2012 Book PhysikFürIngenieure
2012 Book PhysikFürIngenieure
2012 Book PhysikFürIngenieure
Physik
für Ingenieure
11., bearbeitete Auflage
Mit 810 Abbildungen, 116 Tabellen und 2 Falttafeln
123
Prof. Dr. rer. nat. Dr. rer. pol. Ekbert Hering
Hochschule Aalen
ISSN 0937-7433
ISBN 978-3-642-22568-0 ISBN 978-3-642-22569-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-22569-7
Springer Heidelberg Dordrecht London New York
Physikalische Grundlagen sind für den Ingenieur unerlässlich, weil sie sowohl prinzipielle Grenzen
aufzeigen als auch eine klare Orientierung im schneller werdenden technischen Wandel bieten.
Quantentheorie und Festkörperphysik sind derzeit die Schrittmacher des technischen Fortschritts;
deshalb wird ihnen in diesem Buch der gebührende Platz eingeräumt. Mein Wunsch ist, dass die
Erkenntnisse aus der physikalischen Grundlagenforschung einen erkennbaren praktischen Nutzen
zeigen. So wie der Quanten-Hall-Effekt nicht nur die physikalischen Grundlagen gefördert hat,
sondern auch in der Präzisionsmesstechnik als Widerstandsnormal von Bedeutung ist, sollte die
Verbindung zwischen physikalischen Grundlagen und ingenieurmäßiger Umsetzung enger und
effektiver werden.
Möge dieses Buch einen Beitrag dazu leisten.
Dank sagen möchten wir vor allem Herrn Dr. Hubertus von Riedesel und Frau Eva Hestermann-
Beyerle vom Springer Verlag. Sie gaben uns die Chance, das erfolgreiche Werk inhaltlich zu
aktualisieren. Mit ihrer professionellen und freundlichen Betreuung haben sie uns immer mo-
tiviert, mit großem Energieeinsatz an diesem Werk zu arbeiten. Die außerordentlich positive
Resonanz von Studierenden, Kollegen und Mitarbeiter aus der Industrie und die vielen ermun-
ternden Zuschriften und Verbesserungsvorschläge haben dieses Werk zusätzlich aktualisiert. In
alter Verbundenheit möchten wir die Kollegen aus der Universität München erwähnen: Prof. Dr.
J. de Boer, Prof. Dr. K. E. G. Löbner und Prof. Dr. K.-H. Speidel sowie die Kollegen Prof. Dr. J. Massig
und Prof. Dr. D. Weber von der Hochschule Aalen. Stellvertretend für die vielen Persönlichkeiten,
die uns beim Gelingen dieses aktuellen Werkes unterstützt haben, möchten wir nennen: Herrn
Dr. Norbert Südland von der Universität Ulm für die Durchrechnung vieler Übungsaufgaben und
die wertvollen Hinweise, Prof. Dr. U. Weiss von der Universität Stuttgart, Prof. Dr. G. Prillinger
und Frau Prof. Dr. R. Hiesgen von der Hochschule Esslingen, Herrn Dr. R. Behr von der Physika-
lisch Technischen Bundesanstalt sowie Herrn Dr. H. D. Rüter von der Universität Hamburg, der
uns bei der Darstellung der Quantenmechanik sehr geholfen hat. Ausgezeichnete Unterstützung
erhielten wir wieder von Fachleuten aus der Industrie, denen wir allen ganz herzlich danken
möchten.
Wir wünschen unseren Lesern beim Lesen des Werkes gute Erkenntnisse in der faszinierenden
Welt der Physik und viel Freude beim Lernen. Sehr gerne nehmen wir konstruktive Hinweise
aus dem sachkundigen Leserkreis auf und freuen uns auf Ihre Hinweise.
Aalen, Esslingen, Stuttgart Ekbert Hering
Sommer 2011 Rolf Martin
Im ersten Abschnitt sind die Methode physikalischen Erkennens und der Aufbau der Physik
erläutert. Die Physik soll in ihren Zusammenhängen begriffen und nicht als bloße Aneinan-
derreihung spezieller physikalischer Gesetze missdeutet werden. Der Stoff ist in die Abschnitte
Mechanik, Thermodynamik, Elektrizität und Magnetismus, Schwingungen und Wellen, Optik,
Akustik, Atom- und Kernphysik, Festkörperphysik sowie Relativitätstheorie eingeteilt. Jedem
Abschnitt ist ein Strukturbild vorangestellt, das die jeweiligen Teilbereiche und ihre gesetzmäßi-
gen Zusammenhänge aufzeigt. Damit soll das Denken in Zusammenhängen gefördert und den
Details ihr Platz im Gesamtgefüge zugewiesen werden. Übergreifende Darstellungen (z. B. beim
Feldbegriff in der Mechanik, Thermodynamik und Elektrizitätslehre) sollen dem Leser darüber
hinaus das universelle Denkkonzept der Physik vor Augen führen. Komplizierte Zusammen-
hänge sind in zweifarbigen Skizzen oder durch Rechnerausdrucke veranschaulicht; zahlreiche
Bilder aus der Technik vermitteln einen aktuellen Praxisbezug.
Um zu zeigen, wie sich die physikalische Erkenntnis durch die Genialität einzelner Physiker
sprunghaft entwickelt hat, sind in den entsprechenden Abschnitten die Meilensteine der Physik
und ihre Wegbereiter genannt und im Anhang die Physik-Nobelpreisträger aufgeführt.
Zur Vertiefung des Verständnisses enthalten viele Unterabschnitte aus der Ingenieurpraxis stam-
mende Berechnungsbeispiele. Aufgaben (mit Lösungen im Anhang) ermöglichen es dem Leser,
selbst den Stoff zu üben und sein physikalisches Wissen zu vertiefen. Um alternative Fragestel-
lungen zu untersuchen und physikalische Sachverhalte graphisch zu veranschaulichen, wurden
programmierbare Rechner verwendet. Den Firmen Casio und Sharp, insbesondere den Herren
Newerkla und Wachter, möchten wir für die Bereitstellung programmierbarer Taschenrechner
danken.
Wir danken unseren akademischen Lehrern und Vorbildern, die uns zur physikalischen Erkennt-
nis geführt haben, vor allem den Professoren U. Dehlinger, H. Haken, M. Pilkuhn, A. Seeger und
C. F. von Weizsäcker. Für konstruktive Kritik bedanken wir uns bei unseren Kollegen H. Bauer,
M. Käß, P. Kleinheins, G. Kneer, J. Linser und R. Schempp. Frau G. Folz und den Herren K. Schmid
und A. Plath danken wir für ihre tatkräftige Mithilfe. Der Unterstützung vieler Firmen ist es
zu verdanken, dass aktuelles Anschauungsmaterial bereitgestellt werden konnte. Hierbei sind
besonders folgende Firmenmitarbeiter zu erwähnen: B. Imb (BBC), P. Gradischnig (BMW), D.
Stöckel und P. Tautzenberger (Rau), M. Mayer (Osram), F. Schreiber (Siemens), H. Garrels (Varta)
und H. Schweikart (Voith). Ganz besonderer Dank gebührt dem VDI-Verlag, speziell Herrn
Dipl.-Ing. H. Kurt, der das Lektorieren übernahm und für die reibungslose Abwicklung in er-
freulicher Atmosphäre sorgte. Dabei wurde er in den Abschnitten 2, 3 und 6 von Professor F.
Hell in besonders sachkundiger Weise unterstützt. Zuletzt möchten wir unseren Familien für
ihre Geduld, ihre moralische Unterstützung und ihr großes Verständnis danken.
Wir hoffen, dass dieses Buch den Ingenieurstudenten eine gute Hilfe beim Erarbeiten physika-
lischer Zusammenhänge und den Ingenieuren in der Praxis ein brauchbares Nachschlagewerk
ist. Gern nehmen wir Kritik und Verbesserungsvorschläge entgegen.
1 Einführung
1.1 Physikalischer Erkenntnisprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Bereiche der physikalischen Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.3 Physikalische Größen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3.1 Definition und Maßeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3.2 Messgenauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.3.3 Fehlerfortpflanzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
1.3.4 Kurvenanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
1.3.5 Ausgleichsgeradenkonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
1.3.6 Korrelationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2 Mechanik
2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.2 Kinematik des Punktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.2.1 Eindimensionale Kinematik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2.2.2 Dreidimensionale Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.2.3 Kreisbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.3 Grundgesetze der klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
2.3.1 Konzept der klassischen Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
2.3.2 Die Newton’schen Axiome. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
2.3.3 Masse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.3.4 Kraft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
2.4 Dynamik in bewegten Bezugssystemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.4.1 Relativ zueinander geradlinig bewegte Bezugssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.4.2 Gleichförmig rotierende Bezugssysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.5 Impuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.5.1 Impuls eines materiellen Punktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.5.2 Impuls eines Systems materieller Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
2.5.3 Raketengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.6 Arbeit und Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
2.6.1 Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
2.6.2 Leistung, Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
2.6.3 Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
2.6.4 Energieerhaltungssatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
2.7 Stoßprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.7.1 Übersicht und Grundbegriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.7.2 Gerader, zentraler, elastischer Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
2.7.3 Gerader, zentraler, unelastischer Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
2.7.4 Schiefe, zentrale Stöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
X Inhaltsverzeichnis
2.8 Drehbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
2.8.1 Drehmoment. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
2.8.2 Newton’sches Aktionsgesetz der Drehbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
2.8.3 Arbeit, Leistung und Energie bei der Drehbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
2.8.4 Drehbewegungen von Systemen materieller Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
2.8.5 Analogie Translation und Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
2.9 Mechanik starrer Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
2.9.1 Freiheitsgrade und Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
2.9.2 Kräfte am starren Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
2.9.3 Schwerpunkt und potentielle Energie eines starren Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.9.4 Kinetische Energie eines starren Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
2.9.5 Massenträgheitsmomente starrer Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
2.9.6 Kreisel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
2.10 Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
2.10.1 Beobachtungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
3 Thermodynamik
3.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
3.1.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
3.1.2 Thermodynamische Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
3.1.3 Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
3.1.4 Thermische Ausdehnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
3.1.5 Allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
3.2 Kinetische Gastheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
3.2.1 Gasdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
3.2.2 Thermische Energie und Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
3.2.3 Geschwindigkeitsverteilung der Gasmoleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
3.3.1 Wärme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
3.3.2 Erster Hauptsatz der Thermodynamik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
3.3.3 Berechnung der Wärmekapazitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
3.3.4 Spezielle Zustandsänderungen idealer Gase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
3.3.5 Kreisprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
3.3.6 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
3.3.7 Thermodynamische Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
3.3.8 Dritter Hauptsatz der Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
3.4 Zustandsänderungen realer Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
3.4.1 Van-der-Waals’sche Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
3.4.2 Gasverflüssigung (Joule-Thomson-Effekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
3.4.3 Phasenumwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
3.4.4 Dämpfe und Luftfeuchtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
3.5 Wärmeübertragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
3.5.1 Wärmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
Inhaltsverzeichnis XI
6 Optik
6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
6.2 Geometrische Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492
6.2.1 Lichtstrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492
6.2.2 Reflexion des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493
6.2.3 Brechung des Lichtes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499
6.2.4 Abbildung durch Linsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510
6.2.5 Blenden im Strahlengang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522
6.2.6 Abbildungsfehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523
6.2.7 Optische Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523
6.3 Radio- und Fotometrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534
6.3.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534
6.3.2 Strahlungsphysikalische Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534
6.3.3 Lichttechnische Größen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542
6.3.4 Farbmetrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545
6.4 Wellenoptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549
6.4.1 Interferenz und Beugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549
6.4.2 Polarisation des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578
6.5 Quantenoptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588
6.5.1 Lichtquanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588
6.5.2 Dualismus Teilchen–Welle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592
6.5.3 Wärmestrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593
6.5.4 Laser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596
6.5.5 Materiewellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600
6.6 Abbildung mikroskopischer Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603
6.6.1 Beugungsbegrenzte Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603
6.6.2 Überwindung der Beugungsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606
Inhaltsverzeichnis XIII
7 Akustik
7.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613
7.2 Schallwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614
7.2.1 Schallausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614
7.2.2 Schallwandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619
7.2.3 Schallwellen an Grenzflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624
7.3 Schallempfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630
7.3.1 Physiologische Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630
7.3.2 Musikalische Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634
7.4 Technische Akustik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638
7.4.1 Raumakustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638
7.4.2 Luftschalldämmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641
7.4.3 Körperschalldämmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642
7.4.4 Strömungsgeräusche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645
7.4.5 Ultraschall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647
7.4.6 Schalleinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649
9 Festkörperphysik
9.1 Struktur fester Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 785
9.1.1 Kristallbindungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 785
9.1.2 Kristalline Strukturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 788
9.1.3 Gitterfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792
9.1.4 Amorphe Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 794
9.1.5 Makromolekulare Festkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796
9.1.6 Ausgewählte Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 800
9.1.7 Flüssigkristalle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806
9.2 Elektronen in Festkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809
9.2.1 Energiebänder-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809
9.2.2 Metalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 812
9.2.3 Halbleiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818
9.2.4 Supraleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 832
9.3 Thermodynamik fester Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 837
9.3.1 Gitterschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 837
9.3.2 Effekte im Zusammenhang mit Wärmefluss und elektrischem Strom . . . . . . . . . . . . . 845
9.3.3 Piezoelektrizität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 847
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850
9.4.1 Strahlungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850
9.4.2 Empfänger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 854
10 Spezielle Relativitätstheorie
10.1 Relativität des Bezugssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867
10.2 Lorentz-Transformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870
Inhaltsverzeichnis XV
11 Anhang 885
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885
11.2 Nobelpreisträger der Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 973
(Symbole, die in nachfolgenden Abschnitten die gleiche Bedeutung haben, sind nur einmal
angegeben.)
2. Mechanik
A Fläche R Gaskonstante; Krümmungsradius
a Beschleunigung r Ortsvektor
c Lichtgeschwindigkeit; Re Reynoldszahl
Schallgeschwindigkeit s Ortskoordinate
cA Auftriebsbeiwert s Weg; Bogenlänge
cD Druckwiderstandsbeiwert T Kelvin-Temperatur; Periodendauer
cM Momentenbeiwert t Zeit
cW Widerstandsbeiwert V Volumen
d Abstand; Dickenänderung V̇ Volumenstrom
E Energie; Elastizitätsmodul Geschwindigkeit
e Einheitsvektor W Arbeit
F Kraft spezifische (massebezogene) Arbeit
Fr Froudezahl
G Schubmodul, Gravitationskonstante α Durchflusszahl; Kontraktionszahl;
g Gravitationsfeldstärke Winkelbeschleunigung
g Fallbeschleunigung β Winkel
H Fallhöhe; Förderhöhe Γ Zirkulation
h Höhe γ Schiebung; Scherwinkel;
I Flächenträgheitsmoment Raumausdehnungskoeffizient
J Massenträgheitsmoment Δ Differenz
j Transportflussdichte; ε Neigungswinkel; Dehnung;
Massenstromdichte Expansionszahl; Gleitzahl
K Kompressionsmodul η dynamische Viskosität; Wirkungsgrad
k Federsteifigkeit; Rauigkeit ϑ Celsius-Temperatur
kt Drehfedersteifigkeit { Kompressibilität
L Drehimpuls λ Rohrreibungszahl
l Länge μ Reibungszahl; Ausflusszahl;
M Drehmoment Poissonzahl
Ma Mach’sche Zahl ν kinematische Viskosität
m Masse ρ Dichte
ṁ Massenstrom σ Spannung; Normalspannung
n Drehzahl τ Schubspannung
P Leistung Φ Transportgröße
p Impuls ϕ Drehwinkel; Potentialfunktion;
p Druck; Anteil Geschwindigkeitsziffer; Fluidität
Q Förderstrom (Pumpen); ϕG Gravitationspotential
Volumenstrom (Turbinen) ω Winkelgeschwindigkeit
XVIII Verwendete physikalische Symbole
3. Thermodynamik
a Temperaturleitfähigkeit Q̇ Wärmestrom
C, Cm , c Wärmekapazität, molare bzw. Ri , Rm individuelle bzw. allgemeine (molare)
spezifische Wärmekapazität Gaskonstante
Cmp , cp isobare molare bzw. isobare S, Sm , s Entropie, molare bzw. spezifische
spezifische Wärmekapazität Entropie
CmV , cV isochore molare bzw. isochore T thermodynamische Temperatur
spezifische Wärmekapazität U, Um , u innere Energie, molare bzw. spezifische
C12 Strahlungsaustauschkoeffizient innere Energie
c Schallgeschwindigkeit V, Vm , Volumen, molares bzw. spezifisches
EA Aktivierungsenergie Volumen
Ekin mittlere kinetische Energie eines m , , w mittlere, durchschnittliche bzw.
Moleküls wahrscheinlichste Geschwindigkeit
F, Fm , f freie Energie, freie molare bzw. freie von Gasmolekülen
spezifische Energie W thermodynamische Wahrscheinlichkeit
f Anzahl der Freiheitsgrade; x Feuchtegrad
Wärmequellendichte Z Realgasfaktor
G, Gm , g freie Enthalpie, freie molare bzw.
freie spezifische Enthalpie
gi statistisches Gewicht des Zustandes i
H, Hm , h Enthalpie, molare bzw. spezifische α Längenausdehnungskoeffizient;
Enthalpie Absorptionsgrad
jq Wärmestromdichte α∗ Wärmeübergangskoeffizient
k Boltzmann-Konstante; γ Raumausdehnungskoeffizient
Wärmedurchgangskoeffizient ε Emissionsgrad; Kompressionsverhältnis
M Molmasse εK , εW Leistungszahl einer Kältemaschine bzw.
Me spezifische Ausstrahlung einer Wärmepumpe
mM Masse eines Moleküls ηth thermischer Wirkungsgrad
N Teilchenanzahl eines Systems { Isentropen-(Adiabaten-)Exponent
n Polytropenexponent, λ Wärmeleitfähigkeit
Teilchenzahldichte ν Stoffmenge (Teilchenmenge)
NA Avogadro-Konstante ρ Dichte; Reflexionsgrad
Pi Wahrscheinlichkeit der Besetzung τ Transmissionsgrad
des Zustands i Φe Strahlungsleistung
p Druck ϕ relative Luftfeuchte
Q, Qm , q Wärme, molare bzw. spezifische ϕa absolute Luftfeuchte
Wärme ϕ12 Einstrahlzahl
c Phasengeschwindigkeit y Auslenkung
cgr Gruppengeschwindigkeit ŷ Amplitude
d Dämpfungskoeffizient
f Frequenz β Auslenkungswinkel
f0 , fd Eigenfrequenz der freien ungedämpf- β̂ Amplitude des Auslenkungswinkels
ten bzw. gedämpften Schwingung γ Phasenverschiebung zwischen Erreger
fRes Resonanzfrequenz und Schwinger
fS Schwebungsfrequenz
√ Δ Gangunterschied
j −1 δ Abklingkoeffizient
k Federsteifigkeit; Wellenzahl η Kreisfrequenzverhältnis
kt Drehfedersteifigkeit ϑ Dämpfungsgrad
Q Güte Λ logarithmisches Dekrement
I, S Intensität λ Wellenlänge
T Periodendauer ϕ Phasenwinkel
T0 , Td Periodendauer der freien ungedämpf- ϕ0 Nullphasenwinkel
ten bzw. gedämpften Schwingung Δϕ Phasenverschiebung zwischen zwei
TS Periodendauer der Schwebung Schwingungen
Energiedichte ω Kreisfrequenz
XX Verwendete physikalische Symbole
6. Optik
AN numerische Apertur p Gitterstrichzahl
a, a Gegenstands- bzw. Bildweite Qe Strahlungsenergie
A, B Einstein-Koeffizienten Qv Lichtmenge
b Spaltbreite r Krümmungsradius
D Brechkraft s, s gegenstandsseitige bzw. bildseitige
DAP , DEP Durchmesser von Austritts- bzw. Schnittweite
Eintrittspupille u Durchmesser des Unschärfekreises
Ee Bestrahlungsstärke V Hellempfindlichkeitsgrad
Ev Beleuchtungsstärke y, y Gegenstands- bzw. Bildgröße
Eph Energie eines Photons Z Dämmerungszahl
e Abstand zweier Linsen z, z Abstand vom Gegenstand bzw. Bild
f,f gegenstandsseitige bzw. bildseitige zum jeweiligen Brennpunkt
Brennweite
g Gitterkonstante
He Bestrahlung α brechender Winkel eines Prismas
Hv Beleuchtung β Abbildungsmaßstab
h Planck’sche Konstante Γ Vergrößerung
I Intensität δ Ablenkungswinkel
Ie Strahlstärke ε Einfallswinkel
Iv Lichtstärke εr Reflexionswinkel
Km photometrisches Strahlungsäquivalent ε Brechungswinkel
k Blendenzahl εp Polarisationswinkel
l Kohärenzlänge Θ Glanzwinkel
Le Strahldichte σ Winkel zwischen Strahl und optischer
Lv Leuchtdichte Achse
Me spezifische Ausstrahlung τ Lebensdauer
Mv spezifische Lichtausstrahlung Φe Strahlungsleistung
m Ordnungszahl bei Interferenzen Φv Lichtstrom
Ni Besetzungszahl des Niveaus i ϕ Zentriwinkel
n Brechungsindex Ω Raumwinkel
7. Akustik
A äquivalente Schallabsorptionsfläche m flächenbezogene Masse
B Biegesteifigkeit P Schallleistung
d Absorberdicke p Schalldruck
fG Grenzfrequenz der Spuranpassung R Schalldämm-Maß
GpU Übertragungsmaß elektroakustischer r Reflexionsfaktor
Wandler S Lautheit; Fläche
I Schallintensität T Nachhallzeit
L Schallpegel Schallschnelle
LS Lautstärke Schallenergiedichte
Ln Norm-Trittschallpegel y Elongation
Verwendete physikalische Symbole XXI
Z Schallkennimpedanz αs Schallabsorptionsgrad
δ Einfallswinkel
Δ Bewertungsfaktor
α Schallausbreitungs- ρs Schallreflexionsgrad
Dämpfungskoeffizient τs Schalltransmissionsgrad
9. Festkörperphysik
A Fläche; Transistor-Stromverstärkung cgr Gruppengeschwindigkeit
in Basisschaltung cph Phasengeschwindigkeit
a Gitterkonstante D(E) Zustandsdichte
B Transistor-Stromverstärkung in D∗ Detektivität
Emitterschaltung EB Bindungsenergie
Bc kritische magnetische Flussdichte Ee Bestrahlungsstärke
XXII Verwendete physikalische Symbole
EF Fermi-Energie S Empfindlichkeit
Eg Breite der verbotenen Zone Tc kritische Temperatur
f (E) Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion TD Debye-Temperatur
IB , IC , IE Basis-, Kollektor- bzw. Emitterstrom TE Einstein-Temperatur
IF Flussstrom TF Fermi-Temperatur
Iph Photostrom T0 charakteristische Temperatur
IS Sperrsättigungsstrom Ud Diffusionsspannung
Ith Schwellstrom UF Flussspannung
jc kritische Stromdichte UK Kontaktspannung
k Wellenzahl UL Leerlaufspannung
kF Fermi-Vektor Uth Thermospannung
L Kristall-Länge; Lorenz’sche Zahl V(λ) Hellempfindlichkeitsgrad
l mittlere freie Weglänge d Driftgeschwindigkeit
M Molmasse; Multiplikationsfaktor F Fermi-Geschwindigkeit
NL , Nv effektive Zustandsdichte im
Leitungsband bzw. im Valenzband α Absorptionskoeffizient;
n Elektronenkonzentration Madelung-Konstante;
nA , nD Akzeptoren- bzw. Donatoren- thermischer Ausdehnungskoeffizient
konzentration ε mittlere Energie eines Atoms
ni Eigenleitungsdichte η Quantenausbeute
nph Phononendichte μ, μn , μp Beweglichkeit, Elektronen- bzw.
n Brechungsindex Löcherbeweglichkeit
p Löcherkonzentration Φ0 magnetisches Flussquantum
a) Experiment
Im ersten Schritt werden Merkmale der leb-
losen Umwelt, die physikalischen Größen, ge-
sucht. Zur präziseren Beschreibung müssen
auch Merkmale durch physikalische Definitio-
nen festgelegt werden (z. B. die Definition der
Kraft). In einem Experiment werden durch Abb. 1.1 Regelkreis der physikalischen Erkenntnis
schwindigkeit eines Teilchens) nicht exakt, theorie (rechts), die die Gebiete Molekül- und
sondern nur innerhalb bestimmter Un- Atomphysik sowie Kern- und Elementarteil-
schärfen experimentell bestimmt werden: chenphysik umfasst. Beide Theorien wurden
Durch die Messung eines Wertes u wird durch P.A.M. Dirac miteinander verknüpft.
ein anderer Messwert v so beeinflusst, dass Die klassische Physik hat vier Hauptbereiche:
dieser nicht mehr exakt messbar ist (Ab- – Mechanik
schn. 6.5.5.2). Der physikalische Zustand ist Sie beschreibt die Zustandsänderungen ei-
deshalb nicht mehr durch einen genauen nes massebehafteten Körpers in Raum und
Wert beschreibbar, sondern durch eine Zeit.
statistische Wahrscheinlichkeit, bestimmte – Thermodynamik
Werte vorzufinden. In der Thermodynamik beschreibt man
In Abb. 1.3 sind die Gebiete der Physik darge- physikalische Erscheinungen, bei denen
stellt. In der Mitte befindet sich das Gebiet der die Temperatur eine wichtige zusätzliche
klassischen Physik. Ihre Erscheinungen kön- Zustandsgröße ist.
nen völlig gleichwertig entweder durch das – Elektrizität und Magnetismus
Wellenbild oder durch das Partikelbild erklärt Die Elektrizität und für bewegte Ladungen
werden. Die klassische Physik wird durch zwei die Theorie des Magnetismus befassen sich
Erfahrungen erweitert: Zum einen führt die mit den Effekten eines physikalischen Sys-
Tatsache der endlichen Signalgeschwindigkeit tems, wenn zusätzlich zu den mechanischen
zur Relativitätstheorie (links) und zum andern Grundgrößen (Masse, Länge und Zeit) noch
führen die Unschärferelationen zur Quanten- die Eigenschaft der Ladung vorhanden ist.
1.2 Bereiche der physikalischen Erkenntnis 7
ebenso sinnlos wie ein Moralbegriff, da vor- sucht, die Quantenphysik in ihrer ganzheitli-
herbestimmte Abläufe keinen Schuldigen ken- chen, auf Regelkreisen beruhenden Betrach-
nen. tungsweise als Denkmodell beispielsweise für
Mit der Begründung der Quantenphysik Mitte gesellschaftliche Strukturen und deren Verän-
der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts derungen oder zur ästhetischen Beurteilung
wurde deutlich, dass sich atomare und subato- von Kunstwerken heranzuziehen. Es bleibt ab-
mare Strukturen nicht mehr deterministisch zuwarten, inwieweit diese Übertragungsversu-
verhalten und die klassische Physik ein Spe- che quantenmechanischer Denkkonzepte auf
zialfall der Quantenphysik ist. Damit wurde andere Wissenschaften erfolgreich sind.
in der Physik erstmalig die deterministische
Denkweise in ihrer generellen Gültigkeit in
Frage gestellt. Dies bedeutet freilich nicht, 1.3 Physikalische Größen
dass der in Abb. 1.1 dargestellte Regelkreis der
1.3.1 Definition und Maßeinheit
physikalischen Erkenntnis in der Quanten-
physik falsch wird. Er ist nach wie vor gültig.
Eine physikalische Größe kennzeichnet Ei-
Es wird beim Induktionsschluss die Konstanz
genschaften und beschreibt Zustände sowie
der Variablen ersetzt durch die Konstanz der
Zustandsänderungen von Objekten der Um-
statistischen Zusammenhänge, weshalb die
welt. Sie muss nach der Forderung Einsteins
Deduktion keine determinierten, sondern le-
(Abb. 1.1) messbar sein, d. h. ein Messverfah-
diglich wahrscheinliche Vorhersagen erlaubt.
Weil in quantenmechanischen Systemen die
Elemente unteilbar sind, sind sie ganzheitlich Tabelle 1.1 Bezeichnung der dezimalen Vielfachen
und dürfen nicht analytisch betrachtet wer- und Teile von Einheiten
den. Zudem besteht zwischen den quanten-
mechanischen Systemkomponenten eine so Zehner- Vorsilbe Kurz- Beispiel
starke Wechselwirkung, dass bei einer Tren- potenz zeichen
nung der Komponenten für eine Einzelanalyse 1018 Exa E Em, EJ
diese erheblich verändert werden; somit ist ein 1015 Peta P Pm, PJ
Denken in wechselwirkenden Zusammenhän- 1012 Tera T Tm, TJ
gen (Regelkreisen) bei quantenmechanischen 109 Giga G Gm, GJ
Systemen notwendig. 106 Mega M Mm, MJ
Das für viele Probleme unserer Zeit (z. B. Um- 103 Kilo k km, kJ
weltzerstörung) notwendige vernetzte Denken 102 Hekto h hPa, hJ
in ganzheitlichen Kategorien als erforderliche 101 Deka da dam, daJ
Korrektur zur isolierten, analytischen Denk- [3pt] 10−1 Dezi d dm, dJ
weise war in der Physik bereits vor achtzig 10−2 Zenti c cm, cJ
Jahren notwendig, um quantenphysikalische 10−3 Milli m mm, mJ
Effekte erklären zu können. Sicherlich wird 10−6 Mikro μ μm, μJ
ein über die statistische Determiniertheit hin- 10−9 Nano n nm, nJ
ausgehendes Denkkonzept benötigt, um so- 10−12 Piko p pm, pJ
ziale und lebendige Systeme in ihrem Verhal- 10−15 Femto f fm, fJ
ten richtig beschreiben zu können. Aus die- 10−18 Atto a am, aJ
sem Grund wird von einigen Physikern ver-
1.3 Physikalische Größen 9
Zeit Sekunde s 1 Sekunde ist das 9 192 631 770-fache der 10−14
Periodendauer der dem Übergang zwischen
den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des
Grundzustands von Atomen des Nuklids 133 Cs
entsprechenden Strahlung.
Länge Meter m 1 Meter ist die Länge der Strecke, die Licht im 10−14
Vakuum während der Dauer von 1/299 792 458
Sekunden durchläuft.
Masse Kilogramm kg 1 Kilogramm ist die Masse des 10−9
internationalen Kilogrammprototyps.
elektrische Ampere A 1 Ampere ist die Stärke eines zeitlich 10−6
Stromstärke unveränderlichen Stroms, der, durch zwei im
Vakuum parallel im Abstand von 1 Meter
voneinander angeordnete, geradlinige,
unendlich lange Leiter von vernachlässigbar
kleinem kreisförmigem Querschnitt fließend,
zwischen diesen Leitern je 1 Meter Leiterlänge
die Kraft 2 · 10−7 Newton hervorruft.
Temperatur Kelvin K 1 Kelvin ist der 273,16-te Teil der 10−6
thermodynamischen Temperatur des
Tripelpunktes des Wassers.
Lichtstärke Candela cd 1 Candela ist die Lichtstärke in einer 5 · 10−3
bestimmten Richtung einer Strahlungsquelle,
die monochromatische Strahlung der
Frequenz 540 THz aussendet und deren
Strahlstärke in dieser Richtung 1/683 W/sr
beträgt.
Stoffmenge Mol mol 1 Mol ist die Stoffmenge eines Systems, das 10−6
aus ebenso viel Einzelteilchen besteht, wie
Atome in 12/1 000 Kilogramm des
Kohlenstoffnuklids 12 C enthalten sind.
ren definieren. Die Vereinbarung, nach der durch den Zahlenwert) und einer qualitativen
die beobachtete physikalische Einheit quanti- Aussage [G] (ausgedrückt durch die Einheit):
fiziert wird, ist die Einheit der physikalischen
Größe. Beispielsweise wurde für die Tempera-
tur T als Einheit K (Kelvin) der 273,16-te Teil G = {G} · [G] . (1.1)
der Temperatur des Tripelpunktes von Wasser
festgelegt (Abschn. 3.1.3). Der Zahlenwert vor
der Einheit gibt an, wie oft der Vergleichsmaß- Durch das Gesetz über Einheiten im Messwe-
stab der Einheit angelegt werden kann. Somit sen vom 2. Juli 1969 (BGBl. I S. 709) wurden ab
besteht eine physikalische Größe G immer aus 1.1.1978 die Vereinbarungen der Internationa-
einer quantitativen Aussage {G} (ausgedrückt len Organisation für Standardisation (ISO), die
10
Tabelle 1.3 Zusammenstellung einiger physikalischer Größen mit ihren SI-Einheiten, die von den Basiseinheiten abgeleitet sind
Bogen m
Winkel ϕ ϕ= = rad Radiant
Radius m
m2
Arbeit, Energie W, E W = Kraft × Weg kg · =J Joule
s2
Arbeit m2
Leistung P P= kg · =W Watt
Zeitintervall s3
m2
Wärme Q Q = Energie kg · = Ws = J Joule
s2
Tabelle 1.3 (Fortsetzung)
Wärme kg · m2 J
Wärmekapazität C C= =
Temperaturintervall s2 · K K
elektrische Kraft kg · m N V
elektrische Feldstärke E E= = =
elektrische Ladung s3 · A A·s m
elektrische Arbeit kg · m2 W
elektrische Spannung U U = = =V Volt
elektrische Ladung A · s3 A
elektrische Spannung kg · m2 V
elektrischer Widerstand R R= = =Ω Ohm
elektrische Stromstärke A2 · s3 A
elektr. Stromstärke × Windungszahl A
magnetische Feldstärke H H =
Spulenlänge m
kg · m2
magnetischer Fluss Φ Φ = magnetische Induktion × Fläche = V · s = Wb Weber
A · s2
1.3
kg Wb
magnetische Induktion B B = Permeabilität × magnetische Feldstärke = =T Tesla
A · s2 m2
Lichtstrom cd · sr
Beleuchtungsstärke E E= = lx Lux
Fläche m2
Physikalische Größen
11
12 1. Einführung
As
elektrische Feldkonstante ε0 8,854187817 · 10−12 0
Vm
Vs
magnetische Feldkonstante μ0 4π · 10−7 0
Am
As
Faraday-Konstante F 9,64853365 · 104 2,2 · 10−8
mol
J
universelle Gaskonstante Rm 8,3144621 9,1 · 10−7
mol K
J
Boltzmann-Konstante k 1,3806488 · 10−23 9,1 · 10−7
K
W
Stefan-Boltzmann-Konstante σ 5,670373 · 10−8 3,6 · 10−6
m2 K4
Mess- und Eichlaboratorien getrieben wer- Durch die ISO-Festlegung der Vakuum-
den. In der Bundesrepublik Deutschland ist Lichtgeschwindigkeit vom 20.10.1983 auf
dafür die Physikalisch-Technische Bundes- c = 299 792 458 m/s ist das Meter von der
anstalt (PTB) in Braunschweig zuständig. Sekunde metrologisch abhängig geworden.
Abbildung 1.4 zeigt das primäre Zeitnormal Durch die Beziehung c2 = 1/μ0 ε0 ist bei
der PTB Braunschweig, die Atomuhr. Schon Kenntnis der Lichtgeschwindigkeit c und
wegen dieses messtechnischen Aufwandes der magnetischen Feldkonstanten μ0 der
wurde in den SI-Vereinbarungen darauf Wert für die elektrische Feldkonstante ε0
geachtet, die Einheiten der physikalischen exakt festgelegt (Abschn. 4.5.5). Nach dem
Größen auf möglichst wenige, voneinander von K. von Klitzing 1980 entdeckten quan-
unabhängige Basiseinheiten zurückzuführen. tisierten Hall-Effekt lässt sich auch eine aus
Von deren absoluter Messgenauigkeit sind un- Naturkonstanten sehr exakt bestimmbare
sere physikalischen Beobachtungen bestimmt. Basisgröße für den elektrischen Widerstand
In Tabelle 1.2 sind die sieben Basisgrößen im R = h/ (i e2 ) bestimmen (i = 1, 2, 3…). Die SI-
SI-Einheitensystem wiedergegeben, ihre De- Einheiten der übrigen physikalischen Größen
finitionen und ihre relative Messunsicherheit werden aus den Basiseinheiten entspre-
angegeben. chend ihrer Definitionsgleichung abgeleitet.
Abb. 1.4 Die Cäsium-Atomuhren CS1, CS2 und CS3 der PTB Braunschweig, aufgestellt in der abgeschirmten und
klimatisierten Atomuhrenhalle
14 1. Einführung
Eine Auswahl abgeleiteter Einheiten zeigt DIN 55 350: Qualitätssicherung und Statis-
Tabelle 1.3. tik.
Bei der theoretischen Beschreibung der er-
mittelten Zusammenhänge zwischen den phy- Zur grafischen Analyse der Messwertschwan-
sikalischen Größen ergeben sich universelle kungen dient das Histogramm. Ein Beispiel
Proportionalitätskonstanten, die Naturkon- hierfür zeigt Abb. 1.5. In dieses wird balken-
stanten. Einige dieser Naturkonstanten sind förmig über dem Messwert x die relative Häu-
in Tabelle 1.4 aufgeführt. figkeit hj des Messwerts aufgetragen:
1.3.2 Messgenauigkeit Nj
hj = . (1.2)
N
Die Messung einer physikalischen Größe er-
folgt durch den Vergleich der Einheit dieser
Nj ist die Anzahl des Messwerts xj bei N Mes-
Größe nach der Messmethode der SI-Verein-
sungen der Messgröße x.
barung oder einem darauf geeichten Messver-
Bei zufälligen Messabweichungen ist die Häu-
fahren. Oft werden die Messwerte von Wie-
figkeitsverteilung symmetrisch zu einem häu-
derholungsmessungen Abweichungen unter-
figsten Wert, dem Erwartungswert μ. Bei ei-
einander haben, die kennzeichnend für die
ner Wiederholungsmessung wird dieser Er-
Messgenauigkeit sind. Wie Tabelle 1.5 zeigt,
wartungswert mit größter Wahrscheinlichkeit
ist dabei zwischen den systematischen, für
gemessen. Vom häufigsten Wert abweichende
das Messverfahren charakteristischen Abwei-
Messwerte xj werden umso seltener gemessen,
chungen und den zufälligen oder statistischen,
je größer ihre Abweichung dj = xj − μ vom
vom Experimentator abhängigen Abweichun-
Erwartungswert μ ist.
gen zu unterscheiden.
Wird die Anzahl der Wiederholungsmessun-
Um systematische Abweichungen aufzude-
gen stark erhöht, so geht die Häufigkeitsver-
cken, werden in der Prüfpraxis Ringversuche
teilung h(xj ) in eine glockenförmige Normal-
durchgeführt, bei denen dieselbe Probe von
verschiedenen Prüfstellen gemessen und die
Ergebnisse anschließend verglichen werden.
Aus den zufälligen Abweichungen wird durch
die Fehlerrechnung die Messgenauigkeit des
angewandten Messverfahrens bestimmt. Die
mathematischen Grundlagen für diese Ana-
lyse der Messgenauigkeit sind in Lehrbüchern
der Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie
beschrieben. Die praxisgerechten Verfahren
sind in Normen zusammengefasst:
1 (x−μ)2
h(x) = √
− Aus der Häufigkeitsverteilung h(xj ) einer end-
e 2σ2 . (1.3)
2πσ 2 lichen Anzahl N von Messungen der m diskre-
ten Messwerte x1 , …, xm lassen sich für den
h(x) dx ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei ei- Erwartungswert μ und die Varianz σ 2 nach
ner Wiederholungsmessung der Messwert x der Theorie der Beobachtungsfehler von Gauß
zwischen x und x + dx liegt. Die Funktion h(x) Schätzwerte berechnen. Demnach ist die beste
ist symmetrisch zum √Erwartungswert μ und Näherung für μ der arithmetische Mittelwert x
durch den Faktor 1/ 2πσ 2 so normiert, dass aus den Messwerten. Die theoretischen Bezie-
die Wahrscheinlichkeit 1 ist, bei einer Wie- hungen zur Berechnung der Schätzwerte sind
derholungsmessung einen Wert x im Bereich in Tabelle 1.6 zusammengestellt.
−∞ < x < +∞ zu finden. Die Varianz σ 2 ist Charakteristisch für die Varianz σ 2 und da-
ein Maß für die Breite der Verteilungsfunktion mit die Breite der Häufigkeitsverteilung ist
h(x) : 68,3% der Messwerte liegen im Bereich die Summe der quadratischen Abweichungen
x = μ ± σ und 95,4% im Bereich x = μ ±2σ . Die (xi − x0 )2 von einem Festwert x0 , die Fehler-
Varianz σ 2 kann auch aus der Halbwertsbreite summe FS. Die Fehlersumme hat den mini-
b1/ 2 , d. h. der Breite der Glockenkurve in hal- malen Wert FSmin , wenn für den Festwert der
ber Höhe des Maximums der Gauß-Verteilung, arithmetische Mittelwert x eingesetzt wird. Mit
bestimmt werden; es ist Hilfe der minimalen Fehlersumme lässt sich
16 1. Einführung
1 N
x arithmetischer Mittelwert; Schätzwert für den Erwar- x= xi (1.5)
N i=1
tungswert
N
FSmin minimale Fehlersumme einer Anzahl von N Messwerten FSmin = (xi − x)2
i=1
N
= x2i − N x2 (1.6)
i=1
FSmin
s Standardabweichung des Messwerts bzw. s= (1.7)
N −1
Messverfahrens; Schätzwert für die Varianz
s
x Standardabweichung des arithmetischen Mittelwerts x = √ (1.8)
N
uz Zufallskomponente der Messunsicherheit mit tP -Faktor uz = x tP (1.9)
der Student-Verteilung
Messungen und der Standardabweichung s des Tabelle 1.7 Zahlenwerte nach DIN EN 1319
Messverfahrens: und Anpassungspolynom des t-Faktors der
Vertrauensgrenzen für verschiedene statistische
obere Vertrauensgrenze: xo = x + uz , Sicherheiten
untere Vertrauensgrenze: xu = x − uz . Anzahl der statistische Sicherheit P
Wiederholungs-
Die Messunsicherheit uz , die den Vertrauens- messungen 68,3% 95,4%
bereich des statischen Messwerts abgrenzt, be- nw = N − k t0,68 t0,95
rechnet sich nach (1.17) in Tabelle 1.6 und
hängt von der Standardabweichung Δx des 1 1,84 12,71
arithmetischen Mittelwerts ab. 2 1,32 4,30
3 1,20 3,18
Der Faktor t folgt aus der Student-t-Verteilung 4 1,15 2,78
und ist abhängig von der Anzahl der Wieder- 5 1,11 2,57
holungsmessungen und der geforderten sta- 7 1,08 2,37
tistischen Sicherheit P. In Tabelle 1.7 sind für 10 1,06 2,25
verschiedene Werte der statistischen Sicher- 20 1,03 2,09
50 1,01 2,01
heit P Werte für den t-Faktor aufgeführt. In der
100 1,00 1,98
Physik und in der Vermessungstechnik rech- > 100 1,00 1,96
net man mit der statistischen Sicherheit P =
Anpassungs- t0,68 =1 t0,95 = 1,96
68,3%. In diesem Fall entspricht die Messun- polynom
sicherheit uz gerade der Standardabweichung 0,584 3,012
+ +
Δx des arithmetischen Mittelwerts. In der In- nw nw
dustrie dagegen bevorzugt man die höhere sta- 0,032 1,273
− 2 − 2
tistische Sicherheit von P = 95,4%. Deshalb nw nw
0,288 8,992
muss bei der Angabe der Messunsicherheit + 3 + 3
nw nw
bzw. des Vertrauensbereichs stets die gewählte
statistische Sicherheit P angegeben werden.
Liegt neben der statistischen Messunsicher-
heit uz auch noch eine systematische Mess-
unsicherheit us vor, so ist als Gesamt-Mess- cherheit wird allerdings in der Praxis oft weg-
unsicherheit die Summe, also der Wert ug = gelassen. Dies kann zu Verwirrungen führen.
uz + us , anzugeben. So kann beispielsweise die Temperaturmes-
Das Ergebnis von N Messungen der Mess- sung mit einem Thermometer mit 1/10 ◦ C Tei-
größe x mit einem Messverfahren, dessen lung bei einer Kalibrierung mit der statisti-
Messgenauigkeit durch die Standardabwei- schen Sicherheit von 68,3% eine Messgenauig-
chung s gekennzeichnet ist, wird in der Form keit von ug = 0,1 K aufweisen. Für den Einsatz
in der Industrie mit einer Anforderung an die
s statistische Sicherheit von 95,4% muss für die-
xP = x ± tP √ (1.10) ses Thermometer die doppelte Messungenau-
N
igkeit ug = 0,2 K angegeben werden.
Wie aus (1.10) hervorgeht, nimmt die Mess-
angegeben. Der Index P kennzeichnet bei sehr unsicherheit von x nur mit der Wurzel der
genauen Messungen die gewählte statistische Messungen ab. Deshalb steigern viele Wieder-
Sicherheit. Die Angabe der statistischen Si- holungsmessungen die Messgenauigkeit des
18 1. Einführung
Tabelle 1.8 Beziehungen für die Kennwerte der Fehlerrechnung indirekt gemessener physikalischer Größen
Abb. 1.7 Funktionen mit einem linearen Normalgleichungssystem für die Parameter der Kurvenanpassung
I
m − mII
Δm = ± , (1.20a)
2
Abb. 1.8 Kurvenanpassung durch lineare, I
a − aII
logarithmische und exponentielle Regression Δa = ± + |Δys | . (1.20b)
2
geraden die Anzahl der Wiederholungsmes- Δys ist die geschätzte Standardabweichung der
sungen nw = N − 2. Das Ergebnis der Kurven- Ordinate ys des Schwerpunkts der Messwerte.
anpassung ist Die grafische Bestimmung der Ausgleichsgera-
den und die Analyse der Anpassungsgenauig-
sa keit über Randgeraden sind naturgemäß sehr
a = a ± t(nw ) √ . (1.19)
N
1.3.5 Ausgleichsgeradenkonstruktion
(1.21b)
y2 − Ny2
N
Regressionsgeraden benutzt, um zu untersu- i
i=1
chen, ob zwischen den N Messwerten oder
Merkmalen yi und xi einer zweidimensiona-
len Häufigkeitsverteilung yi = y(xi ) ein Zu- mit
sammenhang besteht. Ist der Zusammenhang
1
N
linear bzw. ist eine Proportionalität zwischen als dem Mittelwert der
x= xi
den Werten yi und xi vorhanden, dann liegen N i=1 Merkmale xi ,
diese Wertepaare auf einer Regressionsgera-
1
N
als dem Mittelwert des
den. Sind die Werte yi und xi dagegen vonein- y= yi
N i=1 Merkmals yi
ander unabhängig, dann streuen die Punkte in
der yi (xi )-Darstellung regellos, sodass sich ein und
„Sternenhimmel“ gemäß Abb. 1.10a ergibt.
Ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, dass ein
N
xi yi − N x · y
i=1 als der Steigung der
linearer Zusammenhang zwischen yi und xi m=
besteht, ist der Betrag des Korrelationskoeffi-
N Regressionsgeraden.
x2i − N x2
zienten r: i=1
a) Berechnet werden soll der wahrscheinlichste Wert Tag-Nr. mittlere mittlere äquivalente
der Schwingungsdauer. tägliche Außenluft- Außentem-
b) Wie groß ist die Standardabweichung und damit Heizleistung temperatur peratur
die Genauigkeit des Messverfahrens? kW ◦C ◦C
ϑ/ ◦ C −40 −30 −20 −10 ßenflächen und die Wärmespeicherfähigkeit der Au-
Uth / mV −1,50 −1,14 −0,77 −0,39 enwandkonstruktion und wird aus den lokalen Kli-
ϑ/ ◦ C 0 +10 +20 +30 +40 madaten berechnet. Für einen 17-tägigen Messzyklus
Uth / mV 0 +0,40 +0,80 +1,21 +1,63 ergeben sich folgende Daten:
ϑ/ ◦ C +50 +60 +70 +80 a) Wie groß sind die Steigung und der Achsenab-
Uth / mV +2,05 +2,48 +2,91 +3,35 schnitt der Regressionsgeraden bei der Abhän-
gigkeit der mittleren Heizleistung von der Außen-
ϑ/ ◦ C +90 +100 +110 +120 lufttemperatur bzw. von der äquivalenten Außen-
Uth / mV +3,80 +4,25 +4,71 +5,18 temperatur (Abb. 1.10)?
b) Beurteilt werden soll anhand der Korrelationsko-
effizienten die Abhängigkeit der mittleren Heiz-
Ü 1.3-4 leistung von den beiden Parametern Außenluft-
Bei der energetischen Analyse eines Mehrfamilienhau- temperatur und äquivalenter Außentemperatur.
ses mit Zentralheizung wird die Abhängigkeit der mitt- c) Wie groß sind die Standardabweichungen der
leren Heizleistung je Tag von der mittleren Außenluft- Steigung und des Achsenabschnitts bei den bei-
temperatur untersucht. In einem weiteren Schritt wird den Regressionsgeraden?
zum Vergleich der Zusammenhang der Heizleistung d) Wie groß sind die Vertrauensbereiche für die
mit einer äquivalenten Außentemperatur analysiert. Steigung und den Achsenabschnitt der Regres-
Diese berücksichtigt die Einflüsse der Sonnenzustrah- sionsgeraden bei der statistischen Sicherheit P =
lung, der mittleren Windgeschwindigkeit an den Au 68,3%?
Kapitel 2
Mechanik 2
durch die Angabe von Ortskoordinaten und halb ausschließlich die Kinematik des einzel-
deren Zeitabhängigkeit. Bei komplizierten Ge- nen Punktes beschrieben. Die Kinematik der
bilden können einzelne Teile ganz verschie- starren Körper wird in Abschn. 2.9.1 erläutert.
dene Bewegungen ausführen. So ist etwa bei Die Kinematik befasst sich nicht mit der Frage
einem fahrenden Auto die Bewegung eines nach der Ursache einer bestimmten Bewe-
Punktes der Karosserie völlig verschieden von gung. Dies ist Aufgabe der Dynamik oder Ki-
jener eines Punktes auf einem Reifen. Für die netik. Die Kinematik ist eine reine Bewegungs-
vollständige Beschreibung des Bewegungszu- geometrie.
stands eines Systems sind demnach unter Um-
ständen viele Angaben erforderlich. Da aber 2.2.1 Eindimensionale Kinematik
jedes System aus einzelnen Punkten zusam-
mengesetzt ist, hat die Beschreibung der Be- 2.2.1.1 Geschwindigkeit
wegung eines einzelnen Punktes eine vorran- Eindimensional ist die Kinematik eines Punk-
gige Bedeutung. In diesem Abschnitt ist des- tes, wenn die Bewegung nur auf einer vorge-
2.2 Kinematik des Punktes 31
Die abgeleitete SI-Maßeinheit der Geschwin- Die Geschwindigkeit ist die Steigung der
digkeit ist 1 m/s. Andere Quotienten gesetz- Kurve in einem Weg-Zeit-Diagramm.
lich zugelassener Längen- und Zeiteinheiten,
wie z. B. km/h, sind ebenfalls möglich.
Beispiel
Wird die Zeitdifferenz Δt zu groß gewählt, 2.2-1 Abbildung 2.4 a zeigt ein Weg-Zeit-Diagramm
dann kann die tatsächliche Momentange- eines Fahrzeugs. Wie groß ist dessen minimale, maxi-
schwindigkeit von der mittleren Geschwin- male und mittlere Geschwindigkeit?
digkeit m erheblich abweichen. Um die
Momentangeschwindigkeit zu erhalten, muss Lösung
Am Anfang und Ende des s, t-Diagramms hat
die Kurve eine waagrechte Tangente; hier liegt
also die minimale Geschwindigkeit = 0 vor.
Der Punkt P auf der Kurve kennzeichnet den
Ort maximaler Steigung. Der Betrag der Stei-
gung lässt sich aus dem eingezeichneten Stei-
Abb. 2.2 Ortskoordinate eines Punktes P auf gungsdreieck ablesen, dessen Hypotenuse eine
vorgegebener Bahn s Weg vom Anfangspunkt A Tangente zur Kurve in P ist. Man erhält
32 2 Mechanik
30 km
max = = 2,36 km/min = 142 km/h . Ort zur Zeit t0 , dann ist der Ort s(t1 ) zur Zeit t1
12,7 min
gegeben durch das Integral
Die mittlere Geschwindigkeit für den Gesamt-
vorgang beträgt
t
30 km s(t) = s0 + (τ) dτ .
m = = 0,75 km/min = 45 km/h . (2.3)
40 min
t0
Bestimmt man nun im s, t-Diagramm von
Abb. 2.4 a an jedem Punkt die Steigung, so er-
hält man das kontinuierliche Geschwindigkeit- Weil dieses Integral die Bedeutung der Flä-
Zeit-Diagramm von Abb. 2.4 b. Liegt aber das che unter einer Kurve hat, kann der zurückge-
, t-Diagramm durch eine Messung bereits legte Weg durch Flächenbestimmung aus dem
vor, dann kann das zugehörige s, t-Diagramm , t-Diagramm gewonnen werden. Sehr häu-
durch Integration ermittelt werden. Ist s0 der fig liegen in der Praxis gemessene Kurven vor,
die nicht analytisch beschrieben werden kön-
nen. Bei solchen Kurven muss die Integration
bzw. Flächenbestimmung „numerisch“ durch-
geführt werden.
Als Beispiel einer solchen Integration ist in
Abb. 2.4 b die Fläche zwischen 0 t 15 min
rot eingezeichnet. Durch Auszählen von Ka-
ros auf Millimeterpapier ergibt sich die „Flä-
che“ 6,7 km. Zur Zeit t = 15 min ist also
s(15 min) = 6,7 km. Dieses Ergebnis stimmt
mit der Abb. 2.4 a gut überein.
2.2.1.2 Beschleunigung
Eine beschleunigte Bewegung liegt vor, wenn
sich die Geschwindigkeit im Lauf der Zeit än-
dert. Die Beschleunigung ist umso größer, je
stärker sich die Geschwindigkeit innerhalb ei-
ner Zeitspanne Δt ändert. Sind (t) die Ge-
schwindigkeit eines Punktes zur Zeit t und
(t + Δt) die Geschwindigkeit zur späteren Zeit
t + Δt, so ist die mittlere Beschleunigung
Δ d
a = lim = = ˙ . (2.5)
Δt→0 Δt dt
Beispiel
2.2-2 Bei einem mathematischen Pendel hängt an ei- Abb. 2.5 Beschleunigte Bewegung (Beispiel
nem Faden ein kleiner Körper mit vernachlässigba- 2.2-2). a) Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm,
rer Ausdehnung. Die Geschwindigkeit dieses Massen- b) Beschleunigung-Zeit-Diagramm
punktes wird durch die Beziehung (t) = 0,25 m/s ·
sin(3,14 s−1 t) beschrieben und ist in Abb. 2.5 a darge-
stellt in der Zeitspanne 0 5 t 5 1 s. Wie lautet der Die rot eingezeichnete Fläche in Abb. 2.5 b
Ausdruck für die Beschleunigung des Punktes? Wie stellt beispielsweise die Geschwindigkeit zur
groß sind die Extremwerte?
Zeit t1 = 0,5 s dar. Weil die Beschleunigung
analytisch vorliegt, kann sofort integriert wer-
Lösung den. Man erhält
Für die Beschleunigung gilt
0,5 s
a = d/ dt = 0,79 m/s · cos (3,14 s t) .
2 −1
(0,5 s) = 0,79 m/s2 · cos(3,14 s−1 t) dt
0
Die Extremwerte sind amax = ±0,79 m/s2 bei = 0,25 m/s .
t = 0 bzw. t = 1 s. Den Verlauf zeigt Abb. 2.5 b.
Liegt die a, t-Kurve vor (z. B. mit einem Be-
schleunigungsaufnehmer gemessen), dann er- 2.2.1.3 Einfache Spezialfälle
gibt sich daraus die , t-Kurve durch Integra- Von Bedeutung sind die Spezialfälle der gleich-
tion: mäßigen Geschwindigkeit = konstant und
der gleichmäßigen Beschleunigung a = kon-
t stant. Für diese Fälle liefern die allgemeinen
(t) = 0 + a(τ) dτ (2.6) Gleichungen verhältnismäßig einfache Aus-
t0
drücke, die in Abb. 2.6 zusammengefasst sind.
Sehr einfache Beschreibungen ergeben sich,
wenn die jeweiligen Integrationskonstanten 0
mit 0 als der Geschwindigkeit zur Zeit t0 . und s0 gleich null gesetzt werden.
34
2 Mechanik
1
Ein allgemein bekanntes Beispiel für die Be- ymax = h + 20 / g = 11,27 m .
wegung mit konstanter Beschleunigung ist der 2
freie Fall an der Erdoberfläche. Alle Körper er-
fahren beim Fall im Vakuum die Fallbeschleu- Der Fall ist beendet, wenn y = 0 wird. Die
nigung g = 9,81 m/s2 . Beim Fall in der Luft zugehörige Zeit tf folgt aus der quadratischen
wirkt sich der Strömungswiderstand störend Gleichung (II):
aus, der aber in vielen Fällen vernachlässigt 1 2
werden kann. g t − 0 tf − h = 0 .
2 f
Beispiel
2.2-3 Von einem h = 10 m hohen Turm wird eine Für die Fallzeit des freien Falls ergibt sich all-
kleine Stahlkugel mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 = gemein
5 m/s senkrecht nach oben geworfen. Für diesen Fall
sind die , t- und y, t-Diagramme zu zeichnen. Zu be-
rechnen sind die maximale Steighöhe, die Gesamtzeit,
die vergeht, bis die Kugel auf der Erde aufschlägt, und 0 + 20 + 2gh
die Endgeschwindigkeit, mit der die Kugel auf der Erde
tf = . (2.7)
g
ankommt.
2.2.2.2 Geschwindigkeitsvektor
Abbildung 2.9 zeigt die Bewegung eines Punk-
tes auf einer gekrümmten Bahnkurve. Es sind
zwei Ortsvektoren r zu den Zeiten t und t + Δt
eingezeichnet. In Analogie zur Definitionsglei-
chung (2.1) für die mittlere Geschwindigkeit
wird ein Vektor der mittleren Geschwindigkeit
definiert:
= etan . (2.13)
g
y = tan β x − x2 . (2.17)
220 cos2 β0 2.2.3 Kreisbewegungen
2π
ω = 2πn = . (2.21)
T
dω d2 ϕ
Die SI-Maßeinheit für ϕ ist 1 m/m = 1 rad α= = . (2.23)
dt dt2
(Radiant). Der Winkel wird von der positiven
x-Achse aus im mathematisch positiven Sinn
(Gegenuhrzeigersinn) gemessen. Die SI-Maßeinheit für α ist 1 rad/s2 oder kurz
Ändert sich der Winkel mit der Zeit, dann gibt 1 s−2 . Auch die Winkelbeschleunigung ist ein
die Winkelgeschwindigkeit an, welcher Dreh- axialer Vektor. Bei positiver Beschleunigung
winkel in der Zeiteinheit überstrichen wird. ist α gleichsinnig parallel zu ω. Bei Brems-
Die Winkelgeschwindigkeit vorgängen sind α und ω entgegengesetzt
gerichtet.
Da die Größen ϕ, ω und α genauso mitein-
Δϕ dϕ
ω = lim = (2.20) ander verknüpft sind wie die Größen s, und
Δt→0 Δt dt
a der eindimensionalen Kinematik, sind alle
Gleichungen in Abb. 2.6 direkt auf Kreisbe-
hat die Maßeinheit 1 rad/s oder kurz 1 s−1 . wegungen anwendbar, wenn jeweils einan-
Der Winkelgeschwindigkeit ω wird der Cha- der zugeordnete Größen nach dem Schema
rakter eines axialen Vektors zugeschrieben. s → ϕ, → ω, a → α ausgetauscht werden.
2.2 Kinematik des Punktes 41
Abb. 2.14 Zur Definition der vektoriellen Winkelgeschwindigkeit ω bei verschiedenen Drehrichtungen.
Die Vektoren und a der allgemeinen drei- a 2) Wie groß ist die Beschleunigung des Punktes und
dimensionalen Kinematik sind auf einfache welche Richtung hat sie?
Weise mit den entsprechenden Größen ω und Da es sich um eine gleichförmige Kreisbewegung han-
α verknüpft. Eine Zusammenstellung der Be- delt, besteht die Beschleunigung lediglich aus der
Zentripetalbeschleunigung, die zum Kreismittelpunkt
ziehungen enthält Tabelle 2.1. weist. Sie beträgt azp = ω2 r = 2 756 m/s2 oder das 281-
fache der Erdbeschleunigung.
Beispiel
2.2-5 Ein Autoreifen mit dem Radius r = 0,28 m a 3) Wie groß sind Drehzahl und Periodendauer?
rollt auf einer Ebene mit der Geschwindigkeit 0 = Nach (2.21) ergeben sich n = ω/ 2π = 15,8 s−1 =
100 km/h. Die Bewegung eines Punktes auf der Lauf- 947 min−1 und T = 63,3 ms.
fläche soll diskutiert werden, und zwar a) vom Stand- b 1) Wie lautet der Vektor der Geschwindigkeit (t)?
punkt eines mitfahrenden Beobachters, wo der Punkt Welchen Betrag und welche Richtung hat in den
eine Kreisbahn beschreibt, und b) vom Standpunkt ei-
nes Beobachters auf der Straße, von dem aus der Punkt
auf der in Abb. 2.15 gezeigten Zykloide läuft. Die Pa-
rameterdarstellung der Zykloide ist x = r(ωt − sin ωt)
und y = r(1 − cos ωt).
Winkelbeschleunigung α=0 α = α0 α = α0 √
Winkelgeschwindigkeit ω = ω0 ω = ω0 + α0 (t − t0 ) ω = α0 t = 2α0 ϕ
ω2
Drehwinkel ϕ = ϕ0 + ω0 (t − t0 ) ϕ = ϕ0 + ω0 (t − t0 ) ϕ = 12 α0 t2 = = 2πN
2α0
+ 21 α0 (t − t0 )2
Umfangsgeschwindigkeit
=ω×r = rω0 = r[ω0 + α0 (t − t0 )] = rα0 t
Zentripetalbeschleunigung
azp = ω × = −ω2 r azp = rω20 azp = r[ω0 + α0 (t − t0 )]2 azp = rα20 t2
Tangentialbeschleunigung
atan = α × r atan = 0 atan = α0 r atan = α0 r
Umkehrpunkten U, in der gezeichneten Stellung Dieser Vektor läuft auf einem Kreis um und ist
zur Zeit t = T / 4 und in den Scheitelpunkten S? stets zum Radmittelpunkt gerichtet. Sein Betrag ist
Der Ortsvektor lautet |a| = rω2 = azp .
x(t) ωt − sin ωt b 3) Wie groß ist der Krümmungsradius der Zykloide
r(t) = =r .
y(t) 1 − cos ωt im Scheitelpunkt?
Daraus ergibt sich durch Ableiten nach der Zeit Nach (2.16) ist R = 2 / anorm = 4r = 1,12 m.
1 − cos ωt 1 − cos ωt Zur Übung
= rω = 0 .
sin ωt sin ωt Ü 2.2-1 Ein Fahrzeug wird aus dem Stand wechselnd
beschleunigt und zwar
Umkehrpunkte liegen bei t= 0, T, 2T, … In einem für 0 5 t 5 2 s mit a = 1 m/s2 ,
0 für 2 s < t < 4 s mit a = 0 und
Umkehrpunkt ist (0) = ; der Punkt ruht momen-
0 für 4 s 5 t 5 5 s mit a = −2 m/s2 .
tan auf der Fahrbahn. Nach einer Viertelumdrehung
1 a) Zeichnen Sie die kinematischen Diagramme, d. h.
ist die Geschwindigkeit (T / 4) = 0 , verläuft also das a, t-Diagramm, das , t-Diagramm und das s, t-
1
√ Diagramm für 0 5 t 5 5 s. b) Wie groß ist die ma-
unter 45◦ und hat den Betrag 20 = 141 km/h.
ximale Geschwindigkeit? c) Welche Geschwindigkeit
Scheitelpunkte sind gegeben durch t = T / 2, 3/ 2T, … In
hat das Fahrzeug zur Zeit t = 5 s? d) Wie groß ist der
Scheitelpunkt ist die Geschwindigkeit (T / 2) =
einem
insgesamt zurückgelegte Weg?
2
0 , also || = 200 km/h. Sie ist waagerecht gerich-
0
tet und doppelt so groß wie die Geschwindigkeit der Ü 2.2-2 Ein Bauteil wird ungleichmäßig aus der
Achse. Ruhe beschleunigt. In kurzen Zeitabständen wird die
b 2) Wie lautet der Vektor der Beschleunigung a(t)? Geschwindigkeit gemessen; es ergibt sich eine Werte-
tabelle:
d sin ωt t in s 0 1 2 3 4 5
a= = r ω2 .
dt cos ωt in m/s 0 0,2 0,7 1,6 3,2 6,0
2.3 Grundgesetze der klassischen Mechanik 43
a) Zeichnen Sie maßstäblich das , t-Diagramm (Milli- ist die Ursache für die Bewegung?“ Die
meterpapier). b) Ermitteln Sie aus dem , t-Diagramm Dynamik untersucht die Ursachen für die
das a, t-Diagramm. Wie groß ist die Beschleunigung Bewegung eines Körpers. Jeder Körper be-
zur Zeit t1 = 4 s? c) Bestimmen Sie durch grafische
steht aus Materie; er hat eine Masse und eine
bzw. numerische Integration den zurückgelegten Weg
nach t2 = 5 s.
geometrische Ausdehnung, d. h. ein Volumen.
Einfache Verhältnisse liegen dann vor, wenn
Ü 2.2-3 Ein Ball rollt auf einem waagerechten Tisch
die geometrische Ausdehnung des Körpers
von der Höhe h = 0,75 m über die Kante und fällt zu
klein ist im Vergleich zu den Dimensionen
Boden. Der Auftreffpunkt ist in horizontaler Richtung
s = 0,40 m von der Kante entfernt. Wie groß war die (Abmessungen, Abstände), in denen sich der
Geschwindigkeit des Balls auf dem Tisch? Körper bewegt. In höchster Idealisierung ist
die Masse des Körpers in einem materiellen
Ü 2.2-4 Ein Elektromotor läuft mit der Drehzahl
n0 = 1 400 min−1 . Nach dem Abschalten wird er mit
Punkt vereinigt, der keine räumliche Aus-
konstanter Winkelverzögerung α abgebremst, bis er dehnung mehr hat. Mit der Modellvorstellung
nach N = 50 Umdrehungen stehen bleibt. a) Wie groß des materiellen Punktes werden einfachste
ist die Winkelverzögerung α? b) Wie lange dauert der Verhältnisse geschaffen, denn ein materieller
Bremsvorgang? Punkt kann nicht rotieren und sich nicht
Ü 2.2-5 Ein Eisenbahnzug fährt mit gleichmäßiger verformen.
Tangentialbeschleunigung auf einem Kreisbogen mit Wie ein Körper ist auch ein materieller Punkt
dem Radius r = 2 km. Dabei legt er die Strecke Einwirkungen von außen ausgesetzt; physika-
Δs = 1 200 m zurück. Zu Beginn der betrachteten Be- lisch bezeichnet man dies als die Einwirkung
wegung hat er die Geschwindigkeit 1 = 30 km/h, am
der Umgebung auf das System oder – noch
Ende 2 = 100 km/h. a) Wie lange dauert der Beschleu-
nigungsvorgang? b) Wie groß ist die Tangentialbe-
allgemeiner – als die Wechselwirkung zweier
schleunigung? c) Berechnen Sie die Winkelbeschleu- Systeme. Die Kraft ist die physikalische Größe,
nigung. d) Wie groß ist die Zentripetalbeschleunigung welche die Einwirkung beschreibt, die den Be-
zu Beginn und am Ende des Vorgangs? wegungszustand des Körpers ändert. Dabei
Ü 2.2-6 Die Erde benötigt für eine vollständige Um- werden Körper unterschiedlicher Masse durch
drehung die Zeit T = 86 163 s (einen Sternentag). die gleiche Kraft unterschiedlich beschleunigt.
a) Wie groß ist die Winkelgeschwindigkeit ωE der Erde? Begründet auf Erfahrung und durch kühne
b) Welche Richtung hat der Vektor ωE ? c) Wie groß Extrapolation erfasste Newton die Wechsel-
ist die Umfangsgeschwindigkeit an einem Ort mit dem wirkungen zwischen beschleunigendem und
Breitenwinkel ϕ? Berechnen Sie die Umfangsgeschwin-
beschleunigtem System und formulierte drei
digkeit am Äquator und in Stuttgart mit ϕ = 48◦ 41
Axiome zur Mechanik, welche die Begriffe
nördlicher Breite (Erdradius R = 6 370 km). d) Wie
groß ist die Zentripetalbeschleunigung am Äquator Kraft und Masse definieren, ihre Verknüpfung
und in Stuttgart? angeben und ein Maßsystem festlegen.
Mengen. Die Maßeinheit der Masse ist durch zeichen für die Kraft des Zentralgestirns auf
einen Eichkörper festgelegt (Abschn. 1.3). diesen Körper. Experimentell lässt sich kein
Eine Möglichkeit zum Vergleich von Massen Unterschied zwischen träger und schwerer
gibt das Newton’sche Aktionsgesetz. Man lasse Masse nachweisen. Die Identität von träger
auf zwei Körper mit den Massen m1 und m2 je- und schwerer Masse ist die Grundlage für die
weils die gleiche Kraft wirken und bestimme Einstein’sche Relativitätstheorie (Abschn. 10).
experimentell die Beschleunigungen a1 und
a2 , die den beiden Körpern erteilt werden.
2.3.4 Kraft
Dann gilt im eindimensionalen Fall nach (2.25)
Nach dem zweiten Newton’schen Axiom ist
m1 a2 die Kraft F für Körper mit konstanter Masse
= . (2.26)
proportional zur Momentanbeschleunigung a.
m2 a1
Die Kraft ist also eine vektorielle physikali-
sche Größe, deren Richtung parallel zur Be-
Damit ist das Verhältnis zweier Massen durch schleunigung a und deren Betrag F = ma
eine dynamische Messung bestimmbar. ist. Im SI-System ist die Einheit für die Kraft
Die physikalische Größe Masse hat außer der 1 kg m s−2 = 1 N (Newton).
Eigenschaft Trägheit auch die Eigenschaft Für die Addition von Kräften und die Zerle-
Schwere. Auf Körper im Wirkungsbereich gung einer Kraft in verschiedene Kraftrich-
der Riesenmassen kosmischer Körper (z. B. tungen gelten die Regeln der Vektorrechnung.
der Sonne oder der Erde) wirken Gravita- In Abb. 2.16 sind für die Addition von zwei
tionskräfte (Abschn. 2.10), die proportional Kräften und für die Zerlegung einer Kraft in
zu den Massen der beteiligten Körper sind. zwei Richtungen die grafischen Lösungswege
Die Schwere einer Masse ist also ein Kenn- im Kräfteparallelogramm und die trigonome-
46 2 Mechanik
N
Fj = F1 + F2 + … = 0 . (2.27)
j=1
FG = mg (2.28)
FH = mg sin ε (2.29)
F el = −k s . (2.32)
F zp = −mω2 r . (2.31)
Tabelle 2.3 Haft- und Gleitreibungszahlen(μH und μG ) ab (Abschn. 2.12.2.3). In laminaren Strömun-
gen ist der Strömungswiderstand F R propor-
Stoffpaar μH μG tional zur Geschwindigkeit: F R ∼ . Kommt es
durch die Reibungskraft an der Körperoberflä-
Stahl auf Stahl 0,15 0,12
Stahl auf Holz 0,5 bis 0,6 0,2 bis 0,5 che in der Strömung zu Rotationsbewegungen
Stahl auf Eis 0,027 0,014 (Wirbel), so nimmt der Strömungswiderstand
Holz auf Holz 0,65 0,2 bis 0,4 erheblich zu und die Reibungskraft ist F R ∼ 2 .
Holz auf Leder 0,47 0,27 Nur Bewegungen mit Festkörperreibung ver-
Gummi auf Asphalt 0,9 0,85 laufen gleichmäßig beschleunigt oder verzö-
Gummi auf Beton 0,65 0,5
Gummi auf Eis 0,2 0,15
gert; dominieren die anderen Reibungsarten,
dann sind die Bewegungsgesetze kompliziert.
Zur Übung
Ü 2.3-1 Zwei Körper (Masse m1 < m2 ) hängen an
senbahnrädern ist μR = 0,002; Straßenfahr-
einem dünnen, masselosen Faden, der über eine mas-
zeuge haben Werte von etwa μR = 0,02 bis selose Rolle läuft. Zwischen der Rolle und dem Faden
μR = 0,05. soll es keine Reibung geben. a) Wie groß ist die Be-
Die Reibungskraft bei der Bewegung von Kör- schleunigung a der beiden Körper? b) Wie groß ist die
pern in Flüssigkeiten und Gasen hängt von der Kraft FF im Faden?
Dichte und Viskosität der Medien, der Geo- Ü 2.3-2 Ein Radiergummi (m = 40 g) liegt auf einer
metrie (Stromlinienform, Spoiler) der Körper Metallscheibe (Radius r = 20 cm). Die Scheibe rotiert
und dem Strömungstyp (laminar, turbulent) mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω. Die Haft-
50 2 Mechanik
reibungszahl zwischen Scheibe und Radiergummi ist Höchstbelastung des Seils ist Fmax = 105 N. Welches ist
μH = 0,5. die größte erlaubte Beschleunigung beim Hochziehen
a) Welche Kräfte wirken auf den Radiergummi der Last?
(Skizze)? b) Welche Kraft oder welche Kräfte bringt
die Zentripetalkraft auf den Radiergummi auf?
c) Der Radiergummi wird r1 = 5 cm vom Drehzentrum 2.4 Dynamik in bewegten
positioniert. Wie groß muss die Drehzahl n1 mindes- Bezugssystemen
tens sein, damit der Radierer zu rutschen anfängt?
d) Die Scheibe rotiere mit der Drehzahl n2 = 70 min−1 .
2.4.1 Relativ zueinander geradlinig bewegte
In welchem Radius-Bereich bleibt der Radiergummi
liegen? Bezugssysteme
Galilei-invariant. Werden beispielsweise in ei- Für die Abstandsquadrate ergeben sich nach dem Satz
nem mit konstanter Geschwindigkeit fahren- des Pythagoras
den Zug Fallexperimente durchgeführt, dann
s2 = (x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2 und
sind die Messergebnisse, wie z. B. Fallzeit und 2 2
Endgeschwindigkeit, dieselben wie auf dem s2 = x2 − x1 + y2 − y1
Bahnsteig. = [(x2 − s t) − (x1 − s t)]2 + [y2 − y1 ]2
= (x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2 = s2 .
Beispiel
2.4-1 Es soll gezeigt werden, dass der Abstand zweier
Punkte P1 und P2 Galilei-invariant ist, d. h. nicht von
Ein Beobachter im bewegten Koordinatensys-
der Relativbewegung zweier Bezugssysteme gegenein-
ander abhängt. Vereinfachend sollen die beiden Punkte tem S misst also den gleichen Abstand wie ein
in der x, y-Ebene liegen und sich das System S längs Beobachter im ruhenden System S. Bewegt sich
der x-Richtung bewegen. das System S gegenüber S beschleunigt mit der
Lösung
Beschleunigung aS , dann gilt nach Abb. 2.21
Die Koordinaten der beiden Punkte sind für die Beschleunigung im bewegten System
a = a − aS . In jedem System wird ein Be-
obachter die Beschleunigung auf die Wirkung
im ruhenden System S : P1 (x1 , y1 , 0) und
einer Kraft zurückführen: im Bezugssystem S
P2 (x2 , y2 , 0) ,
auf F = ma und in S auf F = ma = ma − maS .
im bewegten System S : P1 x1 , y1 , 0
und
Die Differenz der beiden Kräfte ist die Träg-
P2 x2 , y2 , 0 . heitskraft oder Scheinkraft
52 2 Mechanik
Lösung
Ft = −maS . (2.33) Es wird ein ruhendes, mit der Erde verbundenes Ko-
ordinatensystem gewählt, in dem der Vektor der Fall-
beschleunigung nach unten zeigt. In diesem ruhenden
Diese Trägheitskraft muss zusätzlich zu den System ist die Kraft auf die Person gleich der Gravita-
tionskraft F = m g.
realen physikalischen Kräften, wie beispiels-
Das beschleunigte Koordinatensystem ist fest mit der
weise der Gravitation oder elektrostatischen
Aufzugskabine verbunden. Dieses System beschleunigt
Kraft, die im ruhenden System S die Beschleu- mit as = g gegen das ruhende System. Deshalb wirkt
nigung a verursachen, im beschleunigten Sys- auf die Person im beschleunigten System zusätzlich zur
tem S in Rechnung gesetzt werden, damit auch Gravitationskraft noch die Trägheitskraft
in S das Newton’sche Grundgesetz F = ma F t = −mas = −mg .
angewendet werden kann.
Für die Kraft im beschleunigten System der Aufzugs-
kabine gilt
Prinzip von d’Alembert
Kräfte auf einen Körper bewirken eine Be- F = F + F t = mg − mg = 0 .
schleunigung. Schreibt man das Newton’sche
Der beschleunigte – also mitfallende – Beobachter
Aktionsgesetz (2.25) um, so lautet es
spürt keine resultierende Kraft, er fühlt sich kräfte-
frei! – Auf dieselbe Weise entsteht die Kräftefreiheit in
F + (−ma) = 0 .
Raumstationen.
(2.34)
Beispiel
2.4-2 Welche Kräfte wirken auf eine Person, die sich Dabei sind i, j und k die Einheitsvektoren des
in einem an der Erdoberfläche frei fallenden Aufzug ruhenden Koordinatensystems und i , j und k
befindet? diejenigen des rotierenden.
2.4 Dynamik in bewegten Bezugssystemen 53
d/ dt ist die Ableitung im Inertialsystem, senkrecht zur Drehachse. Die Zentrifugalbe-
d / dt im rotierenden System. Der erste Teil schleunigung ist betragsmäßig gleich groß wie
in (2.38) beschreibt die Geschwindigkeitsän- die Zentripetalbeschleunigung azp nach (2.22),
derung im rotierenden System, der zweite Teil dieser aber entgegengesetzt gerichtet.
kommt durch die Drehbewegung des Koor-
Beispiel
dinatensystems S zustande. Gleichung (2.37)
2.4-3 Wegen der Eigenrotation der Erde addiert sich
in (2.38) eingesetzt, ergibt zur Fallbeschleunigung g die ortsabhängige Zentrifu-
galbeschleunigung azf . Deshalb ist die effektive Fallbe-
d
a= ( + ω × r) + ω × ( + ω × r) schleunigung g eff nach Betrag und Richtung abhängig
dt von der geografischen Breite ε. Wie groß ist der Kor-
d d r rekturterm Δg für den Betrag der Fallbeschleunigung?
= +ω× + ω × + ω × (ω × r) .
dt dt
Lösung
In einem rotierenden Koordinatensystem nach Mit den Bezeichnungen in Abb. 2.23 gilt R = rE cos ε
Abb. 2.22 ist die Beschleunigung und mit (2.42) und (2.21)
2
2π
azf = ω2 R = rE cos ε
TE
a = a − 2ω × − ω × (ω × r) . (2.39)
mit TE als der Periodendauer. Aus Abb. 2.23 folgt durch
Anwendung des Kosinussatzes für die effektive Erdbe-
Wird der Ortsvektor r in eine Komponente R schleunigung
senkrecht zur Winkelgeschwindigkeit ω geff = g 1 + (azf / g)2 − 2(azf / g) cos ε .
(ωR = 0) und eine Komponente A parallel
dazu (ω ×A = 0) zerlegt, so wird ω ×(ω ×r) = Der Korrekturterm für den Betrag der Erdbeschleuni-
ω × (ω × R) = (ω R)ω − (ωω)R = −ω2 R. gung ist Δg = g − geff . Mit rE = 6 370 km und TE =
23,93 h (Sternentag) errechnet sich der Korrekturterm
Somit ist die Beschleunigung
bei der mittleren geografischen Breite ε = 50◦ der Bun-
desrepublik Deutschland zu Δg (50◦ ) = 0,014 m s−2 .
a = a + 2 × ω + ω2 R . (2.40)
ac = −2 × ω = 2ω × (2.41)
F zf = m(ω × r) × ω = m ω2 R (2.43)
2.5 Impuls
2.5.1 Impuls eines materiellen Punktes
Beispiel
2.5-1 Beim Minigolfspiel wird ein ursprünglich ru-
hender Ball der Masse m = 0,1 kg weggeschlagen. Der
zeitliche Verlauf der vom Schläger auf den Ball aus-
geübten Kraft ist näherungsweise eine Dreiecksfunk-
tion entsprechend Abb. 2.27. Mit welcher Geschwin-
digkeit e bewegt sich der Ball fort?
Lösung
Nach (2.46) ist der ausgeübte Kraftstoß gleich der Im-
pulsänderung. Weil der Ball anfangs in Ruhe war, ist der
Anfangsimpuls null. Aus dem Endimpuls lässt sich bei
bekannter Masse sofort die Endgeschwindigkeit ange-
Abb. 2.26 Kraftstöße mit a) zeitabhängigem ben:
Kraftverlauf und b) zeitlich konstanter Kraft
8m s
F(t) dt = me − 0 .
0
Dieser führt zu einer Änderung des Impul-
ses p eines materiellen Punktes mit der kon- Die Fläche unter der Dreiecksfunktion repräsentiert
stanten Masse m. Gleiche Kraftstöße führen das Integral; also errechnet man
zu gleichen Impulsänderungen; die Geschwin-
digkeitsänderungen sind jedoch unterschied-
lich und hängen von der Masse des Körpers ab.
Der Kraftstoß
t2 p2
F(t) dt = dp = p2 − p1 = Δp
t1 p1
(2.46)
8m s
1 den k-ten materiellen Punkt ist gleich seiner
F(t) dt = · 200 N · 8 · 10−3 s = 0,80 N s,
2 Impulsänderung dpk / dt.
0
0,80 kg m/s Die Bewegungsgleichungen für sämtliche n
e = = 8,0 m/s .
0,1 kg materiellen Punkte des Systems sind
n
F ik j =0. (2.49)
k,j = 1
k = j
Abb. 2.28 Kräfte auf Punkt k in einem System Werden die Summe der äußeren Kräfte zur
n
materieller Punkte resultierenden Kraft F a = a
k = 1 F k und die
2.5 Impuls 59
Straßenverhältnissen beträgt die Gleitreibungszahl des Systems aus Rakete und Gas im Zeitinter-
μG = 0,8. Mit welcher Geschwindigkeit 1 fuhr der Pkw vall dt ist
auf, wenn ein gleichmäßig verzögerter Bremsvorgang
angenommen wird? dp = [(m + dm)( + d) + dmT T ] − m
Lösung oder mit dmT = − dm
Aus den Bremsspurlängen werden die Geschwindig-
keiten 1 und 2 kurz nach dem Aufprall berechnet: dp = m d − dm[T − ( + d)] .
Die Beschleunigung einer Rakete ist der be- Die Bewegungsgleichung der Rakete hängt von
sondere Bewegungsfall, bei dem die Masse des der Schubkraft F schub und den äußeren Kräf-
Körpers, der eine Bewegungsänderung erfährt, ten F a , wie beispielsweise den Gravitations-
nicht konstant ist. Durch den Massenausstoß kräften, ab:
heißer Gase gemäß Abb. 2.29 wird die Schub-
kraft der Rakete erzeugt. In der Zeitspanne dt d
ändert sich die Raketenmasse m um dm, die m(t) = Fa + Fschub . (2.56)
dt
Geschwindigkeit ändert sich um d.
Mit dem Impulssatz nach (2.50) lässt sich der
Verlauf der Raketengeschwindigkeit, die Ra- Mit folgenden Näherungen soll (2.56) inte-
ketengleichung, ableiten. Die Impulsänderung griert werden:
Abb. 2.29 Massen und Geschwindigkeiten von Rakete Ist m0 die Anfangsmasse, bestehend aus Ra-
und Treibstoff zur Zeit t und t + dt kete und Treibstoff, und mleer die Masse der
2.5 Impuls 61
Steighöhe hs = 2 (tB )/ 2g0 (2.10). Der Bahn- Stoß? b) Wie groß ist die Beschleunigung während der
scheitel des senkrechten einstufigen Raketen- Stoßzeit?
aufstiegs liegt nach dieser Näherungsrech-
nung in der Höhe htotal über Startniveau ge- Ü 2.5-2 Ein Auto hat die Masse m = 1 000 kg. Es
mäß fährt mit = 50 km/h geradeaus. Welche Impulsän-
derung Δp – nach Betrag und Richtung – muss aufge-
bracht werden, um eine Richtungsänderung von 120◦
2 (tB )
htotal = hB + . (2.63)
zu bewerkstelligen, ohne den Betrag der Geschwindig-
2g0 keit zu ändern?
Beispiel
Abb. 2.32 Arbeit einer ortsabhängigen Kraft F(x, y) 2.6-1 Wie groß ist der Arbeitsaufwand beim Dehnen
längs des Wegs von s1 (x1 , y1 ) nach s2 (x2 , y2 ) oder Stauchen einer idealen Feder?
64 2 Mechanik
Aus der über die Gesamtzeit tg verrichteten Der Wirkungsgrad ist dimensionslos, der Wer-
Gesamtarbeit Wg errechnet sich die mittlere tebereich liegt zwischen 0 η 1.
Leistung Stimmen die Zeitintervalle der Leistungszu-
fuhr und Leistungsabgabe nicht überein, bei-
spielsweise bei dem langsamen Anheben eines
Wg
Pm = . (2.71) Rammbärs mit anschließendem raschem Auf-
tg
prall, dann wird der Wirkungsgrad über das
Verhältnis von Nutzarbeit Wab zur zugeführ-
ten Arbeit Wzu definiert:
Leistungen von Antrieben misst man, indem
die in der Zeitspanne abgegebene Arbeit de-
finiert in messbare Reibungsarbeit oder Rei- t1
bungswärme umgewandelt wird. Die abgege- Peff dt
bene effektive Leistung Peff eines Antriebs oder Wab
mechanischen Wandlers ist wegen der Rei- η= = 0
. (2.73)
Wzu t2
bungsverluste PV kleiner als die zugeführte PN dt
Nennleistung PN . Das Kennzeichen für die Ef-
0
fektivität der Leistungswandler ist der Wir-
kungsgrad
Werden mehrere Antriebe und Wandler hin-
Peff P tereinandergeschaltet, dann ist der Gesamt-
η= =1− V . (2.72)
wirkungsgrad der Anlage das Produkt aus den
PN PN
Einzelwirkungsgraden:
66 2 Mechanik
W ab,n Wab,1
ηges = =
Wzu,1 Wzu,1
Wab,2 Wab,n
· ·…· oder
Wab,1 Wab,n−1
Beispiel
2.6-2 Ein Förderkorb, dessen Masse einschließlich
maximaler Nutzlast m1 = 1 000 kg beträgt und dessen
Gegengewicht die Masse m2 = 450 kg hat, fährt mit der
Beschleunigung a1 = 1 m/s2 aufwärts, bis er die kon-
stante Fördergeschwindigkeit 2 = 5 m/s erreicht. Die
gesamte Reibungskraft ist FR = 500 N. Abbildung 2.35
verdeutlicht den Vorgang. Welche Spitzenleistung und
welche Dauerleistung benötigt der Antrieb, wenn der
Wirkungsgrad η = 0,9 beträgt?
Lösung
Die Kraft F1 an dem Umfang der Trommel während
des Anfahrens ergibt sich aus
F1 + m2 (g − a) = m1 (g + a) + FR
zu
F1 = m1 (g + a) − m2 (g − a) + FR = 7 450 N .
F2 = (m1 − m2 )g + FR = 6 000 N .
F1 2
PN,max = = 41,4 kW .
η
Abb. 2.35 Zu Beispiel 2.6-2
Die Dauer-Nennleistung bei der anschließenden
gleichförmigen Bewegung des Förderkorbes ist
2.6.3 Energie
F2 2
PN = = 33,3 kW .
η Führt man einem Körper mechanische Arbeit
Antriebsaggregate müssen so ausgelegt werden, dass zu, dann ändert sich der physikalische Zu-
sie über die Dauerleistung hinaus kurzfristig eine we- stand des Körpers: Eine gespannte Feder kann
sentlich höhere Spitzenleistung aufbringen können. einen an ihr befestigten Körper beschleuni-
2.6 Arbeit und Energie 67
2.6.4 Energieerhaltungssatz
ΔE = Enachher − Evorher = ΔW . (2.75)
Die als Energie gespeicherte Arbeit muss nicht
in der Arbeitsform abgegeben werden, in der
Die Energieanteile eines Körpers werden sie aufgenommen wurde. Diese Abgabe ist
durch die Arbeit, die sie erzeugt haben, be- auch in anderen Arbeitsformen möglich. Beim
schrieben und ergeben wie diese additiv die Bogenschießen wird beispielsweise die elas-
Gesamtenergie. Die mechanische Energie tische Energie in Beschleunigungsarbeit des
eines Körpers ist Pfeils und eventuell beim Schuss bergauf in
Hubarbeit umgewandelt. Alle Naturerschei-
nungen gehorchen einem fundamentalen Ge-
E = Ekin + Epot . (2.76)
setz, der Erhaltung der Energie:
Sie setzt sich zusammen aus der durch die In einem abgeschlossenen System bleibt
Beschleunigungsarbeit WB erzeugten kineti- der Energieinhalt konstant. Energie kann
schen Energie weder vernichtet werden noch aus nichts
entstehen; sie kann sich in verschiedene
Formen umwandeln oder zwischen ver-
1
Ekin = m2 (2.77) schiedenen Teilen des Systems ausge-
2 tauscht werden.
und der potentiellen Energie Epot , in der die Es gibt kein Perpetuum mobile erster Art; d. h.,
Energieanteile zusammengefasst sind, die nur es ist unmöglich, eine Maschine zu bauen, die
von einer Ortskoordinate abhängen. Hierzu dauernd Arbeit verrichtet, ohne dass ihr von
68 2 Mechanik
außen ein entsprechender Energiebetrag zu- tische Verformungen bewirken, dass der Ener-
geführt wird (Abschn. 3.3.2). giezustand vom gewählten Weg abhängt. In
Der Energieerhaltungssatz ist nicht beweis- dieser Weise vom Weg abhängige Kräfte sind
bar; er fasst die jahrhundertelangen Erfah- dissipative Kräfte.
rungen mit Energieumwandlungsexperimen-
ten zusammen. In seiner allgemeinen Form Zur Übung
Ü 2.6-1 Eine Stahlkugel (Masse m) fällt frei aus der
beinhaltet er außer den mechanischen Ener-
Höhe h auf eine Stahlplatte und springt danach auf
gieformen der kinetischen und der potenti- eine Höhe h1 = 0,9h zurück. a) Wie groß ist ihre Ge-
ellen Energie auch thermische Energien, che- schwindigkeit 0 unmittelbar vor dem Aufprall? b) Wie
mische Energien, elektrische und magnetische groß ist die Geschwindigkeit unmittelbar nach dem
Feldenergien. Aufprall? c) Wie groß ist die Impulsänderung Δp der
Bleiben in Systemen die nichtmechanischen Stahlkugel nach Betrag und Richtung? d) Welcher An-
teil der ursprünglichen kinetischen Energie wurde in
Energien der Körper konstant, ist also in ideali-
nicht-mechanische Energieformen umgesetzt?
sierten mechanischen Systemen die Reibungs-
arbeit vernachlässigbar, dann gilt für die kine-
tische Energie und die potentielle Energie des Ü 2.6-2 Eine Feder (Federkonstante k = 200 N/m)
wird um Δy = 15 cm zusammengedrückt. Dann wird
Systems materieller Punkte der Energieerhal-
eine Kugel (Masse m = 80 g) auf sie gelegt. Wie hoch
tungssatz der Mechanik springt die Kugel, wenn die Feder plötzlich entspannt
wird?
Ekin + Epot = konstant . (2.80)
Ü 2.6-3 Eine Schraubenfeder ist durch eine Kraft F1 =
50 N gespannt. Wirkt zusätzlich eine Kraft ΔF = 30 N
In diesem Fall hängen die mechanischen Ener- an der Feder, wird diese um Δl = 20 cm verlängert.
gien zu zwei Zeitpunkten t und t folgender- a) Wie groß ist die für diese Verlängerung erforder-
maßen zusammen: liche Arbeit? b) Wie groß ist die Gesamtenergie der
gespannten Feder?
1 2 1 2
m1 1 − 2 2
1 + m2 2 − 2 + …
2 2 Ü 2.6-4 Bei großen Deformationen wird das Kraft-
1 1 2 2
+ k1 s21 − s2
1 + k2 s2 − s2 + …
gesetz einer realen Feder nicht-linear. Für eine Puf-
2 2 ferfeder gilt k(x) = k1 + k2 x2 mit k1 = 103 N/m und
(2.81) k2 = 107 N/m3 . Wie weit wird diese Feder zusammen-
gedrückt, wenn ein Körper, der die kinetische Energie
+ m1 g h1 − h1 + m2 g h2 − h2 + …
Ekin = 0,3 N m hat, in x-Richtung aufprallt?
=0.
Abb. 2.38 Klassifikation der Stoßprozesse. Betrachtet werden nur Stöße, bei denen die Stoßpartner vor dem Stoß
reine Translationsbewegungen ausführen
Bestimmungsgleichung ist der Energieerhal- Durch Umformung von (2.83) ergibt sich
tungssatz nach (2.81):
m1 1 + 1 1 − 1 = m2 2 + 2 2 − 2
1 1 1 1
m1 21 + m2 22 = m1 21 + m2 22 . und mit (2.82)
2 2 2 2
(2.83)
1 − 2 = − 1 − 2 . (2.84)
Zusätzlich zum Impulserhaltungssatz nach auch als vollkommen plastischer Stoß bezeich-
(2.82) ist eine weitere Bestimmungsgleichung net wird
notwendig, um die Geschwindigkeiten 1 und
2 − 1 =0.
2 nach dem Stoß und den Energieverlust ΔW
berechnen zu können (Beispiel 2.5-2). Es liegt nahe, den teilplastischen Stoß zu de-
Besonders interessant ist der unelastische Stoß, finieren, bei dem folgender Zusammenhang
bei dem die beiden Körper miteinander ver- gilt:
koppelt werden und sich nach dem Stoß mit
der gemeinsamen Geschwindigkeit
2 − 1 = ε(1 − 2 ) . (2.89)
= 1 = 2
ε wird als Stoßzahl bezeichnet und kann fol-
gemäß Abb. 2.41 bewegen. Der Impulserhal-
gende Werte annehmen:
tungssatz dieses unelastischen Stoßes lautet
ε=1 elastischer Stoß
m1 1 + m2 2 = (m1 + m2 ) ; ε=0 vollkommen plastischer Stoß
daraus folgt 0<ε<1 teilweise plastischer Stoß
Die Stoßzahl kann experimentell bestimmt
m1 1 + m2 2 werden. Beispielsweise beträgt sie für Körper
= . (2.88)
m1 + m2 aus gehärtetem Stahl ε = 0,95; für Blei gilt
ε = 0.
Der Verlust an kinetischer Energie ergibt sich
Die für den elastischen Stoß gefundene (2.84)
zu
für die Geschwindigkeitsdifferenzen vor und
nach dem Stoß m1 m2
ΔW = 1 − ε2 21 − 22 .
2(m1 + m2 )
2 − 1 = 1 − 2
(2.90)
gilt für den unelastischen Stoß nicht mehr.
