Mikrostruktur Und Mechanische Eigenschaften Der Nickellegierung IN 718

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Lehrstuhl für Werkstoffkunde und Werkstoffmechanik mit

Materialprüfamt für den Maschinenbau


Technische Universität München

Mikrostruktur und mechanische Eigenschaften


der Nickellegierung IN 718

Lars Renhof

Vollständiger Abdruck der von der Fakultät für Maschinenwesen


der Technischen Universität München
zur Erlangung des akademischen Grades eines

Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.)

genehmigten Dissertation.

Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Horst Baier


Prüfer der Dissertation:
1. Univ.-Prof. Dr. mont. habil. Ewald Werner
2. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hartmut Hoffmann

Die Dissertation wurde am 28. Juni 2007 bei der Technischen Universität München
eingereicht und durch die Fakultät für Maschinenwesen
am 15. Oktober 2007 angenommen.
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am
Lehrstuhl für Werkstoffkunde und Werkstoffmechanik der Fakultät für Maschinenwesen der
Technischen Universität München. Sie ist ein Kooperationsprojekt mit der Böhler Schmiede-
technik GmbH & Co. KG, in Kapfenberg, Österreich.

Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. mont. habil. Ewald Werner,
dem Ordinarius des Lehrstuhls für Werkstoffkunde und Werkstoffmechanik, für die Übertra-
gung des Projektes direct aged Inconel 718“, für seine fachliche Betreuung und sein über das

Übliche hinausgehende persönliche Engagement.

Mein Dank für die Einführung in die Geheimnisse der Elektronenmikroskopie gilt Frau Dr.
Susanne Guder. Für Anregungen und fachliche Diskussionen auf dem Gebiet der Mechanik
und Mathematik möchte ich Herrn Dr. Christian Krempaszky danken. Bei Fragestellungen der
Werkstoffkunde stand mir Herr Dr. Thomas Reip stets zur Seite. Frau Brigitte Hadler danke
ich für die Präparation und die Analyse der schier unendlichen Zahl von Proben. Der Werkstatt
des Lehrstuhls unter Leitung von Herrn Ralf Priller danke ich für die Anfertigung derselben.

Besonderer Dank für ihren Rückhalt, ihre Unterstützung, für Aufmunterung und viel Geduld
gilt meinen Eltern und meiner Frau Katharine.

Herrn Dr. Werner Horvath und Herrn Dr. Martin Stockinger danke ich für die Betreuung auf
Seiten des Industriepartners, der Böhler Schmiedetechnik. Außerdem sei der Böhler Schmiede-
technik für die Finanzierung des Forschungsvorhabens und die Bereitstellung des Probenmate-
rials gedankt.

I
Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

1.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.2 Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1.3 Kenntnisstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1.3.1 IN 718 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1.3.2 Das Legierungskonzept von IN 718 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1.3.3 Wärmebehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1.3.4 Phasen in IN 718 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.3.5 Schmiedeaggregate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

1.3.6 Schmiedeprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.3.7 Angewendete Analysemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

1.3.8 Bisherige Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2 Untersuchte Materialien und Probenentnahme 20

2.1 Ungeschmiedetes Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.2 Geschmiedetes Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

3 Experimentelle Untersuchungen 28

3.1 Mechanische Eigenschaften und Mikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

3.1.1 Mechanische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

3.1.2 Lichtmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

II
3.1.3 Transmissionselektronenmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

3.2 Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3.2.1 Wärmebehandlungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3.2.2 Umformversuch im Dilatometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

4 Ergebnisse und Diskussion 43

4.1 Geschmiedetes Material, nicht wärmebehandelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

4.1.1 Mechanische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

4.1.2 Lichtmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

4.1.3 Transmissionselektronenmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

4.1.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

4.2 Geschmiedetes Material, wärmebehandelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

4.2.1 Mechanische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

4.2.2 Transmissionselektronenmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

4.2.3 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

4.3 Dilatometerproben, Modifizierung des Dilatometerversuches . . . . . . . . . . . 74

4.3.1 Mechanische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

4.3.2 Lichtmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

4.4 Dilatometerproben, Umform- und WB-Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

4.4.1 Transmissionselektronenmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

4.4.2 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

5 Zusammenfassung 82

A Bestimmung der Werkstoffkennwerte 86

A.1 Wärmeausdehnungskoeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

A.2 Wärmeübergang in die Stempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

B Einführung in die Theorie der Elektronenmikroskopie 93

III
Kapitel 1

Einleitung

Die ständig steigenden Anforderungen an die Leistung von Gasturbinen machten die Entwick-
lung besonders leistungsfähiger Werkstoffe nötig. Turbinenschaufeln und -scheiben (s. Abbil-
dung 1.1) müssen bei Temperaturen von 60-80% ihrer Schmelztemperatur hohe mechanische
Lasten ertragen, ohne sich stark plastisch zu verformen. Der in dieser Arbeit besprochene Werk-
stoff IN 718 ist eine Ni-Fe-Legierung, die entwickelt wurde, diesen Ansprüchen zu genügen.

(a) Turbinenscheibe (Roh- (b) GE-90 Turbine [2]


ling) [1]

Abbildung 1.1: Turbinenscheibenrohling und Triebwerk GE-90 von General Electric.

1
Die Ni-Fe-Legierungen sind eine Weiterentwicklung der hochlegierten Ni-Cr-Stähle. In Deutsch-
land, England und den USA wurden am Anfang des 20. Jahrhunderts die Vorläufer der heu-
tigen Ni-Fe-Legierungen entwickelt. Aus diesen ersten Ni-Fe-Legierungen und den Erkennt-
nissen aus den Untersuchungen der Mikrostuktur von Ni-Legierungen leiten sich fast alle Ni-
Fe-Legierungen ab. Der langwierige und hochkomplexe Entwicklungsprozess führte schließlich
zu den modernen Superlegierungen, denen Cr für einen hohen Oxidationswiderstand und Mo
und W als Mischkristallhärter zulegiert sind, während Al, Ti und Nb sich mit Ni zu festig-
keitssteigernden Ausscheidungen verbinden. Alle diese Legierungen sind mischkristallgehärtet,
unterscheiden sich aber untereinander durch die Ausscheidungen, die sie ausbilden.
Die größte Gruppe unter den Ni-Fe-Legierungen erhält ihre Festigkeit durch die Ausscheidung
geordneter, kohärenter Teilchen (γ ′ ). Diese Legierungen werden - je nach Ni-Gehalt - zwischen
650 ◦ C (25-26 Gew.-% Ni) und 815 ◦ C (42-43 Gew.-% Ni) eingesetzt. Eine zweite Gruppe schei-
det geordnete, teilkohärente Teilchen (γ ′′ ) aus. Diese Legierungen, zu denen auch das hier
besprochene IN 718 gehört, haben exzellente Duktilitätseigenschaften bei cryogenen Tempera-
turen, sind aber auch hochfest bis zu 650 ◦ C. Die dritte Gruppe scheidet vor allem Karbide, Ni-
tride oder Karbonitride aus. Diese Legierungen haben Einsatztemperaturen bis zu etwa 815 ◦ C.
Die letzte Gruppe bildet wenig oder gar keine Ausscheidungen. Diese Legierungen kommen vor
allem dort zum Einsatz, wo nicht die Festigkeit, sondern vor allem die Korrosionsbeständigkeit
des Bauteils eine Rolle spielt. Einsatztemperaturen für diese Legierungen können bis zu 1100 ◦ C
erreichen.

Um die o.g. Eigenschaften zu erreichen, werden diese einer auf die jeweilige Legierung spe-
ziell abgestimmten Wärmebehandlung (Aging) unterzogen. Erfolgt die Wärmebehadlung gleich
nach dem Umformprozess des Bauteils, spricht man von Direct Aging, erfolgt zwischen dem
Umformprozess und der eigentlichen Wärmebehandlung eine Lösungsglühung, spricht man von
Standard Aging.

1.1 Motivation

Turbinenscheiben wie die in Abb. 1.1 gezeigte werden üblicherweise auf hydraulischen Pressen
gefertigt. Die Verwendung anderer Aggregate (Spindelpresse, Schmiedehammer) ist seltener.
Zugversuche an Proben aus Turbinenscheiben, die auf einer Spindelpresse gefertigt wurden,

2
zeigen, dass die Zugfestigkeit dieser Proben höher ist als die von Proben aus konventionell (hy-
draulische Presse) gefertigten Scheiben (s. Abb. 1.2). Die Festigkeit von auf einer Spindelpresse
gefertigten Scheiben sinkt außerdem auch bei Temperaturen nahe der Einsatztemperatur kaum
ab, während die Festigkeit des hydraulisch umgeformten Materials deutlich nachlässt.
Die durch eine Wärmebehandlung eingestellten mechanischen Eigenschaften dieser Legierung
können also durch die Umformgeschwindigkeit beeinflusst werden. Es wird vermutet, dass die
höheren Dehnraten, denen der Werkstoff im Inneren der Scheiben ausgesetzt wird, das Aus-
scheidungsverhalten der Legierung verändern. Dieses müsste sich z.B. im sog. Zeit-Temperatur-
Umwandlungs-Diagramm (ZTU) von IN 718 widerspiegeln. Ein ZTU-Diagramm zeigt, nach
welcher Zeitdauer sich bei welcher Temperatur welche Phasen bilden. Da die Ausscheidung
dieser Phasen im festen Material stattfindet, spricht man oft auch von Umwandeln.

1,05
Nor mier te Zugfestigkeit [-]

0,95

0,9

0,85
300 350 400 450 500 550 600 650 700
Ver suchstemper atur [°C]

Abbildung 1.2: Ergebnisse der Zugversuche an Proben aus IN 718, die auf unterschiedlichen
Aggregaten geschmiedet wurden.

Das derzeit verwendete ZTU-Diagramm nach Oradei-Basile und Radavich [3], s. Abbildung 1.3,
trägt dem Einfluss der Umformgeschwindigkeit nicht Rechnung, so dass es fraglich erscheint,
ob dieses Diagramm für schnell umgeformtes IN 718 verwendet werden kann.

3
Abbildung 1.3: Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Diagramm nach Oradei-Basile und Radavich [3]
für quasi-statische Umformung.

1.2 Ziel der Arbeit

Die vorliegende Arbeit soll klären, was die Ursache für die festgestellte Verbesserung der me-
chanischen Eigenschaften bei hoher Umformgeschwindigkeit ist. Daher beschäftigen sich die fol-
genden Untersuchungen mit der Analyse der mechanischen Eigenschaften und der Mikrostruk-
tur von schnell umgeformtem IN 718. Diese Arbeit soll die Ergebnisse der mechanischen und
mikroskopischen Untersuchungen miteinander verknüpfen. Als Ursache der gegenüber denen
nach quasistatischer Umformung verbesserten mechanischen Eigenschaften werden Einflüsse
auf die Mikrostruktur und das Ausscheidungsverhalten von IN 718 vermutet. Die Ergebnisse
dieser Untersuchungen werden in Form eines Zeit-Temperatur-Umwandlungsdiagramms (ZTU)
aufgetragen. Dieses Diagramm soll zeigen, wie sich der Ausscheidungsbeginn bei höheren Um-
formgeschwindigkeiten verändert. Die in dieser Arbeit untersuchten hohen Umformgeschwindig-
keiten oder Dehnraten wurden durch Schmiedung des Materials auf einer Spindelpresse erreicht.

Damit werden die Zusammenhänge zwischen den Parametern der thermo-mechanischen Be-

4
handlung (Schmiedeprozess), den mikrostrukturellen Vorgängen und den resultierenden ma-
kroskopischen Material- bzw. Bauteileigenschaften umfassend untersucht.

1.3 Kenntnisstand

In diesem Abschnitt wird die Legierung IN 718 vorgestellt. Das Legierungskonzept, die speziell
auf IN 718 abgestimmte Wärmebehandlung und die sich dabei bildenden Phasen werden be-
sprochen. Es wird auf die unterschiedlichen Umformaggregate eingegangen, die zur Herstellung
von Bauteilen aus IN 718 verwendet werden. Der Schmiedeprozess einer Turbinenscheibe auf
einer Spindelpresse wird besprochen. Abschließend wird eine kurze Übersicht über eine Auswahl
von Untersuchungen an IN 718 gegeben, deren Ergebnisse in dieser Arbeit verwendet, bestätigt
oder in Frage gestellt werden.

1.3.1 IN 718

Inconelr alloy 718 (IN 718) ist der Produktname einer Ni-Fe-Superlegierung der Special Me-
tals Corporation. Diese Legierung zeichnet sich durch hohe Festigkeit auch bei hohen Tem-
peraturen aus. Dadurch empfiehlt sich IN 718 für den Einsatz in Bauteilen, welche hohen
thermomechanischen Belastungen ausgesetzt sind, wie z.B. in landgestützten Gasturbinen oder
in Flugzeugtriebwerken [4]. Bauteile aus IN 718 werden in der Regel gegossen oder geschmie-
det. Turbinenschaufeln werden heute auch pulvermetallurgisch hergestellt oder als Einkristall
gezüchtet.

1.3.2 Das Legierungskonzept von IN 718

Die Hauptbestandteile von IN 718 sind Ni, Fe und Cr. Diese bilden die Matrix. Die chemische
Zusammensetzung von IN 718 variiert leicht. So kann je nach Hersteller z.B. der Fe-Gehalt
zwischen 16 und 19% und der Cr-Gehalt zwischen 17 und 19% schwanken. Der Anteil an Nb
liegt zwischen 5.20 und 5.55%, der von Mo zwischen 2.80 und 3.15%. Ti liegt zwischen 0.75
und 1.15% und Al zwischen 0.35 und 0.65% (alle Angaben in Masse-%).

5
Tabelle 1.1: Einfluss der wichtigsten Legierungselemente in IN 718

Element Einfluss des Elementes


Fe + billiger Nickelersatz
− verschlechtert die Korrosionseigenschaften
− fördert die Bildung spröder Phasen
Cr + erhöht den Korrosionsschutz
+ wirkt als Karbidbildner
+ Mischkristallhärter
− fördert die Bildung spröder Phasen
Ti + substituiert Al in γ ′ und Nb in γ ′′ , erhöht den Anteil an γ ′ und γ ′′
+ Karbid- und Karbonitridbildner
− erhöht γ ′ -Gitterparameter und Fehlpassung, beschleunigt Vergröberung
− fördert die Bildung spröder Phasen
Al + γ ′ -Bildner
+ Al2 O3 -Deckschichtbildner, Langzeitkorrosionsschutz bis 950 ◦ C
+ starker Mischkristallhärter
− hohe Gehalte verschlechtern Matrixstabilität
Nb + substituiert Al in γ ′ (niedrige Gehalte), verzögert Vergröberung von γ ′
+ bildet metastabile γ ′′ -Phase
+ Karbid- und Karbonitridbildner
+ Mischkristallhärter
+/- bildet stabile δ-Phase, s. Kapitel 1.3.4
− verschlechtert Oxidationsbeständigkeit
Mo + Mischkristallhärter
+ erhöht den E-Modul
+ verringert die Diffusionskoeffizienten der anderen Elemente in der Matrix
+ Karbidbildner
− fördert die Bildung spröder Phasen
− verschlechtert Oxidations- und Heißgasbeständigkeit

6
Die Legierungselemente haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Mikrostruktur und unter
anderem auch auf die mechanischen Eigenschaften von IN 718. Die Einflüsse der wichtigsten
Legierungselemente sind in Tabelle 1.1 zusammengefasst. Eine sehr ausführliche Auflistung aller
vorkommenden Legierungselemente und ihrer Auswirkungen auf IN 718 ist in [5] zu finden. Die
chemische Zusammensetzung der in dieser Arbeit untersuchten Legierung zeigt Tabelle 1.2:

Tabelle 1.2: Chemische Zusammensetzung der untersuchten Modifikation von IN 718 in Gew.-%

Ni Cr Fe Nb Mo Ti Al C B
52,00 19,00 19,00 5,30 3,10 0,95 0,55 0,03 0,005

1.3.3 Wärmebehandlung

Damit sich die für die hohe Festigkeit von IN 718 wichtige γ ′′ -Phase ausscheidet, wird das
Material wärmebehandelt. Es sind drei unterschiedliche Prozeduren gebräuchlich:

• Die klassische Standard 718-Wärmebehandlung. Die vorhandenen γ ′ - und γ ′′ -Teilchen so-


wie die δ-Phase werden bei einer Glühtemperatur von 1038 - 1066 ◦ C aufgelöst (die Vor-
stellung der einzelnen Phasen in IN 718 folgt in Abschnitt 1.3.4). Nach einer Abkühlung
an Luft wird das Material bei 760 ◦ C für 10 Stunden ausgelagert. Die zweite Wärmebe-
handlungsstufe wird nach einer Abkühlung im Ofen für weitere 10 Stunden bei 649 ◦ C
durchgeführt [4]. Nach einer Abkühlung an Luft wird eine Korngröße von ASTM 4-6
(grob) erreicht. Diese Variante von IN 718 eignet sich besonders für kriechbeanspruchte
Bauteile.

• Das leicht modifizierte High Strength 718 wird zuerst bei einer Temperatur zwischen 927 -
1010 ◦ C geglüht und anschliessend an Luft abgekühlt. Hierbei bleibt die primäre δ-Phase
erhalten. Dadurch führt diese Wärmebehandlung zu einer deutlich feineren Korngröße von
ASTM 8 [4]. Auf den Lösungsglühschritt folgt eine zweistufige Auslagerungsbehandlung
bei 718 ◦ C und bei 621 ◦ C für jeweils 8 Stunden. Die High Strength-Wärmebehandlung
wird bei schwingbeanspruchten, kerbempfindlichen Bauteilen angewendet.

• Bei der in dieser Arbeit besprochene Direct Aged-Wärmebehandlung wird im Unterschied


zur High Strength-Variante der Lösungsglühschritt eingespart. Die weitere Auslagerungs-

7
behandlung entspricht der High Strength-Wärmebehandlung. Die einzelnen Schritte wer-
den im nächsten Abschnitt genauer beschrieben. Die Direct Aged-Wärmebehandlung führt
zu einer Korngröße von etwa ASTM 10 (sehr fein, vgl. Abschnitt 3.1.2). Es konnte ge-
zeigt werden, dass durch die Direct Aged-Wärmebehandlung die Festigkeitseigenschaften
gegenüber der High Strength 718-Variante weiter erhöht werden können, ohne die guten
Kriecheigenschaften zu verlieren [6].

Bei Anwendung der Direct Aged-Wärmebehandlung wird das geschmiedete Bauteil aus der
Schmiedehitze in Wasser auf Raumtemperatur abgeschreckt. Anschließend wird das Bauteil
sofort ausgelagert. Dazu wird das Bauteil zuerst 8 Stunden bei 718 ◦ C geglüht. Dann wird das
Bauteil im Ofen innerhalb von 2 Stunden auf 621 ◦ C abgekühlt und weitere 8 Stunden bei
621 ◦ C gehalten, bevor es an Luft abgekühlt wird. Dabei bildet sich die sog. γ ′′ -Phase aus.
Die Reduzierung der Auslagerungstemperatur nach 8 Stunden ist notwendig, da sich bei einer
länger andauernden Wärmebehandlung bei 718 ◦ C statt der γ ′′ -Phase aus der Matrix die sog.
δ-Phase ausscheidet (vgl. Abbildung 1.3). Warum dieses nicht gewünscht ist, wird in den fol-
genden Abschnitten erläutert.
Mit diesem Verfahren können, gegenüber der High Strength-Variante, die einen Lösungsglüh-
schritt zwischen Schmieden und Auslagern vorsieht, Zeit und Kosten eingespart werden. Zusätz-
lich erhöht der Direct Age-Prozess auch die Zugfestigkeit und verbessert die Duktilität des Ma-
terials gegenüber der High Strength-Variante [6, 7].
Eine schematische Darstellung des Direct Aged-Auslagerungsprozesses zeigt Abbildung 1.4.

1.3.4 Phasen in IN 718

Die γ-Matrix

Die drei Elemente Ni, Fe und Cr bilden die austenitische γ-Matrix [8, 9] von IN 718 (s. Ab-
bildung 1.6a). Die Matrix hat eine kubisch flächenzentrierte Struktur. Für die Ausscheidungen
bildenden Nickelbasislegierungen nehmen die Elemente Al und Ti sowie Nb einen besonderen
Stellenwert ein. Mit diesen drei Elementen werden durch die in Abschnitt in 1.3.3 vorgestellte
Wärmebehandlung, die festigkeitssteigernden Phasen γ ′ (Ti, Al) und γ ′′ (Nb) gebildet. Den
entscheidenden Beitrag zur Festigkeit von IN 718 liefert das Nb [10].

Damit sich diese Phasen bilden können, benötigen sie eine treibende Kraft und Keime, aus

8
Abbildung 1.4: Direct Aged-Wärmebehandlung von geschmiedeten Bauteilen aus IN 718

denen sie wachsen können. Die Treibkraft steht im Material zur Verfügung, da es sich bei IN
718 im Anlieferungszustand um einen übersättigten Mischkristall mit stochastisch verteilten
Legierungselementen handelt.
Die chemische Zusammensetzung der Legierung wird im schmelzflüssigen Zustand eingestellt.
Beim Erstarren aus der Schmelze werden im Matrixgitter Atome von Legierungselementen ein-
gelagert, die einen deutlich größeren oder kleineren Atomradius als die Atome der Matrix haben.
Das Ni-Fe-Cr-Gitter (Atomradien 1.24 Å, 1.26 Å bzw. 1.27 Å) wird so weit gedehnt, dass z.B.
die größeren Nb-Atome (Atomradius 1.46 Å) Platz finden. In dieser Dehnung des Gitters ist
Verzerrungsenergie gespeichert. Bei Raumtemperatur reicht diese gespeicherte Energie jedoch
nicht aus, das Material in einen energieärmeren Zustand zu überführen. Erhöht man aber die
Temperatur (während einer Wärmebehandlung), diffundieren die Nb-Atome in der Matrix zu
Fehlstellen im Matrix-Gitter. Fehlstellen im Matrix-Gitter sind ebenfalls Stellen, an denen das
Gitter verzerrt ist. Das können neben Korngrenzen (zweidimensional) und Versetzungen (ein-
dimensional) auch Fehlstellen oder Zwischengitteratome sein (Punktfehler). Die im Vergleich
zu den Matrix-Atomen deutlich größeren Nb-Atome können vor allem an ein-oder zweidimen-
sionalen Fehlstellen die dort vorliegende Gitterverzerrung minimieren. Durch eine regelmäßige
Anordnung der Nb-Atome innerhalb eng begrenzter Bereiche wird die Gitterverzerrung der
Matrix weiter reduziert, so dass sich frei in der Matrix vorliegende Nb-Atome stets in Richtung

9
solcher Zonen regelmäßig angeordneter Nb-Atome bewegen. Die zur Bildung solcher Nb-reicher
Seigerungszonen notwendigen Fehl- oder Keimstellen liegen nach der Umfomung des Materials
in ausreichender Menge vor. Die sich an den Gitterbaufehlern bildenden Teilchen nennt man
γ ′′ -Ausscheidungen. Diesen Zeitabschnitt des Ausscheidungsvorgangs nennt man Keimbildung.
Es ist die erste von insgesamt drei Stufen, die der Ausscheidungsvorgang durchläuft. Während
des zweiten Abschnittes, dem ungestörten Wachstum, wachsen die γ ′′ -Teilchen aus den Keimen.
Dabei diffundieren Nb-Atome zu dem jeweils nächstliegenden Teilchen, das Teilchen wächst.
Mit dem Teilchen wächst auch sein Einzugsbereich, aus dem weitere Nb-Atome angezogen wer-
den. Fangen die Einzugsbereiche der Teilchen an, sich zu überlappen, konkurrieren sie um die
verbleibenden Nb-Atome. Der Ausscheidungsvorgang wird dadurch gebremst und die Teilchen
wachsen nur noch langsam. In Abbildung 1.5 ist der zeitliche Verlauf der drei Abschnitte des
Ausscheidungsvorganges schematisch dargestellt.
Sobald die zur Bildung der γ ′′ -Phase zur Verfügung stehende Menge an Nb in γ ′′ -Teilchen ge-

Abbildung 1.5: Schematische Darstellung der drei Wachstumsabschnitte der γ ′′ -Teilchen. Die
durchgezogene Linie stellt die Ausscheidungsabschnitte für hydraulisch geschmiedetes Material
dar. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Keimbildung bei spindelpressenumgeformtem Material
(gestrichelte Kurve) deutlich länger, das ungestörte Wachstum dafür deutlich kürzer dauert.

bunden ist, wachsen die vorhandenen Teilchen nicht mehr durch hinzudiffundierende Nb-Atome
aus der Matrix. Vielmehr wachsen nur noch größere Teilchen, indem sie Nb-Atome von kleineren

10
Teilchen abziehen. Indem die Teilchen wachsen und dabei ihre Anzahl geringer wird, reduziert
sich die (energetisch teure) Grenzfläche zwischen Ausscheidung und Matrix. Die immer größer
werdenden Teilchen behindern die Versetzungsbewegung nicht mehr so stark wie die kleinen
Ausscheidungen. Die Härte des Materials nimmt wieder ab.

