Krausche_Thomas
Krausche_Thomas
Krausche_Thomas
genehmigte Dissertation
vorgelegt von
aus Forst/Lausitz
Kurzfassung
Gegenstand der hier vorgestellten Arbeit sind Untersuchungen zur Vorhersage des Her-
stellungsprozesses bei der Fertigung von geschweißten Doppel-T-Trägern. Dabei wird
der Zusammenbau der Einzelteile in der Werkstatt sowie das endgültige Fügen auf der
Baustelle untersucht und dargestellt. Es wird insbesondere auf den Einfluss des Monta-
gestoßes eingegangen, welcher unter verschiedenen Umgebungstemperaturen geschweißt
wurde.
Den experimentellen Untersuchungen, welche jeweils praxisnah in der Werkstatt und in
der Großklimakammer unter verschiedenen Umgebungstemperaturen von -10 °C bis
20 °C (Raumtemperatur) durchgeführt wurden, sind Simulationsergebnisse, analytische
Berechnungen sowie ingenieurtechnische Ansätze des Schweißeinflusses gegenüberge-
stellt.
Durch die Erfassung der Fertigung der Bauteile können geeignete Ingenieurmodelle zur
Verfügung gestellt werden, um anschließend eine Traglastuntersuchung für den Stabili-
tätsfall durchzuführen.
Schließlich führen die Untersuchungen dazu, dass die fachgerecht geschweißten Baustel-
lenstöße im betrachteten Temperaturbereich (bis -10 °C) für das Material und die Schwei-
ßeigenspannungen unbedenklich sind. Für die Erfassung eines solchen Stoßes wurde ein
ingenieurmäßiger Ansatz ausgearbeitet, welcher die Schweißeinflüsse berücksichtigt. Die
Auswirkungen des Montagestoßes wurden somit in einer nichtlinearen Traglastanalyse
ausgewertet. Der Einfluss des Montagestoßes auf die Traglast lag unter 5% im ungüns-
tigsten Fall.
Abstract 3
Abstract
On the load-bearing behavior of welded I-beams taking into account the influence
of assembly joints
The subject of the presented work are investigations on the prediction of the manufactur-
ing process in the production of welded Double-T girders. The assembly of the individual
parts in the workshop as well as the final joining on the construction site are examined
and presented. Particular attention is paid to the influence of the assembly joint, which
was welded under different ambient temperatures.
The experimental investigations, which were carried out practically in the workshop and
in the large-scale chamber under different ambient temperatures of -10 ° C to 20 ° C
(room temperature), are compared with simulation results, analytical calculations as well
as engineering approaches of welding influence.
By capturing the manufacturing of the components, suitable engineer models can be pro-
vided to subsequently carry out a structural load capacity analysis for a given stability
case.
Finally, the investigations lead to the fact that the professionally welded construction site
joints within the considered temperature range (down to -10 ° C) are harmless for the
material and the welding residual stresses. For the consideration of the assembly joint, an
engineering approach was developed, which takes into account the welding influences.
The effects of the assembly joint were thus evaluated in a nonlinear load analysis. The
influence of the assembly joint on the load capacity was less than 5% in the worst case.
Inhaltsverzeichnis 4
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung ..................................................................................................................... 2
Abstract............................................................................................................................ 3
Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................... 4
Abbildungsverzeichnis.................................................................................................... 6
Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................ 13
4.1.3 Auswertung.......................................................................................................... 92
4.2 Montagestoß ........................................................................................................ 96
4.2.1 Implementierung der Modelle ............................................................................. 96
4.2.2 Eingangswerte der Berechnung ........................................................................... 97
4.2.3 Auswertung.......................................................................................................... 99
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1-1: Skala Naturwissenschaften-Ingenieurwissenschaften [m] ........................ 16
Abb. 1-2: Prinzip Skizze zum UP-Schweißen, aus [Fahr-09] ................................... 18
Abb. 1-3: E-Schweißen, aus [Krüg-08] ..................................................................... 18
Abb. 1-4: MAG-Schweißen, aus [Kill-97] ................................................................ 19
Abb. 1-5: Hauptschweißposition nach [DIN EN ISO 6947] ..................................... 19
Abb. 1-6: Formen für Kehlnähte [Schu-92]............................................................... 20
Abb. 1-7: Kehlnahtdicke bei tiefem Einbrand – [DIN EN 1993-1-8] ....................... 21
Abb. 1-8: Kehlnahtvolumen 100 %, 60 %, 47 % [Hofm-05] .................................... 22
Abb. 1-9: Beispiel: Grenzen für Unregelmäßigkeiten [DIN EN ISO 5817].............. 24
Abb. 1-10: Auszug geschweißter I-Träger mit Montagestoß ...................................... 25
Abb. 1-11: Schweißeigenspannungen (Schrumpfeigenspannungen) eines
geschweißten Trägers; Längs- und Querspannungen [Neum-92] ............. 26
Abb. 1-12: Schweißeignung mittels CEV nach [DIN EN 10025-2]............................ 27
Abb. 1-13: Abgrenzung drei- und zweidimensionale Wärmeableitung
[DIN EN 1011-2], Anhang D.6: Dreidimensionale Wärmeableitung ....... 28
Abb. 1-14: Vorwärmtemperaturen in Abhängigkeit der Blechdicke ........................... 29
Abb. 1-15: Montage einer Brücke in Eisenhüttenstadt [Füg-07] ................................. 30
Abb. 1-16: Montage auf der Baustelle und Einhausung der Schweißstelle, AKC in
der Autostadt Wolfsburg ........................................................................... 30
Abb. 1-17: Einschwimmen des Bogenträgers der Waldschlösschenbrücke in
Dresden ...................................................................................................... 31
Abb. 1-18: a) Vermeidung der Nahtkreuzung durch Aussparen; b) Kreuzung von
Hals- und Stumpfnaht des Gurtes (Überschweißen); c) Ausschnitte am
Montagestoß, Kerbspannungen am Ausschnitt; d) K-Naht-Ausbildung
am Montagestoß [Häns-84] ....................................................................... 31
Abb. 1-19: Montagestoßarten a) Stumpfstoß b) U-Stoß c) Z-Stoß bei I-Trägern ....... 32
Abb. 1-20: Schweißfolge und Spannungsverlauf beim Stoß des geschweißten I-
Trägers: [Häns-06] ..................................................................................... 34
Abb. 1-21: Mittelwert der Winkeländerung von Doppelkehlnähten bei freier
Schrumpfung in Abhängigkeit von Naht- und Blechdicke für
horizontale Einlagenschweißung [Mali-57] .............................................. 35
Abb. 1-22: Stumpfnahtausführung in Abhängigkeit von der Blechdicke und
Querschrumpfung [Häns-84] ..................................................................... 36
Abb. 1-23: Toleranzwert nach [DIN EN 1090-2]: Verzug des Steges ........................ 36
Abb. 1-24: Toleranzwert nach [DIN EN 1090-2]: Abweichung der Geradheit –
Flansche geschweißter Profile ................................................................... 36
Abb. 1-25: Eigenspannungen nach [EKS-84] und Ausbreitung der Fließzonen
beim Versagen ........................................................................................... 38
Abbildungsverzeichnis 7
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1-1: Schweißnahtfehler und ihre möglichen Ursachen, in
Anlehnung an [SFI-16] .............................................................................. 23
Tabelle 2-1: Chemische Zusammensetzung in Gew.-% ................................................ 45
Tabelle 2-2: Übersicht der Fertigungsparameter ........................................................... 46
Tabelle 2-3: Versuchsmatrix: Herstellung des Demonstrators ...................................... 50
Tabelle 3-1: Simulationsergebnisse Winkelverzug Flansch [°] ..................................... 72
Tabelle 3-2: Übersicht relevanter Fertigungseinflüsse für die Ausbildung des
Eigenspannungsfelds beim Schweißen [Past-14-1]................................... 75
Tabelle 3-3: Wertepaare für approximierten Eigenspannungsverlauf ........................... 77
Tabelle 3-4: Wertepaare für die Vereinfachung des Längseigenspannungsverlaufs,
Approximation 2 ........................................................................................ 78
Tabelle 3-5: Wertepaare für approximierten Längseigenspannungsverlauf im
Flansch ....................................................................................................... 79
Tabelle 3-6: Wertepaare für approximierten Längseigenspannungsverlauf über die
Flanschbreite .............................................................................................. 80
Tabelle 3-7: Wertepaare für approximierten Längseigenspannungsverlauf im Steg ..... 81
Tabelle 3-8: Wertepaare für approximierten Längseigenspannungsverlauf über die
Steghöhe .................................................................................................... 81
Tabelle 3-9: Wertepaare für das Ingenieurmodell des
Längseigenspannungsverlaufs im Flansch ................................................ 83
Tabelle 3-10: Wertepaare für das Ingenieurmodell des
Längseigenspannungsverlauf im Steg ....................................................... 83
Tabelle 3-11: Wertepaare für approximierten Quereigenspannungsverlauf
Schnittdarstellung in Flanschmitte ............................................................ 84
Tabelle 3-12: Wertepaare für approximierten Quereigenspannungsverlauf
Schnittdarstellung in Flanschmitte ............................................................ 85
Tabelle 3-13: Wertepaare für approximierten Quereigenspannungsverlauf
Schnittdarstellung in Stegmitte .................................................................. 85
Tabelle 3-14: Wertepaare für approximierten Quereigenspannungsverlauf
Schnittdarstellung in Stegmitte .................................................................. 86
Tabelle 3-15: Wertepaare für das Ingenieurmodell des
Quereigenspannungsverlaufs (x-Richtung), Schnittdarstellung in
Flanschmitte .............................................................................................. 88
Tabelle 3-16: Wertepaare für das Ingenieurmodell des
Quereigenspannungsverlaufs (x-Richtung), Schnittdarstellung am
Flanschrand ................................................................................................ 88
Tabelle 4-1: Imperfektionsansätze der theoretischen Untersuchungen ......................... 91
Tabelle 4-2: Abminderungsfaktoren der Tragfähigkeit für unterschiedliche
Eigenspannungsansätze Kombination 1) ................................................... 93
Tabellenverzeichnis 12
Abkürzungsverzeichnis
Formelzeichen (lateinisch)
A Fläche
b Breite
bpl plastische Breite
c spezifische Wärmespeicherkapazität
e Einbrandtiefe
fy Streckgrenze
h Höhe
I Stromstärke
L Stablänge
lD Mindestdehnlänge
M Moment
N Normalkraft
Q Streckenenergie
T Temperatur
t Blechdicke
t8/5 Abkühlzeit
Tp Mindestvorwärmtemperatur
U Spannung
V Querkraft
vs Schweißgeschwindigkeit
Formelzeichen (griechisch)
Indizes
B Bottom, unterer Schnitt
f Flansch
c_f Druck, Flansch
c_w Druck, Steg
DB Definitionsbereich
Abkürzungsverzeichnis 14
L Links
M1 / M2 Mitte 1, Schnitt im oberen Viertel / Mitte 2, Schnitt im unteren Viertel
R Rechts
T Top, oberer Schnitt
w Steg
x,y,z Richtung im Koordinatensystem
xx Trägerlängsrichtung
yy Trägerquerrichtung
zz Trägerquerrichtung
Abkürzungen
2-D / 3-D 2-dimensional / 3-dimensional
a a-Maß
AKC Ausfahrt KundenCenter
C Kohlenstoff
Cr Chrom
Cu Kupfer
CET Kohlenstoffäquivalent, Carbon Equivalent Thyssen
CEM Kohlenstoffäquivalent, Carbon Equivalent
CEV Kohlenstoffäquivalent, Carbon Equivalent
E-Hand Lichtbogenhandschweißen
ES Eigenspannung
FEM Finite Elemente Methode
HD Gehalt an diffusiblen Wasserstoff
IIW International Institute of Welding
Mn Mangan
Mo Molybdän
MAG Metall-Aktivgas-Schweißen
Ni Nickel
OG Obergurt
PCM Kohlenstoffäquivalent, Critical Metal Parameter
UG Untergurt
UP Unterpulverschweißen
V Vanadium
WEZ Wärmeeinflusszone
3-D 3 dimensional a a Maß
Abkürzungsverzeichnis 15
Af Flanschfläche OG Obergurt
Aw Stegfläche Q Streckenenergie
b Flanschbreite t Blechdicke
bpl plastische Breite t8/5 Abkühlzeit, Abkühlzeit
CET Kohlenstoffäquivalent, Carbon tf Flanschdicke
Equivalent Thyssen Tp Mindestvorwärmtemperatur
e Einbrandtiefe tw Stegdicke, Stegdicke
E-Hand Lichtbogenhandschweißen U Spannung
FEM Finite Elemente Methode
UG Untergurt
h Steghöhe UP Unterpulverschweißen
HD Gehalt an diffusiblem Wasserstoff vs Schweißgeschwindigkeit
I Stromstärke WEZ Wärmeeinflusszone,
IIW International Institute of Welding Wärmeeinflusszone
lD Mindestdehnlänge lw freie Schrumpfung des Flansches
m Meter w Reaktionsspannung im Steg
MAG Metall-Aktivgas-Schweißen
1 Stand der Technik 16
1.1 Einleitung
Das Ingenieurwesen ist ein faszinierender und gleichzeitig komplexer Betätigungsbe-
reich. Dabei bedient sich der Ingenieur aus den Kenntnissen der Naturwissenschaften und
der Mathematik um anwendungsorientierte Lösungen alltagstauglich umzusetzen. Der
Bereich der Ingenieurwissenschaften, speziell des Bauingenieurwesens, beginnt zunächst
ab 10-2 Meter (Abb. 1-1) mit den kleinsten bauteilähnlichen Abmessungen. Ein räumli-
ches Ende des Anwendungsbereichs ist für Bauwerke und Konstruktionen nicht gegeben.
