Eisen Stahl WBH

Als pdf oder txt herunterladen
Als pdf oder txt herunterladen
Sie sind auf Seite 1von 21

Fertigungstechnik

Stahl - Blatt 1 Klasse/Datum:

Inhalt:
1. Das System Eisen-Kohlenstoff (EKS) ...................................................... 2
1.1. Reines Eisen (Fe) ............................................................................ 2
1.2. Eisen-Kohlenstoff-Legierungen: ....................................................... 3
1.3. Einteilung der Eisenwerkstoffe: ........................................................ 6
1.4. Legierungselemente für Stahl: ......................................................... 7
1.5. Wärmebehandlung der Stähle:......................................................... 9
1.5.1. Temperaturführung: .................................................................. 9
1.5.2. Verfahrensvarianten:............................................................... 10
1.5.3. Glühen .................................................................................... 11
1.5.3.1. Normalglühen („Normalisieren“, „Umkörnen“) ...................... 11
1.5.3.2. Rekristallisationsglühen („Zwischenglühen“) ....................... 12
1.5.3.3. Weichglühen ....................................................................... 12
1.5.3.4. Spannungsarmglühen ......................................................... 13
1.5.3.5. Grobkornglühen .................................................................. 13
1.5.3.6. Diffusionsglühen .................................................................. 15
1.5.4. Härten Ungleichgewichtszustände!..................................... 16
1.5.4.1. Abschrecken, Abschreckmittel:............................................ 17
1.5.4.2. Einfaches Härten, kontinuierliches Härten: .......................... 18
1.5.4.3. Gebrochenes Härten: .......................................................... 18
1.5.4.4. Warmbadhärten, isothermes Härten: ................................... 19
1.5.4.5. Härtespannungen: ............................................................... 19
1.5.5. Vergüten ................................................................................. 20

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 2 Klasse/Datum:

1. Das System Eisen-Kohlenstoff (EKS)


1.1. Reines Eisen (Fe)
Reines Eisen ist sehr weich und verformbar.
Abgesehen von den hohen Herstellkosten wird es wegen seiner geringen
Festigkeit nicht als Konstruktionswerkstoff verwendet. Die große magnetische
Permeabilität1 µ und niedrige Koerzitivfeldstärke2 machen es aber zum
wichtigen Funktionswerkstoff in der Elektronik.
Eisen ist allotrop bzw. polymorph, d.h. es ist in verschiedenen
Temperaturintervallen in unterschiedlichen Modifikationen stabil:
Nach Unterschreiten der
Schmelztemperatur ϑs (=
1536°C) kristallisiert Eisen als
krz. δ-Fe, das unterhalb 1392°C
(Ar4) in das kfz γ-Fe umwandelt.
Diese Modifikation und die kfz.
Fe-C-Mischkristalle werden als
Austenit bezeichnet. Ein dritter
Umwandlungspunkt (Ar3) tritt bei
906°C auf: das kfz γ-Fe geht
erneut in eine krz
Gittermodifikation über, dem α-
Fe. Dieses und auch die bei
Raumtemperatur aus einer krz
Phase bestehenden legierten
Stähle werden als Ferrit
bezeichnet.
Der bei 769°C auftretende vierte
Umwandlungspunkt Ar2 wird als
Curiepunkt bezeichnet. Sein
Auftreten ist nicht mit einer
Gitterumwandlung verbunden,
sondern zeigt an, dass das Fe
ferromagnetisch wird.
A13-Punkte treten bei reinem Eisen nicht auf ( Perlit-Bildung bei 723°C).

1
Permeabilität µ = B / H ... B = magnetische Flussdichte oder Induktion; H = Feldstärke
2
Koerzitvfeld = Gegenfeld zur Umkehr des magnetischen Feldes (Ummagnetisierung)
3
Index: r „abkühlen“; c „erwärmen“

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 3 Klasse/Datum:

Die Umwandlung einer Gitterart in eine


andere erfolgt sehr rasch (in
Sekundenbruchteilen), man spricht von
einer Umklappung. Der Vorgang kann
deshalb so rasch ablaufen, da hier keine
Diffusion (Bewegung von Atomen)
stattfindet, sonder sich nur die
Atomabstände geringfügig ändern:
1.2. Eisen-Kohlenstoff-Legierungen:
Kohlenstoff ist das wichtigste Legierungselement des Eisens! Schon geringe
Unterschiede im Kohlenstoffgehalt ändern die Stahleigenschaften
entscheidend.
In der Legierung Eisen-
Kohlenstoff kann der Kohlenstoff
in Einlagerungsmischkristallen
(der Kohlenstoff hat gegenüber
dem Eisen einen sehr kleinen
Atomdurchmesser) in
elementarer Form als hexagonal
kristallisierender Grafit oder als
Verbindung Fe3C, Zementit
genannt mit 6,67%
Kohlenstoff, auftreten. Das
bedeutet, dass der
Kohlenstoff in zwei
verschiedenen Phasen
(als reiner Kohlenstoff in
form von Grafit oder als
Zementit) vorkommen kann.
In vielen Fällen ist die Anwesenheit des Kohlenstoffs vor allem in Verbindung
mit einer entsprechenden Wärmebehandlung (z.B. Glühen, Härten) für die
Ausbildung einer bestimmten Eigenschaft verantwortlich. Um zu wissen
welche Maßnahme (z.B. bestimmter C-Gehalt, Höhe der Anlasstemperatur)
zur Erzielung einer gewünschten Eigenschaft notwendig isst, ist die genaue
Kenntnis des Eisen-Kohlenstoff-Schaubildes (kurz EKS) unerlässlich.
Im stabilen Eisen-Kohlenstoffsystem tritt Kohlenstoff als Grafit in hexagonaler
Gitterstruktur (Schichtstruktur) auf. Diese Gleichgewichtsphase stellt sich nur
bei extrem langen Glühzeiten ein. Bei den üblichen Wärmebehandlungen der
Stähle liegt Kohlenstoff in chemisch gebundener Form als Zementit vor. Für
technische Zwecke wird daher in der Regel statt des Systems Eisen-

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 4 Klasse/Datum:

Kohlenstoff das metastabile4 System Eisen-Zementit (bis 6,67%C) betrachtet.


Nur bei höheren Kohlenstoffgehalten im Bereich des Gusseisens (C > rd. 2%)
liegt der Kohlenstoff teilweise als Grafit vor.

4
Der Begriff metastabil kennzeichnet lediglich einen bestimmten thermodynamischen Zustand und
darf nicht mit „unstabil“ im Sinne von „weniger haltbar“ gleichgesetzt werden.

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 5 Klasse/Datum:

Das EKS ist aus folgenden Teilschaubildern aufgebaut:


✖ eutektischen,
✖ eutektoiden
und einen für die Praxis unbedeutenden
✖ peritektischen.
Als wesentliche Wirkungen des Kohlenstoffs im EKS können genannt
werden:
✖ Mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt nimmt die Schmelztemperatur
der Fe-C-Legierungen ab (Liquiduslinie ABC, B = peritektischer
Punkt bei 1493°C),
✖ ebenso die A3-Temperatur (Linie GOS, O = Curie-Punkt bei 769°C),
unterhalb der die γ α-Umwandlung erfolgt.
✖ Dagegen wird die A4-Temperatur (Linie NI im peritektischen
Teilsystem Bereich des δ-Eisens) erhöht.
Wesentliche Gefügebestandteile bei Raumtemperatur:
1. α-Eisen (krz) bzw. Ferrit: maximale Löslichkeit für C = 0,02% bei
723°C; magnetisch (unter 769°C)
2. γ-Eisen (kfz) bzw. Austenit: maximale Löslichkeit für C = 2,06% bei ca.
1150°C; unmagnetisch
3. Perlit = fein verteiltes Kristallgemisch aus Ferrit und Zementit in einer
charakteristischen Lamellenform. Perlit entsteht durch den eutektoiden
Zerfall der γ-Mischkristalle mit 0,8%C bei 723°C:
T = 723°C
γ (Punkt S) α (Punkt P) + Fe3C (Punkt K)
0,8%C 0,02%C 6,67%C
4. Ledeburit = feinverteiltes Kristallgemisch aus γ-Mischkristallen und
Zementit. Ledeburit entsteht bei der eutektischen Erstarrung:

T = 1147°C
Schmelze γ-Mischkristall + Fe3C
4,3%C 2,06%C 6,67%C
Zwischen 1147°C und 723°C scheidet sich aus dem γ-Mischkristall
Sekundärzementit aus; bei 723°C zerfällt der Restaustenit in Perlit
(α + Fe3C).

