit:
2
Mrr x z zM y yM
A
2
dA N i
2
M Mz ry My rz M r
Iy Iz 1
2
iM iP2 y M
2 2
zM iP2 r y 2 z 2 dA
A I
A
1 1
ry
Iz
y y 2 z2 dA 2 yM rz
Iy
z y 2 z2 dA 2 zM
A A
5.3.3 Analogiebetrachtung
Um einen Vergleich der zusätzlichen Arbeitsanteile nach Theorie II. Ordnung nach
Tabelle 5.2 und den Arbeitsanteilen des mäßig gekrümmten Stabelementes nach
Tabelle 5.1 durchführen zu können, wird die Berechnung nach Theorie II. Ordnung
nach der 1. Iteration gestoppt. Bei den hier betrachteten Belastungen qz und Fz treten
bei einer Berechnung nach Theorie I. Ordnung im geraden Stab nur Biegemomente
und zugehörige Querkräfte auf (MyI 0; MrrI 0; NI = MzI = 0). Im Anschluss an die
Systemberechnung nach Theorie I. Ordnung wird die Ersatzbelastung p0 für eine
Berechnung nach Theorie II. Ordnung mit den Schnittgrößen MyI, MrrI, den Vorver-
102 5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme
EIy dx
wM
R
My v0 dx
I
dx
R EIy wM
I dx
R EIy wM
R EIy R dx
wM wM
wM wM
EI R R EI R EI R dx
wM
wM
wM wM
GIT R R GIT R GIT R dx
Der Vergleich mit den die Steifigkeit EIy beinhaltenden Arbeitsanteilen in Tabelle 5.4
zeigt auf, dass der Einfluss des Biegemomentes auf das Torsionsmoment bei einer
Berechnung nach Theorie II. Ordnung über den Ansatz von Vorverformungen in ers-
ter Näherung erfasst werden kann. Der Einfluss der Torsion auf das Biegemoment,
der aus der Kopplung der Verdrehung und der Verschiebung w im gekrümmten
Träger herrührt, findet keine Berücksichtigung in den Arbeitsanteilen der Theo-
rie II. Ordnung. Für schwach gekrümmte Einfeldträger bis zu einem Öffnungswinkel
von 0,5 rad (Abschnitt 5.2.2) liefert diese Annahme für die Belastungen qz und Fz
brauchbare Ergebnisse. Bei stärkerer Krümmung und bei Durchlaufträgern führt das
Ersatzsytem „Gerader Stab mit Vorverformung“ zu falschen Ergebnissen. In Bild
5.15 wurde die Gleichstreckenlast qz,s für das Ersatzsystem so gewählt, dass die auf-
gebrachte Belastung der Summe der Auflagerlasten entspricht. Für die Berechnung
der Biegemomente wird von der Länge des Ersatzstabes s ausgegangen. Unter der
Annahme 0,5 rad beträgt der Unterschied der Länge s zur Bogenlänge maximal
1 %. Der Fehler bei der Berechnung der Biegemomente am Ersatzsystem ist somit
vernachlässigbar.
5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme 103
Tabelle 5.5 Leitermodell nach Ramberger: Holmabstand, Steifigkeiten und qz-Lasten für
den inneren (i) und äußeren (a) Holm
I
a 2 EA i EA a EA 2
Iy I R 2
Die Längssteifigkeit EA, Biegesteifigkeit EIy und die St. Venantsche Torsionssteifig-
keit GIT werden auf die beiden Holme als Haupttragelemente aufgeteilt. Die Quer-
sprossen sind biegesteif unter Annahme von EA = EIy = und GIT = 0 mit den
Holmen verbunden. Im Zusammenspiel mit der Torsionssteifigkeit GIT der Holme
wird der Einfluss der St. Venantschen Torsion erfasst. Das gesamte Torsionsmoment
setzt sich zusammen aus der St. Venantschen und der Wölbkrafttorsion. Die Anteile
der Wölbkrafttorsion werden im Leitermodell als entgegengesetzte Gurtbiegung der
beiden Holme verstanden. Der Holmabstand a ergibt sich hierbei nicht aus der Geo-
metrie des Querschnitts, sondern aus den Querschnittskennwerten des Gesamtstabes.
Beim gekrümmten Träger ist der Einfluss unterschiedlicher Bogenlängen der Holme
bei der Aufteilung der Steifigkeiten und Lasten auf die beiden Holme zu berücksich-
tigen. Die Aufteilungen ergeben sich aus den Differentialgleichungen des kreisförmig
gekrümmten Trägers und der Annahme, dass die Verdrehung in jedem Querschnitts-
punkt gleich ist. In Tabelle 5.5 sind die Formel zur Berechnung des Holmabstandes a
und die Aufteilung der Gesamtsteifigkeiten und Lasten auf die Leiterholme zusam-
mengefasst dargestellt. Die in den Holmen ermittelten Teilschnittgrößen werden zu
den Schnittgrößen des Stabes zusammengefasst und die Tragfähigkeit am Gesamt-
querschnitt untersucht. Die Auswertung erfolgt an den Schnittpunkten der polygonal
angenäherten Einzelholme mit dem Holm. Die Stabschnittgrößen und -verformungen
können Tabelle 5.6 entnommen werden. Die möglichen Verformungszustände sind in
5 Erfassung der Krümmung durch Ersatzsysteme 105
Bild 5.17 dargestellt. Es ist noch einmal festzustellen, dass die Querschnittsform im
vorgestellten System erhalten bleibt.
Die Güte der mithilfe des Leitermodells berechneten Ergebnisse ist abhängig von der
Stabkennzahl T und von der Anzahl der Quersprossen nQ. Mit wachsender Stabkenn-
zahl und mit abnehmender Anzahl der Querprossen nimmt der Fehler gegenüber ei-
ner Berechnung mit gekrümmten Stabelementen zu. Die Anzahl der Quersprossen
sollte für den geraden Stab nQ > 2 · T + 1 sein. Für den gekrümmten Träger schlägt
Ramberger vor, dass die Anzahl der Quersprossen bei der Modellierung 10 bis 20
betragen sollte. Die Querschnittskennwerte der Quersprossen sollen einerseits die
Annahme des Leitermodells nach unendlich großer Biegesteifigkeit und fehlender
Torsionssteifigkeit erfüllen, haben anderseits aber auch Einfluss auf die numerische
Stabilität der Berechnung. Zur Abbildung einer unendlichen Steifigkeit der Quer-
sprossen muss nach Ramberger die einzugebende Biegesteifigkeit der Quersprossen
nicht größer sein als jene der Holme, d. h. EIy,QS = (EIyi + EIya)/2. Die Schubsteifig-
keit setzt er zu EAQS = 5·EA und die Torsionssteifigkeit zu
GIT,QS = (GITi + GITa)/2000. Der gekrümmte Träger mit R = 10 m aus dem Beispiel in
Abschnitt 5.2.4.2 wurde mit dem Leitermodell nachgerechnet. Der Holmabstand ist
a = 12,61cm. Das Leitermodell wurde mit 10 Quersprossen je Feld idealisiert. Das
minimale Stützmoment liegt mit MStütz = 96,8 kNm ca. 2 % unter dem mit
BOGEN2008 berechneten Stützmoment. Das Leitermodell von Ramberger ist geeig-
net, die Wölbkrafttorsion in einem gekrümmten Träger mit geraden Stabelementen
mit 6 Freiheitsgraden ohne zu modellieren.
106 6 Mäßig gekrümmtes Stabelement für FEBerechnungen
6.1 Vorbemerkungen
6.2 Weggrößenverfahren
Beim Weggrößenverfahren wird das System in finite Elemente unterteilt, die in Kno-
ten miteinander verbunden sind. Das gerade Stabelement weist in der Regel zwei
Knoten an den Enden des Elementes auf. Die Verformungsgrößen in den Endknoten
werden über die Elementsteifigkeitsmatrix mit den korrespondierenden Schnittgrößen
in Beziehung gesetzt. Durch Formulierung des Gleichgewichts in jedem Knoten lässt
sich ein Gleichungssystem der Dimension Anzahl der Knoten multipliziert mit den
Verformungsgrößen des Knotens aufstellen und nach Einarbeitung der Randbedin-
gungen lösen. Nach Theorie I. Ordnung (lineare Stabtheorie) ergibt sich stets ein
Gleichungssystem in folgender Form:
Kv p (6.1)
mit: K = Gesamtsteifigkeitsmatrix
v = Vektor der Knotenverformungen
6 Mäßig gekrümmtes Stabelement für FEBerechnungen 107
6.3.1 Voraussetzungen
Zur Herleitung der für das Weggrößenverfahren benötigten Steifigkeitsmatrix für das
kreisförmig gekrümmte zweiknotige Stabelement nach Bild 6.1 muss die virtuelle
Arbeit der linearen Stabtheorie um Terme, die die geometrischen Zusammenhänge
zwischen Durchbiegung und Verdrehung berücksichtigen, erweitert werden. Be-
trachtet werden beliebige Lastfälle, d. h. zweiachsige Biegung mit Normalkraft und
Torsion. Zusätzlich zu den allgemeinen Voraussetzungen gelten folgende Annahmen:
Die Querschnittsbreite sei klein im Verhältnis zum Krümmungsradius
(b/R 0,1). Unterschiedliche Längen einzelner Querschnittsfasern werden
nicht berücksichtigt.
Der Schubmittelpunktsabstand zM sei klein im Verhältnis zum Radius R
(zM/R 0,1).
