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Bauen in Stahl Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz

03/04
steeldoc

Wohnen im
Stahlhaus
Picture Window House in Izu, Japan

Leben wie im Landschaftsbild

Architekt
Shigeru Ban, Tokio

Tragwerksplaner
Hoshino Architect & Engineer, Tokio

Baujahr
2001-2002

Werden Häuser wie Brücken konstruiert, liegen für gewöhnlich Hindernisse vor.
Mal gilt es, ein Gewässer oder eine Strasse zu überqueren, das andere
Mal verlangen topografische oder geologische Verhältnisse nach einer stützen-
freien Lösung. Die Szenerien entbehren selten einer gewissen Dramatik,
die Räume unter den «Brücken» bleiben für das Wohnen jedoch meist bedeutungs-
los. Beim Picture Window House des japanischen Architekten Shigeru Ban
verhält es sich umgekehrt – der Bauplatz birgt keine Hindernisse und unter der
Brücke öffnet sich der Living-Room der Grenzenlosigkeit der Landschaft.

26 steeldoc 03/04
Spätestens seit der Expo 2000 in Hannover ist Shigeru ter lange und 2.50 Meter hohe Öffnung nicht nur auf
Ban auch in Europa kein Unbekannter mehr. Der der Aussichtseite vorkommt, zeugt von der Absicht,
japanische Pavillon, den Ban mit der Unterstützung die Kontinuität des natürlichen Geländeflusses vom
von Frei Otto entwarf, wies eine viel beachtete Kon- Meer bis zur Hügelspitze zu wahren. Das Haus wurde
struktion auf. Wie schon bei seinen Notunterkünften somit nicht als Brücke gebaut, um ein Hindernis zu
für die Erdbebenopfer von Kobe (1995), bestand das überwinden, sondern um selber eine kleinere Barriere
Tragwerk hauptsächlich aus Karton. In Kobe zu darzustellen. Ein Ansinnen, das man als eingelöst be-
Wänden gefügt, formten die gleichen Kartonröhren in stätigen kann – zumindest solange, wie die Schiebe-
Hannover ein gewölbtes Flächentragwerk. Verschie- fenster zurückgestossen sind. Die Verwischung der
dene Pavillons, ein Einfamilienhaus und sogar eine Grenze zwischen innen und aussen ist dann evident.
Kirche liess Ban aus Kartonröhren fertigen; und beim Keine zaghafte Raumerweiterung, bei der im besten
Nemunoki Art Museum (1999) setzte er für die tra- Fall die vorgelagerte Terrasse zu einem Teil des Wohn-
gende Rippendecke des Daches Wabenkarton ein. Vor zimmers wird, sondern das Gegenteil trifft zu: der
dem Hintergrund seines ausgeprägten Interesses Innenraum wird zu einem überdachten Bereich des
an konstruktiven Fragen überrascht es wenig, dass Aussenraumes. Vermutlich sind diese Schiebefenster,
der Architekt beim Picture Window House Stahl nicht die im geöffneten Zustand vor den Pfeilern ganze Pake-
bloss als in Japan gängigen Baustoff einsetzt. Bans te bilden und auch dort kaum wahrgenommen wer-
Interpretation des Ortes verlangte nach einem stüt- den, die eigentliche «Erfindung». Denn so kühn sie
zenfreien Erdgeschoss - ein 20 m langer Fachwerkträ- wirken mag, die Fachwerkkonstruktion orientiert sich,
ger bot die statische Lösung dafür. Dieser fast 3 Meter abgesehen von kleineren Überraschungen, an bewähr-
hohe Träger sollte möglichst schlank sein, flankiert er ten Methoden. Ohne den Aufwand von versenkbaren
doch die Zimmerfenster im Obergeschoss. Fenstern, wie sie zum Beispiel Mies van der Rohe beim
Haus Tugendhat in Brünn (1930) einsetzte – wobei
Innen- oder Aussenraum? dann immer noch die Führungsschienen sichtbar
Das Haus für einen Witwer befindet sich auf der Izu- bleiben –, verschwinden die Glaselemente beim Picture
Halbinsel, einem beliebten Zweitwohnsitz für die Window House allein unter Verwendung handelsüb-
wohlhabenden Städter aus dem 90 Kilometer entfernt licher Systeme.
liegenden Tokio – das Picture Window House wird
allerdings das ganze Jahr bewohnt. Das Grundstück Neben zwei Küchenelementen und einer freistehen-
nahe des höchsten Punktes eines Hügels bietet eine den Treppe, die zu den vier Schlafzimmern und den
wunderbare Sicht auf den Pazifik und ist zu Bans an den Enden des Korridors liegenden Bädern im
eigenem Erstaunen «frei von jeglichen unansehnlichen Obergeschoss führt, weist der puristisch anmutende
Ablenkungen». Er habe diese Aussicht rahmen wollen; Wohnraum keine weiteren Einrichtungen auf. Dazu
das Haus sollte zum Fenster werden. Dass die 20 Me- sind die raumhaltigen «Brückenpfeiler» da: auf der