Für den Aufbau großer Bauwerke sind besonders hohe Anforderungen an alle am Bau
Beteiligten, wie die Planer und die Ausführenden gestellt. Meist ist nach Fertigstellung
ein Großteil der aufgetretenen Probleme nicht mehr sichtbar. Kenntnisse der verschiede-
nen eingesetzten Materialien, der Mechanik und eine Vielzahl von Randbedingungen sind
zu berücksichtigen. Speziell im Stahlbau, welcher häufig für Bauwerke mit großen
Spannweiten und Höhen Anwendung findet, sind Aspekte des Materialverhaltens und der
Verbindungstechniken sehr umfangreich und vielfältig. Des Weiteren sind Kenntnisse
über die Metallurgie (10-5 Meter), aufbauend von der Physik, notwendig, um bestimmte
Phänomene, wie das Umwandlungsverhalten während des Schweißens, möglichst genau
zu beschreiben. Für den Bauingenieur ist es zudem wünschenswert, insbesondere bei un-
erforschten Konstruktionen und schwierigen Problemstellungen, sich umfangreicher mit
bereits erforschten Themen der Naturwissenschaften zu beschäftigen. Dies ermöglicht
immer wieder neue, innovative und gleichzeitig komplexere Strukturen. Dabei sind die
historisch gewachsenen und bereits bewährten Nachweisformate immer wieder zu
hinterfragen und Kentnisse, auch aus anderen oder artverwandte Wissenschaften, mit in
den Lösungsprozess einzubeziehen bzw. darauf aufbauende Modelle und Methoden zu
entwickeln.
1.1.1.1 Schweißverfahren
Im Stahlbau werden lediglich wenige der etwa 150 bekannten Schweißprozesse angewen-
det [Skal-08]. Einige typische (Lichtbogen-) Schweißprozesse werden im folgenden Ka-
pitel kurz vorgestellt, da im Laufe der Arbeit immer wieder auf die relevanten Verfahren
verwiesen wird. Eine ausführliche Darstellung kann in [Skal-04] nachgeschlagen werden.
Für die Anwendungen zur Trägerfertigung sind hier das Metall-Aktivgas-Schweißen,
Schweißprozess 135 nach [DIN EN ISO 4063] (MAG) und das Unterpulverschweißen,
Schweißprozess 12 nach [DIN EN ISO 4063] (UP), siehe Abb. 1-2 genannt.
Das E-Hand Verfahren ist vielseitig in allen Schweißpositionen (Abb. 1-5) anwendbar
bei einfacher Gerätetechnik und Zusatzwerkstoffen und ist daher für Baustellenschwei-
ßungen geeignet. Der Lichtbogen brennt zwischen einer umhüllten abschmelzenden Stab-
elektrode und dem Werkstück.
1 Stand der Technik 19
Der MAG Prozess kann vielseitig in allen Schweißpositionen eingesetzt werden. Dabei
wird ein aktives Gas (Argon, Kohlendioxid oder Sauerstoff bzw. eine Mischung) als
Schutzgas zugeführt. Vorteilig beim MAG ist der teilmechanisierte Schweißprozess mit
einer kontinuierlich zugeführten Drahtelektrode und nur unwesentliche Schlackeanfall.
Eine Erweiterung ist der Prozess 136. Beim Prozess 136 kommt ein Fülldraht, anstatt der
beim Prozess 135 verwendeten Massivdrahtelektrode zum Einsatz. Der Schweißprozess
136 bietet eine noch höhere Abschmelzleistung und kann beispielsweise bei tiefen Tem-
peraturen und schwierigen Schweißpositionen wie die Überkopfposition (PD) eingesetzt
werden [Rose-13].
1 Stand der Technik 20
Eine möglichst wirtschaftliche Wahl des Schweißprozesses kann nach folgenden Ge-
sichtspunkten bzw. Einflussfaktoren vorgenommen werden: Geometrie des Bauteils,
Werkstoff, Schweißposition- und Ort, Anforderungen, Stückzahl sowie Fertigungsmög-
lichkeiten. So ist die Prozessauswahl für die verschiedenen zu fertigenden Konstruktio-
nen individuell anzupassen.
Für die Teilfertigung der Träger liegen die günstigsten Bedingungen in der Schweißwerk-
statt vor. Schweißprozesse können mechanisiert bzw. teilmechanisiert werden und er-
möglichen eine wirtschaftliche, als auch eine qualitativ gute Herstellung von Tragwerk-
steilen. Im Folgenden wird vornehmlich auf die Ausführung von Längsnähten von I-Trä-
gern, die Verbindung von Flansch und Stegblechen in Form von Kehlnähten, als ein- und
doppelseitige Kehlnaht, eingegangen. Das Zusammenfügen von zwei rechtwinklig aufei-
nander stehenden Belchen ist außerdem als echter Stumpfstoß auch mit Wurzelspalt mög-
lich. An dieser Stelle wird der Stumpfstoß, welcher als Doppel-HV-Naht bzw. HV-Naht
ausgeführt werden kann, aufgrund der aufwändigen Kantenvorbereitung nicht weiterver-
folgt. Auf die Verbindungsmöglichkeit mittels Stumpfstoß wird zudem beim Baustellen-
stoß (Kapitel 1.1.1.3) eingegangen. Werden Kehlnähte mit einem Öffnungswinkel kleiner
60° ausgeführt, sind sie als nicht durchgeschweißter Stumpfstoß anzusehen
[DIN EN 1993-1-8]. Bei einem Winkel größer 120° ist die Beanspruchbarkeit der Kehl-
nähte durch Versuche nach [DIN EN 1990] Anhang D nachzuweisen.
Eine Unterscheidung der Kehlnahtform kann nach Wölb-, Flach- und Hohlkehlnähte er-
folgen (Abb. 1-6). Die rechnerische Nahtdicke a ist bei allen Ausführungsvarianten die
Höhe des einschreibbaren gleichschenkligen Dreiecks.
Bei der Herstellung einer Kehlnaht wird zumeist die Flachnaht (Abb. 1-6 a) angestrebt.
Das Nahtvolumen steht in einem guten Verhältnis zur rechnerisch ansetzbaren Schweiß-
nahtdicke. Unwirtschaftlicher ist die Hohlnahtausführung (Abb. 1-6 c), welche für dyna-
mische Beanspruchung aufgrund des günstigeren Kraftverlaufs (Abarbeitung der
Kerbspannungsspitze an der Wurzel) Vorteile mit sich bringt. Allerdings ist der Herstel-
lungsaufwand höher. Wölbkehlnähte (Abb. 1-6 b) sind aufgrund der sich einstellenden
1 Stand der Technik 21
Schweißverfahren, wie das UP-Schweißen sind aufgrund ihrer Mechanisierbarkeit gut für
die Realisierung des Einbrands geeignet. Die Größe des Einbrands wird von [Hofm-05]
für das UP-Schweißen mit 4 bis 6 mm und für das Schutzgasschweißen, wie beispiels-
weise MAG mit 2 bis 3 mm (in PB-Position) beschränkt.
Die Größe der Kehlnähte, hier als Halsnähte des geschweißten I-Trägers, richtet sich nach
statischen und konstruktiven Erfordernissen. Die statische Auslegung erfolgt vorrangig
für den Abtrag von Schubkräften längs und quer zur Nahtrichtung. Bei längeren Trägern
kann je nach Querkraftbeanspruchung eine Abstufung der Dicke über die Trägerlänge
wirtschaftlich sein. Weiterhin sind folgende Nahtdickenbegrenzungen zu beachten, vgl.
[DIN EN 1993-1-8 + DIN EN 1993-1-8/NA]:
Unabhängig der Blechdicke fordern die Vorschriften der Deutschen Bahn [DS 804] und
[DS 952] noch Mindestdicken für Kehlnähte von 3,5 mm bzw. 3 mm.
Die Wirtschaftlichkeit eines T-Stoßes mit einem rechnerischen gleichen a-Maß ist direkt
durch die Wahl der Ausführung beeinflusst. Der Wirtschaftlichkeitsvergleich aus
[Hofm-05] bzgl. des Schweißvolumens in Abb. 1-8 zeigt, dass der Konstrukteur unmit-
telbar die Fertigungskosten durch prozessgerechtes Konstruieren bei gleichem rechneri-
schen a-Maß steuern kann.
Neben den konstruktiven und wirtschaftlichen Anforderungen sind vor allem Schweiß-
nahtfehler zu vermeiden. Für die hier behandelten Kehlnähte sind mögliche Ursachen für
Fehler in Tabelle 1-1 zusammengefasst.
1 Stand der Technik 23
Zu große Schweißstromstärke,
Einbrandkerben Zu steile Stabelektrodenhaltung,
Zu langer Lichtbogen
Zu geringe Schweißstromstärke,
Schlackeeinschlüsse Zu große Schweißgeschwindigkeit,
Für alle Schweißnahtfehler gibt es zulässige Toleranzen. Risse sind generell nicht zuläs-
sig. Grenzwerte könne der [DIN EN ISO 5817] entnommen werden. Je nach Bewertungs-
gruppe ist der Schweißnahtfehler einzuordnen. Ein Auszug der Grenzwerte ist in Abb.
1-9 angegeben.
1 Stand der Technik 24
Sind die Kriterien nach [DIN EN ISO 5817] zunächst für die Werkstattnähte erfüllt, er-
folgt der weiter Fertigungsprozess auf der Baustelle. In Abb. 1-10 ist exemplarisch ein
geschweißter Doppel T-Träger mit Nahtvorbereitung zum Fügen auf der Baustelle dar-
gestellt (siehe Kapitel 1.1.1.3 und 2.2), welcher in zwei Teilen im Werk mit Kehlnähten
verschweißt wird.
1 Stand der Technik 25
Durch den Schweißprozess entstehen Eigenspannungen und Verzüge, welche einen ne-
gativen Einfluss auf die Fertigung und auf das Tragverhalten des Bauteils haben. Auch
thermische Bearbeitungsverfahren wie beispielsweise das Brennschneiden, das Subli-
mierschneiden und das Schmelzschneiden sind ein komplexes Zusammenwirken unter-
schiedlicher eigenspannungsverursachender Prozesse [Masu-80]. Daher ist es notwendig,
die Eigenspannungen und den Verzug auf ein Minimum zu reduzieren. Der Verzug kann
zum Überschreiten der zulässigen Toleranzen, zu einer schlechten Passgenauigkeit und
zu unakzeptablen großen Luftspalten führen (siehe auch 1.1.1.4).
Eigenspannungen in einem Bauteil sind die verbleibenden inneren Spannungen. Sie ent-
stehen als Folge ungleichmäßig bleibender Formänderungen und sind damit Zwängungs-
spannungen, die nur mit sich selbst im Gleichgewicht stehen. Für alle Eigenspannungen
gilt:
𝑁 = 𝑀𝑦 = 𝑀𝑧 = 𝑀𝜛 = 𝑉𝑦 = 𝑉𝑧 = 𝑀𝑥 = 0 (4)
Abb. 1-11: Schweißeigenspannungen (Schrumpfeigenspannungen) eines geschweißten Trägers; Längs- und Quer-
spannungen [Neum-92]
Ein Abbau von Eigenspannungen kann vor und nach dem Schweißen erfolgen. Dies kann
während des Schweißens durch Vorwärmen und im Nachgang durch Spannungsarmglü-
hen oder autogenes Entspannen mit Hilfe von Wärmeprozessen stattfinden. Des Weiteren
ist ein mechanischer Spannungsabbau durch Hämmerverfahren, Kaltrecken oder Vibra-
tionsentspannen möglich. Im Folgenden wird auf die Möglichkeit des Vorwärmens auf-
grund der Bedeutung für dicke Bleche als auch im Montagestoß (insbesondere bei kalten
Witterungsverhältnissen) eingegangen.
Schweißgeeignete Baustähle weisen i.d.R. eine ausreichend hohe Duktilität auf und kön-
nen somit den Eigenspannungsabbau durch lokale Verformung ermöglichen. Zur Beur-
teilung der Schweißeignung unlegierter Stähle bezüglich ihrer Neigung zur Bildung von
Kaltrissen wird das Kohlenstoffäquivalent CEV (Carbon Equivalent) herangezogen. Der
Kaltriss vom Typ Aufhärtungsriss entsteht im Zusammenhang mit der Martensitbildung
im Gefüge. Das CEV wurde vom IIW (International Institute of Welding) als Vergleichs-
größe für die Härtbarkeit entwickelt und ist normativ in der [DIN EN 10025-1] wieder-
zufinden. Dabei ist die chemische Zusammensetzung des Stahls, d.h. die Massengehalte
der Legierungselemente, heranzuziehen. Dem Kohlenstoff, welcher maßgeblich für die
Schweißeignung als auch für die Festigkeitseigenschaften verantwortlich ist, kommt eine
besondere Bedeutung zu.