Tabelle 6.1 Funktionen sin und cos sowie relativer Fehler RF für cos 1
und sin
in -rad cos RF in % sin RF in %
0,01 0,99995 0,005 0,01000 0,002
0,02 0,99980 0,020 0,02000 0,007
0,04 0,99920 0,080 0,03999 0,027
0,06 0,99820 0,180 0,05996 0,060
0,08 0,99680 0,320 0,07991 0,107
0,10 0,99500 0,500 0,09983 0,167
0,12 0,99281 0,719 0,11971 0,240
0,14 0,99022 0,978 0,13954 0,326
0,16 0,98723 1,277 0,15932 0,426
0,18 0,98384 1,616 0,17903 0,539
0,20 0,98007 1,993 0,19867 0,665
Zur Bestimmung der Anteile dus , dz , d y und d werden die lokalen Verschie-
bungen u und v bzw. die lokalen Verdrehungen und y an den Endknoten a und b
auf das xyzKoordinatensystem im Knoten a bezogen. Es folgt:
dus usb usa
u sb cos d v Mb sin d usa
(6.4)
dx
dus v Mb
R
6 Mäßig gekrümmtes Stabelement für FEBerechnungen 109
v M dx
du s du s
R
dv M v Mb v Ma
v Mb cos d u sb sin d v Ma
dx
dv M u sb
R (6.5)
u dx
dvM dv M s
R
dv u
d z M s
dx R
d y yb ya
yb cos d b sin d ya
dx (6.6)
d y b
R
dx
dy d y
R
d b a
b cos d yb sin d a
dx
d yb
R
(6.7)
y dx w dx
d d d M
R R
d y d w M
d
dx R dx R
Die Dehnung x bezeichnet die Längenänderung einer Faser in der auf den Knoten a
bezogenen xRichtung. Sie entspricht der ersten Ableitung der Verschiebung in
xRichtung. Es folgt:
du
x
dx
du d d y d
s y z z (6.8)
dx dx dx dx
vM u w
u s y v M s z w M M
R R R R
Bei der Ermittlung der Dehnung wurde von einer mittleren Elementlänge von
dx = R · d ausgegangen. In einem gekrümmten Stabelement sind die Längen der
Querschnittsfasern jedoch nicht in jedem Punkt gleich sondern abhängig von ihrem
110 6 Mäßig gekrümmtes Stabelement für FEBerechnungen
Ein Tragwerk befindet sich im Gleichgewicht, wenn die Summe der virtuellen Ar-
beiten nach Gl. (1.10) gleich Null ist. Die innere virtuelle Arbeit nach Gl. (1.11) bein-
haltet die Arbeitsanteile infolge von Normalspannungen x und Schubspannungen .
Unter Verwendung der Gln. (1.7) und (6.8) bestimmen sich die Arbeitsanteile aus x
zu:
Wint x x x dA dx
xA
v vM
us M EA u s dx
x
R R
w M EI y w M dx (6.9)
x
R R
u u
v M s EI z v M s dx
x
R R
w w
M EI M dx
x
R R
Die Schnittgrößen für das kreisförmig gekrümmte Element können nach Tabelle 1.1
zusammengefasst werden. Angaben zu den Beziehungen zwischen Schnittgrößen und
Verzerrungen finden sich auch bei Wlassow [125], Dabrowski [14], Becker [3] und
Bogensperger [7]. Dabei wurden unterschiedlichen Näherungen eingeführt. Es gilt
hier:
6 Mäßig gekrümmtes Stabelement für FEBerechnungen 111
v
N EA us M
R
u
M y EI y w M M z EI z v M s
R R
(6.11)
w
M EI M w
M xs M EI M
R R
w
M x M xp M xs M xp GI T M
R
Für die äußere Arbeit gilt Gl. (1.12). Streckenlasten und Einzellastgrößen leisten an
den korrespondierenden Verschiebungen Arbeit. Da die Gleichstreckenlasten qy und
qz häufig nicht im Schubmittelpunkt wirken, sondern in einem beliebigen Angriffs-
punkt (yq, zq), werden beim Streckentorsionsmoment entsprechende Zusatzanteile
berücksichtigt:
m x,ges m x q z y q y M q y z q z M (6.12)
Wext u s q x v M q y w M q z m x,ges dx
u s Fx v M Fy w M Fz (6.13)
v M M zL w M M yL M xL M L
Mithilfe einer partiellen Integration wird die virtuelle Arbeit so umgeformt, dass die
Differentialgleichungen des kreisförmig gekrümmten Elementes und die zu den Ver-
formungen korrespondierenden Lastgrößen direkt abgelesen werden können. Die Dif-
ferentialgleichungen entsprechen den Gleichungen in Tabelle 3.6 und lauten:
Mz Vy
N q x 0 N qx
R R
N N
Mz q y 0 Vy q y
R R
(6.14)
M M xp M
M y q z 0 M y Vz x
R R R
My My
M Mxp m x,ges 0 Mx m x,ges
R R
112 6 Mäßig gekrümmtes Stabelement für FEBerechnungen
Aus den Randbedingungen ergeben sich die zu den sieben unbekannten Verschie-
bungsgrößen v Tk u s v M v M w M w M im Knoten korrespon-
dieren Gleichgewichtsschnittgrößen:
T ˆz
M ˆ ˆ
M
ŝ k Nˆ R
ˆ M
Vy
ˆ ˆ
z Vz M
y
R
ˆ
M x
ˆ
M (6.15)
Für die Verschiebung us(x) ist bei einem geraden Stabelement ein linearer Ansatz
ausreichend. Da das Bogenelement primär für Probleme mit Belastungen in
zRichtung und Torsion konzipiert werden soll, soll auch an dieser Stelle auf diesen
Ansatz zurückgegriffen werden. Die exakte Lösung für die Verdrehung (x) im Stab-
element enthält Hyperbelfunktionen sinh und cosh. Die Anwendung der Polynom-
funktion für die Verdrehung (x) setzt voraus, dass eine entsprechend feine FE-
Modellierung vorgenommen wird. Die Elementlänge sollte daher so gewählt werden,
dass die Bedingung T 1,0 eingehalten wird [49]:
EI I
1,61 (6.18)
GI T IT
6 Mäßig gekrümmtes Stabelement für FEBerechnungen 113
In der Matrix der Tabelle 6.2 kennzeichnen die Zahlen in Klammern die Nummerie-
rung der Elemente (Zeile, Spalte). Der Wert „0“ bedeutet, dass das Matrixelement
ki,j = 0 ist. Die folgende Zusammenstellung ist eine Auflistung aller Matrixelemente
für die Elementsteifigkeitsmatrix K e für ein kreisförmig gekrümmtes Stabelement,
die ungleich Null sind:
Die Knotenfreiwerte eines Stabelementes nach Abschnitt 6.3.5 entsprechen den loka-
len Verschiebungsgrößen an den Knoten des Elements. Beim Zusammenbau der
Stabelemente zu einem statischen System, wird das Gleichgewicht in allen Knoten
mit Hilfe der virtuellen Arbeit formuliert. Beim Zusammenbau der mäßig gekrümm-
ten Stabelemente bezieht sich das Gleichgewicht in jedem Knoten auf das lokale tan-
gential zum Stab gerichtete Koordinatensystem in dem betrachteten Knoten. Die
Wirkungsrichtung aller an dem Knoten angreifenden Einzellastgrößen sowie die Auf-
lagerbedingungen werden ebenfalls auf dieses lokale Koordinatensystem bezogen.
Die Krümmung des Bogens kann dann ohne weitere Transformation erfasst werden.
Bei der linearen Stabtheorie entsprechen die Gleichgewichtsgrößen an den Stabenden
den Schnittgrößen. Beim gekrümmten Stabelement sind die Schnittgrößen de-
finitionsgemäß von gekoppelten Verformungsgrößen abhängig. Die Schnittgrößen
ergeben sich aus den Gleichgewichtsgrößen entsprechend Gl. (6.16). In Bild 6.3 ist
ein gekrümmter Einfeldträger und seine Diskretisierung in drei Elemente mit Angabe
der lokalen Verschiebungen u und v für eine Berechnung nach dem Weggrößenver-
fahren dargestellt.
6 Mäßig gekrümmtes Stabelement für FEBerechnungen 115
6.4 Beispiele
6.4.1 Vorbemerkungen
In diesem Abschnitt wird auf das Beispiel in Bild 4.2 zurückgegriffen. Untersucht
wird das Konvergenzverhalten bei einem Radius von R = 10 m ( = 0,96 rad) für die
Querschnitte Q1 (HE-A 500) und Q2 (Q RO 490x12). Betrachtet werden das Biege-
moment in Feldmitte und das Torsionsmoment am Auflager A und die Aufteilung in
St. Venantsche Torsion und Wölbkrafttorsion.
Das Konvergenzverhalten ist in Bild 6.4 dargestellt. Der offene Querschnitt Q1 weist
nach Abschnitt 4.1.3 eine Stabkennzahl von T 4,1 auf. Nach Gl. (6.18) sollte der
Stabzug mindestens in 5 Elemente aufgeteilt werden. Bei 6 Elementen
(d = 0,192 rad) weist das sekundäre Torsionsmoment Mxs,A lediglich eine Abwei-
chung von 0,92 % zu den mit den Formeln nach Tabelle 3.1 und Tabelle 3.2 ermittel-
ten Ergebnissen auf. Bei einem Öffnungswinkel d = 0,1 für das gekrümmte
Stabelement (ca. 10 Elemente) beträgt die maximale Abweichung nur noch 0,12 %.
