Oppenheimer

Oppenheimer

Nolan fabriziert Filme. Sein Erzählstil ist modern, hochindustriell, effektiv. Ein Verschmelzen pulverisierter und liquider Ideen zu einer massigen, klobigen Einheit, die in einem wiederholt rhythmischen Presshammer so lang verdichtet wird, bis ein handwerklich sauberes, fast fehlerfreies Werk herauskommt, das während der Qualitätsprüfung den Ingenieuren vor monolithischer Schaffenskraft großes Staunen und Raunen hervorlockt; und zuletzt mit dem einstimmig per Nicken bestimmten Wertestempel „Bombending!“ aufdrückt.

Oppenheimer ist so ein technisch einwandfreies Produkt aus Nolans Schaffensfabrik, in dem nicht nur aus dem privaten wie beruflichen Leben Oppenheimers erzählt wird, der Forschung und Herstellung der Atombombe, dem Wettrüsten der USA gegen die Sowjetunion, den seitens der USA politisch und willkürunterlaufenen Hexenjagden nach Kommunisten, zu denen Oppenheimer bald hinzugezählt wird; darin vergessend, was er für die USA mit dem Bombenbau geleistet hat, während ihm seine damals unkritische Vergangenheit selbst – am Rande kommunistisch motivierter Bekannte und Familie – nie vergessen wird. All die Ideen und Aspekte der Person Oppenheimer und seinem dramatischen Werdegang, auch die Rezeption seiner Person und seines Schaffens liegen kalkuliert eingebettet in einer Intrigengeschichte gegen ihn, die sukzessive zum Vorschein kommt.

Nolan setzt äußerst ergiebig filmtechnische Erzählmittel wohlüberlegt und -dosiert ein, um diese Masse an Inhalten spannend zu verhandeln. Über die gewaltige Laufzeit von drei Stunden wird dank des galoppierenden, zeitlosen Schnittes, des viszeral vibrierenden Tons, des kraftvollen Schauspiels, der intimen aber auch epochalen, großen Bilder ein leichtfüßiger Koloss geschaffen, der zu keiner Zeit, wirklich zu gar keiner Zeit, langweilt. Selbst mit meiner anfänglichen Müdigkeitswimpernschlag weckte mich der Film aus jeglicher Schlafsehnsucht.

Doch so augenscheinlich dieser Monolith perfekt erscheint, als ein verzückendes Meisterwerk, das die Welt so noch nicht gesehen hat, so wäre Nolan nicht Nolan, wenn er nicht dieselben Fehler begeht, die er – spätestens mit dem Weggang seines Bruders als Co-Autor – immer begangen hat: Es ist ein kalter Film eines kaltherzigen Regisseurs. Nolan ist ein unterkühlter Perfektionist, der im Eifer seines Filmschaffens das Erzählen auf ein neues Niveau heben will und dieser Ehrgeiz verschafft es ihm erst, solche narrativ makellose Filme wie Oppenheimer auf Zelluloid zu bannen. Seine wiederkehrenden faszinierenden Visionen in dem ewigen Zweikampf mit dem menschlichen Begleiter namens „Zeit“ sind wie in Oppenheimer reizvoll und packend, maximal verdichtet erzählt. Doch wiederholt fehlt das Herz.

Damit ist er einem Stanley Kubrick äußerst nah, den ich für einen ebenso perfektionistischen, konzeptionellen Menschen halte, der seine Filme auf einem Schachbrett bzw. einer Formeltafel gestaltete anstatt es intuitiv geschehen zu lassen, wie bspw. ein David Lynch. Doch Kubrick schien sich des Makels bewusst zu sein, dass er für emotionale Figuren und damit emotionalen Filmen kein Händchen hat; entweder weil dafür nicht das Gespür oder nicht das Interesse hegte. Daher sind seine Figuren auch überwiegend kaltherzig, zynisch, gewalttätig oder pervers; meist angetrieben durch ihre urmenschlichen, meist negativ konnotierten Phantasien. Kubricks Figuren sind daher nie strahlende Helden, sondern immer nur Verlierer oder die Helden, denen man einen Sieg niemals wünscht.