Vielmehr gilt für den Stoß mit Kopplung, der
Beispiel
2.7-2 Die Stoßzahl lässt sich aus Fallversuchen be-
stimmen. Dabei lässt man eine kleine Kugel aus der
Fallhöhe h auf einen schweren (m2 >> m1 ) ruhenden
Körper fallen (Abb. 2.42). Wie groß ist die Stoßzahl ε,
wenn die Fallhöhe h = 70 cm beträgt und die Zeit-
spanne zwischen dem ersten und dem zweiten Aufprall
Δt = 0,72 s?
Lösung
Nach dem freien Fall kommt es zum ersten Aufprall
nach der Zeit
2h
Abb. 2.41 Gerader, zentraler, unelastischer Stoß mit t1 = = 0,378 s .
Kopplung (vollplastischer Stoß) g
2.7 Stoßprozesse 73
Tabelle 2.5 Schiefer, zentraler, elastischer Stoß Diese können beobachtete Ablenkwinkel oder
gemessene Geschwindigkeitsbeträge sein. Hat
Geschwindigkeiten man die Geschwindigkeiten nach dem Stoß-
vor dem nach dem
vorgang bestimmt, so kann man durch Ver-
Stoß Stoß
Körper 1 1x 1x = 1x gleich der kinetischen Energien vor und nach
Masse m1 1y 1y = dem Stoß den Energieanteil ermitteln, der in
(m1 − m2 )1y + 2m2 2y nichtmechanische Energieformen umgesetzt
m1 + m2 wurde.
Körper 2 2x 2x = 2x
Ein grundlegendes Beispiel für einen inelas-
Masse m2 2y 2y =
2m1 1y + (m2 − m1 )2y tischen Stoß ist der Franck-Hertz-Versuch
m1 + m2 (Abschn. 8.2, Abb. 8.6). Gasatome nehmen
beim Stoß mit Elektronen nur diskrete Ener-
gien auf und geben sie kurze Zeit später als
Lichtquant ab.
Die Geschwindigkeitsrichtungen der Stoß- Zur Übung
partner stehen in diesem Fall nach dem Stoß Ü2.7-1 Im Weltraum, wo äußere Kräfte vernachlässigt
senkrecht aufeinander. Erfolgt andererseits werden dürfen, soll von einer Trägerrakete (Masse m,
der schiefe, zentrale, elastische Stoß gegen eine Geschwindigkeit ) eine Raumkapsel (Masse m/ 2) ab-
gesprengt werden. Das nicht mehr gebrauchte Bruch-
Wand (m2 >> m1 ), dann folgt aus Tabelle 2.5
stück (Masse m/ 2) soll dabei zur Ruhe kommen. Wel-
cher Energiebetrag ist dem System zuzuführen?
die Bewegung des Pendels in der Wechselwirkungszeit definiert als Vektorprodukt aus dem Radius-
mit dem Geschoss vernachlässigt werden.) b) Ist der vektor r und der äußeren Kraft F:
Zusammenstoß vollständig unelastisch? Welcher An-
teil der kinetischen Energie wird in nichtmechanische
Energien umgesetzt? M =r×F . (2.98)
Abb. 2.44 Zur Definition des Drehmoments M Abb. 2.45 Zur Definition des Drehimpulses L
76 2 Mechanik
Wie bei der Newton’schen Grundglei- Ist das Drehmoment konstant, dann gilt
chung (2.25) gilt:
W = M(ϕ1 − ϕ0 ) .
Die Winkelbeschleunigung α der Dreh-
bewegung ist der Ursache, dem äußeren Das aufzuwendende Drehmoment M ist pro-
Drehmoment M, proportional. portional zum Drehwinkel ϕ bei der Torsion
von Körpern im elastischen Bereich oder bei
Torsionsfedern. Die Proportionalitätskon-
Die Integration von (2.103) ergibt den Dreh-
stante wird analog zum Hooke’schen Gesetz
momentenstoß:
der longitudinalen Dehnung als Drehfeder-
steifigkeit kt bezeichnet. Die Arbeit gegen das
t2 winkelabhängige Torsionsmoment ergibt sich
M dt = ΔL . (2.105) aus der Integration von (2.106):
t1
1
Die Drehimpulsänderung ΔL ist gleich dem
W = kt ϕ12 − ϕ22 . (2.107)
2
Integral des von den äußeren Kräften ausge-
übten Drehmoments. Ist das äußere Drehmo-
Die Torsionsarbeit wird in der elastischen
ment M = M0 = konstant, dann ist die Dreh-
Verformung des deformierbaren Körpers
impulsänderung durch den Drehmomenten-
gespeichert. Die sehr kleinen Richtmomente
stoß ΔL = M0 Δt.
von Torsionsfäden ermöglichen es, aus der
Drehwinkeländerung sehr kleine Energien,
2.8.3 Arbeit, Leistung und Energie
wie beispielsweise bei der Bestimmung der
bei der Drehbewegung
Gravitationskraft mit der Torsionswaage (Ab-
schn. 2.10.2), zu messen. Aus (2.106) folgt für
Ein Drehmoment M, das einen Körper um eine
die momentane Leistung der Kraft, die das
Achse in eine Drehbewegung versetzt, verrich-
Drehmoment bewirkt,
tet Arbeit. Die Arbeit W bei der Rotationsbe-
wegung ist nach Abb. 2.32
dW
P= = Mω . (2.108)
s1 ϕ1 dt
W = F(s) · ds = F(ϕ) · ( dϕ × r)
s0 ϕ0
Durch die Arbeitszufuhr oder -abfuhr ändert
ϕ1 sich die kinetische Energie eines im Abstand r
= (r × F(ϕ)) · dϕ um eine Drehachse rotierenden materiellen
ϕ0 Punktes. Seine Rotationsenergie beträgt
78 2 Mechanik
⎛ ⎞
1 1
Erot = m2 = mr2 ω2 oder dLk
N
kin
2 2 = rk × ⎝F ak + F ijk ⎠
dt
j = k
N
Erot
1
= J ω2 . (2.109)
= Mak + Mijk .
kin
2 j = k
2.8.4.1 Drehimpulssatz
In einem System von N materiellen Punk-
ten, deren Koordinaten von einem beliebigen
Koordinatennullpunkt aus gemessen werden,
wirken auf jeden materiellen Punkt k am Ort
rk (t) eine resultierende äußere Kraft F ak und
innere Kräfte F ijk , die von allen übrigen ma-
teriellen Punkten j = k des Systems ausge-
hen. Der Drehimpulssatz (2.103) lautet dann Abb. 2.46 Zum Drehimpulssatz: System aus drei
für den materiellen Punkt k materiellen Punkten
2.8 Drehbewegungen 79
Translation Rotation
Größe, Formelzeichen Einheit Größe, Formelzeichen Einheit
Abbildung 2.49a zeigt die Translation eines Abbildung 2.49b zeigt die Rotation um den
Körpers in der x, y-Ebene. Verschiebungen in feststehenden Punkt P. Die Drehachse steht
der z-Richtung sind selbstverständlich eben- senkrecht zur Zeichenebene. Der Vektor ω der
falls möglich. Der Punkt P läuft auf der gestri- Winkelgeschwindigkeit verläuft parallel zur z-
chelten Bahnkurve. Die Bahnkurven der ande- Achse (Abschn. 2.2.3). Aus Abb. 2.49c geht her-
ren Punkte des Körpers haben dieselbe Form, vor:
sie sind lediglich parallel verschoben.
Bei der Rotation eines starren Körpers Die allgemeine Bewegung eines starren
rotieren sämtliche Massenpunkte mit Körpers setzt sich aus Translation und
der gleichen Winkelgeschwindigkeit. Rotation zusammen.
82 2 Mechanik
Lösung
Die Geschwindigkeit der Punkte erhält man durch
Überlagerung der gemeinsamen Translationsge-
schwindigkeit M nach rechts mit einer Umfangsgesch- Abb. 2.51 Linienflüchtigkeit der Kraft am starren
windigkeit, die jeweils tangential zum Kreis verläuft. Körper
2.9 Mechanik starrer Körper 83
starre Körper keine Deformation erleidet, he- Kräfte F 1 und F 2 an einem starren Körper an-
ben sich diese beiden Kräfte auf, ohne irgend- greifen, wobei die Wirkungslinien nicht auf ei-
eine Veränderung am Zustand des Körpers zu ner Geraden liegen. Ein solches Kräftesystem,
bewirken. Als einzige Kraft bleibt damit die das in Abb. 2.53 gezeigt ist, nennt man ein
Kraft F 2 am Punkt P2 übrig, welche die gleiche Kräftepaar.
Wirkung hat wie die ursprüngliche Kraft F 1 Die Resultierende eines solchen Kräftepaars
am Punkt P1 . Daraus folgt: ist null: F 1 + F 2 = 0. Aus dem Impulssatz für
Systeme gemäß (2.50) folgt:
Man darf bei einem starren Körper eine
Kraft beliebig längs ihrer Wirkungslinie Ein starrer Körper erfährt unter der Wir-
verschieben, ohne dass sich sein Bewe- kung eines Kräftepaars keine Translati-
gungszustand ändert. onsbeschleunigung.
Der Begriff des Angriffspunktes einer Kraft ist Mit anderen Worten: Wenn der Massenmittel-
demnach beim starren Körper ohne Bedeu- punkt des Körpers (Abschn. 2.5.2.2) in Ruhe
tung. Jeder Punkt des Körpers längs der Wir- ist, wird er diesen Zustand auch beibehalten,
kungslinie kann mit gleichem Recht als An- wenn ein Kräftepaar an ihm angreift.
griffspunkt betrachtet werden. Ein Kräftepaar versucht aber, den Körper in
Abbildung 2.52 zeigt, wie von zwei an ver- Rotation zu versetzen; es übt ein Drehmoment
schiedenen Punkten A und B an einem star- aus.
ren Körper angreifenden Kräften, die in ei- Die beiden Einzelkräfte F 1 und F 2 haben be-
ner Ebene liegen, die Resultierende ermit- züglich des willkürlich gewählten Nullpunkts 0
telt wird. Im Schnittpunkt C der beiden Wir- in Abb. 2.53 die Drehmomente
kungslinien wird die Resultierende F R z. B.
mit Hilfe des Kräfteparallelogramms ermit- M1 = r1 × F1 und M2 = r2 × F 2 .
telt. Der Angriffspunkt der Resultierenden am
starren Körper kann irgendwo längs ihrer Wir-
kungslinie angenommen werden.
Von besonderem Interesse ist der Fall, wenn
zwei gleich große entgegengesetzt gerichtete
Abb. 2.52 Resultierende Kraft am starren Körper Abb. 2.53 Drehmoment eines Kräftepaars
84 2 Mechanik
Mit F 2 = −F 1 folgt für das gesamte Drehmo- punkt; denn jener wird nach obigen Aussa-
ment M = M1 + M2 = r1 × F 1 − r2 × F 1 oder gen nicht beschleunigt, er ist also der einzige
Punkt, der in Ruhe bleibt.
Soll ein starrer Körper in Ruhe bleiben
M = (r1 − r2 ) × F 1 . (2.115) (Grundaufgabe der Statik), dann muss das
Drehmoment eines Kräftepaars durch ein an-
deres kompensiert werden, sodass insgesamt
Der Vektor M steht senkrecht auf der Ebene,
kein resultierendes Drehmoment übrig bleibt.
die von den Kräften aufgespannt wird. Er weist
Eine Translationsbeschleunigung des Körpers
in Abb. 2.53 in die Zeichenebene hinein. Für
unterbleibt, wenn keine resultierende Kraft auf
den Betrag des Drehmoments gilt
ihn wirkt. Diese Forderungen werden zusam-
mengefasst in den Gleichgewichtsbedingungen
M = sF ; (2.116) der Statik:
Fa =0, (2.117)
dabei ist s der Abstand der beiden Wirkungs-
linien, F der Betrag der Kräfte: F = |F 1 | = Ma =0. (2.118)
|F 2 |. Das Drehmoment eines Kräftepaars ist
nach (2.116) unabhängig von der Lage des Be- Ein starrer Körper ist im statischen
zugspunkts 0. Es hängt nur von den Kräften Gleichgewicht, wenn die Summe aller an
selbst und deren gegenseitigem Abstand ab. ihm angreifenden äußeren Kräfte und
Dies bedeutet: Drehmomente null ist.
dingung Ma = 0 erfüllen. Alle drei Kräfte dürfen
N
N
FS = −g mk = −mg . (2.119)
k=1
Bei homogenen symmetrischen Körpern liegt 2.9.4 Kinetische Energie eines starren Körpers
der Schwerpunkt auf den Symmetrieachsen.
Ein starrer Körper lässt sich nicht deformieren; Werden die Geschwindigkeiten k = dr k (t)/ dt
der elastische Anteil der potentiellen Energie der materiellen Punkte eines Systems zerlegt
ist also null. Ein starrer Körper hat als potenti- in eine Geschwindigkeit k = dr k (t)/ dt relativ
elle mechanische Energie nur die Lageenergie zum Schwerpunkt S und die Bahngeschwin-
des Schwerpunkts. Wird die z-Koordinate par- digkeit S = dr S (t)/ dt des Schwerpunktes,
allel zur Fallbeschleunigung g gelegt, dann gilt dann ist die kinetische Energie des Systems
nach (2.121)
N 2
1 drk (t)
Ekin = mk
2 dt
k=1
N
= = mgzS . 2
1 drS (t) dr k (t)
Epot mk gzk (2.122) N
k=1 = mk +
2 dt dt
k=1
2
N
1 drS (t)
Die Höhe des Schwerpunkts S über dem Be- Ekin = mk
2 dt
zugsniveau bestimmt die potentielle Energie k=1
2
1 drk (t)
eines starren Körpers. N
dr S (t) dr (t)
N
aus der Gleichgewichtslage ist das Kennzei-
+ mk k .
chen für die drei Gleichgewichtslagen starrer dt dt
k=1
Körper. In Abb. 2.56 sind die Fälle des stabi-
len, labilen und indifferenten Gleichgewichts Der letzte Term ist der Gesamtimpuls
einander gegenübergestellt. der Massenpunkte im Schwerpunkt-Koor-
ges
Ekin = Etrans rot
kin + Ekin . (2.124)
Für einen Körper mit kontinuierlicher Mas-
senverteilung geht die Summe in das Integral
Nach (2.123) ist die Translationsenergie des
starren Körpers mit der Gesamtmasse m
JP = r2 dm = ρ(r) r2 dV (2.128)
1 V
Etrans
kin = m 2S . (2.125)
2
über. Das Massenträgheitsmoment eines star-
Die Rotationsenergie eines starren Körpers, ren Körpers mit homogener Dichte wird über
dessen Massenpunkte mk , wie in Abb. 2.57 das Volumenintegral
skizziert, um eine Achse durch den Punkt P mit
der gemeinsamen Winkelgeschwindigkeit ω
und der Umlaufgeschwindigkeit Pk = ω rPk JP =ρ r2 (x, y, z), dx dy dz
rotieren, wobei der Punkt P sich mit der V
Momentangeschwindigkeit P auf einer Bahn- (2.129)
kurve bewegt, ist nach (2.123)
88 2 Mechanik
1
Erot
kin = JP ω2 . (2.130)
2
dius r vernachlässigbar ist: s << r. Alle Mas- mation (Integration) der Massenträgheitsmo-
seteilchen haben dann praktisch den gleichen mente aller dünnwandigen Hohlzylinder:
Abstand r von der Drehachse, sodass die Sum- ra
r4 ra
mation nach (2.127) ergibt J = 2 πl ρ r dr = 2 πl ρ
3
4 ri
ri
1
J = m r2 . (2.131) = πlρ ra4 − ri4 .
2
Dieser Ausdruck kann mit Hilfe der Masse
des Körpers m = π ra2 − ri2 lρ umgeschrieben
2. Dickwandiger Hohlzylinder, Massenträg-
werden zu
heitsmoment bezüglich Rotationssymmetrie- 1
achse (Abb. 2.59). J = m ra2 + ri2 .
2
Der dickwandige Hohlzylinder kann erzeugt
werden durch Ineinanderstellen von unend- 3. Vollzylinder, Massenträgheitsmoment be-
lich vielen dünnwandigen Hohlzylindern, von züglich Rotationssymmetrieachse.
denen in Abb. 2.59 einer rot eingezeichnet ist. Das Massenträgheitsmoment eines Vollzylin-
Die Masse dieses Hohlzylinders der Dichte ρ ders mit dem Radius r und der Masse m folgt
mit Radius r und Wandstärke dr ist dm = sofort aus obiger Gleichung für ri = 0 und
2 π r l ρ dr. Sein Massenträgheitsmoment ist ra = r:
nach (2.131) 1
J = mr2 .
2
dJ = dm r2 = 2 πlρr3 dr . Abbildung 2.60 zeigt eine Zusammenstellung
von Massenträgheitsmomenten einiger Kör-
Das Massenträgheitsmoment des dickwandi-
gen Hohlzylinders erhält man durch Sum- per.
Beispiel
2.9-4 Ein Vollzylinder mit der Masse m und dem Ra-
dius r rollt eine schiefe Ebene mit dem Neigungswin-
kel β hinab, wie in Abb. 2.61 verdeutlicht. Wie groß ist
seine Beschleunigung?
Lösung
Vernachlässigt man die Rollreibungsverluste, so läuft
der Vorgang unter Energieerhaltung ab. Wenn die
Walze längs der schiefen Ebene den Weg s zurücklegt,
nimmt ihre potentielle Energie um ΔEpot = mgh =
mg s sin β ab. Um den gleichen Betrag nimmt die Be-
wegungsenergie zu, die sich als Summe von Translati-
onsenergie und Rotationsenergie bezüglich der Sym-
metrieachse darstellen lässt:
1 1
ΔEkin = m 2 + JS ω2 .
2 2
Mit ω = / r ergibt sich
1 2 1 2
mgs sin β = m + JS 2 oder
2 2 r
Abb. 2.59 Zum Massenträgheitsmoment des 2m g s sin β 4
=
2
= gs sin β .
dickwandigen Hohlzylinders m + JS / r 2 3
90 2 Mechanik
Abb. 2.61 Zu Beispiel 2.9-4: Walze auf schiefer Ebene Abb. 2.62 Zum Steiner’schen Satz
Freie Achsen
Bestimmt man bezüglich aller Achsen durch
den Schwerpunkt eines starren Körpers das
Massenträgheitsmoment, dann stellt man fest,
dass die Achsen mit dem größten und dem
kleinsten Trägheitsmoment senkrecht aufein-
ander stehen. Diese beiden und die darauf
senkrecht stehende dritte Achse werden als
Hauptträgheitsachsen bezeichnet. Die Träg-
heitsmomente bezüglich dieser Achsen heißen
Hauptträgheitsmomente. Bei rotationssym-
metrischen Körpern (z. B. Zylinder, Scheibe
und Ring) sind zwei Hauptträgheitsmomente
gleich. Alle zur Symmetrieachse senkrechten
Achsen durch den Schwerpunkt haben das
gleiche Trägheitsmoment. Bei einigen Kör-
pern, deren Schwerpunkt Symmetriezentrum
ist (z. B. Kugel, Würfel und Tetraeder), nimmt
das Trägheitsmoment bezüglich jeder Achse
durch den Schwerpunkt denselben Wert an.
Das Besondere an den Hauptträgheitsachsen
ist, dass bei der Rotation eines Körpers um
eine Hauptträgheitsachse keine Lagerreaktio-
nen auftreten. Solche Drehachsen müssen also
nicht im Raum fixiert werden; deshalb bezeich-
net man sie als freie Achsen. Durch Hochwer-
fen eines quaderförmigen Kastens kann man
sich leicht davon überzeugen, dass die Rota-
tion um die Achsen mit dem kleinsten und
größten Trägheitsmoment stabil, um die Achse
mit dem mittleren dagegen labil ist. Abbil- Abb. 2.63 Körper, die um freie Achsen (Symme-
dung 2.63 zeigt einige Körper, die um freie trieachsen mit größtem Massenträgheitsmoment)
rotieren: a) Scheibe, b) Stab, c) Perlenkette
Achsen rotieren.
Das Auftreten der Lagerkräfte bei der Rotation
um eine Achse, die nicht Hauptträgheitsachse
ist, ist unmittelbar einleuchtend, wenn z. B. die außen zu ziehen (d’Alembert’sches Prinzip).
Rotation einer Hantel nach Abb. 2.64 betrach- Das Kräftepaar der beiden Zentrifugalkräfte
tet wird. Vernachlässigt man die Masse des übt auf die Hantel das Drehmoment Mzf aus,
Stabes, dann greift an jeder Kugel eine Zentri- das versucht, die ganze Anordnung im Ge-
fugalkraft F zf an, die versucht, die Kugel nach genuhrzeigersinn zu drehen. Von den Lagern
2.9 Mechanik starrer Körper 93
⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞
sich elegant beschreiben, wenn das Massen- Jxx Jxy Jxz 0 Jxz
trägheitsmoment J als Tensor definiert wird: L = ⎝Jyx Jyy Jyz ⎠ · ⎝ 0 ⎠ = ω ⎝ Jyz ⎠ .
⎛ ⎞ Jzx Jzy Jzz ω Jzz
Jxx Jxy Jxz
J = ⎝Jyx Jyy Jyz ⎠ ,
Jzx Jzy Jzz Die Deviationsmomente bewirken, dass der
Körper mit einem äußeren Drehmoment sta-
mit den Trägheitsmomenten bilisiert werden muss. Wenn sie verschwinden,
sind keine Lagermomente erforderlich und der
Körper kann frei rotieren. Gewisse Symmetrie-
Jxx = mk y2k + zk2 bzw. eigenschaften führen zum Verschwinden von
2 Deviationsmomenten. Ist beispielsweise die z-
y + z2 dm ,
Achse eine Rotatiossymmetrieachse, dann gilt
Vol Jxz = Jyz = 0 und der Drehimpulsvektor L ver-
Jyy = mk x2k + zk2 bzw. läuft parallel zu ω. Es tritt also kein Kippmo-
2 ment auf.
x + z2 dm , Für jeden Körper gibt es ein Koordinaten-
Vol system, so dass alle Zentrifugalmomente ver-
Jzz = mk x2k + y2k bzw. schwinden. Der Trägheitstensor lautet dann
⎛ ⎞
2 JI 0 0
x + y2 dm (2.133)
J = ⎝0 JII 0 ⎠ .
Vol
0 0 JIII
Die Trägheitsmomente JI , JII und JIII sind die
und den Deviations- oder Zentrifugalmo- Hauptträgheitsmomente. Rotiert ein Körper
menten um eine Hauptträgheitsachse, so ist L paral-
lel zu ω und M = dL/ dt = 0, es sind also keine
Lagerreaktionen erforderlich.
Jxy = Jyx = − mk xk yk bzw. − xy dm ,
Vol Beispiel
2.9-5 Wie lautet der Trägheitstensor für die Hantel
Jxz = Jzx = − mk xk zk bzw. − xz dm , von Abb. 2.64 und welche Richtung hat der Vektor L
Vol des Drehimpulses? Die Zeichenebene sei die x,z-Ebene.
Jyz = Jzy = − mk yk zk bzw. − yz dm . Lösung
Vol Im gezeichneten Moment, in dem die Hantel in der
(2.134) Zeichenebene liegt, ist der Trägheitstensor
⎛ ⎞
cos2 ϑ 0 − sin ϑ cos ϑ
⎜ ⎟
J = 2m r2 ⎝0 1 0 ⎠ .
Der Drehimpuls berechnet sich nun gemäß − sin ϑ cos ϑ 0 sin2 ϑ
⎛ ⎞
wobei J und ω nach den Regeln der Matrizen- − cos ϑ
⎜ ⎟
multiplikation multipliziert werden. Für das L = J ω = 2m r2 ω sin ϑ ⎝ 0 ⎠ .
Beispiel von Abb. 2.65 ergibt sich sin ϑ
2.9 Mechanik starrer Körper 95
L liegt in der Zeichenebene und steht senkrecht auf der Technisch kann dies z. B. durch eine karda-
Hantelachse. Bei der Rotation um die z-Achse läuft L nische Aufhängung entsprechend Abb. 2.66
auf einem Kegelmantel um. Das erforderliche Drehmo- realisiert werden. Da auf einen solchen Kreisel
ment müssen die Lagerreaktionen aufbringen (s. auch
von außen kein Drehmoment ausgeübt werden
Ü 2.9-4).
kann, muss nach dem Drehimpulserhaltungs-
satz der Vektor L des Drehimpulses in einem
Trägheitsellipsoid Inertialsystem seine Richtung beibehalten.
Bestimmt man die Massenträgheitsmomente Rotiert der Kreisel so, dass seine Figurenachse
eines Körpers bezüglich verschiedener Achsen und die Drehimpulsachse zusammenfallen,
durch den Schwerpunkt und trägt in Polarko- dann bleibt auch die Richtung der Figuren-
ordinaten jeweils in Achsenrichtung die Länge achse im Raum fest. Der freie Kreisel kann
√ an seinem äußeren Rahmen beliebig bewegt
R = const/ J ab, so liegen alle Endpunkte auf
einem Ellipsoid (Poinsot-Konstruktion). Die werden, ohne dass sich die einmal eingestellte
Hauptachsen des Ellipsoids werden durch die Richtung verändert. Dieser Effekt wird beim
Hauptträgheitsachsen gebildet. Aus dem Träg- Kurskreisel zur Navigation ausgenutzt. Bei
heitsellipsoid kann das Massenträgheitsmo- modernen Geräten weicht die Achse von der
ment bezüglich willkürlicher Schwerpunkts- eingestellten Richtung um weniger als 0,1 ◦ /h
achsen grafisch oder analytisch bestimmt wer- ab. Versetzt man einem kräftefreien Kreisel
einen kurzzeitigen Schlag, dann ändert sich
den. Bei rotationssymmetrischen Körpern ist
das Trägheitsellipsoid ein Rotationsellipsoid. der Drehimpuls L um ΔL = M(t) dt, bleibt
Bei hochsymmetrischen Körpern wie Kugel,
Würfel, Tetraeder usw. bekommt es Kugel-
form. Diese Körper haben keine Deviations-
momente.
2.9.6 Kreisel
dann aber wieder konstant nach Größe und den Kegel. Sie steht ebenfalls nicht fest im
Richtung. Die Folge des Schlages aber ist, dass Raum, sondern läuft auf der Oberfläche des
der Kreisel eine Taumelbewegung ausführt, Rastpolkegels um die Drehimpulsachse L. Ab-
die als Nutation bezeichnet wird. bildung 2.67 skizziert die Verhältnisse des ab-
Die Nutationsbewegung kann nach Abb. 2.67 geplatteten Kreisels. Beim verlängerten Kreisel
anschaulich so erklärt werden, dass zwei Ke- rollt der Gangpolkegel mit seiner Außenseite
gel aufeinander abrollen, wobei die Kegelspit- auf dem Rastpolkegel ab.
zen im festgehaltenen Schwerpunkt des Krei-
sels liegen. Der Rastpolkegel, dessen Achse die
Drehimpulsachse ist, steht fest im Raum. Der Präzession
Gangpolkegel ist mit dem Kreisel fest verbun-
Abbildung 2.68a zeigt einen rotierenden Krei-
den und wälzt sich auf dem Rastpolkegel ab.
sel, der an einer Leine unsymmetrisch aufge-
Die Figurenachse als Achse des Gangpolkegels
hängt ist. Während ein nicht rotierender star-
läuft damit auf dem rot gestrichelten Nuta-
rer Körper bei dieser Art der Aufhängung so-
tionskegel um. Die momentane Drehachse ω
fort herunterfallen würde, dreht sich der rotie-
des Kreisels ist die Berührungslinie der bei-
rende Kreisel um den Aufhängepunkt, wobei
die horizontale Lage der Kreiselachse erhal-
ten bleibt. Diese höchst erstaunliche Bewegung
wird als Präzession bezeichnet.
Die Ursache der Präzession ist das Drehmo-
ment, das infolge der unsymmetrischen Auf-
hängung auf den Kreisel ausgeübt wird. Abbil-
dung 2.68b zeigt, dass das Kräftepaar aus Ge-
wichtskraft und Stützkraft ein Drehmoment M
erzeugt, das in der Horizontalebene liegt und
auf dem Vektor L des Drehimpulses senkrecht
steht. Ein solches Drehmoment kann aber
den Betrag des Drehimpules nicht ändern,
sondern nur seine Richtung, wie Abb. 2.68c
zeigt. Innerhalb einer kurzen Zeitspanne Δt
ändert sich der Drehimpuls um ΔL = MΔt.
Der neue Drehimpuls L(t + Δt) steht wieder
senkrecht zum ebenfalls kreisenden Drehmo-
ment M(t + Δt). Unter der Wirkung des Dreh-
moments M läuft daher die Spitze des Dre-
himpulsvektors L mit konstanter Winkelge-
schwindigkeit auf einem Kreis. Dies ist völ-
lig analog zur Kreisbewegung eines Körpers
mit konstanter Geschwindigkeit, wobei die
Zentripetalkraft auch immer senkrecht auf
der Geschwindigkeit steht und sich nur de-
Abb. 2.67 Nutationsbewegung eines abgeplatteten ren Richtung, nicht aber deren Betrag än-
Kreisels dert.
2.9 Mechanik starrer Körper 97
Kreiselmomente
Die Richtung, in der die Kreiselachse wandert, Erzwingt man bei einem rotierenden Kreisel
wird durch den Satz vom gleichsinnigen Paral- von außen her eine Richtungsänderung der
lelismus festgelegt: Drehachse, dann müssen die Lager bei die-
98 2 Mechanik
ser künstlichen Präzession Kräfte und Mo- Von den zahlreichen Anwendungen des Krei-
mente aufnehmen. Die Kenntnis des wirken- sels seien einige Beispiele aus der Navigation
den Drehmoments ist wichtig bei rotierenden kurz beschrieben.
Maschinenteilen, deren Drehachse einer Rich-
tungsänderung unterzogen wird. Kreiselhorizont
In Abb. 2.69 ist eine rotierende Scheibe ge-
Bei einem Flugzeug, das in oder über den Wol-
zeigt, die um die Hochachse gedreht wird.
ken fliegt, braucht der Pilot zur Orientierung
Nach dem Satz vom gleichsinnigen Paralle-
einen künstlichen Horizont. Ein einfaches Lot,
lismus versucht der Vektor L, sich parallel
das in der Kanzel aufgehängt ist, erfüllt diesen
zum Vektor ωp der erzwungenen Präzession
Zweck nicht, da es bei einem Kurvenflug nicht
einzustellen. Die Kreiselachse drückt also im
in Richtung der Vertikalen, sondern in Rich-
hinteren Lager nach unten und im vorderen
tung der Resultierenden aus Schwerkraft und
nach oben. Entsprechend reagieren die Lager
Zentrifugalkraft weist (Scheinlot).
auf den Kreisel mit den eingezeichneten La-
Der freie Kreisel, der in Richtung der Horizon-
gerkräften F L . Das Drehmoment M, das der
talen eingestellt wird, kann für eine bestimmte
Kreisel auf die Lager ausübt, ergibt sich sofort
Zeit den Horizont darstellen. Da er aber auf-
durch Umkehr von (2.135):
grund technischer Unzulänglichkeit mit der
Zeit auswandert, wurden Geräte entwickelt,
die selbsttätig Abweichungen von der Hori-
M = L × ωp . (2.136)
zontalrichtung ausgleichen. Bei einer Methode
bedient man sich des Kreiselpendels, bei dem
ein Kreisel etwas außerhalb des Schwerpunk-
tes unterstützt wird. Infolge des Schweremo-
ments führt der Kreisel langsame Präzessions-
bewegungen um die Vertikale aus. Im Gegen-
satz zu einem einfachen Lot, das alle Schwan-
kungen des Flugzeugs relativ rasch mitmacht,
hat ein Kreiselpendel eine sehr große Schwin-
gungsdauer (bis zu einer Stunde) und mittelt
daher aus allen Richtungen die Vertikalrich-
tung heraus. Abbildung 2.70 zeigt eine techni- nem beliebigen Breitenkreis am Punkt P, dann
sche Ausführung des Kreiselhorizonts. kann sich sein Drehimpuls L nicht parallel zu
ωE einstellen; denn die Kreiselachse ist ja an
Kreiselkompass eine Tangentialebene zur Erde gefesselt. Im-
Der Kreiselkompass ist ein gefesselter Krei- merhin ist eine Optimierung der Lage dann
sel, dessen Achse sich nur in einer Horizon- erreicht, wenn die Kreiselachse tangential zu
talebene bewegen kann. Häufig wird dies da- einem Meridian eingestellt ist, d. h., wenn sie
durch erreicht, dass das Rotorgehäuse in ei- nach Norden weist. Befindet sich der Kreisel
ner Flüssigkeit schwimmt. Im Gegensatz zu am Nord- oder Südpol N bzw. S, dann steht
einem freien Kreisel, der seine Achsenrich- L immer senkrecht auf ωE . Jede Richtung der
tung in einem Inertialsystem konstant hält, Kreiselachse ist gleich ungünstig; der Kreisel
muss der gefesselte Kreisel die Erdrotation hat keine Vorzugsrichtung.
mitmachen. Die Kreiselachse erfährt also eine Der Kreiselkompass versagt also wie der ma-
Zwangsdrehung mit der Winkelgeschwindig- gnetische Kompass an den Polen. U-Boote, die
keit der Erdrotation ωE . Das auftretende Krei- sich unter dem Packeis des Nordpols befinden,
selmoment dreht die Kreiselachse nach dem bedienen sich aus diesem Grund der Trägheits-
Satz vom gleichsinnigen Parallelismus so, dass navigation, die hier nicht erläutert sei.
der Drehimpulsvektor L und die Richtung der Auf fahrenden Schiffen oder Flugzeugen zeigt
Zwangsdrehung ωE parallel werden. der Kreiselkompass nicht exakt nach Norden,
Wie Abb. 2.71 zeigt, gelingt dies vollkommen er weist einen Fahrtfehler (Missweisung) auf.
für einen Kreiselkompass, der am Äquator Ä Fährt ein Schiff auf einem Meridian nach Nor-
aufgestellt ist. Befindet sich der Kreisel auf ei- den, dann entspricht dieser Bewegung eine zu-
sätzliche Winkelgeschwindigkeit ωZ , die vek-
toriell zu ωE addiert wird. Der Kreiselkompass
versucht dann, seine Achse parallel zur resul-
tierenden Winkelgeschwindigkeit ωR einzu-
stellen, was zu einem Anzeigefehler in west-
licher Richtung führt. Bei einer Bewegung auf
einem Breitenkreis ist die zusätzliche Winkel-
geschwindigkeit ωZ parallel zu ωE , sodass kein
Fehler entsteht. Der Fahrtfehler muss rechne-
risch korrigiert werden.
Wendekreisel
Der Wendekreisel dient dazu, Drehungen und
Drehgeschwindigkeiten zu messen. Soll z. B.
die Drehung eines Schiffes um eine vertikale
Achse gemessen werden, dann wird ein Krei-
sel so eingebaut, dass seine Achse horizontal
liegt. Die horizontale Lage wird z. B. durch Fe-
dern erzwungen. Bei einer Drehung des Schiffs
Abb. 2.71 Einstellung des Kreiselkompasses in wird nach dem Satz vom gleichsinnigen Par-
Nordrichtung. allelismus der Kreisel versuchen, seine Achse
100 2 Mechanik
senkrecht zu stellen. Dies wird aber durch die a) Berechnen Sie die Beschleunigung a, mit der sich
Federn verhindert. Der Kreisel nimmt deshalb die angehängten Körper bewegen. b) Bestimmen Sie
eine Schräglage ein, bei der das von der Dre- die Kraft im Faden jeweils über den Körpern 1 und 2.
c) Wie groß ist das Massenträgheitsmoment des Rades
hung verursachte Kreiselmoment vom rück-
bezüglich seiner Drehachse?
treibenden Moment der Federn im Gleichge-
wicht gehalten wird. Der Ausschlag des Krei-
Ü 2.9-4 Für die rotierende Hantel in Abb. 2.64 soll das
sels ist damit porportional zur Drehgeschwin-
Drehmoment auf die Lager berechnet werden. Zeich-
digkeit des Schiffs. Geräte mittlerer Qualität nen Sie die Funktion M(ϑ) auf. Für welchen Winkel
sind in der Lage, Drehgeschwindigkeiten bis wird das Drehmoment maximal?
herab zu 0,01 ◦ /h nachzuweisen. Der Drehwin-
kel wird von integrierenden Wendekreiseln ge- Ü 2.9-5 Wie groß ist bei einem rollenden dünnwan-
digen Zylinder das Verhältnis Translations- zu Rotati-
messen.
onsenergie?
Optische Faserkreisel bzw. Laserkreisel ent-
halten keine rotierenden Teile, sind also im Ü 2.9-6 Ein langer dünner Stab mit der Masse m =
Grunde keine Kreisel. Mit Hilfe des Sagnac- 1,4 kg und der Länge l = 1,8 m ist an einem Ende dreh-
Effekts (G. M. M. Sagnac, 1869 bis 1928) wer- bar gelagert. Er wird aus waagrechter Lage losgelassen.
den Drehungen eines Systems gegenüber ei- a) Wie groß ist die Winkelbeschleunigung α und die
Beschleunigung aS des Schwerpunktes zu Beginn der
nem Inertialsystem nachgewiesen. Laserkrei-
Bewegung? b) Wie groß ist die Auflagerkraft zu Be-
sel erreichen die vorgenannte Genauigkeit bei ginn der Bewegung? c) Mit welcher Winkelgeschwin-
einer Winkelauflösung von 2 Winkelsekunden; digkeit ω geht der Stab durch die vertikale Lage?
sie werden bereits in der Luftfahrt eingesetzt.
Ü 2.9-7 Ein Rad mit dem Radius r = 20 cm und der
Zur Übung Masse m = 20 kg rollt nach Abb. 2.61 eine schiefe
Ü 2.9-1 Lösen Sie das Problem von Beispiel 2.9-2 rech- Ebene mit dem Neigungswinkel β = 15◦ hinab. Aus
nerisch. dem Stand legt es nach t = 2 s den Weg s = 2,9 m zu-
rück. a) Wie groß ist das Massenträgheitsmoment JS
Ü 2.9-2 Eine starre Hantel besteht aus zwei Kugeln mit bezüglich der Drehachse durch den Schwerpunkt?
jeweils der Masse m = 2 kg, die durch einen runden b) Wie groß muss der Haftreibungskoeffizient zwi-
Stab mit dem Durchmesser dS = 10 mm verbunden schen Rad und Unterlage mindestens sein, damit das
sind. Der Abstand der beiden Kugelmittelpunkte be- Rad nicht rutscht?
trägt l = 1 m. Kugeln und Stab bestehen aus Stahl
Ü 2.9-8 Ein rotierendes Rad (Masse m = 2 kg, Mas-
der Dichte ρ = 7,85 kg/dm3 . Wie groß ist das Mas-
senträgheitsmoment JS = 300 kg cm2 , Drehzahl n0 =
senträgheitsmoment JS bezüglich einer Achse, die auf
2 800 min−1 , Radius r = 15 cm) wird auf den hori-
der Stabachse senkrecht steht und durch den Schwer-
zontalen Fußboden aufgesetzt. Infolge Reibung zwi-
punkt geht, wenn die Stabmasse und die Ausdehnung
schen Rad und Unterlage wird das Rad beschleunigt.
der Kugeln a) vernachlässigt, b) nicht vernachlässigt
a) Wie groß ist die Endgeschwindigkeit, die sich ein-
werden?
stellt, nachdem der Rutschvorgang abgeschlossen ist?
b) Wie lange rutscht das Rad, wenn der Reibungsko-
Ü 2.9-3 Zur experimentellen Bestimmung des Mas- effizient zwischen Rad und Unterlage μ = 0,2 beträgt?
senträgheitsmoments eines Rades wird ein Faden über
dieses gelegt, an dem zwei Körper mit den Massen
m1 = 1 kg und m2 = 1,5 kg befestigt sind. Das Rad ist Ü 2.9-9 Ein schwerer Kreisel sei wie in Abb. 2.68 ein-
reibungsfrei gelagert, sein Radius beträgt r = 30 cm. seitig aufgehängt. Die Kreiselachse verlaufe nicht waa-
Man beobachtet, dass die Körper in der Zeit t = 2 s aus gerecht sondern schließe mit der Vertikalen den Win-
dem Stand den Höhenunterschied h = 1 m zurückle- kel ϑ ein. Zeigen Sie, dass die Winkelgeschwindigkeit
gen. der Präzession ωp nicht vom Winkel ϑ abhängt.
2.10 Gravitation 101
Johannes Kepler (1571 bis 1630) leitete aus gestellt; Abb. 2.73 vermittelt einen Eindruck
der Analyse der Braheschen Messdaten des von dieser optomechanischen Spitzentech-
Mars drei empirische Gesetzmäßigkeiten über nik.
die Bewegung der Planeten her. Sie sind in
Abb. 2.72 aufgeführt und erläutert.
Isaac Newton (1643 bis 1727) stellte die
allgemeinen Bewegungsgesetze für mecha-
nische Systeme und das Gravitationsgesetz
(Abschn. 2.10.2) auf. Damit konnte er die
Kepler’schen Gesetze herleiten.
Albert Einstein (1879 bis 1955) entwickelte
1915 die allgemeine Relativitätstheorie, die
die Newton’sche Gravitationstheorie als Nä-
herung enthält. Damit konnten die mit der
Newton’schen Mechanik nicht erklärbare Pe-
riheldrehung der Merkurbahn und die Krüm-
mung von Lichtstrahlen unter dem Einfluss der
Gravitation erklärt werden.
Die aus diesen Beobachtungen und Theorien
bestimmten Bahndaten und Planetenkenn-
größen sind in Tabelle 2.7 zusammengestellt.
Simulationen der Bewegungen am Himmel
vor dem Hintergrund des Fixsternhimmels Abb. 2.73 Planetariumsprojektor Zeiss-Modell
werden in Planetarien mit aufwändigen Universarium VIII mit Faseroptiken. Foto:
dreidimensionalen Projektionstechniken dar- Planetarium Jena
Planet große Umlauf- nume- Radius Masse mittlere Fallbe- Rota- Anzahl
Bahnhalb- zeit T rische Erdradius Erdmasse Dichte ρ schleu- tions- der
achse a in s Exzen- in nigung dauer Monde
in m trizität kg m−3 gÄquator in s
der El- Erdradius Erdmasse in m s−2
lipsen- rE = 6,371 mE = 5,972
bahn ε ·106 m ·1024 kg
Merkur 5,79 · 1010 7,60 · 106 0,206 0,383 0,055 5,4 · 103 3,7 5,07 · 106 0
Venus 1,08 · 1011 1,94 · 107 0,0067 0,950 0,815 5,2 · 103 8,9 2,10 · 107 0
Erde 1,50 · 1011 3,16 · 107 0,017 1,00 1,00 5,5 · 103 9,78 8,62 · 104 1
Mars 2,28 · 1011 5,94 · 107 0,093 0,532 0,107 3,9 · 103 3,7 8,86 · 104 2
Jupiter 7,78 · 1011 3,74 · 108 0,048 10,97 318 1,3 · 103 23 3,57 · 104 > 60
Saturn 1,43 · 1012 9,35 · 108 0,054 9,46 95,2 0,69 · 103 8,7 3,88 · 104 > 60
Uranus 2,87 · 1012 2,64 · 109 0,047 3,98 14,5 1,3 · 103 8,6 6,21 · 104 > 27
Neptun 4,50 · 1012 5,17 · 109 0,0086 3,87 17,1 1,6 · 103 11 5,80 · 104 13
2.10 Gravitation 103
m1 m2
|F G | = G 2
. (2.137)
r12
A und B in die Lagen A und B wird die
Richtung der Gravitationskraft auf die klei-
Die Proportionalitätskonstante G, die Gravita- nen Probemassen m1 umgekehrt, wodurch
tionskonstante, hat den Wert diese ein Drehmoment auf den Torsionsfa-
m3 den ausüben. Die Probemassen m1 drehen
G = (6,67384 ± 0,0008) · 10−11 . sich dadurch um den Drehwinkel Δϕ, bis
kg s2
erneut das rücktreibende Torsionsmoment
Die Gravitationskonstante wird mit der Gra- des Torsionsfadens das Drehmoment der
vitationsdrehwaage nach Abb. 2.75 bestimmt. Gravitationskraft zwischen den Massen m1
Aus Symmetriegründen gilt (2.137) auch für und m2 kompensiert. Durch eine Lichtzeiger-
homogene Kugeln, wenn r der Abstand des anordnung wird der sehr kleine Drehwinkel
Mittelpunktes ist. Durch Verlagerung der Δϕ messbar.
Kugeln mit den Massen m2 von den Lagen Ein Vergleich der Gravitationskraft nach
(2.137) mit der Gewichtskraft nach (2.28)
ergibt, dass die Fallbeschleunigung g auf
der Erdoberfläche durch die Gravitation der
Erdmasse mE und den Erdradius rE bestimmt
wird:
mE
g =G . (2.138)
rE2
Abb. 2.76 Planeten des Sonnensystems: Zusammenhang zwischen der großen Halbachse der Planetenbahn und
der Umlaufzeit
Die Kenngröße, die sich am Ort r(x0 , y0 , z0 ) Die Bahnen künstlicher Satelliten, die um die
der Masse m0 summiert, ist das Gravitations- Erde laufen, werden durch dieselben Kepler’-
potential ϕG der Einzelmassen m1 bis mN : schen Gesetze beschrieben, wie sie von der Pla-
2.10 Gravitation 107
netenbewegung bekannt sind. Satellitenbah- der sich auf einer Kreisbahn direkt an der
nen sind also Ellipsen (Spezialfall: Kreise), wo- Erdoberfläche bewegen soll. Diese Bahn mit
bei die Erde in einem Brennpunkt der Ellipse Radius rE ist natürlich praktisch nicht reali-
steht. sierbar, sondern nur von theoretischem Inter-
Praktisch realisierbare Bahnen haben Höhen esse. Aus der Gleichgewichtsbedingung zwi-
von 200 km bis 106 km und Umlaufdauern von schen Gravitations- und Zentrifugalkraft
88 min bis etwa 4 Monate. Niedrigere Bahnen
mS mE mS 2k1
sind nicht möglich wegen Reibungsverlusten G = folgt
in der Atmosphäre. Höhere Bahnen werden zu rE2 rE
sehr gestört von der Sonne und anderen Pla-
neten. Die mehr als 24 Satelliten des Global Po- GmE √ km
sitioning System (GPS) laufen auf sechs Kreis- k1 = = g rE = 7,91 .
rE s
bahnen, die um 56◦ gegen die Äquatorebene
geneigt sind, in einer Höhe von 20 200 km. Die zweite kosmische Geschwindigkeit k2 ist
Von besonderer Bedeutung für die Datenüber- die Geschwindigkeit, mit der ein Körper abge-
tragung sind geostationäre Satelliten oder Syn- schossen werden muss, um den Anziehungs-
chronsatelliten. Sie sollen über einem definier- bereich der Erde zu verlassen. Sie kann mit-
ten Punkt der Erde still stehen. Man kann hilfe des Energieerhaltungssatzes berechnet
sich leicht klar machen, dass dies nur mög- werden: Ekin, E + Epot, E = Ekin, ∞ + Epot, ∞ .
lich ist für Kreisbahnen in der Äquatorebene. Mit der Definition der potentiellen Energie
In welcher Höhe ein Satellit platziert werden nach (2.141) ergibt sich
muss, damit er sich synchron mit der Erde
1 mS mE
dreht, folgt aus dem dritten Kepler’schen Ge- mS 2k2 − G =0 oder
2 rE
setz. Nach (2.139) gilt für den Abstand rS , den
der Satellit vom Erdmittelpunkt haben muss
GmE √ km
3 GmE TE
2 k2 = 2 = 2 k1 = 11,2 .
rS = . rE s
4π 2
N/mm2 gemessen; es ergeben sich dann hand- Spannungszustand durch die Angabe von drei
liche Maßzahlen. Wird nach Abb. 2.78 die Teil- Normalspannungen σx , σy , σz und drei Schub-
kraft dF in ihre Normalkomponente dFn und spannungen τxy , τxz , τyz vollständig beschrie-
ihre Tangentialkomponente dFt zerlegt, dann ben.
ergeben sich eine Normalspannung σ und eine
Schubspannung τ (Tangentialspannung):
Verformungen
Wirken auf einen Körper äußere Kräfte bzw.
dFn
σ= , (2.146) äußere Momente ein, so erfährt er Verformun-
dA gen. Grundsätzlich sind zwei Verformungs-
dFt
τ= . (2.147) möglichkeiten denkbar, die Dehnung ε und die
dA Schiebung γ . Für die Dehnung gilt allgemein
Dehnung
Im elastischen Bereich ist die Längenände-
rung Δl proportional zur Normalkraft Fn . Mit
der Definition der Dehnung ε als relative Län-
genänderung ε = Δl/ l (2.148) und (2.146) für
die Zug- bzw. Druckspannung σ = dFn / dA
Abb. 2.79 Dreiachsiger Spannungszustand. ergibt sich das Hooke’sche Gesetz (R. Hooke,
σ Normalspannung, τ Schubspannung 1635 bis 1703) für die elastische Verformung:
110 2 Mechanik
ΔV
ΔV
= ε (1 − 2μ) . (2.154) κ
1
=− V = . (2.158)
V Δp K
ΔpV
K =− (2.156)
ΔV τ = Gγ . (2.159)
E dτ
K = . (2.157) G(τ, t) = (2.160)
3(1 − 2μ) dγ
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 113
2.11.2 Plastische Verformung Die Verlustenergiedichte ∗ = W / V = σ dε
der plastischen Verformung entspricht der
Bei der plastischen Verformung wird nur Fläche der Hysteresekurve im Spannungs-
ein Teil der Verformungsenergie wiederge- Dehnungs-Diagramm.
wonnen und der Körper bleibt deformiert. In dem Spannungs-Dehnungs-Diagramm
Abbildung 2.84 zeigt die Hysteresekurve einer lassen sich unter Zugbeanspruchung meh-
elastisch-plastischen Verformung. Ihr Ver- rere Bereiche unterscheiden. In Abb. 2.85
lauf ist analog zur magnetischen Hysterese sind diese anhand des Spannungs-Dehnungs-
B = f (H) (Abschn. 4.4.4.2, Abb. 4.110). Wird Diagramms von Federstahl 55 Si7 erläutert:
der Körper erstmalig elastisch verformt, dann
durchläuft er die Kurve OP. Bei Verringerung – elastischer Bereich (0 bis El): Es gilt das Hoo-
der Spannung wird eine andere Kurve durch- ke’sche Gesetz, d. h., die Verformung geht bei
laufen. Ist der Körper völlig spannungsfrei, Entlastung wieder zurück;
so bleibt eine Restdehnung ε01 übrig, die nur – elastisch-plastischer Bereich (El bis Pl): Nach
durch einen entgegengesetzten Druck aufge- der Entlastung geht die Dehnung nicht mehr
hoben werden kann. Wird der Druck nach vollständig zurück, ein Teil der Verformung
dem Höchstwert Q wieder zurückgenommen, bleibt;
so bleibt der Körper um ε02 gestaucht, sodass
es eines Zugs bedarf, um ihn wieder in die
Ausgangslage zu bringen. Die Arbeit, die
während eines Spannungs-Dehnungs-Zyklus
im Körper bleibt, ist
⎛ Q ⎞
P
W=V ⎝ ⎠
σ dε + σ dε = V σ dε .