116 6 Mäßig gekrümmtes Stabelement für FEBerechnungen
MxA [kNcm]
-2500
-2000
-1500
-1000
-500
0
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30
Q1 (HE-A 500): Mx Q1 (HE-A 500): Mxp n Elemente
Q1 (HE-A 500): Mxs Q2 (Q RO 490x12): Mx
Bild 6.4 Konvergenzverhalten der Lösung aus BOGEN2008 am Beispiel des Biege-
momentes in Feldmitte und der Torsion am Auflager A
Die in Bild 6.5 dargestellte über zwei Felder durchlaufende Fußgängerbrücke in Stahl
wurde von Heil [40] unter Anwendung des Kraftgrößenverfahrens für den Lastfall
Volllast untersucht. Die dort verwendeten Formeln berücksichtigen einachsige Bie-
gung mit Torsion inklusive Wölbkrafttorsion. Die Belastung wird direkt aus diesem
Beispiel übernommen und kann Bild 6.5 entnommen werden. Der dargestellte Quer-
schnitt wird in ANSYS über ein FE-Netz mit 9knotigen Querschnittselementen ein-
gegeben. Der Faktor = GAs · 2/(EIy) nach Abschnitt 4.2.2 beträgt 186. Es ist
von einem annähernd schubstarren Verhalten auszugehen. Die berechneten Quer-
schnittskennwerte sind in Bild 6.5 rechts angegeben und werden bei der Berechnung
mit BOGEN2008 übernommen. Die in Abschnitt 6.3.1 getroffen Voraussetzungen für
eine Berechnung mit BOGEN2008 werden mit b/R = 4 / 40 = 0,1 0,1 und
zM/R = 0,534 / 40 = 0,013 0,1 eingehalten. Die Elementierung wird mit 100 Ele-
menten relativ fein gewählt. Das dargestellte System wird mit BOGEN2008 und
ANSYS durchgerechnet. Die Schnittgrößenverläufe Vz, My, Mx und M sind in Bild
6.6 grafisch dargestellt. Die Ergebnisse aus ANSYS sind jeweils in Klammern ange-
geben. Es ist festzustellen, dass die Ergebnisse beider Berechnungen sehr gut über-
einstimmen. Beim Querkraftverlauf und beim Biegemoment liegen die
Abweichungen unter 0,05 %. Beim Torsionsmoment liegen die Abweichungen im-
6 Mäßig gekrümmtes Stabelement für FEBerechnungen 117
mer noch unter 0,5 %. Die maximalen Abweichungen sind beim Wölbbimoment und
liegen bei 2,6 %. Die Abweichungen zu den bei Heil angegebenen Ergebnissen sind
ebenfalls gering.
A = 808 cm2
zM = 53,4 cm
Iy = 725.587 cm4
Iz = 9.701.653 cm4
IT = 532 cm4
I = 8.048.277.010 cm6
Bild 6.5 Fußgängerbrücke nach Heil [40]
E = 21.000 kN/cm2
G = 8.100 kN/cm2
A = 100 cm2
Iy = Iz = 833 cm4
IT = 1406 cm4
7.1 Vorbemerkungen
In diesem Kapitel werden die Einflüsse von Kriechen und Schwinden des Betons in
gekrümmten Trägern mit oben liegender Betonplatte untersucht. Die Berechnung der
ideellen Querschnittskennwerte unter Berücksichtigung der Belastung erfolgt nach
Abschnitt 2.7.3. Die Ermittlung der Kriechzahlen und der Schwinddehnung findet
sich in Abschnitt 2.6.
Die Einflüsse des zeitabhängigen Betonverhaltens bei der Ermittlung der Schnittgrö-
ßen und der Spannungen werden für den geraden Träger erläutert. Es wird untersucht,
inwieweit die vorgestellten Methoden auf den gekrümmten Träger übertragen werden
können. Auf Besonderheiten, die aus der Krümmung herrühren, wird eingegangen.
Anhand von Beispielen werden die Auswirkungen auf die Schnittgrößenverläufe,
Spannungen und Auflagerreaktionen untersucht. Hierfür wird auf die Ein- und Zwei-
feldträger aus Abschnitt 4.3.2 und 4.4.3 zurückgegriffen. Des Weiteren werden aus-
gewählte Beanspruchungszustände infolge Eigengewicht einer mit einem
Kastenquerschnitt ausgebildeten dreifeldrigen Fußgängerbrücke untersucht.
7.2.1 Vorüberlegungen
7.2.2 Schnittgrößenermittlung
Methode 1 Methode 2
Tabelle 7.1 Modellvorstellung zur Berechnung der Schwindgrößen NSh und MSh [51]
Die Schwindverkürzung der Betonplatte wird gedanklich durch die Zugkraft Nsh verhindert.
→ primäre Schwindnormalkraft NSh
n0
NSh cs E A
nSh c,m c
Die primäre Schwindnormalkraft NSh wirkt als Druckkraft auf den Verbundträger.
→ primäres Schwindmoment MSh
Zur Berechnung der Schnittgrößen infolge Schwinden werden die in der Modellvor-
stellung ermittelten Schwindgrößen als äußere Lasten auf das System aufgebracht.
Dabei dürfen NSh und MSh in Bereichen, in denen der Beton als gerissen gilt, gleich
122 7 Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümmten Verbundträgern
Null gesetzt werden. Bei Ansatz eines affinen Verlaufs von Schwinden und Kriechen
ist eine direkte Berechnung mit dem Gesamtquerschnittsverfahren und dem Redukti-
onsfaktor nSh möglich. In statisch unbestimmten Systemen resultieren aus den mit der
Modellvorstellung ermittelten Schwindgrößen weitere Zwangsschnittgrößen.
Erreichen des kleinsten negativen Stützmomentes min MStütz ab. Min MStütz wird er-
reicht, wenn der verwendete Rissbereich Riss,Modell mit dem ermittelten Rissbereich
Riss,cal übereinstimmt (Bild 7.3, min MStütz). Nach Erreichen von min MStütz wächst
das negative Stützmoment wieder leicht an.
MStütz [kNm]
-3400
-3200
-3000
-2800
-2600
-2400
-2200
-2000
-1800
0 10 20 30 40 50
Riss,Modell [%]
min MStütz
Bild 7.3 Beispiel nach Bild 4.15, qz = 50 kN/m: Stützmoment MStütz sowie Riss,cal in
Abhängigkeit von Riss,Modell
Aus den vorangegangenen Erläuterungen folgt, dass bei Ansatz eines Rissbereichs
zwischen 15 % · und 30 % · die Auswirkungen auf die Schnittgrößenermittlung
gering sind (s. Bild 7.3, MStütz, markierter Bereich). Aus diesem Grunde führt die
Anwendung von Methode 2 mit Annahme Riss,Modell = 15 % · weiterhin zu brauch-
baren Ergebnissen. Für die Untersuchungen in diesem Kapitel wird deshalb weiterhin
die Methode 2 verwendet. Die Abweichungen bei Verwendung der Methode 2 wer-
den noch einmal für das Stützmoment in Bild 7.4 (MStütz,Meth2 / min MStütz) in Abhän-
gigkeit vom Öffnungswinkel für den offenen Querschnitt Q3 und den
geschlossenen Querschnitt Q4 dargestellt. Es ist festzustellen, dass auch bei großen
Krümmungen die Abweichungen unter 3 % liegen. Mit größer werdendem Öff-
nungswinkel wird die Abweichung ebenfalls größer, wobei die Auswirkungen beim
offenen Querschnitt Q3 größer sind als beim geschlossenen Querschnitt Q4.
Bei Anwendung der Methode 1 unter Berücksichtigung einer Umlagerung von 10 %
des Stützmomentes liegt die Abweichung in allen untersuchten Systemen über 6 %.
Durch die Krümmung setzt sich das Stützmoment aus einem Anteil infolge My und
einem Anteil infolge T zusammen. Da der zweite Anteil nicht so stark von der
Rissbildung des Betons beeinflusst wird, nimmt die Abweichung bei Anwendung der
Methode 1 mit größer werdendem Öffnungswinkel ab. Bei Methode 1 ist zu beach-
ten, dass auch Torsionsmomente und eventuell Wölbbimomente entsprechend dem
Biegemomentenverlauf umgelagert werden müssen.
124 7 Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümmten Verbundträgern
1.05 1.05
1 1
0 0.5 1 1.5 2 0 0.5 1 1.5 2
[rad] [rad]
Bild 7.4 Beispiel nach Bild 4.15: Abweichungen des Stützmomentes bei einer Be-
rechnung nach Methode 2 (1)
c) zeitlich veränderlicher Einheitszustand Fz1 = „1“ bis zum Zeitpunkt t = t∞ (nPT / nst)
d) zeitlich veränderlicher Einheitszustand Mx1 = „1“ bis zum Zeitpunkt t = t∞ (nPT / nst)
1
FzPT w Fz1 PT PT
Fz1 wP
PT PT
MPT
x w Mx1 Mx1 P
Bei der Berechnung des Lastzustands reicht es nun nicht mehr aus, allein die Biege-
momentenverläufe (Querkraftverläufe) zu betrachten. Gleichzeitig müssen auch Mo-
mentenumlagerungen bei den Wölbbimomenten (Torsionsmomenten) berücksichtigt
126 7 Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümmten Verbundträgern
werden. Das für die Ermittlung der Kraftgrößen zu lösende Gleichungssystem für das
zweifach statisch unbestimmte System lautet allgemein:
11 12 X1 10
(7.1)
21 22 X 2 20
Für den Zweifeldträger ergeben sich die mit der Zeit aufbauenden Kraftgrößen nach
Bild 7.5. Durch Aufbringen der Kraftgrößen FzPT und MxPT auf das Grundsystem mit
den Steifigkeiten für veränderliche Einwirkungen (nL = nPT) können nun die sich über
die Zeit aufbauenden Schnittgrößenverläufe infolge Zwängung berechnet werden.