Oberhalb von etwa 1020 ◦ C sind alle Phasen aufgelöst und es liegt allein die γ-Matrix vor [9]. Die
wichtigsten Phasen, die sich bei isothermer Wärmebehandlung unterhalb von 1020 ◦ C bilden,
werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Die γ ′′ -Phase

Aufgrund des - gegenüber Ni-Legierungen - hohen Fe-Gehaltes zählt IN 718 zu den Ni-Fe-
Legierungen. Dass der Fe-Gehalt für die Ausscheidung der γ ′′ -Phase entscheidend ist, zeigen
Untersuchungen am Ni-Nb-System. In [11] wird nachgewiesen, dass sich die γ ′′ -Phase bis zu
einem Nb-Gehalt von 12% gar nicht bildet. Fügt man wenige Prozent Fe hinzu, bildet sich die
γ ′′ -Phase bereits bei deutlich geringeren Nb-Gehalten. Die γ ′′ -Phase ist eine tetragonal raum-
zentrierte Ordnungsphase mit der Stöchiometrie Ni3 Nb (s. Abb. 1.6b). Diese Phase scheidet
sich bei technischen Wärmebehandlungen zwischen 650 ◦ C und 850 ◦ C aus der Matrix aus1
und hat eine Lösungstemperatur von ca. 885 ◦ C [12]. Bei IN 718 sind im Gegensatz zu ande-
ren Ni-Legierungen die Anteile der γ ′ -Phase bildenden Elemente Al und Ti zugunsten von Nb
abgesenkt, damit sich ein größerer Anteil an γ ′′ -Phase bildet [12]. Die γ ′′ -Teilchen sind schei-
benförmig, teilkohärent und haben eine scharfe Orientierungsbeziehung zur Matrix [12, 13]:

{100}γ k (001)γ ′′ , h001iγ k [100]γ ′′

Diese Notierung bedeutet, dass die Basisebene der Teilcheneinheitszelle immer parallel zu einer
der Würfelflächen der Matrixeinheitszelle ist. Es gibt also drei verschiedene Richtungen, in de-
nen sich die Teilchen in der Matrix ausscheiden. Die Gitterkonstante der Matrix ist aγ = bγ = cγ
= 3.524 Å, die der γ ′′ -Ausscheidung sind aγ ′′ = bγ ′′ = 3.624 Å; cγ ′′ = 7.406 Å. Daraus ergeben
aγ − aγ ′′ 2 ∗ cγ − cγ ′′
sich Fehlpassungen von ε = ≈ 3% in a- bzw. b-Richtung und von ε = ≈
aγ 2 ∗ cγ
5% in c-Richtung (mit 2 ∗ cγ = 7.048 Å für die Matrix-Einheitszelle). Aus diesen Werten lässt

1
Mit technischer Wärmebehandlung ist eine Wärmebehandlung in ökonomisch vertretbarem Zeitrahmen ge-
meint. Betrachtet man den thermodynamische Gleichgewichtszustand, erhält man genau die Lösungstemperatur
der Phase. Unterhalb der Lösungstemperatur scheidet die Phase aus, oberhalb ist sie aufgelöst.

11
sich die bevorzugte Wachstumsrichtung der Phase ablesen.

Die Fehlpassung zwischen Matrix und Ausscheidung wird durch Verzerrungen des Matrix-
Gitters ausgeglichen. Diese Verzerrungen aufzubringen kostet Energie. Aufgrund der gerin-
geren Fehlpassung in a- und b-Richtung ist für das Wachstum der Teilchen in dieser Rich-
tung weniger Energie aufzuwenden als in c-Richtung. Daher wachsen die Teilchen parallel zur
(a,b)-Basisebene schneller, es resultiert die typische Scheiben- bzw. Diskusform. Es kann davon
ausgegangen werden, dass alle drei Ausrichtungen der Teilchen gleich häufig auftreten [14].
Die üblichen Wärmebehandlungen sind daraufhin optimiert, dass sich zuerst die γ ′′ -Teilchen bil-
den. Ist die Ausscheidung der γ ′′ -Phase nahezu abgeschlossen, scheidet sich - bei entsprechender
chemischer Zusammensetzung und Wärmebehandlung - die γ ′ -Phase zwischen den γ ′′ -Teilchen
aus [3]. Der rechnerisch mögliche Anteil an γ ′′ -Phase in der vorliegenden Zusammensetzung
beträgt 14 Volumen-% [15, 16].
Die γ ′′ -Phase ist eine Zwischenstufe in der Ausscheidungssequenz von IN 718 und daher me-
tastabil. Bei einer Temperatur von etwa 650 ◦ C (≈ Betriebstemperatur) wandelt die γ ′′ -Phase
langsam (mehrere tausend Stunden, Erreichen des thermodynamischen Gleichgewichts) in die
δ-Phase um [12]. Wachsen die γ ′′ -Teilchen deutlich über 30 nm, wird ihre Gitterstruktur im-
mer mehr der orthorhombischen ähnlich und ihre Effektivität gegen die Versetzungsbewegung
nimmt dabei stark ab [13].

Die γ ′ -Phase

Die γ ′ -Phase ist eine kubisch flächenzentrierte Ordnungsphase der Stöchiometrie Ni3 (Ti,Al). Sie
ist kohärent zur Matrix. Die γ ′ -Phase ist eigentlich keine Phase im klassischen Sinn, sondern
eine kohärente Entmischungszone ohne Phasengrenze zur Matrix [12]. In IN 718 hat die γ ′ -
Phase eine untergeordnete Rolle, da die Anteile der Elemente Ti und Al, die in anderen Ni-
oder Ni-Fe-Legierungen für die Bildung dieser Phase verantwortlich sind, in IN 718 zugunsten
von Nb reduziert wurden, so dass auch in vollständig wärmebehandeltem IN 718 nur ein sehr
geringer Anteil an γ ′ -Phase zu finden ist (4-5 Vol.-% [17]).

Die δ-Phase

Die δ-Phase ist eine orthorhombische Ordnungsphase der Stöchiometrie Ni3 Nb [9]. Ihre Lösungs-
temperatur liegt ca. bei 1020 ◦ C [8]. Sie ist die stabile Variante der γ ′′ -Phase und bildet sich

12
c

z
x
y

c
z
x a
y
a

b b

(a) γ-Matrix (b) γ ′′ -Phase

Abbildung 1.6: Einheitszellen von γ-Matrix und der für IN 718 wichtigen γ ′′ -Ausscheidung.

entweder bei der Erstarrung aus der Schmelze (primäre δ-Phase) oder sie entwickelt sich nach
mehreren tausend Stunden bei Betriebstemperatur (≈ 650 ◦ C) aus der γ ′′ -Phase. Die δ-Phase
ist die Endstufe der Ausscheidungssequenz von In 718. Die primären δ-Teilchen sind erwünscht,
da sie die Korngrenzen belegen und damit das Kornwachstum der γ-Matrix während und nach
dem Schmieden hemmen [17, 18]. Die sich im Betrieb bildenden δ-Teilchen hingegen entstehen
aus den vorhandenen γ ′′ -Teilchen und befinden sich anschließend im Korninneren. Aufgrund
ihrer zur Matrix vollkommen inkohärenten Kristallstruktur ist ihre festigkeitssteigernde Wir-
kung deutlich schwächer als die der teilkohärenten γ ′′ -Phase. Zudem sinkt durch die spröden
Teilchen die Duktilität des Materials stark ab [19]. Daher ist die sekundäre Variante dieser
Phase unerwünscht, da ihr Auftreten die Duktilität des Bauteiles absenken kann.
Aufgrund der eventuell vorhandenen primären δ-Ausscheidungen wird der theoretisch mögli-
che Volumenanteil der γ ′′ -Phase nicht ganz erreicht. Der Anteil reduziert sich auf ungefähr 13
Volumen-%.

13
Karbide und Nitride

In Abhängigkeit vom Kohlenstoff- bzw. Stickstoffgehalt im Material scheiden sich beim Abkühlen
aus der Schmelze Karbide (vorwiegend NbC) und Nitride (vorwiegend TiN) aus. Die Karbi-
de sind massive, unregelmäßig geformte Ausscheidungen im Korninneren, vereinzelt auch an
den Korngrenzen und inkohärenten Zwillingsgrenzen [12]. Die Nitride sind meist kubische Ti-
tannitride in kleinen Mengen [12]. Der Einfluss dieser Ausscheidungen auf die Festigkeit ist
nach [20, 21] aufgrund des geringen Volumenanteils und des daraus resultierenden großen Ab-
standes der Teilchen voneinander vernachlässigbar. Man kann davon ausgehen, dass Karbide
und Nitride nur beim Bruch eine Rolle spielen [20, 21].

1.3.5 Schmiedeaggregate

Bauteile aus IN 718 werden geschmiedet, gewalzt, gegossen oder auch pulvermetallurgisch herge-
stellt. Turbinenscheiben werden üblicherweise geschmiedet. Dazu werden in der Regel hydrau-
lische Pressen eingesetzt. Andere verwendete Schmiedeaggregate sind Schmiedehämmer oder
schwungradgetriebene Spindelpressen (Abbildung 1.7a). Während hydraulische Pressen kraft-
gebundene Pressen sind, zählen schwungradgetriebene Spindelpressen und Schmiedehämmer zu
den arbeitsgebundenen Pressen.

In Abbildung 1.7b sind die wichtigsten Bauteile einer Spindelpresse dargestellt. Die Funkti-
onsweise der Presse sei hier kurz beschrieben:
Durch Ölmotoren wird das Schwungrad der Spindelpresse angetrieben. Ist die gewünschte Win-
kelgeschwindigkeit des Schwungrades erreicht, wird eine Rutschkupplung geschlossen und die
Energie des rotierenden Schwungrades auf die Spindel übertragen. Über die Spindel wird der
Schlitten, an dem das Gesenk befestigt ist, entlang der seitlichen Führungen senkrecht nach
unten auf das Schmiedestück zu bewegt. Durch das Aufsetzen des Gesenkes auf das Schmie-
destück wird das Gesenk bis zum Stillstand abgebremst, dabei wird die kinetische Energie in
Umformenergie und Wärme umgewandelt. Dabei stammen mindestens 90% der Energie aus
der Rotation des Schwungrades und maximal 10% aus der Bewegung des Schlittens [5].

Die Dehnrate in einem Bauteil, welches mit einer hydraulischen Presse umgeformt wird, liegt
etwa in der Größenordnung von ϕ̇ = 1s−1 . Die Dehnrate in einem Bauteil, welches auf einer

14
(a) Spindelpresse von Hasenclever (b) Schematischer Aufbau der ne-
(SMS Eumuco GmbH) [1]. benstehenden Spindelpresse [22].

Abbildung 1.7: Spindelpresse bei der Böhler Schmiedetechnik, Kapfenberg, Österreich. Maxi-
male Presskraft 315 MN [23].

Spindelpresse umgeformt wird, erreicht ϕ̇ = 10s−1 und mehr. Auf dem Schmiedehammer werden
Dehnraten im Inneren eines Bauteils von bis zu ϕ̇ = 50s−1 erreicht. Ein weiterer Unterschied
zwischen den Aggregaten ist die Änderung der Dehngeschwindigkeit im zu verformenden Bauteil
während des Schmiedeschlages. In Abbildung 1.8 ist zu erkennen, dass die lokale Dehnrate mit
dem Auftreffen des Gesenkes (Spindelpresse) bzw. des Hammers auf das Bauteil schlagartig
ansteigt und dann noch kurze Zeit weiter zunimmt, bevor sie bis zum Stillstand des Gesen-
kes/Hammers auf null abnimmt. Im Falle der Umformung auf einer hydraulischen Presse ist
die Werkzeuggeschwindigkeit konstant. Die Umformgeschwindigkeit nimmt im Laufe der Um-
formung erst leicht ab und steigt erst zum Ende des Umformschrittes hin leicht an. Dabei sind
sowohl Gesenk- wie auch Umformgeschwindigkeit deutlich niedriger als bei der Schmiedung auf
einer Spindelpresse.

1.3.6 Schmiedeprozess

Der Schmiedeprozess von massiven Bauteilen, wie Turbinenscheiben, ist sehr komplex. Es wir-
ken extrem hohe Kräfte auf die Gesenke und die Presse. Aus diesem Grund besteht ein Schmie-

15
Abbildung 1.8: Kennlinien verschiedener Umformaggregate (schematisch, aus [24]).

deprozess meist aus mehreren Schmiedeschlägen. Auf diese Weise werden die Kräfte auf Gesenke
und Presse niedrig gehalten. Bei Umformvorgängen mit besonders großen Formänderungen wer-
den sogenannte Zwischenformen eingesetzt. In diesen wird das Material in mehreren Schritten
endkonturnah vorverteilt. Dadurch werden die Umformkräfte nochmals reduziert und eine ex-
akte Füllung der Endform ist garantiert. In diesem Fall werden zwischen den Umformschritten
die Gesenke ausgetauscht, während das Schmiedestück im Ofen auf Schmiedetemperatur gehal-
ten wird. Durch den Kontakt mit den Gesenken kühlt die Oberfläche des Bauteils schnell ab.
Im Innern des Bauteils dissipiert ein Großteil (etwa 80-90%) der eingebrachten Umformenergie
in Wärme. Dadurch wird das Innere aufgeheizt. Um den Temperaturunterschied zwischen der
durch das Gesenk abgekühlten Schmiedeteiloberfläche und dem aufgeheizten Schmiedeteilinne-
ren auszugleichen wird das Schmiedestück zwischen den Umformschritten bei Schmiedetempe-
ratur im Ofen geglüht. Dieser sog. Rückwärmschritt hat aber einen weiteren wichtigen Grund.
Plastische Verformungen werden im Material durch Versetzungsentstehung und -bewegung be-
werkstelligt. Die bei hohen Umformgraden entstehende hohe Versetzungsdichte wirkt stark
verfestigend und würde die Umformkräfte deutlich erhöhen. Daher werden die Bauteile zwi-
schen zwei Umformschritten geglüht, um durch Rekristallisation - also Kornneubildung - die
Versetzungsdichte wieder zu reduzieren.

Die Daten für den Schmiedeprozess von Turbinenscheiben auf einer Spindelpresse wurden für

16
diese Arbeit zur Verfügung gestellt. In Tabelle 1.3 ist der gesamte Schmiedeprozess schematisch
dargestellt. Der Prozess besteht aus einem Vorwärmschritt und drei Umformschritten, zwischen
welchen die Scheibe jeweils eine Stunde lang auf Schmiedetemperatur gehalten wird. Die Um-
formschritte wiederum bestehen aus jeweils zwei Schlägen.
Der Schmiederohling wird vor dem ersten Umformschritt bei 1000 ◦ C für 3 Stunden geglüht.
Im ersten Schmiedeschritt wird eine Höhenabnahme des Rohlings von etwa 50% erreicht. Im
zweiten Schmiedeschritt wird das Schmiedestück auf etwa ein Drittel der ursprünglichen Höhe
gestaucht. Für die beiden ersten Umformschritte wird eine Vorform verwendet. Es folgt ein
weiterer Rückwärmschritt für 1 Stunde bei 1000 ◦ C, während das Gesenk in der Presse ge-
wechselt wird. Im dritten Umformschritt wird der Scheibe die gewünschte Endkontur gegeben.
Zwischen diesen beiden Fertigpress-Schlägen wird das Schmiedestückes nochmals bei Schmiede-
temperatur im Ofen geglüht. Eine detaillierte Übersicht über alle relevanten Schmiedeparameter
(Schmiedetemperatur, Haltezeiten, Umformgrade, Pressenkräfte) gibt [5].

Tabelle 1.3: Schematischer Schmiedeplan für die untersuchte Turbinenscheiben

Teilschritt Beschreibung Temperatur Zeit

1 Vorwärmen 1000 ◦C 3h
2 1. Vorpressen (1. Schlag) - -
3 1. Vorpressen (2. Schlag) - -
4 Halten 1000 ◦C 1h
5 2. Vorpressen (1. Schlag) - -
6 2. Vorpressen (2. Schlag) - -
7 Halten 1000 ◦C 1h
8 Fertigpressen (1. Schlag) - -
9 Halten - 45 sek.
10 Fertigpressen (2. Schlag) - -

17
1.3.7 Angewendete Analysemethoden

Um die Einflüsse der Dehnrate auf das Ausscheidungsverhalten der verschiedenen Phasen und
die daraus resultierenden mechanischen Eigenschaften beurteilen zu können, müssen Untersu-
chungen auf mindestens zwei Größenskalen durchgeführt werden. Während die Festigkeit des
Materials durch Untersuchungen in der Makroskala2 bestimmt werden kann, müssen die durch
unterschiedliche Dehnraten verursachten Veränderungen im Material auf der mikroskopischen
Skala untersucht werden. Die mechanischen Kennwerte werden anhand von Härtemessungen
untersucht. Diese Untersuchungen werden durch Analysen der Korngrößen und der gröbe-
ren Phasen mit den Methoden der Lichtmikroskopie unterstützt. Die Einflüsse unterschiedli-
cher Dehnraten auf Ergeignisse im Nanometerbereich (Versetzungen) und im Angströmbereich
(Leerstellen) und vor allem auch auf die Keimbildung der γ ′′ -Teilchen können mit den Metho-
den der Lichtmikroskopie nicht mehr beobachtet werden. Es ist das Auflösungsvermögen eines
Transmissionselektronenmikroskops vonnöten, um Veränderungen in dieser Größenordnung be-
urteilen zu können.

1.3.8 Bisherige Untersuchungen

Es existiert derzeit neben Quellen, in denen grundsätzliche Informationen über Hochtempera-


turlegierungen im Allgemeinen zu finden sind [25–28], eine große Anzahl an Arbeiten über IN
718, die sich mit speziellen Fragestellungen bezüglich dieser Legierung auseinandersetzen. Die
Mehrheit davon behandelt experimentelle Untersuchungen der Mikrostruktur von IN 718. Die
untersuchten Fragestellungen gehen von allgemeinen Arbeiten über die Besonderheiten von IN
718 [12] über die für IN 718 typischen Ausscheidungen [14–16,29–33] bis hin zu Arbeiten, in de-
nen Kohärenzspannungen zwischen Ausscheidungen und Matrix mittels Röntgendiffraktometrie
bestimmt werden [34, 35]. Einige Arbeiten wurden mit Unterstützung der Transmissionselek-
tronenmikroskopie durchgeführt; die für die vorliegende Arbeit wichtigsten beschäftigen sich
mit der Detektion und Analyse der γ ′′ -Phase [14, 30, 33, 36, 37]. In [33] wurden die wichtigsten

2
Zu untersuchende Objekte werden traditionell der makroskopischen oder der mikroskopischen Welt zuge-
ordnet je nachdem wie groß die Objekte sind. Der mesoskopische Größenbereich liegt zwischen dem makrosko-
pischen und dem mikroskopischen Bereich (griech. meso = mitten, zwischen). Hat ein Objekt Abmessungen in
der Größenordnung L, dann spricht man von einer makroskopischen Skala, wenn 1 µm < L, von einer mesosko-
pischen Skala, wenn 1 nm < L < 1 µm und von einer mikroskopischen Skala, wenn L < 1 nm ist. Nach dieser
Einteilung erreicht ein Lichtmikroskop lediglich Auflösungen auf der Makroskala.

18
Informationen über Präparationsmethoden und Besonderheiten der Legierung bei der Bestrah-
lung mit Elektronen gefunden.
Es finden sich derzeit lediglich zwei Arbeiten, die sich mit dem Einfluss des Schmiedens auf
die mechanischen Eigenschaften beschäftigen. Diese beiden Arbeiten untersuchen hammerge-
schmiedetes Material und stellen eine Festigkeitssteigerung als Folge dieser Umformmethode
fest [38,39]. Es wird eine Steigerung der Festigkeit gegenüber mittels einer hydraulischen Presse
umgeformten Scheiben beobachtet. Die Ursache für diese Festigkeitssteigerung wird aber nicht
weitergehend untersucht. Die Erhöhung der Festigkeit beträgt laut [39] etwa 20 % bei der Zug-
festigkeit und etwa 13% bei der Streckgrenze bei einer Temperatur von 650 ◦ C. Dies entspricht
in etwa der Verbesserung, die bei Versuchen der Böhler Schmiedetechnik mit spindelpressen-
geschmiedetem Material beobachtet wurde (Zugfestigkeitssteigerung von bis zu 16 %, vgl. Abb.
1.2). Eine weitere Arbeit stellt einen Einfluss der Umformgeschwindigkeit auf das Ausschei-
dungsverhalten von IN 718 fest [40]. Die Ursachen werden allerdings nicht ergründet. Die
Ergebnisse basieren auf dem Fertigungsprozess von Turbinenscheiben bei der SNECMA SA,
Frankreich.

In Kapitel 2 wird das verwendete Probenmaterial beschrieben. Die durchgeführten experi-


mentellen Untersuchungen an diesen Proben werden in Kap. 3 vorgestellt. Die Ergebnisse der
Untersuchungen sind in Kap. 4 ausgeführt und diskutiert. Kap. 5 schließlich gibt eine Zusam-
menfassung der durchgeführten Arbeiten und der Resultate.

19
Kapitel 2

Untersuchte Materialien und


Probenentnahme

Für die Untersuchungen der mechanischen Eigenschaften und der Mikrostruktur standen Schei-
benrohlinge aus IN 718 mit unterschiedlicher Vorgeschichte zur Verfügung. Vier Scheiben-Serien
(A bis D) wurden vor den Untersuchungen auf unterschiedlichen Aggregaten geschmiedet (as-
forged). Eine Scheibe verblieb im Lieferzustand (as-received), also ungeschmiedet. Aus allen
Scheiben wurden Proben entnommen, die teilweise thermomechanisch weiter behandelt wur-
den.

2.1 Ungeschmiedetes Material

Bevor das Material vom Schmied verarbeitet wird, wird es dreimal aufgeschmolzen, um un-
erwünschte Elemente zu entfernen und eine kontrollierte Erstarrung zu gewährleisten. Der er-
ste Schritt ist das Induktions-Vakuum-Erschmelzen und Vakuum-Abgießen (Vacuum Inducti-
on Melting - VIM). Mit diesem Prozess wird die chemische Zusammensetzung des Materials
äußerst genau eingestellt. Außerdem werden hier die Gehalte an O, N und H reduziert. Als
zweiter Schritt folgt ein Elektro-Schlacke-Umschmelzen (Electro Slag Remelting - ESR). In die-
sem Prozess wird der Gehalt an S reduziert. Der letzte Schritt ist das Vakuum-Umschmelzen
(Vacuum Arc Remelting - VAR). Hier wird die Homogenität des Materials weiter erhöht sowie
eine kontrollierte Erstarrung erreicht. Der dreimal aufgeschmolzene Barren wird anschließend
noch rundgehämmert, um das für den späteren Schmiedeprozess ungünstige Erstarrungsgefüge

20
aufzulösen und es in ein homogenes, feinkörniges Gefüge zu überführen [5].