P Q
(2.168)
– plastischer Bereich (Pl bis S): Nach der Ent- ist die 0,2%-Dehngrenze Rp0,2 . Eine Parallele
lastung bleibt die Dehnung näherungsweise zur Hooke’schen Geraden (gestrichelte Linie)
erhalten, der Körper ist verformt; schneidet die Spannungs-Dehnungs-Kurve im
– Bruchpunkt B: Bei dieser Spannung bricht Punkt mit der Ordinate Rp0,2 . In Abb. 2.85 ist
das Material. Rp0,2 = 1 080 N/mm2 .
Die Spannung, die zur Höchstzugkraft gehört,
Zur Messung des Spannungs-Dehnungs- ist die Zugfestigkeit Rm . In Abb. 2.85 ist Rm =
Verlaufs für metallische Werkstoffe wird der 1 275 N/mm2 . Die Zugfestigkeit reiner Metalle
Zugversuch nach DIN EN 10 002 durchge- beträgt Rm = 10 bis Rm = 20 N/mm2 (z. B.
führt. Abbildung 2.86 zeigt eine Universal- Blei), diejenige hochfester Stähle Rm = 2 500
Prüfmaschine. bis Rm = 4 500 N/mm2 . Die sehr häufig im
Beim Zugversuch sind zwei unterschiedliche Maschinenbau eingesetzten Bau- und Vergü-
Spannungs-Dehnungs-Verläufe zu unterschei- tungsstähle haben eine Zugfestigkeit zwischen
den, wie Abb. 2.87 zeigt. Entweder erfolgt der Rm = 400 N/mm2 und Rm = 1 200 N/mm2 .
Übergang vom elastischen in den plastischen Bleibt bei zunehmender Dehnung die Zugkraft
Bereich monoton oder nicht monoton. Erfolgt erstmalig gleich oder fällt sie ab, dann ist die
der Übergang stetig (Abb. 2.87a), dann wird Streckgrenze erreicht.
als Dehngrenze Rp diejenige Spannung heran- Beim nicht monotonen Übergang vom elas-
gezogen, die zu einer bestimmten plastischen tischen in den plastischen Bereich wird eine
(bleibenden) Dehnung εr geführt hat. Üblich obere Streckgrenze ReH und eine untere Streck-
grenze ReL unterschieden (Abb. 2.87b).
Aus der Spannungs-Dehnungs-Kurve lässt
sich auch der Elastizitätsmodul E nach (2.151)
ableiten. Er ist die Steigung der Spannungs-
Dehnungs-Kurve im Ursprung. In Abb. 2.85
ist E = 2 · 105 N/mm2 . Eine weitere Werkstoff-
kenngröße ist die Bruchdehnung εB , also die
Dehnung im Bruchpunkt B. In Abb. 2.85 ist
εB = 6%.
Die plastische Verformung hinterlässt keine
Volumenänderung (ΔV = 0). Dies bedeutet,
dass die Querdehnungszahl nach (2.155) μ =
0,5 beträgt. Für diese reinen Gestaltsänderun-
gen sind also nur Schubspannungen verant-
wortlich. Sie bringen ganze Kristallebenen ent-
lang bestimmter Gitterbaufehler (Versetzun-
gen, Abschn. 9.1.3.2) zum Abgleiten, ohne dass
sich das Kristallgitter geändert hat. Die aus
den Zugversuchen errechneten Materialkenn-
werte müssen unter gleichen Versuchsbedin-
gungen (DIN EN 10 002) stattfinden. Hierzu
Abb. 2.86 Prüfmaschine für den Zugversuch nach zählen die Versuchstemperatur (z. B. 18 ◦ C bis
DIN EN 10002. Werkfoto: Zwick/Röll 25◦ C) und die im Zugversuch gefahrene Zug-
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 119
Abb. 2.87 Spannungs-Dehnungs-Verläufe bei Zugversuchen mit a) stetigem Übergang vom elastischen in den
plastischen Bereich und b) unstetigem Übergang
schnittsflächen A1 und A2 . Die Rückschlagven- Gase sind sehr kompressibel. Für ideale Gase
tile ermöglichen wiederholte Pumpstöße auf kann die isotherme Kompressibilität κid. Gas aus
den Presskolben: Durch Öffnen des Absperr- der Zustandsgleichung (Abschn. 3.1.5, (3.20))
ventils kann der Presskolben wieder zurückge- berechnet werden:
fahren werden. Wird der Pumpenkolben durch
eine Kraft F1 reibungsfrei um die Wegstrecke s1 1
verschoben, so drückt das verschobene Volu-
κid. Gas = . (2.175)
p
men den Presskolben mit einer Kraft F2 um die
Wegstrecke s2 nach oben. Wegen der Gleichheit
des Volumens (Inkompressibilität der Flüssig- Sie hängt nur vom Gasdruck und nicht von der
keiten) gilt A1 s1 = A2 s2 . Gasart ab.
Ferner muss die am Pumpenkolben aufge- Die in komprimierten Gasen gespeicherte me-
wandte Arbeit W1 = F1 s1 gleich der am Press- chanische Arbeit lässt sich wegen der leich-
kolben frei werdenden Arbeit W2 = F2 s2 sein. ten Verschiebbarkeit der Gasmoleküle in ei-
Es gilt F1 s1 = F2 s2 . Durch Division erhält man nem Gasvolumen an jeder Stelle entnehmen.
Komprimierte Gase, vor allem Pressluft, wer-
F1 F2
= oder p1 = p2 = p . den in Maschinenanlagen als Energieträger für
A1 A2 Arbeitsprozesse und Steuerungen eingesetzt
Für die Kraft F2 am Presskolben folgt (Pneumatik). Die Expansionsvorgänge, beson-
A2 ders bei pneumatischen Regelungen, erfolgen
F2 = F1 .
dabei im Allgemeinen so schnell, dass die Ar-
A1
Dies bedeutet, dass die Kraft F2 im Presskol- beitsabgabe isentrop erfolgt (Abschn. 3.3.4.4).
ben um das Verhältnis A2 :A1 größer ist als die
Pumpkraft F1 . Für kreisförmige Kolben mit 2.12.1.3 Volumenausdehnungskoeffizient
den Durchmessern d1 und d2 ergibt sich Temperaturänderungen ΔT ändern ebenfalls
das Volumen von Flüssigkeiten und Gasen.
Die relative Volumenänderung ΔV / V0 ist nä-
F1 A1 d21
= = . (2.174) herungsweise proportional zur Temperaturän-
F2 A2 d22 derung:
ΔV
Weitere Hydraulikanwendungen sind Flüssig- = γΔϑ . (2.176)
keitsbremsen, hydraulische Hebebühnen oder V0
Druckwandler. Abbildung 2.93 zeigt das Prin-
zip. Wird die Kraft auf zwei Kolben unter- γ ist der Volumenausdehnungskoeffizient;
schiedlicher Fläche konstant gehalten, so tre- seine Maßeinheit ist K−1 . In der Technik
ten Druckunterschiede auf (p1 < p2 ). wird als Bezugsvolumen das Volumen V0 bei
ϑ0 = 0 ◦ C angesetzt. Beträgt bei ϑ0 = 0 ◦ C die
Dichte ρ0 = m/ V0 , so ändert sie sich infolge
der temperaturbedingten Volumenänderung.
Bezogen auf das Volumen
V = V0 + ΔV = V0 (1 + γΔϑ)
Abb. 2.93 Druckwandlung ist die Dichte
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 127
m ρ0
ρ= = . (2.177)
V 1 + γΔϑ
Is
a= . (2.183)
ys As
Beispiel
2.12-1 Ein b = 2 m breites und h = 3 m hohes seitli-
ches Loch in einer Schleusenwand wird von einer Platte
Abb. 2.95 Seitendruck in einer Flüssigkeit verschlossen, deren Schwerpunkt ys = 10 m unter dem
Wasserspiegel (ρ = 1 · 103 kg/m3 ) liegt. Berechnet wer-
y
Das Integral y12 y dA wird statisches Moment den sollen die Seitendruckkraft Fs und der Abstand a
Ms = ys As genannt. (ys ist die Tiefe vom Flüs- des Schwerpunkts vom Angriffspunkt der resultieren-
den Seitenkraft Fs .
sigkeitsspiegel bis zum Schwerpunkt S.) Somit
gilt für die Seitendruckkraft Lösung
Für die Seitendruckkraft Fs gilt nach (2.181)
dp = −ρg dh ab. Unter der Voraussetzung einer aufgetragen. Werden die errechneten Werte in
konstanten Temperatur (Boyle-Mariotte’sches die barometrische Höhenformel eingesetzt, so
Gesetz, Abschn. 3.1.5, (3.15)) gilt für den Zu- gilt für Luft
sammenhang zwischen Druck und Dichte ρ =
(ρ0 p)/ p0 . Somit gilt
p = 1,01325 · 105 Pa · e−1,256 · 10
−4 m−1 h
.
p h
dp ρg (2.185)
=− 0 dh bzw.
p p0
p0 0
p ρ0 g Die Höhe, bei der der Ausgangspunkt nur noch
ln =− h oder halb so groß ist (p = p0 / 2, Halbwertshöhe),
p0 p0
beträgt h1/ 2 = 5,54 km. Dies bedeutet, dass
der Luftdruck nach h = 5,54 km auf die Hälfte
ρ g
− p0 h abnimmt (Abb. 2.96).
p = p0 e 0 und
ρ0 g Die internationale Höhenformel berücksich-
ρ = ρ0 e− p0 h . (2.184) tigt die Temperaturabnahme mit steigender
Höhe. Sie ist bis zur Tropopause (h = 11 km)
gültig und lautet
Dies ist die barometrische Höhenformel. Sie
zeigt, dass der Schweredruck eines Gases mit
5,255
steigender Höhe h über dem Ausgangsniveau 6,5
p = 1,013 · 105 Pa 1 − h .
exponentiell abfällt, und gilt, wenn in jeder 288 km
Höhe dieselbe Temperatur ϑ herrscht. (2.186)
Für die Normatmosphäre nach DIN 5450
ist für eine Lufttemperatur ϑ = 0 ◦ C,
p0 = 1,01325 · 105 Pa und ρ0 = 1,293 kg/m3 . Mit der Temperaturkorrektur ergibt sich für
Somit beträgt der Exponent in der barometri- den Dichteverlauf in der Erdatmosphäre
schen Höhenformel ρ0 g / p0 = 1,256 · 10−4 m−1 .
Abbildung 2.96 zeigt die Druckabhängigkeit 4,255
kg 6,5
von der Höhe h für Luft. Zum besseren ρ = 1,2255 3 1− h .
m 288 km
Vergleich ist der Druck normiert als p/ p0
(2.187)
geln mit einer Kraft F = p0 πr2 ≈ 1,4 · 104 N mit mverd bzw. FG, verd als der Masse bzw. der
zusammen. Diese Kraft war so groß, dass acht Gewichtskraft des verdrängten Flüssigkeits-
Pferde an jeder Seite die Kugel nicht auseinan- oder Gasvolumens. Die Auftriebskraft FA ist
derziehen konnten. demnach gleich der Gewichtskraft des ver-
drängten Flüssigkeits- bzw. Gasvolumens. Sie
2.12.1.5 Auftrieb hängt nur vom Volumen des eingetauchten
Körpers bzw. von der verdrängten Flüssig-
Wegen des Schweredrucks von Flüssigkeiten
keitsmenge, nicht aber von seinem Gewicht
und Gasen sind alle in Flüssigkeiten und Ga-
ab. Bei gleichem Eintauchvolumen erfährt also
sen eingetauchte Körper leichter als außerhalb
ein Stück Holz dieselbe Auftriebskraft wie ein
dieser Medien (Archimedisches Prinzip) (Ar-
Stück Blei.
chimedes, 287 bis 212 v. Chr.). Diese Erschei-
Je nach dem Gewicht FG des eingetauchten
nung wird Auftrieb genannt. Abbildung 2.97
Körpers sind drei Fälle zu unterscheiden:
zeigt einen in eine Flüssigkeit oder ein Gas
eingetauchten Körper. Da sich die Seitenkräfte
Fs1 und Fs2 gegenseitig aufheben, bleibt wegen FG < FA : Der Körper schwimmt.
der Höhendifferenz h2 − h1 eine Kraftdifferenz FG = FA : Der Körper schwebt.
F2 − F1 auf die Unterfläche bestehen, die gleich FG > FA : Der Körper sinkt.
der Auftriebskraft FA ist. Wenn die Dichte ρfl
der Flüssigkeit oder des Gases konstant ist, be-
Durch die Wirkung ihrer Auftriebskraft kön-
trägt die Auftriebskraft
nen die Dichten von festen Körpern und Flüs-
sigkeiten bestimmt werden. Dabei ist es er-
FA = F2 − F1 = A(p2 − p1 ) forderlich, dass die Gewichtskräfte des festen
= Aρfl g(h2 − h1 ) . Körpers in Luft (FG,L ) und nach dem Eintau-
chen in eine Flüssigkeit (FG,E ) gemessen wer-
Da A(h2 − h1 ) das Volumen des Körpers den, z. B. durch eine hydrostatische Waage. Der
bzw. das durch den eingetauchten Körper Gewichtsunterschied FG,L − FG,E ist gleich der
verdrängte Flüssigkeitsvolumen Vverd ist, gilt Auftriebskraft:
m ρfl
FG,L − FG,E = ρfl g = F . (2.189)
ρK ρK G,L
Abb. 2.99 Kohäsionskräfte in Flüssigkeiten Abb. 2.100 Zur Messung der Oberflächenspannung
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 133
die Flüssigkeit um die Höhe h höher (Ka- Bei nicht vollständiger Benetzung ist die Steig-
pillaraszension oder kapillare Hebung) oder höhe h vom Randwinkel α abhängig, sodass
tiefer steht (Kapillardepression oder kapillare σ = σ12 cos α gesetzt werden muss. Dann ist
Senkung). Diese Erscheinung wird allgemein
Kapillarität genannt. σ12 cos α2πr = πr2 hρg .
Im Folgenden ist die Kapillaraszension (kapil-
lare Hebung) von Interesse. Die von der Ober- Somit gilt für die kapillare Steighöhe
flächenspannung σ herrührende Kraft Fσ und
die Gewichtskraft der angehobenen Flüssig- 2σ12 cos α
keitssäule FG müssen gleich groß sein: Fσ = FG .
hsteig = . (2.196)
ρgr
Mit
Fσ = σl = σ2πr und Diese Formel liefert für nicht benetzende Flüs-
FG = mfl g = V ρg = πr2 hρg sigkeiten (π/ 2 < α π) negative Steighöhen.
Sie zeigt ferner, dass die kapillare Hebung bzw.
ergibt sich
Senkung umso größer ist, je kleiner der Radius
σ2πr = πr2 hρg . der Kapillare ist.
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 135
Die Kapillarwirkung ist für das Aufsteigen von rodynamik die kompressiblen Strömungen un-
Flüssigkeiten in allen porösen Körpern ver- tersucht. Auch Gase sind näherungsweise in-
antwortlich, beispielsweise in Pflanzenfasern, kompressibel, wenn ihre Strömungsgeschwin-
Dochten oder Mauersteinen. digkeit höchstens ein Drittel der Schallge-
schwindigkeit beträgt. Die Strömungsmecha-
Zur Übung
nik kann je nach Berücksichtigung der mole-
Ü 2.12-1 In ein teilweise mit Wasser gefülltes U-Rohr
kularen Reibung in die Strömung idealer Flüs-
mit der Querschnittsfläche A = 1 cm2 werden in einen
Schenkel 4,8 g einer zweiten, wasserunlöslichen Flüs- sigkeiten und Gase und in die Strömung realer
sigkeit eingefüllt. Der Spiegel dieser Flüssigkeit liegt Flüssigkeiten und Gase eingeteilt werden.
um den Abstand a = 1,2 cm über dem Wasserspiegel
des anderen Schenkels. Wie groß ist die Dichte ρ der
2.12.2.1 Strömungsfeld
Flüssigkeit?
Die strömenden Masseteilchen weisen eine
räumliche Geschwindigkeitsverteilung auf; es
Ü2.12-2 Eine Schiffsladung wird im Hafen gelöscht. Es
passiert ein Unfall, bei dem die entladenen Güter ins liegt ein Strömungsfeld vor (zum Feldbegriff
Wasser fallen, das Schiff durch einen umstürzenden s. Abschn. 4.3.1). Das Strömungsfeld ist ein
Kran leck geschlagen wird und sinkt. Hebt oder senkt Vektorfeld: Es beschreibt die Geschwindig-
sich der Wasserspiegel, a) wenn die Güter in das Wasser keitsvektoren der transportierten Masseteil-
fallen, b) wenn das Schiff untergeht? chen an jedem Ort für jeden Augenblick. Es
kann ortsabhängig (inhomogen) oder ortsun-
Ü 2.12-3 Die Wassermenge eines Teiches kann durch abhängig (homogen) und zeitabhängig (insta-
einen Schieber abgelassen werden. Dieser hat eine tionär) oder zeitunabhängig (stationär) sein.
Masse m = 120 kg, er ist h = 1,5 m hoch und b = 2 m
Abbildung 2.102 zeigt die divergierenden Feld-
breit. Mit welcher Öffnungskraft muss der Schieber
zunächst betätigt werden, wenn das Wasser bis zum linien des Strömungsfeldes (Stromlinien) eines
oberen Schieberrand steht (Reibungszahl zwischen Diffusors. Die Tangenten an die Stromlinien
Führungsschiene und Schieber μ = 0,45)? Wie groß des Strömungsfeldes beschreiben in jedem
ist diese, nachdem der Schieber 60 cm hochgezogen Raumpunkt die Richtung der Strömungsge-
wurde? schwindigkeit. Von den Stromlinien zu unter-
scheiden sind die Bahnlinien einer Strömung,
Ü 2.12-4 Ein Wassertropfen mit dem Radius rW =
0,1 cm wird in Tröpfchen mit dem Radius rT = 10−5 cm
zerstäubt. Auf das Wievielfache erhöht sich die Ober-
flächenenergie?
welche die tatsächliche Bewegung der Mas- gleichung, nämlich div E = 0, welche die Mas-
seteilchen während der Strömung beschrei- senerhaltung, die Wärmeerhaltung oder die
ben. Die Bahnlinien können durch Farbstoffe, Ladungserhaltung beschreibt. Die Verknüp-
Rauch- oder Schwebeteilchen (z. B. Bärlapp- fung der Kontinuitätsgleichung mit der Feld-
samen) sichtbar gemacht werden. Im instatio- definitionsgleichung führt in allen Fällen von
nären Zustand ändert sich das Stromlinien- Abb. 2.103 zu einer gleichartigen Differenti-
bild von Augenblick zu Augenblick: Bis das algleichung für die Potentialfunktion ϕ, die
Masseteilchen auf seiner Bahn einen Ort er- den räumlichen Verlauf des Geschwindigkeits-
reicht, hat sich die Geschwindigkeit an diesem potentials, der Temperatur oder des elektri-
Ort gegenüber dem vorhergehenden Augen- schen Potentials beschreibt. Für das jeweilige
blick schon geändert. Nur in stationären Strö- Transportproblem ist also diese Differential-
mungsfeldern fallen Bahnlinien und Stromli- gleichung für die Potentialfunktion, die soge-
nien zusammen. nannte Laplace-Gleichung (P. Laplace, 1749
Abbildung 2.102 zeigt die Stromlinien in ei- bis 1827), unter den geometrischen Randbe-
nem geschlossenen Raumgebiet (Stromröhre). dingungen des Transportproblems zu lösen:
Je größer die Anzahl der Stromlinien ist, die
eine senkrechte Fläche durchströmen, desto ∂2 ϕ ∂2 ϕ ∂2 ϕ
höher ist die Stromdichte durch diese Fläche. Δϕ = + + =0. (2.197)
∂x2 ∂y2 ∂z2
In Abb. 2.102 ist die Stromdichte durch die
Fläche A1 höher als durch die Fläche A2 . Strö-
men aus einer Stromröhre mehr Teilchen her- Die Mathematik hat dafür in der Potentialtheo-
aus, als hineinfließen, dann befindet sich in rie eine Vielzahl an Lösungswegen und Lösun-
der Stromröhre eine Quelle, im umgekehrten gen entwickelt. Experimentell kann die räum-
Falle eine Senke. Fließen gleich viele Teilchen liche Potentialverteilung dreidimensional im
aus der Stromröhre heraus wie hineinfließen, elektrolytischen Trog gemäß Abb. (2.104) oder
so ist die Stromröhre quellen- und senkenfrei. zweidimensional auf Leitfähigkeitspapier be-
Die Darstellung der Ursache des Massentrans- stimmt werden. Dazu werden die Geometrien
ports durch eine Feldgröße, welche die Wech- der Transportwege als Elektroden in einem
selwirkung des Masseteilchens mit der Um- Elektrolyten (z. B. Wasser) bzw. auf Spezial-
gebung beschreibt, ist ein allgemeines Kon- papier aufgezeichnet, durch das Anlegen einer
zept der Physik. Wie aus Abb. 2.103 hervor- elektrischen Spannung an die Elektroden die
geht, unterscheidet sich die Beschreibung des Randbedingungen festgelegt und der Verlauf
Massentransports als Folge des Gefälles (Gra- der elektrischen Spannung und damit das Po-
dienten) des Strömungspotentials mathema- tentialfeld gemessen.
tisch nicht von derjenigen des Wärmetrans- Abbildung 2.105 zeigt die Stromlinien eines
ports bei einem Temperaturgradienten oder Strömungsfeldes bei einer plötzlichen Quer-
des Ladungstransports bei einem elektrischen schnittsveränderung, wie man sie mittels eines
Potentialgradienten. Ist die jeweilige Trans- automatischen Äquipotentiallinienschreibers
portgröße (Masse, Wärmemenge, Ladung) in (Abb. 4.54, Abschn. 4.3.4) aufzeichnen kann.
einem abgegrenzten Raumteil konstant, exis- Werden die Randbedingungen der Temperatur
tieren in diesem Feldbereich also keine Quel- bzw. des Drucks durch proportionale elektri-
len oder Senken der Transportgröße, so gilt sche Spannungen nachgebildet, so können im
für die jeweilige Feldstärke E die Kontinuitäts- elektrolytischen Trog auch Probleme des Mas-
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 137
Abb. 2.103 Vergleich der Felder in der Hydrodynamik mit den Feldern in der Wärmelehre und in der Elektrizitätslehre
138 2 Mechanik
Kontinuitätsgleichung (Durchflussgleichung)
Für den Vektor der Massenstromdichte gilt
nach Abb. 2.103
j = ρ . (2.198)
2.12.2.2 Grundgleichungen
idealer (reibungsfreier) Strömungen
Ideale Gase sind Gase, deren Kohäsion ver-
nachlässigbar klein ist, und ideale Flüssig- Abb. 2.106 Zur Kontinuitätsgleichung
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 139
dm
ṁ = = j dA = ρ dA . (2.200)
dt Abb. 2.107 Konstanz des Volumenstroms in einer
0 0 Stromröhre (stationäre Strömung)
ṁ 1 2 1
V̇ = = A = konstant (2.202) p1 + ρ + ρgh1 = p2 + ρ22 + ρgh2
ρ 2 1 2
(2.203)
Diese Gleichung wird nach ihrem Entdecker sche Druck geringer ist als in Punkt 1 . Zudem
Bernoulli-Gleichung genannt (D. Bernoulli, ist die Lage des Punktes 2 tiefer, sodass auch
1700 bis 1782). Sie besagt, dass an jedem Ort der geodätische Druck abnimmt. Da aber die
für eine Stromlinie die Summe aus statischem, Summe aller Drücke konstant sein muss, hat
geodätischem und dynamischem Druck (Stau- dies zur Folge, dass der statische Druck p2
druck) konstant ist. stark zunehmen muss.
Analog zur Energieerhaltung ist in Abb. 2.108b Während der geodätische Druck ρgh und
an der Seite die Druckerhaltung nach der Betriebsdruck p bereits aus der Mecha-
der Bernoulli-Gleichung aufgezeigt. Aus nik der ruhenden Flüssigkeiten und Gase
Abb. 2.108a ist erkennbar, dass an Punkt 2 bekannt sind (hydrostatischer Druck, (2.180)
wegen der größeren Fläche A2 die Durch- in Abschn. 2.12.1.4), tritt der dynamische
strömgeschwindigkeit 2 kleiner und damit Druck (Staudruck) nur in strömenden Medien
auch die kinetische Energie bzw. der dynami- auf.
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 141
2 = αε
V̇ = A2 2
WK
= αεA2
2(p1 − p2 )
ε=
ΔV ,
ρ2 A22 2 2
.
1 − 1 (2.207)
ρ2 2 ρ2 1− α ε
2 2 ρ1 A21
WR (2.210)
α=
ΔV .
1 − 1 (2.208)
ρ2 2 Das Korrekturfaktorprodukt αε ist abhängig
2 2
von der Drosselgerätebauweise und von der
Stärke des Volumenstroms. Es muss auf einer
Werden (2.207) und (2.208) in (2.206) einge- Eichstrecke bestimmt werden; für Normdros-
setzt und die quadratischen Glieder der Ver- selgeräte ist αε in DIN EN ISO 5167 tabelliert.
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 143
Das Venturi-Rohr wird häufig zur Bestimmung Nach (2.201) erhält man den Massenstrom aus
der Strömungsgeschwindigkeit in Flüssigkei- ṁ = ρA oder
ten eingesetzt. Bei ihm ist in weiten Volumen-
strombereichen αε = 1; allerdings ist beim
Venturi-Rohr, besonders bei der Messung von ṁ = ρA 2gh . (2.212)
Gasströmen, der Wirkdruck p1 − p2 im Ver-
gleich zu den anderen Drosselgeräten klein.
In der Praxis sind weit geringere Werte für die
Blenden in Gasströmungen liefern einen ho-
Ausflussgeschwindigkeit 2 oder den Massen-
hen, leicht messbaren Wirkdruck. Bei Blenden
strom ṁ festzustellen. Dies ist auf zwei Ein-
ist αε < 1 und stark strömungsabhängig.
flüsse zurückzuführen:
dV
Fa = ρ . (2.217)
dt
Fa äußere Kräfte, die an den Gren-
Abb. 2.116 Magnus-Effekt zen des Strömungsraums von au-
146 2 Mechanik
– Abgrenzen des Systems (Strömungsraums) Abb. 2.117 Zum Impulssatz in der Hydrodynamik:
und Festlegen des Ein- und Austritts des Wasserstrahl aus einer Düse a) auf eine feststehende
Strömungsraums; Platte, b) auf eine mit der Geschwindigkeit u bewegte
– Ermitteln der Querschnitte, der Strömungs- Platte
geschwindigkeiten und Drücke am Ein- und
Austritt; Beispiel
– Bestimmen der äußeren Kräfte und der Im- 2.12-4 Ein Rohrkrümmer von 90◦ hat einen Durch-
pulskräfte sowie messer (Nennweite) d = 10 cm. Bei einem äußeren
Druck p = 5 · 105 Pa fließen V̇ = 0,2 m3 /s Wasser hin-
– Ermitteln der resultierenden Kraft (grafisch
durch. Der Krümmer ist am Eintritt und am Austritt an
und analytisch). ein gerades Rohrstück angeflanscht. Berechnet werden
sollen die resultierende Kraft F res auf den Krümmer
Der Impulssatz spielt bei Wasserkraftmaschi-
und die Kraft F Schr auf die Flanschschrauben entspre-
nen wegen der Strahlablenkung eine wichtige chend Abb. 2.118.
Rolle. Ein Strahl, der aus einer Düse austritt,
wird an einer Wand so umgelenkt, dass er Lösung
parallel zur Wand abströmt. Wird der Strahl Die Geschwindigkeiten am Ein- und Austritt sind 1 =
2 = .
wie in Abb. 2.117 senkrecht auf eine Platte
Kräfte am Eintritt
1 (in Strömungsrichtung):
gerichtet, so gilt für die Kraft in x-Richtung πd2
Fx = ρ dV / dt und wegen dV / dt = A Druckkraft Fp1 = p1 A = p1 ,
4
dV πd2
Impulskraft FI1 = ρ = ρ A2 = ρ 2 .
dt 4
Fx = ρ 2 A . (2.218) Kräfte am Austritt 2 (gegen die Strömungsrichtung):
πd2
Druckkraft Fp2 = p2 A = p2 ,
4
Bewegt sich die Wand mit der Geschwindigkeit πd 2
Impulskraft FI2 = ρ 2 .
u in Strahlrichtung, dann nimmt die Kraft ab 4
Nach dem Kräftedreieck in Abb. 2.118b ist
(Abb. 2.117b):
α Fres 1
sin = .
2 2 πd2 πd2
ρ2 + p1
Fx = ρA( − u)2 . (2.219) 4 4
Daraus folgt
dL = dm r u
πd2
F Schr = F p1 + F I1 = (p1 + ρ2 ) = 9,0 kN .
4
Strömungs-Drehimpuls
Ein Masseteilchen dm, das sich gemäß
Abb. 2.119 im Abstand r von einem Bezugs-
punkt D mit der Geschwindigkeit bewegt,
besitzt bezüglich D den Drehimpuls
die Strömung von der Geschwindigkeit 1 auf Komponente, die am Umfang angreift (cu ),
die Geschwindigkeit 2 beschleunigt. Das auf zerlegen. Daraus ergibt sich nach (2.222) das
die Leitschaufeln ausgeübte Drehmoment M Drehmoment für eine Turbine:
ist die Differenz aus Austrittsmoment M2 und
Eintrittsmoment M1 . Es ergibt sich aus der Än- dV
derung des Drehimpulses L. M =ρ (cu1 r1 − cu2 r2 ) . (2.223)
dt
Maßgebend sind die Komponenten der Ge-
schwindigkeiten in Umfangsrichtung u2
bzw. u1 . Nach (2.221) ist Bei Pumpen werden die Indizes im Klammer-
ausdruck vertauscht. Die Leistung des Laufra-
dV des kann aus P = Mω ermittelt oder aus der
M =ρ (u2 r2 − u1 r1 ) . (2.222) Fallhöhe HF der Turbine und dem Volumen-
dt
strom dV / dt errechnet werden:
bei einem durch eine Scherkraft verschobenen diums wird als kinematische Zähigkeit ν be-
Papierstoß beobachtet werden, wobei die ein- zeichnet:
zelnen Papierbögen die Flüssigkeitsschichten
sind. Die Reibungskraft FR , die notwendig ist, η
ν = ; (2.230)
um eine Platte der Fläche A mit der konstanten ρ
Geschwindigkeit parallel zur ruhenden Wand
zu verschieben, ist proportional zur Fläche A
und zum Geschwindigkeitsgefälle d/ dx: ihre Einheit ist m2 /s . Die dynamische Viskosi-
tät η ist ein Materialwert, der stark temperatur-
und druckabhängig ist. Die Temperaturabhän-
d gigkeit kann näherungsweise mit
FR = ηA x. (2.227)
d
η = A eT
b
(2.231)
Mit FR / A als der Schubspannung τ gilt auch
Laminare Rohrströmung
mit der Einheit m2 /(N s). Das Verhältnis der Bei einer laminaren Strömung durch ein Rohr
dynamischen Viskosität η zur Dichte ρ des Me- haftet die Flüssigkeit am Rand und bewegt
152 2 Mechanik
sich in der Mitte am schnellsten. Die Strö- Mit der Randbedingung, dass bei r = R die
mung kann zusammengesetzt gedacht werden Strömungsgeschwindigkeit = 0 ist, erhält
aus dünnen Hohlzylindern, die reibungsbehaf- man die Integrationskonstante C = R2 und es
tet aneinander vorbeigleiten. Abbildung 2.123 gilt
zeigt die Geschwindigkeitsverteilung in einer
4ηl
Rohrströmung. Ein Flüssigkeitszylinder mit r2 =− + R2 .
(p1 − p2 )
dem Radius r gleitet am angrenzenden Hohl-
zylinder (rot) ab. An der Grenzfläche ist die Wird diese Gleichung nach der Strömungsge-
Druckkraft Fp gleich der Reibungskraft FR : schwindigkeit aufgelöst, so ergibt sich das
Fp = FR . Aus Hagen-Poiseuille’sche Gesetz (G. Hagen, 1797
bis 1884; J. L. M. Poiseuille, 1799 bis 1869):
d
(p1 − p2 )πr2 = −ηA bzw.
dr
p1 − p2 2
(p1 − p2 )πr2 = −η 2π r l
d (r) = (R − r2 ) . (2.232)
dr 4ηl
oder
ρπR4 (p1 − p2 )
ṁ = . (2.233)
8ηl
πR4 (p1 − p2 )
V̇ = . (2.234)
8ηl
FR = 8π ηlm . (2.236)
Beispiel
2.12-6 In einem Warmwasserrohr verringert sich in-
folge von Kalkablagerungen der Rohrdurchmesser um
20%. Berechnet werden soll die prozentuale Änderung
des Massenstroms ṁ.
Lösung
Nach (2.233) verhält sich
ṁKalk R4 0,84
= Kalk
4
= 4 = 0,41 .
ṁ0 R0 1
ist die bei der Strömung wirkende Reibungs- verminderten statischen Druck zur Folge.
kraft. Nach einer bestimmten „Lauflänge“ Dadurch entsteht eine Druckdifferenz vor
entlang der Platte wird die Grenzschicht der und hinter der Platte. Die dieser Druckdif-
Strömung turbulent. Der Umschlag in Tur- ferenz entsprechende Kraft ist die Druck-
bulenz hängt von der Form der Plattenvor- widerstandskraft. Sie tritt auch bei Um-
derkante, aber auch von der Rauigkeit der lenkungen und Querschnittsveränderungen
Oberfläche ab. auf. Sie ist proportional zum Staudruck und
– Druckwiderstandskraft FD (z. B. quer ange- zur angeströmten Stirnfläche A, d. h. dem in
strömte Platte, Abb. 2.126b). Beispielsweise Strömungsrichtung wirkenden Profil:
bilden sich auf der Rückseite einer quer an-
geströmten Platte Wirbel, in denen sich die ρ
Flüssigkeitsteilchen sehr schnell bewegen. FD = cD 2 A . (2.243)
2
Nach der Bernoulli-Gleichung hat dies einen
Abb. 2.127 PKW (Audi A6) mit dem Widerstandsbeiwert cW = 0,30 im Windkanal. Werkfoto: Audi
cD ist der Druckwiderstandsbeiwert. Für den fall entlang des Körpers so langsam stattfin-
gesamten Widerstand (Abb. 2.126c) ergibt sich det, dass keine Wirbel auftreten können. In der
die Widerstandskraft aus Praxis würden bei Fahrzeugen dadurch aller-
dings sehr lange Heckteile notwendig werden.
ρ Um sie zu verkürzen und trotzdem günstige
FW = FR + FD = cw A2 . (2.244) cW -Werte zu erreichen, wird das Strömungs-
2
profil nur schwach verjüngt und dann plötzlich
senkrecht mit einer Abrisskante begrenzt. Die
Sie nimmt quadratisch mit der Strömungsge- störende Reibungswirkung von Wirbeln kann
schwindigkeit zu. auch dadurch gemildert werden, dass die Wir-
Der Proportionalitätsfaktor cW in (2.244) ist di- bel durch Schlitze an der Oberfläche abgesaugt
mensionslos und wird Widerstandsbeiwert ge- werden. Die Leistung, die gegen eine turbu-
nannt. Man misst ihn experimentell im Wind- lente Strömung aufgebracht werden muss, er-
kanal, und er ist nur bei Vernachlässigung rechnet sich wegen P = F zu
der Reibungswiderstandskraft konstant, d. h.
bei hohen Anströmgeschwindigkeiten. Abbil- ρ
P = cW A3 . (2.245)
dung 2.127 zeigt einen Pkw im Strömungska- 2
nal. In Abb. 2.128 sind einige Widerstands-
beiwerte cW für unterschiedliche Anström- Die Strömungsleistung nimmt also mit der
geometrien zusammengestellt. Ein Körper in dritten Potenz der Anströmgeschwindigkeit
Stromlinienform mit cW = 0,055 zeigt den ge- zu. (Bei der Verdopplung der Anström-
ringsten Widerstandsbeiwert. Diese Geome- geschwindigkeit z. B. verachtfacht sich die
trie hat die Besonderheit, dass der Druckab- Strömungsleistung.)
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 157
FR = 2ηA
Dl
m ≈ 2ADl ρ
Δp = m ≈ 2ADl ρ .
2 2
Abb. 2.128 Widerstandsbeiwerte unterschiedlicher Nach dem Newton’schen Grundgesetz (2.24)
Körper gilt
Δp 2ADl ρ/ 2
FR = = 2ηA ≈ .
Bei der Umströmung von Körpern bildet sich Δt Dl l/
eine Grenzschicht D aus, innerhalb der die
Für die Grenzschichtdicke Dl ergibt sich dar-
Strömungsgeschwindigkeit von = 0 auf den
aus:
vollen Wert ansteigt. Wie Abb. 2.129 am Bei-
spiel eines umströmten Profils zeigt, bildet sich
zunächst eine laminare Grenzschicht aus. In ηl νl
Dl ≈ 2 = 2 . (2.246)
diesem Bereich werden die Teilchen beschleu- ρ
nigt. Bei der weiteren Strömung entlang der
Platte nimmt der Strömungsdruck zu, sodass
wegen der jetzt beginnenden Verzögerung der Für die turbulente Strömung sind die Vorgänge
strömenden Teilchen eine Wirbelbildung ein- wegen der Wirbelbildung komplizierter. Glei-
setzt. Es entsteht auf einer laminaren Grenz- chungen zur Berechnung der Dicke der Grenz-
schicht eine turbulente Strömung. schicht einer laminaren Strömung D1 und der
Der Begriff Grenzschicht wurde von einer turbulenten Strömung Dt sind für eine
L. Prandtl (1875 bis 1957) in die Strömungs- ebene Platte in Abb. 2.129 aufgeführt.
158 2 Mechanik
Abb. 2.129 Laminare und turbulente Grenzschichtbildung bei der Umströmung von Körpern
ηA LA ρB B LA
= . (2.247)
ρA A ηB LB LB
Lρ L
Re = = (2.248)
η ν
Tabelle 2.10 Kritische Reynoldszahl Rekrit sowie Diagramm dargestellt. Es ist doppeltlogarith-
Rohrreibungszahl λ bzw. Widerstandsbeiwert cW (bei misch ausgeführt und zeigt vier Bereiche:
Re << Rekrit ) für verschiedene Strömungsgeometrien
– Laminarer Bereich (schräg abwärts geneigte
Rekrit λ; cW Gerade für λ = 64/ Re; Re < 2 320);
– turbulenter Bereich (Re > 2 320) und zwar
64
kreisrundes Rohr 2 320 λ= für
Re
24 • hydraulisch glatte Rohre (k = 0; Kurve a;
Kugel 1,7 · 105 bis cW = λ = f(Re)) und für
Re
4 · 105 • hydraulisch raue Rohre (Bereich II;
1,328 λ = f (k/ D)) sowie das
Platte 3,2 · 105 bis 106 cW = √
Re • Übergangsgebiet (Bereich I;
(längs angeströmt)
λ = f (Re, k/ D)).
Der in der Praxis wichtige Bereich ist in
die künstlich erzeugte Sandrauigkeiten ver- Abb. 2.132 hervorgehoben. Tabelle 2.11 zeigt
ursachen. In Abb. 2.132 ist für Rohre das den Zusammenhang zwischen der Rohrrei-
Rohrreibungszahl-(λ), -Reynoldszahl-(Re)- bungszahl λ bzw. dem Widerstandsbeiwert cW
0,309
cW ≈
(lg(Re/ 7)2 )
Platten Voraussetzung: cW aus empirischen Tabellenwerken
1,328 0,0745 k
cW = √ (2.254) cW = √5
(2.255) Re 100
Re Re l
0,418
cW = 2,53 (2.256)
l
2 + lg
k
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 161
162 2 Mechanik
a1 a2
und der Reynoldszahl Re für Rohre und = oder
Platten in diesen vier Strömungsgebieten. g g
Beispiel
2.12-7 Das Modell eines Pkw wird im Maßstab 1:10 [1 ]2 [2 ]2 []2
im Windkanal erprobt. Berechnet werden soll die An-
= = . (2.257)
[L1 ][g] [L2 ][g] [L][g]
blasgeschwindigkeit 2 , wenn die Strömungsverhält-
nisse des Fahrzeugs bei einer Fahrtgeschwindigkeit
1 = 120 km/h untersucht werden sollen (gleiche ki- Die Froudezahl ist die Wurzel aus diesem Aus-
nematische Zähigkeit 1 = 2 ). druck:
Lösung
Da die Reynoldszahlen vom Original (1) und Modell Fr = √ . (2.258)
(2) übereinstimmen müssen, gilt Re1 = Re2 . Aus
Lg
v1 L1 L
= 2 2 Bei Strömungsuntersuchungen für Schiffsmo-
1 ν2
delle im Schleppkanal müssten idealerweise
erhält man
der Widerstand durch die Oberflächenwel-
L1 10
2 = 1 = 120 · km/h = 333,3 m/s . len (Froudezahl Fr) und der Reibungswider-
L2 1
stand im Wasser (Reynoldszahl Re) gleich sein.
Dieser Wert liegt kurz unterhalb der Schallgeschwin- Wie (2.248) und (2.258) zeigen, liegen aller-
digkeit für Luft (c = 344 m/s bei ϑ = 20 ◦ C). Es ist
dings völlig unterschiedliche Abhängigkeiten
deshalb empfehlenswert, den Modellmaßstab zu ver-
größern (z. B. auf 1:8). von der umströmten
√ Länge vor; es ist Re ∼ L
und Fr ∼ 1/ L. In der Praxis wird bei Schif-
fen vor allem auf Gleichheit der Froudezahl ge-
Froudezahl Fr achtet, weil der Einfluss der Oberflächenwellen
Die Froudezahl Fr (Froude, 1810 bis 1879) ist größer ist als derjenige der Reibungskraft.
ebenfalls eine dimensionslose Kennzahl und
beschreibt ähnliche Strömungen, bei denen Beispiel
vor allem die Schwerkraft FG von Bedeutung 2.12-8 Das Modell eines Schiffes im Maßstab 1:15 wird
ist. Dies ist beispielsweise bei der hydrau- im Schleppkanal untersucht. Berechnet werden soll die
Geschwindigkeit im Schleppkanal 2 für eine Fahrtge-
lischen bzw. pneumatischen Förderung von
schwindigkeit des Schiffes von 1 = 20 km/h a) bei
Staub, Sand oder Körnern der Fall, spielt gleicher Reynoldszahl Re1 = Re2 und b) bei gleicher
aber auch bei der Widerstandsermittlung Froudezahl Fr1 = Fr2 .
von Oberflächenwellen für Schiffskörper
eine Rolle. Die hydrodynamische Ähnlichkeit Lösung
(Abb. 2.130) fordert hier die Proportionalität a) Gemäß Beispiel 2.12-7 errechnet man für gleiche
von Schwerkraft FG = m g und Trägheits- Reynoldszahlen
kraft Ft = −m a:
L1 15
m1 g m1 a1 2 = 1 = 20 · km/h = 83,3 m/s .
= . L2 1
m2 g m2 a2
b) Für gleiche Froudezahlen ist
Bei einer Dimensionsbetrachtung kann
1
für die Dimension der Beschleunigung [a] √ =√2 .
L1 g L2 g
= []2 / [L] gesetzt werden. Dann gilt nach
Kürzen der Massen Daraus folgt
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 163
L1 1 Die Analyse der Laplace-Gleichung (2.197) für
2 = 1 = 20 km/h = 1,4 m/s .