𝑀𝑛 𝐶𝑟 + 𝑀𝑜 + 𝑉 𝑁𝑖 + 𝐶𝑢
𝐶𝐸𝑉 = 𝐶 + + + (5)
6 5 15
Ist das CEV kleiner gleich 0,45% und ist der Kohlenstoffgehalt kleiner gleich 0,22% ist
der Stahl gut schweißgeeignet. Ist das CEV zwischen 0,45% und 0,60% ist der Stahl mit
Maßnahmen wie Vorwärmen schweißgeeignet. Darüber liegende CEVs sind nicht
schweißgeeignet vgl. Abb. 1-12. Angaben zum CEV sind im Werkszeugnis und Höchst-
werte in der [DIN EN 10025-2] in Abhängigkeit der Blechdicke zu finden.
1 Stand der Technik 27
Neben den chemischen Eigenschaften sind für die Schweißeignung ebenso die metallur-
gischen Eigenschaften, wie beispielsweise der Gehalt an Einschlüssen und Seigerungen
sowie die physikalischen Eigenschaften, wie beispielsweise die Wärmeleitfähigkeit und
das Ausdehnungsverhalten, zu berücksichtigen.
Das CEV liefert zunächst ein Orientierungswert bzgl. der Aufhärtungsneigung und ob ein
Vorwärmen erforderlich ist. Dabei gehen entscheidene Faktoren wie die Blechdicke, Zä-
higkeit des Werkstoffes, der Spannungszustand, Wasserstoffgehalt und die Wärmefüh-
rung nicht ein. Die Bestimmung der Vorwärmtemperatur erfolgt dabei nicht. Das Vor-
wärmen führt zu einer Reduzierung der Wärmeeinbringung und der Wärmeeinflusszone.
Die Abkühlgeschwindigkeit wird herabgesetzt und Härtespitzen werden veringert.
Das Vorwärmen wird außerdem als wirksames Mittel zur Vermeidung von Kaltrissen
vom Typ Wasserstoffriss eingesetzt. Diese können auftreten, wenn der Gehalt an diffusib-
lem Wasserstoff, der im Schweißgut geringfügig vorhanden ist, sowie dem gleichzeitigen
Wirken von Spannungen und hinreichend hohe Anteile an Martensit im Gefüge in der
WEZ vorhanden sind. Die Martensitbildung entsteht durch das Umwandlungsverhalten
des Austenits beim Abkühlen im Temperaturbereich zwischen 800 °C und 500 °C (t8/5-
Zeit). Durch das Vorwärmen kann die t8/5-Zeit so beeinflusst werden, dass der Austenit
in der WEZ nicht vollständig in Martensit, sondern in Martensit und Bainit umwandelt.
„Durch die große Härte des Martensit bestünde sonst bei Anwesenheit von Wasserstoff
wegen der immer vorhandenen mehrachsigen Schweißeigenspannungen die Gefahr der
Kaltrissbildung“ [Barg-08]. Durch das Vorwärmen des Schweißnahtbereichs kann der
Martensitgehalt und darüber die Härte reduziert werden. Zusätzlich wird die Wasserstoff-
effusion begünstigt [Barg-08]. Als Faustregel für die t8/5-Zeit gelten 5-15 s für normal-
feste, 10-25 s für hochfeste Feinkornbaustähle. Die t8/5-Zeit kann mit den Gleichungen
(6) und (7) unter Zuhilfenahme der Anfangstemperatur T0, der Wärmeleitfähigkeit , der
Dichte , der Spezifische Wärmekapazität c, und der Streckenenergie Q, je nach Rand-
bedingungen bestimmt werden. Durch Gleichsetzen ergibt sich die Übergangsblechdicke
Abb. 1-13, welche als Grenze für die jeweils anzuwendende Formel gilt.
1 Stand der Technik 28
Abb. 1-13: Abgrenzung drei- und zweidimensionale Wärmeableitung [DIN EN 1011-2], Anhang D.6: Dreidimen-
sionale Wärmeableitung
𝑄 1 1
𝑡8/5 = ∙[ − ] (6)
2 ∙ 𝜋 ∙ 𝜆 500 − 𝑇0 800 − 𝑇0
𝑄2 1 1
𝑡8/5 = ∙[ − ] (7)
4 ∙ 𝜋 ∙ 𝜆 ∙ 𝜚 ∙ 𝑐 ∙ 𝑑 2 (500 − 𝑇0 )2 (800 − 𝑇0 )2
𝑈∙𝐼
𝑄=𝜂∙ (8)
𝑣𝑠
(10)
𝑑
𝑇𝑝 = 700 ∙ 𝐶𝐸𝑇 + 16 ∙ tanh + 62 ∙ 𝐻𝐷 0,35 + (53 ∙ 𝐶𝐸𝑇 − 32) ∙ 𝑄 − 330
35
In Abb. 1-14 ist die Abhängigkeit der Vorwärmtemperatur Tp von der Blechdicke d bei
konstantem Wasserstoffgehalt und Wärmeeintrag für verschiedene CETs dargestellt. Es
ist zu erkennen, dass mit zunehmendem CET und zunehmender Blechdicke immer höhere
Vorwärmtemperaturen notwendig werden (bei konstantem Wärmeeintrag Q und Wasser-
stoffgehalt HD).
Nach der Segmentfertigung unter Werksbedingungen (Kapitel 1.1.1.2) erfolgt die Mon-
tage auf der Baustelle (Abb. 1-15). Dabei wird angestrebt, so wenig wie möglich auf der
1 Stand der Technik 30
Baustelle zu schweißen, da dies mit einem hohen Aufwand in Planung und Ausführung
resultiert. Gleichbleibende Randbedingungen sind nur sehr selten vorzufinden und er-
schweren den Herstellungsprozess.
Abb. 1-16: Montage auf der Baustelle und Einhausung der Schweißstelle, AKC in der Autostadt Wolfsburg
Nicht nur Wind und Regen sind auf der Baustelle vorzufinden, sondern auch die Außen-
temperaturen variieren. Die äußeren Witterungsbedingungen, vorwiegend im Winter, er-
schweren Montagearbeiten. Nicht selten ist es der Fall, dass der Verschub und anschlie-
ßende Montageschweißungen in den kalten Monaten stattfinden (Abb. 1-17 im Dezember
2010).
1 Stand der Technik 31
Abb. 1-18: a) Vermeidung der Nahtkreuzung durch Aussparen; b) Kreuzung von Hals- und Stumpfnaht des Gurtes
(Überschweißen); c) Ausschnitte am Montagestoß, Kerbspannungen am Ausschnitt; d) K-Naht-Ausbil-
dung am Montagestoß [Häns-84]
1 Stand der Technik 32
Die Komplexität des Montagestoßes eines Doppel-T-Querschnitts ist in Abb. 1-18 erläu-
tert. Zunächst sind die Bleche in Abhängigkeit der ausgeführten Nahtart in Verbindung
mit der Dicke und ggf. des Schweißverfahrens vorzubereiten. Des Weiteren sind Ausneh-
mungen, der Schweißer spricht von einer „ollen Mutz“, erforderlich, um sich kreuzende
Nähte auszuführen zu können. Um möglichst geringe Spannungen in das Bauteil einzu-
tragen, ist die Schweißfolge sorgfältig festzulegen. Eine Maßnahme ist das Offenlassen
der nahtnahen Halskehlnähte, welche ein weitgehend freies Schrumpfen ermöglichen.
Ein Überschweißen von Stumpfnähten durch die sich kreuzenden Kehlnähte ist aus Grün-
den der Dauerfestigkeit zu vermeiden. Dies gilt unter anderem im zweiachsigen Span-
nungszustand in den Nahtübergangsbereichen [Häns-84].
Der Spannungsverlauf bei verschiedenen Schweißfolgen des Z-Stoßes ist in Abb. 1-20 a)
bis e) qualitativ angegeben. Dabei gilt es zu beachten, dass die durch den Schweißprozess
bedingten Eigenspannungen zusätzlich Reaktionsspannungen erzeugen. Diese entstehen
durch die Einspannung aus den bereits hergestellten Bauteilen. Die Größe und die Rich-
tung der Reaktionsspannungen sind von der Schweißfolge beeinflusst. Bei Schweißfolge
a) werden als erstes der Steg und dann die Flansche bei geschlossenen Halsnähten ge-
schweißt. Es ergeben sich die größten Reaktionsspannungen. Der Ablauf wird in b) um-
gekehrt, indem zuerst die Flansche und dann der Steg geschweißt werden (Halsnähte ge-
schlossen). Es entstehen Spannungen mit umgekehrtem Vorzeichen. Aus Zugspannungen
1 Stand der Technik 33
im Flansch bei a) werden somit Druckspannungen bei b). Analog dazu sind die Schweiß-
folgen bei offenen Halskehlnähten in c) und d) zu bewerten, wobei bei offenen versetzten
Halskehlnähten geringere Spannungen hervorgerufen werden. Der Fall e) ergibt die
kleinsten auftretenden Spannungen. Durch das zusätzliche Vorkrümmen und verlängern
der Flansche entspricht die Schrumpfung genau der Verlängerung der Flansche und der
Querschnitt erfährt der die geringsten Spannungen. Der Fall e) hat aufgrund der Umsetz-
barkeit keine praktische Bedeutung. Die dargestellten Reaktionsspannungen wirken quer
zur Naht, d.h. längs in Trägerrichtung, und treten lokal im Stoßbereich auf.
Für den Anwendungsfall in der Baupraxis ist die Ausführung des Stoßes mit der Schweiß-
folge d) zu favorisieren. Die Dehnlänge lD der „offenen“ Halskehlnähte (Symbol B in
Abb. 1-20 c) & d) ermittelt sich nach Gleichung (11).
Δ𝑙w ∙ 𝐸
𝑙𝐷 = (11)
𝐴w
( 𝐴 + 1) ∙ 𝜎w
f
Dabei sind die freie Schrumpfung des Flansches lw und die noch vertretbare Reaktions-
spannung im Steg w im Verhältnis der Flansch- und Stegflächen (Af und Aw) zu berück-
sichtigen.
1 Stand der Technik 34
Abb. 1-20: Schweißfolge und Spannungsverlauf beim Stoß des geschweißten I-Trägers: [Häns-06]
1 Stand der Technik 35
Abb. 1-21: Mittelwert der Winkeländerung von Doppelkehlnähten bei freier Schrumpfung in Abhängigkeit von
Naht- und Blechdicke für horizontale Einlagenschweißung [Mali-57]
1 Stand der Technik 36
Für eine Stumpfnaht wurden in Abhängigkeit der Blechdicke und der Schweißnahtvor-
bereitung bzw. des Schweißverfahrens Mittelwerte für die Querschrumpfung experimen-
tell bestimmt, vgl. Abb. 1-22. Die experimentelle Bestimmung erfolgte für einen Baustahl
St 38 (vergleichbar mit dem S 235).
Abb. 1-22: Stumpfnahtausführung in Abhängigkeit von der Blechdicke und Querschrumpfung [Häns-84]
In Abb. 1-23 ist die tolerierbare Krümmung des Steges nach [DIN EN 1090-2] angege-
ben. Die zulässigen Werte hängen von der Blechdicke und Steghöhe ab.
Der zulässige Wert der Geradheit des Flansches ist nach Abb. 1-24 einzuhalten.
Abb. 1-24: Toleranzwert nach [DIN EN 1090-2]: Abweichung der Geradheit – Flansche geschweißter Profile
1.1.2 Bemessungsformate
In der alltäglichen Praxis erfolgt die Bemessung druckbeanspruchter Teile durch verein-
fachte Berechnungsansätze nach [DIN EN 1993-1-1]. Im Berechnungsablauf werden
nicht erfassbare Einflüsse aus der Herstellungskette, die für das Näherungsverfahren er-
1 Stand der Technik 37
großer Verformungen und die physikalische Nichtlinearität, d.h. das nichtlineare Materi-
algesetz und die Ausbreitung von Fließzonen wird dabei simuliert. Diese Methoden sind
in größeren General Purpose FE-Programmen, implementiert, allerdings für die prakti-
schen Berechnungen im Stahlbau zu aufwendig. Üblicherweise ist die klassische Theorie
II. Ordnung mit kleinen Verformungen ausreichend. In Abb. 1-25 ist die Ausbreitung der
Fließzonen beim Versagen dargestellt (rechts). Der Eigenspannungsansatz (links) er-
folgte nach [EKS-84].
Abb. 1-25: Eigenspannungen nach [EKS-84] und Ausbreitung der Fließzonen beim Versagen
Die nichtlineare Traglastberechnung mittels FEM ist nur mit hohem Aufwand möglich.
Zurzeit sind baupraktische Berechnungen in dieser Form des Nachweises daher eher un-
tergeordnet und finden hauptsächlich in der Wissenschaft ihre Anwendung. Gängige
EDV – Programme, wie [ABAQUS] oder [ANSYS] sind komplex und erfordern ein ho-
hes Maß an Spezialkenntnissen, um Eingaben und Berechnungsergebnisse werten zu kön-
nen. In naher Zukunft und weiterer Verbreitung der Methoden und Rechentechnik ist mit
zunehmender Bedeutung zu rechnen.
