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Dehnschrauben oder Starrschrauben

Im Folgenden soll ermittelt werden, ob die Dehnschrauben oder die Starrschrauben vorteilhafter sind.

Nach der DIN 2510 sind Dehnschrauben besonders zweckmäßig für Konstruktionen, die durch
wechselnde Betriebskräfte und wechselnde Temperaturen beansprucht werden (Apparate,
Rohrleitungen, Turbinen).
„Das günstige Verhalten der Dehnschrauben beruht auf ihrer Elastizität, insbesondere darauf, dass sie
bei gleicher Vorspannkraft eine größere elastische Längenänderung aufweisen als Starrschrauben-
verbindungen. Aus diesem Verhalten ergibt sich eine Reihe von Vorteilen:
° Dehnschraubenverbindungen zeigen eine gute Dauerhaltbarkeit, denn die Zusatzbeanspruchungen
der Schrauben selbst durch wechselnde Betriebskräfte und Temperaturdehnungen sowie
Biegemomente sind herabgesetzt.
° Der Vorspannungsabfall während des Betriebes durch Kriechen des Werkstoffs, Setzerscheinungen
in den kräfteübertragenden Flächen der Schraubenverbindung und der verspannten Teile sowie durch
Verbiegen der Gewindegänge ist geringer.
° Die Höhe der aufgebrachten Vorspannung ist unter bestimmten Voraussetzungen in einfacher Weise
über die Längenänderung der Schrauben zu messen.
Die Mindest-Dehnschaftlänge der Schrauben soll das Zweifache, möglichst das Vierfache des
Gewindedurchmessers betragen. Bei zu geringer Flanschdicke ist die Verwendung von Dehnhülsen
vorgesehen, um ausreichende Elastizität insbesondere bei temperaturbeanspruchten Schrauben-
verbindungen zu erhalten. Das Verhältnis von Gewindekerndurchmesser zu Dehnschaftdurchmesser
von etwa 1,1 wurde mit Hinblick auf die Tragfähigkeit und Elastizität der Dehnschrauben gewählt. Der
verhältnismäßig kleine Übergangswinkel zwischen Dehnschaft und Gewinde ergibt einen günstigen
Kraftflußverlauf und verbessert die Lastverteilung im eingeschraubten Gewinde.“

Die Norm geht davon aus, dass bei gleicher Schraubengröße sowohl die Dehnschraube als auch die
Starrschraube mit dem gleichen Anzugsmoment angezogen werden. Dieses Verhalten führt
zwangsläufig zu einer größeren Dehnung in der Dehnschraube, weil für die Berechnung des
Drehmomentes der Spannungsquerschnitt, in diesem Fall der Durchmesser des Dehnschaftes,
zugrunde gelegt wird. Bei der Starrschraube errechnet sich der Spannungsquerschnitt aus der Mitte
zwischen Gewindekern- und Flankendurchmesser des Gewindes. Der Spannungsquerschnitt der
Dehnschraube entspricht nur Anwendungsbereich einer Schraube am Beispiel einer Schraube M20
75% des Spannungs- ( Graphische Darstellung des Kräftespektrums )

querschnittes der Starr-


schraube. In der Literatur ist N/mm² N
kein rechnerischer Nachweis
dafür zu finden, warum der
Streckgrenze 200.000
Dehnschaftdurchmesser *
Uso

gleich Kerndurchmesser mal


0,9 sein soll. An
we 150.000

Die Grafik zeigt die


nd
70%
un
gs
gr

Ermittlung des optimalen en


ze

Einsatzbereiches eines *
100.000

Werkstoffes und das daraus Uso

resultierende Leistungs-
50%

vermögen einer Schraube Hook´sche


Gerade
50.000

am Beispiel von einer


Schraube M20 aus 0
verschiedenen Werkstoffen. mm
X 10 CrNiMoTi 1810

X 10 CrNiMoTi 1810

Zu jedem Werkstoff und zu e


X 10 CrNiTi 189

X 10 CrNiTi 189

h
21 CrMoV 57
40 CrMoV 47

21 CrMoV 57
40 CrMoV 47

n
jedem gewünschten Span- u
24 CrMo 5

24 CrMo 5
12 Ni 19

12 Ni 19

nungszustand muß das


G 10.9
G 12.9
G 5.6
G 8.8
Ck 35

Ck 35

Drehmoment ermittelt
* Uso ist der Unsicherheitsfaktor in der Schraubenkrafterzeugung
werden. Dieses führt dazu,
dass das Drehmoment bei gleichem Werkstoff und gewünschtem Spannungszustand bei einer
Starrschraube höher ist als bei einer Dehnschraube.