L2 15 den räumlichen Verlauf der Geschwindigkeits-
funktion der Strömung um das Hindernis er-
Die beiden Geschwindigkeiten unterscheiden sich also
gibt, dass in wirbelfreien Strömungsfeldern
um den Faktor 60.
keine Auftriebskräfte entstehen. Erst der An-
fahrwirbel, der sich wegen der Grenzschicht-
Spezielle Probleme der Strömungsmechanik reibung an der hinteren Tragflügelkante ablöst,
führt zu Druckkräften auf den angeströmten
Auftrieb an umströmten Körpern Körper. Dieser Anfahrwirbel verursacht um
Treten bei der Umströmung von Körpern an den Tragflügel eine Zirkulation
der Oberseite höhere Strömungsgeschwindig-
keiten als an der Unterseite auf, so hat dies
nach der Bernoulli-Gleichung zur Folge, dass Γ= ds = rot dA (2.261)
an der Oberseite ein Unterdruckgebiet und an
der Unterseite ein Überdruckgebiet entsteht,
wie Abb. 2.133a zeigt. Aus diesem Grund wird gemäß Abb. 2.133b, deren Drehimpuls den
eine dynamische Auftriebskraft FA wirksam, Drehimpuls des Anfahrwirbels kompensiert.
die analog zur Druckkraft FD (2.243) Nach der Theorie von Kutta (1867 bis 1944)
und Joukowsky (1847 bis 1921) erzeugt die
ρ
FA = cA 2 A (2.259) Zirkulation auf einen Tragflügel der Spann-
2 weite s die Auftriebskraft
M = r(FA cos α + FW sin α) oder Für einen Tragflügel soll die Auftriebskraft FA
möglichst groß und die Widerstandskraft FW
ρ möglichst gering werden. Ein Maß dafür ist die
M = 2 Ar(cA cos α + cW sin α) . Gleitzahl
2
(2.263)
FW cW
ε= = . (2.265)
Mit cM l = r(cA cos α + cW sin α) resultiert FA cA
ρ
M = cM 2 A l . (2.264) Die Werte für den Widerstandsbeiwert cW
2 und den Auftriebsbeiwert cA sind vom An-
stellwinkel α (Abb. 2.133a) abhängig. Diese
cM wird Momentenbeiwert genannt. Durch die Zusammenhänge werden empirisch im Wind-
Messung des Drehmomentes M im Windkanal kanal ermittelt und in ein Polardiagramm ein-
kann der Momentenbeiwert cM und damit die gezeichnet. Abbildung 2.134 zeigt das Polar-
Lage des Druckpunktes eines Tragflügelprofils diagramm der Auftriebs- und Widerstands-
bestimmt werden. beiwerte eines Hubschrauberrotorblatts.
Abb. 2.134 Auftriebs- und Widerstandsbeiwerte für das Rotorblatt eines Hubschraubers. Werkbild: MBB
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 165
Tabelle 2.12 Unterschall- und Überschallströmung bei selpumpen und die Strahlpumpen von Bedeu-
Querschnittsänderung ( Strömungsgeschwindigkeit, tung. Die folgenden Beispiele beziehen sich auf
c Schallgeschwindigkeit) die in der Praxis häufig eingesetzte Kreisel-
pumpe und auf die Begriffe, Zeichen und Ein-
Quer- Quer- Quer-
schnitts- schnittser- schnitts-
heiten nach DIN EN 24 260, die im Pumpenbau
verengung weiterung mini- üblich sind.
mum Die Funktion HA = f (Q) wird Anlagekennli-
dA < 0 dA > 0 dA = 0 nie (Rohrleitungskennlinie) genannt. Sie hat
den schematischen Verlauf gemäß Abb. 2.136.
Unterschall entweder
Bei der Pumpenkennlinie H = f (Q) dage-
Ma < 1 d > 0 d < 0 d = 0
oder gen nimmt bei Strömungspumpen mit zuneh-
Überschall =c mendem Förderstrom Q die Förderhöhe H ab
Ma > 1 d < 0 d > 0 (Abb. 2.136).
Abbildung 2.137 zeigt das Schema einer Pump-
station. Die Bernoulli-Gleichung (2.204) für
diese Anlage lautet unter der Berücksichtigung
sich bei Querschnittsverengung die Geschwin-
der Reibungsverluste durch die Verlusthöhe hV
digkeit, während sie sich im Überschallbereich
für den Eintritt e bzw. den Austritt a
vermindert. In Höhen oberhalb h = 180 km
ist die Atmosphäre allerdings so dünn, dass
keine Schallausbreitung mehr stattfinden Pe 2
he + HA + + e
kann. Die Machzahl ist dann bedeutungslos. ρg 2g
– Wichtig ist ebenfalls das unterschiedliche Pa 2
= ha + h + + a .
Verhalten bei einer Querschnittserweiterung. ρg 2g
Bei einer Lavaldüse ist dies beispielsweise der
Fall. Deshalb ist am Einlauf < c, sodass am Die Geschwindigkeiten e und a sind in den
engsten Querschnitt = c wird. Bei einem Dif- Punkten e und a zu messen. Daraus errechnet
fusor hingegen wird > c, wenn p genügend sich die Förderhöhe HA zu
abgesenkt wird.
pa − pe
2.12.2.4 Anwendungen HA = (ha − he ) +
ρg
! "# $
Pumpen statischer Anteil
= 68,19 m .
ρgQH
b) Der Leistungsbedarf ist P = = 42,8 kW.
η
Wasserturbinen
Wasserturbinen sind Wasserkraftmaschinen,
in denen hydraulische Energie (Lageener-
gie und Strömungsenergie) in mechanische
Arbeit umgewandelt wird. Je nach Anteil
Abb. 2.137 Schema einer Pumpstation der Lageenergie (bestimmt durch die Fall-
höhe H) im Verhältnis zur Strömungsenergie
unterscheidet man drei Ausführungen, die
pa − pe
HA = (ha − he ) + nach ihren Konstrukteuren Pelton-Turbinen
ρg
2 2 (L. A. Pelton, 1829 bis 1908), Francis-
Q Q Turbinen (J. B. Francis, 1815 bis 1892) und
−
A2a A2e Kaplan-Turbinen (V. Kaplan, 1876 bis 1934)
+ + hV . (2.273)
2g genannt werden; außerdem gibt es noch S-
Turbinen (S-förmiger Strömungskanal) und
Mit zunehmendem Förderstrom Q nimmt die Rohrturbinen (Abb. 2.139) Nach der Fallhöhe
erforderliche Förderhöhe HA der Pumpe zu. werden die Wasserturbinen eingeteilt in
– Hochdruck-Turbinen: Bei ihnen ist die Fall-
Beispiel
2.12-9 Die Förderhöhe HA und der Leistungsbedarf höhe H groß (H > 200 m) und der Volumen-
P einer Kesselspeisepumpe (Höhenunterschied ha − strom Q klein. Beispiele dafür sind Pelton-
he = 5 m; ρ = 907 kg/m3 ) sollen errechnet werden und Francis-Turbinen;
(analog DIN EN 24 260). Die Anlage weist folgende – Mitteldruck-Turbinen: Bei ihnen ist die
Betriebsdaten auf: Fallhöhe H mittelgroß und der Volumen-
Eintrittsdruck pe = 6 · 105 Pa, strom Q ebenfalls. Beispiele dafür sind
Austrittsdruck pa = 11 · 105 Pa, Francis- und Kaplan-Turbinen;
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 169
Abb. 2.138 Anwendungsbereiche der verschiedenen Arten von Wasserturbinen. Werkbild: Voith
170 2 Mechanik
2(pges − pD ) Ü 2.12-11 Zur Messung der dynamischen Viskosität η
krit = (2.275) eines Öls (ρÖl = 0,85 kg/l) wird ein Kugelfallviskosi-
ρ meter benutzt. Die Stahlkugel (ρK = 7,85 kg/dm3 ) hat
einen Durchmesser d = 2 mm und fällt in t = 2 s s =
10 cm weit. Wie groß ist η?
abschätzen. Sie ist für Wasser bei pges = 1 bar
und 20 ◦ C (pD = 2 340 Pa) krit = 14 m/s. Dies
Ü 2.12-12 Ein Segelflugzeug der Masse m = 200 kg
bedeutet, dass mit der Kavitation bei vielen
und der Projektionsfläche A = 18 m2 fliegt mit ei-
Wassermaschinen gerechnet werden muss. Bei ner Geschwindigkeit = 60 km/h unter einem Gleit-
der Konstruktion von Wasserturbinen sollte winkel ε = 8◦ . Wie groß sind Auftriebs- und Wider-
daher darauf geachtet werden, dass standskraft? Zu bestimmen sind ferner der Wider-
standsbeiwert cW und der Auftriebsbeiwert cA (ρLuft =
– möglichst hohe äußere Drücke auftreten, 1,25 kg/m3 ).
– dünne Schaufelprofile verwendet werden
und Ü 2.12-13 Ein Wasserbehälter hat am Boden eine
– nur kleine Anstellwinkel möglich sind. waagerechte Ausflussröhre mit dem Durchmesser d =
1,2 mm, die l = 50 cm lang ist. Aus welcher Höhe h über
Zur Beurteilung der Gefahr auftretender der Ausflussröhre sinkt der Wasserspiegel ab, wenn
Kavitation kann die Kavitationszahl σ nach turbulente Strömung in laminare Strömung umschlägt
D. Thoma herangezogen werden: (ηW = 10−3 N s/m2 )?
Kapitel 3
Thermodynamik 3
Energie U, die Enthalpie H, die freie Energie F, eingestellt, dann haben alle Zustandsgrößen
die freie Enthalpie G und die Entropie S. wieder wohldefinierte Werte angenommen.
Mit den Zustandsgleichungen und Zustands-
funktionen ist die Beschreibung von Gleich- Die Änderung ΔZ einer Zustandsgröße Z
gewichtszuständen und Gleichgewichtsbedin- hängt nicht von der Art der Prozessfüh-
gungen möglich. rung ab, sondern nur vom Anfangs- und
Endzustand. Es gilt
3.1.2 Thermodynamische Grundbegriffe
ΔZ = Z2 − Z1 . (3.1)
Systeme
Ein räumlich abgrenzbarer Bereich, der her-
ausgelöst von seiner Umgebung betrachtet Eine Zustandsgröße ist also eine eindeutige
werden soll, wird als System bezeichnet. Nach Funktion der unabhängigen Variablen. Bei-
Art der Systemgrenzen werden verschiedenar- spielsweise lässt sich die innere Energie U ei-
tige Systeme unterschieden, wie aus Tabelle 3.1 nes Systems (Abschn. 3.3.2) als Funktion der
hervorgeht. Variablen T und V schreiben: U = U(T, V).
Daher ist das Differenzial
Zustand, Zustandsgrößen, Prozessgrößen ∂U ∂U
dU = · dT + dV
In der Mechanik wird die Lage eines Punktes ∂T V ∂V T
im Raum durch drei Koordinaten festgelegt; in das totale Differenzial einer Funktion der Zu-
der Thermodynamik benutzt man Zustands- standsvariablen.
größen, um den Zustand eines Systems zu be- Im Gegensatz zu den wegunabhängigen Zu-
schreiben. Historisch bedingt wird zwischen standsgrößen sind Wärme und mechanische
den direkt messbaren thermischen Zustands- Arbeit wegabhängige Prozessgrößen. Die mit
größen dem System bei einer Zustandsänderung aus-
– Druck p, getauschten Energiebeträge sind von dem Ver-
– Volumen V, lauf des Prozesses abhängig.
– Temperatur T Infolgedessen ist eine differenziell kleine
Größe einer solchen Prozessgröße nicht das
und den davon abgeleiteten kalorischen Zu- totale Differenzial einer Funktion von Zu-
standsgrößen, wie z. B. standsvariablen. Derartige kleine Größen
werden im Folgenden nicht mit einem d
– innere Energie U,
versehen, sondern mit einem δ. So ist also
– Enthalpie H und
beispielsweise eine differenziell kleine Wärme
– Entropie S
δQ oder ein differenziell kleiner Arbeitsbetrag
unterschieden. δW.
Bleiben die Zustandsgrößen zeitlich konstant, Für jeden Gleichgewichtszustand sind die
dann befindet sich das System in einem Gleich- Zustandsgrößen durch eine Zustandsglei-
gewichtszustand. Der Zustand eines Systems chung miteinander verknüpft. So gilt z. B.
kann auf verschiedene Weise verändert wer- für ideale Gase ein einfacher Zusammenhang
den (z. B. durch Wärmezufuhr von außen). zwischen Druck, Volumen und Temperatur
Hat sich, ausgehend von dem Gleichgewichts- (Abschn. 3.1.5). Bei realen Gasen ist der
zustand 1, ein neuer Gleichgewichtszustand 2 Zusammenhang komplizierter und muss em-
178 3 Thermodynamik
pirisch und mit Hilfe von Modellrechnungen Die Maßeinheit einer molaren Größe enthält
ermittelt werden (Abschn. 3.4). stets Xm = … mol−1 .
Jede spezifische Größe kann leicht in die ent-
Spezifische und molare Größen sprechende molare Größe umgerechnet wer-
Viele thermodynamische Größen sind exten- den. Aus (3.2) und (3.3) folgt sofort X = xm =
siv, d. h., sie hängen von der Substanzmenge Xm ν, oder
(Masse m, Stoffmenge ν) des Systems ab (z. B.
innere Energie U, Enthalpie H). Intensive Grö- m
ßen sind davon unabhängig (z. B. Druck p, Xm =x = xM . (3.4)
ν
Temperatur T). Wird eine extensive Größe
durch die Substanzmenge dividiert, ergibt sich
eine intensive Größe. Darin ist M die Molmasse der betreffenden
Eine spezifische Größe x ergibt sich nach Substanz (Einheit kg/mol).
DIN 1345 aus einer gemessenen extensiven Die Molmasse eines chemischen Elements be-
Größe X, indem durch die Masse m des stimmt man am einfachsten aus der im Pe-
Systems dividiert wird: riodensystem angegebenen relativen Atom-
masse Ar bzw. der relativen Molekülmasse Mr
bei einem Molekül. Ist mM die Masse eines Mo-
X
x= . (3.2) leküls, dann gilt
m
mM = Mr u .
In der Maßeinheit einer spezifischen Größe u = 1,6605 · 10−27 kg ist die atomare Massen-
steht immer x = … kg−1 . Spezifische Größen einheit, nämlich ein Zwölftel der Masse eines
12
werden nach DIN 1345 mit kleinen Formel- C-Atoms. Die Zahl der Teilchen der Stoff-
buchstaben geschrieben. menge ν = 1 mol ist gegeben durch die Avoga-
Der Quotient aus einer gemessenen Größe X dro’sche Konstante NA = 6,0221 · 1023 mol−1 .
und der Stoffmenge ν ist die molare Größe Xm , Damit wird die Molmasse
die durch den Index m gekennzeichnet wird: g
M = mM NA = Mr uNA = Mr .
mol
X Hat also beispielsweise Stickstoff (N2 ) die re-
Xm = . (3.3) lative Molekülmasse Mr = 28, dann ist seine
ν
Molmasse M = 28 g/mol.
3.1 Grundlagen 179
Beispiel
3.1-1 Um m = 2 kg Wasser zu verdampfen, ist die
Verdampfungswärme Q d = 4,512 MJ erforderlich. Wie
groß sind die spezifische und die molare Verdamp-
fungswärme von Wasser?
Lösung
Für die spezifische Verdampfungswärme er-
hält man q d = Q d / m = 2,256 MJ/kg. Die Mol-
masse von Wasser ist M = 18 g/mol. Somit
beträgt die molare Verdampfungswärme
Qmd = 2,256 MJ/kg · 18 g/mol = 40,6 kJ/mol .
Tabelle3.2 Definierende Fixpunkte der ITS-90. Wenn nicht anders angegeben, beträgt der Druck pn = 101,325 kPa
festzulegen, ist daher nur noch die Tempe- Die so definierte Kelvin-Skala hat dieselbe Ska-
ratur eines weiteren Punktes zu definieren. lenteilung wie die bereits 1742 von A. Celsius
Dazu wurde der Tripelpunkt des Wassers zu (1701 bis 1744) vorgeschlagene Skala, bei der
TTr = 273,16 K (Kelvin) festgelegt. Der Tripel- Schmelz- und Siedepunkte des Wassers unter
punkt ist der Zustand, bei dem in einem Gefäß Normdruck (0 ◦ C bzw. 100 ◦ C) als Fixpunkte
der feste, flüssige und gasförmige Aggregatzu- dienen. Der Zusammenhang zwischen der ab-
stand miteinander im Gleichgewicht sind. Der soluten Temperatur T in Kelvin und der Tem-
Tripelpunkt des Wassers ist leicht herzustellen peratur ϑ in Grad Celsius ergibt sich aus
und mit einer Toleranz von einigen Millikel-
vin reproduzierbar. Die 13. Generalkonferenz
ϑ T
für Maße und Gewichte (GKMG) legte 1967 als
◦ = − 273,15 . (3.5)
Einheit für die Temperatur fest: C K
(Tabelle 3.2) und gilt als derzeit beste Darstel- nungskoeffizient. Sie ist ein Materialparame-
lung thermodynamischer Temperaturen. ter und kann näherungsweise konstant gesetzt
Zur Interpolation zwischen den Fixpunkten werden. In der Wirklichkeit steigt der Längen-
wird zwischen 0,65 K und 5 K die Temperatur ausdehnungskoeffizient α mit der Temperatur
aus dem Dampfdruck von 3 He bzw. 4 He leicht an; Tabelle 3.4 enthält einige mit 106 mul-
bestimmt; zwischen 3 K und 24,5561 K mit tiplizierte Mittelwerte für die Temperaturbe-
einem Gasthermometer. Oberhalb 13,8033 K reiche 0 ◦ C ϑ 100 ◦ C und 0 ◦ C ϑ
bis 1 234,93 K werden Pt-Widerstandsthermo- 500 ◦ C.
meter und für noch höhere Temperaturen Mit der Längenausdehnung der Körper ist
Spektralpyrometer eingesetzt. zwangsläufig eine Volumenänderung ver-
knüpft. Für das Volumen V2 eines Würfels bei
Temperaturmessung der Temperatur ϑ2 gilt nach (3.7), wenn V1
Jede physikalische Größe, die sich mit der Tem- das Volumen bei ϑ1 ist
peratur ändert, kann zur Temperaturmessung
herangezogen werden. Für die verschiedens- V2 = l23 = l13 [1 + α(ϑ2 − ϑ1 )]3 =
ten Messaufgaben, Messobjekte und Tempe- = V1 [1 + 3α(ϑ2 − ϑ1 ) + 3α2 (ϑ2 − ϑ1 )2
raturbereiche wurden unterschiedliche Mess- + α3 (ϑ2 − ϑ1 )3 ] .
verfahren entwickelt. Eine Zusammenstellung
gängiger Methoden enthält Tabelle 3.3. Die Die beiden letzten Glieder der Klammer sind
VDE/VDI-Richtlinien 3511 geben eine aus- gegenüber dem linearen Glied vernachlässig-
führlichere Darstellung sowie eine Zusam- bar. Daher erhält man in guter Näherung
menstellung der relevanten DIN-Normen.
V2 = V1 [1 + γ (ϑ2 − ϑ1 )] (3.8)
3.1.4 Thermische Ausdehnung
Festkörper oder für die relative Volumenänderung
Die meisten Festkörper dehnen sich bei Erwär-
mung aus. Die relative Verlängerung Δl/ l eines ΔV
Stabes kann innerhalb bestimmter Grenzen = γ ΔT (3.9)
V
proportional zur Temperaturänderung ΔT ge-
setzt werden:
mit ΔT = T2 − T1 = ϑ2 − ϑ1 und dem Raum-
ausdehnungskoeffizienten
Δl
= αΔT . (3.6)
l
γ = 3α . (3.10)
Ist die Länge l1 bei der Temperatur ϑ1 bekannt,
so folgt für die Länge l2 bei der Temperatur ϑ2
Beispiel
3.1-2 Eine Messingkugel (α = 19 · 10−6 K−1 ) hat
l2 = l1 [1 + α(ϑ2 − ϑ1 )] (3.7) bei der Temperatur ϑ1 = 20 ◦ C den Durchmesser
d1 = 20,00 mm. Auf welche Temperatur ϑ2 muss sie
erwärmt werden, damit sie in einem Ring mit dem
mit ΔT = T2 − T1 = ϑ2 − ϑ1 . Die Propor- Innendurchmesser d2 = 20,03 mm stecken bleibt? Wie
tionalitätskonstante α ist der Längenausdeh- hat sich das Kugelvolumen verändert?
182 3 Thermodynamik
Flüssigkeits-
Glasthermometer
Füllung:
Pentangemisch −200 bis 30 Näherungsweise Thermische Ausdehnung einer Flüssig-
Alkohol −110 bis 210 in Größenord- keit wird zur Temperaturmessung ver-
Toluol −90 bis 100 nung der Ska- wendet. Die Temperatur wird aus dem
mechanische Berührungsthermometer
Stabausdehnungs- 0 bis 1 000 1 bis 2% des An- Thermische Ausdehnung eines Metall-
thermometer zeigebereichs stabs bewegt ein Messwerk.
Bimetallthermo- −50 bis 400 1 bis 3% des An- Thermobimetall besteht aus zwei fest
meter zeigebereichs miteinander verbundenen Schichten aus
Werkstoffen mit unterschiedlichen ther-
mischen Ausdehnungskoeffizienten und
krümmt sich bei Temperaturänderung.
Thermoelemente
elektrische Berührungsthermometer
AuFe–NiCr −270 bis 0 0,75% des Tem- Zwischen zwei Verbindungsstellen ver-
Cu-Konstantan −200 bis 400 peratur-Soll- schiedener Metalle entsteht eine Ther-
Fe-Konstantan −200 bis 700 werts, mindes- mospannung, wenn die Verbindungs-
NiCr-Konstantan −200 bis 900 tens 3 K stellen auf verschiedenen Temperaturen
Pt–PtRh 0 bis 1 600 sind (Seebeck-Effekt).
W–WMo 0 bis 3 300
Widerstands-
thermometer
Platin −250 bis 1 000 0,3 bis 5 K Temperaturabhängigkeit des elektri-
Nickel −60 bis 180 0,2 bis 2,1 K schen Widerstandes von Metallen und
Heißleiter −273 bis 400 0,5 bis 1,5 K Halbleitern dient zur Temperaturbe-
Kaltleiter 40 bis 270 stimmung.
3.1 Grundlagen 183
Strahlungs-
pyrometer
berührungslose Thermometer
Spektralpyrom. 650 bis 5 000 1 bis 35 K Temperatur eines Körpers wird aus der
Bandstrahlungsp. 50 bis 2 000 1 bis 1,5% Energiestromdichte seiner elektro-
Gesamtstrah- –40 bis 3 000 des Bereichs magnetischen Strahlung bestimmt.
lungspyrometer Messung erfolgt entweder in engem
Spektralbereich, breitem Spektral-
band oder im gesamten Spektrum.
Verteilungs-
pyrometer
Farbangleichpyr. 1 150 bis 2 000 10 bis 25 K Rote und grüne Strahlungsanteile von
Verhältnis- 200 bis 2 200 1 bis 1,5% Messstelle und Referenzlampe werden
pyrometer des Bereichs verglichen. Vergleich erfolgt subjektiv
durch Farbvergleich oder objektiv
durch Fotoempfänger.
Tabelle 3.4 Mittlerer linearer Längenausdehnungs- Es gelten (3.8), (3.9) und (3.11); allerdings ist
koeffizient α einiger Festkörper in verschiedenen der Raumausdehnungskoeffizient γ größer als
Temperaturbereichen bei Festkörpern. Einige Zahlenwerte enthält
Tabelle 3.5.
106 α 106 α
in K−1 in K−1
Bemerkenswert ist die Anomalie des Wassers.
Temperaturbereich 0 ◦C ϑ 0 ◦C ϑ Bei der Temperatur ϑ = 4 ◦ C hat die Dichte
100 ◦ C 500 ◦ C ihr Maximum mit ρmax = 0,999973 kg/dm3 .
Wenn im Winter ein See zufriert, sammelt sich
Aluminium 23,8 27,4 das Wasser von ϑ = 4 ◦ C und größter Dichte
Kupfer 16,4 17,9
am Grund; darüber liegen die kälteren und
Stahl C 60 11,1 13,9
rostfreier Stahl 16,4 18,2 leichteren Schichten. Weil die kalten Schich-
Invarstahl 0,9 ten nicht absinken, erfolgt keine Wärmeüber-
Quarzglas 0,51 0,61 tragung durch Konvektion. Der Wärmetrans-
gewöhnliches Glas 9 10,2 port durch Wärmeleitung ist nicht sehr effektiv
(Abschn. 3.5), sodass tiefe Seen nicht bis zum
Grund durchgefrieren.
Lösung
Nach (3.6) ist die Temperaturänderung
Gase
Δd 0,03 mm Bei Gasen hängt das Volumen vom Druck
ΔT = = = 79 K .
dα 20 mm · 19 · 10−6 K−1 und der Temperatur ab. Messungen von
Also ist die erforderliche Temperatur ϑ2 = 99◦ C. J. A. C. Charles (1746 bis 1823), die von
Die relative Volumenvergrößerung beträgt nach (3.9) J. L. Gay-Lussac (1778 bis 1823) vertieft
und (3.10) wurden, ergaben, dass bei einem Gas unter
konstantem Druck das Volumen linear mit der
ΔV
= γ ΔT = 3αΔT = 4,5 · 10−3 . Temperatur gemäß (3.9) variiert:
V
V(ϑ) = V0 (1 + γ ϑ) ,
Die Dichte ρ eines Körpers ist umgekehrt pro-
portional zum Volumen. Für die Temperatur- wenn V0 das Volumen bei ϑ0 = 0 ◦ C ist.
abhängigkeit gilt Experimente liefern für den Raumausdeh-
nungskoeffizienten γ im Gay-Lussac’schen
m
ρ(ϑ) = . Gesetz für fast alle Gase den gleichen Wert.
V0 (1 + γϑ)
Die Unterschiede zwischen den einzelnen
Ist ρ0 = m/ V0 die Dichte bei ϑ0 = 0◦ C, dann
ist die Dichte bei der Temperatur ϑ
Tabelle 3.5 Raumausdehnungskoeffizient γ einiger
Flüssigkeiten bei der Temperatur ϑ = 20 ◦ C
ρ0
ρ(ϑ) = ≈ ρ0 (1 − γϑ) . (3.11)
103 γ in K−1
1 + γϑ Stoff
Wasser 0,208
Quecksilber 0,182
Flüssigkeiten Pentan 1,58
Ethylalkohol 1,10
Weil Flüssigkeiten keine Eigengestalt haben, Heizöl 0,9 bis 1,0
ist nur die Volumenänderung von Interesse.
3.1 Grundlagen 185
oder
T p
p(T) = p0 bzw. = konst. (3.14)
Abb. 3.3 Zusammenhang zwischen dem Volumen V T0 T
und der Temperatur T eines idealen Gases bei
konstantem Druck
Diese Gleichung ist die Grundlage der Tem-
peraturbestimmung nach Amontons mit Hilfe
des Gasthermometers.
Gasen werden umso geringer, je niedriger der
Druck p ist. Im Grenzfall p → 0 ergibt sich für
alle Gase 3.1.5 Allgemeine Zustandsgleichung idealer
Gase
1
γ = 0,003661 K−1 = .
Das Volumen V und der Druck p einer abge-
273,15 K
schlossenen Menge eines idealen Gases sind
Ein Gas in diesem Grenzzustand wird als idea- bei konstanter Temperatur durch das Gesetz
les Gas bezeichnet. von Boyle-Mariotte verknüpft:
Wie die grafische Darstellung des Gay-
Lussac’schen Gesetzes in Abb. 3.3 zeigt, wird
das Volumen bei ϑ = −273,15 ◦ C gleich null. pV = konst. (3.15)
Dies ist der absolute Nullpunkt der Tempera-
tur. Natürlich gilt das Gay-Lussac’sche Gesetz
Der Zusammenhang wurde 1662 von R. Boyle
bei sehr tiefen Temperaturen nicht mehr.
(1627 bis 1691) und unabhängig von ihm 1679
Reale Gase kondensieren beim Abkühlen;
von E. Mariotte (1620 bis 1684) experimen-
selbst am absoluten Nullpunkt muss noch
tell gefunden.
ein bestimmtes Restvolumen, nämlich das
Die Gesetze von Boyle-Mariotte, Gay-Lussac
Eigenvolumen der Atome, übrig bleiben. Die
und Charles, formuliert in (3.15), (3.12) so-
absolute Temperatur T erlaubt eine einfache
wie (3.14), lassen sich in einer Gleichung, der
Formulierung des Gay-Lussac’schen Gesetzes:
Zustandsgleichung idealer Gase kombinieren:
T V
V(T) = V0 bzw. = konst. pV
= konst. (3.16)
T0 T T
(3.12)
gebracht. Die Größen mit dem Index n be- Der Nachteil, für jedes Gas eine besondere Gas-
ziehen sich auf den in DIN 1343 festgeleg- konstante in (3.19) einsetzen zu müssen, ent-
ten Normzustand mit der Normtemperatur fällt, wenn in (3.17) das Volumen Vn durch
Tn = 273,15 K (ϑn = 0 ◦ C) und dem Norm- die Stoffmenge ν ausgedrückt wird. Nach dem
druck pn = 101 325 Pa. Satz von A. Avogadro (1776 bis 1856) benö-
Das Volumen Vn des Gases hängt mit der tigt eine bestimmte Teilchenmenge eines idea-
Dichte ρn beim Normzustand und der Masse m len Gases bei bestimmten Werten des Drucks
gemäß und der Temperatur stets das gleiche Volu-
m men, und zwar unabhängig von der Gasart.
Vn = Für die Stoffmenge ν = 1 mol beträgt beim
ρn
Normzustand nach DIN 1443 das Molvolumen
zusammen. Somit wird aus (3.17) Vmn = 22,414 dm3 /mol. Somit ist das Volu-
men Vn der Teilchenmenge ν
pV pn
= m.
T Tn ρn Vn = ν Vmn ,
Die Werte für pn , Tn und ρn werden zusam- und (3.17) erhält die Form
mengefasst zu der individuellen (speziellen)
pV pn Vmn
Gaskonstanten = ν.
T Tn
pn Die Konstanten der rechten Seite fasst man
Ri = . (3.18)
Tn ρn zur universellen (molaren) Gaskonstante Rm
zusammen:
Nun gilt für jedes Teilchen Tabelle 3.6 Mittlere Geschwindigkeit m und
Schallgeschwindigkeit c einiger Gase beim
2 = 2x + 2y + 2z . Normzustand ϑn = 0 ◦ C und pn = 1,013 bar (ρ Dichte,
{ Isentropenexponent).
Da bei vielen Teilchen alle Raumrichtungen
gleichmäßig vorkommen, gilt für die Mittel- Gas ρ in { m in c in
werte der Geschwindigkeitsquadrate kg/m3 m/s m/s
1
2x = 2y = 2z = 2 . Helium 0,1785 1,67 1305 974
3 Argon 1,784 1,67 413 308
Demnach erhält man für den Druck Wasserstoff 0,0899 1,41 1840 1260
Sauerstoff 1,4289 1,40 461 315
1N Stickstoff 1,2505 1,40 493 337
p= mM 2 . (3.23) Luft 1,2928 1,40 485 331
3V
Lösung
offensichtlich. Durch Gleichsetzen der rechten
Seiten entsteht die Beziehung
3 · 101 325 N m−2 1
m = = 493 m/s . mM 2 = kT ,
1,2505 kg m−3 3
3.2 Kinetische Gastheorie 191
die zeigt, dass das mittlere Geschwindigkeits- Durch die Verknüpfung von Temperatur und
quadrat proportional zur Temperatur ist. Dar- kinetischer Energie wird auch wieder auf
aus folgt sofort für die Temperaturabhängig- die Existenz eines absoluten Temperatur-
keit der mittleren Geschwindigkeit: Nullpunkts hingewiesen, bei dem jede Teil-
chenbewegung aufhört. (Die Quantentheorie
lehrt, dass bei T = 0 K noch eine Nullpunkts-
3kT 3Rm T
m = = . (3.26) energie vorhanden ist.)
mM M
Gleichverteilungssatz
Beispiel Die Modellsubstanz – die Grundlage der vor-
3.2-2 Wie groß ist die mittlere Geschwindigkeit m genannten abgeleiteten Gleichungen – besteht
und die Schallgeschwindigkeit c von Luft bei ϑ = aus punktförmigen Teilchen mit jeweils f = 3
20 ◦ C? Freiheitsgraden. Da sich im zeitlichen Mit-
Lösung tel die Bewegung der Moleküle gleichmäßig
Aus (3.26) folgt auf alle drei Raumrichtungen verteilt, kann
man die kinetische Energie eines Moleküls in
m20 293
= und m20 = 1,036m0 . drei gleiche Teile aufspalten. Auf jeden Frei-
m0 273
heitsgrad entfällt somit die mittlere thermische
Mit m0 = 485 m/s (Tabelle 3.6) ergibt sich m20 =
Energie pro Molekül
502 m/s. Im gleichen Verhältnis nimmt die Schallge-
schwindigkeit von c0 = 331 m/s auf c20 = 343 m/s zu.
1
Eine sehr plastische Deutung des Temperatur- Ef = kT . (3.29)
2
begriffs wird möglich durch Einführung der
mittleren kinetischen Energie Ekin eines Teil-
chens der Masse mM : Dieses Ergebnis kann verallgemeinert werden
auf Gase, deren Teilchen nicht punktförmig
1 sind (z. B. das hantelförmige N2 -Molekül) und
Ekin = mM 2 . (3.27) daher mehr als drei Freiheitsgrade haben:
2
3/ 2
mM mM 2
f () d = 4π 2
· e− 2kT d .
2πkT
(3.34)
Im dreidimensionalen Geschwindigkeitsraum 2kT 2
w = = m . (3.35)
nach Abb. 3.7 liegen die Spitzen aller Ge- mM 3
schwindigkeitsvektoren mit den Beträgen zwi-
schen und + d in einer Kugelschale mit
Die durchschnittliche Geschwindigkeit , also
dem Radius und der Dicke d. Die Anzahl
der arithmetische Mittelwert der Geschwin-
der möglichen Geschwindigkeitsvektoren ist
digkeitsbeträge aller Teilchen, liegt zwischen
proportional zum Volumen dieser Kugelschale
w und m :
4π2 d. Setzt man
g() = 4π2 ,
8kT 8
= = m . (3.36)
dann ergibt sich die Normierungskonstante C πmM 3π
aus der Forderung
∞
f () d = 1 .
0
Rotation der Moleküle sowie die Schwingungs- wird, ergibt sich die spezifische Wärmekapazi-
energie der Molekülschwingungen. In Festkör- tät
pern schwingen die Atome um ihre Ruhelagen;
hierbei werden mit zunehmender Temperatur C
die Schwingungsamplituden immer größer. c= (3.39)
m
Bringt man zwei Körper, die sich auf verschie-
denen Temperaturen befinden, in Kontakt,
dann findet ein Temperaturausgleich statt: Die oder die molare Wärmekapazität
Temperatur des kälteren Körpers nimmt zu
und die des wärmeren nimmt ab. Dies be- C
deutet nach den vorgenannten Erläuterungen, Cm = . (3.40)
ν
dass vom warmen System an das kalte System
Energie übertragen wird. Diese Energieüber-
tragung belegt man mit dem Begriff Wärme: Nach (3.4) gilt der Zusammenhang Cm = cM.
Die SI-Maßeinheit der Wärme ist wie für
jede Energieform 1 J (Joule). Somit erhalten
Wärme ist Energie, die aufgrund eines die Wärmekapazitäten die Maßeinheiten C:
Temperaturunterschieds zwischen zwei 1 J/(K), c: 1 J/(kg K), Cm : 1 J/(mol K).
Systemen übertragen wird. Diese Ener- Im älteren Schrifttum und im praktischen Ge-
gieübertragung hat eine eindeutige Rich- brauch findet man häufig noch die früher üb-
tung. Die Wärme fließt stets in Richtung liche Maßeinheit für die Wärme, die Kilokalo-
der niedrigeren Temperatur. Der Wär- rie. Für die Internationale Tafelkalorie gilt der
meübergang ist also ein irreversibler Pro- Umrechnungsfaktor 1 kcalIT = 4,1868 kJ. (Mo-
zess. lare Wärmekapazitäten einiger Gase enthält
Tabelle 3.8 in Abschn. 3.3.3, spezifische Wär-
Wird einem Festkörper oder einer Flüssigkeit mekapazitäten von einigen Festkörpern und
Wärme zugeführt, dann ist dies immer mit ei- Flüssigkeiten Tabelle 3.12 in Abschn. 3.5.1.)
ner Temperaturerhöhung verknüpft, falls kein Die Wärmekapazität kann nur in bestimmten
Phasenübergang stattfindet (Abschn. 3.4.3). Grenzen als Konstante angesehen werden. Tat-
Um die Temperatur T eines Systems um dT sächlich hängt sie von der Temperatur ab. Bei
zu erhöhen, ist eine Wärmezufuhr δQ erfor- einer endlichen Temperaturänderung von T1
derlich, die proportional zu dT ist: auf T2 beträgt die übertragene Wärme
T2 T2
δQ = C dT . (3.38) Q12 =m c(T) dT =ν Cm (T) dT .
T1 T1
(3.41)
Die Proportionalitätskonstante C ist die Wär-
mekapazität des Systems. Sie hängt von der
Art des Stoffs und von der Menge ab, sie ist Ist das Temperaturintervall klein, kann die
also eine extensive Größe. Wärmekapazität näherungsweise als konstant
Je nachdem, ob die Wärmekapazität C auf die angenommen werden und (3.41) vereinfacht
Masse m oder die Teilchenmenge ν bezogen sich zu
196 3 Thermodynamik
(m1 c1 + CK )(Tm − T1 )
c2 = . (3.43)
m2 (T2 − Tm )
Diese Theorie wurde erst um die Mitte des Von 1843 bis 1850 bemühte sich J. P. Joule
19. Jahrhunderts entwickelt. Bis dahin war die (1818 bis 1889) in vielen verschiedenartigen
Meinung vorherrschend, dass beim Wärme- Experimenten um eine genaue Bestimmung
übergang von einem heißen auf einen kal- des mechanischen Wärmeäquivalents. Er
ten Körper ein Wärmestoff, das „Phlogiston“, erhielt einen Zahlenwert für das mecha-
überwechselt. Von den zahlreichen Experi- nische Wärmeäquivalent, der lediglich
menten, die im Lauf der Zeit die Theorie des um 1% von dem heute anerkannten Wert
Wärmestoffs zu Fall brachten, seien kurz zwei 4,1868 kJ = 1 kcal abweicht.
erwähnt: Unabhängig von Mayer entwickelte 1847
Im Jahr 1797 beaufsichtigte Graf Rumford H. v. Helmholtz (1821 bis 1894) den allge-
(B. Thompson, 1753 bis 1814) das Kanonen- meinen Energiesatz, der außer mechanischer
bohren im Münchener Zeughaus. Mit Hilfe und Wärmeenergie auch alle anderen Ener-
eines von Pferden angetriebenen Bohrers gieformen, wie z. B. elektrische, magnetische
wurde eine Kanone aufgebohrt. Die dabei und chemische Energie, einschließt. Dieser
entwickelte Wärme wurde an Kühlwasser erste Hauptsatz der Thermodynamik lautet:
abgegeben. In 2,5 Stunden wurden 8,5 kg
Wasser zum Kochen gebracht. Rumford zog In einem abgeschlossenen System bleibt
aus seinen Beobachtungen den Schluss, dass der Gesamtbetrag der Energie konstant.
die Temperaturerhöhung durch die mecha- Innerhalb des Systems können die ver-
nische Arbeit der Pferde verrichtet wurde: schiedenen Energieformen ineinander
„Mehr Energie lässt sich erzeugen, indem umgewandelt werden.
man mehr Pferdefutter verwendet.“ – 1799
brachte H. Davy (1778 bis 1829) zwei Eis- Helmholtz kam zu seiner Schlussfolgerung auf-
stücke von ϑ = 0 ◦ C durch Reiben zum grund der Tatsache, dass es nicht gelingt, ein
Schmelzen. Auch hierbei wurde die erforderli- Perpetuum mobile zu bauen, also eine Ma-
che Schmelzwärme durch mechanische Arbeit schine, die ständig Arbeit abgibt, ohne gleich-
zugeführt. zeitig entsprechende Energie aufzunehmen.
Im Jahr 1842 erkannte der Arzt R. Mayer Eine solche Maschine, die dem ersten Haupt-
(1814 bis 1878) als erster die Existenz eines all- satz widersprechen würde, wäre ein Perpe-
gemeinen Energieerhaltungssatzes, der außer tuum mobile erster Art.
den bisher bekannten mechanischen Energie-
formen die Wärme mit einschließt. Er stellte Es gibt kein Perpetuum mobile erster
fest, dass der Energiesatz der Mechanik unein- Art.
geschränkt gilt, wenn die Wärme als weitere
Energieform berücksichtigt wird. Aus vorlie- Dieser Erfahrungssatz ist schon recht alt. Be-
genden Daten der spezifischen Wärmekapa- reits 1775 beschloss die französische Akade-
zitäten cp und cv von Luft berechnete er als mie der Wissenschaften, Vorschläge von Er-
erster das mechanische Wärmeäquivalent, also findern für ein Perpetuum mobile nicht mehr
den Umrechnungsfaktor der (damals) in Kalo- zu prüfen.
rien gemessenen Wärme in mechanische Ener-
gieeinheiten. Aufgrund ungenauer Messdaten Innere Energie
erhielt Mayer einen Zahlenwert, der um 14% Die gesamte thermische Energie eines Sys-
vom korrekten Wert abwich. tems, die in der ungeordneten Bewegung der
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 199
Teilchen steckt, wird nach Kelvin als innere tem keine Volumenänderungsarbeit verrichtet
Energie U des Systems bezeichnet. Diese kann werden. Nach (3.44) gilt für eine solche iso-
nach den obigen Erläuterungen nur geändert chore Zustandsänderung
werden, wenn über die Systemgrenzen Ener-
dU = δQ|V =konst. = νCmV dT = mcV dT .
gie mit der Umgebung ausgetauscht wird. Die
Energieübertragung umfasst in den folgenden Da die innere Energie eine Zustandsgröße ist,
Betrachtungen lediglich Wärme und mecha- kann für eine beliebige Zustandsänderung, die
nische Arbeit, kann aber jederzeit auf alle vor- nicht isochor zu sein braucht, die Änderung
handenen Energieformen ausgedehnt werden. der inneren Energie nach der vorgenannten
Für die Änderung dU der inneren Energie gilt Beziehung berechnet werden:
somit
Das Vorzeichen der umgesetzten Energiebe- Bei einer endlichen Temperaturänderung ist
träge wird wie folgt festgelegt: Wärme und Ar- die gesamte Änderung der inneren Energie
beit, die dem System zugeführt werden, erhal-
ten ein positives Vorzeichen. Wenn das System T2
Energie nach außen abgibt, ist diese negativ. ΔU = U2 − U1 = ν CmV (T) dT
Die innere Energie ist eine Zustandsgröße (Ab-
T1
schn. 3.1.2), d. h., sie hängt nur vom augen-
blicklichen Zustand des Systems ab, nicht aber T2
davon, wie das System in diesen Zustand ge- =m cV (T) dT (3.47)
langt ist. Wäre dies nicht so, dann ließe sich T1
f f
U = NEkin = N kT = ν Rm T . (3.45)
2 2 Die umgesetzte Wärme Q12 und die mecha-
Die innere Energie der idealen Gase nische Arbeit W12 sind Prozessgrößen (Ab-
hängt außer von der Stoffmenge nur von schn. 3.1.2). Sie hängen von der Art der Pro-
der Temperatur ab. zessführung ab, lassen sich also nicht nach der
Art der inneren Energie als Differenz zweier
fester Werte beschreiben.
Wird bei einer Zustandsänderung das Volu- Zur Berechnung der Volumenänderungsarbeit
men konstant gehalten, dann kann am Sys- bei einem geschlossenen System sei die Kom-
200 3 Thermodynamik
Die Einführung der Enthalpie vereinfacht Ebenso gilt mit der individuellen Gaskon-
thermodynamische Berechnungen bei Zu- stante Ri für die spezifischen Wärmekapazi-
standsänderungen, die bei konstantem Druck täten
ablaufen.
cp − cV = Ri . (3.54)
3.3.3 Berechnung der Wärmekapazitäten
In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, dass Die isochore molare Wärmekapazität kann nun
die isochore spezifische bzw. molare Wärme- aus der inneren Energie des Systems berechnet
kapazität einfach gebauter Moleküle mit Hilfe werden. Nach (3.46) gilt
der Ergebnisse der kinetischen Gastheorie be-
rechnet werden kann. Die isobaren Wärmeka-
1 dU
pazitäten cp und Cmp hängen mit den isocho- CmV = . (3.55)
ν dT
ren Wärmekapazitäten cv und CmV wie folgt
zusammen:
Die Temperatur eines idealen Gases der Teil- Die Temperaturabhängigkeit der inneren En-
chenmenge ν soll isobar um dT erhöht werden. ergie wird durch (3.45) beschrieben:
Die erforderliche Wärme ist f
U(T) = νRm T .
δQ|p=konst. = νCmp dT . 2
Die Basis dieser Beziehung ist der Gleichvertei-
Die innere Energie ändert sich dabei
lungssatz (Abschn. 3.2.2), nach dem die ther-
nach (3.44) und (3.49) um
mische Energie eines Moleküls gleichmäßig
dU = δQ + δW = νCmp dT − p dV . auf seine verschiedenen Freiheitsgrade f ver-
teilt ist. Somit gilt für die isochore molare Wär-
Da die innere Energie eine Zustandsgröße ist, mekapazität
lässt sich ihre Änderung für beliebige Zu-
standsänderungen nach (3.46) berechnen:
f
CmV = Rm . (3.56)
dU = νCmV dT . 2
f
Cmp − CmV = Rm . (3.53) cV = Ri (3.58)
2
202 3 Thermodynamik
Abb. 3.13 Temperaturabhängigkeit der isochoren molaren Wärmekapazität CmV von Wasserstoff. Wasserstoff
dissoziiert bei etwa T = 3 200 K. Die fortgesetzte gestrichelte Linie gilt für ein stabiles zweiatomiges Molekül
die Hälfte der Cl2 -Moleküle, während die an- Blick merkwürdige Verhalten wird verständ-
dere Hälfte starr ist. Dieses auf den ersten lich, wenn die Temperaturabhängigkeit der
Wärmekapazität betrachtet wird.
Tabelle 3.8 Gemessene molare Wärmekapazitäten Cm Abbildung 3.13 zeigt den Verlauf der molaren
einiger Gase beim Normdruck pn = 1,013 bar und der Wärmekapazität CmV von Wasserstoff in Ab-
Temperatur ϑ = 20 ◦ C hängigkeit von der Temperatur. Offenbar ver-
hält sich H2 bei tiefen Temperaturen wie ein
Gas CmV Cmp { einatomiges Gas mit drei Freiheitsgraden. Mit
in in
J J steigender Temperatur beginnen die Moleküle
mol K mol K ab etwa T = 80 K zu rotieren; dies bewirkt
einen Anstieg der Wärmekapazität. Bei Raum-
Helium He 12,47 20,80 1,67 temperatur rotieren praktisch alle Moleküle.
Argon Ar 12,47 20,80 1,67 Die Wärmekapazität nimmt erneut zu, wenn
Wasserstoff H2 20,43 28,76 1,41 ab etwa T = 800 K die Moleküle zu schwingen
Sauerstoff O2 21,06 29,43 1,40 beginnen. Die Schwelle, bei der die Oszillation
Stickstoff N2 20,76 29,09 1,40 einsetzt, liegt für Cl2 tiefer als für H2 , sodass
Luft 20,77 29,10 1,40 bei Cl2 unterhalb der Raumtemperatur bereits
Chlor Cl2 25,74 34,70 1,35
ein Großteil der Moleküle schwingt.
Kohlendioxid CO2 28,46 36,96 1,30 Vom klassischen Gleichverteilungssatz her ist
Schwefeldioxid SO2 31,40 40,39 1,29 das Ausfrieren von Freiheitsgraden mit abneh-
Methan CH4 26,19 34,59 1,32
Ethan C2 H6 43,12 51,70 1,20
mender Temperatur nicht verständlich. Nach
Ammoniak NH3 27,84 36,84 1,31 den Gesetzen der Quantenmechanik aber ist
der Drehimpuls eines Moleküls gequantelt.
204 3 Thermodynamik
1 L2min 1 2
Erot,min = = .
2 J 2 J
Beispiel
Wärmekapazität eines Festkörpers
3.3-2 Bei welcher Temperatur beginnen die Wasser-
stoff-Moleküle zu rotieren? J
CmV = 3Rm = 24,9 .
Lösung
mol K
Die Grenze ist näherungsweise gegeben durch 12 kT ≈ Dieses Ergebnis ist als Dulong-Petit’sches Ge-
2 ~ / J. Für das Massenträgheitsmoment gilt J = 2m r .