Als Ergebnis dieser Behandlungsschritte erhält man Barren mit rundem Querschnitt (Durch-
messer ca. 200 mm). Derart vorbearbeitet wird das Material als as-recieved bezeichnet. Trotz
der aufwändigen Behandlung können Seigerungen bestimmter Legierungselemente (z.B. Nb) an
den stirnseitigen Enden der Barren auftreten, welche zu Unterschieden in der Mikrostruktur
(Korngrößen, Elementverteilung im Material) zwischen den Stirnseiten und dem Inneren des
Barrens führen. Diese Seigerungszonen reichen wenige Zentimeter von der Stirnseite in den
Barren hinein. Im regulären Schmiedeprozess, für den Stücke von etwa 250 mm Länge von
den Barren abgeschnitten werden, nimmt man diese Inhomogenitäten in Kauf, da der inho-
mogene Bereich nur einen Bruchteil des insgesamt verarbeiteten Materials ausmacht. Für die
hier durchgeführten Untersuchungen wurde allerdings lediglich eine Scheibe von 15 mm Dicke
von einem Barren abgeschnitten. Um eine Scheibe aus dem seigerungsfreien Bereich zu erhal-
ten, wurde die Scheibe aus der Mitte eines für den regulären Produktionsprozess bestimmten
Barrens entnommen (s. Abbildung 2.1). Damit sollen Einflüsse durch Inhomogenitäten auf die
Ergebnisse ausgeschlossen werden.

Abbildung 2.1: Entnahmestelle der Scheibe aus einem as-received Barren.

Aus der Scheibe wurden Proben mittels Wasserstrahl herausgeschnitten. Die Abbildung 2.2
zeigt die Scheibe mit den nummerierten, noch nicht herausgebrochenen Proben. Aufgrund ih-
res Übermaßes und der durch den divergierenden Wasserstrahl entstandenen konischen Form

21
mussten die Proben nachbearbeitet werden. Da diese Proben in einem Modellversuch einge-
setzt werden sollten, wurden sie auf das für diesen Versuch benötigte Endmaß abgedreht. Die
im Versuch eingesetzten Proben haben eine zylindrische Form mit 5 mm Durchmesser und 10
mm Länge (s. Abbildung 2.3).

Nach der Umformung und Wärmebehandlung der Proben im Modellversuch wurden aus je-
der Probe zwei Scheibchen von etwa 300 µm Dicke aus dem Mittenbereich entnommen. Aus
diesen Scheibchen wurden Plättchen von 3 mm Durchmesser herausgestanzt. Diese wurden
anschließend auf 100 µm abgeschliffen und für die Untersuchung im TEM vorbereitet.

Rand

Mitte

Kern

Abbildung 2.2: Übersicht über die Proben aus der ungeschmiedeten Scheibe und Einteilung der
drei Bereiche - Rand, Mitte und Kern.

22
Abbildung 2.3: Fertig bearbeitete Proben für den Einsatz im Modellversuch (Dilatometerpro-
ben).

23
2.2 Geschmiedetes Material

Es standen vier Probenserien von bereits geschmiedeten Scheiben zur Verfügung. In Tabelle 2.1
sind die Herstellparameter aller Probescheiben zusammengefasst.

• Die Scheiben der Serien A und B wurden vor den Untersuchungen auf einer Spindelpresse
geschmiedet. Ein Scheibenrohling (11A) wurde lediglich in einem Vorpressschritt (VP)
bis zu einem (lokalen) Umformgrad von 0.5 geschmiedet. Ein zweiter Rohling (12A) wur-
de zusätzlich eine Stunde lang bei Schmiedetemperatur rückgewärmt (RW). Ein dritter
Rohling (13A) wurde in zwei Schlägen (Vorpressen, Fertigpressen - FP) bis zu einem Um-
formgrad von 1.0 geschmiedet. Zwischen den beiden Schlägen wurde dieser Rohling eine
Stunde lang bei Schmiedetemperatur rückgewärmt. Ein vierter Rohling (14A) schließlich
wurde mit einem einzigen Schlag bis zu einem Umformgrad von 1.0 geschmiedet. Diese
vier Varianten wurden jeweils einmal bei 990 ◦ C (11 - 14A) und bei 1030 ◦ C (15 - 18A) ge-
schmiedet, so dass die Serie A aus insgesamt acht Scheiben besteht. Alle Scheiben wurden
abschließend in Wasser abgeschreckt (water quenched - WQ).

• Die Serie B besteht aus 10 Scheiben. Bei dieser Serie wurde zum einen der Umformgrad
zwischen 0.2 und 0.5 variiert und zum anderen wurden die Scheiben entweder in Wasser
abgeschreckt (WQ) oder an Luft abgekühlt (air cooled - AC).

• Die Scheiben der Serie C wurden vor den Untersuchungen in zwei Schritten auf einer
hydraulischen Presse (Nennkraft: 15 MN) bis zu einem Umformgrad von 1.0 geschmiedet.
Lediglich die Probe 13C wurde in drei Schritten bis zu einem Umformgrad von 1.0 ge-
schmiedet. Zwischen den Pressschritten wurden die Scheiben bei 1000 ◦ C bzw. bei 1015 ◦ C
rückgewärmt. Anschließend wurden sie entweder abgeschreckt (WQ) oder langsam an Luft
abgekühlt (AC).

• Die fünf Scheiben der Serie D wurden auf einem Schmiedehammer gefertigt. Alle wurden
bei 1000 ◦ C mit 6-10 Schlägen bis zu einem Umformgrad von etwa 0.5 umgeformt. An-
schließend wurden sie bei 1000 ◦ C bzw. bei 1015 ◦ C rückgewärmt. Bei der abschließenden
Umformung auf einen Umformgrad von 1.0 wurde auch bei diesen Scheiben die Abkühl-
geschwindigkeit variiert. Teilweise wurden die Scheiben zwischen den Fertigpressschritten
wiederholt rückgewärmt.

24
Die Scheiben der Serien A und B wurden mit einem gravurlosen Gesenk gefertigt (Flachstauch-
proben). Die Scheiben der Serien C und D wurden unter Verwendung eines gravierten Gesenks
geschmiedet. Aus den Scheiben der Serien A und B wurden Probekörper wie in Abbildung 2.4
dargestellt herausgetrennt.

Abbildung 2.4: Querschnitt der flach gestauchten Scheiben der Serien A und B. Es sind die
Dehnungen am Ende des Schmiedevorganges dargestellt. Es ist die Probeentnahmestelle ge-
kennzeichnet (a = TEM-Proben, b bis d = LIM-Proben). Bei der Probenentnahme wurde auf
eine möglichst homogene Dehnungsverteilung in den Proben geachtet. Die Dehnungen sind:
A=0.00, B=0.15, C=0.35, D=0.50, E=0.70, F=0.85, G=1.00, H=1.20, I=1.35, J=1.50.

Entsprechend wurde auch bei den Probekörpern der Serien C und D verfahren (vgl. Abbildung
2.5). Es wurde bei den Untersuchungen also lediglich ein kleiner Bereich des Scheibenquerschnit-
tes betrachtet. Die Beschränkung der Untersuchungen auf einen kleinen Bereich im Inneren der
Turbinenscheibe basiert auf folgenden Überlegungen:

1. Die Dehnrate und die Dehnung in einer Turbinenscheibe ändern sich über den Querschnitt
der Scheibe teilweise deutlich. Um Effekte unterschiedlicher Dehnungen und Dehnraten
bei den Untersuchungen auszuschließen, wurde ein Bereich im Querschitt der Scheibe
benötigt, in dem diese Parameter möglichst wenig variieren.

2. Auf der Presse werden lediglich die Rohlinge der Turbinenscheiben gefertigt. Diese Rohlin-
ge werden noch stark nachbearbeitet. Dabei wird ein großer Teil des Materials am Rand
der Scheibe abgetragen. Dieser Rand wird nochmals nachbearbeitet, wenn die Schlitze
für die Turbinenschaufeln eingefräst werden. Dabei fällt weiteres Material weg. Der am

25
stärksten umgeformte Bereich der Scheibe liegt in ihrer Mitte. Ein erheblicher Teil des
Mittenbereichs fällt allerdings ebenfalls weg. Dort wird das Loch für die Welle ausge-
nommen, auf der alle Scheiben einer Turbine befestigt sind. Aus dem schließlich noch
verbleibenden Querschnitt der Scheibe wurde ein Bereich mit möglichst hoher aber kon-
stanter Dehnung und Dehngeschwindigkeit für die Untersuchungen ausgesucht.

Die Bestimmung einer geeigneten Probenentnahmestelle wurde mit Hilfe eines Finite-Elemente-
TM
Programmes DEFORM2D durchgeführt (s. Abbildungen 2.4 - 2.5). Die genaue Vorgehens-
weise zur numerischen Simulation des Schmiedeprozesses ist in Kapitel 3.2.2 beschrieben.

Abbildung 2.5: Querschnitt der mit Gesenk geschmiedeten Scheiben der Serien C und D. Es
sind die Dehnungen am Ende des Schmiedevorganges dargestellt. Es ist die Probeentnahmestelle
gekennzeichnet (a = TEM-Proben, b bis d = LIM-Proben). Es wurde bei der Probenentnahme
auf eine möglichst homogene Dehnungsverteilung in den Proben geachtet. Die Dehnungen sind:
A=0.00, B=0.10, C=0.20, D=0.35, E=0.50, F=0.60, G=0.70, H=0.80, I=0.90, J=1.00, K=1.10,
L=1.25, M=1.40, N=1.50, O=1.60, P=1.70

An jeweils fünf Proben aus je einer Scheibe von hydraulischer Presse und Spindelpresse wurden
Wärmebehandlungsversuche durchgeführt. Diese wurden genauso wie die Proben für die licht-
mikroskopischen Untersuchungen aus den beiden Scheiben herausgetrennt (Probenstücke b, c
und d, Abbildung 2.4). Aus diesen Proben wurden dann nach der Wärmebehandlung Zylinder
herausgetrennt und für die Untersuchungen im TEM vorbereitet.

26
Tabelle 2.1: Herstellungsparameter der geschmiedeten Scheiben (Serien A bis D)

11A 990 ◦ C; VP - ϕ = 0.5; WQ


12A 990 ◦ C; VP - ϕ = 0.5; RW - 1h; WQ
13A 990 ◦ C; VP - ϕ = 0.5; RW - 1h; FP - ϕ = 1.0; WQ
14A 990 ◦ C; VP - ϕ = 1.0; WQ
15A 1030 ◦ C; VP - ϕ = 0.5; WQ
16A 1030 ◦ C; VP - ϕ = 0.5; RW - 1h; WQ
17A 1030 ◦ C; VP - ϕ = 0.5; RW - 1h; FP - ϕ = 1.0; WQ
18A 1030 ◦ C; VP - ϕ = 1.0; WQ

11B 1000 ◦ C; VP - ϕ = 0.2; AC


12B 1000 ◦ C; VP - ϕ = 0.3; WQ
13B 1000 ◦ C; VP - ϕ = 0.3; AC
14B 1000 ◦ C; VP - ϕ = 0.3; AC
15B 1000 ◦ C; VP - ϕ = 0.4; WQ
16B 1000 ◦ C; VP - ϕ = 0.4; AC
17B 1000 ◦ C; VP - ϕ = 0.4; AC
18B 1000 ◦ C; VP - ϕ = 0.5; WQ
19B 1000 ◦ C; VP - ϕ = 0.5; AC
20B 1000 ◦ C; VP - ϕ = 0.5; AC

11C 1000 ◦ C; VP; RW - 1000 ◦ C; FP - ϕ = 1.0; AC


12C 1000 ◦ C; VP; RW - 1000 ◦ C; FP - ϕ = 1.0; WQ
13C 1000 ◦ C; VP; RW - 1000 ◦ C; 2.VP; RW - 1000 ◦ C; FP - ϕ = 1.0; WQ
14C 1000 ◦ C; VP; RW - 1015 ◦ C; FP - ϕ = 1.0; AC
15C 1000 ◦ C; VP; RW - 1015 ◦ C; FP - ϕ = 1.0; WQ

11D 1000 ◦ C; 6-10 Schl.; RW 0.5h - 1000 ◦ C; 10 Schl. - ϕ = 1.0; WQ


12D 1000 ◦ C; 6-10 Schl.; RW 0.5h - 1000 ◦ C; 13 Schl. m. RW - ϕ = 1.0; AC
13D 1000 ◦ C; 6-10 Schl.; RW 0.5h - 1000 ◦ C; 15 Schl. m. RW - ϕ = 1.0; WQ
14D 1000 ◦ C; 6-10 Schl.; RW 0.5h - 1015 ◦ C; 12 Schl. - ϕ = 1.0; AC
15D 1000 ◦ C; 6-10 Schl.; RW 0.5h - 1015 ◦ C; 14 Schl. m. RW - ϕ = 1.0; AC

27
Kapitel 3

Experimentelle Untersuchungen

3.1 Mechanische Eigenschaften und Mikroskopie

Wie bereits erwähnt, müssen die Untersuchungen des Materials auf zwei Skalen unterschied-
licher Größenordnung durchgeführt werden. Zum einen werden die mechanischen Eigenschaf-
ten des thermomechanisch vorbehandelten Materials mittels Härtemessungen untersucht, un-
terstützt durch Analysen der Korngrößen und gröberen Phasen mit lichtmikroskopischen Me-
thoden. Zum anderen werden die Einflüsse der hohen Dehnraten auf die Mikrostruktur des
Gefüges mit Hilfe der Transmissionselektronenmikroskopie untersucht.

3.1.1 Mechanische Eigenschaften

Die Bestimmmung der mechanischen Eigenschaften geschieht anhand von Härtemessungen. Wie
bereits erläutert, sind die charakterischtischen Parameter Dehnrate, Dehnung und Temperatur
in der geschmiedeten Scheibe stark inhomogen. Es hätte demnach einen massiven Materialauf-
wand bedeutet, Zugproben aus kompletten Turbinenscheiben zu entnehmen. Stattdessen wurde
die Veränderung der mechanischen Eigenschaften durch die Wärmebehandlung mittels Härte-
messungen abgeschätzt. Die Festigkeit von IN 718 kann nicht - wie bei Stählen - direkt aus
der Härte bestimmt werden. Dennoch geben die Härtewerte in ausreichender Form Aufschluss
darüber, wie sich die Festigkeitskennwerte des Materials entwickeln.
Aus jeder Scheibe wurden Proben für die Härtemessung entnommen. Diese Proben wurden
für die Messungen geschliffen und nasspoliert. Die Härtemessungen aller Proben wurden nach

28
Vickers mit einer Prüflast von 98 N durchgeführt1 [41]. Die Eindringdauer der Diamantpyramide
betrug 15 s, die Prüfdauer 10 s. Die Ergebnisse der Messungen sind in Kapitel 4 dargestellt.

3.1.2 Lichtmikroskopie

Für die lichtmikroskopischen Untersuchungen wurden Proben aus jeder Scheibe in Epoxidharz
eingebettet und präpariert.
Mit der potentiostatischen Ätzmethode konnten gegenüber anderen Ätzungen die für licht-
mikroskopische Untersuchungen am besten geeigneten Schliffoberflächen erreicht werden [12].
Hierbei wird eine konstante Spannung von +1500 mV an die Probe angelegt, welche sich in
einer elektrolytischen Lösung aus 90 ml H2 O + 10 ml H2 SO4 befindet. Die Ätzdauer schwankt
zwischen 15 und 120 s.
Zur Bestimmung der Korngröße wurde ein Lichtmikroskop mit angeschlossener Bildanalyse ver-
wendet. Die Bildanalyse errechnet die Korngröße nach dem sogenannten Linienschnittverfahren
(z.B. in [42]). Bei diesem Verfahren wird ein Linienraster mit frei wählbarem Linienabstand über
einen Schnitt durch das zu untersuchende Material gelegt. Eine Analysesoftware detektiert die
Schnittpunkte der Linien mit den Spuren der Korngrenzen im Material. Das Programm misst
jeweils die Längen der Teilstücke zwischen zwei benachbarten Schnittpunkten (Sehnenlängen)
und klassiert sie. Damit steht eine Statistik über die Sehenlängen und damit auch über die
Korngrößen zur Verfügung. Es wird im Folgenden jedoch nur der mittlere Korndurchmesser
einer jeden Verteilung betrachtet.
Um die in dieser Arbeit festgestellten Korngrößen leichter mit denen der - vorwiegend ame-
rikanischen - Literatur vergleichen zu können, werden die so bestimmten Korndurchmesser
in die Einheit der American Society for Testing and Materials (ASTM) umgerechnet. Die
ASTM-Zahlen sind ein Maß für die Anzahl der innerhalb einer Testfläche liegenden Körner.
Die ASTM-Korngröße ist also ein Flächenmaß. In der ASTM-Skala stehen größere Zahlen für
feinere Körner. Umrechnungstabellen finden sich z.B. in [42].

3.1.3 Transmissionselektronenmikroskopie

Die Untersuchungen der Versetzungen und der γ ′′ -Phase wurden in einem Transmissionselektronen-
mikroskop (TEM) CM20 der Firma Philips durchgeführt. Dazu wurden jeweils dünne Plätt-
1
98 N =
ˆ 10 kp, daher ist die Härte in HV 10 angegeben.

29
chen von ca. 500 µm Dicke und ca. 3 mm Durchmesser aus den unterschiedlichen Proben
herauspräpariert. Diese Plättchen wurden bis auf eine Dicke etwa 100 µm mechanisch abge-
schliffen. In einer vollautomatischen Einheit zum Polieren und Dünnen von Folien (Tenupol-5)
wurden sie anschließend gedünnt. In diesem Gerät werden die Folien bei -20 ◦ C in einem Elek-
trolytbad (Struers A2) für etwa 2 min einer Spannung von 30 V ausgesetzt. Auf der einen Seite
der Folie beleuchtet ein Laserstrahl die Folienoberfläche, auf der anderen Seite ist eine Fotozelle
installiert. Fällt Licht auf die Fotozelle, erkennt das Gerät, dass die Folie ein Loch hat und der
Dünnvorgang wird gestoppt. An den Lochrändern ist die Folie nun dünn genug, um sie im
Transmissionselektronenmikroskop (TEM) durchstrahlen zu können. Die erreichte Foliendicke
liegt am Lochrand bei ca. 50 bis 100 nm.

Das für die Untersuchungen verwendete CM20 arbeitet mit einer LaB6 -Kathode. Die Elek-
tronen werden mit einer Spannung von 200 kV beschleunigt. Eine kurze Einführung in die
Theorie und die hier verwendeten Begriffe der Elektronenmikroskopie wird in Anhang B gege-
ben.

Die Hellfeld- und Beugungsbilder wurden entweder mit herkömmlichen Negativ-Fotoplatten


aufgenommen, die anschließend nasschemisch entwickelt wurden, oder mit Hilfe von Imaging-
Plates. Die Imaging-Plates werden wie gewohnt in das Fördersystem für die Fotoplatten im
TEM eingelegt und belichtet. Durch die auftreffenden Elektronen werden kleinste Kristalle
angeregt. Diese Anregung wird bei der anschließenden Entwicklung von einem speziellen Scan-
ner detektiert und in Farbinformationen umgerechnet. Da die Kristalle auch die Intensität der
Anregung durch die auftreffenden Elektronen speichern, können nicht nur die Informationen
“schwarz” oder “weiß” ausgelesen werden, sondern auch Graustufen. Dieses Bild wird vom
Scanner direkt zu einem Rechner geleitet und steht zur weiteren Bearbeitung elektronisch zur
Verfügung. Da das Auflösungsvermögen des Scanners (5 µm) die Größe der Kristalle (15 µm)
unterschreitet, wird die Auflösungsfähigkeit des gesamten Systems von der Kristallgröße fest-
gelegt. Die Kristalle werden durch weißes Licht wieder entladen, das aufgenommene Bild wird
damit gelöscht und die Plate steht für die nächste Aufnahme zur Verfügung.

30
3.2 Versuche

Das zur Verfügung stehende Material wurde mit Hilfe verschiedener Methoden untersucht. Es
soll die Ausscheidungskinetik der γ ′′ -Phase nach schneller Umformung analysiert werden. Zu
diesem Zweck werden zwei Arten von Versuchen mit dem Material durchgeführt. An den bereits
geschmiedeten Scheiben werden Wärmebehandlungsversuche durchgeführt, um das Wachstum
der γ ′′ -Teilchen in schnell umgeformtem IN 718 zu beobachten. Dazu werden Proben aus ge-
schmiedeten Scheiben entnommen und unterschiedlich lange wärmebehandelt.
Außerdem wird ein Modellversuch entwickelt. Mit diesem Versuch kann der Schmiedeprozess mit
anschließender Wärmebehandlung an Kleinproben nachvollzogen werden. Hierfür wird das noch
unverformte Material verwendet. Mit Hilfe einer Versuchsreihe, die unterschiedliche Wärme-
behandlungstemperaturen und -dauern abdeckt, kann der Ausscheidungsbeginn der γ ′′ -Phase
bestimmt werden. Das Ergebnis dieser Versuchsreihe ist das ZTU-Diagramm.

3.2.1 Wärmebehandlungsversuche

Die Entwicklung der γ ′′ -Teilchen nach der unterschiedlich schneller Umformung soll beobach-
tet werden. Die Wärmebehandlungsversuche werden daher an Proben zweier Scheiben durch-
geführt, die mit ähnlichen Herstellungsparametern (Anzahl der Schläge/Umformschritte, Um-
formgrad, Abkühlgeschwindigkeit), jedoch auf zwei unterschiedlichen Aggregaten hergestellt
wurden. Es werden die Scheiben 13A (Spindelpresse) und 12C (hydraulische Presse) für die
Versuche ausgewählt. Die Herstellungsparameter sind für beide Scheiben gleich: sie sind beide
vorgeglüht bei etwa 1000 ◦ C, vorgepresst, rückgewärmt für eine Stunde bei 1000 ◦ C, auf einen
Endumformgrad von ϕ=1.0 geschmiedet und anschließend in Wasser abgeschreckt.

Aus den beiden Scheiben werden jeweils fünf Proben herausgetrennt. Diese Proben werden
für 2, 4, 8, 20 bzw. 50 Stunden bei 718 ◦ C geglüht und anschließend in Wasser abgeschreckt
(WQ). Die Härte aller Proben wird gemessen und ihre Mikrostruktur im Elektronenmikroskop
analysiert.

31
3.2.2 Umformversuch im Dilatometer

Für die Erstellung des ZTU-Diagramms muss eine große Anzahl von Proben umgeformt und
anschließend unterschiedlich lange wärmebehandelt werden. Diese Versuche sollen nicht an
Scheiben in Bauteilgröße durchgeführt werden. Wie die Überlegungen zur Probenentnahme
zeigen, sind die charakteristischen Parameter des Umformprozesses (Dehnrate, Dehnung und
auch Temperatur) über dem Querschnitt einer Scheibe stark inhomogen. Es wird also, wie
auch bei den analytischen Untersuchungen an den geschmiedeten Scheiben, lediglich ein kleiner
Probenbereich beobachtet. Dazu wird ein Modellversuch entwickelt, der die Bedingungen des
realen Umformprozesses für diesen Bereich möglichst genau nachbildet.
Grundvoraussetzung für die Abbildung eines Realprozesses durch einen solchen Modellversuch
ist die geometrische Ähnlichkeit von Modellversuchs-Probe und realem Bauteil [43]. Die Unter-
suchungen der Turbinenscheiben werden, wie erwähnt, an Proben aus einem definierten Bereich
im Innern der Scheibe durchgeführt. Den Schmiedeprozess mit einem Modellversuch abzubilden
bedeutet also, in der Probe dieselbe Temperatur- und Umformgeschichte zu erzeugen, die der
definierte Bereich in einer Turbinenscheibe beim Schmieden erfährt.
Vakuumpumpe

Verformungseinheit
mit Druckmessdose

Thermoelement
Heizspule
Beweglicher Stempel Längenmesssystem
Fester Stempel

Abbildung 3.1: Das Umform- und Abschreckdilatometer DIL 805A/D der Firma Bähr-
Thermoanalyse GmbH.