27
Picture Window House in Izu, Japan

Grundriss
Massstab 1: 200 7
4
1 Eingang
2 Wohnen
3 Küche
4 Studio 6
5 Schlafen 5 5 5 5
6 Abstellraum
7 Luftraum

3 1
4

Zugangsseite sind im Erdgeschoss das Entreé und ein gross wie jener zwischen den Pfosten des Fassaden-
Badezimmer untergebracht, während sich darüber trägers. Dann muss es sich um einen Vierendeel-
ein Abstellraum befindet. Und im zweiten Pfeiler liegt Träger handeln, jenes System mit biegesteifen Verbin-
ein Atelier mit direktem Zugang zum Schlafzimmer dungen zwischen Pfosten und Gurt, die Streben
des Hausherrn. überflüssig machen! Tatsächlich liegt in der Schrank-
wand aber ebenfalls ein Fachwerkträger verborgen
Verborgener Fachwerkträger (unklar, weshalb die dazugehörigen Streben in
Das Picture Window House hat zwei Gesichter. Auf den Publikationsplänen nicht eingezeichnet sind, wo
der Südseite ist die Konstruktion von zeichenhafter sie doch sonst nirgendwo fehlen).
Direktheit. Das hinter der Glasfassade sichtbar liegen-
de Fachwerkgerippe des Trägers und der Pfeiler ver- Mit dieser Information ist im Oberlicht ein kleines
mittelt eine klare Vorstellung von der Funktionsweise Dreieck auszumachen. Am unteren Rand des Glases,
des Tragwerks und den grossen Kräften, die da wir- genau im Anschluss an das Gitter, das über den Türen
ken müssen. Dennoch erscheint die Konstruktion angebracht ist. Es gehört zur Diagonale, die unten
unaufdringlich, was einerseits mit den Lamellensto- im Schrank und oben hinter den Lamellen verschwin-
ren zu tun haben dürfte, die sich in der abgebildeten det. Dass die Türen am Rand der Zimmer liegen, ist
Aufnahme wie ein Schleier über das Ingenieurbau- deshalb kein Zufall, ebenso wenig wie die Tatsache,
werk legen, und andererseits mit der atemberauben- dass sie in Gebäudemitte, wo die Diagonalen die
den Aussicht und der Dimension des Raumes, welche Richtung wechseln, nebeneinander angeordnet sind.
schlicht die stärkeren Eindrücke hinterlassen. Auf Bleibt nur noch die Frage offen, weshalb die Träger
der Nordseite hingegen kehrt der Aspekt des Beiläufi- nicht identisch sind. Die Antwort ist schnell zur Hand:
gen in Absenz. Nichts weist darauf hin, wie die Decken Wäre der Korridorträger gleich ausgebildet wie der
halten; zu sehen sind nur die dünnen Rahmen der Fassadenträger, würden die Diagonalen die Türen
Verglasung. Die Erfahrung will die Korridorwand als tangieren; durch die erwähnte Verdoppelung des
tragend orten, gleichzeitig lassen deren Oberlichter Pfostenabstandes entsteht ein flacherer Winkel, was
aber Zweifel daran aufkommen. Ob es auf dem Dach die Situation entschärft. Gleichzeitig wechselt das
einen Überzug gibt? Im Grundriss sind kräftige Stüt- Prinzip von Zug- zu Druckstreben. Dieser Wechsel ist
zen zu sehen; ihr Abstand ist mit 5 Metern doppelt so nicht statischer Natur – es wäre nämlich besser, lange

28 steeldoc 03/04
Schnitt
Massstab 1: 200

Diagonalen auf Zug zu beanspruchen –, sondern hat


seine Ursache in der Grundrissorganisation: Bei fal-
lenden Streben (ausgehend vom Auflagerpunkt)
könnten die äusseren Schlafzimmer nur noch über
die Badezimmer erreicht werden; der Zugang via Kor-
ridor wäre blockiert. Der nunmehr grössere Quer-
schnitt erklärt auch, weshalb der Fassadenträger
nicht wie der Korridorträger ausgeführt wurde. Statt
zwei Rundrohre mit einem Durchmesser von 115
mm, hätte ein Breitflanschträger mit einem Quer-
schnitt von 250 x 250 mm das Zimmerfenster traver-
siert. Im Raum sichtbar, ist der Fassadenträger aus-
schliesslich verschweisst, während der Träger im
Schrank zur Hauptsache verschraubte Verbindungen
aufweist. In beiden Fällen gleich sind die Gurte; mit
einer Höhe von 30 cm bleiben sie aber in der 40 cm
dicken Decke (von Unterkante Gipsdecke bis Ober-
kante Bodenbelag gemessen) verborgen.