1 2 2
setz (P. L. dulong, 1785 bis 1838, und A. T. Pe-
Mit m = 1,67 · 10 kg und r ≈ 5 · 10 m ergibt
−27 −11
tit, 1791 bis 1820) bekannt. Wie Abb. 3.14
sich J ≈ 8,35 · 10−48 kg m2 . Die Temperaturschwelle
ist dann etwa T ≈ ~2 / kJ = 95 K.
zeigt, wird das Dulong-Petit’sche Gesetz bei
hohen Temperaturen gut befolgt, während mit
Die letzte Gruppe der Gase in Tabelle 3.7 be- abnehmender Temperatur durch Ausfrieren
steht aus mehratomigen Molekülen, die jeweils der Freiheitsgrade die Wärmekapazität gegen
mehrere Schwingungsformen haben können. null geht.
Bei Raumtemperatur sind die meisten Schwin- Bei komplizierten Molekülkristallen (bei-
gungen noch nicht angeregt, sodass keine Sys- spielsweise Eis) kommen außer den Schwin-
tematik in die gemessenen Wärmekapazitäten gungen auch Rotationen ganzer Molekülgrup-
gebracht werden kann. pen vor, sodass die molare Wärmekapazität
Bei kristallinen Festkörpern sitzen die einzel- oberhalb des Wertes liegt, den die Dulong-
nen Atome bzw. Moleküle an festen Plätzen ei- Petit’sche Regel angibt.
nes Raumgitters. Punktförmige Atome können
dabei Schwingungen in den drei Raumrichtun- 3.3.4 Spezielle Zustandsänderungen
gen ausführen. Da jede Schwingungsrichtung idealer Gase
formal mit zwei Freiheitsgraden in die Rech-
nung eingeht, haben die Atome jeweils sechs Zustandsänderungen, die in realen Systemen
Freiheitsgrade für die Berechnung der Wär- ablaufen, sind meist recht komplex, lassen sich
mekapazität. Nach (3.56) ist dann die molare aber durch verhältnismäßig einfach zu behan-
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 205
νRm → m Ri , V2
W12 =− p(V) dV .
νCmp → m cp ,
V1
νCmV → m cV .
V2
Q12 = νRm T ln . (3.62)
V1 Abb. 3.17 Isochore Erwärmung vom Zustand 1 zum
Zustand 2
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 207
Im p, V-Diagramm von Abb. 3.19 ist die Isobare Abb. 3.19 Isobare Expansion vom Zustand 1 zum
Zustand 2. W12 Volumenänderungsarbeit
eine waagrechte Gerade. Die gezeigte Expan-
sion verläuft so, dass dem System von Abb. 3.18
durch eine geeignete Heizung die Wärme Q12 Diese Arbeit ist bei einer Expansion negativ,
zugeführt wird, worauf sich der Kolben nach d. h., sie wird vom System nach außen abge-
oben schiebt. Für die erforderliche Wärme gilt geben. Bei einer Kompression ist die Arbeit
δQ = νCmp dT oder positiv, da sie dem System zugeführt werden
muss.
Nach dem ersten Hauptsatz ist
Q12 = νCmp (T2 − T1 ) . (3.64)
δQ = dU − δW oder
Die Volumenänderungsarbeit entspricht der Q12 = U2 − U1 + p(V2 − V1 ) .
Fläche unter der Isobare. Sie beträgt
Dies bedeutet, dass bei einer Erwärmung
sowohl die Erhöhung der inneren Energie
W12 = p(V1 − V2 ) . (3.65) als auch die abgegebene mechanische Arbeit
durch die zugeführte Wärme gedeckt werden
müssen. Zur Erinnerung: Bei der isochoren
Erwärmung wurde durch die zugeführte
Wärme lediglich die innere Energie vergrö-
ßert. Dies ist der anschauliche Grund, weshalb
die isobare Wärmekapazität stets größer ist
als die isochore: Cmp > CmV .
gebung unterbunden wird. Im Gegensatz Aus dieser Beziehung folgt sofort die Isentro-
zur isothermen Zustandsänderung, bei der pengleichung (Adiabatengleichung)
gemäß Abb. 3.15 ein guter Wärmekontakt zur
Umgebung notwendig ist, muss der Zylinder
jetzt mit einer geeigneten Wärmeisolation p1 V1{= p2 V2{ oder
versehen werden. Die adiabate Zustandsän- pV { = konst. (3.66)
derung lässt sich leicht verwirklichen, wenn
der Prozess sehr schnell abläuft, sodass für
Eine Verknüpfung zwischen Temperatur und
eine Wärmeübertragung keine Zeit bleibt.
Volumen ergibt sich, wenn mit Hilfe der Zu-
Der Name Isentrope rührt daher, dass die
standsgleichung idealer Gase der Druck elimi-
Zustandsgröße Entropie, die in Abschn. 3.3.6
niert wird:
definiert ist, bei einer reibungsfrei und qua-
sistatisch verlaufenden Zustandsänderung
konstant bleibt. Die reversibel durchlaufende T1 V1{ −1= T2 V2{−1 oder
Adiabate ist mit der Isentrope identisch TV { −1 = konst. (3.67)
(Einzelheiten hierzu in Abschn. 3.3.6).
Bei einem adiabaten System (δQ = 0) nimmt
der erste Hauptsatz die Form dU = δW oder Schließlich lässt sich noch eine Beziehung zwi-
schen Druck und Temperatur herstellen:
dU + p dV =0 (1)
Lösung
Der Enddruck ist nach (3.66)
1,4
V1 { 5
p2 = p1 = 1 bar · = 9,52 bar .
V2 1
mit p(V) = p1 V1{ / V { ergibt sich Die Teilchenmenge ist ν = p1 V1 / Rm T1 = 1,01 mol.
Mit der molaren Wärmekapazität CmV = 20,8 J/mol K
+ , errechnet man die Kompressionsarbeit nach (3.70)
p1 V1 V1 { −1 zu W12 = 5 567 J. Ein Teil dieser Arbeit, nämlich
W12 = −1 . (3.69)
WL = (V1 − V2 )p1 = 1 963 J, wird von der Umge-
κ−1 V2
bungsluft geleistet und nur die Differenz stammt vom
auffahrenden Fahrzeug. Demnach ist Ekin = 3 604 J.
Diese Beziehung ist mit Hilfe der Poisson’schen
Gleichungen und der Zustandsgleichung idea-
ler Gase auf vielfältige Art und Weise um- 3.3.4.5 Polytrope Zustandsänderung
formbar. Eine wesentlich einfachere Berech- Sowohl die isotherme Zustandsänderung
nung der Arbeit hingegen ist durch den ersten pV 1 = konst. als auch die isentrope Zustands-
Hauptsatz möglich. Für ein adiabates System änderung pV { = konst. sind Extreme, die sich
(δQ = 0) nimmt dieser die Form dU = δW an. in der Praxis kaum verwirklichen lassen. Bei
Dies besagt, dass die bei einer isentropen Kom- der Kompression bzw. Expansion eines Gases
pression zugeführte Volumenänderungsarbeit in einem Verdichter oder Motor wird eher
ausschließlich der Erhöhung der inneren Ener- eine polytrope Zustandsänderung der Form
gie dient. Diese beträgt aber nach (3.46) δW =
dU = νCmV dT bzw. nach Integration
pV n = konst. (3.71)
Abb. 3.21 Polytropen. n Polytropenexponent, a) Welche Gasmenge ν und welche Masse m enthält
{ Isentropenexponent; hervorgehoben: Bereich der Ballon?
1 < n < { der Polytrope im engeren Sinn b) Der Aufstieg geschieht so rasch, dass durch die Bal-
lonhülle praktisch keine Wärme übertragen wird.
In einer bestimmten Höhe ist der Innendruck
einen realen Verdichtungsprozess, wie er bei- gleich dem Außendruck p2 = 0,2 bar. Welches Gas-
spielsweise in einem ungekühlten Turbover- volumen V2 enthält dann der Ballon?
dichter stattfindet, ist n < κ. c) Wie groß ist in diesem Fall die Temperatur T2 der
Die Polytropengleichung (3.71) beschreibt Gasfüllung?
aber auch alle bisher beschriebenen Zustands- d) Sonneneinstrahlung heizt danach den Ballon auf.
änderungen. Dabei nimmt der Polytropenex- Das Füllgas dehnt sich so lange aus, bis der Ballon
prall gefüllt ist. Dabei bleibt der Druck konstant
ponent folgende Werte an:
(p3 = p2 ). Auf welchen Wert T3 steigt dabei die
– Isotherme: n = 1, Gastemperatur?
– Isentrope: n = κ, e) Welche Wärme Q23 hat das Gas aufgenommen?
– Isobare: n = 0,
Ü 3.3-7 Eine abgeschlossene Menge eines idealen Ga-
– Isochore: n = ∞. ses wird vom Ausgangszustand p1 = 1 bar, V1 = 1 l
und ϑ1 = 22 ◦ C auf die Hälfte seines Volumens verdich-
Die Poisson’schen Gleichungen (3.66)
tet. Während der Kompression wird Wärme zugeführt,
bis (3.68) gelten auch für polytrope Zustands- sodass eine Zustandsänderung gemäß der Beziehung
änderungen, wenn der Isentropenexponent κ pV 2 = konst. durchlaufen wird. a) Wie groß ist der
durch den Polytropenexponenten n ersetzt erreichte Enddruck p2 ? b) Welche Endtemperatur ϑ2
wird. Ebenso gilt (3.69) für die Berechnung stellt sich ein? c) Welche Arbeit W12 wurde dem Sys-
der Volumenänderungsarbeit, wenn anstelle tem bei der Kompression zugeführt? d) Wie groß ist
des Isentropenexponenten der Polytropenex- die zugeführte Wärme Q12 , wenn das Gas aus Molekü-
len in Form einer starren Hantel besteht, bei denen die
ponent eingesetzt wird.
Freiheitsgrade der Translation und Rotation angeregt
Eine Zusammenstellung der wichtigsten Er- sind?
gebnisse von Abschn. 3.3.4 zeigt Abb. 3.22.
Ü 3.3-8 Wasserstoff mit der Teilchenmenge ν wird
Zur Übung in einem Zylinder mit verschiebbarem Kolben ei-
Ü 3.3-5 Beim Dieselmotor wird im Kompressionstakt ner Zustandsänderung unterworfen. Der Ausgangszu-
Luft so rasch verdichtet, dass keine Wärmeabgabe an stand ist gekennzeichnet durch p1 = 1 bar, V1 = 2 l
3.3
und ϑ1 = 20 ◦ C. Die Zustandsänderung erfolgt im Insgesamt wird also bei einem rechtsläufi-
p, V-Diagramm längs einer Geraden vom Anfangs- gen Kreisprozess mehr Arbeit abgegeben als
zum Endzustand, der bestimmt ist durch den Druck zugeführt.
p2 = 2 bar und das Volumen V2 = 3 l. a) Wie groß
ist die Teilchenmenge ν des Gases? b) Wie groß ist die
Endtemperatur ϑ2 ? c) Welche Arbeit W12 gibt das Gas Die je Umlauf nach außen abgegebene
nach außen ab? d) Um welchen Betrag ΔU steigt die Nutzarbeit entspricht dem Flächeninhalt
innere Energie des Gases? e) Welche Wärmemenge Q12 der vom Kreisprozess eingeschlossenen
wird bei der Zustandsänderung zugeführt? Figur im p, V-Diagramm. Sie kann als
Kreisintegral geschrieben werden:
3.3.5 Kreisprozesse
W = δW = − p dV . (3.72)
Durchläuft ein System eine Folge von Zu-
standsänderungen, sodass der Endzustand
wieder mit dem Anfangszustand überein- Der erste Hauptsatz nimmt bei einem kom-
stimmt, so handelt es sich um einen Kreispro- pletten Umlauf die Form
zess. Ein rechtsläufiger Kreisprozess liegt
vor, wenn die Zustandsänderungen im p, V-
Diagramm im Uhrzeigersinn durchlaufen dU =0= δQ + δW (3.73)
werden. Beim Kreisprozess in Abb. 3.23 wird
während der Expansion von 1 nach 2 Volu-
menänderungsarbeit nach außen abgegeben, an. Das Kreisintegral über alle Änderungen der
die der Fläche unter der oberen Kurve ent- inneren Energie ist null, da die innere Ener-
spricht. Bei der anschließenden Kompression gie als Zustandsgröße nach einem vollen Um-
von 2 nach 1 wird Arbeit zugeführt, die der lauf wieder den Anfangswert annimmt. Dies
Fläche unter der unteren Kurve entspricht. bedeutet, dass sich die je Zyklus abgegebene
Nutzarbeit aus der Differenz der zu- und ab-
geführten Wärmen ergibt.
Bei einem linksläufigen Kreisprozess wird die
Figur im p, V-Diagramm im Gegenuhrzeiger-
sinn durchlaufen. Da hierbei die abgegebene
Expansionsarbeit stets kleiner ist als die zu-
geführte Kompressionsarbeit, läuft der Pro-
zess nur, wenn mit Hilfe eines Motors peri-
odisch mechanische Arbeit zugeführt wird.
Tabelle 3.9 zeigt eine Gegenüberstellung der
Eigenschaften von rechts- und linksläufigen
Kreisprozessen.
Die Kreisprozesse, die im Folgenden beschrie-
ben werden, sollen reibungsfrei durchlaufen
Abb. 3.23 Rechtsläufiger Kreisprozess. 1, 2
werden. Ferner soll sich das Gas stets im ther-
Zustandspunkte, helle Graufläche: zugeführte
Volumenänderungsarbeit, gesamte Graufläche: modynamischen Gleichgewicht mit der Umge-
abgegebene Volumenänderungsarbeit, umfahrene bung befinden. Unter diesen Voraussetzungen
Fläche: Nutzarbeit sind alle Kreisprozesse reversibel führbar, d. h.,
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 213
W12 = νRm T1 ln
V1
, Daraus folgt für die Volumina V4 / V3 = V1 / V2
V2 und schließlich für die Nutzarbeit
214 3 Thermodynamik
Abb. 3.24 Carnot’scher Kraftmaschinenprozess. Q Wärme, W Arbeit, rot umgrenzte Fläche: Nutzarbeit
V4
W = −νRm ln (T3 − T1 ) . oder, mit den Bezeichnungen des Carnot-
V3 Prozesses und richtigen Vorzeichen,
Sie ist negativ, weil sie vom System nach außen
abgegeben wird.
Die Energieströme, die bei der Carnot- Q12 + Q34 + W =0. (3.74)
Kraftmaschine (und im Prinzip bei jeder
Wärmekraftmaschine) umgesetzt werden,
Verschiedene Kreisprozesse lassen sich mit-
sind in Abb. 3.25 anschaulich dargestellt. Von
einander vergleichen durch Berechnung des
der zugeführten Wärme kann nur ein Teil
thermischen Wirkungsgrades ηth , der den Nut-
(meist der kleinere) als mechanische Arbeit
zen (abgegebene Arbeit) zum Aufwand (zuge-
abgegeben werden. Den anderen Teil muss
führte Wärme) ins Verhältnis setzt:
das System als Abwärme an eine Wärmesenke
tiefer Temperatur abführen. Aus dem ersten
Hauptsatz folgt die Bilanzgleichung |W|
ηth = . (3.75)
Qzu
|W| = Qzu − |Qab |
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 215
idealen Carnot-Prozess ablaufen lässt und Der linksläufige Kreisprozess kann auf zweier-
die übertragenen Wärmen misst. Wird die lei Arten genutzt werden:
Temperatur eines Wärmebads festgelegt, z. B.
die Temperatur von Wasser am Tripelpunkt a) Kältemaschine
mit TTr = 273,16 K, dann kann die ganze Eine Kältemaschine hat die Aufgabe, einen
Temperaturskala ausgemessen werden. Die Raum zu kühlen, in dem z. B. Lebensmit-
so definierte thermodynamische Tempera- tel gelagert werden. Der zu kühlende Raum
tur ist identisch mit der Gastemperatur des dient als Wärmequelle. Ihm wird bei der Tem-
Gasthermometers (Abschn. 3.1.3). peratur T1 , die niedriger ist als die Umge-
bungstemperatur T3 , die Wärme Qzu entzogen
Linksläufiger Prozess und dem System zugeführt. Als Wärmesenke
Beim linksläufigen Carnot-Prozess wird das dient i. Allg. die Umgebung. Das Verhältnis
p, V-Diagramm von Abb. 3.24 im Gegenuhr- von Nutzen zu Aufwand wird bei linksläufigen
zeigersinn durchlaufen. Dabei wird bei der Kreisprozessen als Leistungszahl ε bezeichnet.
tiefen Temperatur T1 Wärme aus der Umge- Bei einer Kältemaschine ist der Nutzen die
bung aufgenommen und bei der hohen Tem- Wärme Qzu , der Aufwand ist die Arbeit W des
peratur T3 wieder abgegeben. Das Energie- Antriebsmotors. Die Leistungszahl einer Käl-
flussdiagramm des linksläufigen Prozesses ist temaschine wird deshalb definiert als
in Abb. 3.26 dargestellt. Die Energiebilanz
sagt aus, dass die abgegebene Wärme betrags- Qzu Q̇zu
εK = = . (3.79)
mäßig gleich ist der Summe aus zugeführter W P
Wärme und mechanischer Arbeit:
(Q̇zu Wärmefluss, P Antriebsleistung). Für den
|Qab | = Qzu + W . (3.78) Carnot-Prozess ergibt sich mit den bereits be-
rechneten Energiebeträgen
T1
εK,C = . (3.80)
T3 − T1
Beispiel
3.3-5 Eine Kältemaschine nach Carnot soll eine Kühl-
raumtemperatur von ϑ1 = 5 ◦ C bei einer Außentem-
peratur von ϑ3 = 35 ◦ C erreichen. Wie groß ist die
Leistungszahl εKC ?
Lösung
Nach (3.80) ist εK,C = 278 K/ 30 K = 9,27. Dies bedeu-
tet, dass die Leistung des Antriebsmotors nur rund ein
Abb. 3.26 Energieflussdiagramm eines linksläufigen Neuntel der Wärmeleistung sein muss, die dem Kühl-
Carnot-Prozesses raum entzogen werden soll.
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 217
b) Wärmepumpe
Bei der Wärmepumpe ist die Wärmequelle die
Umgebung (z. B. Luft, Erdreich, Grundwasser),
der die Wärme bei tiefer Temperatur entzogen
und dem System zugeführt wird. Wärmesenke
ist z. B. die Warmwasserheizung eines Hau-
ses. Der Nutzen bei der Wärmepumpe liegt
also in der bei hoher Temperatur abgegebe-
nen Wärme Qab ; der Aufwand ist auch in die-
sem Fall die Arbeit W des Antriebsmotors. Die Abb. 3.27 Kreislauf einer Kompressor-Kältemaschine
Leistungszahl der Wärmepumpe wird deshalb bzw. -Wärmepumpe
definiert als
|Qab | |Q̇ab |
εW = = . (3.81) senänderungen (Abschn. 3.4.3) durchlaufen.
W P Das Prinzip des Kreislaufs zeigt Abb. 3.27. In
einem Verdampfer wird dem flüssigen Kälte-
Für den Carnot-Prozess ergibt sich mittel, das geringen Druck und niedrige Tem-
peratur hat, die Wärme Qzu zugeführt, so-
dass es verdampft. Der Dampf wird in einem
T3 1
εW,C = = . (3.82) Kompressor verdichtet und somit erwärmt. Im
T3 − T1 ηth,C Kondensator wird dem heißen Dampf die Wär-
memenge Qab entzogen, sodass das Kältemittel
Die Leistungszahl der Wärmepumpe nach Car- kondensiert. Die unter hohem Druck stehende
not ist immer größer als eins, und zwar umso Flüssigkeit wird durch ein Drosselventil ent-
größer, je kleiner der thermische Wirkungs- spannt. Dabei kühlt sie sich ab und wird dem
grad eines rechtsläufigen Carnot-Prozesses Verdampfer für den nächsten Kreislauf zuge-
zwischen denselben Temperaturgrenzen ist, leitet.
d. h., je kleiner die Temperaturdifferenz T3 −T1 Die Leistungszahlen realer Wärmepumpen
ist. sind niedriger als die Leistungszahl eines
Carnot-Prozesses. Für elektrisch betriebene
Beispiel Luft/Wasser-Wärmepumpen ist beispielsweise
3.3-6 Eine Wärmepumpe nimmt Wärme aus der Um- εW ≈ 3. Bei großen Anlagen, die mit einem
gebungsluft bei ϑ1 = −10 ◦ C auf und gibt Wärme an
Dieselmotor angetrieben werden, sind die
eine Warmwasserheizung mit der Vorlauftemperatur
erreichbaren Leistungszahlen größer.
ϑ3 = 40 ◦ C ab. Wie groß ist die Leistungszahl nach
Carnot?
p, V-Diagramm zeigen die Prozesse, bei denen die Wärmezufuhr idealisierend wie eine iso-
Wärme zu- bzw. abgeführt wird. chore Zustandsänderung erfolgt. Der thermi-
Obwohl Verbrennungsmotoren offene Systeme sche Wirkungsgrad hängt ab vom Kompressi-
sind, können sie näherungsweise als ge- onsverhältnis ε = V1 / V2 .
schlossene Systeme angesehen werden. Beim Ein weiterer Spezialfall des Seiliger-Prozesses
Seiliger-Prozess (nach einem Vorschlag von mit p2 = p3 = p4 ist der Diesel-Prozess (R. Die-
M. Seiliger, 1922) wird Frischluft isentrop sel, 1858 bis 1913). Der Kraftstoff wird so
verdichtet. Nach Zündung des Luft-Kraftstoff- in die komprimierte Luft eingespritzt, dass
Gemisches läuft eine Verbrennung ab, die die Verbrennung näherungsweise isobar er-
näherungsweise durch eine isochore und folgt. Abbildung 3.29 zeigt ein Original-p, V-
isobare Wärmezufuhr beschrieben wird. Die Diagramm eines Dieselmotors. Der thermi-
Expansion des verbrannten Gemisches erfolgt sche Wirkungsgrad des Diesel-Prozesses über-
isentrop. Der nachfolgende Austausch von trifft den des Otto-Prozesses, allerdings ist der
verbrannten Gasen durch Frischluft wird mittlere Kolbendruck im Dieselmotor wesent-
als isochore Wärmeabgabe angenähert. Der lich höher als im Ottomotor.
thermische Wirkungsgrad ist abhängig von Das Arbeitsmedium beim Stirling-Prozess
den Temperaturen der fünf Eckpunkte. (R. Stirling, 1790 bis 1878) ist ein Gas (meis-
Ein Spezialfall des Seiliger-Prozesses mit V2 = tens Luft). Die Wärmezufuhr erfolgt bei der
V3 = V4 ist der Otto-Prozess (N. Otto, 1832 bis isochoren Erwärmung und der isothermen
1892). Hierbei verbrennt das Luft-Kraftstoff- Expansion. Die während der isochoren Ab-
Gemisch nach der Zündung so schnell, dass kühlung abgegebene Wärme ist betragsmäßig
220 3 Thermodynamik
so groß wie die bei der isochoren Erwärmung Glühwendel eingebaut, die als elektrische Wär-
zugeführte: Q23 = −Q41 . Gelingt es, die abge- mequelle dient. Die Wärmesenke ist Kühlwas-
gebene Wärme Q41 zwischenzuspeichern und ser, das den unteren Teil des doppelwandigen
bei der isochoren Erwärmung wieder dem Zylinders durchfließt. Der Heißluftmotor kann
System zuzuführen, dann muss von außen her bezüglich des thermischen Wirkungsgrades
nur noch die Wärme Q34 zugeführt werden bislang nicht mit den Verbrennungsmotoren
und der thermische Wirkungsgrad erreicht konkurrieren, weil die interne Wärmeüber-
den Wert des Carnot-Prozesses. tragung (Q41 → Q23 ) nur unvollkommen ge-
Der Stirling-Prozess kann nach Abb. 3.30 nä- lingt. Der linksläufige Stirling-Prozess wurde
herungsweise so realisiert werden, dass ein Ar- z. B. bei der Philips-Gaskältemaschine ver-
beitskolben und ein Verdrängerkolben, um 90◦ wirklicht, die mit dem Arbeitsmedium Was-
phasenverschoben, auf eine Kurbelwelle arbei- serstoff oder Helium bei der Luftverflüssigung
ten. Der Verdrängerkolben schiebt die Luft im eingesetzt wird.
Zylinder hin und her und bringt sie abwech- In der offenen Gasturbine, die hauptsächlich
selnd in Kontakt mit dem heißen bzw. kalten bei Flugzeugen verwendet wird, läuft ein
Teil der Maschine. Der Regenerator besteht aus Prozess ab, den man näherungsweise durch
Metallspänen, die beim Durchströmen der hei- den Joule-Prozess beschreiben kann. Luft wird
ßen Luft Wärme aufnehmen und diese nach- im Verdichter isentrop komprimiert. In der
her wieder an die durchströmende kalte Luft Brennkammer wird eingespritzter Treibstoff
abgeben. (Kerosin) mit der heißen Luft verbrannt (iso-
Abbildung 3.31 zeigt ein Demonstrationsmo- bare Erwärmung) und anschließend in der
dell eines Heißluftmotors. Im Deckel ist eine Turbine isentrop entspannt. Die verbrannten
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 221
Zur Übung
Ü 3.3-9 Mit einem idealen Gas wird der rechtsläufige
Kreisprozess gemäß Abb. 3.32 durchgeführt, der sich
aus Isobaren und Isochoren zusammensetzt. Die Zu-
standsgrößen der Eckpunkte im p, V-Diagramm sind
p1 = 7,5 bar, p2 = 10 bar, V2 = 1 l, V3 = 1,5 l. Das Gas
besteht aus zweiatomigen Molekülen, die im betrach-
teten Temperaturbereich rotieren, ohne zu schwingen.
Die Teilchenmenge beträgt ν = 0,3 mol. a) Wie groß
sind die Temperaturen T1 , T2 und T3 ? b) Welche Nutz-
arbeit W wird je Umlauf abgegeben? c) Welche Wärme
Qzu muss je Zyklus zugeführt werden? d) Wie groß ist
der thermische Wirkungsgrad ηth des Kreisprozesses?
e) Welchen Wirkungsgrad hätte eine Carnot-Maschine,
Abb. 3.31 Demonstrationsmodell eines Heißluftmo- die zwischen denselben Maximal- und Minimaltempe-
tors raturen T3 und T1 arbeitet?
Ü 3.3-11 In einer mit Wasserstoff betriebenen Gaskäl- tur des Gases zu jeder Zeit mit der Umgebung
temaschine läuft ein linksläufiger Stirling-Prozess mit im Gleichgewicht sind.
folgenden Einzelprozessen ab: Wird der Fall eines Apfels von einem Baum
1 → 2: Isochore Erwärmung vom Anfangszustand gefilmt und der Film später rückwärts laufend
p1 = 9 bar, V1 = 0,28 l und T1 = 77 K auf betrachtet, so löst die Szene allgemeine Heiter-
T2 = 300 K; keit aus. Jedermann weiß aus Erfahrung, dass
2 → 3: Isotherme Kompression von V1 = V2 auf V3 = dieser Vorgang irreversibel ist, also nicht von
V4 = 0,14 l; allein in umgekehrter Richtung abläuft.
3 → 4: Isochore Abkühlung von T2 auf T1 ;
4 → 1: Isotherme Expansion von V4 auf V1 .
Ein Vorgang ist irreversibel, wenn seine
a) Wie groß ist die Leistungszahl εK des Prozesses un-
Umkehr zum Ausgangszustand nur un-
ter der Voraussetzung, dass die interne Wärmeübertra-
gung −Q34 = Q12 ideal gelingt? b) Welche Kälteleistung
ter äußerer Einwirkung möglich ist, wo-
Qzu liefert die Maschine, wenn n = 1 400 min−1 Zyklen bei eine Veränderung in der Umgebung
durchlaufen werden? c) Wie groß ist die erforderliche zurückbleibt.
Leistung P des Antriebsmotors? d) Welche Wärmeleis-
tung |Q̇ab | wird an die Umgebung abgegeben?
Beim unelastischen Aufprall des Apfels auf den
Boden wird seine kinetische Energie in ther-
3.3.6 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik mische Energie umgesetzt; die Temperatur des
Apfels und der unmittelbaren Umgebung er-
3.3.6.1 Reversible und irreversible Prozesse höht sich demnach geringfügig. Der umge-
Wird vom elastischen Stoß zweier Billardku- kehrte Vorgang, dass der Apfel sich abkühlt
geln eine Filmaufnahme gemacht und der Film und dann nach oben hüpft, ist noch nie beob-
anschließend vorwärts- und rückwärtslaufend achtet worden, obwohl er den ersten Hauptsatz
betrachtet, so kann ein Zuschauer, der bei der nicht verletzen würde.
Aufnahme nicht dabei war, nicht sagen, welche Weitere Beispiele für irreversible Vorgänge
Laufrichtung des Films das Experiment rich- sind
tig wiedergibt. In beiden Richtungen könnte
der Vorgang abgelaufen sein; keine der beiden
Varianten verletzt die Stoßgesetze. Solche um- – Diffusion: Stoffe breiten sich aufgrund ei-
kehrbaren oder reversiblen Vorgänge werden nes Konzentrationsgefälles so lange aus, bis
in der Mechanik beobachtet, wenn keine Wär- die Konzentration räumlich konstant ist.
meentwicklung infolge von Reibung auftritt. Konzentrationsunterschiede dagegen bauen
sich nicht von selbst auf;
– Wärmeübergang: Wärme geht von einem
Ein Prozess ist reversibel, wenn bei seiner
warmen auf einen kalten Körper über, bis
Umkehr der Ausgangszustand wieder er-
die Temperatur ausgeglichen ist. Tempera-
reicht wird, ohne dass Änderungen in der
turunterschiede jedoch entstehen nicht von
Umgebung zurückbleiben.
selbst;
– Chemische Reaktionen, die von selbst ablau-
Reversible Zustandsänderungen von Gasen fen: Wasserstoff verbindet sich mit Sauer-
sind als idealisierte Grenzfälle denkbar, wenn stoff zu Wasser. Für die Zersetzung des Was-
die Prozesse reibungsfrei und quasistatisch sers in seine Bestandteile hingegen muss
verlaufen, sodass der Druck und die Tempera- Energie aufgewendet werden.
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 223
δQrev
3.3.6.3 Entropie =0. (3.83)
T
Die bisherigen Formulierungen des zweiten
Hauptsatzes können mathematisch ausge-
drückt werden mit Hilfe der Zustandsgröße Der Index rev soll daran erinnern, dass die
Entropie, die gestattet, den Grad der Irrever- Prozessführung reversibel sein muss.
sibilität eines Vorganges zu berechnen. Aus- Wenn die Größe δQTrev bei einem kompletten
gangspunkt der folgenden Betrachtungen ist Umlauf keine Änderung erfährt, erfüllt sie die
der ideale reversibel geführte Carnot-Prozess Voraussetzungen, die an eine Zustandsgröße
(Abb. 3.24). Für die umgesetzten Wärmen gestellt werden. Diese Zustandsgröße bezeich-
und die Temperaturen der Wärmebäder gilt net man nach Clausius als Entropie S. Ihr Dif-
nach (3.77) ferential ist definiert als
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 225
δQrev T2
dS = . (3.84) ΔS = S2 − S1 = νCmV ln
T T1
V2
+ νRm ln . (3.86)
V1
Die Maßeinheit der Entropie ist J/K. Der Null-
punkt kann willkürlich gewählt werden. Die
Entropiedifferenz zwischen einem Ausgangs- Nach (3.51) kann die innere Energie durch die
zustand 1 und einem Endzustand 2 ist Enthalpie H ausgedrückt werden:
dU = dH − p dV − V dp .
2
δQrev
ΔS = S2 − S1 = . (3.85) Damit gilt
T
1
dH − V dp dT dp
dS = = νCmp − Rm
T T p
Die Entropieänderung ist als Differenz zweier
Zustandsgrößen wegunabhängig. Zu ihrer und nach der Integration
Berechnung muss aber ein – wenigstens in
Gedanken – realisierbarer reversibler Weg T2 p2
beschritten werden. Bei reversibel geführten ΔS = S2 − S1 = νCmp ln − νRm ln .
T1 p1
adiabaten Zustandsänderungen ist δQrev = 0. (3.87)
Somit gibt es keine Änderung der Entropie
(S1 = S2 ); die Zustandsänderung verläuft isen-
trop.
Beispiel
Die Entropieänderung bei einer Zustandsän-
3.3-7 In einem berühmt gewordenen Versuch ließ
derung eines idealen Gases lässt sich aus (3.84) Gay-Lussac nach Abb. 3.35 ein Gas aus einem Behälter
mit Hilfe des ersten Hauptsatzes berechnen: in einen zunächst evakuierten Rezipienten strömen.
Die Anordnung war nach außen wärmeisoliert (adia-
δQrev dU + p dV bates System). Gay-Lussac fand, dass nach Erreichen
dS = = .
T T des Gleichgewichtszustands die Temperatur des Gases
nicht verändert war und schloss daraus, dass die innere
Mit (3.46) für die Änderung der inneren Ener- Energie idealer Gase nicht vom Volumen abhängt. Wie
gie ergibt sich daraus groß ist die Entropieänderung bei dem geschilderten
Vorgang?
dT p
dS = νCmV · + dV .
T T
dT dV
dS = νCmV + νRm .
T V
Lösung
Obwohl die Ausströmung ins Vakuum ein hochgra-
dig irreversibler Prozess ist, lässt sich die Entropieän-
derung mit Hilfe eines reversiblen Ersatzprozesses be-
rechnen. Ein denkbarer Ersatzprozess ist die isotherme
Expansion mit jeweils dem gleichen Anfangs- und End-
zustand wie der tatsächliche Prozess. Nach (3.86) gilt
dann mit T1 = T2
V2
ΔS = S2 − S1 = νRm ln .
V1
Die Entropieänderung ist größer als null, weil V2 > V1
ist. Ist z. B. ν = 1 mol und V2 / V1 = 2, dann beträgt die
Entropieänderung
J J
ΔS = 1 mol · 8,314 · ln 2 = 5,76 .
mol K K
Da in der Natur von selbst nur irreversible Pro- Abbildung 3.37 zeigt das Wärmeschaubild des
zesse ablaufen, gilt: Carnot-Prozesses. Die zugeführte Wärme ent-
spricht der Fläche unterhalb der Geraden 3–4,
In einem adiabaten geschlossenen Sys- die abgegebene Wärme ist sichtbar als Flä-
tem können von selbst nur Vorgänge ab- che unterhalb der Geraden 1–2. Die Nutzar-
laufen, bei denen die Entropie ansteigt. beit entspricht wie beim p, V-Diagramm dem
Flächeninhalt der umfahrenen Figur.
Ein Beispiel für den Entropieanstieg ist die 3.3.6.4 Statistische Deutung der Entropie
Ausströmung eines Gases ins Vakuum (Bei- Mit Hilfe statistischer Betrachtungen soll ge-
spiel 3.3-7). Ist ein System abgeschlossen, dann zeigt werden, dass die Entropie in engem Zu-
ist die innere Energie des Systems konstant sammenhang steht zu der Wahrscheinlichkeit,
und die Entropie des Systems strebt einem mit der ein bestimmter Zustand realisiert wer-
Maximalwert zu, den sie im Gleichgewichts- den kann.
zustand erreicht hat. Zunächst soll gemäß Abb. 3.38 der übersicht-
Aus der Definitionsgleichung der Entropie liche Fall betrachtet werden, dass sich ledig-
dS = δQrev / T folgt, dass in einem T, S- lich N = 4 Moleküle in einem Gefäß befinden.
Diagramm die reversibel umgesetzte Wär- Teilt man das Gefäß willkürlich in zwei Hälf-
memenge als Fläche unter der Kurve einer ten, so befindet sich jedes Molekül mit dersel-
Zustandsänderung abgelesen werden kann: ben Wahrscheinlichkeit entweder in der linken
oder in der rechten Gefäßhälfte. Nun sollen
δQrev = T dS oder
aber fünf so genannte Makrozustände vergli-
chen werden. Das sind Besetzungen der bei-
den Hälften mit n1 :n2 = 0:4, 1:3, 2:2, 3:1 und
2
4:0 Molekülen. Anhand der durchnummerier-
Q12,rev = T dS . (3.91)
ten Moleküle erkennt man sofort, dass jeder
1
Makrozustand durch verschieden viele Mikro-
zustände oder Komplexionen realisiert werden
kann. So hat der Zustand der Gleichvertei-
lung in den beiden Gefäßhälften, n1 :n2 = 2:2,
ln N! ≈ N · ln N − N . (3.94)
Sie wird auch als thermodynamische Wahr-
scheinlichkeit bezeichnet. Im Gegensatz zur
normalen Wahrscheinlichkeit ist W meist eine
große Zahl. Beispiel
Während man sich bei N = 4 Molekülen durch- 3.3-8 Wie groß ist der Zuwachs an Entropie, wenn
ein ideales Gas mit N Molekülen überströmt in ein
aus noch vorstellen kann, dass sich im Ver-
Gefäß mit doppeltem Volumen (Abb. 3.35, Beispiel 3.3-
lauf der thermischen regellosen Bewegung ge- 7, Überströmversuch von Gay-Lussac).
legentlich alle Moleküle in einer Gefäßhälfte
befinden (die Gleichverteilung ist nur 6-mal Lösung
Der Anfangszustand, in dem sich das Gas in einer
wahrscheinlicher), nimmt die Komplexionen-
Gefäßhälfte befindet, besitzt die Komplexionenzahl
zahl W der Gleichverteilung mit zunehmender WA = N!0!
N!
= 1 und damit die Entropie SA = k ln 1 = 0.
Teilchenzahl N extrem zu. Bereits bei N = 10 Der Endzustand mit der größten Realisierungswahr-
Molekülen lässt sich die Gleichverteilung 5:5 scheinlichkeit ist die Gleichverteilung mit der Kom-
durch W = 252 Mikrozustände realisieren, ist plexionenzahl WE = NN!2 und der Entropie SE =
- . 2!
also 252-mal wahrscheinlicher als der Zustand k ln N! − 2 ln N2 ! .
0:10. Bei den großen Teilchenzahlen, wie sie Mithilfe der Stirling’schen Formel (3.94) wird daraus
in Gasen vorkommen, z.B. in der Größenord- SE = Nk ln 2 = νRm ln 2.
nung der Avogadro’schen Konstante, besitzt
Die Entropieänderung ist damit
die Gleichverteilung der Moleküle auf das Ge-
fäßvolumen eine derart hohe Wahrscheinlich- ΔS = SE − SA = νRm ln 2,
keit, dass die spontane Besetzung des halben in Übereinstimmung mit der thermodynamischen Be-
Gefäßvolumens durch alle Moleküle nicht auf- rechnung von Beispiel 3.3-7.
treten wird.
Von L. Boltzmann stammt die Erkenntnis, Füllt man in einen Behälter weißen Sand und
dass derjenige Makrozustand, der sich durch schichtet darüber vorsichtig dunklen Sand,
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 229
dann werden sich die beiden Sandsorten beim der von H. Haken (∗ 1927) begründeten Lehre
Schütteln des Gefäßes mischen. Dieser typisch vom Zusammenwirken der Einzelteile offener
irreversible Mischungsvorgang kann vom Systeme, der Synergetik.
Standpunkt der Wahrscheinlichkeitsrechnung
so interpretiert werden, dass das System vom Zur Übung
Ü 3.3-12 Wie groß ist die Energie, die man mit ei-
unwahrscheinlichen Zustand hoher Ordnung
nem Perpetuum mobile zweiter Art aus dem Meer-
in den wahrscheinlicheren Zustand großer wasser gewinnen könnte, wenn dieses um Δϑ = 1 ◦ C
Unordnung übergeht. Von selbst ablaufende abgekühlt würde? Die Masse des Meerwassers ist m ≈
Vorgänge gehen stets von geordneten Zu- 1,4 · 1021 kg. Wie lange würde dieser Energievorrat rei-
ständen in Richtung größerer Unordnung. chen bei einem mittleren Leistungsbedarf der Mensch-
Da sie gleichzeitig mit einem Entropieanstieg heit von ungefähr P = 13 TW?
verknüpft sind, folgt:
Ü 3.3-13 Stickstoff wird vom Normzustand pn , Tn und
Vn = 1 l a) isobar, b) isochor auf die Temperatur
Die Entropie ist ein Maß für den Grad T1 = 500 K erwärmt. Wie groß ist in beiden Fällen
der Unordnung eines Systems. die Entropieänderung?
∂F ∂F Die freie Enthalpie hat eine ähnliche Bedeu-
dF = dV + dT . (2)
∂V T ∂T V tung wie die freie Energie. In einem isotherm-
Aus dem Vergleich der Beziehungen (1) und isobaren System gilt
(2) folgt
dG 0 . (3.103)
∂F
p=− und (3.98)
∂V T
Das Gleichheitszeichen gilt für reversible, das
∂F
S=− . (3.99) Kleiner-als-Zeichen für irreversible Vorgänge.
∂T V
In isotherm-isobaren Systemen strebt
Ist ein thermodynamisches Potential als Funk- die freie Enthalpie ein Minimum an, das
tion seiner natürlichen Variablen bekannt, so sie im Gleichgewichtszustand erreicht
kann man durch reine Differenziationspro- hat.
zesse andere thermodynamische Potentiale
oder Zustandsgrößen gewinnen. Auf diese
Weise werden beispielsweise Dampftafeln 3.3.8 Dritter Hauptsatz der Thermodynamik
berechnet.
Ein weiteres thermodynamisches Potential ist Durch experimentelle Untersuchungen fand
die freie Enthalpie G oder Gibbs’sches Potential Nernst (W. Nernst, 1864 bis 1941) im Jahr
(J. W. Gibbs, 1839 bis 1903): 1906, dass die Entropie fester Körper am abso-
luten Temperaturnullpunkt nicht von der Kris-
G = H − TS = U + pV − TS . (3.100) tallmodifikation abhängt. So hat z. B. weißes
und graues Zinn bei T = 0 dieselbe Entropie:
Sweiß (0) = Sgrau (0).
Für das totale Differenzial der Zustandsgröße Bei Annäherung eines homogenen Systems an
G(p, T) gilt den absoluten Nullpunkt ist im Gleichgewicht
die molare Entropie unabhängig von thermo-
dG = dU + p dV + V dp − T dS − S dT .
dynamischen Parametern (z. B. Druck, Volu-
men, Kristallstruktur, Magnetfeld) und nimmt
Mit dU + p dV = δQ = T dS folgt dG = V dp − einen konstanten Wert Sm0 an. Dieser Nernst’-
S dT. Durch Vergleich mit sche Wärmesatz wurde von Planck erweitert,
der die Entropie am absoluten Nullpunkt null
∂G ∂G
dG = dp + dT setzte:
∂p T ∂T p
ergeben sich S0 = 0 für T = 0 . (3.104)
∂G Die Entropie reiner Stoffe ist am absolu-
V = und (3.101) ten Temperaturnullpunkt null.
∂P T
∂G
S=− . (3.102)
∂T P Diese Festlegung der Entropie durch den drit-
ten Hauptsatz ist im Einklang mit der statis-
232 3 Thermodynamik
tischen Deutung der Entropie. Der Gleichge- Hauptsatz für das Kreisintegral der Entropie
wichtszustand am absoluten Nullpunkt zeich-
net sich durch maximale Ordnung aus. Die Un- dS = S12 + S23 + S34 + S41 = 0 .
ordnung und damit die Entropie sind null.
Der dritte Hauptsatz ist nur gültig für reine Nun ist S23 = S41 = 0 wegen isentroper Pro-
Stoffe. Mischkristalle haben bei T = 0 eine zessführung. Nach dem dritten Hauptsatz ist
endliche Entropie. Außerdem müssen die Sys- S12 = 0 für T1 = 0. Also gilt S = S34 = 0. Die
teme im thermodynamischen Gleichgewicht Entropieänderung während der isothermen
sein. Dies ist z. B. bei Gläsern nicht der Fall. Expansion von 3 nach 4 ist aber nach (3.85)
Gläser haben auch bei T = 0 noch eine Un- Q34
ordnung, demnach ist S0 > 0. Der Übergang S34 = >0.
T3
in eine geordnete kristalline Phase findet nicht
statt, weil bei tiefen Temperaturen die Reakti- Der Widerspruch löst sich nur, wenn die tiefe
onsgeschwindigkeiten vernachlässigbar klein Temperatur T1 > 0 gesetzt wird. Daraus folgt:
werden.
Die Entropie eines Systems kann nach dem Der absolute Temperaturnullpunkt lässt
dritten Hauptsatz absolut berechnet werden sich nicht erreichen.
Tabelle 3.10 Kritische Temperatur Tk , kritischer Druck pk sowie van-der-Waals’sche Konstanten a und b
verschiedener Stoffe
N m4 m3
Stoff Tk in K pk in MPa a in 105 b in 10−2
kmol2 kmol
Elemente
Wasserstoff (H2 ) 33,240 1,296 0,2486 2,666
Helium (He) 5,2010 0,2275 0,0347 2,376
Stickstoff (N2 ) 126,20 3,400 1,366 3,858
Sauerstoff (O2 ) 154,576 5,043 1,382 3,186
Luft 132,507 3,766 1,360 3,657
anorganische Verbindungen
Chlor (Cl2 ) 417 7,70 6,59 5,63
Wasser (H2 O) 647,30 22,120 5,5242 3,041
Ammoniak (NH3 ) 405,6 11,30 4,246 3,730
Kohlendioxid (CO2 ) 304,2 7,3825 3,656 4,282
organische Verbindungen
Methan (CH4 ) 190,56 4,5950 2,3047 4,310
Propan (C3 H8 ) 370 4,26 9,37 9,03
Butan (C4 H10 ) 425,18 3,796 13,89 11,64
und pk Vmk 3
Zk = = . (3.114)
Rm Tk 8
8a
Tk = . (3.111)
27 b Rm
Wenn die allgemeine Gasgleichung für ideale
Gase am kritischen Punkt gültig wäre, müsste
Werden diese beiden Gleichungen in die van- Zk = 1 sein. Der Realgasfaktor Z gibt also
der-Waals’sche Zustandsgleichung (3.109) ein- den Grad der Abweichung von der allgemei-
gesetzt, ergibt sich nen Gasgleichung an (Abb. 3.39).