Bei Ansatz eines affinen Verlaufs von Schwinden und Kriechen können in statisch
unbestimmten Systemen die Auswirkungen aus Zwängungen direkt berechnet werden
(s. auch „Gerader Träger“).
7.2.3 Querschnittstragfähigkeit
In Bild 7.7 ist der Einfluss des Herstellungsverfahrens auf die Tragfähigkeit des gera-
den Verbundträgers dargestellt. Die unterschiedlichen Herstellungsverfahren führen
im elastischen Bereich zu unterschiedlichen Verformungen und daraus resultierend
zu unterschiedlichen Tragfähigkeiten. Der Einfluss des Herstellungsverfahrens ist
7 Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümmten Verbundträgern 127
MomentenKrümmungsKurve
Bild 7.7 Einfluss des Herstellungsverfahrens auf die Tragfähigkeit von Verbundträ-
gern [88]
gung des Betons im Zugbereich (Zustand II) muss die Mitwirkung des Betons unter
Zug nachträglich berücksichtigt werden („tension stiffening“, s. Tabelle 7.3).
In geraden Trägern mit Beanspruchung in zRichtung resultieren die maßgebenden
Längsspannungen im Allgemeinen aus Biegemomenten. Bei gekrümmten Trägern
entstehen durch die Krümmung hervorgerufene planmäßige Torsionsbeanspruchun-
gen. Bei Trägern mit geschlossenem Querschnitt kann davon ausgegangen werden,
dass die Torsionsmomente überwiegend über primäre Torsion M xp, d. h. allein über
Schubspannungen, abgetragen werden. Bei Trägern mit offenem Querschnitt resultie-
ren aus der Torsion zusätzliche Wölbbimomente, die die Tragfähigkeit des Quer-
schnitts wesentlich beeinflussen können. Die Längsspannungen aus Wölbbimomen-
ten müssen im Zustand I zu den Längsspannungen in Tabelle 7.2 und im Zustand II
zu den Längsspannungen in Tabelle 7.3 addiert werden. Ebenfalls resultieren aus den
sekundären Torsionsmomenten Mxs weitere Schubbeanspruchungen. Für die Span-
nungen aus M und Mxs gilt:
Zustand I (s. Tabelle 7.2)
x,a M ,a,Ed I ,a a M L,i,Ed I L,i iL
Steg M xs,a,Ed I ,a A ,a,Steg M xs,i,Ed I L,i A L,i,Steg (7.2)
x,c M L,i,Ed n L
I L,i iL
Zustand II (s. Tabelle 7.3)
x,a M ,a,Ed I ,a a M L,i,Ed I ,st st
Steg M xs,a,Ed I ,a A ,a,Steg M xs,i,Ed I ,st A ,st,Steg
(7.3)
Bei der Berechnung der Spannungen infolge M und Mxs können die Belastungsge-
schichten selbstverständlich ebenfalls getrennt betrachtet werden. Die Ermittlung des
ideellen Wölbwiderstandes und der Wölbordinate findet sich in Abschnitt 2.7.3. Im
ungünstigsten Fall können bei einem offenen Querschnitt und kleinem Krümmungs-
radius die Längsspannungen aus Wölbbimomenten größer sein als diejenigen aus
Biegemomenten (s. hierzu Abschnitt 4.3.2). Dann muss geprüft werden, ob die Ein-
teilung des Verbundquerschnitts in Zustand I und Zustand II noch zu zutreffenden
Ergebnissen führen wird, da in diesem Fall nur ein Bereich des Betonquerschnitts
unter Zug stehen könnte. Dies führt dazu, dass das System nicht mehr als ein Stab
idealisiert werden kann.
Bei der Berechnung der elastischen Querschnittstragfähigkeit werden die ermittelten
Spannungen in den maßgebenden Fasern den Grenzspannungen gegenübergestellt.
Die Begrenzung der Längsspannungen sind in Bild 7.7 dargestellt. Sie ergeben sich
aus der Streckgrenze dividiert durch den Teilsicherheitsbeiwert für den betrachteten
Werkstoff. Angaben hierzu finden sich in Abschnitt 2.6.
7 Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümmten Verbundträgern 129
fct,eff
x,s,0 = Betonstahlspannung unter x,s 0,4
Vernachlässigung des Betons st s
im Zugbereich mit
x,s = Berücksichtigung der Mit- fct,eff fctm (Mittelwert der zentrischen Zugfestigkeit)
wirkung des Betons im Zug-
A st Iy,st
bereich nach DIN- st
Fachbericht 104 A a Iy,a
s As A ct und Act = Fläche der Betonzugzone
130 7 Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümmten Verbundträgern
7.3 Beispiele
An dieser Stelle wird auf den Einfeldträger mit offenem Querschnitt Q3 ohne Be-
rücksichtigung von Bewehrung in Bild 4.5 zurückgegriffen. Nach Abschnitt 3.2 ha-
ben die Steifigkeiten keinen Einfluss auf die Schnittgrößenverläufe in beidseits
torsionsstarr gelagerten Einfeldträgern mit Krümmung. Der Einfluss von Kriechef-
fekten muss folglich allein bei der Spannungsermittlung und der Bestimmung der
Verformungen berücksichtigt werden.
Angaben zur Ermittlung der Querschnittskennwerte finden sich in Abschnitt 4.1.3,
Abmessungen des untersuchten Querschnitts Q3 in Tabelle 4.2. Das Trägheitsmo-
ment Iy,Sh und die Schwindgrößen NSh und MSh werden mit dem Programm „QSW-
Verbundträger-el“ ermittelt. Der der Austrocknung ausgesetzte Umfang wird dabei
mit u = 300 + 0,5 · (300+40) = 470 cm angesetzt. Die Reduktionszahl berechnet sich
zu nSh = 16,1 mit Iy,Sh = 119,2877 cm2m2 und zSh = 33,2 cm. Die Schwindgrößen
betragen: NSh = 2877 kN und MSh = 954 kNm. Der Wölbwiderstand und die Wölbor-
dinate werden mit „QSW-FE ML“ ermittelt und berechnen sich zu
I,Sh = 1.118.073 cm4m2 und min Sh = 8324 cm2.
Nach Bild 7.6 ergeben sich aus Gleichgewichtsgründen aus den ermittelten primären
Schwindgrößen zusätzliche Torsionsmomente und Biegemomente. Beim offenen
Querschnitt Q3 resultieren bei einer Stabkennzahl von T,Sh = 2,23 < 10 aus der Tor-
sion Wölbbimomente, die einen großen Einfluss auf die elastische Tragfähigkeit ha-
ben. Diese werden mit BOGEN2008 ermittelt. Da der Verlauf des Biegemomentes
infolge Schwinden bekannt ist, könnte das Wölbbimoment auch mit der Ersatzlast
m x nach Gl. (5.4) und einem Stabwerksprogramm mit geraden Stabelementen und 7
Freiheitsgraden bestimmt werden. Die extremalen Schnittgrößen sind in Bild 7.9 in
Abhängigkeit des Öffnungswinkels aufgetragen. Mx,max tritt dabei am Auflager und
My,max sowie Mmin in Feldmitte auf.
Bis zu einem Öffnungswinkel von = 0,6 rad liegt die Vergrößerung des Biegemo-
mentes My,max/MSh unter 5 %. Das Verhältnis wächst bis zu einem Öffnungswinkel
7 Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümmten Verbundträgern 131
2
u,max / u,MSh u,max [kN/cm ]
12 50
infolge My,max
10 40 infolge M,min
8
30
6
4 20
2 [rad] 10
0 0
0 0.5 1 1.5 2 0 0.5 1 1.5 2 [rad]
Bild 7.9 Beispiel nach Bild 4.5: Extremale Schnittgrößen infolge Schwinden
und maximale Spannungen in Feldmitte
Tabelle 7.5 Steifigkeitsverhältnisse My und T und ihre Veränderung über die Zeit
Die Querschnitte Q3 und Q4 wurden so gewählt, dass das Verhältnis My und die
Veränderung über die Zeit für beide Systeme gleich sind. Die zu erwartenden Umla-
gerungen aus diesem Anteil sind folglich auch gleich.