Im Vergleich der beiden Modelle miteinander wird die Verwendung von [BSK-99] auf-
grund des variablen Ansatzes des Druckspannungsblocks empfohlen. Es gilt zu beachten,
dass das BSK Modell nur bis zu 40 mm dicke Bleche zu verwenden ist. Daher sind die
Grenzen der Anwendbarkeit für aktuelle Problemstellungen im Stahlbau nicht generell
gültig. Eine Abhilfe kann daher die Durchführung einer Schweißsimulation sein, welche
im Kapitel 1.1.5 vorgestellt wird.
Modelle, wie sie für die Teilfertigung vorliegen (Abb. 1-26), existieren für den Montage-
stoß noch nicht. Qualitative Verläufe und Zusammenhänge können, ausgehend von der
Verteilung am Stumpfstoß für die Längs- und Querrichtung (Abb. 1-27), hergeleitet wer-
den (Abb. 1-28).
Abb. 1-27: Längs –und Quereigenspannungen am stumpf gestoßenen Blech mit V- Naht
Die Problemstellung liegt in der Beschreibung der Größe sowie der Ausbreitung der Ei-
genspannungen quer zur Schweißrichtung. Durch den entstehenden drei-axialen Span-
nungszustand, beeinflussen sich die Schweißnähte durch die Schweißfolge gegenseitig
1 Stand der Technik 40
𝑁 = 𝑀𝑦 = 𝑀𝑧 = 𝑀𝜛 = 𝑉𝑦 = 𝑉𝑧 = 𝑀𝑥 = 0 (12)
Das heißt, die Eigenspannungen stehen im Gleichgewicht und erzeugen keine Schnittgrö-
ßen.
Im folgenden Kapitel wird nur die Struktursimulation betrachtet. Die Simulation be-
schränkt sich auf das Verhalten des Bauteils unter lokaler Wärmeeinbringung, mit Be-
rücksichtigung des Strukturtemperaturfelds und liefert Ergebnisse für Eigenspannungen
und Verzüge sowie die Strukturfestigkeit und Struktursteifigkeit. Um die Berechnung
durchzuführen sind unterschiedliche Softwaretools wie Simufact oder Sysweld notwen-
dig. Der Berechnungsablauf ist in Abb. 1-30 veranschaulicht.
Eine wesentliche Annahme ist die schwache Kopplung zwischen dem thermo-physikali-
schem und dem thermo-mechanischem Teilmodell. Die thermische Analyse erfolgt durch
die Lösung der Wärmeleitungsgleichung. Dabei wird eine reale Schweißwärmequelle
durch Verwendung einer verteilten Wärmequelle und das erzeugte Temperaturfeld abge-
bildet. Somit wird allein die Wärmewirkung des Schweißens berücksichtigt.
1 Stand der Technik 42
Q (T T ) T (13)
q A 1 2 A
A b x
q Tw4 (14)
q H (Tw Ta ) (15)
[Rad-02] ausführlich dargestellt. Um die thermische Analyse zu validieren, sind die ge-
messenen Temperaturzyklen mit dem simulierten Temperaturfeld abzugleichen. Weiter-
hin wird die Schmelzbadfläche im Querschnitt zur Validierung der Simulation herange-
zogen. Alternativ besteht auch die Möglichkeit eine Prozesssimulation, beispielsweise
mit Simweld, durchzuführen und hieraus eine Ersatzwärmequelle für die Schweißstruk-
tursimulation abzuleiten. Ein Beispiel einer Prozesssimulation mit Simweld zeigt Abb.
1-31.
Abb. 1-31: Ausgabe einer Nahtgeometrie infolge der eingegebenen Schweißparameter aus Prozesssimulationsmo-
dell [Loos-13]
Mit den Ergebnissen der Prozesssimulation kann dann die Wärmequelle für die Schweiß-
simulation erstellt werden.
2 Experimentelle Untersuchungen zur Herstellung und Montage von Blechträgern 44
Abb. 2-1: Abmessungen eines untersuchten I-Trägers (Hälfte) mit Z-Stoß (a=5mm)
C Si Mn Cr Ni Mo Cu CEV CET
P355NL2
0,179 0,362 1,403 0,019 0,012 0,001 0,020 0,419 0,322
(Steg)
P355NL2
0,186 0,411 1,128 0,042 0,369 0,005 0,163 0,419 0,319
(Flansch)
P460NL
0,213 0,349 1,642 0,030 0,218 0,004 0,021 0,510 0,386
(Steg, Flan.)
Die mechanischen Kennwerte für den verwendeten P460 sind in Abb. 2-2 zu entnehmen.
wirtschaftlichsten erwies. Für längere Träger ist das Verschweißen mit dem Unterpulver-
schweißprozess günstiger (siehe Kapitel 1.1.1.2). Eine Übersicht der Prozessparameter
zeigt Tabelle 2-2. Darin sind die Kennwerte für die eingestellte Stromstärke I und die
Spannung U inklusive Schweißgeschwindigkeit vs der Werksfertigung enthalten.
Tabelle 2-2: Übersicht der Fertigungsparameter
Ein Vorwärmen der Bleche wurde aufgrund der Werkstoffgüte für die Träger aus P460NL
mit einer Vorwärmtemperatur von T = 120 °C notwendig. Die Schweißung der Träger
aus P355NL erfolgte ohne Vorwärmen. Das Makroschliffbild in Abb. 2-3 (metallografi-
sche Untersuchungen in Braunschweig am Institut für Füge- und Schweißtechnik (IFS)
[P858-14] ) zeigt die Ausbildung der WEZ mit dem gemessenen Einbrand.
Die Herstellung der Träger wurde messtechnisch begleitet, um einen Aufschluss über die
Schweißung zu erhalten. Für die begleitende Temperaturmessung wurden Thermoele-
mente des Typs K verwendet. Der gemessene Temperaturverlauf ist Abb. 2-4
2 Experimentelle Untersuchungen zur Herstellung und Montage von Blechträgern 47
Abb. 2-4: Ergebnisse der Temperaturfeldmessung für P355NL2 [P858-14] (1. Naht – links, 2. Naht – rechts)
Die Messung der Verformung (Abb. 2-5) erfolgte durch induktive Wegaufnehmer und
wurde über den gesamten Herstellungsprozess (transient) durchgeführt, um ein besseres
Verständnis über die Prozesskette zu gewinnen. Die transiente Messung ist für praxisre-
levante Problemstellungen von untergeordneter Bedeutung, da in der Regel der Endzu-
stand interessiert.
Naht im Pilgerschrittverfahren in drei Abschnitten als Steigposition (PF) als 3. Naht ge-
schweißt. Damit verbunden ist eine größere Pendelbewegung des Brenners. Der Öff-
nungswinkel beträgt jeweils 50°. Im letzten Schritt erfolgt das Schließen der Halskehl-
nähte in der Horizontal-Vertikalposition (PB) am Untergurt und in der Horizontal-Über-
kopfposition (PD) am Obergurt.
Abb. 2-7: Schweißnahtdetails für den Montagestoß, Detail 1: OG-bzw. UG, Detail 2: Steg, Detail 3 + 4: Halskehl-
naht OG [P858-14]
Eine detaillierte Beschreibung der Schweißabfolge mit der jeweiligen Lagenanzahl und
Heftnähten ist [P858-14] zu entnehmen. Ein gleichmäßiges Auffüllen der Lagen ist zu
beachten.
2.2.1 Temperatureinfluss
Um den Temperatureinfluss auf die Baustellenschweißungen herauszuarbeiten, werden
die unter Werksbedingungen hergestellten Träger (Kapitel 2.1) im Großklimaraum unter
erschwerten Bedingungen gestoßen. Drei verschiedene Temperaturbereiche: -10 °C, 0 °C
und +20 °C wurden untersucht. Aufgrund geltender Arbeitsschutzvorschriften in
2 Experimentelle Untersuchungen zur Herstellung und Montage von Blechträgern 50
Diese Positionierung der Bauteile im Rahmen simuliert den Montagefall auf einer Bau-
stelle hinsichtlich Zugänglichkeit und den damit verbundenen Schweißpositionen. Die
Zugänglichkeit innerhalb des Großklimaraums erschwerte zusätzlich den Schweißablauf.
In Tabelle 2-3 ist die Versuchsmatrix für sechs Montagestöße, jeweils drei einer unter-
suchten Materialgüte, angegeben.
Tabelle 2-3: Versuchsmatrix: Herstellung des Demonstrators
Die Montagestöße wurden mit dem Schweißverfahren 136 [EN ISO 4063], Metallaktiv-
gasschweißen mit Fülldrahtelektrode, ausgeführt. Das Verfahren 136 wird, neben dem
E-Hand-Schweißen 111 nach [EN ISO 4063], am häufigsten auf der Baustelle eingesetzt,
sieh auch 1.1.1.1. Aufgrund der Vorteile bei der Abschmelzleistung gilt das
MAG-Schweißen heute als Standardlösung für gegebene Aufgabenstellungen, insbeson-
dere für dickwandige Bauteile. Als Elektrode werden sowohl Massiv- als auch Fülldrähte
eingesetzt. Fülldrahtelektroden werden bevorzugt in Zwangslagen verwendet. Außerdem
wird durch die größere Abschmelzleistung der Fülldrähte gegenüber den Massivdrähten
2 Experimentelle Untersuchungen zur Herstellung und Montage von Blechträgern 51
eine größere Spaltüberbrückung sowie ein tieferer Einbrand möglich. Die Steigerung der
Abschmelzleistung bei gleicher Stromstärke wird durch die höhere Stromdichte erreicht
und verringert somit die Schweißzeit für dicke Bauteile und mehrere Lagen. Demzufolge
sind Fülldrähte für Baustellenschweißungen bei tiefen Temperaturen häufig die Wahl des
Schweißers. Durch die Anpassung der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe der Fülldrähte
werden hohe Werte der Kerbschlagarbeit erzielt [Rose-13].
Ein wichtiger Aspekt ist das Einhalten der festgelegten Vorwärm- und Zwischenlagen-
temperaturen. Das Vorwärmen im Großklimaraum erfolgte durch Glühmatten. Mit den
Glühmatten Abb. 2-10 ist eine einfachere Wärmezufuhr als bspw. mit Gasbrennern mög-
lich. In Abb. 2-9 sind Auszüge der Schweißarbeiten im Großklimaraum veranschaulicht.
Abb. 2-9: Schweißarbeiten in der Klimakammer bei tiefen Temperaturen, Wannen- (PA) und Überkopfposition
(PE)
Die Anordnung der Thermoelementen am Bauteil ist in Abb. 2-11 angegeben. Dabei sind
die Thermoelemente überwiegend im Schweißnahtbereich zu finden um den Temperatur-
gradienten nahe der Schweißstelle aufzuzeichnen. Des Weiteren ist in Abb. 2-11 das glo-
bale Koordinatensystem für die weitere Auswertung der Messergebnisse angegeben.
Die Temperaturmessergebnisse ergaben für beide Materialien, unabhängig von der Um-
gebungstemperatur, qualitativ und quantitativ übereinstimmende Temperaturfelder. Dies
resultiert aus den gleichen Anforderungen an Vorwärm- und Zwischenlagentemperatu-
ren. Die Einhaltung der Temperaturen ist bei Schweißarbeiten im tiefen Temperaturbe-
reich mit besonderer Sorgfalt zu berücksichtigen, um eine gute Schweißnahtqualität zu
erhalten. Durch den hohen Messaufwand während des Experimentes, wurde die Bauteil-
temperatur dokumentiert. Dieser hohe Dokumentationsaufwand wird in der Praxis nicht
betrieben, da die Messinstrumente nicht zur Verfügung stehen. Bei praktisch durchge-
führten Schweißungen wird meist mit einem Indikatorstift oder mit Infrarot Geräten
durchgeführt.
Zur Auswertung des Schweißprozesses wurden die Makroeigenspannungen röntgenogra-
fisch durch ein mobiles Diffraktometer am Institut für Füge- und Schweißtechnik (ifs)
bestimmt. Dabei wurden Quer- und Längseigenspannungen bezogen auf die jeweilige
Schweißnaht ermittelt (Abb. 2-12).
2 Experimentelle Untersuchungen zur Herstellung und Montage von Blechträgern 53
Eine metallografische Untersuchung ist in Abb. 2-13 als Makroschliff dargestellt. Zusätz-
lich ist die Härteverteilung der Flanschnaht des Montagestoßes II (P355NL2 – 20 °C)
angegeben. Es sind keine Unregelmäßigkeiten in der Schweißnaht festzustellen.
Durch die Überwachung des Temperaturverlaufs ergaben die Auswertungen, dass das
Abkühlverhalten in der Schweißnahtnähe weitestgehend unabhängig von der Umge-
bungstemperatur ist. In Abb. 2-14 sind zwei Temperaturverläufe des MS II + MS IV
[P858-14] in der Schweißnaht angegeben. Die Spitzentemperatur sowie die Abkühlrate
sind bei einem Außentemperaturunterschied von 30 K nahezu identisch und beeinflussen
die Härtewerte nicht. Der konvektive Wärmeverlust ist für dickwandige Bauteile von un-
tergeordneter Bedeutung. Der Temperaturverlauf innerhalb des Bauteils wird vorwiegend
durch die Wärmeleitung bestimmt. Dazu kommt, dass die gezielte Wärmeführung neben
und in der Schweißnaht durch das Vorwärmen des Bauteils den Temperaturverlauf be-
einflusst.