Doch Nolan versucht sich immer an Geschichten über strahlende Helden, die oftmals innerlich leiden und die gegen die Ungerechtigkeit der Welt ihnen gegenüber ankämpfen müssen. Doch mitnichten schafft er es, Emotionen glaubhaft zu vermitteln, weil seine einzigen handwerklichen Kniffe nie über Pathos und Kitsch hinausgehen; sei es der schreckliche „Liebe ist eine Naturkraft“-Monolog in Interstellar, den mit zwei Sätzen gepolternden Beziehungsdynamik in Inception oder der schrecklich hanebüchenen, unsäglich dargestellten Liebesgeschichte in Tenet. Seine oberflächigen, rein funktionellen Figuren handeln weniger aus sich selbst heraus, sondern weil es die Geschichte von ihnen verlangt. Diese Figuren haben keine Geheimnisse, keine Passion, kein Innenleben. Sie präsentieren immer nur Konzepte. Sollen die Figuren traurig sein, dann sollen sie weinen. Sollen sie lieben, dann soll sie sich küssen. Sollen die Figuren wütend sein, dann sollen sie etwas kaputt machen. Es bleibt in der Inszenierung bei Oberflächlichkeiten, bei Klischees, bei Perspektive eines Autisiten, der erörtert wie Mitmenschen ihre Gefühle ausdrücken.

Auch Oppenheimer ist da keine Ausnahme. Über den Menschen Oppenheimer, seine Ambitionen, seine innere Hin- und Hergerissenheit, der Perspektive in sein Innenleben und der denunzierenden Welt um ihn herum, den seltsamen Frauenbeziehungen erfährt man in die Tiefe blickend so gut wie gar nichts. Statt eine Charakterisierung vorzunehmen und Oppenheimer als Person zu erkunden, werden dramaturgisch clever arrangiert seine Lebensstationen abgeklappert, sprunghaft in der Historie – pendelnd zwischen Aufstieg und scheinbaren Abstieg; letztlich darin kulminierend, dass sich per unnötigen Plottwist ein beidseitiger Aufstieg eines Helden der Nation behauptet wird. Doch der Mensch, sein Denken, sein Fühlen bleiben trotz des kläglichen Versuchs überwiegend leer und kraftlos. Drei Stunden und ich frage mich noch immer: Wer ist dieser Mann? Warum sollte ich seine Geschichte kennen? Ebenso versagt der Film völlig, den Atombombenwurf und die fadenscheinige Hetzjagd seitens der Politik aufzuarbeiten. Er verhökert das menschenfeindliche Geschehen als Gestus eines einzelnen Menschen und nicht eines politischen Systems.

Der Film Oppenheimer hat daher mehr was von einem stark apolitisch eingekürzten Wikipedia-Artikel, dessen Kapitel durcheinandergewürfelt wurden, und als hochwertig produziertes Hörbuch packend vorgelesen wird, das einem die Ohren schlackern. Aber wirklich begrübelnslohnenden und emotional andächtigen Mehr-Wert bietet der Film dann nicht. Nur ein verblendetes, schulterzuckenverziertes „Uff ... joa, soso“.

Ergo: Leider, leider, doch nur ein Produkt aus der Hollywoodmaschinerie, das an sich natürlich glänzt und auf den ersten Blick beeindruckt, aber bei genauerer Betrachtung kein Feingefühl, keine Auseiandersetzung, keinen Mut hat. Ein überstilisertes Produkt ohne Innenleben, ohne Charakter, ohne Nachhalt. Hier steckt nicht das Herz eines Schreiners drin, sondern das eines rein materiell dreinblickenden Ingenieurs.

Ich wette darauf, dass in zehn Jahren der Film Oppenheimer vergessen sein wird, auch wenn er formell keine Katatrophe ist.

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