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 6 Klasse/Datum:

1.3. Einteilung der Eisenwerkstoffe:

Fe-C-Legierungen, die ohne weitere Nachbehandlung schmiedbar sind,


werden als Stähle bezeichnet (C-Gehalt < 2%).
Werkstoffe mit mehr als 2% C (Gusseisen) sind in der Regel so spröde
(Ausnahme z.B. Gusseisen mit Kugelgrafit), dass daraus herzustellende
Bauteile nur durch Gießen und spanabhebende Verfahren ihre Form erhalten
können. Gusseisen besitzt mit Ausnahme einiger legierter Gusslegierungen
und Gusseisen mit Kugelgrafit nur eine mäßige Zugfestigkeit. Stahl ist zäh,
immer warm umformbar und bei niedrigem Kohlenstoffgehalt auch kalt
umformbar. Durch Wärmebehandlungen (Härten und Vergüten) lässt sich
seine Festigkeit erheblich vergrößern, allerdings nimmt seine Verformbarkeit
dabei ab.

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 7 Klasse/Datum:

1.4. Legierungselemente für Stahl:


Durch Zugabe von Legierungselementen können die Eigenschaften der
Stähle in einem sehr weiten Bereich variiert werden. Es können dabei sowohl
gewünschte Eigenschaften erzeugt oder verstärkt werden als auch
unerwünschte Eigenschaften beseitigt oder gemildert werden.
Die Legierungselemente bilden dabei mit dem Eisen entweder Mischkristalle
oder „intermediäre“ Verbindungen.
Bei Mischkristallbildung werden hauptsächlich die Phasenräume von Ferrit
und Austenit beeinflusst:
• „Ferritbildner“ (Cr, Al, Ti, Ta, Si, Mo, V, W) lösen sich bevorzugt im
Ferrit und erweitern dessen Phasenraum,
• „Austenitbildner“ (Ni, C, Co, Mn, N) lösen sich bevorzugt im Austenit
und erweitern bzw. verschieben dadurch den Austenitbereich.
Von den intermediären Verbindungen sind vor allem Karbide und Nitride
sowie Carbo-Nitride von großer technischer Bedeutung.
Bei Wärmebehandlungen behindern die Legierungselemente die
Beweglichkeit des Kohlenstoffes und damit die sogen. „kritische
Abkühlgeschwindigkeit“ und verbessern damit wesentlich die Einhärtbarkeit.
Bei niedriglegierten Stählen werden durch die Legierungselemente
hauptsächlich die Härtbarkeit, Warmfestigkeit und Anlassbeständigkeit
verbessert, während bei hochlegierten Stählen spezielle
Sondereigenschaften (Zunderbeständigkeit, Schneidfähigkeit bei Rotglut,
besondere elektrische oder magnetische Eigenschaften) erreicht werden
sollen.
Der Kohlenstoffgehalt ist ein wesentlicher Punkt für die Beurteilung der
Schweißeignung. Der Einfluss der Legierungselemente wird über das
sogenannte Kohlenstoffäquivalent CEV berücksichtigt. Dabei werden die
Prozentzahlen der Legierungselemente in einen entsprechenden,
gleichwertigen Kohlenstoffgehalt eines reinen Kohlenstoffstahles
umgerechnet, der die gleiche Schweißeignung ergäbe. Gute Schweißeignung
ist bis zu einem CEV von 0,45% gegeben.

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 8 Klasse/Datum:

Tabelle - Wirkung der Begleit- und Legierungselemente im Stahl:


Name / Anteil in % als Veränderung der Eigenschaften bei Anwendung als
Symbol Begleitelement steigendem Anteil Legierungselement
in St in GE erhöht vermindert
Kohlenstoff / 0,02 2,5 bis Festigkeit (stark) Dehnbarkeit
C bis 5,0 Härte Schweißbarkeit
2,06 Härtbarkeit Schmiedbarkeit
Zähigkeit
Schmelzpunkt
Silizium / Si 0,03 1,5 bis Festigkeit Umformbarkeit 1,0 bis 3,0% Federstähle
bis 4,0 Elastizität Schweißbarkeit 2,0 bis 4,0% Elektrobleche
0,6% Härtetiefe 11,0 bis 13,0%
Korrosions- säurebeständiger Guss
beständigkeit
Begleitelemente