Sind zwei der kritischen Werte pk , Vmk
a und Tk bekannt, dann können die van-der-
pk = . (3.112) Waals’schen Konstanten a und b errechnet
27 b2
werden:
2a
Ti ≈ . (3.117)
Rm b
3.4.2 Gasverflüssigung (Joule-Thomson-Effekt)
Da für die kritische Temperatur eines realen
Bei einem realen Gas ist wegen der zwischen-
Gases nach (3.111) Tk = 8a/ (27bRm ) gilt, ist
molekularen Wechselwirkungen und des
die Inversionstemperatur
Eigenvolumens der Moleküle die innere Ener-
gie U volumen- und druckabhängig. Wird ein
reales Gas adiabat (ohne Wärmeübertragung) Ti = 6,75 Tk . (3.118)
und ohne Arbeitsverrichtung (Drosselung)
entspannt, so kühlt es sich im Gegensatz
zum idealen Gas ab. Zur Überwindung der Weil für Luft, Stickstoff, Sauerstoff und Koh-
zwischenmolekularen Anziehungskräfte muss lendioxid die Inversionstemperatur Ti weit
nämlich Energie aufgewendet werden, die aus oberhalb der Raumtemperatur liegt, kühlen
dem Vorrat der inneren Energie U entnommen sich diese Gase nach dem Joule-Thomson-
wird. Dieser Effekt wird Joule-Thomson-Effekt Effekt ab, während sich Wasserstoff bei Raum-
genannt (J. P. Joule, 1818 bis 1889, und temperatur (Tk = 33,3 K) erwärmt. Deshalb
W. Thomson, 1824 bis 1907). Die druck- wird Wasserstoff zwecks Verflüssigung erst mit
bezogenen Temperaturdifferenzen betragen flüssigem Stickstoff vorgekühlt.
beispielsweise für Luft ΔT /Δp = 2,5 K/MPa In Abb. 3.41 sind einige technisch bedeutsame
und für Kohlendioxid ΔT /Δp = 7,5 K/MPa. Temperaturen und die entsprechenden phy-
sikalischen Effekte zusammengestellt. Für die Eigenschaften. Der Begriff Phase kann sowohl
Untersuchung von Werkstoffen bei tiefen Tem- auf die drei Aggregatzustände der Materie
peraturen kühlt man die Proben mit flüssi- (fest, flüssig, gasförmig) als auch auf die ver-
ger Luft (T = 79 K) oder flüssigem Stickstoff schiedenen Modifikationen desselben Stoffs
(T = 77 K) ab. Zur Untersuchung des supralei- (z. B. α- und γ -Eisen) angewandt werden.
tenden Zustandes (Abschn. 9.2.3) kühlt man Die unterschiedlichen chemischen Bestand-
meist mit flüssigem Helium (T = 4,2 K bis teile werden Komponenten genannt und
0,83 K). Um tiefere Temperaturen, die durch zweckmäßigerweise durch eine chemische
den Joule-Thomson-Effekt nicht mehr erreicht Strukturformel angegeben.
werden, zu erhalten, müssen paramagneti- Abbildung 3.42 zeigt die möglichen Phasen-
sche Salze adiabat entmagnetisiert werden. übergänge für die drei Aggregatzustände fest,
Infolge der während der Entmagnetisierung flüssig und gasförmig unter Berücksichtigung
zunehmenden Unordnung der magnetischen von Modifikationsänderungen innerhalb des
Struktur wird – analog zum Verdampfungs- festen Zustands. Allen Phasenübergängen ist
prozess – dem Stoff Wärme entzogen, sodass gemeinsam, dass Wärme zu- bzw. abgeführt
eine Abkühlung eintritt (z. B. Cäsium-Titan- werden muss, ohne dass eine Temperaturän-
Alaun, T = 0,0034 K). Nach diesem magne- derung eintritt. Diese Wärme wird deshalb
tokalorischen Effekt werden Temperaturen bis als latente Wärme bezeichnet. Wird beispiels-
T = 10−2 K erzeugt. Noch tiefere Temperatu- weise der Phasenübergang von fest nach flüssig
ren (bis T = 10−6 K) kann man durch Entma- betrachtet, dann dient die zugeführte Wärme
gnetisierung von Atomkernen erreichen. der Aufbrechung des Festkörpergitters. Die bei
konstantem Druck und konstanter Tempera-
3.4.3 Phasenumwandlungen tur zugeführte Wärme erhöht die Enthalpie
der Substanz: Hflüssig = Hfest + ΔHS . ΔHS wird
Eine Phase ist ein räumlich abgegrenztes Ge- als Schmelzenthalpie bezeichnet. Sie wird bei
biet eines Stoffes mit gleichen physikalischen der Erstarrung wieder frei (−ΔHS ). Beim Über-
gang vom festen in den gasförmigen Zustand oder keinen Einfluss zeigt. In der Mechanik
muss die Summe aus Schmelzenthalpie ΔHS (Abschn. 2.9.3) liegt bei einem stabilen Gleich-
und Verdampfungsenthalpie ΔHV als Sublima- gewicht ein Minimum der potentiellen Energie
tionsenthalpie ΔHsub = ΔHS + ΔHV zugeführt vor.
werden. Unterschiede in der potentiellen Energie
Abbildung 3.43 zeigt den Temperaturverlauf (Gradient des mechanischen Potentials) sind
als Funktion der zugeführten spezifischen die treibenden Kräfte, die im Minimum ver-
Enthalpie für Wasser vom Aggregatzustand schwinden. In der Wärmelehre können je
fest (Eis) bis gasförmig (Wasserdampf). In nach Systemzustand fünf Gleichgewichtsfor-
Tabelle 3.11 sind die Schmelz- bzw. Siede- derungen auftreten (Abschn. 3.3.7). Sie sind
punkte sowie die spezifischen Schmelz- bzw. in Abb. 3.44 zusammengestellt:
Verdampfungsenthalpien zusammengestellt
(die Siedepunkte und Verdampfungsent- – Maximum der Entropie S für ein abgeschlos-
halpien beziehen sich auf den Normdruck senes System ohne Materie- und Energie-
pn = 1,013 · 105 Pa). austausch;
– Minimum der freien Enthalpie G für ein
3.4.3.1 Thermodynamisches Gleichgewicht isobar-isothermes System;
Ein physikalisches System befindet sich im – Minimum der freien Energie F für ein
Gleichgewicht, wenn sein physikalischer Zu- isochor-isothermes System;
stand gleich bleibt. Es gibt stabile, labile und – Minimum der Enthalpie H für ein isobar-
indifferente Gleichgewichte, je nachdem, ob adiabates System sowie
eine äußere Störung das System zum Gleich- – Minimum der inneren Energie U für ein
gewichtszustand zurücktreibt, forttreibt isochor-adiabates System.
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 239
Tabelle 3.11 Schmelz- bzw. Verdampfungstemperatur ϑ sowie spezifische Schmelzenthalpie ΔhS und spezifische
Verdampfungsenthalpie ΔhV verschiedener Stoffe beim Druck pn = 1 013 hPa
Elemente
Wasserstoff (H2 ) −259,15 58,6 −252,75 461
Helium (He) −270,7 3,52 −268,94 20,9
Stickstoff (N2 ) −209,85 25,75 −195,75 201
Sauerstoff (O2 ) −218,75 13,82 −182,95 214
Luft −213 −192,3 197
anorganische Verbindungen
Chlor (Cl2 ) −100,95 90,4 −34,45 289
Wasser (H2 O) 0,00 335 100,00 2 257
Ammoniak (NH3 ) −80 339 −33,45 1 369
Kohlendioxid (CO2 ) −56,55 184 −78,45 574
organische Verbindungen
Methan (CH4 ) −182,45 58,6 −161,45 510
Propan (C3 H8 ) −187,65 80,0 −42,05 426
Butan (C4 H10 ) −138,35 77,5 −0,65 386
Chemische Reaktionen, die isobar und iso- Der Sättigungsdampfdruck steigt mit zuneh-
therm spontan ablaufen, haben alle eine ne- mender Temperatur, da zusätzlich Flüssigkeit
gative molare freie Enthalpie ΔGm . Dabei kann verdampft, und nimmt ab mit fallender
entweder Wärme frei werden (ΔH < 0) oder Temperatur, weil Dampf kondensiert. Abbil-
der Endzustand der Reaktion weist eine sehr dung 3.45 zeigt den Verlauf des Sättigungs-
viel höhere Entropie auf (ΔS = (ΔH − ΔG)/ dampfdruckes ps von Wasser in Abhängigkeit
T < 0). von der Temperatur. Diese Dampfdruckkurve
beschreibt die für das Gleichgewicht zwischen
flüssiger und gasförmiger Phase maßgeben-
3.4.3.2 Gleichgewicht zwischen flüssiger den Wertepaare von Sättigungsdampfdruck ps
und gasförmiger Phase und Temperatur.
Die Dampfdruckkurve wird durch den
Analog zur Maxwell’schen Geschwindigkeits-
Boltzmann-Faktor (3.31) beschrieben:
verteilung in Gasen (Abschn. 3.2.3) gibt es
auch in Flüssigkeiten eine temperaturabhän-
gige Verteilungsfunktion. Es ist immer eine ΔE
ps ∼ e− kT . (3.120)
bestimmte Anzahl von Teilchen vorhanden,
deren Geschwindigkeit und somit deren ki-
netische Energie groß genug ist, um gegen die
ΔE ist die Energie, die benötigt wird, um vom
Kohäsionskräfte der Nachbarteilchen die Flüs-
flüssigen in den gasförmigen Zustand zu ge-
sigkeitsoberfläche zu durchstoßen.
langen.
Betrachtet sei ein Gefäß, in dem sich eine
Der Verlauf der Dampfdruckkurve kann ge-
Flüssigkeit befindet. Wird der Gasraum eva-
nauer berechnet werden. Hierbei geht man
kuiert, so steigt der Dampfdruck so lange,
davon aus, dass mit einem Mol verdampfender
bis sich ein Gleichgewicht zwischen der
Flüssigkeit ein Carnot’scher Kreisprozess (Ab-
Verdampfungs- und der Kondensationsrate
schn. 3.3.5) durchlaufen wird. Wie Abb. 3.46
einstellt. Dann liegt ein gesättigter Dampf vor
zeigt, wird die Flüssigkeit auf dem Weg 3–4 bei
und der zugehörige Dampfdruck heißt Sätti-
der Temperatur T + dT und dem Sättigungs-
gungsdampfdruck ps . Er ist unabhängig vom
druck ps + dps durch Zufuhr der molaren
Volumen, da sich bei Vergrößerung bzw. bei
Verdampfungsenthalpie ΔHmv verdampft. Auf
Verkleinerung des Volumens entsprechend
dem Weg 1–2 erfolgt bei der Temperatur T und
mehr Dampf bildet bzw. kondensiert. Auch
dem Dampfdruck ps eine Kondensation. Zu-
das Einbringen von Körpern oder anderen D
nächst liegt das Volumen Vm in gasförmigem
Gasmolekülen beeinflusst also den Sättigungs- Fl
Zustand vor, am Ende ist das Volumen Vm flüs-
dampfdruck nicht. Für die Dampfdrücke eines
sig. (Die adiabaten Teilstücke 4–1 und 2–3 sind
Gasgemischs (Partialdrücke) gilt deshalb das
infinitesimal klein und daher bedeutungslos.)
Dalton’sche Gesetz (J. Dalton, 1766 bis 1844):
Die in diesem Diagramm verrichtete Arbeit ist
− dW = (Vm D
− VmFl
) dps . Nach (3.75) und (3.76)
Der gesamte Druck eines Gasgemisches
lässt sich der thermische Wirkungsgrad des
ist gleich der Summe der Partialdrücke:
Carnot’schen Kreisprozesses ermitteln aus
n
pges = pi . (3.119) D Fl
dT Vm − Vm dps
i=1 ηth = = .
T ΔHmv
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 241
Abb. 3.45 Verlauf des Sättigungsdampfdrucks ps von Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur
sprechend niedrigen Drücken und Temperatu- sonders wichtig sind die Gleichgewichtsge-
ren statt. Diesen Vorgang kann man bei Nor- biete (Koexistenzgebiete). Die grauen Flächen
maldruck bei Kohlensäureschnee (Trockeneis) in Abb. 3.47a zeigen die Gleichgewichtsge-
beobachten. biete zwischen Festkörper und Flüssigkeit (1),
Flüssigkeit und Gas (2) sowie Festkörper und
3.4.3.4 Koexistenz dreier Phasen Gas (3). Außerdem ist der kritische Punkt K er-
Der Verlauf der Phasengrenzen zwischen den sichtlich. Das Flüssigkeitsgebiet wird oberhalb
drei Aggregatzuständen fest, flüssig und gas- des kritischen Drucks pk durch die kritische
förmig in Abhängigkeit von Druck, Tempera- Isotherme Tk gegen das Gasgebiet abgegrenzt
tur und Volumen wird durch ein Zustands- (gestrichelte rote Linie in Abb. 3.47). Die Be-
diagramm beschrieben. Abbildung 3.47a zeigt grenzungshyperbel am rechten Bildrand gibt
dieses dreidimensionale „Gebirge“, Abb. 3.47b den Übergang zum idealen Gas an. Am kriti-
das p, T-Zustandsdiagramm und Abb. 3.47c schen Punkt K für Kohlendioxid betragen die
nochmals das p, T-Zustandsdiagramm spezi- Werte für die Zustandsgrößen pk = 7,38 MPa
ell für Kohlendioxid in detaillierter Form. Be- und Tk = 304,2 K. An der Sublimationsdruck-
244 3 Thermodynamik
kurve von Kohlendioxid lässt sich der Vor- ten Temperatur auf, weshalb der Tripelpunkt
gang der Sublimation bei Normaldruck zei- zur Temperaturdefinition geeignet ist. Der Tri-
gen, für den Normdruck pn = 0,1013 MPa er- pelpunkt des Wassers ist der Fundamental-
gibt sich im Gleichgewicht aus der Sublima- punkt für die Temperaturskala nach Kelvin.
tionsdruckkurve die Temperatur T = 195 K Er liegt bei der Temperatur TTr = 273,16 K,
(ϑ = −78 ◦ C). Bei dieser Temperatur fin- der Druck beträgt pTr = 612 Pa. Für Kohlen-
det ein direkter Übergang vom festen in den dioxid betragen die Werte TTr = 216,6 K und
gasförmigen Zustand statt (Sublimation). Im pTr = 0,52 MPa (Abb. 3.47c).
p, T-Zustandsdiagramm gibt es einen einzi- Befinden sich in einem Gefäß mehrere Phasen,
gen Punkt Tr, in dem die feste, flüssige und dann sind die Zustandsvariablen Druck und
gasförmige Phase im Gleichgewicht stehen. Er Temperatur nicht voneinander unabhängig.
wird Tripelpunkt genannt. Die Koexistenz von Die Anzahl der Freiheitsgrade f , d. h. die An-
drei Phasen tritt nur bei einer wohldefinier- zahl der physikalischen Zustandsgrößen, die
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 245
frei variiert werden können, sind durch die – Auslegung der Klimatisierung von Ver-
Gibbs’sche Phasenregel (J. W. Gibbs, 1839 bis kehrsmitteln (air condition in Bussen und
1903) gegeben: Flugzeugen) sowie
– Auslegung von Produktionshallen zur
Kunststoffverarbeitung. (Einige Kunststoffe
f =k+2−P . (3.125) geben nach zu feuchter Verarbeitung Was-
ser ab. Dann schrumpft das Kunststoffteil,
Es bedeuten hierbei k die Anzahl der unab- es ist nicht mehr maßhaltig.)
hängigen chemischen Komponenten und P die Die zahlenmäßigen Angaben in den folgen-
Anzahl der Phasen. Für reines Wasser ist k = 1. den Gleichungen sind auf den Normdruck
Liegt nur eine Phase vor (z. B. die Gasphase), (pn = 1,013 · 105 Pa) bezogen und für den in
dann ist P = 1 und es gibt f = 2 Freiheits- der Klimatechnik üblichen Temperaturbereich
grade. Dies bedeutet, dass die Temperatur und zwischen ϑ = −10 ◦ C und ϑ = +40 ◦ C nähe-
der Druck unabhängig voneinander variieren rungsweise gültig.
können. Liegen aber zwei Phasen gleichzeitig
vor (z. B. entlang der Dampfdruckkurve), so Druck der feuchten Luft
gibt es nur noch einen Freiheitsgrad (f = 1); Der Druck pFL der feuchten Luft wird un-
beispielsweise ist dann nur die Temperatur un- mittelbar an einem Barometer abgelesen (Ab-
abhängig variierbar. Im Tripelpunkt liegen alle schn. 2.12.1.1) und setzt sich nach dem Dalton’-
drei Phasen nebeneinander vor (P = 3). In schen Gesetz aus der Summe der Partialdrücke
diesem Fall gibt es keinen Freiheitsgrad mehr (Druck der trockenen Luft pTL und Druck des
(f = 0), d. h., die physikalischen Zustandsgrö- Wasserdampfes pD ) zusammen: pFL = pTL +pD .
ßen Druck p und Temperatur T sind festgelegt.
Abb. 3.50 h, x-Diagramm nach Mollier für feuchte Luft beim Druck p = 1 013 hPa (VDI-Richtlinie 2067, Blatt 3).
ϕ relative Feuchte. Die roten Linien beziehen sich auf Beispiel 3.4-2
ckene Luft Ri TL = 287 J/(kg K) und für Was- Da Ri D größer als Ri TL ist, ergibt sich
serdampf Ri D = 462 J/(kg K) zu setzen. nach (3.129), dass feuchte Luft leichter ist
als trockene.
Dichte der feuchten Luft
Spezifische Enthalpie feuchter Luft
Die Dichte der feuchten Luft ρFL setzt sich Die spezifische Enthalpie (h = H / m [kJ/kg])
aus der Dichte der trockenen Luft ρTL und der feuchten Luft hFL ist die Summe aus der
des Dampfes ρD zusammen: ρFL = ρTL + ρD . spezifischen Enthalpie der trockenen Luft hTL
Wird das allgemeine Gasgesetz verwendet, so und der mit dem Feuchtegrad x multiplizierten
ist ρTL = pTL / (Ri TL T) und ρD = pD / (Ri D T). spezifischen Enthalpie des Wasserdampfes hD ,
Nach dem Dalton’schen Gesetz (3.119) ist pTL = also
pFL −pD , sodass sich für die Dichte der feuchten
Luft ergibt
hFL = hTL + x hD . (3.130)
1 pFL − pD pD
ρFL = + . (3.129)
T Ri TL Ri D Setzt man für T0 = 273,15 K die Enthalpie
willkürlich gleich null, dann gilt nach (3.52)
248 3 Thermodynamik
für die spezifische Enthalpie der trockenen Temperaturen und damit unterschiedlichen
Luft hTL = cp TL (T − T0 ) und für die des kinetischen Energien wird vom System hö-
Wasserdampfes unter Berücksichtigung der herer Temperatur Wärme an das System
spezifischen Verdampfungsenthalpie ΔhV des mit niedrigerer Temperatur abgegeben. Der
Wassers hD = cp D (T − T0 ) + ΔhV . Wärmedurchgang lässt sich gemäß Abb. 3.51
Für klimatechnische Berechnungen geeigne- in die drei Übertragungsmechanismen Wär-
ter ist das Mollier-Diagramm (R. Mollier, meleitung, Konvektion und Wärmestrahlung
1863 bis 1935), eine grafische Darstellung der einteilen. In Festkörpern tritt nur Wärmelei-
Zusammenhänge von (3.128) bis (3.130) zwi- tung in Form einer Übertragung der Schwin-
schen der Temperatur ϑ der spezifischen En- gungsenergien benachbarter Moleküle und
thalpie h der feuchten Luft, der relativen Luft- der kinetischen Energien der Leitungselek-
feuchtigkeit ϕ und dem Feuchtegrad x. Übli- tronen in Stoßprozessen auf (Abschn. 9.3.1).
cherweise erstellt man das Mollier-Diagramm In Flüssigkeiten kommt es auch ohne von
für Normdruck gemäß Abb. 3.50. außen aufgeprägter Zwangsströmung zu Strö-
mungen erwärmter Teilmengen, zur freien
Beispiel
3.4-2 Gegeben sind m = 50 kg feuchte Luft vom Um- Konvektion. Wird die Flüssigkeit durch äu-
gebungsdruck p = 1,013 · 105 Pa mit einer Tempera- ßere Druckkräfte in Bewegung versetzt, so
tur ϑ = 35 ◦ C und einer relativen Luftfeuchtigkeit wird dieser Wärmetransportmechanismus als
ϕ1 = 0,5 (50%). Berechnet werden soll die Wärme- erzwungene Konvektion bezeichnet. In stehen-
menge, die dieser Luftmasse zu entziehen ist, um als den Flüssigkeiten bestimmt die Wärmeleitung
neuen Luftzustand eine Temperatur ϑ2 = 20 ◦ C bei
den Wärmetransport. Mit Ausnahme dün-
einer relativen Luftfeuchtigkeit von ϕ = 1 (100%) zu
erzielen. Ferner soll bestimmt werden, welche Kon-
ner ruhender Gasschichten, in denen die
denswassermenge hierbei anfällt. Wärmeleitung nicht vernachlässigbar ist,
dominieren in Gasen die Konvektion und die
Lösung
In Abb. 3.50 ist dieser Vorgang rot eingezeichnet. Der
Wärmestrahlung zwischen den Wänden des
Luftzustand 1 hat einen Feuchtegrad von x1 = 17,5 g/kg Gasvolumens. Im Vakuum ist der Wärme-
und eine spezifische Enthalpie von h1 = 80 kJ/kg. Da transport durch Wärmestrahlung der einzige
der Feuchtegrad sich bis zur relativen Luftfeuchtigkeit Wärmeübertragungsmechanismus.
von ϕ = 100% nicht ändert, wird im h, x-Diagramm
eine senkrechte Wegstrecke zurückgelegt. Entlang der
3.5.1 Wärmeleitung
Sättigungslinie verläuft der Prozess weiter bis zum Zu-
stand 2. Dieser hat einen Feuchtegrad x2 = 14,6 g/kg Den Zusammenhang zwischen der Ursache
und eine spezifische Enthalpie h2 = 57 J/kg. Daraus eines Wärmetransports, einem räumlichen
lässt sich die Kondenswassermenge ΔmH2 O = Δx m
Temperaturgradienten ∂ϑ/∂n in einer Raum-
berechnen, wobei Δx = x1 − x2 = 2,9 g/kg ist. Somit
errechnet sich ΔmH2 O = 2,9 · 50 g = 145 g Kondens- richtung n und der in der Zeitspanne Δt durch
wasser. Für die abgeführte Wärmemenge gilt eine Grenzfläche A transportierten Wärme ΔQ,
kJ der Wärmestromdichte jq = ΔQ/ AΔt = Q̇/ A,
ΔH = (h2 − h1 )m = −23 50 kg = −1 550 kJ .
kg beschreibt das Fourier’sche Grundgesetz des
molekularen Wärmetransports (J. B. J. Fou-
rier, 1768 bis 1830):
3.5 Wärmeübertragung
Durch die Trennwand zwischen thermody- jq = −λ grad ϑ (3.131)
namischen Systemen mit unterschiedlichen
3.5 Wärmeübertragung 249
Stoff ϑ ρ kg
cp
J
λ W a
m2
in ◦ C in 103 in in in 106
m3 kg K mK s
Festkörper
Aluminium 20 2,70 920 221 88,89
Eisen 20 7,86 465 67 18,33
Grauguss 20 ca. 7,2 545 ca. 50 ca. 13
Stahl 0.6 C 20 7,84 460 46 12,78
Gold 20 19,30 125 314 130,57
Kupfer 20 8,90 390 393 113,34
Schamottestein 100 1,7 835 0,5 0,35
Normalbeton 10 2,4 880 2,1R 1,0
Gasbeton 10 0,5 850 0,22R 0,5
Ziegelstein 10 1,2 835 0,5R 0,5
Eis 0 0,92 1 930 2,2 1,25
Schnee 0 0,1 2 090 0,11 0,53
Fichtenholz 10 0,6 2 000 0,13R 0,11
Polystyrol fest 20 1,05 1 300 0,17 0,125
Glas 20 2,5 800 0,8 0,4
Schaumglas 10 0,1 800 0,045R 0,6
Mineralfaser 10 0,2 800 0,04R 0,3
Flüssigkeiten
Wasser 20 0,998 4 182 0,600 0,144
Wärmeträgeröl 20 0,87 1 830 0,134 0,084
Kältemittel R 12 −20 1,46 900 0,086 0,065
Gase
Luft 20 0,00119 1 007 0,026 21,8
Kohlendioxid 0 0,00195 827 0,015 9,08
Wasserdampf 150 0,00255 2 320 0,031 5,21
ϑ Temperatur λ Wärmeleitfähigkeit (R Rechenwert DIN 4108)
ρ Dichte a Temperaturleitfahigkeit
cp spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck
turfeld folgt aus der Lösung der Laplace- für spezielle Randbedingungen gefundene Lö-
Gleichung (2.197) sungen können auf Wärmetransportprobleme
übertragen werden (elektrisches Analogon der
∂2 ϑ ∂2 ϑ ∂2 ϑ Wärmeleitung, Abschn. 2.12.2, Abb. 2.103).
+ + =0. (3.137)
∂x2 ∂y2 ∂z2 Sind das Temperaturfeld und der Verlauf
der Isothermen bekannt, dann berechnen
sich daraus die Wärmeströme nach (3.131),
Der Laplace-Gleichungstyp kommt auch in an- wobei die Wärmestromrichtung senkrecht
deren Bereichen der Physik, beispielsweise auf den Isothermen steht. So lassen sich die
in der Elektrostatik, vor. Dort experimentell in Abb. 3.53 dargestellten Lösungen für die
252 3 Thermodynamik
Beispiel
3.5-1 Wie groß ist der stationäre Wärmestrom
durch eine s2 = 24 cm dicke Hochlochziegelwand
(λR = 0,50 W/(m K)) mit einer außenseitigen
s3 = 60 mm dicken Polystyrol-Dämmplattenschicht
(λR = 0,04 W/(m K)) und s4 = 6 mm Kunstharz-
Abb. 3.54 Temperaturverlauf in einer mehrschichtigen
putz (λR = 0,70 W/(m K)) gemäß Abb. 3.54, auf die
Wand nach Beispiel 3.5-1
raumseitig ein S1 = 15 mm dicker Kalkgipsputz
(λR = 0,70 W/(m K)) aufgebracht ist? Wie ist der Tem-
peraturverlauf im Beharrungszustand in der Wand, definiert, der im vorliegenden Fall Rg = 2,01 m2 K/W
wenn die Oberflächentemperaturen innen ϑOi = 17 ◦ C ist, so errechnet sich die Wärmestromdichte jq durch
und außen ϑOa = −10 ◦ C betragen? die Wand zu
1
Lösung jq = (ϑOi − ϑOa ) = 13,4 W/m2 . (3.156)
Rg
Die Energieerhaltung fordert, dass die Wärmestrom-
dichte jq in allen Schichten gleich ist. Mit (3.140) führt Die Temperaturen an den Schichtgrenzen lassen sich
diese Forderung auf mit Hilfe von (3.152) bestimmen:
λ1 λ2 λ3 ϑ1 = ϑOi − R1 jq = 17,0 ◦ C
jq = (ϑOi − ϑ1 ) = (ϑ1 − ϑ2 ) = (ϑ2 − ϑ3 )
s1 s2 s3
− (0,02 · 13,4)K = 16,7 ◦ C , (3.157)
λ4
= (ϑ3 − ϑOa ) . (3.152) ϑ2 = ϑ1 − R2 jq = 10,3 ◦ C , (3.158)
s4
ϑ3 = ϑ2 − R3 jq = −9,9 ◦ C und (3.159)
Der Quotient Λ = λ/ s ist der Wärmedurchlasskoeffizi-
ent einer Schicht, der Kehrwert R = 1/Λ der Wärme- ϑOa = ϑ3 − R4 jq = −10 ◦ C . (3.160)
durchlasswiderstand mit der Maßeinheit m2 K/W
Nach (3.139) ist in plattenförmigen Schichten der Tem-
Wird (3.152) in die Beziehung
peraturabfall linear. Das Temperaturprofil in der Au-
ϑOi − ϑOa = (ϑOi − ϑ1 ) + (ϑ1 − ϑ2 ) ßenwand hat also den in Abb. 3.54 eingezeichneten
Verlauf.
+ (ϑ2 − ϑ3 ) + (ϑ3 − ϑOa ) (3.153)
3.5.2 Konvektion
In (3.165) hält der auf das Volumen bezoge- ϑ(x2 , y2 , z2 , 2 , ρ2 , cp2 , λ2 ) die Maßstabsfakto-
nen Trägheitskraft neben der von der Dichte ρ ren (3.166) eingesetzt gemäß
abhängigen Druckkraft und der zur kinema-
tischen Viskosität ν proportionalen Reibungs- f2 ∂x1 ∂x1 ∂x1
x1 + y1 + z1
kraft auch eine Auftriebskraft das Gleichge- fL ∂x1 ∂y1 ∂z1
wicht (ΔT ist das Temperaturgefälle im Fluid,
fp 1 ∂p1
das den Auftrieb verursacht, g die Fallbe- = −
fρ fL ρ ∂x1
schleunigung und γ der thermische Ausdeh- 2
fν f ∂ x1 ∂2 x1 ∂2 x1
nungskoeffizient des Fluids). + 2 ν1 + +
Die Lösungen der Differenzialgleichung fL ∂x21 ∂y21 ∂z12
(3.165) können laminare und turbulente + fγ fg fΔT (γ1 g1 ΔT1 ) , (3.167)
Strömungsformen sein. Der Wärmeübergangs-
koeffizient der Konvektion α∗K wird in der so stimmt diese Gleichung mit der Differen-
Praxis mit Hilfe von Modellversuchen ermit- zialgleichung einer Lösung ϑ(x1 , y1 , z1 , 1 , ρ1 ,
telt. Die Versuchsergebnisse lassen sich auf cp1 , λ1 ) überein, wenn die Maßstabsfaktoren
andere konvektive Wärmeübergangsverhält- folgenden Bedingungen genügen:
nisse übertragen, wenn diese geometrisch
und hydrodynamisch ähnlich sind, also die
f2 fp fν f
charakteristischen Längen L, die Viskositä- = = = fγ fg fΔT . (3.168)
ten ν, die Strömungsgeschwindigkeiten , fL fρ fL fL2
Dichten ρ, thermische Ausdehnungs- und
Wärmeübergangskoeffizienten γ , α∗ sowie die
Die Kenngrößen des Wärmeübergangs müs-
Wärmeleitfähigkeiten λ, die Temperaturdif-
sen also in folgender Relation zueinander ste-
ferenzen ΔT u. a. zueinander proportional
hen:
sind (Abschn. 2.12.2.3). Damit die Lösung
eines Modellfalls auf ein konkretes Problem
f2 22 L1 fν f ν2 2 L21
übertragen werden kann, müssen die Maß- = = = oder
stabsfaktoren fL 21 L2 fL2 ν1 1 L22
(3.169)
2 L2 1 L1
= = Re . (3.170)
L2 ν2 λ2 ρ2 ν2 ν1
fL = , fν = , fλ = , f = ,
L1 ν1 λ1 ρ ρ1
α∗2 2 a2 cp2
Das dimensionslose Verhältnis L/ ν wird
fα = ∗ , f = , fa = , fcp = ,
α1 1 a1 cp1 Reynoldszahl Re genannt und entspricht dem
ΔT2 p2 γ2
fΔT = , fp = , fγ = (3.166) Verhältnis der Trägheitskraft zur Reibungs-
ΔT1 p1 γ1 kraft. Die Trägheits- und Reibungskräfte in
den Strömungen zweier Wärmeübergänge
mit erzwungener Konvektion sind einander
Zwangsbedingungen genügen; dann stim- ähnlich, wenn die Reynoldszahlen überein-
men die Differenzialgleichungen (3.164) stimmen. Mit Hilfe der Reynoldszahl kann
und (3.165) des Problems mit denjenigen der Umschlagpunkt bestimmt werden, bei
des Modellfalls überein. Werden beispiels- dem eine laminare Strömung in eine turbu-
weise in (3.165) für die Temperaturverteilung lente „umkippt“. Diese kritische Reynoldszahl
3.5 Wärmeübertragung 257
Rekr ist stark geometrieabhängig. Bei einem zahl. Einige weitere dimensionslose Kenngrö-
Kreisrohr mit dem Rohrinnendurchmesser ßen sind in Tabelle 3.13 zusammengestellt.
als charakteristischer Länge L ist die Strö- Werden die Versuchsergebnisse von Modell-
mung laminar für Re < 2 300, oberhalb dieses fällen verallgemeinert, so ergeben sich Bezie-
Wertes, ausgelöst durch kleinste Störungen, hungen zwischen den dimensionslosen Kenn-
turbulent (Abschn. 2.12.2.3, Abb. 2.129). größen der Wärmeübertragung. Tabelle 3.14
Charakteristisch für die freie Konvektion ist die enthält die experimentell gefundenen Bezie-
Grashofzahl Gr. Sie folgt aus der Bedingung hungen für die Nußeltzahl Nu einiger speziel-
ler Wärmeübergänge.
Lässt sich ein konvektiver Wärmeübergang auf
fν f ν2 2 L21 γ2 g2 ΔT2
= = fγ fg fΔT = . einen solchen Modellfall abbilden, dann kann
fL2 ν1 1 L22 γ1 g1 ΔT1
aus dessen Nußeltzahl Nu der Wärmeüber-
(3.171)
gangskoeffizient α∗K bestimmt werden:
Beispiel
fλ ∂ϑ
−λ1 = fα α∗K1 (ϑF − ϑW ) 3.5-2 Wie hängt der konvektive Wärmeübergangsko-
fL ∂L1 effizient einer Wand von der Oberflächentemperatur
(3.173) der Wand ab? Wie groß ist er auf der Raumseite einer
Außenwand, deren Wärmeschutz nach DIN 4108 so
bemessen ist, dass bei einer Raumlufttemperatur von
folgt ϑLi = 20 ◦ C die Oberflächentemperatur nicht unter
ϑOi = 13,7 ◦ C absinkt? Die Raumhöhe ist normaler-
weise etwa h = 2,5 m.
α∗K2 L2 α∗K1 L1
= = Nu . (3.174)
λ2 λ1 Lösung
Für Luft mit ϑLi = 20 ◦ C ist nach Tabelle 3.15 Pr = 0,7.
Nach (3.183) ist bei freier, laminarer Konvektion vor
Die Nußeltzahl Nu ist für den konvektiven einer senkrechten Wand Nu = 0,53 (Gr Pr)1/ 4 und mit
Wärmeübergang die charakteristische Kenn- (3.188)
258 3 Thermodynamik
at
Fourierzahl Fo Fo = (3.175) instationäre Wärmeleitung
L2
2
Froudezahl Fr Fr = (3.176) Strömungen unter Schwerkrafteinfluss
gL
g γΔTL3
Grashofzahl Gr Gr = (3.172) freie Konvektion bei Temperaturgradient
ν2
α∗K L
Nußeltzahl Nu Nu = (3.174) stationärer konvektiver Wärmeübergang
λ
L
Pécletzahl Pe Pe = (3.177) erzwungene instationäre Konvektion
a
νρcp
Prandtlzahl Pr Pr = (3.178) Wärmeübertragungskenngröße des Fluids
λ
L
Reynoldszahl Re Re = (3.170) Strömungen unter Reibungseinfluss
ν
1/ 4
W
λ g γΔTL3 α∗K, eff = α∗2
K, lam + αK, turb = 3,2
∗2 . (3.191)
α∗K, lam = 0,48 . (3.189) m2 K
L ν2
Mit der Raumhöhe h als charakteristischer Länge L Bei der erzwungenen Konvektion ist häufig der
und der Näherung für den Wärmeausdehnungskoeffi-
Einfluss der Anströmgeschwindigkeit auf den
zienten der Luft γ = 1/ Tm sowie mit den Zahlenwer-
ten aus Tabelle 3.15 für eine mittlere Temperatur von übertragenen Wärmestrom von Interesse. In
Tm = 290 K ergibt sich diesem Fall muss der Faktor der Strömungsge-
schwindigkeit aus der Nußeltzahl abgespaltet
W m1/4 ΔT 1/ 4
α∗K, lam = 5,7 werden.
m2 K Tm h
W ΔT 1/ 4 3.5.3 Wärmestrahlung
≈6 2 . (3.190)
m K Tm h/ m
Dies ist eine häufig angeführte Näherungsformel für Die Abgabe von Wärmestrahlung hängt au-
die freie Konvektion in Luft. Mit den angegebenen ßer von der Temperatur T nur noch von der
Daten des Beispiels ist der konvektive Wärmeüber- Größe und der Struktur der Oberfläche ab. Die
gangskoeffizient auf der Raumseite der Außenwand höchste Strahlungsdichte emittiert ein schwar-
α∗k, lam = 1,8 W/(m2 K).
zer Körper (Hohlraumstrahler, Abb. 6.69 in
Bei der freien Konvektion in Luft kann jedoch vor Wän-
den der turbulente Anteil des konvektiven Wärmeüber- Abschn. 6.3.2). Ein solcher schwarzer Körper
gangs nicht vernachlässigt werden. Die Nußeltzahl Nu absorbiert andererseits auch die gesamte auf-
ist größer als der Näherung α∗K ∼ T 1/ 4 zugrunde liegt. fallende Strahlungsenergie und wandelt sie in
Im vorliegenden Beispiel ist die Grashofzahl Gr = Wärme um.
1,47 · 1010 und die Nußeltzahl für den turbulenten Be- Bei nicht schwarzen Körpern ist das Abstrah-
reich nach (3.184) in Tabelle 3.14 Nu = 254. Der sich mit
lungsvermögen gleich dem Absorptionsgrad.
diesem Wert nach (3.188) für den turbulenten konvek-
Blanke Metalloberflächen haben deshalb ein
tiven Wärmeübergangskoeffizienten ergebende Wert
ist α∗K, turb = 2,6 W/(m2 K). Im Übergangsbereich der geringes Abstrahlungsvermögen, weil sie we-
Strömungsarten kann der effektive Wärmeübergangs- nig absorbieren. Wenn das Absorptionsver-
koeffizient abgeschätzt werden mit der Beziehung mögen eines nicht schwarzen Körpers < 1 und
Tabelle 3.14 Modellfälle konvektiver Wärmeübergänge (nach VDI-Wärmeatlas, 4. Aufl. 1984)
freie Konvektion Nu = 0,70 (Gr Pr)1/ 4 (3.186) Nu = 0,155 (Gr Pr)1/ 3 (3.187) in Flächenmitte
längs einer horizon- ϑ∞ Fluidtemperatur außer-
talen Platte halb Grenzschicht
ϑm = 12 (ϑ0 + ϑ∞ )
Wärmeübertragung 259
260 3 Thermodynamik
Tabelle 3.15 Wärmetechnische Stoffwerte von Wasser und trockener Luft bei dem Druck p = 1 bar
(aus: VDI-Wärmeatlas, 10. Aufl. 2006)
ϑ ρ cp γ λ η ν a Pr
◦C kg/m3 kJ/(kg K) 10−3 K 10−3 W/(m K) 10−6 kg/(m s) 10−6 m2 /s 10−6 m2 /s
Wasser
0 999,8 4,218 –0,0672 561,0 1 791,3 1,792 0,133 13,48
20 998,2 4,181 0,2067 598,4 1 002,0 1,004 0,143 7,00
50 988,0 4,180 0,4578 643,6 547,1 0,554 0,156 3,55
99,63 958,6 4,216 0,7487 678,9 293,0 0,295 0,168 1,76
trockene Luft
–100 2,019 1,011 5,852 16,02 11,77 5,829 7,85 0,742
0 1,275 1,006 3,674 24,18 17,24 13,52 18,83 0,718
20 1,188 1,007 3,421 25,69 18,24 15,35 21,47 0,715
100 0,9329 1,012 2,683 31,39 21,94 23,51 33,26 0,707
200 0,7356 1,026 2,115 37,95 26,09 35,47 50,30 0,705
500 0,4502 1,093 1,293 55,64 36,62 81,35 113,1 0,719
1000 0,2734 1,185 0,785 80,77 50,82 185,9 249,2 0,746
ϑ Celsius-Temperatur λ Wärmeleitfähigkeit
ρ Dichte η dynamische Viskosität
cp Spezifische Wärmekapazität bei konstantem ν kinematische Viskosität
Druck a Temperaturleitfähigkeit
γ Wärmeausdehnungskoeffizient Pr Prandtlzahl
Entsprechend hängt der Absorptionsgrad α Wäre dies nicht so, dann könnte durch eine
des grauen Körpers vom Verhältnis der ab- geeignete Führung des Strahlungsaustausches
sorbierten Strahlungsleistungen Ma des grauen erreicht werden, dass der Körper mehr Strah-
und Ma, s des schwarzen Körpers ab: lung von der Umgebung absorbiert, als er emit-
3.5 Wärmeübertragung 261
Tabelle 3.16 Emissionsgrad ε für die Gesamtstrahlung dem Absorptionsgrad α = Φa /Φe der Zusam-
bei der Temperatur ϑ (aus: VDI-Wärmeatlas, menhang
10. Auflage 2006 und Kohlrausch Praktische Physik,
24. Auflage 1996)
Me (T) = ε σ T 4 ; (3.197)
Q̇12 = C12 A1 T14 − T24 . (3.200)
Hierbei ist r der Abstand der Flächen A1 und C12 = ε1 ε2 σ ϕ12 . (3.202)
A2 ; β1 und β2 sind die Winkel zwischen der
Strahlungsrichtung und den jeweiligen Flä-
chennormalen. In Abb. 3.59 sind die Strahlungsaustauschko-
Ein grauer Temperaturstrahler mit der Strahl- effizienten C12 einiger Spezialfälle zusammen-
dichte Le1 = Me1 / (πΩ0 ) (6.82), der Tempe- gestellt.
ratur T1 , der Fläche A1 und dem Emissions- Beispiel
grad ε1 strahlt also an eine Fläche A2 die Strah- 3.5-3 Wie groß ist die Wärmestromdichte jqS des Wär-
lungsleistung Φe1 ab: mestrahlungsaustausches zwischen zwei sehr großen
Platten mit den Oberflächentemperaturen T1 und T2
sowie den Emissionszahlen ε1 und ε2 ?
Φe1 = A1 ε1 ϕ12 σT14 . (3.199)
Lösung
Die von der Platte 1 abgestrahlte Gesamt-Ausstrahlung
Me,(1)ges ist die spezifische Ausstrahlung Me1 der Platte 1
Der graue Temperaturstrahler mit den Strah-
zuzüglich der an der Oberfläche 1 reflektierten
lungskennwerten A1 , ε1 und T1 emittiert nicht
Gesamt-Ausstrahlung Me,(2)ges der Platte 2. Dasselbe
nur die Strahlungsleistung Φe1 an die Flä- trifft auf die Ausstrahlung der Platte 2 zu. Mit
che A2 , sondern empfängt auch von dieser die der (3.197) gilt also, wenn für nichttransparente
Strahlungsleistung Φe2 . Der von der Fläche A1 Platten (3.196) berücksichtigt wird
3.5 Wärmeübertragung 263
Zur Übung
Durch Umformen der Temperaturdifferenz Ü 3.5-1 Welchen konvektiven Wärmestrom gibt ein
senkrechter Plattenheizkörper mit der Höhe h = 0,6 m
zwischen den beiden Medien zu
und der Breite b = 1,2 m turbulent an die Umgebungs
luft ab, wenn die gleichförmige Oberflächentempera-
ϑM1 − ϑM2 = (ϑM1 − ϑOi ) + (ϑOi − ϑ1 ) tur ϑO = 40 ◦ C und die Lufttemperatur ϑL = 20 ◦ C
beträgt?
+ (ϑ1 − ϑ2 ) + (ϑ2 − ϑOa )
Ü 3.5-2 Wie groß sind die Teilwärmeströme der Wär-
+ (ϑOa − ϑM2 ) (3.221) meleitung, Konvektion (turbulent ohne Verknüpfung
mit der Wärmeleitung) und Wärmestrahlung durch
die 12 mm dicke Luftschicht einer 1 m mal 1 m großen
und Einsetzen von (3.215) bis (3.220) in (3.221) Zweischeiben-Isolierverglasung (Außenscheibe 0 ◦ C,
lässt sich die Bestimmungsgleichung des Innenscheibe 10 ◦ C)? Um welchen Prozentsatz vermin-
Wärmedurchgangskoeffizienten U der platten- dert sich der Gesamtwärmestrom, wenn eine der bei-
förmigen Trennwand aufstellen (DIN EN ISO den Scheiben zur Luftschicht hin durch eine Bedamp-
fung nur noch einen Emissionsgrad ε = 0,08 aufweist?
6946).
Ü 3.5-3 Das Flachdach über einer Halle mit einer
1 Lufttemperatur ϑL = 20 ◦ C hat von außen nach innen
U = 1 s 1 s2 s3 1
. (3.222) den folgenden Aufbau: Dachhaut (UV-geschützt,
α∗i + λ1 + λ2 + λ3 + α∗a Wärmedämmung vernachlässigbar), 60 mm Wär-
medämmung (λ = 0,04 W/(m K)), 160 mm Stahl-
betondecke (λ = 2,1 W/(m K)), 10 mm Innenputz
Bei gekrümmten Trennwänden ist (3.222)
(λ = 0,70 W/(m K). Man rechne mit den Norm-
nicht anwendbar. In einem solchen Fall Übergangswiderständen 1/α∗i = 0,13 m2 K/W und
müssen die Faktoren von (3.222) mit den Wär- 1/α∗a = 0,035 m2 K/W gemäß DIN 4108. Welchen
meübertragungsflächen der Einzelschichten Wärmedurchgangskoeffizienten hat dieses Flach-
gewichtet werden, weshalb die Bestimmungs- dach? Wie groß ist zwischen Sommer und Winter
gleichungen des Wärmeübergangskoeffizi- der Temperaturunterschied an der Berührungsfläche
von Betondecke und Wärmedämmung, wenn für die
enten mathematisch äußerst kompliziert
Sommerzeit mit einer durch Sonneneinstrahlung auf
sind. ϑO = 60 ◦ C angehobenen Oberflächentemperatur
Die Oberflächentemperaturen zu beiden außen und für die Winterzeit mit einer Außenlufttem-
Seiten der Trennwand werden berechnet, in- peratur ϑa = −15 ◦ C gerechnet wird?
dem (3.220) in (3.215) oder (3.219) eingesetzt Ü 3.5-4 Die Körperkerntemperatur des Menschen be-
wird: trägt ϑK = 37 ◦ C, der Wärmedurchlasswiderstand des
menschlichen Gewebes etwa RG = 0,08 m2 K/W. Wie
U(ϑM1 − ϑM2 ) groß ist die Wärmestromdichte auf der menschlichen
ϑOi = ϑM1 − , (3.223)
α∗i Haut, wenn der Mensch, bekleidet mit einer Kleidung,
deren Wärmedurchlasswiderstand RKL = 0,2 m2 K/W
U(ϑM1 − ϑM2 )
ϑOa = ϑM2 − . (3.224) beträgt, sich in einem Raum befindet, dessen Raum-
α∗a lufttemperatur ϑLi = 21 ◦ C ist und dessen Wände,
Decke und Boden eine Oberflächentemperatur von
ϑu = 14 ◦ C haben? Die Wärmeübergangskoeffizien-
Die Temperaturen ϑ1 und ϑ2 der Berührungs- ten seien näherungsweise α∗K = 3,3 W/(m2 K) und
flächen der Trennwandschichten in Abb. 3.60 α∗S = 5,1 W/(m2 K).
Kapitel 4
Elektrizität und Magnetismus 4
Die Eigenschaften der Elektrizität und des Ma- die magnetischen Feldlinien sind in sich
gnetismus lassen sich nicht – wie in der Ther- geschlossen (Wirbel).
modynamik – aus der Mechanik ableiten. Ein – Beschleunigte Ladungsbewegung
Grund hierfür ist, dass eine neue Eigenschaft Hierbei ändert sich das elektrische und
der Materie mit einbezogen werden muss: die magnetische Feld. Ein zeitlich sich ändern-
Ladung. Sie ist materiegebunden, als Elemen- des Magnetfeld B induziert ein elektrisches
tarladung e quantisiert und hat zwei Ausprä- Feld E, das zur Beschleunigung der Ladun-
gungen: positive und negative Ladungen. Ab- gen führen kann (Induktionsgesetz). Aus
bildung 4.1 zeigt, wie die Gebiete Elektrizität den Eigenschaften des elektrischen Feldes
und Magnetismus zusammenhängen. Grund- (Quellen, wirbelfrei) und des magnetischen
sätzlich sind drei Bewegungszustände der La- Feldes (quellenfrei, Wirbel) ergeben sich in
dungen möglich: Verbindung mit dem Induktionsgesetz pe-
riodisch sich ändernde elektromagnetische
Felder, die sich unabhängig von Materie
– Ruhende Ladungen
ausbreiten können (elektromagnetische
Dies ist das Gebiet der Elektrostatik. Kräfte
Wellen). – Die Kraftwirkung auf eine La-
zwischen zwei Ladungen werden durch das
dung im elektrischen und magnetischen
Coulomb’sche Gesetz beschrieben. Die Be-
Feld wird durch die elektromagnetische
schreibung der Kraftwirkung auf Ladungen
Kraft beschrieben.