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Dafür ist aber die Kraft, die mit einer Starrschraube erreicht wird, erheblich höher. Bei entsprechender
Vorspannkraft muß deshalb davon ausgegangen werden, dass bei Beanspruchung durch wechselnde
Wärme und wechselnde Betriebskräfte beide Schraubenarten gleiches Verhalten zeigen.

Darstellung der erforderlichen Gewindegröße um eine Kraft Die nebenstehende Tabelle zeigt,
von 70 kN zu erreichen bei ca. 70% Steckgrenze und dass mit einer Vollschraube zur
Reibzahl RZ 0,10) Erreichung der gleichen Kraft
Dehnschraube 1.1181 Ck 35 M27 275Nm kleiner dimensioniert werden
Vollschraube 1.1181 M22 225Nm kann als mit einer Dehnschraube.
Dehnschraube 1.7258 24CrMo5 M22 205Nm Somit können auch die
Vollschraube 1.1758 M20 190Nm benötigten Anzugskräfte reduziert
Dehnschraube 1.7709 21CrMoV57 M20 195Nm werden. Gleichzeitig wird auch
Vollschraube 1.7709 M18 175Nm veranschaulicht, welchen Einfluß
Dehnschraube 1.7711 40CrMoV47 M18 180Nm eine mögliche Werkstoffauswahl
Vollschraube 5.6 M24 220Nm auf die Dimensionierung hat.
Vollschraube 8.8 M16 155Nm Höher festere Werkstoffe haben
Vollschraube 10.9 M12 125Nm in der Regel eine geringere
Dehnung. Bei den Schrauben der
Güten 5.6, 8.8, 10.9 usw. ist die Dehnung auf eine geringe Mindestgrenze genormt. Dieses erlaubt ein
relativ hohes Vergüten der Werkstoffe.

Das Biegeverhalten einer Dehnschraube ist wegen des dünnen Dehnschaftes besser als das der
Starrschraube. Bei schief zueinander stehenden Flächen unter der Mutter wird bei der Starrschraube
im ersten freien Gewindegang unter der Mutter auf Kerbung beansprucht. Bei den heute üblicherweise
verwendeten gerollten Gewinden ist durch die kleinen Radien im Gewindekern davon auszugehen,
dass die Kerbwirkung durch Biegung erheblich reduziert ist.

Dass Dehnschrauben sich mehr dehnen sollen als Starrschrauben ist eine falsche Annahme. Die
Dehnung ergibt sich nur aus der Materiallänge und nicht aus dem Materialdurchmesser.
Bei temperaturbeanspruchten Verbindungen kann die Starrschraube auch Vorteile haben, denn die
erheblich größere Materialoberfläche läßt eine stärkere Kühlung zu, weil über die Oberfläche die
Wärme abgeleitet wird.

Für die Auslegung einer Schraube ist das ganze zu verspannende System zu beachten. Für die
Berechnung von kraftschlüssigen Verbindungen kann die VDI 2230 herangezogen werden. Im
Anlagenbau haben wir es bei den Flanschen im wesentlichen mit Krafthebelsystemen zu tun. Die
Berechnung ist komplex und wird durch die VDI 2230 nicht geleistet. Das Hauptproblem für die richtige
Schraubendimensionierung ist hier das Nichtvorhandensein einer gültigen Berechnung. Die
Berechnung erfolgt nach AD-Merkblatt B7 oder DIN V 2505. Beide werden den Ansprüchen an eine
richtige Berechnung nicht gerecht, schon deshalb,
weil mit falschen Dichtungskennwerten berechnet Umfang der Berechnungsnormen
wird. Der Entwurf der DIN 2505 zeigt schon eine und Literatur
erheblich komplexere, auf verschiedene Verspan-
nungssysteme eingehende Methode, hat aber Fehler AD-Merkblatt B7 (1986) 9 Seiten
in den Annahmen der Berechnung. Der europäische DIN V 2505 (1986) 10 Seiten
Entwurf DIN EN 1591 ist noch komplexer, aber noch VDI 2230 (1986) 86 Seiten
nicht abgeschlossen. Bei der Berechnung der auf die DIN 2505 Entwurf, T1+2 (1990) 39 Seiten
Schraube maximal auftretenden Kraft wird nur davon DIN EN 1591 Entwurf (1994) 35 Seiten
ausgegangen, dass die Schraube nicht überdehnt ASME Sec. 3, Div. 2 18 Seiten
werden darf. Die Anforderung an die Schraube, Taylor-Forge 46 Seiten
welche eine gewisse Mindestdehnung zur guten Optimierung von Flanschverb. 96 Seiten
Funktion der Verbindung verlangt, wird nicht
berücksichtigt.
Die Tabelle zeigt den unterschiedlichen Umfang der Berechnungen. Der Umfang läßt einen
Rückschluß über die Komplexität des Ansatzes zu. Einer der umfangreichsten Ansätze, die VDI 2230
schließt aber die Berechnung hebelnder Systeme aus.
Die Dehnschrauben haben insbesondere in der Form K, mit kurzem Gewinde den Nachteil, dass sie
genau ausgelegt werden müssen. Sollte die Verbindung stärker zusammengezogen werden, besteht
die Gefahr, dass die Mutter in den Dehnschaftbereich gedreht wird und damit ihre Gewinde nicht mehr
voll tragen können. Die Überwacher (TÜV) haben früher deshalb häufig moniert, wenn die Gewinde
mehr als 2 Gänge aus der Mutter schauen. Bei Starrschrauben besteht die Gefahr eines solchen
Montagefehlers nicht.