Der Modellversuch wird in einem Umform- und Abschreckdilatometer (Fa. Bähr, DIL 805A/D,
Abbildung 3.1) durchgeführt. In dem verwendeten Dilatometer können Kleinproben induk-

32
tiv aufgeheizt und durch Spülung der Probenkammer mit Gas (N2 , O2 ) abgeschreckt werden
(Heiz- und Kühlrate max. 100 K/s). Das Dilatometer bietet eine exakte Temperatursteuerung
(± 0.05 ◦ C) über Thermoelemente, die direkt auf der Probe aufgeschweißt sind (vgl. Abbildung
A.2(a)). Aufgrund der verwendeten Heiz- und Abschreckmethode ist es im Dilatometer möglich,
in den kleinen Proben innerhalb von wenigen Sekunden eine homogene Temperatur auf ein Grad
genau einzustellen. Die Proben werden zwischen zwei Stempel aus Keramik (Al2 O3 , Si3 N4 ) ein-
gespannt. Einer der Stempel ist fixiert, der andere kann kraft- und/oder weggesteuert bewegt
werden. Die Versuche können im Dilatometer unter Gasatmosphäre oder im Vakuum durch-
geführt werden. Die Umformgeschwindigkeit kann in einem weiten Rahmen (0.001 - 12.5 s−1 )
variiert werden [44]. Über eine in das Gerät eingebaute Kraftmessdose kann die Umformkraft
gemessen oder auch geregelt werden. Die Längenänderung der Probe kann über das integrier-
te Längenmesssystem gemessen oder vorgegeben werden. Mit dem Dilatometer ist es möglich,
die im Schmiedeprozess vorherrschenden Bedingungen auf Kleinproben zu übertragen und die
Temperatur außerdem so zu steuern, als läge die Kleinprobe so wie die beobachtete Probenstelle
mitten in einem massiven Bauteil. Im Realprozess ist nach dem Schmieden ein Abschreckschritt
notwendig, um das Gefüge im umgeformten Bauteil einzufrieren, da es von der Schmiedepresse
erst in den Ofen transportiert werden muss. Weil die Proben im Umformversuch in ein und
demselben Gerät umgeformt und wärmebehandelt werden, entfällt hier das Abschrecken des
Bauteils nach dem Schmieden.

Der zu untersuchende Probenbereich im Innern der Turbinenscheibe lässt sich im Massstab


1:1 durch die Kleinprobe im Dilatometerversuch abbilden. Bei Berücksichtigung der in dem
beobachteten Bereich in der Turbinenscheibe auftretenden Temperaturverläufe lässt sich im
Dilatometer in der Kleinprobe die gleiche Umformgeschichte erzeugen wie in der Turbinen-
scheibe während der Schmiedung.
Zur Übertragung des Schmiedeprozesses auf die Dilatometerproben wird folgende Vorgehens-
weise gewählt:
In Tabelle 1.3 ist der industrielle Schmiedeprozess schematisch gezeigt. Mit den von Böhler
Schmiedetechnik gegebenen Steuerparametern für die Presse wird mit dem kommerziellen Soft-
warepaket DEFORM2DTM der gesamte Schmiedevorgang numerisch nachgebildet. Es werden
drei Schlüsselparameter als für den Schmiedeprozess charakteristisch identifiziert: die Tempe-
ratur, die Dehnung sowie die Dehnrate. Aus der Simulation können die Werte dieser Parame-
ter während des Schmiedeprozesses in dem beobachteten Bereich bestimmt werden. Die sich

33
entsprechenden Probenstellen in Turbinenscheibe und Dilatometerprobe zeigt Abbildung 3.2.
Anschließend wird der Umformversuch im Dilatometer auf die gleiche Weise mit dem Finite-
Elemente-Programm simuliert. Die Steuerparameter für das Dilatometer (Heizung, Stempelver-
fahrweg, Stempelgeschwindigkeit) werden in der Simulation systematisch variiert, bis in dem
beobachteten Bereich in der Dilatometerprobe die Werte für Temperatur, Dehnung und Dehnra-
te denen im Realprozess entsprechen. Die so ermittelten Steuerparameter werden anschließend
für den Modellversuch mittels der Steuersoftware am Dilatometer eingestellt.

Analyse des Umformprozesses mit Hilfe der Finiten Elemente Methode

Der Schmiedeplan (vgl. Tabelle 1.3) sieht insgesamt drei Doppelschläge vor: Zwei Vorpress-
schritte mit je zwei Schlägen und einen Fertigpressschritt mit ebenfalls zwei Schlägen. Zwischen
den Schritten werden die Turbinenscheiben jeweils 60 bis 80 Minuten bei 1000 ◦ C rückgewärmt.
Aufgrund des hohen Umformgrads und der langen Rückwärmzeit kann von vollständiger Rekri-
stallisation des Materials zwischen den Umformschritten ausgegangen werden. Dies wird in der
Simulation berücksichtigt, indem vor jedem Umformschritt die Dehnung an allen Knoten des
Modells auf null gesetzt wird. Alle Berechnungen werden für axialsymmetrische Werkstücke
unter Berücksichtigung des Wärmeüberganges vom Werkstück in die Gesenke durchgeführt.
Das Verhalten des Gesenkmaterials wird als starr angenommen. Das Verformungsverhalten von
IN 718 bei der Warmumformung wird über zur Verfügung gestellte temperatur- und dehnraten-
abhängige Fließkurven implementiert. Eine skizzenhafte Darstellung einer solchen Fließkurve
zeigt Abbildung 3.3. Ebenfalls zur Verfügung gestellt wurden der Wärmeübergangskoeffizient
zwischen Werkstück und Gesenk mit 7.3 W/m2 K. Die Umgebungstemperatur beim Schmieden
wurde mit 50 ◦ C und der Konvektionskoeffizient mit 60 W/m2 K angenommen. Der Reibkoeffi-
zient zwischen Gesenk (Stahl) und Werkstück wurde auf 0.35 gesetzt. Auch diese Werte sind [5]
entnommen, werden aber auch von anderen Quellen bestätigt [45]. Beim Umformversuch im
Dilatometer wird die Probe zwischen zwei keramischen Stempeln verformt. Der Reibkoeffizient
zwischen Stempel (Si3 N4 , starr) und Probe wird auf 0.3 gesetzt (Annahme für den Reibkon-
takt Metall und polierte Keramik). Der Wärmeübergangskoeffizient zwischen IN 718 und den
Keramikstempeln ist 2 W/m2 K (experimentell ermittelt, s. Anhang A.2). Die Umgebungs-
temperatur beim Versuch liegt bei 30 ◦ C. Da die Versuche in einer möglichst weit evakuierten
Probenkammer durchgeführt werden, wird der Konvektionskoeffizient nach [46] mit 20 W/m2 K
angenommen.

34
(a) Turbinenscheibe

(b) Dilatometerprobe

Abbildung 3.2: Für die Analyse des Schmiedeprozesses und die Anpassung des Dilatometer-
versuches ausgewählte Probenbereiche. Die Werte für Dehnrate, Dehnung und Temperatur an
den markierten Punkten wurden für den gesamten Prozess aufgenommen. Aus diesen Werten
ergeben sich die Abbildungen 3.4, 3.5 und 3.6.35
Abbildung 3.3: Skizze einer Fließkurve bei konstanter Dehnrate, Temperatur unter Einfluss
der dynamischen Rekristallisation (σP Maximalspannung, σSS Steady-State-Spannung, ϕP zur
Maximalspannung korrespondierender Umformgrad, ϕC kritischer Umformgrad ab dem die dy-
namische Rekristallisation startet, ϕSS Steady-State-Umformgrad). Entnommen aus [5].

Umformversuch

Der Umformversuch, der sich unter Zuhilfenahme der numerischen Nachbildung des realen
Schmiedeprozesses ergibt, ist in Tabelle 3.1 zusammengefasst. Die mittels FE-Simulation be-
stimmten Werte der Schlüsselparameter für Schmiedeprozess und Umformversuch sind in den
Abbildung 3.4 bis 3.6 gegenübergestellt. Die Diagramme für Dehnrate und Dehnung zeigen die
gute Übereinstimmung der Werte von simuliertem Schmiedeprozess und simuliertem Umform-
versuch. Abbildung 3.6 zeigt die berechneten Temperaturen in der Dilatometerprobe für die rei-
ne Umformbehandlung. Die Differenz zwischen den Werten resultiert aus der unterschiedlichen
Geometrie und Masse der Turbinenscheibe und der Dilatometerprobe. Für die Umformung der
Scheibe wird deutlich mehr Energie benötigt, welche in Wärme dissipiert. In der großen Scheibe
benötigt die Ableitung der Wärme deutlich länger als in der kleineren Dilatometerprobe [47].
Im Umformversuch werden die unterschiedliche Geometrie und Masse der Proben kompensiert,
indem die Temperatur in den Dilatometerproben während des Umfomschritts dem Schmiede-

36
Tabelle 3.1: Teilschritte des Umformversuchs im Dilatometer

Teilschritt Beschreibung aktuelle Probenlänge Dauer Temperatur

1a Vorwärmen 10 mm 1h 1000 ◦ C
1b Vorwärmen 10 mm 2h 1000 ◦ C
2 1. Vorpressen (1. Schlag) 7.8 mm - 1030 ◦ C
3 1. Vorpressen (2. Schlag) 6.1 mm - 1030 ◦ C
4a Abkühlen 6.1 mm 20 min. 1030 ◦C auf 1000 ◦ C
4b Halten 6.1 mm 40 min. 1000 ◦ C
5 2. Vorpressen (1. Schlag) 5.1 mm - 1050 ◦ C
6 2. Vorpressen (2. Schlag) 4.1 mm - 1050 ◦ C
7a Abkühlen 4.1 mm 20 min. 1050 ◦C auf 1000 ◦ C
7b Halten 4.1 mm 40 min. 1000 ◦ C
8 Fertigpressen (1. Schlag) 3.2 mm - 1000 ◦ C
9 Halten 4.1 mm 45 sek. 1000 ◦ C
10 Fertigpressen (2. Schlag) 2.8 mm - 1000 ◦ C

prozess entsprechend gesteuert wird. Da sich beim Umformen die Temperatur in der großen
Turbinenscheibe stärker erhöht als in der kleinen Dilatometerprobe, wird die Temperatur in
der Probe während des Umformens zusätzlich von Außen erhöht und anschließend kontrolliert
wieder abgesenkt. Daher sind die langen Halteschritte (4, 7) aus dem realen Schmiedeprozess
im Umformversuch jeweils in zwei Schritte aufgeteilt - einen, in dem die Temperatur langsam
auf 1000 ◦ C abgesenkt wird und einen, in dem auf 1000 ◦ C gehalten wird (4a, 4b und 7a, 7b).
Der Vorwärmschritt wurde für den Umformversuch ebenfalls in zwei Schritte aufgeteilt, um die
Gefgügeentwicklung innerhalb der ersten drei Stunden beobachten zu können. Die rechneri-
sche Simulation des Umformversuchs zeigt, dass der für den letzten Umformschritt erforderliche
Umformgrad im Modellversuch nicht erreicht werden kann. Die Probe müsste hierbei auf eine
Restlänge von weniger als 3 mm zusammengestaucht werden. Die minimale Probenrestlänge
von 3 mm ist eine von der Gerätegeometrie vorgegebene Grenze. Die Verwendung längerer
Ausgangsproben würde die Gefahr des Knickens erhöhen, so dass axialsymmetrisch gestauchte
Proben nicht mehr garantiert werden können. Bei der Verwendung von längeren und dickeren

37
7.00

6.00 Turbinenscheibe
disc
Dilatometerprobe
dilatometer
5.00
Dehnrate [1/s]

4.00

3.00

2.00

1.00

0.00
3 6 10
Schrittnummer

Abbildung 3.4: Vergleich der Ergebnisse der FE-Berechnungen von Schmiedeprozess und Um-
formversuch im Dilatometer; Dehnraten im ausgewählten Probenbereich.

Proben (um das Ausknicken zu vermeiden) würde die benötigte Umformkraft die im Dilatome-
ter maximal mögliche übersteigen.

Modifizierter Umformversuch

Tabelle 3.2: Teilschritte des modifizierten Umformversuchs im Dilatometer

Teilschritt Beschreibung akt. Probenlänge Dauer Temperatur

1a Vorwärmen 10 mm 1h 1000 ◦ C
2’ Vorpressen 6.9 mm - 1030 ◦ C
4a’ Abkühlen 6.9 mm 20 min. 1030 ◦C auf 1000 ◦ C
4b’ Halten 6.9 mm 40 min. 1000 ◦ C
8’ Fertigpressen (1. Schlag) 4.8 mm - 1000 ◦ C
9’ Halten 4.8 mm 25 sek. 1000 ◦ C
10’ Fertigpressen (2. Schlag) 4.1 mm - 1000 ◦ C

Diese gerätespezifischen Einschränkungen machen es notwendig, den Umformversuch zu modi-


fizieren. Nimmt man vollständige Rekristallisation zwischen den Umformschritten an, so kann

38
1.40

1.20
Turbinenscheibe
disc
Dilatometerprobe
dilatometer
1.00
Dehnung [1]

0.80

0.60

0.40

0.20

0.00
3 6 10
Schrittnummer

Abbildung 3.5: Vergleich der Ergebnisse der FE-Berechnungen von Schmiedeprozess und Um-
formversuch im Dilatometer; Dehnungen im ausgewählten Probenbereich.

ebenfalls vorausgesetzt werden, dass die Bedingungen, welche die Ausscheidung der γ ′′ -Phase
beeinflussen, lediglich aus den letzten zwei Fertigpressschritten resultieren können. Somit würde
es ausreichen, lediglich diese beiden letzten Schritte im Dilatometer nachzuvollziehen.
Zur Überprüfung dieser Annahme wurden Dilatometerproben den Schritten 1a bis 7b des kom-
pletten Umformversuchs (vgl. Tabelle 3.1) ausgesetzt und die Werte für Korngröße und Härte
nach jedem entscheidenden Schritt ermittelt (s. Kapitel 4.3). Aufgrund der Ergebnisse dieser
Untersuchungen wurde der Modellversuch wie in Tabelle 3.2 angegeben modifiziert. Die Si-
mulation dieses modifizierten Umformversuchs zeigt, dass die vom Dilatometer vorgegebenen
Grenzwerte ohne Probleme eingehalten werden können. Die geforderten Werte der Schlüsselpa-
rameter werden ebenfalls eingehalten. In dem modifizierten Versuch werden die Proben global
weniger stark umgeformt. Daher ist der Bereich in der Mitte der Probe, in welchem homogene
Umformbedingungen herrschen, in axialer Richtung noch weiter ausgedehnt, als es in Proben
mit einer Restlänge von 2.8 mm der Fall wäre. Daher können zwei statt nur eine Folie für die
Untersuchung im Elektronenmikroskop entnommen werden.
Abbildung 3.7 zeigt den Vergleich der FE-Simulation des modifizierten Umformversuches mit
dem Schliffbild einer Probe aus dem Versuch. An dem Schliff kann man den Unterschied zwi-
schen unverformtem Randbereich und hochverformtem Mittenbereich deutlich erkennen. Die
Körner im hochverformten Mittenbereich sind durch die Rekristallisation deutlich kleiner als

39
1060

1040 Turbinenscheibe
disc
Dilatometerprobe
dilatometer
1020
Temperatur [°C]

1000

980

960

940

920
1b 3 4(b) 6 7(b) 10
Schrittnummer

Abbildung 3.6: Vergleich der Ergebnisse der FE-Berechnungen von Schmiedeprozess und Um-
formversuch im Dilatometer; Temperaturen im ausgewählten Probenbereich. Die z.T. deutlichen
Abweichungen bei der Temperatur nach den Schmiedeschlägen resultieren aus der unterschied-
lichen Geometrie und Masse von Scheibe und Dilatometerprobe.

am kaum verformten und zudem deutlich kühleren Rand. Diese Beobachtungen korrelieren sehr
gut mit der nebenstehenden grafischen Darstellung der Ergebnisse der rechnerischen Simulati-
on, der die Dehnungen in der Dilatometerprobe am Ende des Schmiedeschlages zeigt.

Mit Hilfe dieses modifizierten Umformversuchs kann nun eine große Anzahl Proben unter im-
mer gleichen Bedingungen gefertigt werden. Für die Erstellung des ZTU-Diagramms werden 54
Proben im Dilatometer im o.g. Versuch umgeformt. Die γ ′′ -Phase bildet sich zwischen 650 ◦ C
und 850 ◦ C. In einem Untersuchungsraster werden die Versuchstemperaturen zwischen 600 ◦ C
und 1000 ◦ C in 50 ◦ C-Schritten festgelegt. Damit wird der Temperaturbereich, in dem die Aus-
scheidung der γ ′′ -Phase zu erwarten ist, abgedeckt. Da die Umformung der Proben bei 1000 ◦ C
durchgeführt wird, wird diese Temperatur auch als obere Grenze des Rasters gewählt. Eine
Unterschreitung der unteren Grenze um 50 ◦ C ist für die Untersuchungen ausreichend.
Die Wärmebehandlungen dauern zwischen 1 min und 240 min. Jede Dilatometerprobe wird
nach der Umformung auf eine der festgelegten Temperaturen heruntergekühlt und für eine der
festgelegten Zeitdauern isothermisch wärmebehandelt. Eine Zusammenfassung der untersuchten
Dilatometerproben (Nummerierung vgl. Abbildung 2.2) und der gewählten Haltetemperaturen

40
und Haltezeiten ist in Tabelle 3.3 dargestellt.

Abbildung 3.7: Vergleich der Kontur der Dilatometerprobe aus Umformversuch und FE-
Simulation nach dem Vorpressen (Schritt 2’) im modifizierten Umformversuch. Schnitt durch
die Probe. Die Darstellung der Ergebnisse der FE-Simulation zeigt die Dehnungen am Ende
des Umformschritts.

41
Tabelle 3.3: Für den Umformversuch im Dilatometer ausgewählte Proben (Nummerierung vgl.
Abbildung 2.2) und die dafür festgelegte Wärmebehandlungsdauer und -temperatur.

Temperatur [ ◦ C]\Zeit [min.] 1 10 30 60 120 240

1000 059 060 061 002 063 123


950 065 066 157 155 160 072
900 103 014 018 154 156 091
850 084 024 161 152 153 093
800 080 105 162 150 003 095
750 026 042 005 135 151 073
700 025 071 132 106 148 015
650 078 107 146 134 136 081
600 079 108 149 131 163 112

42
Kapitel 4

Ergebnisse und Diskussion

In diesem Kapitel sind die Ergebnisse der Analysen an den unterschiedlich behandelten Proben
ausgeführt. Die Ergebnisse der Untersuchung der mechanischen Kennwerte und die Ergebnis-
se der Analyse der Mikrostruktur werden diskutiert. Anschließend werden die Ergebnisse der
Untersuchungen korreliert. Dabei werden nacheinander die Proben aus den geschmiedeten und
nicht wärmebehandelten Scheibenserien (Serien A - D), dann die wärmebehandelten Proben aus
den Scheiben 13A und 12C und schließlich die Proben aus dem Umformversuch im Dilatometer
besprochen.

4.1 Geschmiedetes Material, nicht wärmebehandelt

4.1.1 Mechanische Eigenschaften

In Tabelle 4.1 sind die Ergebnisse der Härtemessungen an den Serien A bis D dargestellt.
An den Scheiben der Serie A kann man deutlich den Einfluss der Schmiede- bzw. Rückwärm-
temperatur auf die Härte erkennen. Die Härte ist bei den bei 1030 ◦C geschmiedeten Scheiben
im Gegensatz zu den bei 990 ◦ C geschmiedeten deutlich geringer. Am deutlichsten ist dies im
Vergleich zwischen den Scheiben 12A und 16A zu erkennen (VP, ϕ=0.5 + RW + WQ). Während
die Härte nach der einstündigen Rückwärmung der Scheibe 12A nur leicht geringer ist als die
der Scheiben 11A und 14A, ist die Härte der entsprechend behandelten Scheibe 16A deutlich
geringer als die der anderen ihrer Teilserie (15A bis 18A). Die höchste Härte in der Serie A
weist die Scheibe 13A auf (VP, ϕ=0.5 + RW + FP, ϕ=1.0 + WQ; 315 HV 10).
Die Untersuchungen an den Scheiben der Serie B zeigen keinen Einfluss des Umformgrades (Va-

43
riation des Umformgrades zwischen 0.2 und 0.5) auf die erreichte Härte. Die Abkühlgeschwin-
digkeit beeinflusst die Härte jedoch deutlich. So erreichen die schnell abgekühlten Scheiben der
Serie B (12B, 15B und 18B) eine deutlich geringere Härte als die langsam abgekühlten. Die
Härtewerte der langsam abgekühlten Scheiben liegen mit ca. 330 HV 10 sogar noch höher als
der der Scheibe 13A.
Die Härtewerte der Scheiben der Serie C liegen allesamt unter denen der Scheiben der Serien A,
B und D. Insbesondere liegen sie unterhalb der Werte, die für die langsam abgekühlten Scheiben
von Spindelpresse und Hammerpresse bestimmt wurden. Lediglich die Scheibe 13C weist eine
höhere Härte auf. Diese Probe kann allerdings aufgrund ihrer Herstellungsgeschichte (einzige
Scheibe mit drei Umformschritten) nicht ohne weiteres mit den anderen Scheiben verglichen
werden. Auf die Härte der Scheiben der Serie C hat die Abkühlgeschwindigkeit offensichtlich
keinen Einfluss.
An der Scheiben der Serie D lässt sich wiederum sehr deutlich eine steigende Härte mit sinken-
der Abkühlrate ablesen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Härtewerte der Scheiben von der Spin-
delpresse und dem Schmiedehammer durchweg höher sind als die der auf der hydraulischen
Presse gefertigten Scheiben. Während die Härte der Scheiben von der Spindelpresse und vom
Schmiedehammer durch die Abkühlgeschwindigkeit beeinflusst wird, hat diese auf die Härte
der Scheiben von der hydraulischen Presse keinen Einfluss.

4.1.2 Lichtmikroskopie

Die Scheiben 11A bis 14A zeigen ausgeprägte, mit primärer δ-Phase belegte Primärkorngren-
zen. Dass es sich bei der die Korngrenzen belegenden Ausscheidung um die δ-Phase handelt,
wurde mittels energiedispersiver Röntgenspektrometrie-Untersuchungen (EDX) nachgewiesen
(vgl. Abbildung 4.1).
Die Analyse des Volumenanteils an δ-Phase in den Scheiben aller Serien ergibt Werte zwischen
0.5 und 2.5 Vol.-%. Wenn im Folgenden von einem hohen Anteil an δ-Phase gesprochen wird,
sind Anteile von 2 - 2.5 Vol.-% gemeint. In den Scheiben, in denen die δ-Phase aufgelöst ist,
liegt ein Volumenanteil von weniger als 0.5 % vor. Der durchschnittliche Anteil an δ-Phase in
IN 718, das unterhalb der Lösungstemperatur der δ-Phase (1010-1020 ◦C) geschmiedet wird,
liegt bei etwa 1 Vol.-%.
Die δ-Phase hält die Korngrenzen der durch Rekristallisation nach dem Schmieden neu gebil-

44
deten Körner effektiv fest, so dass diese lediglich innerhalb der Primärkorngrenzen wachsen
können (vgl. Abbildung 4.2). Daraus resultiert eine geringere Korngröße als bei den Scheiben,
in denen sich aufgrund der höheren Schmiedetemperatur (1030 ◦ C) die δ-Phase beim Umfor-
men nahezu vollständig auflöst, vgl. Tabelle 4.1. Die Auswirkung der ungehindert wachsenden
Körner kann direkt an der zugehörigen Härte abgelesen werden. In der Scheibe 16A, die nach
dem Schmieden rückgewärmt und anschließend abgeschreckt wurde, ist die Härte in Folge der
extrem großen Körner deutlich niedriger als in allen anderen Scheiben der Serie A.