2 Experimentelle Untersuchungen zur Herstellung und Montage von Blechträgern 54
Abb. 2-14: Vergleich der gemessenen Temperaturverläufe zwischen MS V (blau, 20 °C) und MS VII (rot, -10 °C)
am Obergurt [P858-14]
Die Abkühlverläufe sind durch das Einstellen gleicher Vor- bzw. Zwischenlagentempe-
raturen weitgehend deckungsgleich. Durch diese Erkenntnisse während der Durchfüh-
rung der Versuche, konnte die Anzahl der Probekörper aus P460NL von 3 auf 2 reduziert
werden. Der Versuch MS VI bei 0°C für den P460NL wurde gestrichen, vgl. Tabelle 2-3.
Da die Wärmeführung einen direkten Einfluss auf die Eigenspannungen hat, werden die
Eigenspannungen ebenso keine signifikante Abweichung besitzen. Die Messung der
Längs- und Quereigenspannungsverläufe in Abb. 2-15 am oberen Flansch des MS II und
MS IV bestätigen diese Annahme.
a) b)
Abb. 2-15: Eigenspannungsverläufe im Nahtbereich des MS II (rot, 20 °C) und MS IV (blau, -10 °C):
a) Längseigenspannung, b) Quereigenspannung [P858-14]
2 Experimentelle Untersuchungen zur Herstellung und Montage von Blechträgern 55
Die vorhandenen Schwankungen sind auf die Tatsache zurückzuführen, dass es sich hier
um Handschweißungen handelt,. In Abb. 2-17 sind die Ergebnisse für P355 und P460 am
oberen und unteren Flansch dargestellt.
Abb. 2-16: Vergleich der Eigenspannungsverläufe für P355 (blau, MS II) und P460 (rot, MS V), jeweils bei 20 °C:
Längseigenspannung [P858-14]
Abb. 2-17: Vergleich der Eigenspannungsverläufe für P355 (blau, MS II) und P460 (rot, MS V), jeweils bei 20 °C:
Quereigenspannung [P858-14]
Die Schwankungen der Werte sind auf die manuelle Schweißung rückführbar. Ein Zu-
sammenhang mit der Umgebungstemperatur oder dem Material ist nicht unmittelbar her-
stellbar. In Abb. 2-18 sind Ergebnisse der Härtemessung des MS V (P460 – 20 °C) und
MS VII (P460 – 10 °C) angegeben.
Abb. 2-18: Vergleich der Härtemessung zwischen 20 °C (links) und -10 °C (rechts) für P460 (MS V und MS VII)
[P858-14]
Auf der linken Seite der Bilder ist im Makroschliff der mehrlagige, kaskadenförmige
Nahtaufbau zu erkennen. Ergänzend dazu, ist in den Härtemessergebnissen (HV1) kein
negativer Einfluss der Umgebungstemperatur im Hinblick auf eine mögliche Aufhärtung
feststellbar. Die Abweichungen erklären sich aus der Handschweißung. Jede Hand-
schweißung ist individuell und Unterschiede entstehen durch die Handfertigkeiten des
Schweißpersonals. Dies führt im untersuchten Fall sogar zu unterschiedlichen Aufbau der
Schweißlagen. Eine Vereinheitlichung ist prozessbedingt insbesondere für Handschwei-
ßungen grundsätzlich nicht möglich. Die Untersuchungen zeigen jedoch, dass das Ergeb-
nis nicht verschlechtert wird bei verschiedenen Techniken der Schweißer.
Bei einer Schweißnaht mittels Mehrlagentechnik wird, je nach Abstand der zuletzt ge-
schweißten Raupe, eine Umkristallisation sowie Umkörnung benachbarter Lagen erzielt
[P858-14]. Dies hat den Vorteil, dass kritische Härtewerte abgebaut werden. Zu beachten
ist die Einhaltung einer geeigneten Zwischenlagentemperatur. Ist diese zu hoch, kann es
zu einer Grobkornbildung kommen. Bei einer zu geringen Temperatur ist eine unzu-
reichende Kornverfeinerung zu erwarten. Von Bedeutung sind damit die Festlegung des
Lagenaufbaus und der Temperaturführung über die gesamte Schweißdauer. Für alle
durchgeführten Schweißungen wurde eine gute Qualität entsprechend den normativen
Vorgaben, wie Schweißnahtfehler - vgl. Tabelle 1-1, Grenzen der Unregelmäßigkeit -
vgl. Abb. 1-9 und der Härtewerte nach [9015-2], erreicht. Eine Ausnahme bildet die
Untersuchung am MS IV. Im Schliff zeigte sich ein Wurzelfehler, welcher auf ein un-
sachgemäßes Ausschleifen der Wurzellage zurückzuführen ist. Ein Zusammenhang mit
der Umgebungstemperatur konnte nicht aufgezeigt werden.
2 Experimentelle Untersuchungen zur Herstellung und Montage von Blechträgern 57
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine fachgerechte Schweißung bei tiefen
Temperaturen bis -10 °C für die Eigenspannungen, Metallurgie und Härte unkritisch ist.
Das belegen sowohl die Eigenspannungs-, Temperatur- als auch die Härtemessungen. Ein
weiterer kleinmaßstäblicher Versuch am ifs an einem Stumpfstoß mit vierlagiger
DV-Naht ohne Vorwärmung ergab ebenfalls keine signifikante Auswirkung des Aus-
gangstemperaturunterschieds auf das Eigenspannungsbild [Klas-13] und bestätigt die Er-
kenntnisse aus der Versuchsreihe zusätzlich. Als Ursache für die Unbedenklichkeit ist die
konstante Zwischenlagentemperatur zu nennen, welche sich nach dem Schweißen der
ersten Lage einstellt. Der Einfluss der Luftfeuchtigkeit bei niedrigen Umgebungstempe-
raturen auf die Schweißverbindung wurde nicht untersucht. Aussagen zur Kaltrissgefähr-
dung sind folglich nicht möglich. Für baupraktische Schweißungen wird empfohlen keine
Arbeiten unter -5 °C durchzuführen, da die Anforderungen an den Schweißer bei derarti-
ger Witterung keine fachgerechten Arbeiten ermöglichen.
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 58
Abb. 3-1: Vergleich der Modelle a) [EKS-84] und b) [BSK-99] am Referenzträger (P355NL)
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 59
Aus den Abmessungen des Querschnitts ergibt sich für [EKS-84] eine mittlere plastische
Breite (bpl) von 100 mm und 67,5 mm für [BSK-99]. Während bei [EKS-84] die ausglei-
chende Druckspannung ein Viertel der Fließspannung beträgt, hängt die Druckspannung
bei [BSK-99] von der Flanschdicke bzw. Stegdicke, der Flanschbreite und letztendlich
der Fließspannung ab. Für den dargestellten Beispielquerschnitt beträgt die Abweichung
der Druckspannung 13,4 MPa Die jeweiligen geometrischen Abhängigkeiten der
Druckspannung für das [BSK-99] Modell ist mittels Vorfaktor (Verhältnis Breite bzw.
Dicke zur Fließgrenze) über die Gleichungen (16) für den Flansch und (17) für den Steg
in den Abbildungen angegeben. In Abb. 3-2 und Abb. 3-3 ist die Abhängigkeit des Vor-
faktors und somit die Höhe der ausgleichenden Druckspannung von der Breite und der
Dicke angegeben. Dabei ist zu beachten, dass die Anwendungsgrenze des Modells [BSK-
99] mit 40 mm Blechdicke angegeben wird. Bei größeren Blechdicken ist das Modell
nicht mehr anwendbar. Eine Beschränkung für die Breite liegt nicht vor.
2,25 ∙ t f
σc = f(t f , bf ) ∙ fy = ( ) ∙ fy (16)
bf − 2,25 ∙ t f
4,50 ∙ t w
σc = f(t w , hw ) ∙ fy = ( ) ∙ fy (17)
hw − 4,50 ∙ t w
3.2 Schweißsimulation
3.2.1 Teilfertigung
Für die Modellierung der Teilfertigung sind jeweils 2 Kehlnähte zum Verbinden des Ste-
ges mit den beiden Flanschen zu betrachten. Aus Gründen der Symmetrie und der Höhe
des Steges ist keine gegenseitige Beeinflussung der Halskehlähte am oberen und unteren
Flansch hinsichtlich der Spannungen gegeben. Somit ist die Simulation des halben Quer-
schnittes ausreichend, was zu einer Reduzierung der Rechenzeit führt.
Abb. 3-4: Numerisches Modell des halben Teildemonstrators (P355NL2) [P858-14], Sysweld
Abb. 3-5: Schmelzbadabmessungen im numerischen Modell (links: quer, rechts: längs) und Kalibrierung am Mak-
roschliff (links) [P858-14], Sysweld
Das Netz aus Abb. 3-6 hat sich als günstigstes Netz herausgestellt. Die Goldakwärme-
quelle beim Schweißen der ersten Kehlnaht ist in Abb. 3-7 erkennbar.
Als Ergebnis der Berechnung ist in Abb. 3-8 ein Vergleich der gemessenen und der si-
mulierten Eigenspannungsverteilung am Flansch angegeben. Während die simulierte
(dunkelblau), über die Dicke gemittelte, Linie gleichmäßig verläuft, sind die gemessenen
Eigenspannungen (hellblau) mit einigen Schwankungen versehen. Diese messbedingte
Schwankung resultiert aus der Walzhaut und der Korrosion der Oberfläche. Hinzu kommt
die beschränkte Zugänglichkeit der Flansche, welche die Messung des Diffraktometers
nur an der Oberseite erlaubt. Betrachtet man die erzielten Ergebnisse, liegt im Mittel je-
doch eine gute Übereinstimmung vor.
Aus der Simulation können weitere Erkenntnisse gewonnen werden: Es ist nicht nur der
Längseigenspannungsverlauf der Oberseite auslesbar, sondern der Verlauf über die ge-
samte Querschnittsdicke. Durch das Einbringen der Schweißenergie entsteht ein starker
Temperaturgradient über die Dicke. Die Verteilung des Gradienten ist abhängig vom
Wärmeeintrag und der Blechdicke. Für dicke Bleche, hier der 30 mm starke Flansch, ist
im Bereich der Wärmeeinbringung eine deutliche Veränderlichkeit des Spannungsver-
laufs zu erkennen, wobei der dünnere Steg mit 15 mm nur eine geringe Veränderlichkeit
aufweist. Für die vier Schnitte durch den Flansch sind die Eigenspannungsverläufe zwi-
schen Ober- und Unterseite quantitativ sehr verschieden. Qualitativ entsprechen sie der
Modellvorstellung bisheriger Annahmen: Zugspannungen in der WEZ stehen ausglei-
chende Druckspannungen an den Flanschenden gegenüber (Abb. 3-10 bis Abb. 3-12).
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 63
MPa
Der Vergleichsrechnung in Simufact.welding mit dem Netz aus Abb. 3-6 ist die Längsei-
genspannung in Abb. 3-13 von Abb. 3-13 gegenübergestellt. Die Zugspannungen im Be-
reich der Schweißnaht liegen lokal über der Fließgrenze. In den Flanschenden und an der
Unterseite liegen Druckeigenspannungen vor. Es sind annähert gleiche Eigenspannungen
für das Sysweld- und das Simufact.welding Modells jeweils in Modellmitte, d.h. im sta-
tionärer Bereich zu erkennen. Eine weitere Betrachtung unterschiedlicher Schweißsimu-
lationssoftware im Zuge der Arbeit wird daher nicht verfolgt.
Für das später untersuchte Stabilitätsverhalten (siehe Kap. 4) ist zunächst das Druckspan-
nungsfeld von Interesse. Hier ist der Dickeneinfluss nur gering ausgeprägt und gut mit-
telbar. Ein weiteres Ergebnis der Simulation ist der erzeugte Verzug, welcher gerade für
die fertigende Firma relevant ist (siehe 1.1.1.4). In Abb. 3-14 ist der Gesamtverzug für
den Referenzträger mit 50-facher Vergrößerung dargestellt. Dabei verziehen sich die
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 65
Flanschenden nach oben. Im Modell sind damit „lokale“ Verzüge darstellbar. Aufgrund
der betrachteten Längen und den eingeführten Vereinfachungen ist die Übertragung auf
reale Verhältnisse im Gegensatz zu den Spannungen nicht klar. Die Bedeutung der Ei-
genspannungen und des Verzuges wird im Kapitel 3.3.2 im Zusammenhang mit den In-
genieuransätzen betrachtet.
3.2.2 Montagestoß
Die Schweißsimulation am Montagestoß ist durch das numerische Modell in Sysweld in
Abb. 3-16 angegeben. Die Berechnung erfolgte am halben Modell mit Symmetrieebene,
um den Rechenaufwand zu reduzieren. Der Lagenaufbau der Flansche erfolgte mit mehr
als 20 Schweißraupen. Da eine Modellbildung dieser vielen Lagen eine Berechnungszeit
mehrerer Monate erfordern würde, sind zusätzliche Vereinfachungen notwendig.