Graphitbildung
Mangan / Mn 0,4 bis 0,4 bis Festigkeit Zerspanbarkeit 0,6 bis 1,5% Mangan-
0,8 1,2 Zähigkeit Graphitbildung Vergütungsstähle
Härtetiefe 1,0 bis 2,0% Federstähle
10% Manganhartstahl
12,0 bis 18,0% säure- und
hitzebeständiger Stahl
Phosphor / P 0,03 0,2 bis Festigkeit Dehnbarkeit 1,0 bis 2,0% dünnwandiger
bis 1,0 Kaltumformbarkeit Guss
0,06 Zähigkeit
Schweißbarkeit
Schwefel / S 0,03 0,08 Zerspanbarkeit Umformbarkeit 0,2 bis 0,25% Automatenstähle
bis bis bei hohen Temp.
0,06 0,12 (Rot- und
Heißbruch)
Chrom / Cr Zugfestigkeit Dehnung (gering) 0,3 bis 1,2% Vergütungs- und
Härte Einsatzstähle (z.B. für Wälzlager)
Warmfestigkeit 5,0 bis 2,0% Vergütungsstähle
Härtetiefe 3,0 bis 25,0% rost- und
säurebeständige Cr- und Cr-Ni-
Korrosions- Stähle
beständigkeit
Schneidhaltigkeit
Kornfeinheit
Nickel / Ni Zugfestigkeit Wärmedehnung 7,0 bis 18,0%
Härte korrosionsbeständige Cr-Ni-
Korrosions- Stähle
beständigkeit bis 5,0% Vergütungsstähle
1,0 bis 2,0% Einsatzstähle
Härtetiefe 3,0 bis 5,0% verschleißfestes
Gusseisen
Vanadium / V Zugfestigkeit 0,6 bis 2,0% warmfeste Stähle
Warmfestigkeit bis 5,0% Schnellarbeitsstähle
Härte (mit W und Mo)
Zähigkeit
Legierungselemente

Wolfram / W Feinkörnigkeit Dehnung (gering) 0,4 bis 2,0% warmfeste Stähle


Warmfestigkeit 2,5 bis 4,0% Schnell-
Härtetiefe arbeitsstähle (mit V und Mo)
Korrosions-
beständigkeit
Molybdän / Zugfestigkeit Schmiedbarkeit 0,4 bis 0,9% warmfeste Stähle
Mo Härte Dehnung 3,0 bis 4,0% Schnell-
Warmfestigkeit arbeitsstähle (mit W und V)

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 9 Klasse/Datum:

1.5. Wärmebehandlung der Stähle:


Ziel einer Wärmebehandlung ist es, einem Werkstoff für Anwendung oder
Weiterverarbeitung erwünschte Eigenschaften zu verleihen.
Diese gezielte Eigenschaftsänderung erfolgt durch Umlagern, Auslagern
oder Einlagern von Stoffteilchen, d.h. durch Gefügeänderung

⌦ Gefügeänderungen bewirken Eigenschaftsänderungen!

Folgende Eigenschaftsänderungen können dabei erzielt werden:


die spanende Bearbeitbarkeit verbessern z.B. Weichglühen,
Grobkornglühen,
Festigkeit erhöhen oder verringern z.B. Härten, Normalisieren,
Weichglühen,
die Auswirkungen der Kaltverformung beseitigen z.B.
Rekristallisationsglühen, Normalisieren,
Beseitigen oder Verringern von Seigerungen z.B.
Diffusionsglühen,
Ändern der Korngröße z.B. Normalisieren,
Rekristallisationsglühen, Grobkornglühen,
Beseitigen von Eigenspannungen z.B. Spannungsarmglühen,
erzeugen bestimmter Gefügezustände z.B. Normalisieren,
Weichglühen, Härten.
Bei den WBH´s wird der Werkstoff bestimmten Zeit-Temperatur-Folgen und
gegebenenfalls zusätzlichen thermomechanischen oder thermochemischen
Behandlungen ausgesetzt:

1.5.1. Temperaturführung:
Jede WBH besteht aus dem
Erwärmen auf
Solltemperatur (Anwärmen
und Durchwärmen),
Halten und
Abkühlen.
Das Erwärmen auf Solltemperatur
kann durch

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 10 Klasse/Datum:

Wärmeübertragung (Wärme wird durch Berührung oder Strahlung


auf das zu erwärmende Werkstück übertragen) und
Erzeugen der Wärme im Werkstück (Widerstands- oder
Induktionserwärmung) geschehen.
Die Erwärmung des Kerns im Falle der Wärmeübertragung kann nur
durch Wärmeleitung erfolgen, d.h., das Werkstückinnere wird später die
Solltemperatur erreichen als die Oberfläche Durchwärmzeit tD.
Der Temperaturunterschied zwischen Kern und Rand nimmt zu mit:
höherer Aufheizgeschwindigkeit,
abnehmender Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffs
// vor allem bei legierten Stählen nimmt die Leitfähigkeit mit
zunehmendem Legierungsgehalt bis etwa 900°C stark ab, danach ist sie
nahezu unabhängig von der Legierungszusammensetzung.
zunehmenden Werkstückabmessungen.
Einer wirtschaftlichen raschen Erwärmung des Werkstücks steht eine
stark erhöhte Verzugs- und Rissgefahr durch zu große Temperatur-
unterschiede zwischen Rand und Kern bei schneller Erwärmung
gegenüber. Weil nahezu ausschließlich Fertigteile oder Halbzeuge
wärmebehandelt werden, ist eine Formänderung unerwünscht, weil sie
Nacharbeit (z.B. Richten) erfordert.

1.5.2. Verfahrensvarianten:
Die Verfahren der WBH könne in 2 Hauptgruppen eingeteilt werden:
a) Glühen: Durch Glühbehandlungen wird das Gefüge in Richtung
eines dem GGW näheren Zustandes verändert: die Abkühlung
erfolgt langsam!
b) Härten: Beim Härten wird der Austenit mit einer von der
Stahlzusammensetzung abhängigen Mindestgeschwindigkeit so
schnell abgekühlt, dass das Ungleichgewichtsgefüge Martensit
entsteht.
Die Glühbehandlungen lassen sich wiederum in 2 große Gruppen unterteilen:
a 1) Glühen I. Art:
Ziel dieser Verfahren sind bestimmte Eigenschaftsänderungen, die
nicht vom erreichten Gefügezustand abhängen. Ihre Wirksamkeit
beruht im Wesentlichen auf der Diffusion (Diffusionsglühen,
Grobkornglühen, Rekristallisationsglühen, Spannungsarmglühen).
a 2) Glühen II. Art:

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 11 Klasse/Datum:

Ziel dieser Verfahren ist das Erzeugen definierter Gefügezustände.


Diese werden durch teilweises (Weichglühen) oder vollständiges
austenitisieren (Normalglühen) erreicht.

1.5.3. Glühen
⌦ Glühen ist Erwärmen eines Werkstücks auf eine bestimmte
Temperatur, das Halten bei dieser Temperatur und nachfolgendes ,
in der Regel langsames Abkühlen.

1.5.3.1. Normalglühen („Normalisieren“, „Umkörnen“)


Ablauf:
bei untereutektoiden Stählen: Erwärmen auf ca. 50°C über die GOS-
Linie (Ac3),
bei übereutektoiden Stählen: Erwärmen auf ca. 50°C über die SK-
Linie (um unerwünschtes Kornwachstum zu vermeiden)
und anschließendes Abkühlen an ruhender Luft.
Man erreicht dadurch ein feinkörniges, gleichmäßiges Gefüge
(unabhängig vom Ausgangszustand) günstige Kombination von
Festigkeit und Zähigkeit! (Daher auch die Bezeichnung „Rückfeinen)
Anwendung vor allem bei Stahlgussteilen zur Beseitigung des groben
Gussgefüges (besitzt schlechte Zähigkeitseigenschaften).

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 12 Klasse/Datum:

1.5.3.2. Rekristallisationsglühen („Zwischenglühen“)


Ablauf: mehrstündiges Glühen bei 550° bis 650°C (unter der
Umwandlungstemperatur; abhängig vom Grad der plastischen Verformung
des Werkstückes) ergibt eine Senkung der „Kaltverfestigung“:

1.5.3.3. Weichglühen
Ablauf: mehrstündiges Glühen
bei untereutektoiden Stählen: im Bereich der GSK-Linie,
bei übereutektoiden Stählen: pendeln um die GSK-Linie
gefolgt von langsamer Abkühlung auf 600°C, danach abhängig von der
Form der Teile ( Verzug).
Anwendung: Vorbereitung für eine spanlose Weiterverarbeitung (bei allen
Stählen) bzw. bei Stählen über 0,5%C vor einer spanenden Bearbeitung
oder zur Beseitigung von Abschreckhärte:

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 13 Klasse/Datum:

Beim Erwärmen erfolgt aufgrund der Oberflächenspannungen5 eine


„Einformung“ der Zementitlamellen in körnigen Zementit.
1.5.3.4. Spannungsarmglühen
Ähnlich dem Rekristallisationsglühen (bei 550° bis 650°C) mit dem Ziel, die
Eigenspannungen ohne wesentliche Änderung des Gefüges und der
mechanischen Eigenschaften herabzusetzen. wesentlich ist eine
langsame Abkühlung, so dass alle Bereiche des Werkstücks etwa die
gleiche Temperatur besitzen.
Die mechanischen Eigenspannungen können sein:
Wärmespannungen durch behinderte Schrumpfung ( bei
Gussstücken Druckspannungen im Rand, Zugspannungen im
Kern!)
Umwandlungsspannungen durch Gefügeumwandlungen mit
Volumenänderung (wenn sie nicht in allen Bereichen gleichzeitig
stattfindet).
Eigenspannungen durch Kaltverformung, die nicht über den
ganzen Querschnitt gleichmäßig ist.
⌦ Teile mit Eigenspannungen erleiden dann Verzug, wenn
spannungsführende Werkstofffasern getrennt oder zerspant werden!
1.5.3.5. Grobkornglühen
Die Glühtemperatur ist deutlich höher als beim Normalisieren: etwa 150°C
über der GS-Linie (Ac3) über mehrere Stunden.
Anwendung

5
Bei genügender Beweglichkeit der Atome sind diese bestrebt einen Körper mit kleinster Oberfläche
(Kugel) zu bilden Minimierung der Oberflächenenergie!

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 14 Klasse/Datum:

bei untereutektoiden Stählen (unlegierte und niedriglegierte


Einsatzstähle) für ein bessere Zerspanbarkeit,
für weichmagnetische Werkstoffe (Trafobleche).
Durch das grobe Korn werden die Werkstoffe weniger zäh geringere
Neigung zum „Schmieren“ bzw. zum Entstehen einer „Aufbauschneide“.

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 15 Klasse/Datum:

1.5.3.6. Diffusionsglühen
Dies ist ein langes Glühen (bis zu mehreren Tagen) bei Temperaturen
knapp unterhalb der Soliduslinie im γ-(Austenit-)Gebiet. Dadurch werden
lösliche Bestandteile des Gefüges gleichmäßig verteilt Anreicherungen
von Stoffen (= Seigerungen) werden ausgeglichen, d.h. der Werkstoff wird
Homogenisiert. Die treibende Kraft hierfür ist das Konzentrationsgefälle
(Ziel ist eine gleichmäßige Verteilung der Fremdatome). Aus diesem
Grund spricht man vom „Lösungsglühen“.
Anwendung zur
gleichmäßigen Verteilung hochschmelzender Karbide bei legierten
Stählen bzw.
Verringerung von Sulfidseigerungen an den Korngrenzen bei
Automatenstählen (mit erhöhtem Schwefelgehalt).

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 16 Klasse/Datum:

1.5.4. Härten Ungleichgewichtszustände!


Definition (DIN 17014): Unter Härtern (von Stahl) versteht man das
Abkühlen von einer Temperatur oberhalb A3 mit
einer Geschwindigkeit, dass oberflächlich oder
durchgreifend eine erhebliche Härtesteigerung, in
der Regel durch Martensitbildung, eintritt!
Eine Umwandlung in Ferrit und Perlit muss in jedem
Fall unterdrückt werden.
Härtbarkeit = Neigung eines Werkstoffs zur Härtesteigerung beim
beschleunigten Abkühlen. Dabei unterscheidet man weiters:
- die Aufhärtbarkeit: Diese kennzeichnet die höchste beim
Härten erreichbare Härte. Sie ist in erster Linie vom
Kohlenstoffgehalt des Stahles, nicht aber von Art und
Menge der Legierungselemente abhängig.
- die Einhärtbarkeit: Sie wird gekennzeichnet durch die in
einem bestimmten Querschnitt erreichbare Einhärtungstiefe
sowie durch den Verlauf der Härte in Abhängigkeit vom
Randabstand. Hierbei ist die Einhärtungstiefe (ET) die
Breite der Randschicht eines gehärteten Werkstücks, bis zu
der eine bestimmte Härte vorhanden ist. Die Einhärtbarkeit
wird entscheidend durch Legierungselemente, jedoch wenig
stark durch den Kohlenstoff beeinflusst.
Die Höchsthärte wird nur erreicht, wenn der Kohlenstoff im Austenit
vollkommen gelöst ist, d.h. Härtetemperatur und Haltedauer müssen genau
eingehalten werden!