Während die Scheiben 11A und 12A (ϕ=0.5) eine globulare Kornstruktur zeigen, sind die
Körner in der Scheiben 13A und 14A (ϕ=1.0) deutlich gestreckt, eine Folge des höheren Um-
formgrades (vgl. Abbildung 4.3). Die Ketten aus δ-Phase, welche die Primärkorngrenzen bele-
gen, sind in der Scheibe 13A durch die zweistufige Umformung bereits teilweise zerstört.
In den Scheiben 15A bis 18A sind die Primärkorngrenzen nicht mehr zu erkennen. Die Über-
reste der δ-Phase sind nur in Form von kleinen, kugeligen Teilchen, die fein verteilt in der
Matrix auftreten, erkennbar (vgl. Abbildung 4.4). Für die Serie B legen die unterschiedlichen
Herstellungsparameter die Unterscheidung nach abgeschreckten (WQ - 12B, 15B und 18B) und
langsam abgekühlten (AC - 13B, 14B, 16B, 17B, 19B, 20B) Scheiben nahe.
Die lichtmikroskopischen Untersuchungen ergeben, dass die Korngrößen der Scheiben der Serie
B alle in derselben Größenordnung liegen (vgl. Tabelle 4.1). Auch die Schliffbilder der Proben
aus diesen Scheiben unterscheiden sich nicht signifikant (vgl. Abbildung 4.5). Bei der licht-
mikroskopischen Untersuchung unterscheiden sich die beiden Teilgruppen lediglich anhand des
Auftretens der δ-Phase. In den abgeschreckten Scheiben sind die Überreste der Primärkorngren-
zen, welche mit δ-Phase belegt sind, noch zu erkennen. In den langsam abgekühlten Scheiben ist
die δ-Phase quasi komplett aufgelöst. Die Primärkorngrenzen sind nur noch schwach zu erken-
nen. Die Scheiben der Serie C (Abbildung 4.6) werden nach der Schmiedetemperatur eingeteilt,
wobei die Scheibe 13C gesondert behandelt wird (einzige Scheibe mit drei Umformschritten).
Auch für die Scheiben dieser Serie können die unterschiedlichen Herstellungsparameter nicht
an der Korngröße (Tabelle 4.1) abgelesen werden.
Die Scheiben 11C, 12C und 13C weisen einen leicht höheren Anteil an δ-Phase auf als die
Scheiben 14C und 15C. Das ist die Folge der niedrigeren Schmiedetemperatur in den Scheiben
11C, 12C und 13C. Bei den Scheiben 14C und 15C entspricht die Schmiedetemperatur der
Lösungstemperatur der δ-Phase. Die Serie D lässt sich nur schwer in Untergruppen einteilen.
Lediglich die Scheiben 12D (6-10 Schläge, RW 1000 ◦ C, 13 Schläge m. RW, AC) und 15D (6-10

45
Schläge, RW 1015 ◦ C, 14 Schläge m. RW, AC) lassen sich aufgrund der Herstellungsparameter
direkt vergleichen. Sie unterscheiden sich nur leicht in der Schmiedetemperatur. Die Scheiben
11D bis 13D (1000 ◦ C) enthalten einen etwa gleich großen Anteil an δ-Phase, welche in kugeli-
ger bis länglicher Form im Korn sowie an den Korngrenzen auftritt. Wie auch in der Serie A,
ist im Schliffbild der bei höherer Temperatur geschmiedeten Scheiben 14D und 15D (1015 ◦ C)
ein etwas geringerer Anteil an δ-Phase zu erkennen. In der Scheibe 15D ist der Anteil an δ-
Phase etwas geringer, in der Scheibe 14D deutlich geringer als in den anderen. Das liegt an der
höheren Schmiedetemperatur bei den Fertigpressschritten bei diesen Proben. Sie liegt nahe der
Lösungstemperatur der δ-Phase.
In den Scheiben 12D und 15D wurde eine große Zahl an Zwillingen gefunden (s. Abbildung
4.7). Diese beiden Proben wurden zwischen den Fertigpressschlägen zwischengewärmt und ab-
schließend langsam abgekühlt. In den anderen Scheiben dieser Serie konnte keine signifikante
Menge an Zwillingen gefunden werden (vgl. Abbildung 4.7). Das lässt vermuten, dass es sich in
den Scheiben 12D und 15D um Rekristallisationszwillinge handelt, die sich nach starker Umfor-
mung im Material bilden. Dafür müssten im schnell umgeformten Material nach [48] allerdings
Rekristallisationskeime mit Vorzugsrichtung, also eine Verfomungstextur vorliegen. Warum sich
in dem schnell umgeformten Material eine Vorzugsrichtung ergibt, wird im folgenden Abschnitt
4.1.3 besprochen. Bei den anderen Scheiben dieser Serie ist die für die Rekristallisation zur
Verfügung stehende Zeit deutlich kürzer (fehlende Rückwärmung zwischen den Schlägen - 11D
und 14D, bzw. schnelle Abkühlung nach dem Schmieden - 13D). Die hohe Zwillingsdichte in
diesen Scheiben spiegelt sich auch in der gemessenen hohen Härte wieder. Zwillinge sind, wie
Korngrenzen, zweidimensionale Gitterbaufehler, durch die die Versetzungsbewegung behindert
wird. Daher steigt bei einer hohen Zwillingsdichte, ebenso wie bei einer hohen Korndichte“,

also bei kleinen Körnern, die Festigkeit des Materials an.

46
Tabelle 4.1: Korngrößen und Härtewerte der Scheiben der Serien A bis D

Probe Nr. ASTM-Korngröße Härte (HV 10)

11A 10 262
12A 10 250
13A 10 315
14A 10 266
15A 8 227
16A 6 185
17A 8 226
18A 8 212

11B 10 349
12B 11 264
13B 11 331
14B 11 331
15B 11 269
16B 11 334
17B 11 351
18B 11 266
19B 11 334
20B 11 324

11C 12 272
12C 12 274
13C 12 304
14C 12 266
15C 12 259

11D 11 263
12D 11 293
13D 11 270
14D 11 270
15D 11 306

47
(a) Matrix

(b) δ-Phase

Abbildung 4.1: EDX-Spektrum von Matrix (a) und δ-Phase (b). Im Spektrum der δ-Phase ist
deutlich der relativ zum Ni-Peak erhöhte Nb-Peak (Ni3 Nb) zu erkennen.

48
Abbildung 4.2: Lichtmikroskopische Aufnahme der Scheibe 11A. Innerhalb der mit δ-Phase
belegten Primärkorngrenzen rekristallisieren nach der Umformung neue Körner.

Abbildung 4.3: Lichtmikroskopische Aufnahme der Scheibe 13A. Aufgrund des höheren Um-
formgrades (ϕ=1.0) sind die Primärkorngrenzen deutlich gestreckt.

49
Abbildung 4.4: Lichtmikroskopische Aufnahme der Scheibe 15A. Durch die höhere Schmiede-
temperatur (1030 ◦ C) ist die primäre δ-Phase fast aufgelöst. Nur vereinzelt finden sich kleine,
kugelige Reste dieser Phase (schwarze Punkte im Schliffbild). Die großen, helleren Teilchen sind
NbC (weiß) und TiN (hellgrau).

(a) Scheibe 12B, ϕ=0.3, WQ (b) Scheibe 19B, ϕ=0.5, AC

Abbildung 4.5: Lichtmikroskopische Aufnahmen zweier Scheiben der Serie B. Es ist kein deutli-
cher Einfluß von unterschiedlichem Umformgrad oder unterschiedlicher Abkühlgeschwindigkeit
zwischen den Schliffbildern zu erkennen.

50
(a) Scheibe 11C, zwei Umformschritte, ϕ=1.0, (b) Scheibe 13C, drei Umformschritte, ϕ=1.0,
AC WQ

Abbildung 4.6: Lichtmikroskopische Aufnahmen zweier Scheiben der Serie C. Die Korngrößen
unterscheiden sich nicht wesentlich. Scheibe 13C zeigt den höchsten Anteil an δ-Phase in dieser
Serie.

(a) Scheibe 12D, ϕ=1.0, AC (b) Scheibe 11D, ϕ=1.0, WQ

Abbildung 4.7: Lichtmikroskopische Aufnahmen zweier Scheiben der Serie D. Hohe Zwillings-
dichte in der Scheibe 12D, keine Zwillinge in der Scheibe 11D.

51
4.1.3 Transmissionselektronenmikroskopie

Die Folien aus den Scheiben der Probenserien A bis D wurden in einem Transmissionselektro-
nenmikroskop (TEM) untersucht.
Die Untersuchungen ergeben, dass die Scheiben der Serie A eine sehr hohe Versetzungsdichte
aufweisen. Dies ist eine Folge des hohen Umformgrades.
Auffällig ist, dass die Versetzungen vorwiegend parallel in sog. Gleitbändern angeordnet auf-
treten (vgl. Abbildung 4.8). Bezüglich der Versetzungsdichte konnten keine signifikanten Un-
terschiede zwischen den einzelnen Scheiben der Serie A festgestellt werden.

Abbildung 4.8: In Gleitbändern angeordnete Versetzungen in einer Scheibe der Serie A.

Es wurde im Zuge dieser Arbeit keine Versetzungsdichtebestimmung durchgeführt. Die Aussa-


gen über die Versetzungsdichte“ sind daher rein qualitativer Natur. Nur sehr deutliche Unter-

schiede (ca. ein Faktor von zwei) werden vom Auge erkannt und als Unterschied wahrgenommen.
Deutliche Unterschiede in der Mikrostruktur zeigen sich zwischen den einzelnen Scheiben der
Serie B. So weisen die schnell abgekühlten Scheiben (12B, 15B und 18B) eine deutlich höhere
Versetzungsdichte auf als die langsam abgekühlten Scheiben. Dies weist auf Rekristallisations-

52
vorgänge während der langsamen Abkühlung hin. Des Weiteren ist eine Erhöhung der Verset-
zungsdichte mit steigendem Umformgrad zu erkennen. In den langsam abgekühlten, weniger
stark umgeformten Scheiben lassen sich nur vereinzelte Versetzungen finden. In den langsam
abgekühlten, stärker umgeformten Scheiben hingegen sind noch nicht alle Versetzungen durch
Rekristallisationsvorgänge ausgelöscht. Die Versetzungen sind wie in Serie A in Gleitbändern
angeordnet (vgl. Abbildung 4.9). Dieses könnte darauf hindeuten, dass bei schneller Umformung
bestimmte Gleitsysteme bevorzugt aktiviert werden.

Abbildung 4.9: In Gleitbändern angeordnete Versetzungen in einer Scheibe der Serie B.

Damit ein Korn einer beliebig orientierten von außen aufgezwungenen Deformation genügen
kann, ist nach dem theoretischen Kriterium von von Mises [49] die Aktivierung von fünf vonein-
ander unabhängigen Gleitsystemen erforderlich. Experimentelle Untersuchungen [50–53] zeigen
aber, dass in zentralen Kornbereichen oft nur ein bis zwei Systeme abgleiten, während es in
der Nähe der Korngrenzen sehr schnell zur Mehrfachgleitung kommt. Auch dort werden je-
doch nicht immer fünf Gleitsysteme aktiviert. Es wurde zwar keine Quelle gefunden, in der
dieser Sachverhalt explizit an Nickel oder einer seiner Legierungen festgestellt wird, jedoch
beschäftigen sich einige Autoren mit der mathematischen Beschreibung lokaler Fließsvorgänge
in Polykristallen [54–58]. Dort wird auch ausdrücklich die Dehnratenabhängigkeit des kritischen

53
Schubspannungswertes τy berücksichtigt.

Aufgrund des kristallinen Aufbaus des Materials liegt innerhalb der Körner ein anisotropes
Verformungsverhalten vor. Unter mehraxialen Spannungszuständen verformen die Körner sich
entsprechend ihrer Gleitsysteme. Für das kfz-Gitter sind das die 12 Gleitsysteme {111}h110i.
Welches der Gleitsysteme durch eine außen angelegte Spannung aktiviert wird, wird durch die
Orientierung des Gleitsystems zur Spannung bestimmt. Das Schmidsche Schubspannungsge-
setz [59] sagt aus, dass ein Gleitsystem dann aktiviert wird, wenn die dort wirkende Schmidsche
Schubspannung τ , d.h. die Projektion des auf der Ebene wirkenden Spannungsvektors auf die
Gleitrichtung, einen kritischen Wert τy erreicht. Nimmt man an, dass alle Gleitsysteme den-
selben kritischen Wert τy aufweisen, gleitet folglich das System zuerst, welches am günstigsten
zur äußeren Spannung orientiert ist.

Abbildung 4.10: Zur Bestimmung der Schmidschen Schubspannung bei einachsigem Zug.

Vereinfacht für den Fall einachsiger Zugbelastung lautet das Schmidsche Schubspannungsgesetz:

τ = σ cos χ cos λ ≥ τy , (4.1)

wobei χ der Winkel zwischen Zugachse und Gleitebenennormale und λ der Winkel zwischen
Zugachse und Gleitrichtung ist (s. Abbildung 4.10). Der größtmögliche Schmidfaktor cosχcosλ
von 0.5 wird bei χ = λ=45 ◦ erreicht.
Steigt nach den oben zitierten Arbeiten der kritische Wert τy bei höheren Dehnraten an, so

54
ist es durchaus möglich, dass bei schneller Umformung in einzelnen Körnern lediglich noch
ein einziges Gleitsystem aktiviert wird. Im Laufe der Untersuchungen war es nicht möglich,
die Proben so zu kippen, dass die Gleitebene der Versetzungsbänder hätte bestimmt werden
können. Dafür waren nicht zuletzt die starken Verwölbungen der Proben verantwortlich, die
sich beim Präparieren einstellten.
Die im vorangehenden Abschnitt erwähnten Rekristallisationszwillinge können durch eine Ver-
formungstextur in dem schnell umgeformten Material erklärt werden. Liegt eine verformungs-
bedingte Textur vor, sind auch die Rekristallisationskeime ausgerichtet.

Die Untersuchungen der Folien aus den Scheiben der Serie B, die langsam abgekühlt wurden,
zeigen im TEM die Existenz feinster Ausscheidungen auf (s. Abbildung 4.11). Diese Teilchen
haben im Bild eine längliche Form. Die Größe der Teilchen beträgt etwa 10-15 nm entlang
ihrer längeren Achse und ca. 2-3 nm senkrecht dazu. Die Analyse der Teilchen mit Hilfe von
Beugungsbildern (s. Abbildung 4.12) ergibt, dass es sich eindeutig um die γ ′′ -Phase handelt.
Deutlich sind die Überstrukturreflexe zwischen den Hauptreflexen der Matrix zu erkennen. Die-
se Ausscheidung ist für die hohe Härte verantwortlich, die in diesen Proben gemessen wurde,
da sie die Versetzungsbewegung sehr effektiv behindert [14].
Die Teilchen dieser Phase sind diskusförmig. Im Weiteren wird jeweils der Durchmesser der
γ ′′ -Scheibchen als Teilchengröße verwendet.
Eine ähnlich hohe Härte wurde nur noch in den Scheiben 13A (Spindelpresse), 12D und 15D
(Schmiedehammer) gemessen. Daher wurde auch in diesen Scheiben nach eventuell vorhande-
nen Ausscheidungen gesucht. Die Analysen mit dem TEM zeigen feinste Ausscheidungen von
etwa 3 nm Größe in der Scheibe 13A (s. Abbildung 4.13). Wie in Anhang B dargelegt wird,
können Teilchen in dieser Größe im TEM zwar im Hellfeldbildmodus sichtbar gemacht wer-
den, ihre Gitterstruktur lässt sich aber nur mit Hilfe von Beugungsbildern analysieren. Die
Untersuchungen der Folien aus den Scheiben der Serie C im TEM ergeben, mit Ausnahme der
Scheibe 13C, keine Unterschiede in der Versetzungsdichte gegenüber der Serie A.
Die Scheibe 13C, die mit einem Dreischlag-Verfahren umgeformt wurde, weist eine deutlich
höhere Versetzungsdichte auf als die anderen Scheiben der Serie C. Damit lässt sich die ge-
genüber den anderen Scheiben der Serie C höhere Härte erklären. Zwischen den restlichen
Scheiben (11+12, 1000 ◦C und 14+15, 1015 ◦ C) werden keine Unterschiede in der Versetzungs-
dichte festgestellt. Im Gegensatz zu den Scheiben der Serien A und B sind die Versetzungen
in den Scheiben der Serie C vorwiegend unregelmäßig angeordnet. Offensichtlich werden bei

55
Abbildung 4.11: γ ′′ -Teilchen in einer Scheibe der Serie B, AC.

langsamer Umformung vermehrt unterschiedliche Gleitsysteme aktiviert. Die unterschiedlichen


Versetzungsdichten in der Scheibe 13C und der Scheibe 11C (stellvertretend für die Scheiben
11, 12, 14 und 15C) zeigt Abbildung 4.14. Im Gegensatz zu den Scheiben der Serien A und
B können weder in den abgeschreckten noch in den langsam abgekühlten Scheiben der Serie
C γ ′′ -Teilchen gefunden werden. In diesen Proben entwickelten sich die γ ′′ -Teilchen erst nach
einigen Stunden der Wärmebehandlung.

Die Proben der Serie D fallen durch ihre gegenüber den anderen Serien deutlich höhere Ver-
setzungsdichte auf (s. Abbildung 4.15). Neben Gleitbändern wie in den Serien A und B finden

56
Abbildung 4.12: Beugungsbild. Die hellen Punkte zeigen das Gitter der Matrix, die feinen Punk-
te dazwischen sind die Überstrukturreflexe der {110}-Ebenen der γ ′′ -Phase. Einstrahlrichtung
ist [001].

sich in den Proben der Serie D auch Bereiche mit ungeordneter Ausrichtung der Versetzungen
wie in der Serie C.
In den beiden Scheiben 12D (2 Umformschritte, RW 1000 ◦ C, AC) und 15D (wie 12D, nur RW
1015 ◦ C) konnten, ebenso wie in den Scheiben der Serie B und in der Scheibe 13A, γ ′′ -Teilchen
nachgewiesen werden.

4.1.4 Diskussion

Die Ergebnisse der Untersuchungen an dem geschmiedeten, nicht wärmebehandelten Materi-


al zeigen, dass die bei den schnell umgeformten Scheiben (Serien A, B und D) festgestellten
besonders hohen Härtewerte mit lichtmikroskopischen Methoden nicht erklärt werden können.
Die Untersuchungen mit dem TEM zeigen, dass sich die hohe Härte dieser Scheiben direkt mit
dem Auftreten der γ ′′ -Phase korrelieren lässt.

Die exzellenten Festigkeitseigenschaften dieser Legierung resultieren, wie bereits beschrieben,

57
Abbildung 4.13: γ ′′ -Teilchen in der Scheibe 13A, ϕ=1.0, WQ. In dem eingezeichneten Quadrat
sind Richtung und Länge der Teilchen angedeutet.

aus der Ausscheidung eben dieser γ ′′ -Phase. Die homogen im Material verteilten feinsten Teil-
chen behindern die Versetzungsbewegung. Die Wechselwirkung zwischen Teilchen und Verset-
zung wird üblicherweise mit den Ansätzen von Orowan und Kelly-Fine beschrieben [48]:

f
∆HV = α G b Orowan, (4.2)
dT

Ẽ 3/2 p p
∆HV = √ f dT Kelly − Fine, (4.3)
b2 3 G
wobei ∆HV das Härteinkrement, α eine Konstante, G der Gleitmodul, b der Burgersvektor, f
der Volumenanteil der Ausscheidungen und dT der Teilchendurchmesser sind. Ẽ ist ein Maß für
die Wechselwirkung zwischen Teilchen und Versetzung und kann grob mit Gb|ε| abgeschätzt
werden, wenn nur parelastische Wechselwirkungskräfte1 betrachtet werden [48]. Die Gitterfehl-
aMatrix − aAusscheidung
passung zwischen Matrix und Ausscheidung ist ε = (a steht hier stellver-
aMatrix
tretend für alle drei Gitterkonstanten von Matrix bzw. Ausscheidung, vgl. Abschnitt 1.3.4).
Während der Orowan-Mechanismus das Umgehen der Teilchen durch Versetzungen beschreibt,
1
Das bedeutet, dass die Ausscheidung nur durch ihren Verzerrungshof mit einer vorbeigleitenden Versetzung
wechselwirkt. Außerdem kann eine Ausscheidung durch einen gegenüber der Matrix abweichenden Schubmodul
mit einer Versetzung wechselwirken. Diese Art der Wechselwirkung heißt dielastisch.

58
(a) Versetzungen der Scheibe 11C (genauso in (b) Höhere Versetzungsdichte in der Scheibe
12C, 14C und 15C). 13C.

Abbildung 4.14: Deutlich unterschiedliche Versetzungsdichten in Scheibe 11C (Zweischlag-


Verfahren) und 13C (Dreischlag-Verfahren).

werden Teilchen, die dem Kelly-Fine-Mechanismus gehorchen, von der Versetzung geschnitten.
Welcher der beiden Mechanismen für ein bestimmtes Teilchen aktiviert wird, hängt zum einen
von der Gitterfehlpassung ab und zum anderen von der Teilchengröße. Trifft in einem Gitter
eine Versetzung auf ein Teilchen mit einem der Matrix ähnlichen Gitter (kohärentes Teilchen),
braucht sie ihre Gleitebene nicht zu verlassen. Es kostet also weniger Energie, das Teilchen zu
schneiden, auch wenn dabei eine neue Grenzfläche geschaffen wird2 . Müsste die Versetzung ihre
Gleitebene verlassen, um das Teilchen zu schneiden (inkohärentes Teilchen), ist es günstiger,
stattdessen das Teilchen zu umgehen. Dabei hinterlässt die Versetzung einen abgekoppelten Ver-
setzungsring um das Teilchen (s. Abbildung 4.16). Trägt man die beiden Funktionen (4.2 und
4.3) über der Teilchengröße auf, so erhält man das Diagramm in Abbildung 4.17. Aus diesem
Diagramm kann man den Einfluss der Teilchengröße auf die Art der Wechselwirkung erkennen.
Für sehr kleine Teilchen verringert sich - bei konstantem Volumenanteil f - der Abstand zwi-
schen den Teilchen. Dann wird die Energie, die zum Ausbauchen zwischen zwei Teilchen nötig
ist, so groß, dass der Orowan-Mechanismus im Gegensatz zum Kelly-Fine-Mechanismus ener-
getisch zu aufwändig wird. Daher kann man davon ausgehen, dass auch inkohärente, aber sehr
kleine Teilchen eher geschnitten als umgangen werden. Andererseits zeigt Abbildung 4.17 auch,

2
Schneidet eine Versetzung ein geordnetes Teilchen, verschieben sich die beiden Teile des Teilchens gegenein-
ander. In dieser Schnittfläche ist die Schichtfolge des Gitters gestört. Es entsteht eine sog. Antiphasengrenze.