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Bei der Demontage, insbesondere im explosionsgeschütztem Bereich, hat der Gewindebolzen mit
seinen 2 Muttern den Vorteil, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit gelingt, eine der beiden Muttern zu
lösen und somit den Bolzen zu entfernen, ohne ihn durchflexen oder durchbrennen zu müssen.
Besonders vorteilhaft bei Demontage in explosionsgefährdeten Bereichen.

Darstellung der Vor- und Nachteile


Aussage Dehnschraube Starrschraube
Gewindebolzen

besser bei Kalt- und Warmwechsel + +


Verschraubung für hohe Temperatur +/- +
Verringerung der Kerbwirkung bei Biegung + -
kontrollierte Dehnung + -
große Kraft bei minimalem Querschnitt - +
Austauschbarkeit wenn Länge nicht vorhanden - +
Herstellungskosten - +
Lösen der Verbindung +/- +
Zentrieren der Dichtung bei Rohrleitungen - +

Die obige Tabelle stellt die Vor- und Nachteile der Schraubentypen dar. Die einzelnen Punkte sind zum
Teil subjektiv bewertet. Vor- und Nachteil ergeben sich zum Teil auch aus Interessenlagen. So haben
Anlagenbetreiber die Schrauben standardisiert und wo es nur geht auf Gewindebolzen umgestellt. Hier
kann man ganz klar das Interesse an hoher Verfügbarkeit zu günstigem Preis erkennen. Sollte einmal
für eine Reparatur eine bestimmte Schraubenlänge im Lager fehlen, nimmt man einfach einen
längeren Bolzen oder schneidet sich einen Bolzen von einer Gewindestange ab. Hierzu ist die
Genehmigung zur Umstempelung vorausgesetzt. Des weiteren erlaubt diese Umstellung ein Erstellen
übersichtlicher Montageanzugsmomenttabellen. Bei gleichzeitiger Standardisierung der Werkstoffe
kann die Verwechslungsgefahr reduziert werden. Kraftwerke sind hier erheblich benachteiligt.

Beispiel eines Entwicklungsablaufes zur Reduzierung der Schraubenvielfalt

Kopfschrauben Dehnschrauben Gewindebolzen/Stud-Bolts


5.6 8.8 Ck35 24CrMo5 21CrMoV57 21CrMoV57 193Gr.B7

Schritt 1 8.8*) 21CrMoV57 21CrMoV57

Schritt 2 8.8 21CrMoV57

Schritt 3 (möglich, wird meistens nicht mehr vollzogen) 21CrMoV57

*) bei Schrauben für Druckbehälter ist darauf zu achten, dass die Schraube 8.8 mit TÜV-Abnahme, die 5.6 aber nur mit
Herstellerzeichen bezogen werden muß

Es ist festzustellen, dass die Dehnschraube Vorteile hat, die von der Starrschraube nicht geleistet
werden können. Die Vorteile der Starrschraube gegenüber der Dehnschraube sprechen aber auch für
sich. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass es sich um eine Schutznorm vor
ausländischem Wettbewerb handelt, denn Dehnschrauben kommen aus dem deutschen Anlagenbau
und wurden weltweit so nicht eingesetzt.

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Quellenverzeichnis
DIN 2510 Teil 3
VDI 2230
AD-Merkblatt B7
DIN V 2505
DIN 2505 Entwurf
DIN EN 1591 Entwurf
ASME Section 3, Division 2
Schraubenvademecum, Bauer & Schaurte Karcher, Neuss
Wissenswertes über Edelstahlschrauben, Gebr. Grohmann, Löhne
Dichtungspraxis, div. Autoren, Vulkan-Verlag, Essen
Modern Flange Design, Bulletin 502, Taylor Forge
Die Optimierung verschraubter Flanschverbindungen, Tückmantel

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