Das Verhältnis der Biegesteifigkeit EIy,i zur Torsionssteifigkeit GIT,i und die Verän-
derung über die Zeit ist stark vom Querschnitt abhängig. Für den Querschnitt Q3 er-
gibt sich das Verhältnis T,PT / T,0 = 1,52. Der Anteil des Stahlquerschnitts an der
Torsionssteifigkeit GIT,i ist beim offenen Querschnitt Q3 gering, somit hat die zeit-
und lastfallabhängige Reduktion des EModuls Ec einen größeren Einfluss auf die
Torsionsteifigkeit GIT,i als auf die Biegesteifigkeit EIy,i. Infolge des veränderten Stei-
figkeitsverhältnisses sind im Vergleich zum geraden Träger größere Schnittgrößen-
umlagerungen über die Zeit zu erwarten (Abschnitt 4.4.1). Für den Querschnitt Q4
liegt das Verhältnis T,PT / T,0 bei annähernd 1,00. Die sich über die Zeit aufbauen-
7 Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümmten Verbundträgern 133
äußeren (a) und inneren (i) Hauptträger dargestellt. Die angesetzten Widerstandsgrö-
ßen entsprechen hierbei denen des Zustands II. Die größten negativen Spannungen
treten beim äußeren Hauptträger auf. Die sich über die Zeit aufbauende Vergrößerung
des Stützmomentes My,B führt zu einer betragsmäßigen Vergrößerung der Längsspan-
nungen x,a infolge Biegung, wobei die Veränderung der Längsspannungen ebenso
aus dem veränderten Verhältnis My (+7,7 %) sowie aus dem veränderten Verhältnis
MT (+14,4 %) resultieren. Die Spannungen infolge des Wölbbimomentes werden
infolge des Zwangswölbbimomentes M,Stütz über die Zeit geringer. Die zusätzli-
chen Längsspannungen aus dem vergrößerten Stützmoment werden durch die Ver-
kleinerung des Wölbbimomentes ausgeglichen. Die minimale Gesamtspannung im
Querschnitt reduziert sich von x,a(t=0) = 2,78 kN/cm² auf x,a(t=) =
2,74 kN/cm². Am inneren Hauptträger vergrößert sich die Belastung, liegt aber wei-
terhin unter der minimalen Längsspannung des äußeren Hauptträgers (min
x,i = 1,91 kN/cm²).
Bild 7.10 R = 20, Q3: Änderung der Spannungen an der Innenkante des Untergurtes
vom äußeren Hauptträger x,a bzw. vom inneren Hauptträger x,i über die
Zeit t
Im Folgenden soll der Einfluss des Faktors My,Stütz / My,Feld auf die Tragfähigkeit
des offenen Querschnitts Q3 untersucht werden. Der Faktor wird durch die Verän-
derung der Biegesteifigkeit Iy,i im Feld zwischen 0,85 und 3,2 variiert. Es wird davon
ausgegangen, dass die Wölbsteifigkeit I,i direkt mit der Biegesteifigkeit gekoppelt ist
und somit um den gleichen Faktor verändert werden muss. Die Längsspannung an der
Innenkante des äußeren (a) bzw. des inneren (i) Hauptträgers sowie die Entwicklung
des Auflagertorsionsmomentes MxB und des Wölbbimomentes M,B sind in Bild 7.11
in Abhängigkeit von dargestellt. Die Längsspannungen setzen sich dabei aus dem
Anteil x,My infolge Biegung und x,M infolge Wölbbimoment zusammen. Der Ein-
fluss der Längsspannungen x,My ist dargestellt. Das Auflagertorsionsmoment MxB
baut sich bis zu einem Verhältnis von = 1,85 auf Null ab. Die Längsspannung an
der Innenkante des äußeren Hauptträgers wird bei diesem Verhältnis extremal. Mit
größer werdendem Verhältnis baut sich ein negatives Auflagertorsionsmoment
MxB auf, das über das Wölbbimoment MB zu einer betragsmäßigen Reduzierung der
7 Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümmten Verbundträgern 135
Längsspannung x,a führt. Wird das Verhältnis a > 2,91 wechselt M,B das Vorzei-
chen und die minimale Längsspannung x liegt nun an der Innenkante des inneren
Hauptträgers (x,i).
Bild 7.11 R = 20, Q3: Auswirkung des Faktors = My,Stütz / My,Feld auf die Spannun-
gen xa und xi
t,Sh nSh nG,Sh Iy,i [cm2m2] IT,i [cm2m2] I,i [cm4m2] NSh [kN] MSh [kNm]
Q3 2,82 16,1 14,9 130,8662 3,6297 1.118.073 2819,6 817,3
Q4 2,82 16,1 14,9 132,7695 225,5359 43.305 2819,6 824,2
Bild 7.12 Beispiel nach Bild 4.15: Auflagerreaktionen sowie Schnittgrößen und mini-
male Spannungen über der Stütze infolge Schwinden
Untersucht werden soll nun die Auswirkung der Krümmung im Stützbereich. Beim
offenen Querschnitt Q3 führt der Biegemomentenverlauf bei Öffnungswinkeln bis
= 0,74 zu einer Vergrößerung des positiv wirkenden Auflagertorsionsmomentes
MxB. Ab einem Öffnungwinkel von = 0,74 wird MxB trotz größerer Krümmung
kleiner. Begründet werden kann dies mit dem sich größer einstellenden Stützmoment
(Mx = My / R). Bei = 1,35 ist MxB = 0 und bei > 1,35 ändert sich die Richtung
des Auflagertorsionsmomentes MxB. Aus Symmetriegründen ist MxB der Wölbkraft-
torsion zuzuordnen. In Bild 7.13 sind die Schnittgrößenverläufe in Abhängigkeit vom
7 Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümmten Verbundträgern 137
Beim geschlossenen Querschnitt Q4 fällt der Anstieg der Beanspruchung über der
Stütze infolge des kleineren Anteils My,Stütz infolge Krümmung und des nahezu wölb-
freien Querschnitts wesentlich geringer aus. Bei einem Öffnungswinkel bis = 0,8
liegt der Anstieg der Beanspruchung im Vergleich zum geraden Träger unter 5 %.
Bei einem Öffnungswinkel von = 2 liegt die Beanspruchung infolge Schwinden an
der Innenkante des äußeren Hauptträgers beim offenen Querschnitt Q3 1,84fach hö-
her als beim geschlossenen Querschnitt Q4.
7.3.3 Fußgängerbrücke
System
Zur Veranschaulichung der Einflüsse aus dem Langzeitverhalten des Betons werden
in Anlehnung an die bei Schütz in [100] dargestellte Fußgängerbrücke die Lastfälle
138 7 Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümmten Verbundträgern
Material
S 355
C 35/45
BST 500 S
Bewehrung
Aso = Asu = 16, a = 100 mm
Betonüberdeckung
d = 4,5 cm
Ideelle Querschnittskennwerte
Bei der Berechnung der Steifigkeiten müssen die Einflüsse der mittragenden Breite
nach Abschnitt 2.7.2 berücksichtigt werden. Dies erfolgt mit dem Programm
„QSWMittragende Breiten“ [120]. Die Betonplatte trägt mit ihrer gesamten Breite
voll mit. Im Feldbereich kann der Untergurt ebenfalls als voll tragend angesehen wer-
den. Im Stützbereich liegt eine Einschnürung auf 81 % der geometrischen Breite vor.
Um weiterhin mit den Querschnittskennwerten des Feldes rechnen zu können, wird
der Untergurt von t = 18 mm auf t = 18 / 0,81 23 mm verstärkt. Zur Ermittlung der
ideellen Querschnittskennwerte wird auf Abschnitt 2.7.3 verwiesen. Der für die Be-
rechnung der wirksamen Betondicke benötigte Umfang des Querschnittsteils, der der
Austrocknung ausgesetzt ist, wird nach Tabelle 2.5 mit u = 530 cm angesetzt. Eine
7 Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümmten Verbundträgern 139
Lastannahmen
Für den Lastfall „Eigengewicht“ sind die Lasten im Folgenden zusammengestellt. Bei
der Ermittlung der Torsionsbeanspruchungen wird auf Tabelle 3.5 und zur Ermittlung
der primären Schwindbeanspruchung für die Bestimmung der Schwindverformung cs
auf Tabelle 2.5 und Tabelle 7.1 verwiesen. Die Schwindgrößen ergeben sich mit
cs 0,000362 zu N Sh 4296,8 kN und M Sh 1874, 2 kNm . Die Eigenge-
wichtslasten ergeben sich wie folgt:
a) Stahlträger g a 78,5 876,3 104 6,88 kN/m
R es,i
m xa,zM g a,i es,i
i R
40 2 40 2 0,688 kNm/m
3, 44 2 3, 44 2
40 40
b) Beton g c 25 4,5 0, 2 22,5 kN / m
es R 0, 5 4R 2 b2
40 0, 5 4 402 4, 52 0, 063 m
R es 40 0,063 22,46 kN/m
g c,zM g c 22,5
R 40
m xc,zM g c,zM es 22, 46 0,063 1,41 kNm/m
tes Grundsystem nach Abschnitt 7.2.2 überführt werden. Der Dreifeldträger ist fünf-
fach statisch unbestimmt. Bei Ausnutzung der Symmetrie ergeben sich zwei Unbe-
kannte. Die Schnittgrößen am Zwischenauflager und in Feldmitte sowie die
Auflagerreaktionen sind in Tabelle 7.9 zusammengestellt.
Spannungen
Die Längsspannungen berechnen sich im Zustand I nach Tabelle 7.2 und im Zu-
stand II nach Tabelle 7.3. Die Schubspannungen infolge Querkraft und Torsion (Mxp)
berechnen sich mit den Querschnittskennwerten nach Tabelle 7.8 wie folgt:
Vz Mx Vz [kN] M x [kNm]
ASteg 2 A m t 2 1,8 128,5cm² 2 200 133,1 0,018cm 2 m
(7.4)
V [kN] M x [kNm]
z
462, 6 958, 3
Beurteilung
In diesem Beispiel wurde eine als Kastenträger ausgebildete Fußgängerbrücke mit
drei Feldern betrachtet. Auch hier können die Ergebnisse der vorangegangen Beispie-
le bestätigt werden. Bei gekrümmten Kastenträgern ist besondere Sorgfalt auf die
Ausbildung der Lager zu legen, insbesondere der Lastfall „Schwinden“ kann dazu
führen, dass Lager abheben.