59
Abbildung 4.15: Hohe Versetzungsdichte in den Scheiben der Serie D.

dass kohärente Teilchen eher umgangen werden, wenn sie eine gewisse Größe überschreiten.
Der Schnittpunkt der beiden Kurven liegt bei der Teilchengröße, bei der die höchste Festig-
keitssteigerung zu erwarten ist. Diese optimale Teilchengröße dc kann durch Gleichsetzen der
Gleichungen (4.2) und (4.3) bestimmt werden:

Gb2 √ 2/3 Gb2 √ 2/3 b √ 2/3


dc = α 3 ≈ α 3 = α 3 . (4.4)
Ẽ b|ε| |ε|

Dabei ist b die Länge des Burgersvektors, die sich aus der Gitterkonstanten der Matrix zu
b = a2 h110i = 2.5 Å ergibt. Die Gitterfehlpassung wurde bereits in Kapitel 1.3.4 zu ε = 3% =
0.03 bestimmt. Die Konstante α wird in Übereinstimmung mit [15] zu 0.5 gesetzt. Daraus ergibt
sich für die optimale γ ′′ -Teilchengröße in IN 718 ein Wert von 7.5 nm. In der Literatur [48] lassen
sich ähnliche Werte finden. Das bedeutet für IN 718, dass für γ ′′ -Teilchen größer als 7.5 nm der
Orowan-Mechanismus maßgebend für die Festigkeitssteigerung wird. Im Gegensatz zu langsam
umgeformtem Material bilden sich die γ ′′ -Teilchen in schnell umgeformtem IN 718 nach deutlich
kürzerer Zeit. Das deutet darauf hin, dass durch die hohen Dehnraten Bedingungen im Gefüge
geschaffen werden, die die Ausscheidung der Teilchen begünstigen. Wie bereits besprochen
benötigen die Teilchen neben Treibkraft Keimstellen, also Fehlstellen im Gitter (Versetzungen,

60
Abbildung 4.16: Schematische Darstellung des Umgehungsmechanismus nach Orowan. dT ist
der Teilchendurchmesser, λ der Teilchenabstand. Die Abbildung ist [60] entnommen.

Leerstellen), aus denen sie wachsen können. Es wird vermutet, dass die Fehlstellendichte in
schnell umgeformtem IN 718 tatsächlich höher ist als in langsam umgeformtem. Dieses müsste
sich bei einer Wärmebehandlung in einer höheren Teilchendichte zeigen.

4.2 Geschmiedetes Material, wärmebehandelt

Im Folgenden werden die Analysen der Proben aus den beiden Scheiben 12C und 13A bespro-
chen. Diese wurden jeweils bei 718 ◦ C zwischen 2 und 50 Stunden wärmebehandelt. Ziel dieser
Untersuchung ist die Beobachtung des Teilchenwachstums in schnell und langsam umgeform-
tem IN 718. Begleitend wurden die mechanischen Eigenschaften der wärmebehandelten Proben
untersucht und ihr Zusammenhang mit dem Volumenanteil der γ ′′ -Phase diskutiert.

4.2.1 Mechanische Eigenschaften

Das Diagramm in Abbildung 4.18 zeigt die Härteentwicklung der beiden wärmebehandelten
Scheiben 12C (langsame Umformung) und 13A (schnelle Umformung) über der Wärmebehand-
lungsdauer. Zu erkennen ist, dass die Härte beider Scheiben mit zunehmender Wärmebehand-
lungsdauer bis zu einem Maximalwert ansteigt und danach wieder abfällt. Dieser Effekt wird
mit der Bildung und dem anschließenden Wachstum der γ ′′ -Phase bis zum Härtemaximum und

61
Abbildung 4.17: Schematische Darstellung des erreichbaren Härtezuwachses über der Teilchen-
größe nach Orowan und Kelly-Fine bei konstantem Volumenanteil f .

der anschließenden Vergröberung der Teilchen, die zur Abnahme der Härte führt, erklärt. Diese
sogenannten Härteisothermen haben bei allen teilchenaushärtenden Legierungen einen ähnli-
chen Verlauf (vgl. z.B. [48, 60]).
Die Werte für die Scheibe 13A liegen zu jedem untersuchten Zeitpunkt oberhalb derer für die
Scheibe 12C. Außerdem fällt auf, dass das Maximum der Härteentwicklung der beiden Scheiben
nach unterschiedlich langer Wärmebehandlungsdauer auftritt. Das Härtemaximum der Scheibe
12C wird nach ungefähr 8 Stunden erreicht (440 HV 10), das der Scheibe 13A erst nach etwa
20 Stunden (500 HV 10). Die Ursachen dafür wurden mit Hilfe der Transmissionselektronen-
mikroskopie untersucht.

4.2.2 Transmissionselektronenmikroskopie

Nach der Untersuchung der mechanischen Eigenschaften werden aus jeder der wärmebehan-
delten Proben aus den beiden Scheiben 13A und 12C (2, 4, 8, 20 und 50 Stunden bei 718 ◦ C)
TEM-Folien entnommen. Es werden Hellfeldbilder von diesen Folien aufgenommen. Anhand

62
Abbildung 4.18: Härteentwicklung der Scheiben (13A, schnelle Umformung und 12C, langsame
Umformung) über der Wärmebehandlungsdauer bei 718 ◦ C. Die möglichen Optimierungen (P1
bis P3), die sich hieraus ergeben, werden im Kapitel 4.2.3 diskutiert.

dieser Bilder (wie z. B. Abbildung 4.19) kann die Größenentwicklung der γ ′′ -Teilchen während
der Wärmebehandlung beobachtet werden. In diesen Hellfeldbildern lassen sich deutlich die
Verzerrungsfelder erkennen, die durch die Fehlpassung (misfit) zwischen den Gitterparametern
von Ausscheidung und Matrix um die Teilchen herum entstehen. Eine exakte Messung der Teil-
chengröße ist auf diese Weise nicht ohne weiteres möglich, da lediglich die Verzerrungsfelder
einen Kontrast ergeben und somit im Hellfeldbild nur deren Ausdehnung bestimmt werden kann
(vgl. Anhang B). Die für das Diagramm in Abbildung 4.20 verwendeten Daten sind demnach
eine obere Grenze der Teilchengröße. Die γ ′′ -Teilchen sind jeweils etwas kleiner. Im Diagramm
4.20 sind die Ergebnisse der Teilchengrößenbestimmung über der Wärmebehandlungsdauer auf-
getragen. Deutlich zu erkennen ist, dass die Teilchen in der Scheibe 13A erst langsamer, mit
steigender Auslagerungsdauer aber immer schneller wachsen als in der Scheibe 12C. Die maxi-
male Teilchengröße liegt für beide Probenserien in der gleichen Größenordnung von ungefähr
25-30 nm. Dieser Wert wird auch von anderen Arbeiten bestätigt [13, 15, 31, 61]. Wie nach
den Untersuchungen an den nicht wärmebehandelten Proben vermutet, kann ein deutlicher
Unterschied der Teilchendichte zwischen der schnell umgeformten (13A) und der langsam um-
geformten (12C) Scheibe festgestellt werden (s. Abbildungen 4.19 und 4.21).

63
Abbildung 4.19: γ ′′ -Teilchen in einer wärmebehandelten Probe aus der Scheibe 13A (nach 20
Stunden bei 718 ◦ C).

Nach den Grundgleichungen der Stereologie ist es zulässig, den Volumenanteil von Teilchen in
einem Testvolumen aus ihrem Flächenanteil in einer Testfläche, die ein repräsentativer Schnitt
durch das Testvolumen ist, abzuschätzen [62]. Das gilt für eine ausreichend große Zahl von Mes-
sungen in repräsentativen Testflächen. Der Flächenanteil der γ ′′ -Teilchen wird ebenso, wie die
Teilchengröße an Hellfeldbildern wie Abbildung 4.19 bestimmt. Auf diesen Bildern sind aller-
dings nur zwei der drei möglichen Orientierungvarianten der γ ′′ -Teilchen zu erkennen. In diesen
beiden Ausrichtungen steht die Betrachtungsrichtung senkrecht auf die in Dickenrichtung (des
diskusförmigen Teilchens) zeigende Achse (s. Abbildung 4.21). Für die dritte Variante sind die
Betrachtungsrichtung und Achse in Dickenrichtung parallel. Die Gitterfehlpassung, und damit
die Verzerrung des Gitters, in dieser (der (a,b)- Ebene der Matrix-Einheitszelle parallelen) Ebe-
ne sind aber so gering, dass die Teilchen in dieser Ausrichtung im Hellfeldbild nicht erscheinen.
Anhand von Beugungsbildern kann aber die Existenz aller drei Orientierungsvarianten nachge-
wiesen werden. Nach [14] treten alle drei Varianten gleich häufig auf. Daher darf der gemessene
Fächenanteil mit 3/2 multipliziert werden, um die dritte Variante ebenfalls zu berücksichtigen.
Da die Teilchengröße aus den bereits dargelegten Gründen mit Hilfe von Hellfeldbildern nur

64
Abbildung 4.20: Größe der γ ′′ -Teilchen über der Wärmebehandlungsdauer (bei 718 ◦ C).

grob abgeschätzt wird, kann auch die Volumenanteilbestimmung nur eine Abschätzung des vor-
handenen Anteils sein. Die Ergebnisse der Volumenanteilbestimmung sind in dem Diagramm
in Abbildung 4.22 aufgetragen.

4.2.3 Diskussion

Aufgrund der bereits im as-forged Zustand vorhandenen γ ′′ -Teilchen ist die Härte der schnell
umgeformten Scheiben (Spindelpresse) höher als die der langsam umgeformten (hydraulische
Presse). Das Diagramm 4.18 zeigt außerdem den Härtezuwachs beider Scheiben bis zum Errei-
chen der optimalen Partikelgröße dc (für Scheibe 12C etwa nach 2 Stunden, für Scheibe 13A
etwa nach 8-10 Stunden, aus Abbildung 4.20). Entgegen der theoretischen Überlegungen aus
dem Kapitel 4.1.4 steigt aber die Härte in den Scheiben auch für Teilchenradien größer als dc
weiter an.
Die Härte der Scheibe 13A nimmt noch bis zu einer Wärmebehandlungsdauer von 20 Stunden
zu. Zu diesem Zeitpunkt haben die Teilchen bereits einen Radius von ca. 15 nm. Erst danach
fällt die Härte aufgrund der Überalterung wieder ab. In den Proben aus der Scheibe 12C wird
das Härtemaximum bereits nach 8 Stunden Wärmebehandlungsdauer erreicht. Allerdings wird
dc in dieser Scheibe schon nach 2 Stunden bei 718 ◦ C überschritten. Der Teilchenradius ist
demnach nicht allein maßgebend für die Ausscheidungshärtung von IN 718.

Für lange Auslagerungszeiten liegt der Volumenanteil der γ ′′ -Teilchen unabhängig vom Schmie-
deaggregat bei 13%. Der bei dem vorhandenen Nb-Anteil im Material (vgl. Tabelle 1.2) rech-
nerisch mögliche Volumenanteil beträgt 14%. Bereits im Ausgangsmaterial befindet sich aber

65
Abbildung 4.21: Teilchen der γ ′′ -Phase in einer wärmebehandelten Probe der Scheibe 12C (nach
50 Stunden bei 718 ◦ C). Mit a und b sind die beiden in diesem Bild sichtbaren Varianten [100]
und [010] bezeichnet. Die c-Achsen dieser Teilchen liegen parallel zur Folie. Die Teilchen, deren
c-Achse parallel zur Blickrichtung steht ([001]), sind durch die Kreise bei c angedeutet. Sie wer-
den bei der gewählten Einstrahlrichtung nicht abgebildet, können aber durch Beugungsbilder
nachgewiesen werden.

ein Volumenanteil von etwa 1% der von der chemischen Komposition her gleichen δ-Phase. Da-
her steht während der Auslagerung ein Nb-Anteil für die Bildung von nur noch ca. 13 Vol.-%
γ ′′ -Phase zur Verfügung [63]. Im Diagramm in Abbildung 4.23 entsprechen 13% einem ausge-
lagertem Anteil von X(t) = 1.0.
Abbildung 4.23 zeigt die Entwicklung des Volumenanteils der γ ′′ -Phase in IN 718 über der
Wärmebehandlungsdauer als relativen Wert X(t) Spindelpresse/hydr. Presse (exp.). Es ist zu
erkennen, dass der Volumenanteil der γ ′′ -Phase in den Proben aus der Scheibe 13A deutlich
langsamer wächst als in der Scheibe 12C (vgl. auch Abbildung 1.5). Deutliche Unterschiede im
Volumenanteil der γ ′′ -Teilchen in Abhängigkeit vom Schmiedeaggregat lassen sich nach kurzen
Auslagerungszeiten feststellen. Während sich in den Proben aus der Scheibe 12C schon nach
etwa 4 bis 5 Stunden Wärmebehandlung ein Volumenanteil von 0.85 einstellt, liegt er in den

66
Abbildung 4.22: Volumenanteil der γ ′′ -Teilchen über der Wärmebehandlungsdauer (bei 718 ◦ C).

Proben aus der Scheibe 13A nach 8 Stunden bei 718 ◦ C erst bei etwa 0.45. Bei einer Wärme-
behandlungsdauer von 20 Stunden bei 718 ◦ C ist der maximal erreichbare Volumenanteil der
γ ′′ -Teilchen noch immer kleiner 1.0. Um jedes Teilchen ergibt sich eine Konzentrationsvertei-
lung von Nb-Atomen in Abhängigkeit vom Abstand zu dem Teilchen (Abbildung 4.24). Solange
die Einzugsbereiche der Teilchen sich noch nicht überlappen, ist diese Konzentrationsverteilung
konstant. Sobald die Teilchen aber so groß sind, dass sich ihre Einzugsbereiche überschneiden,
verändert sich die Konzentrationsverteilung. Die Ausgangskonzentration an Nb-Atomen in der
Matrix wird zwischen den Teilchen nicht mehr erreicht. Nach dem 1. Fick’schen Gesetz ist die
Treibkraft für die Diffusion dem Konzentrationsgradienten proportional. Sinkt also die Konzen-
tration an Nb-Atomen im Einzugsbereich eines Teilchens ab, wird der Konzentrationsgradient
kleiner, die Treibkraft für die Diffusion sinkt und die Teilchen wachsen langsamer. Nach [48]
kann der zu einem Zeitpunkt t ausgeschiedene Volumenanteil3 X(t) aus der vorliegenden Kon-
zentrationsverteilung berechnet werden:

(c0 − c̄B )/(c0 − c′B ) ≡ X(t). (4.5)

Hierin steht c0 für die Ausganskonzentration der Nb-Atome in der γ-Matrix, c̄B ist die mitt-
lere Konzentration der Matrix nach der Diffusionszeit t und c′B die Konzentration der Ma-
trix im Gleichgewicht mit der γ ′′ -Ausscheidung. Die Konzentration der Nb-Atome in der γ ′′ -
Ausscheidung wird im folgenden mit cK bezeichnet. Nimmt man der Einfachheit halber eine
kugelförmige Ausscheidung an und vernachlässigt ausserdem die Effekte der Verzerrungs- und
3
bevor sich die Einzugsbereiche der Teilchen überlappen.

67
Abbildung 4.23: Volumenanteil X(t) der γ ′′ -Teilchen (rechnerisch abgeschätzt und experimentell
bestimmt), sowie Konzentration der Nb-Atome c0 (t) im Einzugsbereich eines γ ′′ -Teilchens über
der Wärmebehandlungsdauer (bei 718 ◦ C).

Grenzflächenenergie, so wird die zeitliche Änderung der Matrixkonzentration durch den Mate-
riestrom durch die Grenzfläche des Teilchens bestimmt:

4πR3 dc̄B
= jB (r0 ) · 4πr02 , (4.6)
3 dt

Wobei R der Einzugsbereich eines Teilchens ist, welcher dem halben Teilchenabstand entspricht,
und r0 (t) der Teilchenradius. Der Materiestrom jB ist nach dem 1. Fick’schen Gesetz über den
Diffusionskoeffizienten D̃B und die örtliche Änderung der Konzentration gegeben:

∂cB c0 − c′B
jB (r0 ) = − D̃B = −D̃B . (4.7)
∂r r0 r0

Die Anzahl der Nb-Atome innerhalb des Einzugsbereiches eines Teilchens muss konstant sein:

4πR3 4πr03
(c0 − c̄B ) = cK . (4.8)
3 3

Fasst man die Gleichungen (4.6) und (4.7) zusammen, kann man r0 eliminieren und erhält
2/3
3D̃B (c0 − c̄B )1/3

dc̄B c0 − c′B 1
= −(c0 − c̄B )1/3 ; ≡ . (4.9)
dt τ 3/2 τ 1/3
cK R 2

Durch Integration ergibt sich das Wachstumsgesetz für die γ ′′ -Ausscheidungen:


3/2 3/2
2t ′ 2t
(c0 − c̄B ) = · (c0 − cB ) , also X(t) = . (4.10)
3τ 3τ

68
Abbildung 4.24: Schematische Darstellung der Nb-Konzentrationsverteilung in der Matrix in
der Nähe eines γ ′′ -Teilchens (nach [48]).

Die Konzentration der Nb-Atome in einer γ ′′ -Einheitszelle (EZ) ist:

nEZ 2
cK = = = 2.1 · 1022 , (4.11)
VEZ 2
3.624 · 7.406[Å]

mit nEZ der Anzahl der Nb-Atome pro Einheitszelle und VEZ dem Volumen der Einheitszelle.
Die Konzentration der Nb-Atome in einer Matrix-Einheitszelle ist demnach:

nEZ 1
c0 = = = 5.7 · 1020 , (4.12)
VEZ 3
2 · 20 · 3.524 [Å]

Dabei wird der Volumenanteil von ≈ 5% Nb in IN 718 berücksichtigt. Desweiteren wird davon
ausgegangen, dass zu einer γ-Einheitszelle maximal ein halbes Nb-Atom gehören kann. Über die
Abmessungen der Teilchen bei X(t) ≈ 1.0 kann der Einzugsbereich eines Teilchens zu diesem
Zeitpunkt abgeschätzt werden. Für hydraulisch umgeformtes IN 718 liegt die Teilchengröße bei
8 Stunden bei ≈ 25 nm. Vereinfacht man weiterhin die Form des Teilchens zu einer Scheibe mit
dem Durchmesser von 2r = 25 nm und einer Dicke von 51 r, dann berechnet sich sein Volumen
zu Vγ ′′ = 51 πr 3 . Aus
r
3 V · cK · 3
R= . (4.13)
c0 · 4 · π

69
ergibt sich für das hydraulisch umgeformte Material nach 8 Stunden Wärmebehandlung ein
(vereinfacht als sphärisch angenommener) Einzugsbereich mit einem Radius von ≈ 45 nm.
Für das spindelpressenumgeformte Material ergibt sich nach der Gleichung 4.13 bei einem
Teilchendurchmesser von r=15 nm nach 20 Stunden Wärmebehandlung4 ein Einzugsbereich
mit einem Radius von ≈ 10 nm.

Der Diffusionskoeffizient D̃B errechnet sich über

D̃B = D0 · e(−Q/RT) . (4.14)

aus der Sprungfrequenz D0 , der Aktivierungsenergie Q, der allgemeinen Gaskonstante R=8.314


J mol−1 K−1 und der Temperatur. Da keine Daten für Sprungfrequenz und Aktivierungsenergie
von Nb in Ni vorlagen, wurden diese in Anlehnung an [64] mit Daten für die Diffusion von Ti in
Ni-Ti-Al abgeschätzt. Dabei sind D0 =5.92 cm2 s−1 und Q=289 kJ mol−1 . Bei einer Temperatur
von 991 K (718 ◦ C) ergibt sich ein Diffusionskoeffizient D̃B = 3.5·10−16 cm2 s−1 . Für Nb-Atome
in IN 718 dürfte das zu niedrig angenommen sein, da die Aktivierungsenergie Q aufgrund der
schlecht in das Matrix-Gitter passenden Nb-Atome geringer sein dürfte (vgl. Abschnitt 1.3.4).
Für eine Abschätzung soll der Wert aber ausreichen.

Aus diesen Werten können die in Abbildung 4.23 dargestellten Verläufe für die Konzentra-
tionsgradienten von spindelgepresstem und hydraulisch umgeformtem Material c0 (t)/c0 über
der Auslagerungsdauer bestimmt werden. In den ersten Stunden der Wärmebehandlung fällt
die Matrixkonzentration an Nb-Atomen in den kleinen Einzugsbereichen der γ ′′ -Teilchen im
spindelgepressten Material deutlich schneller ab als im hydraulisch umgeformten. Das liegt
daran, dass die Einzugsbereiche der Teilchen sich im hydraulisch umgeformten Material noch
nicht überschneiden und somit von ausserhalb des Einzugsbereiches Nb-Atome hinzudiffundie-
ren und die bereits in dem Teilchen gebundenen ersetzen. Die Abschätzungen der Einzugsbe-
reiche ergeben für spindelpressenumgeformtes Material Einzugsbereiche für die γ ′′ -Teilchen mit
einem Radius von etwa 10 nm. Die Einzugsbereiche der Teilchen sind damit aber damit bereits
ungefähr doppelt so groß wie die Teilchenabstände (vgl. Abbildung 4.29). Das bedeutet, dass
sich die Einzugsbereiche im spindelgepressten Material bereits zu Beginn der Wärmebehand-
lung berühren und somit von Beginn des Wachstums an um die Nb-Atome konkurrieren. Somit
besteht auch keine Möglichkeit, bereits in Teilchen gebundene Nb-Atome durch nachdiffundie-
4
Der exakte Zeitpunkt für X(t) = 1.0 liegt zwischen 20 und 50 Stunden. Jedoch ist X(20 Stunden) = 0.9
für die hier durchgeführten Abschätzungen ausreichend genau.

70
rende zu ersetzen. Die Konzentration der Nb-Atome im Einzugsbereichs eines Teilchens fällt
drastisch ab und damit der Konzentrationsgradient zwischen Matrix und Grenzfläche Matrix zu
Teilchen. Dies hat wiederum ein deutlich verlangsamtes Wachstum der Teilchen zur Folge. Setzt
man diesen Konzentrationsverlauf in die Gleichung 4.10 ein und berücksichtigt ausserdem das
Wachstum der Teilchen über den wachsenden Radius r(t), dann ergibt sich der ausgeschiedene
Anteil X(t) in Abbildung 4.23. Dabei wurden die nach Gleichung 4.13 bestimmten Einzugs-
bereiche verwendet. Die wachsenden Teilchenradien r(t) wurden aus experimentell ermittelten
Daten (vgl. Abbildung 4.20) übernommen. Es ergeben sich S-förmige Kurven, wie sie vom Aus-
scheidungswachstum bekannt sind (vgl. Abbildung 1.5). Die zusätzlich eingetragenen Versuch-
sergebnisse zeigen eine gute Übereinstimmung der Abschätzung mit dem Experiment. Mit den
getroffenen Annahmen und eingeführten Vereinfachungen werden die im Versuch ermittelten
Werte zufriedenstellend genau wiedergegeben. Damit kann mit der rechnerischen Abschätzung
auch die in den unterschiedlich geschmiedeten Materialien deutlich unterschiedlichen Verläufe
der Ausscheidung der γ ′′ -Phase beschrieben und erklärt werden.