Abb. 3-16: Schweißsimulationsmodell des Montagestoßes, Sysweld: Vernetzung des Nahtbereichs im Obergurt
[P858-14]
Der vollständige Lagenaufbau des geschweißten Montagestoßes, hier mit 23 Raupen, so-
wie der vereinfachte Nahtaufbau mit insgesamt 6 Raupen sind in Abb. 3-17 dargestellt.
Abb. 3-17: Abgleich Schliffbild und vollständiger Lagenaufbau im Gurt (23 Raupen) und vereinfachter Lagenauf-
bau mit 6 Raupen für die Simulation [P858-14], Sysweld
Im Flansch wurde somit mit 6 Lagen und im Steg mit 3 Lagen gerechnet. Selbst die an-
gesetzte Vereinfachung ist mit hohem Aufwand, sprich Rechenzeit, verbunden. Daher ist
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 67
die Methodik für die praktische Anwendung ungeeignet und benötigt Ersatzmodelle
(siehe 3.3.3). Aufgrund der Ergebnisse zu den Untersuchungen zum Einfluss der Umge-
bungstemperatur (Kapitel 2.2.1) wurde in der Simulation die Umgebungstemperatur mit
20 °C angenommen. Des Weiteren wurden die Eigenspannungsverteilung aus dem vo-
rangegangenen Fertigungsschritt (Kapitel 3.2.1) sowie das Schließen der Halskehlnähte
zur weiteren Vereinfachung nicht berücksichtigt. In Abb. 3-18 und Abb. 3-19 sind die
Ergebnisse für den MS II dargestellt. Eine ausreichende Übereinstimmung der Messer-
gebnisse, jeweils 140 mm vom Rand entfernt, mit den durch die Simulation berechneten
Eigenspannungsverläufen kann festgestellt werden.
Abb. 3-18: Vergleich zwischen simulierter (rot) und gemessener (blau) Längseigenspannungsverteilung im Ober-
gurt des MS II, jeweils 140 mm vom Rand [P858-14]
Die Abweichung der Ergebnisse für die Querspannungskomponente ist quantitativ etwas
größer als bei den Längsspannungen. Als Ursache ist unter anderem die Vereinfachung
des Lagenaufbaus zu sehen. Das Zusammenfassen einzelner Raupen beeinflusst die Aus-
dehnungsbehinderung quer zur Naht mehr als die in Längsrichtung [Klas-13].
Aus Abb. 3-20 ist die Verteilung der Längseigenspannungen im Flansch und im Steg für
die Mittelebene bei 0,5·t zu entnehmen.
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 68
Abb. 3-19: Vergleich zwischen simulierter (rot) und gemessener (blau) Quereigenspannungsverteilung im Obergurt
des MS II, jeweils 140 mm vom Rand [P858-14]
Abb. 3-20: Längseigenspannungen [MPa] am Montagestoß, Schnitt jeweils bei 0,5·t (Mittelebene)
Abb. 3-21: Längseigenspannungen [MPa]: Querschnitt, Schnitt bei 0,5·L (halbe Nahtlänge); a) Flansch, b) Steg
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 69
Abb. 3-22: Quereigenspannungen [MPa] am Montagestoß, Schnitt jeweils bei 0,5·t (Mittelebene)
Infolge der Querkontraktion der abkühlenden Naht bei fest eingespannten Plattenrändern,
wie sie beim Montagestoß vorliegen, entstehen Quereigenspannungen in Plattenebene.
Diese Quereigenspannungen sind aufgrund des hohen Einspanngrads der Naht zu berück-
sichtigen. Die auftretenden Zugeigenspannungen klingen in etwa 300 mm zur Schweiß-
nahtmitte ab und haben demzufolge nur einen lokalen Einfluss. Aus Gleichgewichtsgrün-
den ist der Anfangs- und Endbereich der Naht gedrückt. Die maximalen Zugeigenspan-
nungen von zirka 200 MPa treten im Bereich der Wurzel auf (siehe Schnittdarstellung in
Nahtmitte Abb. 3-23).
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 70
Abb. 3-23: Quereigenspannungen [MPa]: Querschnitt, Schnitt bei 0,5 ∙ L (halbe Nahtlänge); a) Flansch, b) Steg
Gemittelt liegt die Zugeigenspannung etwa bei 1/3 der Fließgrenze des Grundwerkstof-
fes. Lokale Druckspannungen im Bereich der Decklagen resultieren aus der inhomogenen
Abkühlung zwischen Kern und Außenseite. Dieser Effekt tritt verstärkt bei einer größeren
Anzahl von Lagen auf, hier besonders im Flansch erkennbar. Im Randbereich erreicht die
Druckspannung etwa 250 – 300 MPa.
Zusammenfassend kann für die Schweißsimulation festgestellt werden, dass eine reali-
tätsnahe Vorhersage der Eigenspannungen und Verzüge möglich ist. Dabei ist ein hoher
Zeitaufwand bei der Erstellung des Modells notwendig, was die Anwendbarkeit bisher
nur auf kleine Bauteile beschrämkt. Im Stahlbau ist die Anwendung zum einen durch die
großen Strukturen und die damit verbundenen großen Schweißnahtlängen schwierig.
Zum anderen ist bei der Anwendung von geschweißten Trägern im Bauwesen meist keine
große Anzahl gleicher Gebäude gefragt. Mit Weiterentwicklung der Rechenleistung kann
in Zukunft allerdings von einem größeren Anwendungsbereich ausgegangen werden. Be-
sonders in der Teilfertigung, wo sich immer wieder gleiche bzw. ähnliche Arbeitsschritte
ergeben, kann das vorhandene Potential der Schweißsimulation genutzt werden. Bei au-
tomatisierten und mechanisierten bzw. teilmechanisierten Prozessketten, wie z.B. für Un-
terpulverschweißprozesse, sind statistische Schwankungen vergleichsweise gering. Der
Einsatz davor geschalteter Schweißsimulationen ist deshalb sinnvoll. Für Handschwei-
ßungen, wie sie bei einem Montagestoß durchgeführt werden, ist die Simulation aufgrund
des Prozesses mit veränderlichen Parametern nur bedingt einsetzbar. Daher ergibt sich
weiterhin der Bedarf praxisnaher Ingenieurmodelle (siehe Kapitel 3.3).
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 71
3.3 Ingenieurmodelle
Das Ergebnis der Traglastberechnung (siehe Kapitel 4) wird fundamental durch den Im-
perfektionsansatz gesteuert. Als Imperfektion versteht man jede fertigungsbedingte Ab-
weichung vom angenommenen Idealzustand. Bei der Fertigung von geschweißten Bau-
teilen im Stahlbau entsteht diese infolge des Wärmeeintrags und aus weiteren Fertigungs-
schritten, wie Toleranzen. Die damit entstandenen Imperfektionen sind im Kontext der
Normung als geometrische und strukturelle Imperfektion bezeichnet.
Konkret ist ausschließlich der Winkelverzug des Flansches mit dem eines I-Trägers ver-
gleichbar, da der Verzug einzig aus der Querschrumpfung im Flanschblech resultiert und
somit nicht durch andere Trägerteile beeinflusst wird. Der Winkelverzug des Steges ist
aufgrund der vorab dargelegten Zusammenhänge im Folgenden nicht dargestellt.
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 72
Die globalen Verzüge sind im Wesentlichen Biegeverzüge. Diese werden infolge einer
außermittigen Längsschrumpfung hervorgerufen. Die hier angegebenen Werte beziehen
sich auf den Biegeverzug, welcher für T-Stöße charakteristisch ist. Aufgrund geänderter
Steifigkeitsverhältnisse sind die Werte nicht auf I-Träger übertragbar. Am I-Träger hängt
der resultierende Schweißverzug insbesondere von der Schweißfolge ab. Durch den
doppelt symmetrischen Querschnitt entsteht der Verzug vorrangig als Folge einer
sequentiellen Fertigung, während die Schweißnähte im Regelfall nacheinander gefertigt
werden.
Der Längsverzug des Trägers ist mit einer maximalen Amplitude 0,1 mm in Abb. 3-25
(Top bedeutet der gemessene Werte der Oberseite, Top-I bedeutet idealisierter Wert)
angegeben. Das Stichmaß beträgt ca. L/5000. Auch hier liegen die Werte der Simulation
deutlich unterhalb üblicher Vergleichswerte. Es gilt jedoch zu beachten, dass hier nur ein
Trägerauszug modelliert wurde. Die Werte sind daher nicht repräsentativ für reale
Trägerlängen.
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 73
Grundsätzlich sind zwei Wege für die Berücksichtigung der Verzüge vorstellbar: ein
direkter Übertrag, sofern dieser verfügbar ist, oder die Skalierung anhand von
Eigenformen.
Eine direkte Eingabe der Koordinaten des Ausgangszustands wäre wünschenswert. Dies
ist nur mit erhöhtem Aufwand möglich und bedingt gleiche Netze der Schweißsimulation
und der Traglastberechnung. Zu bedenken ist, dass die Schweißsimulation in der Regel
am Volumenmodell brauchbare Ergebnisse liefert und die Traglastberechnung am
Schalenmodell. Außerdem sind die betrachteten Längen i.d.R. nicht gleich. Der
Trägerauszug im Schweißsimulationsmodell geht nicht über die komplette Trägerlange,
welche im Tragfähigkeitsmodell untersucht wird. Es stellt sich somit die Frage eines
geeigneten Koppelungsalgorithmus.
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 74
Alternativ zur direkten Übertragung der Verzüge ist eine Skalierung anhand der
maßgebenden Eigenform möglich, siehe Abb. 3-26. Hierbei sind globale und lokale
Eigenformen gegebenenfalls zu überlagern.
Abb. 3-26: Skalierung der maßgebenden Eigenform, lokale Eigenform aus linearer Beulanalyse, LBA
Für die hier betrachteten dickwandige Querschnitte hat der lokale Schweißverzug nur
geringe Auswirkungen. Bedeutender für die Traglast ist, neben den Eigenspannungen, die
Größe der globalen Vorkrümmung. Der zulässige Wert nach [DIN EN 1090-2] ist
ungeachtet der Trägerform L/750, welcher dem 7-fachen Wert aus Abb. 3-25 entspricht.
Für die Bemessung kann der Wert um 20 % reduziert werden. Hiermit ergäbe sich der
Wert zu 0,56 mm. Dies entspricht etwa L/1000, einem geläufigen Wert für numerisch
nichtlineare Traglastberechnungen. In der Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass diese
Werte für reale Trägerlängen vorgegeben wurden.
Im Gegensatz zu den genormten Verzugswerten, wird die anzunehmende
Eigenspannungsverteilung nicht genauer vorgegeben. Allerdings wird angegeben, dass
die gewählte Verteilung der Eigenspannung im Mittel die aus dem Fertigungsablauf
erwarteten Eigenspannungen widerspiegeln müssen. Diese sind üblicherweise unbekannt
und erschwert somit die Bearbeitung gegebener Problemstellungen.
borgen. Vor allem für höherfeste Stähle hat dies zunehmend Bedeutung, da der Span-
nungszustand maßgeblich durch Gefügeumwandlungen beeinflusst und die Fließgrenze
im Zugbereich i.A. nicht erreicht wird. Als Folge dessen sind Form und Amplitude des
Zugspannungsblocks falsch und sollten hinterfragt werden. In Tabelle 3-2 sind die rele-
vanten Einflüsse in einer Übersicht angegeben.
Tabelle 3-2: Übersicht relevanter Fertigungseinflüsse für die Ausbildung des Eigenspannungsfelds beim Schweißen
[Past-14-1]
Plastische Zone
ohne Berücksichtigung konstruktiver, fertigungstechnischer und werkstoffspezifischer Einflüsse
Breite/Höhe [EKS-84] bzw. Dicke [BSK-99] Einfluss der Wärmeführung bspw. der Strecken-
energie, Lagerung bspw. der Reaktionsspannun-
kein Temperatur- bzw. Spannungsgradient
gen
über die Dicke
Einfluss der Materialgüte auf Ausdehnung
der Zone
Umwandlungsverhalten
Phasenumwandlung (Austenit in Ferrit-Perlit, Martensit und Bainit)
In Abb. 3-27 und Abb. 3-28 sind die Simulationsergebnisse aus Kapitel 3.2.1 mit dem
Ansatz nach [EKS-84] und [BSK-99] gegenübergestellt. Dabei ist festzustellen, dass der
für die Traglastberechnung wichtige Anteil der Druckspannung zu den Flanschenden hin-
abfällt, was auf die große Flanschbreite zurückzuführen ist. Für schmale Flansche ist ein
annähernd konstanter Verlauf zu erwarten. Weiterhin ist im Modell nach [EKS-84] für
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 76
den hier untersuchten Fall eine überhöhte Breite des Zugbereiches zu erkennen, was in
Summe deutlich überhöhte Druckeigenspannungen, speziell für die Flanschränder, be-
dingt. Eine Verallgemeinerung dieser Aussage ist aufgrund eines betrachteten Anwen-
dungsfalls nicht möglich und ist für den Einzelfall zu betrachten. Für das zweite Modell
nach [BSK-99] ist die gemittelte Übereinstimmung insgesamt besser. Eine den simulier-
ten Verlauf angepasste abnehmende Druckspannung zu den Flanschenden hin, wird auch
hier nicht berücksichtigt.