8 Maßnahmen zur Erhaltung der Querschnittsform 141
8.1 Vorbemerkungen
In den vorangegangenen Kapiteln wurde von der Gültigkeit der Stabtheorie ausge-
gangen. Voraussetzung hierfür ist die Formerhaltung des Querschnitts. In gekrümm-
ten Trägern entstehen Torsionsbeanspruchungen aus exzentrisch zum
Schubmittelpunkt angreifenden Lasten sowie aus der Krümmung des Trägers (Ab-
schnitt 3.6). Können die aufzunehmenden Torsionsbeanspruchungen nicht entspre-
chend dem Schubspannungsverlauf infolge Torsion in den Querschnitt eingeleitet
werden, müssen sie umgesetzt werden, um die Torsionssteifigkeit des Querschnitts zu
aktivieren. Das Umsetzen der Beanspruchung erzeugt im Querschnitt Querbiegemo-
mente. Dies führt bei nicht ausreichender Querbiegesteifigkeit zu Profilverformun-
gen, die in Längsrichtung zusätzliche Normalspannungen hervorrufen. In der
Literatur wird die Profilverformung als zusätzliche Verformung , die die gegenseiti-
ge Verdrehung von Querschnittsscheiben darstellt, behandelt. Angaben normierter
Querschnittskennwerte für die Profilverformung finden sich für den Kastenquer-
schnitt bei Steinle [106], Hees [38] und Volke [117], [118] und für offene und ge-
schlossene Querschnitte bei Dabrowski [14] und Sedlacek [102]. Schardt entwickelt
in [91] eine Verallgemeinerte Technische Biegetheorie, bei der die Profilverformung
als zusätzliches Teilproblem der Biegetheorie Berücksichtigung findet.
8.2 Problemstellung
Bild 8.1 zeigt die mit RFEM berechneten wVerformungen in Feldmitte. Die Ver-
formungen im Schubmittelpunkt sind für beide Varianten betragsmäßig angegeben.
Beim Querschnitt Q1 entspricht die Verformung im Schubmittelpunkt in etwa der
berechneten Verformung mit BOGEN2008 (s. Bild 4.4, wM,BOGEN2008 = 18,6 cm). Die
Steigung der Verformungskurve über die Breite ist stetig und folgt aus der Verdre-
hung des Querschnitts. Beim Querschnitt Q2 entspricht der Verformungszuwachs im
Schubmittelpunkt einem Anstieg von mehr als 50 % (s. Bild 4.4, wM,BOGEN2008 =
0,42 cm). Es ist weiterhin zu erkennen, dass die Verformung über die Breite nicht
stetig zunimmt, sondern im Bereich der Schubmittelpunktsachse einen Durchschlag
mit einem sehr steilen Anstieg aufweist. Änderungen der Verformung rühren folglich
nicht aus einer Verdrehung des Querschnitts, sondern aus einer Profilverformung, die
wiederum Auswirkungen auf das Tragverhalten des Trägers hat. Es folgen zusätzli-
che Längsspannungen infolge des Verwölbungszustandes aus Profilverformung. Die
Spannungsverteilungen in Feldmitte sind in Bild 8.2 dargestellt. In dem Träger mit
offenem Querschnitt Q1 sind die Spannungsverläufe mit BOGEN2008 und RFEM
nahezu deckungsgleich. Der maximale Unterschied in den xSpannungen liegt auf
der Außenseite des Trägers und beträgt x = 0,3 kN/cm² bei einer Beanspruchung von
x = –11,79 kN/cm² (RFEM). Bei der Idealisierung der Gurte mit kreisringförmigen
Flächenelementen bezieht sich die Dehnung auf die jeweilige Faser im unverformten
Zustand. Dabei sind die außen liegenden Fasern länger und die innen liegenden Fa-
sern kürzer als die Faser im Schubmittelpunkt. Bei der Idealisierung des Trägers als
8 Maßnahmen zur Erhaltung der Querschnittsform 143
Stab werden die Längsspannungen auf der Innenseite der Krümmung folglich tenden-
ziell etwas niedriger liegen und auf der Außenseite der Krümmung tendenziell etwas
höher (Abschnitt 6.3.2). Vergleicht man die xSpannungsverläufe beim geschlosse-
nen Querschnitt ist feststellbar, dass diese in den Gurten, abhängig von der Modellie-
rung, unterschiedliche Spannungsverläufe aufweisen. Eine Berechnung mit
Stabelementen führt zu konstanten Spannungsverläufen in den Gurten. Bei einer Be-
rechnung mit ScheibenPlattenElementen treten zusätzliche xSpannungen auf,
die in den Randbereichen der Gurte betragsmäßig maximal sind. Diese entstehen aus
einer Verwölbung infolge von Profilverformungen, die bei der Ein und Weiterlei-
tung der Torsionslasten entstehen.
Querschnitt Q1 Querschnitt Q2
BOGEN2008:
RFEM:
mP Mit = Verformungswinkel
4 4 P
EIP P 4 EI Q 4 EIP
EIQ = Querrahmensteifigkeit [kN] (8.2)
Wölbsteifigkeit der Profil-
EIP =
verformung [kNcm²]
profilverformende Beanspruch-
mp =
ung [kNcm/cm]
Das Wölbbimoment der Profilverformung kann in Analogie zum elastisch gebetteten
Balken mit einem Stabwerksprogramm berechnet werden (Tabelle 8.1). Die normier-
ten Querschnittskennwerte für das Quadrathohlprofil nach Tabelle 4.1 ergeben sich
nach Steinle [106] zu:
b2 47,82
p,max 285,6cm²
8 8
b5 t s 47,85 1, 2
I P 6.238.490cm6 (8.3)
48 48
3 3
t 1, 2
IQ s 0,03615cm²
b 47,8
Tabelle 8.1 Analoge Beziehungen zwischen einem querbelasteten Balken auf elasti-
scher Bettung und einem auf Profilverformung belasteten Träger
Balken auf elastischer Bettung Träger bei Profilverformung
Biegesteifigkeit EIy [kNcm²] Wölbsteifigkeit der Profilverformung EIP [kNcm4]
Bettungsziffer cw [kN/cm²] Rahmensteifigkeit EIQ [kN]
Belastung qz [kN/cm] Profilverformende Belastung mP [kNcm/cm]
Durchbiegung w [cm] Verformungswinkel [rad]
Biegemoment My [kNcm] Bimoment der Profilverformung MP [kNcm²]
Querkraft Vz [kN] MP [kNcm]
Typische Brückenquerschnitte
Betrachtet werden offene und geschlossene Verbundquerschnitte mit jeweils zwei
Hauptträgern. Vereinfachend wird davon ausgegangen, dass der Lastabtrag der Tor-
sion beim offenen Querschnitt überwiegend durch Wölbkrafttorsion und beim ge-
schlossenen Querschnitt durch St. Venantsche Torsion erfolgt.
Bei der Einleitung der Torsion ist zwischen Torsionsbeanspruchungen aus exzent-
risch zum Schubmittelpunkt angreifenden Vertikallasten, die auch im geraden Träger
zu Torsion führen, und Torsionsbeanspruchungen aus Krümmung zu unterscheiden.
Die Torsionsbeanspruchungen aus Krümmung resultieren aus der Umlenkung von
Längsspannungen, deren Wirkungsweise horizontal ist. In Bild 8.5 sind die Schub-
spannungsverläufe für den offenen Querschnitt infolge Wölbkrafttorsion und für den
Kastenquerschnitt infolge St. Vernantsche Torsion dargestellt. Bei offenen Quer-
schnitten mit zwei Hauptträgern kann das Kräftepaar infolge exzentrischer Vertikal-
lasten direkt in die Stege eingeleitet werden. Die Wirkungsrichtung der aufzunehm-
enden Kräfte entspricht dem Querschnittswiderstand der Wölbkrafttorsion. Bei ge-
schlossenen Querschnitten wird eine Lastumsetzung zur Aktivierung der
St. Venantschen Torsionssteifigkeit, d. h. zur Realisierung eines gleichmäßigen
Schubflusses, erforderlich.
Bild 8.6 Offener Querschnitt mit zwei Hauptträgern: Zerlegung des einzuleitenden
Kräftepaars in ungleiche Biegung und Profilverformung
In Bild 8.7 ist die Zerlegung eines einzuleitenden vertikalen und horizontalen Kräfte-
paars in St. Venantsche Torsion und Profilverformung beim geschlossenen Quer-
schnitt dargestellt. Es ist festzustellen, dass bei gleicher Wirkungsrichtung des
Kräftepaares aus exzentrischer Vertikallast und des Kräftepaares aus horizontaler Be-
lastung infolge der Krümmung der profilverformende Einfluss und somit die Bean-
spruchung für den Querschnitt in Querrichtung geringer wird. Grund ist der kleinere
Anteil der einzuleitenden Kräfte, die im Querschnitt umgesetzt werden müssen. Bei
entgegen gesetzter Wirkungsrichtung der Torsionsbeanspruchungen wird die Bean-
spruchung für den Querschnitt größer. Für die Bemessung der Queraussteifungen ist
es folglich wichtig zu wissen, aus welchem Anteil die Torsionsbeanspruchung her-
rührt.