Die optimale Teilchengröße dc ist unabhängig vom Volumenanteil der Teilchen f (vgl. Glei-

chung (4.4)). Die Härte hingegen ist abhängig von f , wie Gleichung (4.2) und Gleichung (4.3)
zeigen. Wird der Volumenanteil beim Auftragen der Härte über der Teilchengröße berücksich-
tigt, so kann man erkennen, warum die Härte auch für Teilchen größer als dc = 7.5 nm weiter
ansteigt.
In Abbildung 4.25 ist der Härtezuwachs über der Teilchengröße aufgetragen. Der Härtezuwachs
wurden als Differenz zwischen dem gemessenen Härtewert und einem Referenzwert bestimmt.
Dieser Referenzwert wurde zu 274 HV 10 angenommen. Dies entspricht der gemessenen Härte
der Scheibe 12C (hydraulische Presse) im Zustand as forged. Der Referenzwert für die Schei-
be 13A (Spindelpresse) wurde ebenfalls zu 274 HV 10 gesetzt, da der im as forged Zustand
gemessene Wert dieser Scheibe bereits durch die ersten Ausscheidungen angehoben ist (vgl.
Kapitel 4.1.1). Die im Diagramm gezeichneten Kurven wurden mittels Gleichung (4.2) und
Gleichung (4.3) ermittelt. Sie gelten jeweils für den in der Legende angezeigten Volumenanteil
der γ ′′ -Teilchen. In den Proben aus der Scheibe 12C wird der maximal erreichbare Anteil an
γ ′′ -Teilchen bereits nach 8 Stunden bei 718 ◦ C erreicht. Von da an wachsen die Teilchen nicht
mehr aus Nb-Atomen in der Matrix, sondern sie vergröbern, indem größere Teilchen auf Ko-
sten kleinerer wachsen. Da für diese Teilchengrößen der Orowanmechanismus maßgebend ist,
sinkt die Effektivität der Teilchen gegen Versetzungsbewegungen deutlich. Damit lässt auch die

71
Härte dieser Proben wieder nach. In den Proben aus der Scheibe 13A überwiegt bis zu einer
Wärmebehandlungsdauer von 8 Stunden bei 718 ◦ C noch das Wachstum der Teilchen aus der
Matrix. Eine Vergröberung der Teilchen ist hier noch nicht zu erkennen. Erst nach 20 Stunden
bei 718 ◦ C wird ein Volumenanteil nahe dem Gleichgewichtszustand erreicht und mit ihm die
höchste gemessene Härte (vgl. Abbildung 4.18). Die Ergebnisse der Untersuchungen lassen fol-

Abbildung 4.25: Anstieg der Härte mit steigender Teilchengröße. Die stärker gezeichnete Linie
für f =0.13 zeigt den maximal zu erwartenden Volumenanteil an γ ′′ -Phase in IN 718 an, bei
etwa 1% δ-Phase.

genden Schluss zu:


Eine hohe Umformgeschwindigkeit führt zu einer höheren Dichte an Gitterbaufehlern im Ma-
trixgitter, welche als Keimstellen für die Ausscheidung von γ ′′ -Teilchen dienen5 . Diese hohe
Anzahl an Leerstellen bedeutet für das Matrixgitter einen energetisch ungünstigen Zustand.
Daher muss deutlich weniger Energie von Außen zugeführt werden, damit die Nb-Atome be-
ginnen, zu den Leerstellen zu diffundieren und dort γ ′′ -Keime zu bilden. Dieses führt zu einer
deutlich höheren Zahl an Keimen, die den zum Wachstum erforderlichen kritischen Keimradius
überschreiten können. Aus einer von Anfang an höheren Anzahl wachstumsfähiger Keime folgt
5
Zu dem Ergebnis, dass hohe Deformationsraten zu einer großen Leerstellendichte führen, kommen auch ver-
schiedene andere Arbeiten [65–69]. Die Arbeiten [67–69] sprechen zwar von Keimstellen für die metadynamische
Rekristallisation, nach [70] können dieselben Keimstellen in Nickelbasis-Legierungen aber auch als Keime für
die Bildung von Ausscheidungen dienen.

72
eine deutlich feinere Verteilung der Teilchen. Das bedeutet bei gleichem Volumenanteil, dass in
schnell umgeformtem IN 718 deutlich kleinere Teilchen mit einem deutlich geringeren Abstand
voneinander auftreten als in langsam umgeformtem.

Für einen gegebenen Volumenanteil f der Ausscheidung hängt der Teilchenabstand direkt mit
der Teilchengröße zusammen:
λ2 · f = d2T . (4.15)

Setzt man (4.15) in Gleichung (4.3) und Gleichung (4.2) ein, kann man ablesen, dass bei-
de Wechselwirkungsmechanismen (Orowan und Kelly-Fine) umgekehrt proportional auf den
Teilchenabstand reagieren. Das bedeutet, dass ein möglichst geringer Teilchenabstand förder-
lich für eine effektive Behinderung der Versetzungsbewegung ist. Da aber Teilchenabstand und
Teilchengröße bei festem Volumenanteil nach Gleichung (4.15) zusammenhängen, darf der Ab-
stand nicht zu klein sein, da die Teilchengröße sonst unter den optimalen Teilchenradius fällt
und die festigkeitssteigernde Wirkung wieder sinkt (Kelly-Fine-Mechanismus).

Aus dem Diagramm in Abbildung 4.18 ergeben sich drei Optimierungsmöglichkeiten für die
Herstellung von spindelgepressten Bauteilen aus IN 718. Besteht die Möglichkeit, den Wärme-
behandlungsprozess zu ändern, so lässt sich bei spindelgepressten Bauteilen durch eine deutlich
verlängerte Auslagerungsdauer (ca. 20 Stunden) eine deutlich höhere Festigkeit der Bauteile er-
reichen als bei hydraulisch gepressten (Punkt P1). Ist die mit hydraulisch gepressten Bauteilen
erreichbare Festigkeit für den Anwendungsfall ausreichend, so kann der Auslagerungsprozess
für spindelgepresste Bauteile deutlich verkürzt werden (auf ca. 2 Stunden), um dieselbe Festig-
keit zu erreichen (Punkt P3). Kann aus technischen Gründen die Auslagerungsbehandlung nicht
geändert werden, so kann bei gleichem Prozessverlauf gegenüber der hydraulischen Schmiedung
trotzdem ein deutlich erhöhter Festigkeitswert erreicht werden (Punkt P2).

73
4.3 Dilatometerproben, Modifizierung des Dilatometer-
versuches

Die FE-Berechnungen haben gezeigt, dass die numerische Nachbildung des gesamten Schmie-
deprozesses im Dilatometer nicht zu realisieren ist. Anhand der Entwicklung der Härte und der
Korngröße während der ersten zwei Umformschritte soll gezeigt werden, dass eine Modifikation
des Dilatometerversuchs zulässig ist. Das Ziel ist es, den Dilatometerversuch auf lediglich einen
Vorpress- und einen Fertigpressschritt zu reduzieren und damit eine Probenrestlänge von mehr
als 3 mm bei Versuchsende zu realisieren.

4.3.1 Mechanische Eigenschaften

Die Härte der Proben aus dem Umformversuch wird nach jedem Teilschritt (Umformschritt oder
Rückwärmschritt) bestimmt und mit der Korngrößenentwicklung in den Proben verglichen.
Damit soll die Auswirkung der einzelnen Schmiede- und Rückwärmschritte auf die Härte und
die Korngröße analysiert werden. Die Ergebnisse sind in Abbildung 4.26 aufgetragen. Man
kann ablesen, dass die Härte während der ersten Stunde des Vorwärmens bei 1000 ◦C (1a) von
ihrem Ausgangswert (ca. 360 HV 10) stark, in den folgenden 2 Stunden jedoch nur noch leicht
absinkt (1b, < 200 HV 10). Beim ersten Schmiedeschlag (3) steigt die Härte wieder auf einen
Wert von etwa 360 HV 10. Während des Rückwärmens (4b) sinkt sie wieder auf unter 200 HV
10. Dieses wiederholt sich beim 2. Schmiedeschlag (6) und dem Rückwärmen (7b). Nach jedem
Schmiedeschlag steigt die Härte an, während des Rückwärmens sinkt sie wieder ab. Die Werte
nach jedem Schmiedeschritt und nach jedem Rückwärmschritt entsprechen sich in etwa. Das
untermauert die Vermutung, dass für den Dilatometerversuch ohne Verlust von Informationen
ein Schmiedeschlag-Rückwärm-Zyklus ausgelassen werden kann.

4.3.2 Lichtmikroskopie

Für den Vergleich der Entwicklung von Härte und Korngröße im Umformversuch wurde auch
die Korngröße nach jedem Schmiedeschlag und Rückwärmschritt bestimmt. Die Ergebnisse
sind ebenfalls in Abbildung 4.26 dargestellt. Man kann erkennen, dass die Korngröße in den
Proben während des Vorwärmens (Schritte 1a und 1b) und der Rückwärmschritte (Schritte 4b

74
und 7b) wächst, nach den Schmiedeschlägen aber wieder stark sinkt. Auffällig ist weiterhin,
dass die Korngröße nach jedem Schmiedeschlag (3 und 6) in etwa denselben Wert annimmt.
Damit bestätigt sich auch die Annahme der vollständigen Rekristallisation des umgeformten
Materials während der Rückwärmschritte, die auch bei den FE-Simulationen berücksichtigt
wird. Auf Basis dieser Beobachtungen wurde der modifizierte Umformversuch erstellt.

Abbildung 4.26: Korngröße und Härte der Dilatometerproben nach dem jeweiligen Teilschritt
des Umformversuches. Deutlich zu erkennen sind die Korrelation von Korngröße und Härte
während der Schmiedeschläge (3, 6) und Rückwärmschritte (4b, 7b).

Anschließend wurden Korngröße und Härte von Proben aus dem kompletten mit denen aus
dem modifizierten Umformversuch verglichen. Das Diagramm in Abbildung 4.27 weist eine gu-
te Übereinstimmung der Werte aus. Eine sogar sehr gute Übereinstimmung von Korngröße und
Härte kann beim Vergleich von Proben aus dem modifizieren Umformversuch und dem Real-
prozess festgestellt werden (auch Abbildung 4.27). Damit wurde die Eignung des Versuches,
einen realen Schmiedeprozess zu simulieren, auch experimentell nachgewiesen. Wie in Kapitel
2.1 bereits besprochen, kann im as forged-Material keine vollkommen homogene Mikrostruktur
garantiert werden. Aus diesem Grund wurde das as-forged-Material im Lichtmikroskop un-
tersucht, bevor weitere Experimente damit durchgeführt wurden. Dazu wurde die Scheibe in
drei Bereiche eingeteilt (Rand, Mitte und Kern, vgl. Abbildung 2.2). Jeweils eine Probe aus
jedem Bereich wurde längs aufgeschnitten, eingebettet, angeätzt und die Korngrößen wurden

75
Abbildung 4.27: Vergleich von Korngröße und Härte nach den sich entsprechenden Teilschritten
von komlettem (7b) und verkürztem Umformversuch (4b’), sowie von verkürztem Umformver-
such (10’) und realem Schmiedeprozess (10). Die sehr gute Übereinstimmung der Werte zeigt,
dass der Umformversuch geeignet ist, den Realprozess sehr gut abzubilden.

bestimmt. Die ermittelten Korngrößen sind in Tabelle 4.2 zusammengefasst.


Das Gefüge der Probe D017 (Rand) ist mit einer mittleren Korngröße von ASTM 10 deut-
lich feiner als das der beiden anderen Proben (045, Mitte und 075, Kern; beide ASTM 8)6 .
Anschließend wurden die drei Proben 1 Stunde bei 1000 ◦C im Dilatometer geglüht und aber-
mals wurden die Korngrößen bestimmt. Während in den unbehandelten Proben ein relativ
homogenes Gefüge vorliegt, bilden sich in den wärmebehandelten Proben zwei Teilgebiete aus,
die eine deutlich unterschiedliche Korngröße aufweisen. Die Körner an den Stirnflächen (wo
die Proben Kontakt zu den keramischen Stempeln haben und damit kalt bleiben) ändern ih-
re Größe nahezu nicht. Die Korngröße im Mittenbereich der Proben steigt dagegen stark an.
Während sich in der Randprobe (D017) nach 3 Stunden Glühung bei 1000 ◦ C eine homoge-
ne Korngrößenverteilung einstellt, verstärkt sich der Unterschied zwischen feinen Rand- und
groben Mittenbereichskörnern in den beiden Proben aus Mitte und Kern weiter. Zwei Gründe
sprechen dafür, für die weiteren Untersuchungen dennoch die Proben aus den Bereichen Mit-

te“ und Kern“ zu benutzen. Zum einen entspricht die Korngröße in dem Mittelbereich dieser

6
Die Übersicht über die Nummerierung der Dilatometerproben zeigt Abbildung 2.2

76
Abbildung 4.28: Lichtmikroskopische Aufnahme der Dilatometerprobe 045, Mitte, Feinkornbe-
reich.

Proben sowohl im Ausgangszustand wie auch nach einer Glühung von 1 Stunde bei 1000 ◦ C
den zur Verfügung gestellten Werten in einer realen Turbinenscheibe. Zum anderen liegt der
betrachtete Bereich aus der realen Turbinenscheibe ebenfalls im Mittenbereich des verwendeten
Barrens.

Tabelle 4.2: Mittlere Korngrößen der Proben nach unterschiedlich langer Wärmebehandlung

Behandlung\Stelle in Scheibe Rand Mitte Kern

Ausgangsmaterial ASTM 10 ASTM 8 ASTM 8

1 h / 1000 ◦ C ASTM 10 ASTM 7 - 8 ASTM 7 - 8


ASTM 8 ASTM 6 ASTM 6

3 h / 1000 ◦ C ASTM 7 - 8 ASTM 7 - 8


ASTM 8
ASTM 5 ASTM 5

77
4.4 Dilatometerproben, Umform- und WB-Versuch

Mit dem modifizierten Dilatometerversuch wurden 54 Proben umgeformt und anschließend


wärmebehandelt. Aus diesen Proben wurden Folien für die Untersuchung im TEM herauspräpa-
riert. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden in diesem Abschnitt vorgestellt und anschlie-
ßend diskutiert.

4.4.1 Transmissionselektronenmikroskopie

Mit Hilfe von Hellfeld- und Beugungsbildern wie in Abbildung 4.29 wurde nachgewiesen, ob
bereits γ ′′ -Teilchen in der jeweiligen Probe vorhanden sind. Es wird hier nur der Ausschei-
dungsbeginn der γ ′′ -Phase festgestellt. Das Wachstum der Phase wurde bereits in Kapitel 4.2
besprochen.
Als Ausscheidungsbeginn wird der Zeitpunkt definiert, zu dem der Anteil der γ ′′ -Phase groß
genug ist, ihn im Hellfeldbild nachweisen zu können. Die Ergebnisse der Auswertung aus den
Dilatometerexperimenten bestätigen, was sich bereits in den Untersuchungen an den geschmie-
deten, nicht wärmebehandelten Scheiben zeigte. Der Ausscheidungsbeginn der γ ′′ -Phase liegt
bei schnell umgeformtem IN 718 deutlich früher als bei langsam umgeformtem. Die Grenze des
Ausscheidungsgebietes der γ ′′ -Phase liegt für die quasi-statische Umformung bei etwa 850 ◦ C.
Bei den vorliegenden Untersuchungen konnten in den Proben auch für niedrigere Temperatu-
ren bereits nach 1 bis 10 min. γ ′′ -Teilchen nachgewiesen werden. Erwartungsgemäß konnten
in den Proben, die bei mehr als 900 ◦ C wärmebehandelt wurden, keine γ ′′ -Teilchen detektiert
werden, da die Lösungstemperatur dieser Phase bei etwa 885 ◦ C liegt. In Abbildung 4.30 sind
die Ergebnisse der Untersuchungen in dem neu erstellten ZTU-Diagramm dargestellt.

4.4.2 Diskussion

Das Diagramm in Abbildung 4.30 zeigt das Ergebnis der Untersuchungen an den Dilatometer-
proben als Kurve. Die durchgezogene Linie zeigt an, ab welchem Zeitpunkt der Volumenanteil
an γ ′′ -Phase im Material so groß ist, dass die Teilchen mit einem TEM detektiert werden können,
also die γ ′′ -Teilchen im Hellfeldbild zu erkennen sind. Zur Absicherung, ob es sich tatsächlich um
γ ′′ -Ausscheidungen handelt, wurden dazu Beugungsbilder aufgenommen, die die Existenz der
Teilchen zweifelsfrei nachweisen. Zum Vergleich ist in das Diagramm die entsprechende Kurve

78
für IN 718 nach quasi-statischer Umformung (nach Oradei-Basile und Radavich [3]) eingezeich-
net. Man kann erkennen, dass der Ausscheidungsbeginn gegenüber dem nach quasi-statischer
Umformung deutlich zu kürzeren Zeiten hin verschoben ist. Die Grenze des Ausscheidungs-
gebietes hat sich außerdem gegenüber der langsamen Umformung von etwa 850 ◦ C zu 750 ◦ C
verschoben. Das bedeutet, dass die γ ′′ -Phase sich in schnell umgeformtem IN 718 nicht nur
eher bildet, sondern offensichtlich auch weniger Energie in Form von Wärme zugeführt werden
muss, damit sie sich ausscheidet.
Es lässt sich festhalten, dass eine hohe Umformgeschwindigkeit auf verschiedene Weise das
Ausscheidungsverhalten der γ ′′ -Phase in IN 718 und damit die mechanischen Eigenschaften
beeinflusst:

1. In schnell umgeformtem IN 718 ist die während der Wärmebehandlung erreichte Teil-
chengröße (und damit - für einen konstanten Volumenanteil - der Abstand zwischen den
ausgeschiedenen Teilchen) geringer. Dadurch werden über die gesamte Wärmebehand-
lungsdauer höhere Festigkeiten erreicht als nach der Umformung auf einer hydraulischen
Presse bei gleicher Wärmebehandlung. Als weitere Schlussfolgerung kann noch hinzu-
gefügt werden, dass - bei gleichem Volumenanteil und kleinerer Teilchengröße - die Teil-
chenanzahl in schnell umgeformtem IN 718 deutlich höher sein muss als in hydraulisch
umgeformtem.

2. Das Schmieden auf der Spindelpresse verlängert die Dauer bis der maximal zu erreichende
Volumenanteil an γ ′′ -Phase ausgeschieden ist. Durch die in kleineren Einzugsbereichen
schneller absinkende Konzentration der Nb-Atome sinkt die Treibkraft für die Diffusion
stark ab und die Teilchen wachsen langsamer. Ausserdem müssen die Teilchen aufgrund
ihres geringen Abstandes untereinander früher um die Nb-Atome konkurrieren.

3. Der Ausscheidungsbeginn der γ ′′ -Phase verschiebt sich gegenüber hydraulisch gepresstem


Material zu kürzeren Zeiten. Daher werden in schnell umgeformtem Material bereits direkt
nach dem Schmieden höhere Festigkeiten gemessen.

Eine derartige Verschiebung des Ausscheidungsbeginns der γ ′′ -Phase wurde in den Untersuchun-
gen bei SNECMA bereits für IN 718, welches auf einem Schmiedehammer umgeformt wurde,
festgestellt [40]. In dieser Arbeit wurden allerdings die Ursachen dafür nicht untersucht.

Das derzeit verwendete Zeit-Temperatur-Umwandlungsdiagramm (ZTU) gilt demnach nur für

79
eine quasi-statische Umformung, wie sie beim Schmieden auf einer hydraulischen Presse vor-
liegt, nicht aber für schnell umgeformtes IN 718.

Abbildung 4.30: ZTU-Diagramm für IN 718 nach schneller Umformung (Spindelpresse). Die
durchgezogene Kurve zeigt an, ab welchem Zeitpunkt die γ ′′ -Phase detektiert werden kann. Die
Kurve für den Beginn der Ausscheidung der γ ′′ -Phase nach quasi-statischer Umformung [3] ist
gestrichelt eingezeichnet.

80
(a) Nach 60 min. bei 600 ◦ C. (b) Nach 1 min. bei 700 ◦ C.

(c) Nach 10 min. bei 750 ◦ C. (d) Nach 1 min. bei 800 ◦ C.

(e) Nach 10 min. bei 850 ◦ C. (f) Nach 10 min. bei 900 ◦ C.

Abbildung 4.29: γ ′′ -Teilchen in den Dilatometerproben nach verschiedener Wärmebehandlungs-


dauer und Temperatur.
81
Kapitel 5

Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss einer hohen Umformgeschwindigkeit auf die
mechanischen Eigenschaften der Ni-Fe-Basis-Legierung IN 718 untersucht. Zu diesem Zweck
wurden die mechanischen Eigenschaften und die Mikrostruktur des Materials an Proben nach
unterschiedlicher thermomechanischer Belastung analysiert. Die mechanischen Eigenschaften
wurden mit Härtemessungen bestimmt, zur Charakterisierung der Mikrostruktur wurden licht-
mikroskopische und transmissionselektronenmikroskopische Methoden angewendet. Es standen
für diese Arbeit Turbinenscheibenrohlinge zur Verfügung, die auf unterschiedlichen Schmiede-
aggregaten (Spindelpresse, hydraulische Presse, Schmiedehammer) umgeformt wurden. Deswei-
teren stand eine Scheibe von ungeschmiedetem Material zur Verfügung.

Die Bestimmung der mechanischen Eigenschaften zeigte, dass die Härte der schnell umgeform-
ten Scheibenrohlinge (Spindelpresse, Schmiedehammer) deutlich höher ist als die der langsam
umgeformten (hydraulische Presse). Zudem wurde bei den schnell umgeformten Scheiben eine
Abhängigkeit der Härte von der Abkühlgeschwindigkeit festgestellt. Bei diesen Scheiben stieg
die gemessene Härte an, wenn sie langsam abgekühlt wurden. Diese Abhängigkeit kann durch
- bei den Untersuchungen mit dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) entdeckte - fein-
ste γ ′′ -Ausscheidungen in den Scheiben erklärt werden. In den langsam umgeformten Scheiben
konnten nach der gleichen Behandlung keine γ ′′ -Teilchen festgestellt werden.

Die Ausscheidung der γ ′′ -Phase ist der für IN 718 wichtigste festigkeitssteigernde Mechanis-
mus. Die feinen, tetragonal raumzentrierten, teilkohärenten Teilchen verleihen der Legierung
ihre hohe Festigkeit bis zu Temperaturen von 650 ◦ C [4]. Die γ ′′ -Phase bildet sich in IN 718

82
normalerweise erst bei einer 18-stündigen, zweistufigen Wärmebehandlung (8 h / 718 ◦ C + 2 h
Abkühlung auf 621 ◦ C + 8 h / 621 ◦ C).
Durch die schnelle Umformung werden deutlich mehr eindimensionale Gitterfehler in das Ma-
terial eingebracht, die wiederum als Keimstellen für die Ausscheidung der γ ′′ -Phase dienen. Bei
einer größeren Anzahl an Keimen ist auch die Zahl der Keime größer, die den zum Wachstum
nötigen kritischen Keimradius überschreiten. Eine deutlich eher einsetzende Phasenausschei-
dung ist die Folge. Daraus wiederum resultiert eine deutlich feinere Verteilung der Teilchen,
was die Festigkeit gegenüber einer gröberen Verteilung erhöht.

Wärmebehandlungsversuche zur Untersuchung der Entwicklung der Härte des Materials und
des Wachstums der γ ′′ -Teilchen wurden jeweils an einer schnell umgeformten und einer langsam
umgeformten Scheibe durchgeführt.
Die Härteentwicklung über der Wärmebehandlungsdauer ist bei den beiden Scheiben deutlich
unterschiedlich. Die Härte der langsam umgeformten Scheibe steigt bis zu einer Wärmebehand-
lungsdauer von 8 Stunden an, danach überaltert das Material und die Härte sinkt wieder ab.
Die Härte der schnell umgeformten Scheibe liegt von Anfang an über der der langsam umge-
formten. Ihre Härte steigt aber bis zu einer Wärmebehandlungsdauer von 20 Stunden weiter
an, bevor das Material überaltert. Daraus ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten, den
Wärmebehandlungsprozess für schnell umgeformtes IN 718 zu optimieren.
Es lässt sich auch ein deutlicher Unterschied, das Ausscheidungswachstum betreffend, zwischen
den beiden unterschiedlich schnell umgeformten Scheiben feststellen:
Während die γ ′′ -Teilchen in der langsam umgeformten Scheibe gleichmäßig über die Wärme-
behandlungsdauer wachsen, treten sie in der schnell umgeformten Scheibe zwar früher auf,
wachsen aber nur zögerlich. Erst nach etwa 20 Stunden bei 718 ◦ C wird das Wachstum der
γ ′′ -Teilchen in dieser Scheibe deutlich schneller. Daraus folgt auch, dass der Volumenanteil der
γ ′′ -Phase in der schnell umgeformten Scheibe langsamer wächst als in der langsam umgeform-
ten. Dieser erreicht in der schnell umgeformten Scheibe erst nach 20 Stunden ungefähr den
maximal möglichen. Auch lässt sich damit der Härtezuwachs in der schnell umgeformten Schei-
be bis zu einer Wärmebehandlungsdauer von 20 Stunden erklären.