Die Werte oberhalb der Fließgrenze hier über 355 MPa entstehen im schweißnahtnahen
Bereich. Dies resultiert zum einen aus dem drei-axialen Spanungszustand, es wird nur ein
Schnitt im zweidimensionalen betrachtet. Der Spannungszustand liegt im Volumen vor.
Der andere Grund ist das Gefüge im WEZ Bereich, welches aus dem abgeschmolzenen
Zusatz- und dem Grundwerkstoff besteht.
Eine genauere Berücksichtigung des Eigenspanungsverlaufes wurde in [P858-14] durch
eine Abtreppung untersucht (Abb. 3-29), die den abfallenden Verlauf der
Ausgleichsdruckspannung annähert.
ergeben sich die Werte der Tabelle 3-4. Die Auswertung hinsichtlich Brauchbarkeit und
Genauigkeit erfolgt im Kapitel 4.1.3. Für die halbe Flanschbreite sind in Abb. 3-31 die
Modelle verglichen.
Abb. 3-30: Ingenieurmodell: Vereinfachung für Längseigenspannungen mit reduziertem Aufwand, Approxima-
tion 2
Saint-Venant kann angenommen werden, dass die an der Störstelle höheren Spannungen
sich gleichmäßig verteilen und abklingen. Es stellt sich eine Abklinglänge von ca. 1,0 x
Querschnittshöhe ein. Dies hängt im Einzelfall zwar von der Schweißreihenfolge ab, ist
aber für eine normgerechte Schweißfolge zutreffend, welche in Kapitel 2.2 beschrieben
wurde.
Bei der Betrachtung des Montagestoßes sind die Spannungen längs und quer zur Naht zu
berücksichtigen. In Abb. 3-32 sind die Längseigenspannungen im Flansch und in Abb.
3-34 im Steg aus der Simulation (Kapitel 3.2.2) sowie deren Approximation dargestellt.
Die Längsspannungen (Spannungen längs der Naht) im Flansch werden im Folgenden
mit dem Index „yy“ bezeichnet, für den Steg mit dem Index „zz“ (entsprechend des hier
festgelegten Koordinatensystems: x – Trägerlängsrichtung, y und z quer, siehe zuvor
Abb. 2-11).
Abb. 3-32: Längseigenspannungsverlauf (y-Richtung), Schnittdarstellung auf ca. halber Nahtlänge im Flansch Vgl.
Simulation – Approximation
Für den Gleichgewichtszustand ist über die Flanschbreite (y) bzw. Steghöhe (z) die Zug-
spannung näherungsweise in Höhe der Fließgrenze anzunehmen (Abb. 3-33, Abb. 3-35).
Es wurde aus Darstellungsgründen jeweils nur ein Verlauf entlang der Naht (y für den
Flansch, z für den Steg) bei x = 1000 mm bzw. x = 850 mm geplottet.
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 80
Abb. 3-34: Längseigenspannungsverlauf (z-Richtung), Schnittdarstellung auf ca. halber Nahtlänge im Steg: Vgl.
Simulation – Approximation
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 81
x [mm] 0 – 400
y [MPa] 355
In Abb. 3-36 ist ein vereinfachter Modellvorschlag für den Ansatz der Längsspannungen
für den Flansch und den Steg angegeben. Der Vorschlag orientiert sich an den bisherigen
Untersuchungsergebnissen. Die Länge des Einflussbereiches liegt bei 0,75·hw. Diese An-
nahme ist mit Gleichung (18) verbunden und ist durch das gegenseitige Beeinflussen des
Schweißprozesses Flansch/Steg begründet. Treten davon abweichende Verhältnisse auf,
ist die angenommene Schweißfolge ohnehin nicht mehr erfüllt und andere Ansätze sind
zu betrachten.
ℎ𝑤 (18)
1,20 ≤ ≤ 2,00
𝑏𝑓
Dabei wird berücksichtigt, dass zuerst die dickeren Gurte auf Grund des grö-
ßeren Nahtvolumens und dann der dünnere Steg mit kleinerem Nahtvolumen-
geschweißt wird. Für typische I-Trägerkonstellationen ist dies der Fall. Die
Nahtreihenfolge kann bei umgekehrten Nahtvolumenverhältnissen, beispiels-
weise bei Versteifungsträgern mit hohem Steg sich umkehren. Die in Kapitel
1.1.1.3 dargestellten Überlegungen sind daher vorher zu prüfen.
Abb. 3-36: Ingenieurmodell für den Ansatz der Längseigenspannungen Flansch und Steg (±: sind in veränderlich in
Längsrichtung, LDB: Einflusslänge)
Für den referierten Beispielsquerschnitt aus S355 ergeben sich qualitativ Werte der Ta-
belle 3-9 und Tabelle 3-10.
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 83
In Abb. 3-37 und Abb. 3-38 sind die verschiedenen Modellansätze verglichen. Die Aus-
wertung hinsichtlich Brauchbarkeit und Genauigkeit erfolgt im Kapitel 4.2.3.
Gleiches gilt für den Steg in den Abb. 3-41 und Abb. 3-42. Die Spannungen am Rand und
in Mitte verlaufen nicht konstant über die Länge.
𝑥𝑐 =
𝑏𝐹 · (0,15·𝐿𝐷𝐵 +𝑡𝐹 ) (19)
0,90·𝐿𝐷𝐵 +7,5·𝑡𝐹
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 87
Abb. 3-43: Ingenieurmodell für den Ansatz der Quereigenspannungen an Flansch und Steg
Für den referierten Beispielsquerschnitt aus S355 ergibt sich nach Gleichung (19) eine
Länge Xc von ca. 78,43 mm. Die qualitativen Werte sind in der Tabelle 3-16 und Tabelle
3-16 sowie in den Abb. 3-44 und Abb. 3-45.
3 Rechnerische Untersuchungen und Ingenieurmodelle der Eigenspannungen und Imperfektionen 88
Tabelle 3-15: Wertepaare für das Ingenieurmodell des Quereigenspannungsverlaufs (x-Richtung), Schnittdarstellung
in Flanschmitte
Tabelle 3-16: Wertepaare für das Ingenieurmodell des Quereigenspannungsverlaufs (x-Richtung), Schnittdarstellung
am Flanschrand
3.3.4 Resümee
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ein Ansatz der Verzüge durch die vorgeschaltete
Schweißsimulation sehr aufwendig ist. Dieser wurde für die Teilfertigung diskutiert. Da-
her sind die vorgegebenen normativen Angaben (Toleranzen) zu bevorzugen, sofern
keine genaueren Daten vorliegen bzw. vereinfachte Simulationsansätze anwendbar sind.
Diese sind zukünftig zu untersuchen. Die Verwendung der Toleranzen wird derzeit als
eine treffende Näherung angesehen.
Werte der Eigenspannungen sind in Modellen für die Trägerfertigung vorhanden. Diese
sind allerdings mit Problemen hinsichtlich der Anwendungsgrenzen verbunden. Hier be-
steht Forschungsbedarf hinsichtlich allgemeingültiger Aussagen.
Die im Montagestoß resultierenden Verzüge sind lokal begrenzt und in der Größenord-
nung aus Sicht der Tragfähigkeit als vernachlässigbar einzustufen, insofern die globale
Geometrie nicht beeinflusst wird. Gemeint ist ein möglicher Knick an der Fügestelle, der
dann zu berücksichtigen wäre. Eine Einstellung einer solchen Verformung wurde hier
nicht untersucht.
Eine konkrete Angabe für die Berücksichtigung von Eigenspannungen im Montagestoß
ist bisher nicht vorhanden. Eine mögliche Vorgehensweise, unter Einbeziehung der
Schweißsimulation, wurde dargelegt und ist im Einzelfall zu evaluieren. Außerdem
wurde daraus ein vereinfachter Ansatz abgeleitet, der unter bestimmten Anwendungs-
grenzen eingesetzt werden kann. Die Implementierung wird für beide Fertigungsschritte
nachfolgend erörtert.
4 Nichtlineare Traglastberechnung 90
4 Nichtlineare Traglastberechnung
4.1 Teilfertigung
Abb. 4-1: Flussdiagramm der nichtlinearen Traglastberechnung (GMNIA: Geometrically and Materially Nonlin-
ear Analysis with Imperfections) [Past-14-1]
Teilbereiche eingeteilt wurde. Der untere Schlankheitsbereich ist mit einem Verhältnis
von λ̅ = 0,6 gewählt. Als mittlerer Schlankheitsgrad wurde λ̅ = 1,0 herangezogen. Wäh-
rend der obere Schlankheitsgrad das Verhältnis λ̅ = 1,4 besitzt. Die Berechnungen wurden
für einen S355 durchgeführt. Für die Beurteilung und Auswertung ist der Versagensmo-
dus des Biegeknickens um die schwache Achse (z-z) exemplarisch gewählt. Für die the-
oretischen Untersuchungen wurde ein Träger gewählt, der die gleichen geometrischen
Abmessungen aufweist wie der Prüfkörper (siehe Abb. 2-1, Schnitt A-A). Wie in Abb.
4-1 dargestellt sind sowohl geometrische als auch strukturelle Imperfektionen anzusetzen.
Die Berücksichtigung Imperfektionen ist in Tabelle 4-1 angegeben.
Tabelle 4-1: Imperfektionsansätze der theoretischen Untersuchungen
Als geometrische Imperfektionen wurden die Vorkrümmung Gl mit 0,8·L/750 sowie lo-
kale Imperfektionen in Höhe der zulässigen Toleranzen angesetzt. Dabei wurden drei
Kombinationen mit jeweils einer Größe als Leiteinwirkung verfolgt. Kombination 4) mit
nur lokalen geometrischen Imperfektionen wurde nicht maßgebend und nicht weiterver-
folgt. Kombination 2) stellte sich als maßgebend für das untersuchte System in allen drei
Schlankheitsgraden heraus.
Der Fokus der Untersuchung liegt in der Bewertung der Eigenspannungsmodelle und de-
ren Auswirkung auf rechnerische Tragfähigkeit. Um die Vergleichbarkeit zu den
Knickspannungslinien der aktuellen Normung [DIN EN 1993-1-1] herzustellen, erfolgt
die Darstellung normiert. Teilsicherheitsbeiwerte bleiben bei der Bewertung unberück-
sichtigt. Das bedeutet die dargestellten Ergebnisse sind als charakteristische Tragfähig-
keiten zu interpretieren. NR,k ist der numerisch ermittelte Wert der Tragfähigkeit für eine
planmäßige Druckbeanspruchung und die dimensionslose Tragfähigkeit ergibt sich zu:
𝜒=
𝑁𝑅,𝑘
. (20)
𝑁𝑝𝑙
Diese Annahme setzt voraus, dass die Eigenspannungsamplitude des Zug- und daraus
folgend des Druckspannungsblocks proportional zur Fließgrenze steigt. Die bisherigen
4 Nichtlineare Traglastberechnung 92
Betrachtungen (Kapitel 2.1 und 3.2.1) bestätigen diese Annahme nicht oder nur sehr ein-
geschränkt. Eine materialunabhängige Zuordnung ist insbesondere für höherfeste Stähle
zu hinterfragen.
4.1.3 Auswertung
Die Implementierung der Imperfektionsansätze ES1, ES2, ES3 und ES4 (siehe Kapitel
3.3.2) ermöglicht, deren Auswirkungen auf die Tragfähigkeit zu werten.
1 (21)
𝜒= ≤ 1,0
𝜙 + √𝜙 2 − 𝜆̅2
Der Faktor ist der Imperfektionsbeiwert und ergibt sich jeweils für die maßgebende
Knicklinie (vgl. Kapitel 1.1.2).
Für die Kombination 1 (Global) sind die Ergebnisse in Abb. 4-2 angeben.
In Abb. 4-3 ist das Fließzonenmuster für den Ansatz der Eigenspannung 3 (Approxima-
tion) angegeben. Im Ober- und Untergurt bilden sich einseitig mit Erreichen der Fließ-
grenze ein Fließbereich in Quer- und Längsrichtung aus. Für plastizierte Bereiche gilt
E=0 und reduziert damit die wirksame Steifigkeit. Im Traglastzustand ist kein stabiles
Gleichgewicht mehr möglich.
In Abb. 4-5 ist die maßgebende Kombination (Kombination 2) mit den untersuchten Ei-
genspannungsansätzen (ES1 [EKS-84], ES2 [BSK-99], ES3 [Approx] und ES4 [Ap-
prox2], vgl. Abb. 3-31) im Vergleich mit den existierenden Knickspannungslinien darge-
stellt. Die dazugehörigen Werte zeigt Tabelle 4-3. In den beiden Darstellungen ist zusätz-
lich der Wert ohne Eigenspannungen als Referenzwert angegeben.