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 17 Klasse/Datum:

1.5.4.1. Abschrecken, Abschreckmittel:


Die Wirkung des Anschreckens hängt ab von:
Härtbarkeit des Stahles (Kohlenstoffgehalt „Aufhärtbarkeit“ – und
Legierungsgehalt „Einhärtbarkeit“),
Abschreckvermögen des Abschreckmittels (siehe Bild unten),
Bewegung und Temperatur des Abschreckmittels,
Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffes (vergl. „Temperaturführung“),
Abmessung und Form des Werkstücks,
Verweilzeit des Werkstücks im Abschreckmittel,
Oberflächenzustand (z.B. Zunder).

P ... zur Perlitunterdrückung bei einem unlegierten Kohlenstoffstahl notwendige


Mindestabkühlgeschwindigkeit.
Das optimale Abschreckmittel sollte im Bereich der Perlitbildung möglichst
viel Wärme, im Bereich der Martensitbildung zur Verringerung der Rissgefahr
möglichst wenig Wärme abführen. Bei Wasser bildet sich bei hohen
Temperaturen eine Dampfhaut, die die Abkühlung stark behindert. Bei
tieferen Temperaturen (< 600°C) bricht der Dampfmantel zusammen, und die
Dampfblasen steigen auf. Durch die direkte Berührung des Wassers werden
dem Werkstoff große Wärmemengen (Verdampfungswärme) entzogen: die
Abkühlgeschwindigkeit erreicht ihr Maximum (400 – 500°C). Bei noch tieferen

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 18 Klasse/Datum:

Temperaturen erfolgt die Wärmeabfuhr lediglich durch Konvektion, d.h. die


Abschreckwirkung nimmt wieder stark ab.
Zusätze von Salzen (NaOH, NaCl) erhöhen wesentlich die Verdampfungs-
temperaturen, d.h. die größte Abschreckwirkung erfolgt bei höheren
Temperaturen als bei reinem Wasser. Die Einhärtungstiefe nimmt zu und die
Rissgefahr beim Härten deutlich ab.
Die Abschreckwirkung der Härteöle ist etwa 3mal geringer als die von
Wasser, sie ist aber im kritischen Bereich zwischen 450°C und 550°C am
größten und relativ unabhängig von der Badtemperatur. Nach Möglichkeit
werden Öle verwendet, die mit Wasser von der Werkstückoberfläche
abgewaschen werden können, dadurch verringern sich die Reinigungskosten
erheblich.

1.5.4.2. Einfaches Härten, kontinuierliches Härten:


Aus unlegierten Stählen können wegen der erforderlichen hohen
Abkühlgeschwindigkeiten nach diesem Verfahren nur geometrisch sehr
einfache Werkstücke gehärtet werden, bei denen es besonders auf eine hohe
Verschleißfestigkeit ankommt. Bei kompliziert geformten Bauteilen besteht
wegen der großen Temperaturdifferenz von Rand und Kern ausgeprägte
Verzugs- und Rissgefahr. Zum Härten solcher Teile müssen daher
Werkstoffe mit entsprechend niedrigen kritischen Abkühlgeschwindigkeiten,
d.h. legierte oder hochlegierte Stähle verwendet werden.

In jeden Fall muss sofort nach dem Härten angelassen werden, um dem
Werkstück die stark rissbegünstigende Glashärte zu nehmen. Vergüten.

1.5.4.3. Gebrochenes Härten:


Von der Härtetemperatur wird das Werkstück zunächst schroff (meist in
Wasser) auf 300°C bis 400°C abgeschreckt uns anschließend, ohne den
Temperaturausgleich zwischen Kern und Rand abzuwarten in Öl abgekühlt.

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 19 Klasse/Datum:

Dadurch gelingt es, die Vorteile hoher Abschreckwirkung im oberen


Temperaturbereich (Perlitbildung
wird unterdrückt) mit denen einer
geringen Abkühlgeschwindigkeit
(geringere Temperaturdifferenzen,
d.h. geringere Rissneigung) zu
verbinden:
Dieses Verfahren wird in der Praxis
relativ selten angewendet, da eine
genaue Kenntnis der „Abfangtemperatur“ einige Erfahrung voraussetzt.
1.5.4.4. Warmbadhärten, isothermes Härten:
Hier wird durch die Abkühlung des Stahles in einem Warnbad (Salz- oder
Metallbad), dessen Temperatur TW kurz oberhalb MS des zu härtenden
Stahles eingestellt ist, eine „schonende Härtung“ erreicht. Der unterkühlte
Austenit wird bis zum Temperaturausgleich gehalten. Dadurch werden die
gefährlichen thermischen Spannungen im gut verformbaren Austenit
abgebaut. Dadurch entsteht beim anschließenden langsamen Abkühlen in Öl
oder Luft Martensit mit merklich geringeren Umwandlungsspannungen. Die
Haltezeit muss so begrenzt sein,
dass keine vorzeitige Umwandlung
in der Zwischenstufe erfolgt. Die
Badtemperatur darf auch nicht zu
hoch sein, um ungünstige
Diffusionserscheinungen zu
verhindern:

1.5.4.5. Härtespannungen:
Im Werkstück entstehen beim Abkühlen von der Härtetemperatur:
a. Thermische Spannungen und
b. Umwandlungsspannungen.
zu a.: Sie werden verursacht durch Temperaturunterschiede zwischen Rand
und Kern und lassen sich nur durch entsprechend geringere
Abkühlgeschwindigkeiten niedrig halten.
zu b.: Umwandlungsspannungen entstehen durch das größere Volumen des
tetragonal verzerrten Martensits gegenüber dem Ausgangsgefüge.
Diese Druckspannungen überlagern sich mit den thermischen
Spannungen. Sie nehmen mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt zu
und begünstigen dabei die Rissneigung erheblich.

KN 14/15
Fertigungstechnik
Stahl - Blatt 20 Klasse/Datum:

Anwendung bei Werkzeugstählen mit dem Ziel hoher Härte und


Verschleißfestigkeit bei angepasster Zähigkeit.
1.5.5. Vergüten
Vergüten ist ein Abschrecken von Konstruktionsstählen mit nachfolgendem
Anlassen auf höhere Temperatur. Ziel ist eine entsprechende Zähigkeit bei
erhöhter Streckgrenze. D.h.
höhere Streckgrenze (Re, Rp0,2) entspricht höhere zulässige
Spannung,
höhere Zähigkeit (Kerbschlagarbeit AV) entspricht größere
Verformung vor dem Bruch.

Um eine entsprechende Zähigkeit zu erreichen, darf das Gefüge nicht zu viel


Zementit enthalten C-Gehalte für Vergütungsstähle sind deshalb auf 0,25
bis 0,6 (0,8)% begrenzt.
Ablauf:

Innere Vorgänge beim Vergüten:


Nach dem Abschrecken liegt nadeliger Martensit vor sprödes und
gleichzeitig hartes Gefüge.

KN 14/15
Steigung
Haltepun
mk
kt Ar
der
b
Kurve
ms Fertigungstechnik
abhängi
a Stahl - Blatt 21 Klasse/Datum:

Beim Anlassen zerfällt ein Teil des Martensits in fein verteilten Ferrit und
Zementitnadeln, die sich im verbleibenden Martensit ausscheiden.
Mit zunehmender Anlasstemperatur schreitet der Martensitzerfall voran: der
Martensit zerfällt vollständig in Ferrit und Zementitnadeln. Bei weiterer
Erhöhung der Anlasstemperatur (auf ca. 700°C) schließlich ballen sich die
Zementitnadeln zu Zementitkörnern zusammen ( vergleiche Weichglühen).
Das Vergüten kann auf verschiedene Arten erfolgen:
Vergüten durch Anlassen = Erwärmen eines martensitischen
Gefüges auf Temperaturen zwischen 450 – 650°C (unter Ac1),
Vergüten durch isotherme Umwandlung = Abschrecken eines
austenitisierten Gefüges auf Temperaturen zwischen MS und Ar1
und Halten bei dieser Temperatur, bis zur vollständigen
Umwandlung, danach beliebige Abkühlung.. Es entsteht ein sehr
feinstreifiges Gefüge (aus α und Fe3C) das sich sehr gut kalt
verformen lässt (z.B. Drahtziehen).
Die hohe Kaltverfestigung erlaubt die Herstellung von Drähten sehr hoher
Zugfestigkeiten (bis >3000n/mm2).
Anwendung:
Vergütete Stähle werden überall dort verwendet, wo sich mit den normalen
Baustählen zu große Abmessungen ergeben würden: hochbeanspruchte
Teile in Getrieben, Motoren und Fahrwerken:
z.B.: Kurbelwellen (34CrMo4)
Drehstabfedern (30CrNiMo8)
E-Motorenwellen (42CrMo4)
Schrauben (12.9 aus 42CrMo4)
Schaltgabeln in Getrieben (Ck45)
Zahnräder (41Cr4)
warmfeste Federn (50CrV4)

KN 14/15

Das könnte Ihnen auch gefallen