Das nach der schnellen Entstehung der Teilchen deutlich langsamere Wachstum im schnell
umgeformten Material lässt sich folgendermaßen erklären:
Im schnell umgeformten Material überlappen sich die Einzugsbereiche der Teilchen sehr bald

83
nach ihrer Entstehung und sie beginnen, um die in der Matrix verbliebenen Nb-Atome zu
konkurrieren. Dadurch wird das Wachstum der Teilchen stärker abgebremst als im langsam
umgeformten Material, in dem die Einzugsbereiche der Teilchen sich erst sehr spät im Aus-
scheidungsprozess überlappen.

Das derzeit verwendete Zeit-Temperatur-Umwandlungsdiagramm (ZTU) gilt nach den Erkennt-


nissen dieser Arbeit nur für quasi-statisch umgeformtes IN 718 und kann somit für schnell um-
geformtes IN 718 nicht angewendet werden.
Aus diesem Grund wurde ein Umformversuch entwickelt, mit dem Kleinproben den Bedingun-
gen eines Schmiedeprozesses auf einer Spindelpresse (schnelle Umformung) ausgesetzt werden
können. Für den Umformversuch wurde ein Umform- und Abschreckdilatometer verwendet.
Die Kleinproben wurden im Dilatometer umgeformt und anschließend direkt wärmebehandelt.
Die Proben wurden im TEM auf die Existenz der γ ′′ -Phase hin untersucht und die Ergebnisse
in Form eines Zeit-Temperatur-Umwandlungsdiagramms (ZTU) aufgetragen. Damit kann der
Wärmebehandlungsprozess optimiert werden und so können - bei Einhaltung der Anforderun-
gen an das Endprodukt - Kosten eingespart werden.

In Tabelle 5.1 sind die Auswirkungen einer hohen Umformgeschwindigkeit auf alle in dieser Ar-
beit betrachteten Eigenschaften von IN 718 noch einmal zusammengefasst. Die Ergebnisse der
Arbeit basieren auf dem Schmiedeprozess von Turbinenscheiben auf einer Spindelpresse. Daher
gibt das hier aufgestellte ZTU in erster Linie die Richtung an, in die sich das Ausscheidungs-
verhalten von IN 718 bei hohen Dehnraten gegenüber quasi-statischer Umformung entwickelt.
Weitere Arbeiten könnten sich mit der Ausscheidungsverhalten der Legierung bei noch höheren
Dehnraten beschäftigen, wie sie z.B. beim Umformen mit einem Schmiedehammer auftreten.
Aus der Zusammenstellung der Ergebnisse, die bei unterschiedlichen Umformgeschwindigkeiten
ermittelt wurden, kann ein Umform-Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Diagramm (UZTU) aufge-
stellt werden.

84
Tabelle 5.1: Auswirkung einer hohen Umformgeschwindigkeit auf die mechanischen Eigenschaf-
ten und die Mikrostruktur von IN 718. WB steht für Wärmebehandlung.

Parameter Auswirkung Quelle

γ ′′ -Teilchenzahl ր Abschn. 4.4.2


Teilchenabstand λ ց Abb. 4.19 und 4.21
γ ′′ -Teilchengröße dT (nach 8 h WB) ց Abb. 4.20
γ ′′ -Teilchengröße dT (nach 50 h WB) −→ Abb. 4.20
Volumenanteil γ ′′ -Teilchen f (nach 8 h WB) ց Abb. 4.22
Volumenanteil γ ′′ -Teilchen f (nach 50 h WB) −→ Abb. 4.22
WB-Dauer bis fmax ր Abb. 4.25
Zugfestigkeit (Raumtemperatur) ր Abb. 1.2
Zugfestigkeit (650 ◦ C) րր Abb. 1.2
Härte (nach 8 h WB) ր Abb. 4.18
Härte (nach 20 h WB) րր Abb. 4.18
WB-Dauer bis HVmax ր Abb. 4.18

85
Anhang A

Bestimmung der Werkstoffkennwerte

A.1 Wärmeausdehnungskoeffizient

Im Dilatometer wurden die Längenänderungen der Proben gemessen. Aus diesen Daten kann
der Wärmeausdehnungskoeffizient für das vorliegende Probenmaterial abgeschätzt werden. Die
Abbildung A.1 zeigt den Maximalwert und den Minimalwert der gemessenen Wärmeausdeh-
nungskoeffizienten. Der von Special Metals angegebene Wert für den Sekanten-Ausdehnungs-
koeffizienten liegt bei α = 0,1456 µm/cm· ◦ C [4]. Er liegt also fast mittig zwischen den beiden
Extremwerten aus den Messungen. Diese Untersuchung rechtfertigt die Verwendung des Lite-
raturwertes in den numerischen Simulationen.

A.2 Wärmeübergang in die Stempel

Die Turbinenscheibe wird zwischen zwei metallischen Stauchbahnen (Gesenken) umgeformt. Im


Gegensatz dazu wird die Dilatometerprobe zwischen zwei Keramikstempeln (Si3 N4 ) gestaucht.
Der Wärmeübergang zwischen IN 718 und der Keramik ist ein anderer als bei einem Schmie-
devorgang auf der Spindelpresse. Um die gegenüber dem Realprozess geänderten Randbedin-
gungen im Umformversuch im Dilatometer berücksichtigen zu können, wurde in einem Versuch
die Temperatur auf der Oberfläche der Probe in axialer Richtung bestimmt. Die Abbildung
A.2 zeigt die auf der Probenoberfläche aufgeschweißten Thermoelemente und eine bemaßte
Skizze. Das Diagramm in Abbildung A.3 zeigt die mit den drei Thermoelementen gemessenen
Temperaturkurven über der Zeit während einer einstündigen Glühung bei 1000 ◦C. Über die

86
Temperatur am ersten Thermoelement wird die Hochfrequenz-Induktionsspule geregelt, mit
welcher die Probe aufgeheizt wird. Zur Ermittlung des Wärmeübergangskoeffizienten wird die
allgemeine Wärmeleitgleichung angeschrieben [71]:

∂2T 1 ∂T ẇ
2
− = = const., (A.1)
∂x K ∂t λ

in der T die Temperatur, x die Ortskoordinate, gezählt von der Mitte der Probe in axialer Rich-
tung, K die Temperaturleitfähigkeit, ẇ die Wärmequellendichte und λ die Wärmeleitfähigkeit
ist. Abbildung A.4 zeigt schematisch das vorliegende Wärmeleitproblem. Wie man aus Ab-
bildung A.3 erkennt, stellt sich ein konstanter Temperaturgradient über der Zeit ein. Damit
fällt die Ableitung nach der Zeit heraus. Das Problem kann sofort auf ein lineares, stationäres
Wärmeleitproblem reduziert werden. Dieses führt auf eine parabolische Temperaturverteilung
gemäß:
1 ẇ 2
T (x, t) = − x + C1 x + C2 , (A.2)

Nach Abbildung A.4 muss nach dem Energieerhaltungssatz

q̇ = ẇ · l (A.3)

sein. Hierin ist q̇ die Wärmestromdichte, welche die abgeführte Wärmemenge angibt, die ebenso
groß sein muss wie die über die Länge l eingebrachte Wärme. Mit den Randbedingungen

∂T
= C1 = 0, (A.4)
∂x x=0

∂T ẇ
= − l, (A.5)
∂x x=l λ
und der Substitution aus Gleichung A.3

ẇ q̇
− l=− . (A.6)
λ λ

ergibt sich mit λ =27 W/m · K (Literaturwert) die Integrationskonstante zu C2 zu 1008 ◦ C


und die Wärmestromdichte zu q̇ ≈ 162 W/m2 . Daraus folgt die die Temperaturverteilung
beschreibende Gleichung:
1
T (x) = − · 12 · 106 x2 + 1008 (A.7)
2
Abbildung A.5 zeigt die Lösung des Wärmeleitproblems. Diese kann zum einen verwendet
werden, um zu überprüfen, in welchem Probenbereich die Temperatur tatsächlich der ange-
nommenen entspricht, zum anderen kann nun aus der ermittelten Wärmestromdichte q̇ der
Wärmeübergangskoeffizient für den Kontakt zwischen Probe und Keramikstempel abgeschätzt

87
werden. Dieser unterscheidet sich mit 2 W/m2 K deutlich von dem Wärmeübergangskoeffizient
für den Kontakt zwischen Schmiedestück und metallischem Gesenk (7.3 W/m2 K). Für eine
realistische Abbildung des Umformprozesses im Dilatometer wurde dieses in den Berechnungen
berücksichtigt.

88
(a) Ausdehnung der Probe 045

(b) Ausdehnung der Probe 075

Abbildung A.1: Diagramme zur Absschätzung des Wärmeausdehnungskoeffizienten von IN 718.


Die beiden Werte α [µm/cm· ◦ C] sind das Minimum (a) bzw. das Maximum (b) der gemessenen
Werte.

89
(a)

0,9 mm
2,4 mm
4,4 mm

T1 T2 T3

(b)

Abbildung A.2: Abbildung der Dilatometerprobe mit aufgeschweißten Thermoelementen (a)


und eine bemaßte Skizze der bestückten Dilatometerprobe (b).

90
Abbildung A.3: Temperaturverlauf an den drei Thermoelementen auf der Dilatometerprobe
während der einstündigen Glühung bei 1000 ◦ C. T1 ist das Thermoelement zur Steuerung der
HF-Induktionsspule nahe der Mitte der Probe.

Abbildung A.4: Schematische Abbildung des Wärmeleitproblems

91
Abbildung A.5: Graphische Darstellung der Lösung des Wärmeleitproblems

92
Anhang B

Einführung in die Theorie der


Elektronenmikroskopie

Im Folgenden soll eine kurze Einführung in die Funktionsweise eines Elektronenmikroskops und
die in der Arbeit verwendeten Fachbegriffe gegeben werden. Für ausführlichere und tieferge-
hende Informationen wird jedoch auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen (z.B. [72]).

Ab etwa 1957/58 gewann die noch junge Elektronenmikroskopie auch in den Werkstoffwis-
senschaften langsam an Bedeutung. Damit konnten endlich die bis dahin nur theoretisch be-
schriebenen oder indirekt bewiesenen Gitterdefekte (Versetzungen, Leerstellen, Zwischengitter-
atome, kleinste Ausscheidungen) nachgewiesen werden. Die Elektronenmikroskopie entwickelte
sich schnell weiter, mit dem Ziel immer höhere Auflösungsvermögen zu erreichen.
Das Auflösungsvermögen g ist definiert als der gerade noch mit dem Auge erkennbare Abstand
von zwei Objektdetails. Für die Mechanismen der Bildentstehung und das Auflösungsvermögen
gilt in der gesamten Optik die Abbe’sche Theorie. Diese besagt, dass mindestens das 1. Beu-
gungsmaximum noch durch Objektivlinse und Aperturblende gehen muss. Dieses 1. Maximum
entsteht in der gegenüber dem durchgehenden Strahl um α abgelenkten Richtung, in der die
Strahlen zweier benachbarter Spalten genau eine Gangdifferenz von λ haben. Aus Abbildung
B.1 folgt: Je kleiner g, desto größer wird α. Aus der Zeichung kann man erkennen, dass
λ
gb = . (B.1)
sin α
Eine genauere theoretische Berechnung ergibt:
0.6 · λ
gb = . (B.2)
sin α
93
Abbildung B.1: Interferenz bei Beugung am Strichgitter mit Spaltabstand g.

Hierin bedeutet gb das Auflösungsvermögen bzw. das Maß für die Auflösungsgrenze aufgrund
der Beugung oder auch Beugungsfehler. Die Wellenlänge des Lichtes bzw. der Strahlung ist λ
und α der Öffnungs- oder Aperturwinkel. Im Umkehrschluss zu dem oben gesagten kann man
festhalten, dass das Auflösungsvermögen umso höher ist (kleines gb ), je größer α ist. In der
Lichtmikroskopie wird mit Aperturen in der Größenordnung von 1 gearbeitet, so dass hier die
Wellenlänge λ den limitierenden Faktor für die Auflösung darstellt.

Im Jahre 1924 bereits entdeckte de Broglie, dass man Teilchenstrahlung ebenfalls eine Wel-
lenlänge zuordnen kann. Diese lässt sich berechnen aus:

h
λ= , (B.3)
m·v
1 √
U · e = m · v 2 → v = 2 · m · U · e. (B.4)
2
Hierin bedeuten h die Plancksche Konstante, m die Elektronenmasse und v ihre Geschwindig-
keit, U ist die Beschleunigungsspannung für die Elektronen mit der Ladung e. Setzt man die
Konstante ein und löst diese Gleichungen nach λ auf, ergibt sich:
s
150
λ= [Å]. (B.5)
U[Volt]

Prinzipiell ist ein Elektronenmikroskop genauso aufgebaut wie ein Lichtmikroskop (vgl. Abbil-
dung B.2). Oberhalb der zu untersuchenden Probe wird ein Strahl erzeugt. Im Elektronenmikro-
skop werden Elektronen statt Photonen zum Beleuchten verwendet. Dazu wird eine Kathode

94
aus W oder LaB6 aufgeheizt (im CM20 LaB6 -Kathode, ca. 2000 ◦ C). Die Kathode emittiert
Elektronen, die von einer ringförmigen Anode in Richtung des Objekts beschleunigt werden
(im CM20 200 kV, λ=0.0251 Å). Durch die sogenannte Kondensorlinse werden die Elektronen
auf das Objekt fokussiert und die reflektierten bzw. gebeugten Elektonenstrahlen durch ver-
schiedene, hintereinandergeschaltete Linsen vergrößert und auf den Endbildschirm oder eine
Fotoplatte gelenkt. Als Linsen werden im Elektronenmikroskop rotationssymmetrische, inho-
mogene Magnetfelder verwendet. Ihre Funktionsweise im Mikroskop ist mit der von Glaslinsen
im Lichtmikroskop identisch. Einzige Ausnahme: Im Elektronenmikroskop gibt es keine Streu-
linsen.
Werden die Elektronen durch das magnetische Feld der Linse beschleunigt, wirkt auf sie die
Lorentz-Kraft:

K = e · [v × B]. (B.6)

Hierin bedeutet K die Lorentzkraft, e die Elektronenladung, v die Geschwindigkeit der Elek-
tronen und B die Feldstärke des magnetischen Feldes. Die Lorentz-Kraft wirkt also senkrecht
auf die Bewegungsrichtung der Elektronen und ebenfalls senkrecht zu den Feldlinien. Dadurch
werden die Elektronen auf eine Schraubenbahn gezwungen, deren Schraubenachse die optische
Achse ist.
Eine Vergrößerung des Bildes führt so zu einer Bildrotation, da zum Vergrößern die Anregung
der Spule geändert wird und damit die Feldstärke. Damit ändert sich auch die Ganghöhe der
Schraubenbahn, das Bild verdreht sich also bei jeder Vergrößerungsstufe. Abgesehen davon
gelten dieselben Zusammenhänge wie in der Lichtmikroskopie. So wird auch im Elektronenmi-
kroskop ein achsenparalleler Strahl im Brennpunkt gebündelt.

In der Elektronenmikroskopie treten deutlich größere Linsenfehler auf als in der Lichtmikrosko-
pie.
Der Astigmatismusfehler entsteht durch nicht ideal rotationssymmetrische Linsenfelder. Das
kann durch nicht exakte Bohrungen oder Verunreinigungen begründet sein. Die Folgen des
Astigmatismus sind strichförmige Kontraste von eigentlich punktförmigen Objekten. Durch
gegeneinander verdreh- oder verschiebbare Weicheisenstücke (Stigmator) kann diesem Fehler
entgegengewirkt werden.
Die chromatische Abweichung (Aberration) resultiert aus schwankender Wellenlänge λ aufgrund
schwankender Beschleunigungsspannung. Als Abhilfe muss die Hochspannung stabilisiert wer-

95
den, was sich um so schwieriger gestaltet, je höher die Beschleunigungsspannung ist. Außerdem
müssen auch die Linsenströme stabil gehalten werden.
Die sphärische Aberration oder der Öffnungsfehler schließlich macht sich in einer Randunschärfe
bemerkbar, da die Brennweite der Außenzonen der Linse nicht mit der der Innenzone überein-
stimmt. Dieser Fehler kann im Elektronenmikroskop aufgrund der fehlenden Streulinsen nicht
korrigiert werden. Damit gibt dieser Linsenfehler das praktisch erreichbare Auflösungsvermögen
vor. Das nur durch sphärische Aberration begrenzte Auflösungsvermögen kann folgendermaßen
abgeschätzt werden:

g s = Cs · α 3 . (B.7)

Hier ist gs der Öffnungsfehler, Cs der Koeffizient der sphärischen Aberration und α der Aper-
turwinkel. Nun ergibt sich ein Konflikt. Nach Abbe soll der Öffnungswinkel α möglichst groß
sein, ein möglichst kleines α verringert aber die Linsenfehler. Nach [73] kann das theoreti-
sche Auflösungsvermögen eines Elektronenmikroskops näherungsweise additiv aus den beiden
Fehlern abgeschätzt werden:

0.6 · λ
g = g s + g b = Cs · α 3 + . (B.8)
sinα

Durch Differentiation lässt sich bei Variation von α das minimal mögliche g ermitteln. Der
dazugehörige optimale Öffnungswinkel αopt lässt sich bestimmen zu:
r
0.6 · λ
αopt = 4 . (B.9)
3 · Cs

Damit errechnet sich das theoretische Auflösungsvermögen durch Einsetzten von αopt in Glei-
chung B.8 zu:
p
4
gmin = 1.2 · C s · λ3 . (B.10)

Mit einem angenommenen Cs von ≈ 1 mm, einer Wellenlänge λ=0.0251 und einer Brennweite
f von 2800 µm ergibt sich ein αopt =4.7 · 10−3 . Damit ergibt sich ein Auflösungsvermögen des
Mikroskops gmin von ≈ 4.3 Å. Der optimale Blendendurchmesser ist also 2·α · f =26.5 µm. Im
CM20 werden Blenden mit den Durchmessern 10, 20, 30 und 50 µm verwendet.

Während der Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit wurden die Grenzen des Auflösungs-
vermögens oftmals erreicht. Trotzdem konnten oftmals nur mit äußerster Mühe Bilder von den

96
untersuchten Probenstellen angefertigt werden, da die beobachteten Teilchen nicht immer einen
ausreichend großen Kontrast aufwiesen. Im Gegensatz zur Lichtoptik, in der die Absorption
des Lichts für die Bildentstehung wichtig ist, entsteht im Elektronenmikroskop das Bild durch
Beugung und Streuung der Elektronenstrahlen.
In kristallinen Werkstoffen sind die Atome periodisch angeordnet. Nach der Fresnel-
Huygens’schen Theorie wirkt jedes Atom im Raumgitter wieder als Quelle von in alle
Raumrichtungen ausgehenden Sekundärwellen. Sind zwei benachbarte Wellen genau um eine
Wellenlänge λ gegeneinander verschoben, so ergibt sich Interferenz, die sogenannte Bragg’sche
Beugung.

Aus der Abbildung B.3 kann man erkennen, dass nur dann Interferenz auftritt, wenn der
Primärstrahl unter dem Winkel Θ, dem Braggwinkel, auf das Kristallgitter auftrifft. Durch
die Objektivlinse wird der gebeugte Strahl in der hinteren Beugungsebene zum Beugungspunkt
fokussiert. Nach Abbildung B.4 werden alle gebeugten Strahlen von der Aperturblende abge-
fangen, deren doppelter Beugungswinkel 2Θ > αopt ist.

Bei einer 50 µm Blende (f =2800 µm) gilt:

λ
d= (B.11)
2 · sinΘ
α 25
mit λ=0.0251 Å und sinΘ ≈ Θ = ≈ = 0.45 · 10−2 . Es werden also alle Beugungspunkte
2 f ·2
von Gitterebenen mit einem Netzebenenabstand von

0.0251
d< = 2.8Å (B.12)
2 · 0.45 · 10−2

von der Objektaperturblende abgefangen. Alle Objekte und Objektdetails, deren Abmessungen
größer sind, sind nach der Abbe’schen Theorie auflösbar. Die Beugungswinkel der an ihnen
oder ihren Kanten gebeugten Strahlen sind kleiner als α und damit liegen die Strahlen näher
am 0. Maximum und fallen durch die Öffnung der Blende. Daraus folgt, dass die im IN 718
auftretenden γ ′′ -Teilchen selber nicht abgebildet werden können, da der Netzebenenabstand der
{110}-Ebenen sich mit
"
2 2 2 #− 21
h k l
d= + + , (B.13)
a b c

a=b=3,624 Å und c=7,406 Å zu d=2.56 Å ergibt. Obwohl die Beugung an den γ ′′ -Teilchen we-
gen d < 2.8 Å nicht selbst bilderzeugend wirkt, entzieht sie aber dem Primärstrahl Intensität

97
und trägt so zum Bildkontrast bei. Was auf den gezeigten Hellfeldbildern sehr gut zu erkennen
ist, ist der Verzerrungshof um die Teilchen herum. Daher kann die Teilchengröße aus diesen Bil-
dern auch nicht exakt bestimmt, sondern nur eine Obergrenze der Teilchengröße abgeschätzt
werden.

Entfernt man die Objektaperturblende aus dem Strahlengang, wird statt dem Hellfeldbild das
Beugungsbild auf dem Schirm vergrößert abgebildet. Soll lediglich ein kleiner Probenbereich
(ein Korn) betrachtet werden, kann eine sogenannte Sektorblende (selected area diffraction -
SAD) in den Strahlengang eingefahren werden. Das Resultat ist dann ein Punktdiagramm, wel-
ches aus einzelnen Beugungspunkten besteht1 . Aufgrund der sehr kleinen Wellenlänge treten je
nach Netzebenenabstand Beugungswinkel zwischen 0◦ und 1.5◦ auf. Daraus folgt der wichtige
Schluß, dass die beugenden Netzebenen immer nahezu parallel zum Primärstrahl liegen.
Für die Beugungspunkte gilt: Der Abstand jedes Beugungspunktes zum Primärstrahl ist umge-
kehrt proportional zum Netzebenenabstand der beugenden Ebenen. Der Vektor vom Primärstrahl
zum Beugungspunkt steht senkrecht auf den beugenden Netzebenen.
Da diese Definition im Wesentlichen der Definition des reziproken Gitters entspricht, kann man
auch sagen:
Jeder Beugungspunkt repräsentiert zugleich den reziproken Gitterpunkt der zugehörigen Netz-

ebenenschar (hkl). Das ganze Beugungsdiagramm entspricht einem annähernd ebenen Schnitt
durch das reziproke Gitter senkrecht zum Primärstrahl.“ [72]
Damit kann aus Einkristall-Beugungsdiagrammen neben den Gitterparametern (Netzebenen-
abstände) auch die kristallografische Orientierung der beugenden Ebenen (auch in Subgittern
= Ausscheidungen) bestimmt werden. Damit kann die Existenz der γ ′′ -Teilchen nachgewiesen
werden, auch wenn sie im Hellfeldbild nur indirekt - anhand des Verzerrungshofes - erkennbar
sind.

1
Im Gegensatz dazu entstehen bei Betrachtung von Vielkristallen Ringdiagramme aufgrund der stochasti-
schen Ausrichtung der beugenden Netzebenen.

98
Abbildung B.2: Schematischer Aufbau eines Durchstrahl-Elektronenmikroskops (TEM), [72]
entnommen. a) Strahlengang für dreistufige Hellfeldabbildung. b) Strahlengang für SAD-
Beugung. Die Zwischenlinse ist in b) schwächer erregt als in a) so dass sie das primäre Beu-
gungsbild auf dem Schirm abbildet.

99
Abbildung B.3: Bragg’sche Beugung. Ein unter dem Bragg’schen Beugungswinkel Θ einfallender
Strahl wird an den Netzebenen reflektiert (gebeugt). Die Summe der beiden Wege x muss dabei
gleich einer Wellenlänge sein, also 2x=λ=2d· sinΘ.

Abbildung B.4: Bildentstehung bei kristallinen Objekten. I0 einfallender Strahl, Ir gebeugter


Strahl, α Aperturwinkel, Θ Bragg’scher Winkel.

100
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