8.4.1 Allgemein
Querrahmen Querverband
In gekrümmten Brücken sind in jedem Fall auch bei offenen Querschnitten in regel-
mäßigen Abständen Queraussteifungen anzuordnen. Diese müssen für die Einleitung
der sich aus der Krümmung ergebenden Torsionsbeanspruchungen ausgelegt sein.
8 Maßnahmen zur Erhaltung der Querschnittsform 149
Zur Ermittlung der einzuleitenden Torsion Mx,Fz wird die exzentrische Vertikallast in
einen symmetrischen Anteil (Lastangriff im Schubmittelpunkt) und einen antimetri-
schen Anteil (Kräftepaar) aufgeteilt. Die Torsionsbeanspruchung ergibt sich aus dem
antimetrischen Anteil. Die einzuleitende Torsion Mx,Fz in erster Näherung anhand von
Einflusslinien auf die Querverbände verteilt werden, wobei der Abstand eQS als Ein-
feldträger betrachtet werden kann.
wicht zu tun [106]. Die Queraussteifung kann folglich an einem Teilsystem, das die
Queraussteifung als Stabmodell mit einer Gleichgewichtsgruppe abbildet, untersucht
werden. Das ebene Stabmodell wird unter Ansatz von mittragenden Breiten für den
Ober-, Untergurt und Steg idealisiert und so gelagert, dass das System nicht kinema-
tisch wird. Die Lagerung hat dabei keinen Einfluss auf den Schnittgrößenverlauf, da
die Lasten als Gleichgewichtsgruppe aufgebracht werden und somit alle Lagerkräfte
Null sein müssen. Für die Darstellung der Verformungsfigur ist es jedoch zweckmä-
ßig, eine Lagerung zu wählen, die zu einer sinnvollen Verformungsfigur führt. Zur
Ermittlung der Beanspruchung dieses Teilsystems wird im ersten Schritt der Träger
in Längsrichtung nach Abschnitt 8.3 betrachtet. Die Lasten werden dann entspre-
chend Tabelle 8.2 für einen geschlossenen Querschnitt und Tabelle 8.3 für einen of-
fenen Querschnitt mit zwei Hauptträgern auf das Teilsystem aufgebracht.
Tabelle 8.2 Ebenes Stabmodell für einen geschlossenen Querschnitt (Einleitung der
Torsion Mx,Fz und Mx,Fy)
T23 Mx bo (bo bu ) h
T41 Mx bu (bo bu ) h
Tabelle 8.3 Ebenes Stabmodell für offene Querschnitte mit zwei Hauptträgern (Einlei-
tung der Torsion Mx,Fy)
Fy Mx,Fy h
R b 2 Fy
Fy,i
R 2
R b 2 Fy
Fy,a
R 2
Mx,Fy
Ti Ta
b
8 Maßnahmen zur Erhaltung der Querschnittsform 151
Aus diesem Grunde ist es häufig sinnvoll den Anschluss gelenkig auszubilden. Zur
Lastumsetzung der Beanspruchungen aus Krümmung wird in offenen Querschnitten
mit zwei Hauptträgern zur Ausbildung des notwendigen Rahmens in diesem Fall ein
unten liegender Querträger erforderlich (Bild 8.11).
Bild 8.11 Ausbildung von Querschnitten in gekrümmten Brücken mit gelenkig ange-
schlossener Betonplatte
Die Queraussteifungen dienen ebenfalls zur Aussteifung des Trägers in den Montage-
zuständen. Beim Kastenträger ist zu berücksichtigen, dass im Bauzustand die Fahr-
bahnplatte noch nicht mit trägt und so ein offener Querschnitt die Lastabtragung
übernehmen muss. Häufig wird deshalb ein oben liegender Montageverband ange-
ordnet, der nach Abschnitt 2.7.4 als aufgelöste Kastenwand betrachtet wird. Beim
offenen Querschnitt muss der Obergurt entsprechen ausgebildet werden, um die Ab-
triebskräfte aus der Krümmung abtragen zu können und um ein Wegknicken des O-
bergurtes aus der Ebene zu vermeiden.
152 9 Querweiche Systeme
9 Querweiche Systeme
9.1 Vorbemerkungen
Unterweger beschreibt in [112] einen ebenen Trägerrost zur Berechnung quer ausge-
steifter, längsgerichteter gerader Träger. Es wurde speziell für die Modellierung von
Brückentragwerken entwickelt. Es gelten folgende Annahmen:
Die Nachgiebigkeit der Queraussteifungen wird berücksichtigt. Das verwende-
te Stabwerkprogramm muss deshalb eine Berechnung mit schubweichen Stab-
elementen zulassen.
In den Lagerachsen werden annähernd starre Queraussteifungen vorrausge-
setzt.
Der Träger wird durch eine Last qz (Fz), eine Last qy (Fy) und durch ein Torsi-
onsmoment mx (MxL) im Schubmittelpunkt belastet.
9 Querweiche Systeme 153
Der Querschnitt kann als offener Querschnitt mit zwei Stegebenen sowie auch als
Kastenquerschnitt ausgebildet sein. Der Querschnitt wird in drei parallel laufende
Längsstäbe aufgelöst, die in den Bereichen der Queraussteifungen über schubweiche
Stabelemente (QS) nach Abschnitt 2.7.5 und in den Lagerachsen über schubstarre
Stabelemente (EQS) miteinander verbunden sind. Die Queraussteifungen stellen da-
bei kurze hohe Träger dar, bei denen die Schubverformungen den maßgeblichen Ver-
formungsanteil bilden. Die beiden äußeren Stabzüge liegen in den Stegebenen des
Querschnitts, bei geneigten Stegen in den Achsen der Stegoberkante, und stellen die
Hauptträger (HT) des Systems dar. Neben den Hauptträgern wird ein Torsionsbegleit-
träger oder Zentralstab (ZS) in der Symmetrieachse, der Schubmittelpunktsachse des
Querschnitts, angeordnet. Alle Stäbe werden als in einer Ebene liegend angesehen.
Diese entspricht der Schwerachse des mittragenden Querschnitts.
Im Bereich der Auflager werden zusätzliche Lagerstäbe bzw. Hilfsstäbe angeordnet,
so dass die Verformungen an der Unterkante des Querschnitts direkt abgelesen wer-
den können. In Bild 9.1 ist das Trägerrostmodell des geraden Trägers mit der prinzi-
piellen Aufteilung der am Gesamtquerschnitt ermittelten Steifigkeiten dargestellt. Die
Beanspruchung wird generell auf die längsgerichteten Stäbe aufgebracht. Die anzu-
setzenden Querschnittskennwerte und das Aufbringen der Beanspruchung sind in
Tabelle 9.1 zusammengefasst. Die Querschnittstragfähigkeit wird an den Teilstäben
untersucht.
Durch das Zusammenwirken der Hauptträger und des Zentralstabes mit den schub-
weichen Querträgern lassen sich folgende Effekte erfassen:
154 9 Querweiche Systeme
Die Auswirkungen der Wölbkrafttorsion darf bei offenen Querschnitten nicht ver-
nachlässigt werden. Sie wird im vorgestellten System über ungleiche Biegung der
Hauptträger erfasst. Diese Annahme führt bei Annahme von schubstarren Queraus-
steifungen zu den Ergebnissen der Stabtheorie, wenn die Wölbsteifigkeit
2
EI EI y bo 2 ist. Durch die Schubweichheit der Querträger werden profilver-
formende Effekte berücksichtigt. Für geschlossene Querschnitte spielt die Wölbkraft-
torsion eine untergeordnete Rolle. In Bild 9.2 a) bis c) sind die möglichen
Verformungszustände des Querschnitts dargestellt:
9 Querweiche Systeme 155
Das Trägerrostmodell nach Unterweger ist in erster Linie für breite Querschnitte des
Brückenbaus mit zwei Hauptträgern entwickelt worden. Bei diesen Tragwerken kann
die Erhaltung der Querschnittsform ohne weitere Queraussteifungen nicht gewähr-
leistet werden. Für offene Querschnitte, die mit der linearen Stabtheorie erfasst wer-
den können, ist das Modell nur bedingt einsetzbar, da die Wölbkrafttorsion nicht
exakt implementiert ist. Bei der Auswertung können Beanspruchungen in Längs- und
Querrichtung erfasst werden. Die Belastungen werden auf die Längsträger aufge-
bracht. Die als Querträger idealisierten Queraussteifungen sind für Lastumsetzungen
im System verantwortlich. Da bei dieser Art der Modellierung die Beanspruchungen
in den Queraussteifungen generell eher unterbewertet werden, sollten die ermittelten
Beanspruchungen nach [113] um 10 % erhöht werden. Demgegenüber werden die
Beanspruchungen in den Hauptträgern tendenziell überbewertet.