Die FE-Berechnungen Abb. 4-5 liegt im Bereich der Knicklinie a und damit deutlich
oberhalb der nach Norm zu verwendende Knicklinie c. Die maximale Abminderung der
Traglast gegenüber der Berechnung ohne Eigenspannung beträgt 23 % für ES1, 14 % für
ES2, nur 9 % für ES3 und 7 % für ES4. Innerhalb der untersuchten Ansätze ist eine Ab-
weichung, abhängig vom Schlankheitsgrad, von 6-15 % aufgetreten. Maßgebend für die
Traglast sind die Höhe und der Verlauf des Druckspannungsblocks, welcher sich als
Gleichgewicht zum Zugspanungsblock in der WEZ ausbildet. Die Abweichung zum ver-
einfachen Modellansatz erhöht sich mit zunehmender Materialgüte [Past-16]. Dies be-
deutet, dass die Anwendung vereinfachter Modelle für hochfeste Stähle zu unwirtschaft-
lich ist. Um das Potential für die Bemessung zu nutzen, sind anwendungsorientierte und
dabei realitätsnahe Ansätze für Material und die Fertigung zu erfassen. Eine Vorausset-
zung für neue Ansätze der normal- und hochfesten Stähle ist eine breite experimentelle
4 Nichtlineare Traglastberechnung 96
4.2 Montagestoß
Für das numerische Modell wurde der Stoßbereich partitioniert. Nach der Vernetzung des
Schalenmodells wurden die Spannungen jeweils über Element-Sets zugewiesen. Zu-
nächst wurden die Längsspanungsanteile definiert, ihr Verlauf wurde über die Nahtlänge
konstant angenommen). Analog dazu wurden die Querspannungskomponenten mit ihren
Zug- und Druckbereichen approximiert. Einzelne lokale Druckspannungswerte, wie sie
in Decklagen vorliegen, wurden am Schalenmodell nicht berücksichtigt. Der Übergang
zwischen Zug- und Druckzone in Nahtlängsrichtung unter Einhaltung des Gleichgewichts
innerhalb des Modells ist gewährleistet. Unter dieser Maßgabe, ist der implementierte
Verlauf für die Längs- und Quereigenspannungen sowie als Vergleichsspannung in Abb.
4-6 dargestellt.
Das Abklingen der Eigenspannungen innerhalb von ca. 300 mm zur Schweißnahtmitte,
wie in Kapitel 3.2.2 festgestellt, zeigt bei der Traglastberechnung den lokalen Einfluss
der Montageschweißung. Hierbei wurde der Ausgangseigenspannungszustand der Teil-
fertigung (vor dem Fügen im Montagestoß) vernachlässigt, analog zum numerischen
Schweißsimulationsmodell des Stoßbereichs in Kapitel 3.2.2. Trotz dieser Annahme
4 Nichtlineare Traglastberechnung 97
zeigte sich im Kapitel 3.2.2, dass sich die simulierten Eigenspannungen lokal in guter
Näherung zu den Messwerten einstellen. Diese Werte wurden hier approximiert (Abb.
4-6). Inwieweit sich die Eigenspannungen aus der Teilfertigung in Kombination mit lo-
kalen Montagespannungen auswirken und wie beide Anteil im Tragfähigkeitsmodell be-
rücksichtigt werden können, wird im folgen Abschnitt näher diskutiert.
Mit der im Folgenden dargelegten Traglaststudie wird der Einfluss zusätzlicher Stoßbe-
reiche am Beispiel des Z-Stoßes bewertet. Dabei werden drei Fälle für die Stoßanordnung
4 Nichtlineare Traglastberechnung 98
unterschieden, jeweils für drei unterschiedlicher Schlankheitsgrade (λ̅ = 0,6; 1,0; 1,4).
Für die erste Variante ist der Stoß ungünstigst in Feldmitte gelegt. Bei der zweiten und
dritten Variante ist der Stoß im Viertels- bzw. Drittelspunkt angeordnet. In Abb. 4-7 ist
das Traglastmodell für λ̅= 0,6 bei mittiger Stoßanordnung angegeben.
a) b)
Abb. 4-7: a) Modell mit Z- Stoß für die Traglastberechnung, exemplarisch für λ̅ = 0,6 und mittige Stoßanordnung,
b) Partitionierung
Mit einer mittleren Elementkantenlänge von 25 mm sind Schalenelemente des Typs S4R
zu Einsatz gekommen. Eine Besonderheit stellt der Bereich des Montagestoßes dar. Die-
ser wurde abhängig von der jeweiligen Partitionierung feiner vernetzt. Die Implementie-
rung der Ergebnisse der Schweißsimulation ist in Kapitel 4.2.1 angegeben. Als Referenz-
modell ist, wie bereits in Kapitel 4.1.2, ein beidseitig gelenkig gelagerter Träger unter
planmäßiger Druckbeanspruchung gewählt. Um einen Bezug zur Tragfähigkeitsanalyse
herzustellen, wurde die Traglast ohne Eigenspannungsansatz und mit globaler Vorkrüm-
mung herangezogen. Als globale Vorkrümmung wurde nach Fertigungsnorm
[DIN EN 1090-2] ein Wert von maximal L/750 angesetzt. Dieser Maximalwert kann ge-
mäß [DIN EN 1993-1-5], Anhang C für die Tragfähigkeitsanalyse um 20 % reduziert
werden. Da der Einfluss aus der Werksfertigung bereits untersucht wurde (Kapitel 4.1),
wird der lokale Schweißverzug nicht separat erfasst. Die ermittelten Verzüge des Monta-
gestoßes sind lokal begrenzt und in ihrer Größenordnung als vernachlässigbar einzustu-
fen. Eine Relevanz für die gewählte Trägergeometrie liegt nicht vor. Für die Implemen-
tierung der Ergebnisse aus der Teilfertigung wird die Verwendung einer äquivalenten
Vorkrümmung empfohlen.
4 Nichtlineare Traglastberechnung 99
4.2.3 Auswertung
Für die Auswertung des Einflusses des Montagestoßes werden nur die Eigenspannungen
lokal übertragen. Die lokalen Verzüge sind in ihrer Größenordnung und räumlichen Aus-
dehnung vernachlässigbar. Der erste Schritt der Herstellung (Teilfertigung) wird nicht
explizit berücksichtigt. Gegenüber dem Fall mit Montagestoß, dient die Traglast des un-
gestoßenen Trägers mit sinus- oder parabelförmiger Vorkrümmung (0,8·L/750) als Refe-
renz. Die Abminderungsfaktoren liegen somit höher als die normativ vorgegebenen
Werte, da die Teilfertigung unberücksichtigt bleibt. Eine Vergleichbarkeit zur Normung
ist nicht unmittelbar gegeben. Hierfür wäre ein äquivalentes Stichmaß der Vorkrümmung
zunächst iterativ aus der Teilfertigung zu berechnen. Hier soll jedoch zunächst nur der
prinzipielle Einfluss eines solchen Störbereichs aufgezeigt werden, weshalb keine äqui-
valente Vorkrümmung angesetzt wird.
Abb. 4-8: Auswertung der Traglastberechnung (Zahlen oben: ohne Montagestoß, Zahlen links: Viertelspunkt,
Zahlen rechts: Drittelspunkt, Zahlen unten: Mitte), Darstellung mittels Abminderungsfaktoren
Mit der Differenz der betrachteten Grenzfälle kann der Einfluss des Stoßbereichs bewer-
tet werden (Tabelle 4-5). Für alle untersuchten Fälle liegt die maximale Reduzierung der
Tragfähigkeit unter 5 %. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Sicherheit und des
gültigen Sicherheitskonzepts, ist eine Vernachlässigung bei der Bauteilbemessung durch-
aus gerechtfertigt.
4 Nichtlineare Traglastberechnung 100
Abb. 4-9: Fließzonenausbreitung im Versagenszustand für λ̅ =0,6, oben: Trägermitte; unten Viertelspunkt
4 Nichtlineare Traglastberechnung 101
Für den Schlankheitsgrad 1,0 ist in Abb. 4-10 die Fließzonenausbreitung angegeben.
Ebenfalls fließt das Material am Montagestoß, aber der dominante Einfluss stammt und
damit der maßgebende Einfluss geht nicht vom Störbereich des Montagestoßes aus.
Die größte Reduzierung ergibt sich, wie erwartet, bei der Anordnung im Mittelpunkt.
Durch die Verschiebung des Störbereiches weiter hin zum Auflager wird die Auswirkung
weiter verringert. Damit ist, sofern dies möglich ist, der Montagestoß außerhalb hoch
beanspruchter Bereiche anzuordnen. In der betrachteten Beispielrechnung reduziert sich
der Einfluss durch die statisch günstigere Lage des Montagestoßes. Dies bestätigen eben-
falls die Last-Verformungs-Diagramme in den Abb. 4-11, Abb. 4-12 und Abb. 4-13.
Als Schlussfolgerung kann der Einfluss auf die Tragfähigkeit des Montagestoßes im un-
tersuchten Fall vernachlässigt werden. Im ungünstigsten Fall, bei der Anordnung in Trä-
germitte, ist die Abweichung zum Träger ohne Montagestoß kleiner fünf Prozent. Für den
jeweiligen Einzelfall ist der Einfluss abzuwägen. Eigenspannungen infolge des Montage-
stoßes können mit den dargestellten Modellen berechnet werden und somit konkret be-
rücksichtigt werden.
5 Resümee und Ausblick 103
Motivation der Arbeit war die Nachfrage der Industrie, den Einfluss niedriger Umge-
bungstemperaturen auf Montageschweißungen zu ermitteln und Kenntnisse über die ent-
stehenden Schweißeigenspannungen und Härtewerte zu erfahren.
Nach der Festlegung der Stoßart (Z-Stoß) als bewährte Ausführungsvariante und einem
realitätsnahen Bauteilquerschnitt (Flansch 30 x 500mm, Steg 15 x 800mm, Baustahl S355
und S460) erfolgte die Teilfertigung im Werk. Anschließend wurde im Großteilversuch
in der Klimakammer ermittelt, dass niedrige Umgebungstemperaturen bis -10°C einen
vernachlässigbaren Einfluss auf die Eigenspannungen sowie die Härteverteilung im Stoß-
bereich aufweisen. Allerdings empfiehlt es sich, aus Gründen des Arbeitsschutzes,
Schweißungen unterhalb -5 °C nicht durchzuführen. Bei der Realisierung der Schweißar-
beiten am Montagestoß ist eine normgerechte Schweißfolge nach dem Stand der Technik
unabdingbar. Besonderes Augenmerk ist auf die Schweißreihenfolge, die Nahtvorberei-
tung, den Nahtaufbau, und die Vorwärmtemperatur sowie eine entsprechende Qualifizie-
rung der ausführenden Schweißer im Vorfeld der Arbeiten zu achten. Die Vorwärmtem-
peratur und die Zwischenlagentemperatur ist unter Beachtung des Kohlenstoffäquiva-
lents, der Bauteildicke und des Wärmeeinbringens zu wählen. Für Mehrlagenschweißun-
gen ist die Zwischenlagentemperatur ca. 50°C bis max. 250°C höher als die Vorwärm-
temperatur einzuhalten. Während der Schweißarbeiten ist die Zwischenlagentemperatur
zu kontrollieren und konstant zu halten. Um Schweißnahtfehler, wie z.B. wasserstoffin-
duzierte Risse und Härtespitzen zu vermeiden ist das großflächiges Vorwärmen mit Glüh-
matten zu empfehlen. Das großflächige Erwärmen wird dem Vorwärmen mit Brenner
vorgezogen, welcher nur lokal wirkt. Für die Planung der Schweißarbeiten sind Kennt-
nisse über Material, Geometrie und Umgebungseinflüsse notwendig um ein fachgerech-
tes Arbeiten zu garantieren. Der Einfluss der Luftfeuchtigkeit bei niedrigen Umgebungs-
temperaturen wurde nicht untersucht.
eine baupraktische Anwendung noch nicht gegeben. Aufgrund der Rechenzeiten für dick-
wandige Träger mit vielen Lagen ist der Lagenaufbau zwingend zu vereinfachen. Durch
das Zusammenfassen von Lagen erreicht man eine erhebliche Zeitersparnis. Die durch-
geführten Berechnungen zeigen jeweils eine gute bis sehr gute Übereinstimmung mit ex-
perimentell ermittelten Verläufen. Das Abklingen der Eigenspannungen von der Naht
weg ist sehr gut nachzuvollziehen. Die Überführung der Eigenspannungsergebnisse aus
der Schweißstruktursimulation für die weitere Verwendung in der Traglastanalyse ist
wünschenswert, allerdings nicht ohne einen weiteren Arbeitsschritt möglich. Dies resul-
tiert aus den verschieden Netzgrößen und Detailanforderungen wie beispielsweise Mate-
rialmodelle der einzelnen Rechenschritte. Die Schweißstruktursimulation wurde im Vo-
lumenmodell mit kleinen Elementkantenlängen von 0,5 bis 10 mm durchgeführt während
die Traglastanalyse mit Schalenelementen mit einer Elementkantenlänge von 25 mm er-
folgte.
Als Ausblick auf zukünftige praktische Arbeiten und Forschungen ist die gezeigte Her-
angehensweise anwendbar. Vorausgesetzt werden muss, dass Kenntnisse über die physi-
kalischen Grundlagen und Zusammenhänge vorliegen und die einzelnen Arbeitsschritte
beherrscht werden. Diese sind nicht Teil der Ausbildung des Bauingenieurs und sind da-
5 Resümee und Ausblick 105
6 Literaturverzeichnis
Deutsche Fassung
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6 Literaturverzeichnis 110
6.3 Software
Sysweld, ESI und Virtual Viewer (Visual Environment 8.5)
Simufact.Welding
Abaqus, Dassault Systemes
Mathcad
Microsoft Office: Excel, Word