MrSvipi’s review published on Letterboxd:
Nolan drehte endlich wieder einen Film ohne Verwirrspiele und er hätte kaum spannender sein können!
Nun, diesen Satz werden wahrscheinlich mal wieder ein paar Leute bestreiten. Natürlich war das auch auf mich persönlich bezogen. Denn a) hatte ich absolut keine Probleme mit der Struktur des Films und b) war ich über die gesamte Laufzeit von 3h hinweg an den Bildschirm gefesselt! Somit bildet Oppenheimer auch für mich eines der Highlights 2023!
Christopher Nolan widmet sich in seinem neusten Film dem Vater der Atombombe: J. Robert Oppenheimer. Dabei arbeitet er aber nicht seine gesamte Biografie ab, sondern konzentriert sich natürlich zu grossen Teilen auf die Entwicklung der Bombe, sowie den Nachwirkungen der Abwürfe auf Japan. Dafür wählt er mal wieder eine etwas speziellere Erzählweise und springt immer wieder zwischen den Zeiten und Erzählungen hin und her. Auch werden im Film zwei Seiten parallel beleuchtet, welche durch die Farbgestaltung voneinander unterschieden werden. Die Thematik und der Blick bleibt aber stets bei Oppenheimer, denn es ist auch seine Geschichte, wenngleich der egoistische Politiker Strauss das Gefühl hat, es würde sich alles um ihn drehen. Eine nette Spielerei seitens Nolan, die dafür sorgt, dass der Film die nötige Spannung beibehält, denn die Thematik der Quantenmechanik ist natürlich überaus trocken. So gibt es hier dutzendweise wissenschaftliche Diskussionen, die für den Zuschauer mithilfe einiger Gegenstandsbeispiele simplifiziert dargestellt werden, damit man überhaupt noch folgen kann als Laie. Dadurch gelingt es auch mir als Normalsterblicher die Probleme der Entwicklung und die damit einhergehenden Herausforderungen einer solchen Waffenforschung zu erkennen. Nolan gelingt es dabei mit Bravour seine 3h zu füllen, ohne dass dabei grosse Durststrecken entstehen.
Das hohe Pacing, obwohl fast ausschliesslich auf Gesprächen basierend, erzeugt Nolan durch seine beiden Blickwinkel, die scheinbar parallel ablaufen, den zeitlichen Druck der Fertigstellung der Bombe und nicht zuletzt durch die wahnsinnig antreibende Musik von Ludwig Göransson. Hier bleibt keine Zeit einmal kurz durchzuatmen oder wegzuschauen, denn ansonsten hat man gefühlt schon den halben Film verpasst. Es ist durchaus anspruchsvoll, sich einer solch theoretischen Wissenschaft 3h lang hinzugeben, weshalb Oppenheimer für mich kein Film darstellt, den man sich immer wieder anschaut. Aber er bleibt im Gedächtnis. Nicht alleine durch die unvergleichlichen Bilder, die Hoyte van Hoytema erneut auf die Leinwand zaubert. Gerade die IMAX Aufnahmen wirken pompös und toll eingefangen, wenngleich mich die ewige Formatänderung immer wieder aus dem Film herausgerissen hat. Darüber hinaus bildet natürlich der Atombombentest den grossen Höhepunkt des Films, dem viele Fans entgegengefiebert haben, denn die Explosion wurde mit praktischen Effekten erzeugt. Und Nolan nutzt diese Szene um nicht den lautesten Moment der Kinogeschichte zu kreieren, sondern den leisesten. Die Welt verstummt beinahe, bis der erlösende Knall sie wieder aufweckt. Absolut grossartig!
Darüber hinaus ist auch die Darstellerriege absolut bombastisch. Angeführt von Cillian Murphy, der hier eine unheimlich faszinierende und mitreissende Performance als Oppenheimer abliefert, können sowohl Leute wie Emily Blunt, Matt Damon oder auch Robert Downey Jr. auf ganzer Linie überzeugen. Der Cast wird dabei von dutzenden weiteren Personen wie Florence Pugh, Josh Hartnett, Casey Affleck, Rami Malek, Kenneth Branagh usw. ergänzt. Bis in die klitzekleinste Nebenrolle ist dieser Film schwer prominent besetzt, aber auch überzeugend gut besetzt! Ein klein wenig Schmunzeln musste ich aber dennoch, als Josh Peck, mir natürlich als Josh aus Drake & Josh bekannt, den Auslöser für die Testbombe drückte. Aber selbst er als Komiker passte hier wunderbar hinein und wirkte zu keiner Sekunde unglaubwürdig. Da funktioniert dann eben auch ein Matthias Schweighöfer als grosser deutscher Physiker überaus gut.
Oppenheimer ist ein grosses, trockenes Biopic voller Männer, die an Tischen sitzen und diskutieren. Im Mittelpunkt ein Mann, der nicht gespaltener aufgenommen werden könnte. Ein Mann, der die Entwicklung einer Massenvernichtungswaffe vorantrieb und sich danach gegen das nukleare Wettrüsten stellte. Und dennoch, trotz dieser Thematik, gelang Nolan nach dem für mich eher etwas schwachen Tenet endlich wieder ein Film der mich weggeblasen hat. Hier weine ich dem verpassten Kinobesuch wahrlich hinterher, denn auf der grossen Leinwand hätten sich die Bilder noch einmal besser entfalten können. Gerade der Blick Oppenheimers auf die physikalische Welt ist Nolan enorm gut geglückt und weiss zu begeistern. Oppenheimer benötigt durch das letzte Drittel zwar etwas Sitzfleisch, entlässt einen dann aber auch mit einem zufriedenen Gefühl und keiner Zeitverschwendung, denn Nolan nutzt seine Zeit erzählerisch voll aus. Und trotz all der positiven Worte, schafft es Oppenheimer aktuell nur auf Platz 10 meines 2023er Rankings. Das letzte Jahr war einfach nur gigantisch gut was Filme betrifft!