Die Richtigkeit der ermittelten Beanspruchungen ist maßgeblich abhängig von der
Aufbringung der Lasten und von der Zuordnung der Steifigkeiten. In gekrümmten
Trägern liegt der Schwerpunkt bei gleichmäßiger Belastung des Querschnitts nicht in
der Symmetrieachse des Querschnitts (Abschnitt 3.5). Darüber hinaus ist beim Auf-
bringen der Lasten zu beachten, dass die Stegachsen unterschiedliche Krümmungsra-
dien und damit auch Längen aufweisen (Abschnitt 8.2). Eine Ermittlung der
vertikalen Lasten der Hauptträger über Querverteilungslinien führt bei Nichtbeach-
tung der Krümmungsradien z. B. für den inneren Hauptträger zu einer zu niedrigen
Beanspruchung. Desweiteren kann die Beanspruchung der Queraussteifungen in ge-
krümmten Trägern nicht richtig erfasst werden, da bei der Einleitung der Torsion
nicht zwischen Torsion aus Exzentrizität vertikaler Lasten und aus Krümmung unter-
schieden wird (Abschnitt 8.3). Die Aufteilung der Steifigkeiten auf die Hauptträger
erfolgt beim Modell Unterweger in Abhängigkeit von den mittragenden Breiten. Der
Ansatz der mittragenden Breiten gilt für gerade Träger. Für gekrümmte Träger kann
dieser Ansatz nicht vorbehaltlos übernommen werden, weitere Untersuchungen sind
erforderlich.
Die Modellierung als Trägerrost nach Unterweger sollte folglich nur bei großen
Krümmungsradien in Betracht gezogen werden. Bei der Bemessung der Querausstei-
fungen ist dann auf Ersatzsysteme zurückzugreifen.
9 Querweiche Systeme 157
Längsträger
Die systembezogene Biegesteifigkeit für den gekrümmten Trägern beträgt
EIy / 2 = EIy / (R·)2. Die Aufteilung der Gesamtsteifigkeit auf die einzelnen Haupt-
träger, die auf verschiedenen Krümmungsradien liegen, ist noch näher zu untersu-
chen, s. auch Abschnitt 9.2.
Querträger
Bei hohen kurzen Querträgern kann davon ausgegangen werden, dass die Schubstei-
figkeit einen größeren Einfluss auf die Verformung hat als die Biegesteifigkeit (s.
Abschnitt 9.2). Bei Querschnitten mit mehreren Hauptträgern sind die einzelnen
Hauptträger im Allgemeinen nicht so hoch, d. h. der Einfluss der Biegesteifigkeit der
Querträger wird überwiegen und die Schubsteifigkeit kann vernachlässigt werden.
Beanspruchung
Die Lasten sollten bei einem gekrümmten Träger mit mehreren Hauptträgern auf die
Querträger verteilt werden. So kann die richtige Aufteilung auf die Längsträger ge-
währleistet werden. Lokale Zusatzbeanspruchungen in den Untergurten infolge aus
der Krümmung herrührender Umlenkungen von Längsspannungen müssen an einem
Ersatzsystem erfasst werden.
158 10 Zusammenfassung
10 Zusammenfassung
ten über die Länge und das Verhältnis der Biegesteifigkeit zur Torsionsstei-
figkeit. Dies führt dazu, dass das Stützmoment beim offenen Querschnitt
größer ist als beim vergleichbaren geschlossenen Querschnitt.
Die Einflüsse der Torsion auf den Biegemomentenverlauf werden durch ei-
nen veränderten Querkraftverlauf kompensiert. Der eingehängte Biegemo-
mentenverlauf entspricht auch bei starker Krümmung annähernd der
q2/8Parabel.
Die Art der Lagerung bezüglich der Torsion hat ebenfalls Einfluss auf die
Biegemomente.
Die Verformungen und wM sind auch hier abhängig von der Wahl des
Querschnitts. Der Unterschied bei vergleichbaren offenen und geschlosse-
nen Querschnitten ist aber nicht so groß wie beim Einfeldträger, da über un-
terschiedliche Schnittgrößenverläufe die Einflüsse aus der Krümmung
bereits ausgeglichen werden.
Die elastischen Grenzlasten in Verbundträgern mit offenem Querschnitt liegen immer
unter den elastischen Grenzlasten vergleichbarer Träger mit geschlossenem Quer-
schnitt. Beim Einfeldträger reduzieren die aufzunehmenden Wölbbimomente die
Grenzlast. Beim Zweifeldträger reduzieren zusätzlich die tendenziell größeren Stütz-
momente bei der Wahl eines offenen Querschnitts die elastische Grenzlast. Die Riss-
bildung des Betons in Zug beanspruchten Bereichen wirken sich hier ausgleichend
aus.
In Kapitel 5 werden Ersatzsysteme erläutert, entwickelt und beurteilt. Die Einflüsse
der Krümmung werden an geraden Trägern mit Ersatzlasten erfasst. Es wird gezeigt,
dass die Auswirkungen der Biegung auf die Torsion größer sind als die Einflüsse der
Torsion auf die Biegemomente. Mit Hilfe einer Analogiebetrachtung wird dargelegt,
dass Krümmungen bis zu einem Öffnungswinkel von = 0,5 rad (ca. 30°) unter An-
wendung der Theorie II. Ordnung als Vorverformung betrachtet werden können. In
herkömmlichen räumlichen Stabwerksprogrammen sind im Allgemeinen gerade
Stabelemente ohne Berücksichtigung der Wölbkrafttorsion (ohne ) formuliert. An
einem Beispiel wird gezeigt, dass bei diesen Programmen die Verläufe von Biege-
und Torsionsmomenten in Durchlaufträger unter Verwendung eines Stabzuges nicht
richtig bestimmt werden können. Die Wölbkrafttorsion muss in diesem Fall über un-
gleiche Biegung erfasst werden. In dem vorgestellten Leitermodell nach Ramberger
wird ein Vorschlag der Idealisierung gegeben und beurteilt.
In Kapitel 6 wird die virtuelle Arbeit für ein mäßig gekrümmtes Stabelement mit
7 Freiheitsgraden unter Berücksichtigung der Wölbkrafttorsion () aufgestellt und
die Elementsteifigkeitsmatrix für FE-Berechnungen hieraus entwickelt. Unter Ver-
wendung dieses Stabelementes können stark gekrümmte Träger modelliert werden.
Die Qualität dieses Stabelementes wird an mehreren Beispielen überprüft.
In Kapitel 7 wird die Berücksichtigung des Kriechens und Schwindens bei gekrümm-
ten Verbundträgern behandelt. Das zeitabhängige Betonverhalten wird in analoger
Weise wie bei geraden Verbundträgern erfasst und auf gekrümmte Träger übertragen.
Aus Gründen des Gleichgewichts führen die primären Schwindmomente in ge-
krümmten Einfeldträgern zu Torsionsmomenten an den Auflagern sowie zu zusätzli-
160 10 Zusammenfassung
chen Biegemomenten in Feldmitte. Das Kriechen des Betons infolge einer zeitlich
konstanten Beanspruchung führt in gekrümmten Durchlaufträgern zu sich über die
Zeit aufbauenden Umlagerungen der Biege- und Torsionsmomente. Diese müssen als
zeitlich veränderliche Einwirkung betrachtet werden. Aufgrund dieser unterschiedli-
chen Einwirkungen wird das Kraftgrößenverfahren erforderlich. Die Größe der sich
über die Zeit aufbauenden Schnittgrößenumlagerungen ist abhängig vom Verhältnis
der Biegesteifigkeiten und der Biegesteifigkeit zur Torsionssteifigkeit. Die zeitliche
Veränderung des Verhältnisses Biege- zur Torsionssteifigkeit hängt dabei vom ge-
wählten Querschnitt ab. Die Veränderung fällt beim offenen Querschnitt größer aus
als bei dem vergleichbaren geschlossenen Querschnitt, da die Torsionssteifigkeit
beim offenen Querschnitt hauptsächlich von der Betonplatte abhängt. Bei allen Be-
rechnungen ist zu beachten, dass auch kleine Umlagerungen der Biegemomente gro-
ße Auswirkungen auf die Torsionsmomente an den Auflagern haben.
In Kapitel 8 wird verdeutlicht, dass in gekrümmten Trägern ein besonderes Augen-
merk auf die Problematik der Erhaltung der Querschnittsform, die eine wichtige Vor-
raussetzung für die Gültigkeit der Stabtheorie ist, gelegt werden muss. In
gekrümmten Trägern entstehen aus der Krümmung kontinuierliche Torsionsbean-
spruchungen aus der Umlenkung von Längsspannung. Die Einleitung dieser Torsi-
onsbeanspruchungen kann bei nicht ausgesteiften Trägern zu großen
Profilverformungen führen, die wiederum weitere Belastungen in Längsrichtung her-
vorrufen. Die Erhaltung der Querschnittsform kann durch eine genügend große
Anzahl ausreichend steifer Queraussteifungen erreicht werden. Es wird gezeigt, dass
für die richtige Erfassung der profilverformenden Beanspruchung in eine einzulei-
tende Torsionsbeanspruchung aus einer vertikalen und einer horizontalen Belastung
unterschieden werden muss. Ein Vorschlag zur Bemessung der Queraussteifungen in
gekrümmten Trägern wird gemacht.
In Kapitel 9 werden breite Brücken behandelt, deren Querschnitte sich in Querrich-
tung verformen können, sodass man nicht mehr von der Erhaltung der Querschnitts-
form ausgehen kann. Ein Modellierungsansatz von Unterweger, der speziell für den
Brückenbau enwickelt wurde, wird diskutiert. Zur Modellierung gekrümmter Brü-
cken mit offenen Querschnitten und mehreren Hauptträgern unter Verwendung eines
Trägerrostes werden Hinweise gemacht. Vor allem in Bezug auf mittragende Brei-
ten von Hauptträgern in gekrümmten Systemen sind weitere Untersuchungen erfor-
derlich.
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