Bestimmt wäre es einfacher gewesen, beide Träger


entlang den Fassaden anzuordnen – so, wie es in den
zahlreichen Projekten von Craig Ellwood (1922-1992)
der Fall ist –, die räumliche Durchdringung und die
damit verbundene "Verunklärung" des Tragwerks,
tragen aber wesentlich zum Zauber des Hauses bei.
Der Stellenwert der Ingenieurlogik als Formgenerator
findet sich relativiert; die Technik wird zwar nicht Axonometrie
versteckt, genauso wenig wird sie aber gefeiert. (ad) Massstab 1:400

29
Picture Window House in Izu, Japan

2
Fachwerkträger Fassade Projekt Picture Window House
Massstab 1:100 Ort Izu-Halbinsel, Shizuoka, Japan
1 Untergurt, H-Träger Architekt Shigeru Ban, Tokio
300/300/10/15 Generalunternehmer Daido Kogyo
2 Obergurt, H-Träger Konstruktion Fachwerkkonstruktion

2.90
3 4
300/300/10/15 aus Breitflanschträgern; südlicher
3 Pfosten, Rechteckrohr Träger mit Pfosten und Streben aus
150/150/6 Rechteck-, respektive Rundstahl-
4 Strebe, Rundrohr 1 rohren; Betonverbunddecken.
115/6 Nutzfläche 275 m 2
Baujahr 2001 – 2002
2.50 2.50

2 5 5
Fachwerkträger Korridor
Massstab 1:100
1 Untergurt, H-Profil
300/300/10/15

2.90
2 Obergurt, H-Profil 3 4
300/300/10/15
3 Pfosten, H-Profil 1
250/250/9/14
4 Strebe, H-Profil 5 5
250/250/9/14
5 Verbindung geschweisst

2.50 2.50

5.00

30 steeldoc 03/04
Impressum

steeldoc 03/04 , September 2004


Bauen in Stahl
Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz

Herausgeber:
SZS Stahlbau Zentrum Schweiz, Zürich
Evelyn C. Frisch, Direktorin

Designkonzept:
Gabriele Fackler, Reflexivity AG , Zürich

Redaktion:
Evelyn C. Frisch, SZS

Texte:
Alois Diethlem (ad)
Evelyn C. Frisch (ef)

Fotos:
Titel: Hiroyuki Hirai
Essay: Nash: Franco Cianetti, Horta: Reiner Lautwein, Chareau:
Jordi Sarrà u. Jacques Vasseur, Mies: Rui Morais de Sousa,
Eames: Tim Street-Porter/Elizabeth Whiting & Associates,
Hopkins: Matthew Weinreb; Lacaton & Vassal: Philippe Ruault
Haus Sobek: Josef Schulz
Maison Expo: A. Rinuccini / P. Costes
Wohnhaus in Pomponne: Hervé Abbadie / Luc Boegly, Archipress
Haus Steeman: Pieter Kers
Picture Window House: Hiroyuki Hirai

Quellen:
Projektangaben und Pläne stammen von den Planungsbüros.
Wohnhaus in Pomponne: Detail 1/2 2003
Haus Steeman: Bouwen met Staal 177/2004

Administration, Abonnemente, Versand:


Andreas Hartmann, SZS

Druck:
Kalt-Zehnder-Druck AG, Zug

ISSN 0255-3104

Jahresabonnement Inland CHF 40.-


Einzelexemplar CHF 15.-
Preisänderungen vorbehalten.

Bauen in Stahl/steeldoc © ist die Bautendokumentation des


Stahlbau Zentrums Schweiz und erscheint mindestens viermal
jährlich in deutscher und französischer Sprache. Mitglieder
des SZS erhalten das Jahresabonnement und die technischen
Informationen des SZS gratis.

Die Rechte der Veröffentlichung der Bauten bleiben den


Architekten vorbehalten, das Copyright der Fotos liegt bei den
Fotografen. Ein Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit
schriftlicher Genehmigung des Herausgebers und bei deutlicher
Quellenangabe gestattet.

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