(elektrisches Feld) erfolgt durch die am Ort
der Ladung herrschende elektrische Feld- Elektrische und magnetische Felder in Materie
stärke E. Dieses elektrische Feld hat Quellen führen zu einer Wechselwirkung mit den ato-
(positive Ladungen) und Senken (negative maren Bausteinen (Polarisation), sodass sich
Ladungen), weshalb die Feldlinien nicht in die im Material herrschende elektrische bzw.
sich geschlossen sind (wirbelfrei). magnetische Feldstärke von der äußeren Feld-
– Ladungsbewegung mit konstanter Ge- stärke unterscheidet. Diese Wechselwirkung
schwindigkeit wird durch Materialgleichungen beschrieben:
Dieses Gebiet nennt man Magnetostatik. im elektrischen Feld durch D = ε E und im ma-
Es „fließt“ ein konstanter Strom, der ein gnetischen Feld durch B = μ H. Eine weitere
zeitlich konstantes Magnetfeld erzeugt Materialgleichung verknüpft die Stromdichte j
(dB/ dt = 0). Es ist quellenfrei, da es keine über die Leitfähigkeit κ mit der elektrischen
magnetischen Elementarladungen gibt; und Feldstärke E (Ohm’sches Gesetz).
Die gesamten elektrischen und magnetischen der Relativitätstheorie Einsteins (Abschn. 10.5)
Erscheinungen (Elektrodynamik) werden in bedürfen sie deshalb keiner Korrektur.
vier Differentialgleichungen (bzw. Vektorglei-
chungen) zusammengefasst, die die Feldgrö- 4.1 Physikalische Gesetze
ßen E, D, H und B miteinander verknüpfen und Definitionen
(Maxwell’sche Gleichungen). Zur Lösung der
Maxwell’schen Gleichungen sind die drei Feld- In diesem Abschnitt sind die grundlegen-
gleichungen (D = ε E, B = μ H und j = κ E den Erscheinungen der Elektrizitätslehre
erforderlich. Die Maxwell’schen Gleichungen beschrieben, die wichtigsten physikalischen
beinhalten bereits die endliche Geschwindig- Größen definiert und die physikalischen Ge-
keit der Informationsausbreitung (Konstanz setze am Beispiel des metallischen Leiters
der Vakuumlichtgeschwindigkeit c); aufgrund wiedergegeben.
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 271
e = 1,602177 · 10−19 C . (4.1) r12
: Einheitsvektor von Q1 nach Q2
r12
Diese Kraft weist dabei in Richtung der Verbin-
Diese Elementarladung tragen z. B. die Ele- dungslinie beider Ladungen. Die Maßstabs-
mentarteilchen Proton (positive Ladung) konstante ε0 ist die elektrische Feldkonstante
und Elektron (negative Ladung). Jede elek- bzw. die Dielektrizitätskonstante des Vaku-
trische Ladung ist damit ein Vielfaches ums:
der elektrischen Elementarladung. So ent-
spricht die Ladungseinheit von 1 C etwa C2
der Ladung von 6,24 · 1018 Elektronen. ε0 = 8,854 · 10−12 . (4.3)
N m2
Die Messung der Elementarladung glückte
erstmalig R. A. Millikan im Jahr 1910
Mit ihr errechnet sich der Proportionalitäts-
(Abschn. 4.3.5.5).
faktor des Coulomb’schen Gesetzes:
– Die Ladung ist an Materie gebunden, sie ist
– wie bereits ausgeführt – eine diskrete Ei-
1 N m2
genschaft der Materie. Elementarladungen = 8,988 · 109 . (4.4)
4πε0 C2
tragen beispielsweise folgende Elementar-
teilchen (Abschn. 8.9):
+e: Proton, Positron, + Myon, + Pion Das Coulomb’sche Gesetz gilt nicht nur für
−e: Elektron, Antiproton, − Myon, − Pion punktförmige Ladungen, sondern auch noch
0: Neutron, Neutrino, Photon, 0 Pion. näherungsweise für Kugeln, wenn deren Ab-
– Für die Ladung gilt der Erhaltungssatz: In ei- stand (von Kugelmitte zu Kugelmitte) groß
nem abgeschlossenen System bleibt die Net- im Vergleich zu den Kugelradien ist. Abbil-
toladung (Menge aller positiver abzüglich dung 4.2 zeigt den Verlauf der Coulomb-Kraft
Menge aller negativer Ladungen) erhalten. zwischen zwei Ladungen in Abhängigkeit
– Im makroskopischen Bereich bedeutet ne- von der Ladungsentfernung. Es wird deutlich,
gative Ladung Elektronenüberschuss und dass die Coulomb-Kraft für kleine Ladungsab-
positive Ladung Elektronenmangel. Die La- stände sehr groß ist, aber mit zunehmendem
dung wird durch Elektronen bzw. Ionen Ladungsabstand schnell an Bedeutung ver-
transportiert (Abschn. 4.2). liert.
272 4 Elektrizität und Magnetismus
Kräfte
Unterschei- Coulomb-Kraft Gravitations-
dungsmerkmale kraft
Diese Definition wurde gewählt, um die elek- Die Spannung U ist ein Maß für die hinein-
trische Energie und die mechanische Energie gesteckte Ladungstrennungsarbeit je Ladung:
274 4 Elektrizität und Magnetismus
Es gilt
Pab
U = . (4.10)
I
Coefficient). Sie werden als Temperatur- Elektrischer Widerstand und spezifischer elek-
fühler, zur Messung von Strömungsge- trischer Widerstand (und selbstverständlich
schwindigkeiten oder zur Spannungssta- auch Leitwert und elektrische Leitfähigkeit)
bilisierung verwendet und bestehen aus sind temperaturabhängig. Abbildung 4.7 zeigt
einer halbleitenden Oxidkeramik. den prinzipiellen Verlauf des spezifischen
• Kaltleiter: elektrischer Widerstandes von der Tempe-
stark zunehmender Widerstand bei zu- ratur T für einen metallischen Leiter, einen
nehmender Temperatur (PTC: Positive Halbleiter und einen Supraleiter. Beim metal-
Temperature Coefficient). Sie werden als lischen Leiter nimmt der Widerstand R bzw.
Temperaturfühler, als Thermostat und der spezifische elektrische Widerstand ρ mit
zur Stromstabilisierung verwendet und der Temperatur zu. Es gelten folgende lineare
bestehen aus Metalldrähten. Näherungen:
– Spannung
VDR-Widerstände oder Variatoren (VDR: R(ϑ) = R20 (1 + α(ϑ − 20 ◦ C)) , (4.16)
Voltage Dependent Resistance) sind stark ρ(ϑ) = ρ20 (1 + α(ϑ − 20 C)) . ◦
(4.17)
spannungsabhängig und werden zur Span-
nungsstabilisierung und zur Stoßspan-
nungsbegrenzung eingesetzt. Hierbei ist R20 bzw. ρ20 der Widerstand bzw.
– Licht der spezifische elektrische Widerstand eines
In diesem Fall handelt es sich um lichtemp- metallischen Leiters bei 20 ◦ C, ϑ die Tempera-
findliche Widerstände (LDR: Light Depen- tur in ◦ C und α der Temperaturkoeffizient des
dent Resistance), die z. B. in Belichtungs- elektrischen Widerstandes bei 20 ◦ C.
messern eingebaut werden. Der Temperaturkoeffizient α gibt an, welche
relative Widerstandsänderung ΔR/ R der Leiter
bei Änderung um ΔT = 1 K erfährt:
Die einstellbaren Widerstände ändern den Wi-
derstand entweder linear oder logarithmisch ΔR Δρ
α= = . (4.18)
(positiv oder negativ). Linear einteilbare Wi- R20 ΔT ρ20 ΔT
derstände werden als Spannungsteiler (Poten-
tiometer oder Trimmer) eingesetzt, logarith-
misch verstellbare Widerstände zur Lautstär- (Hinweis: Die Gleichungen sind lediglich li-
keregelung verwendet. Als Werkstoffe wer- neare Näherungen.)
den Draht, Kohleschichten und Cermet (Kera-
mikträger mit eingebranntem Metalloxid und
Glaspulver) eingesetzt.
Da der spezifische elektrische Widerstand zu
denjenigen physikalischen Größen gehört, die
den größten Messbereich abdecken (von ρ =
10−8 Ω m bei Edelmetallen bis zur 1013 Ω m
bei Isolatoren; dies sind 21 Zehnerpotenzen),
gibt seine Analyse oftmals genauen Aufschluss Abb. 4.7 Prinzipieller Verlauf des spezifischen
über die physikalischen Prozesse im atomaren elektrinscher Widerstandes für einen metallischen
Bereich. Leiter, einen Halbleiter und einen Supraleiter
278 4 Elektrizität und Magnetismus
k
n
U0i = Uabj . (4.24)
i=1 j=1
Abb. 4.9 Knotenregel
280 4 Elektrizität und Magnetismus
Werden die Spannungspfeile entsprechend Für drei Reihenwiderstände lautet das Verhält-
den Vorschriften (für Spannungsquellen von nis
Plus nach Minus und für Spannungsab-
U1 : U2 : U3 = R1 : R2 : R3 .
fälle in Richtung der Stromstärke, Abb. 4.4)
eingesetzt, so kann die Maschenregel auch Für den häufig vorkommenden Fall zweier Wi-
folgendermaßen formuliert werden: derstände, wiedergegeben in Abb. 4.12, ergibt
sich
Die Summe aller Spannungen eines
Stromkreises (Masche) ist null. U1 R1
= . (4.27)
m U2 R2
Ul =0. (4.25)
l=1
oder
U0 (R1 + R2 )
Es sind in Zählrichtung verlaufende Spannun- = ,
U1 R1
gen positiv und gegen die Zählrichtung ver-
laufende Spannungen negativ einzusetzen. Für hieraus folgt
die vorliegende Masche gemäß Abb. 4.11 gilt
R1
also nach (4.25) U1 = U0 . (4.28)
(R1 + R2 )
U1 − U02 + U4 + U03 − U3 − U2 − U01 =0.
Diese Gleichung spielt bei der Spannungs-
Bei der Reihenschaltung von Widerständen
teilerschaltung (Abschn. 4.1.9) eine wichtige
gilt für die Teilspannungen nach der Ma-
Rolle.
schenregel und wegen des Ohm’schen Gesetzes
Bestehen Stromkreise aus einer Vielzahl von
U = R I:
Maschen (Maschenanzahl m) mit mehreren
In einer Reihenschaltung verhalten sich Verzweigungsknoten (Knotenanzahl k), dann
die Teilspannungen wie die zugehörigen liegt ein „Netzwerk“ vor. Für die Anzahl zI der
Widerstände. Gleichungen zur Errechnung aller Teilströme
gilt bei gegebenen Spannungsquellen und Wi-
U1 : U2 : U3 : · · · : Un = derständen
= R1 : R2 : R3 : · · · : Rn . (4.26)
m + k > zI . (4.29)
U = Rges I .
Damit ergibt sich
Rges I = R1 I + R2 I + R3 I + · · · + Rn I
und nach Divsion durch die konstante Strom-
stärke I
Abb. 4.13 Gesamtwiderstand bei der Reihenschaltung Abb. 4.14 Gesamtwiderstand bei der Parallelschaltung
282 4 Elektrizität und Magnetismus
U
U = In Rn ergibt In = . (n + 1) Beispiel
Rn
4.1-2 Gegeben seien die Widerstände einer Drei-
ecksschaltung (RD ) oder einer Sternschaltung (RS )
Werden die aus den Maschenregeln berechne-
gemäß Abb. 4.15. Es sollen aus der Dreiecksschal-
ten Stromstärken I1 bis In (Gleichungen (b) bis
tung die Sternwiderstände (Dreieck-Stern-Trans-
(n + 1)) in die Formel für die Gesamtstrom- formation) bzw. aus der Sternschaltung die Drei-
stärke I (a) eingesetzt, so ist eckswiderstände (Stern-Dreieck-Transformation)
errechnet werden. Wie groß sind die entsprechenden
U U U U Widerstände, wenn a) alle Widerstände gleich, bzw. b)
I = + + + ··· + . wenn RD12 = 100 Ω, RD23 = 150 Ω, RD31 = 200 Ω und
R1 R2 R3 Rn
RS10 = 12 Ω, RS20 = 48 Ω, RS30 = 72 Ω sind?
oder nach Division mit der konstanten Span- b) Dreieck-Stern-Transformation für unterschiedliche
nung U Widerstände:
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 283
Abb. 4.15 Dreieck-Stern-Schaltung (a) und Stern-Dreieck-Schaltung (b) für gleiche Widerstände
Dabei geht man folgendermaßen vor. Zunächst bildet Für die drei Unbekannten RD12 , RD23 und RD31 gelten
man die drei möglichen Summen zweier Sternwider- folgende Umrechnungsbeziehungen:
stände RS1 + RS2 (4.37), RS1 + RS3 (4.38) und RS2 + RS3
(4.40). Wird (4.38) von (4.37) abgezogen, dann erhält RS1 RS2
man (4.39): RD12 = RS1 + RS2 + , (4.45)
RS3
R R
RS1 + RS2 =
RD12 (RD23 + RD31 )
(4.37) RD23 = RS2 + RS3 + S2 S3 , (4.46)
RD12 + RD23 + RD31 RS1
RS3 RS1
RD31 (RD12 + RD23 ) RD31 = RS3 + RS1 + . (4.47)
−(RS1 + RS3 ) = (4.38) RS2
RD12 + RD23 + RD31
4.1.8 Messbereichserweiterung
RD12 RD31
RS1 = , (4.43)
RD12 + RD23 + RD31
Strommesser (Amperemeter)
RD23 RD31
RS3 = . (4.44) Um die Stromstärke in einem Stromkreis mes-
RD12 + RD23 + RD31
sen zu können, muss der Strommesser im
284 4 Elektrizität und Magnetismus
Un
Rp = I
Ri
. (4.48) RV = Ri −1 . (4.49)
n Ua
−1
Ia
Beispiel
4.1-3 a) Der Messbereich eines Amperemeters (Ia =
10 mA; Ri = 0,5 Ω) soll auf 100 mA, 1 A, 10 A und
20 A und b) der Messbereich eines Voltmeters (Ua =
Lösung
R2
4.1.9 Ausgewählte Messanordnungen
Rx = Rn . (4.50)
R1
Wheatstone’sche Brücke
Mit der Wheatstone’schen Brücke (C. Wheat- Potentiometerschaltung
stone, 1802 bis 1875) lassen sich Ohm’sche Mit Hilfe der Schaltung entsprechend Abb. 4.19
Widerstände bestimmen. Abbildung 4.18 wird eine Aufteilung der Gesamtspannung U1
zeigt das Schaltschema der Wheatstone’schen in kleinere Teilspannungen möglich (Span-
Brücke. nungsteiler), indem ein Schleifkontakt den
Der zu messende Widerstand Rx wird zwi- Gesamtwiderstand Rges in die Anteile R1
schen die Klemmen C und B eingesteckt. Der und R2 aufteilt (zur technischen Ausführung
Gleitkontakt wird auf einem Widerstandsdraht s. Abb. 4.6). Für die abgegriffene Spannung Ux
zwischen A und B so lange verschoben, bis ist es entscheidend, ob der Spannungsteiler
über die Brücke CD kein Strom mehr fließt. unbelastet (Abb. 4.19a) oder wegen des Strom-
(Punkt D ist der Gleitkontakt.) Dann gilt die flusses durch einen äußeren Widerstand Ra
Maschenregel (4.25) für belastet ist (Abb. 4.19b).
286 4 Elektrizität und Magnetismus
Beispiel
4.1-4 Eine Spannungsquelle mit U1 = 24 V ist an
einem Gesamtwiderstand von 8 Ω angeschlossen. An
einem Teilwiderstand von R2 = 1 Ω wird die Span-
nung Ux abgegriffen. Wie groß ist sie im unbelasteten
und im belasteten Zustand, wenn der äußere Wider-
Abb. 4.19 Potentiometerschaltung stand a) gering (Ra = 0,5 Ω) bzw. wenn er b) hoch ist
(Ra = 100 Ω)?
Lösung
Für den unbelasteten Fall gilt
U1 a) Geringer äußerer Widerstand Ra = 0,5 Ω.
I = (a) und Ux = R2 I (b) . 1
R1 + R2 Unbelasteter Zustand: Ux = 24 V = 3 V,
8
Wird (a) in (b) eingesetzt, so ergibt sich für die 1 · 0,5
belasteter Zustand: Ux = 24 V = 1,109 V.
gesuchte Teilspannung Ux 7 · 1 + 0,5 · 8
b) Hoher äußerer Widerstand Ra = 100 Ω.
Unbelasteter Zustand: unverändert Ux = 3 V,
R2
Ux = U1 . (4.51) belasteter Zustand: Ux = 24
1 · 100
V = 2,97 V.
R1 + R2 7 · 1 + 100 · 8
Der Wert der abgegriffenen Spannung Ux im belaste-
Dies bedeutet, dass sich die Gesamtspan- ten Fall weicht bei einem großen äußeren Widerstand
nung U1 im Verhältnis des Teilwiderstandes kaum vom unbelasteten Fall ab (in diesem Beispiel le-
diglich um 1%).
zum Gesamtwiderstand aufteilt.
Im Belastungsfall fließt durch Ra der Strom Ia
und durch R2 nur noch die Stromstärke I − Ia . Kompensationsmethode nach Poggendorf
Da R2 und Ra parallel geschaltet sind, ist der Die nach J.C. Poggendorf (1796 bis 1877)
Gesamtwiderstand benannte Methode gestattet es, die „Urspan-
R2 Ra nung“ U0 von solchen Spannungsquellen zu
Rp = .
ermitteln, deren Spannung mit steigendem
R2 + Ra
Stromdurchfluss absinkt (z. B. bei galvani-
Wird dieser in (4.51) eingesetzt, dann beträgt
schen Elementen, Abb. 4.5 und Abschn. 4.2).
die Spannung Ux
Dies geschieht dadurch, dass der Stromfluss
Rp durch eine entgegengesetzt gleich große Span-
Ux = U1
R1 + Rp nung „kompensiert“ wird (daher der Name
oder Kompensationsmethode). Abbildung 4.20
zeigt die zugehörige Schaltung. Eine Span-
nungsquelle mit der Spannung U wird mit den
R2 Ra
Ux = U1 . (4.52) gleichen Polen über einen Spannungsteiler an
R1 R2 + Ra (R1 + R2 )
die zu messende Urspannung U0 angeschlos-
sen. Ein Schleifkontakt wird so verschoben,
Gleichung (4.52) geht in (4.51) über, wenn dass der Stromkreis mit der Urspannung U0
R1 R2 << Ra (R1 + R2 ) ist, bzw. Ra >> R1 R2 / (R1 stromlos wird (I0 = 0). Dann fällt am Teilwi-
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 287
derstand Rx die Spannung U0 ab, sodass gilt Abb. 4.21 Stromkreis mit Spannungsquelle
U0 = Rx I. Mit I = U / R erhält man (Urspannung U0 und innerem Widerstand Ri ) und
äußerem Verbraucherwiderstand Ra
Rx
U0 = U. (4.53) Aus (4.55) ist ersichtlich, dass die Klemmen-
R
spannung UKl umso kleiner wird, je größer die
Stromstärke I ist. Diese errechnet sich nach
dem Ohm’schen Gesetz zu
4.1.10 Klemmenspannung
und innerer Widerstand U0
I = . (4.56)
Ri + Ra
Spannungsquellen erzeugen zwischen zwei
Punkten (den Klemmen) eine Spannung
Eingesetzt in (4.55) erhält man für die Klem-
(Klemmenspannung UKl ). Im Inneren der
menspannung
Spannungsquellen findet eine Umwandlung
in elektrische Energie statt (z. B. bei galvani-
U0 Ra
schen Elementen von chemischer in elektri- UKl = . (4.57)
sche Energie, Abb. 4.5). Die dadurch erzeugte Ri + Ra
Urspannung U0 , angelegt an einen Stromkreis,
führt zum Transport der Ladungsträger. Hieraus lässt sich der innere Widerstand einer
Wegen des inneren Widerstandes Ri der Span- Spannungsquelle berechnen:
nungsquellen selbst (z. B. Widerstand der
Elektrolytflüssigkeit bei einem galvanischen
U0
Element) fällt ein Teil der Urspannung als Ri = Ra −1 . (4.58)
innerer Spannungsabfall Ui = Ri I bereits in UKl
der Spannungsquelle ab, wie es Abb. 4.21
verdeutlicht. Damit steht zum Abfall an ei-
nem Verbraucherwiderstand nur noch die Beispiel
Klemmenspannung UKl zur Verfügung: 4.1-5 Eine Autobatterie hat eine Urspannung von
12,6 V und einen inneren Widerstand Ri = 120 mΩ.
Der Zuleitungswiderstand zum Anlasser beträgt
UKl = U0 − Ui , (4.54) 10 mΩ. Zum Anlassen wird eine Stromstärke von 60 A
benötigt. Wie groß ist beim Beginn des Anlassens die
UKl = U0 − Ri I . (4.55) Klemmenspannung an der Batterie und am Anlasser
sowie der Verbraucherwiderstand Ra ?
288 4 Elektrizität und Magnetismus
Abb. 4.22 Reihenschaltung von Spannungsquellen Abb. 4.23 Parallelschaltung von Spannungsquellen
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 289
2 · 1,5
I= A = 1,04 · 10−3 A .
2 · 7 000
80 +
5
Gruppenschaltung 5 · 2.
Nach (4.61) gilt
5 · 1,5
I= A = 4,27 · 10−4 A .
5 · 7 000
80 +
2
Die Stromstärke bei der Parallelschaltung ist am größ-
ten (Ra >> Ri ).
Beispiel
4.1-7 Für eine Gruppenschaltung soll die Stromstärke
Abb. 4.24 Gruppenschaltung von Spannungsquellen
maximiert werden. Gegeben ist die Gesamtanzahl z =
m n Elemente.
P=UI . (4.62)
W = Pt . (4.72)
Das Maximum der Stromstärke ist von der Urspannung
unabhängig. Für Ri = 1,2 Ω, Ra = 0,3 Ω und z = mn =
64 gilt Dies bedeutet, dass alle Gleichungen in Ta-
belle 4.3 für die elektrische Arbeit entspre-
1,2
m = 64 = 16 und n = 4 . chend (4.72) anwendbar sind. Wird für P das
0,3
Produkt U I gesetzt, so erhält man
Abbildung 4.25 zeigt den Verlauf der Stromstärke in
Abhängigkeit von der Anzahl m der parallel geschal-
teten Spannungselemente. Wie bereits ermittelt, liegt W = UIt . (4.73)
das Maximum der Stromstärke bei m = 16.
U U
P=UI (4.62) U = RI (4.19) R= (4.18) I = (4.69)
I R
U2 P U2 P
P= (4.63) U = (4.65) R= (4.67) I= (4.70)
R I P U
√ P P
P = I2 R (4.64) U = RP (4.66) R= 2 (4.68) I= (4.71)
I R
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 291
Da I t = Q ist, kann (4.73) auch geschrieben Die Arbeit des elektrischen Stroms besteht
werden sehr häufig in der Reibungsarbeit der flie-
ßenden Ladungsträger (Elektronen), die
Stromwärme oder Joule’sche Wärme er-
W =UQ. (4.76)
zeugen. Die engen Beziehungen zwischen
Wärme und elektrischer Leitfähigkeit sind
in Abschn. 9.3.2 (thermoelektrische Effekte)
Es sei darauf hingewiesen, dass die Beziehun-
ausführlich beschrieben.
gen für die elektrische Leistung bzw. Arbeit, in
Die Zusammenhänge zwischen elektrischer
denen die Stromstärke I vorkommt, nur dann
Arbeit, elektrischer Feldstärke E und der elek-
gültig sind, wenn die Stromstärke I konstant
trischen Kraft F el sind in Abschn. 4.3 hergelei-
ist. In diesem Fall ist die abgegebene Arbeit W
tet.
proportional zur Zeit, sodass die Leistung P
konstant ist. Fließt dagegen keine konstante Beispiel
Stromstärke, so muss die Momentanleistung 4.1-8 An einer Spule mit einem Widerstand von 8 Ω
bestimmt werden, die als Differentialquotient liegt eine konstante Spannung von 12 V. Der Strom
der Arbeit W nach der Zeit t definiert ist (vgl. steigt in 0,3 s von 0 auf 1,5 A und bleibt dann konstant.
dazu die Ausführungen in der Mechanik, Ab- Wie groß ist die elektrische Arbeit nach 0,3 s und nach
1 s? – Wird die abgegebene Leistung bei 0,5 A, 1 A und
schn. 2.6.2, (2.70)):
1,5 A nach den Beziehungen P = U I oder P = I 2 / R
berechnet, so ergeben sich teilweise unterschiedliche
dW Werte. Warum treten diese Abweichungen auf und
P(t) = . (2.70) welche Gleichung beschreibt die Leistungsabgabe
dt
richtig?
Daraus ergibt sich Anmerkung: Der zeitlich lineare Stromanstieg ist eine
Vereinfachung. Der exakte Verlauf ist durch (4.343) in
Abschn. 4.5.3.2 gegeben.
W = P(t) dt (4.77) Lösung
a) Arbeit innerhalb t = 0,3 s.
Da die Stromstärke bis zur Zeit t = 0,3 s stetig zu-
und mit P = U I(t) nimmt, muss (4.78) angewendet werden:
0,3 s
Wel = U I(t)dt mit I(t) = kt
W = U I(t) dt . (4.78) 0
(k: Konstante) .
Damit gilt
Die elektrische Arbeit hat die Einheit VA s =
0,3 s
W s = N m = J. Damit ist die Gleichheit Wel =
1
U k t dt = U k t2 |0,3 s
. (a)
0
der elektrischen und der mechanischen Ar- 2
0
beit hergestellt, die es direkt gestattet, elek- Für die Konstante ergibt sich
trische Größen in mechanische umzurech-
ΔI 1,5 A
nen. Gebräuchlich als Einheit für die elek- k= = , in (a) eingesetzt ergibt
Δt 0,3 s
trische Arbeit ist auch 1 kWh = 3,6 · 106 W s 1 1,5
Wel = · 12 · · 0,32 VAs = 2,7 Ws .
(Nm oder J). 2 0,3
292 4 Elektrizität und Magnetismus
Bei der Dissoziation in Wasser schieben sich dann findet eine elektrolytische Stromleitung
die Wassermoleküle durch ihr anisotropes Di- statt (Elektrolyse). Sie unterscheidet sich von
polmoment (Beispiel 4.1-1 und Abb. 4.3) zwi- der metallischen Leitung sehr wesentlich, weil
schen die Ionen und ordnen sich um diese an, zusammen mit den Ionen nicht nur Elemen-
etwa wie es Abb. 4.27 zeigt. Die Ionen sind in tarladungen, sondern auch Materie transpor-
diesem Fall hydratisiert, d. h. von einer Wolke tiert wird. Grundsätzlich laufen an den Elek-
von Wasserdipolen umgeben. troden folgende Reduktions- bzw. Oxidations-
Da die positiven Ionen zur Kathode (Minus- prozesse, die Redoxreaktionen, ab:
pol) wandern, werden sie Kationen genannt, An die Anode werden vom Elektrolyten Elek-
im Gegensatz zu den Anionen, die zur Anode tronen abgegeben; es findet eine Oxidation
(Pluspol) wandern. Elektrisch leitende Lösun- statt. Für eine metallische Anode gilt
gen, die aus Kationen und Anionen bestehen, Me → Me+ + e .
−
heißen Elektrolyte.
Werden zwei Elektroden (Kathode und Anode) Dies bedeutet: Das Metall löst sich an der
gemäß Abb. 4.28 in einen Elektrolyten getaucht Anode auf und geht in Lösung. An der Ka-
und an eine Spannungsquelle angeschlossen, thode findet dagegen durch Elektronenauf-
nahme immer eine Reduktion statt. Bei dem
genannten Beispiel wird das Metallion zum
Metall reduziert:
Me+ + e− → Me .
In diesem Fall wird das Metall an der Kathode
abgeschieden.
Die Elektrolyse spielt in der Technik bei dem
Aufbringen von Metallüberzügen, dem Galva-
nisieren (nach L. Galvani, 1737 bis 1798), eine
wichtige Rolle. Die häufigsten galvanischen
Metallüberzüge bestehen aus Chrom, Nickel,
Cadmium, Gold und Silber. Sie dienen vor al-
Abb. 4.27 Hydratisierung von Ionen
lem zur Erhöhung der mechanischen (Hart-
verchromen) oder chemischen Widerstands-
fähigkeit (Vernickeln von Eisen), zur Verbesse-
rung der elektrischen Leitfähigkeit (Vergolden
oder Versilbern von Kontakten) oder aber auch
nur zur Verschönerung. Selbst auf Kunststof-
fen können galvanische Überzüge abgeschie-
den werden (Galvanoplastik).
Auch zur Metallgewinnung werden elektro-
lytische Verfahren eingesetzt. In diesem Fall
verwendet man eine unlösliche Anode und
eine Metallsalzlösung dient als Elektrolyt. An
der Kathode wird dann das sehr reine Me-
tall (99,9%) abgeschieden. Ein spezielles Ver-
Abb. 4.28 Elektrolyse (schematisch) fahren zur Metallgewinnung auf diesem Wege
294 4 Elektrizität und Magnetismus
ist die Schmelzfluss-Elektrolyse. Hierbei wer- Die Molekülanzahl N lässt sich auch aus dem
den niedriger schmelzende Metallgemische er- Quotienten aus transportierter Ladung Q und
schmolzen und aus dieser Schmelze das Metall Ladung je transportiertem Molekül z e (e ist
an der Kathode elektrolytisch abgeschieden. die Elementarladung) errechnen:
Bei Aluminium besteht die Schmelze aus Alu-
miniumoxid (Al2 O3 ) in geschmolzenem Kryo- Q It
N = = . (4.80)
lith (Na3 AlF6 ). Der Schmelzpunkt für Al2 O3 ist ze ze
2 000 ◦ C; durch das Zusatzmittel Kryolith wird
er auf 935 ◦ C herabgesetzt. Auf diese Weise Mit (4.79) und (4.80) gilt für die Masse in Ab-
werden außer Aluminium auch Magnesium, hängigkeit der transportierten Ladung
Beryllium und Cer gewonnen. m = n M = Q/ (z e NA )M,
Außerdem setzt man die Elektrolyse ein, um
aus Wasser Knallgas oder Wasserstoff herzu- M
stellen oder um Ätznatron bzw. Ätzkali zu ge- m= It . (4.81)
z NA e
winnen.
An der Anode können auch Oxidschichten
Dies ist das erste Faraday’sche Gesetz:
abgeschieden werden (anodische Oxida-
tion). Besondere Anwendung findet dies
beim Eloxalverfahren (elektrolytisch oxidier- Die Masse m des abgeschiedenen Stof-
tes Aluminium), in dem der anodisch gepolte fes ist nur der transportierten Ladungs-
Aluminiumkörper mit einer einfärbbaren kor- menge Q = I t proportional. Sie hängt
rosionsbeständigen Oxidhaut überzogen wird. weder von der Geometrie der Elektroden
Beim elektrolytischen Polieren (z. B. von Alu- noch von der Konzentration des Elektro-
minium und Edelstahl) wird das Metall an- lyten ab.
odisch so abgetragen, dass besonders glatte
Oberflächen entstehen. In einem fertigungs- Aufgrund des ersten Faraday’schen Gesetzes
technischen Verfahren können auch elektroly- ist es möglich, die Stromstärke I bzw. die
tisch feinste Löcher gebohrt (Elektroerosion) elektrische Ladung Q durch die abgeschiede-
oder gezielt Bohrlöcher entgratet werden. nen Stoffmengen zu messen (Voltameter nach
A. Volta, 1745 bis 1827, bzw. Coulombme-
4.2.1.2 Faraday’sche Gesetze ter nach A. Coulomb, 1736 bis 1806). Für
Silber gilt Ä = 1,11817 mg/(As). Dies bedeu-
Die beiden Faraday’schen Gesetze (M. Fara-
tet, dass bei einer Stromstärke von 1 A in 1 s
day, 1791 bis 1867) beschreiben den Zusam-
m = 1,11817 mg Silber abgeschieden werden
menhang zwischen transportierter Masse und
(frühere Definition des Ampère als Einheit der
Ladung. Die transportierte Masse wird durch
Stromstärke).
das Produkt aus der Stoffmenge n und der Mol-
Weiterhin gelten folgende Definitionen:
masse M bestimmt: m = n M. Die Molzahl n
Das Produkt aus Avogadro-Konstante NA und
errechnet sich aus der Molekülanzahl N divi-
Elementarladung e wird Faraday-Konstante F
diert durch die Avogadro-Konstante NA :
genannt:
N
n= . (4.79) F = NA e = 96 485 As/mol . (4.82)
NA
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 295
Molmasse
Element Wertigkeit Molmasse elektrochemisches Faraday-Konstante
Wertigkeit
Äquivalent
g g g As
10−3
mol mol As mol
Das elektrochemische Äquivalent Ä ist defi- In Tabelle 4.5 sind die Wertigkeiten, die Mol-
niert als massen, die Molmassen je Wertigkeit und die
elektrochemischen Äquivalente angegeben.
M m Zur Kontrolle wurde in der letzten Spalte aus
Ä= = . (4.83)
zF Q den Zahlenwerten (Division der Molmasse
je Wertigkeit mit dem elektrochemischen
Äquivalent) die Faraday-Konstante errechnet.
Das elektrochemische Äquivalent Ä hat die
Einheit kg/(A s) und gibt an, wie viel kg ei-
nes Stoffes bei einer Stromstärke von 1 A in 4.2.1.3 Elektrochemische Spannungsquellen
1 s abgeschieden werden. Gemäß (4.83) ist die Wird ein Metall in einen Elektrolyten ge-
Masse m proportional zur Molmasse M, aber taucht, so gibt es – wie im vorhergehenden
umgekehrt proportional zur Wertigkeit z (An- Abschnitt an einer Anodenreaktion gezeigt
zahl der Elementarladungen), sodass gilt – positive Ionen ab. Dadurch entsteht, wie
Abb. 4.29 zeigt, eine elektrische Doppelschicht
m1 M1 M2 Ä1 zwischen positivem Elektrolyt und negativer
= : = . (4.84) Elektrode. Je mehr Metallionen in Lösung
m2 z1 z2 Ä2
gehen, umso größer wird die Gegenkraft des
elektrischen Feldes der Doppelschicht, bis der
Somit lautet das zweite Faraday’sche Gesetz: Lösungsprozess zum Stillstand kommt. Die
dann erreichte Spannung zwischen Metall und
Die von gleichen Elektrizitätsmengen Elektrolyt wird Urspannung genannt. Sie kann
abgeschiedenen Massen (elektrochemi- nur mit einer zweiten Elektrode gemessen wer-
sche Äquivalente) verhalten sich wie die den. Üblicherweise wird als Bezugselektrode
Molmassen je Wertigkeit. die Standardwasserstoffelektrode (SWE) ge-
wählt. Abbildung 4.30 zeigt eine Ausführung.
296 4 Elektrizität und Magnetismus
Metall Spannung U in V
Li/Li+ −3,02
Cs/Cs+ −2,92
K/K+ −2,92
Ca/Ca2+ −2,84
Na/Na+ −2,71
Mg/Mg2+ −2,38
Al/Al3+ −1,66
Abb. 4.29 Elektrische Doppelschicht (schematisch) Mn/Mn2+ −1,05
Zn/Zn2+ −0,76
Fe/Fe2+ −0,44
Cd/Cd2+ −0,40
Ni/Ni2+ −0,25
Sn/Sn2+ −0,136
Pb/Pb2+ −0,126
H/H+ ±0
Cu/Cu2+ +0,34
Cu/Cu+ +0,52
Hg/Hg2+2 +0,798
Ag/Ag+ +0,80
Hg/Hg2+ +0,854
Pt/Pt2+ +1,2
Au/Au+ +1,42
Au/Au3+ +1,5
zellen in Wickeltechnik. Sie haben eine sehr barkeit, aber eine höhere Kapazität, d. h. Lauf-
hohe Strombelastbarkeit und werden vorwie- zeit. Dadurch sind sie für Langzeitanwendun-
gend in Fotoapparaten für Blitze und Win- gen mit geringen Strömen prädestiniert (z. B.
der, aber auch in digitalen Kameras einge- Heizkostenzähler).
setzt. Die kleinsten Lithium-Batterien sind wieder-
Primäre Lithium-Rundzellen in Massentech- aufladbare Knopfzellen. Sie werden in Baugrö-
nologie (analog zu Alkali-Mangan-Batterien) ßen mit etwa 5 mm Durchmesser und 1 mm
haben eine wesentlich geringere Strombelast- Höhe gefertigt. Ihr Einsatzbereich ist der Er-
300 4 Elektrizität und Magnetismus
halt des Speicherinhalts (Memory Back-up) in zu Rollen gewickelt werden. Diese Rundzellen
tragbaren elektronischen Geräten (z. B. Handy, versorgen größere tragbare Geräte mit Ener-
Minicomputer, PDA). gie (z. B. Laptops und Notebooks). Aufgrund
Für die Energieversorgung mit höheren der hohen Energiedichte und des niedrigen
Strömen wurden wiederaufladbare Lithium- Innenwiderstands müssen sie durch eine
Batterien entwickelt, bei denen dünne Folien Schutzelektronik geschützt werden. Diese
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 301
DIN EN 60 095, DIN IEC 60 095-2, SN EN 50 Seit etwa 15 Jahren findet in diesem Be-
342, SN EN 60 095), reich ein Verdrängungsprozess statt. Das
– Antriebsbatterien moderne System Nickel/Metallhydrid hat
(DIN 40 540, DIN 43 534 bis DIN 43 539, DIN schon in den meisten Bereichen das System
43 595, DIN EN 60 254), Nickel/Cadmium ersetzt. Die Vorteile der
– ortsfeste Bleibatterien Nickel/Metallhydrid-Batterien sind:
(DIN 40 734 bis DIN 40 744, DIN EN 60 896).
– Höhere Kapazität,
– Cadmium-frei, dadurch wesentlich umwelt-
freundlicher,
Die herkömmliche Bleibatterie ist kostengüns-
– kein „Memory-Effekt“.
tig und hat ihre Vorteile vor allem bei einer
stark wechselnden Stromentnahme, z. B. als Dem gegenüber steht die momentan noch
Starter- oder Antriebsbatterie. In vielen An- etwas geringere Belastbarkeit des Nickel/
wendungsbereichen tritt sie in Konkurrenz Metallhydrids. Deswegen konnten bisher
zu den Nickel/Cadmium-Stahlakkumulatoren. Nickel/Cadmium-Batterien im Bereich der
Diese zeichnen sich vor allem durch die Mög- niedrigen und mittleren Leistungen (z. B.
lichkeit eines lageunabhängigen Einbaus, eine Rasierer, digitale Kamera, Elektrozahn-
lange Lebensdauer und eine hohe Belastbar- bürste) ersetzt werden. Allerdings werden
keit aus. die Hochstrom-Anwendungen, wie elektri-
In zunehmendem Maß ersetzen die wie- sche Werkzeuge, heute noch weitestgehend
deraufladbaren Nickel/Cadmium-Zellen die mit Nickel/Cadmium-Batterien ausgerüstet.
Primärbatterien. Deshalb sind sie, mit die- Ein weiterer Vorteil der wieder aufladbaren
sen austauschbar, baugleich auf dem Markt Nickel/Cadmium-Zellen besteht in ihren her-
(Abb. 4.33d). Allerdings sind die volumen- und vorragenden Eigenschaften bei tiefer Tempe-
gewichtsbezogenen Energiedichten bei den ratur.
Nickel/Cadmium-Zellen bedeutend ungüns- Die ebenfalls zu den Stahlakkumulatoren zäh-
tiger als bei vergleichbaren Primärbatterien lenden Nickel/Eisen-Systeme sind wegen des
(Abb. 4.32 im Vergleich mit Abb. 4.33), sie Nachteils der schnellen Selbstentladung durch
sind jedoch wieder aufladbar. die Nickel/Cadmium-Akkumulatoren ersetzt
Gasdichte Nickel/Cadmium-Akkumulatoren worden. Ihr Einsatzgebiet liegt noch in Schie-
unterscheiden sich im Elektrodenaufbau. Es nenfahrzeugen und Schiffen.
gibt die Ausführung mit einer Masse- oder
einer Sinterelektrode (Abb. 4.33c und d). Die Beispiel
4.2-1 Eine alkalische Zink/Braunstein-Babybatterie
Sinterelektroden bestehen aus einem hoch-
(IEC LR 14) hat eine Masse m = 64,5 g und ein Vo-
porösen Gerüst (Pluspol: Nickel-Sauerstoff;
lumen V = 26,53 cm3 . Berechnet werden soll die Nut-
Minuspol: Cadmium-Sauerstoff), das vom zungsdauer bei einem konstanten Stromverbrauch von
Elektrolyten (Kalilauge) durchtränkt ist. Die I = 30 mA und einer mittleren Lastspannung von
Isolierung der Elektroden erfolgt durch einen U = 1,2 V.
Separator aus Kunststoffgewebe. Die Sinter-
Lösung
zellen sind besonders für hohe Belastungen
Gemäß Abb. 4.32 gilt für die Energiedichte des Elemen-
geeignet (100facher Nennstrom). Deshalb ist tes W = 100 Wh/kg. Daraus errechnet sich die Energie
auch ein Schnellladen bei völliger Entladung E = 100 Wh/kg · 0,0645 kg = 6,45 Wh. Für die gespei-
möglich. cherte Ladung errechnet sich Q = 6,45 Wh/ 1,2 V =
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 303
4.2.1.4 Brennstoffzellen
Die direkte Gewinnung elektrischer aus che-
mischer Energie (kalte Verbrennung) findet
in Brennstoffzellen statt. Der Umweg über die
heiße Verbrennung, bei der zunächst Wärme
erzeugt wird, die dann über einen thermody-
namischen Kreisprozess in mechanische und
schließlich elektrische Energie umgewandelt
wird, entfällt. Damit ist auch der Wirkungs-
grad einer Brennstoffzelle nicht durch den
Carnot’schen Wirkungsgrad (Abschn. 3.3.5.1)
begrenzt, sondern kann höhere Werte an- Abb. 4.34 Prinzipieller Aufbau einer H2 / O-
nehmen. Die klassische Brennstoffzelle „ver- Brennstoffzelle mit Protonen leitendem Elektrolyten
brennt“ Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser. (PEM FC)
Dies ist die Umkehrreaktion zur Elektrolyse,
bei der unter Zufuhr von elektrischer Energie
Lastwiderstand RL elektrische Arbeit verrich-
mithilfe von Platinelektroden Wasser in seine
ten.
Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zer-
An der Kathode findet eine Reduktion (Elek-
legt wird. Bereits 1839 wurde von Sir William
tronenaufnahme) des zugeführten Sauerstoffs
Grove eine derartige Zelle vorgestellt.
statt, der dann mit den Protonen zu Wasser
reagiert:
Funktionsweise
Im Prinzip besteht eine Brennstoffzelle aus O2 + 4e− → 2O2− und
zwei Elektroden, an denen Redoxreaktionen 2O 2−
+ 4H → 2H2 O .
+
Tabelle 4.7 Daten verschiedener Brennstoffzellen. BZ: Brennstoffzelle, FC: Fuel Cell, BHKW: Block-Heizkraftwerk
wie bei Motoren und Turbinen. Dafür werden Die Fläche einer Brennstoffzelle kann aus
hohe Wirkungsgrade bereits bei kleinen Zell- technischen Gründen nicht beliebig groß
größen erzielt. gemacht werden. Für die Entnahme größerer
Leistungen werden daher mehrere Einzelzel-
len zu Stapeln (Stacks) gekoppelt (Abb. 4.37).
Die typischen Leistungen für einen PEM-
Brennstoffzellenstapel reichen von wenigen
Watt bis zu 300 kW.
Im Gegensatz zur Elektrolyse findet eine La- tetes Verfahren zur Grund- und Einschichtla-
dungsträgerbewegung nur in einer Richtung ckierung von Karossen und Fahrzeugteilen.
statt (unipolare Wanderung). Man unterscheidet zwischen anodisch und
Bei der Elektrophorese (gr. phor, tragen) kathodisch abgeschiedenen Lackmaterialien
werden Teilchen kolloidaler Größenordnung (ATL und KTL). Das KTL-Verfahren hat sich
(10−6 mm bis 10−4 mm) dispergiert, die sich in den letzten Jahren fast überall durchgesetzt.
gegenüber dem Dispersionsmittel aufladen. Als wesentliche Vorteile seien genannt:
In einem elektrischen Feld bewegen sich
die Teilchen zur gegenpoligen Elektrode. – Vollständiger Umgriff
Abbildung 4.38 zeigt, wie sich durch Elek- Beim Beschichten von Automobilkarossen
trophorese feinste geladene Kieselgurteilchen werden zuerst die Außenhautteile be-
(10−5 mm Durchmesser) auf einem metal- schichtet. Diese isolieren sich bei höherer
lischen Filtersieb niedergeschlagen haben. Schichtdicke von selbst, sodass die elektri-
Solche kieselgurbeschichteten Metallsiebe sche Stromdichte von außen nach innen in
dienen z. B. in Brauereien zur Bierfiltration. die Hohlräume wandert.
Im Vergleich zum mechanischen Anströmen – Unterwanderungsbeständigkeit
von Kieselgur ist die elektrophoretisch aufge- Die Unterwanderungsbeständigkeit der
brachte Schicht wesentlich gleichmäßiger. Ist KTL-Materialien ist im Vergleich zu den
die Filterschicht verbraucht, so kann durch ATL-Lacken um den Faktor drei besser.
Umpolen des elektrischen Feldes die ver- – Gute Haftung
schmutzte Kieselgurschicht vom Metallsieb KTL-Lackschichten sind sehr gleichmäßig
entfernt werden. und haften mechanisch sehr fest auf der
Unterschiedliche Teilchen weisen verschie- Phosphatierung.
dene Wanderungsgeschwindigkeiten auf,
Abbildung 4.39 zeigt eine Kataphoreseanlage.
sodass eine elektrophoretische Trennung von
In dem Tauchbecken befinden sich in Wasser
Substanzen möglich ist. Dies wird beispiels-
gelöste, positiv geladene Lackteilchen. Wird
weise in der Biomedizin zur Analyse von
das metallische Werkstück negativ und der
Proteinen ausgenutzt.
Tauchbeckenrand bzw. geeignete Anoden po-
Das elektrophoretische Tauchlackieren (ETL)
sitiv geladen, so wandern die Lackkolloide
ist ein in der Automobilindustrie weit verbrei-
Abb. 4.38 Elektrophoretisch abgeschiedene Kieselgur Abb. 4.39 Kataphorese-Anlage. Werkfoto: Dürr
308 4 Elektrizität und Magnetismus
WA
j = A T 2 e− kT . (4.88)
Die Richardson-Konstante A ist material- Als Anode dient eine Glaskugel, die um die
abhängig und liegt zwischen 106 A/(m2 K2 ) Kathodenspitze angeordnet ist und mit einer
(Wolfram) und 102 A/(m2 K2 ) (Metalloxide). Leuchtschicht (ZnS) überzogen ist. Die von der
Die ebenfalls werkstoffabhängige Austrittsar- Kathodenspitze emittierten Elektronen geben
beit WA liegt zwischen 1 eV bei Metalloxiden ihre kinetische Energie beim Aufprall auf die
und 5 eV bei Nickel (zum Begriff eV, Elektro- Anode als Lichtquanten ab. Dadurch entsteht
nenvolt, Abschn. 4.3.5.1, (4.108)). ein Abbild der atomaren Struktur des Katho-
denmaterials auf dem Leuchtschirm (Feldelek-
4.2.2.1.1 Fotoemission tronenmikroskop, Abb. 4.42).
Werden Lichtquanten mit der Energie W = h f
(Abschn. 6.5.1.1) auf eine Metalloberfläche ge- Sekundärelektronenemission
strahlt, dann lösen sich Elektronen aus dem Die kinetische Energie der bereits freigesetz-
Metallverbund, wenn die Energie der Photo- ten Elektronen kann wiederum die Austritts-
nen größer als die Austrittsarbeit WA ist. Diese arbeit WA überwinden und nochmals Elek-
Elektronen werden als Fotostrom außerhalb tronen (Sekundärelektronen) freisetzen. Der
des Metalls registriert. Der Fotostrom ist ein Sekundäremissionsfaktor gibt an, wie viele Se-
Maß für die Lichtintensität. Als Kathode wird kundärelektronen im Verhältnis zu den Pri-
eine mit Cadmium, Cäsium oder Kalium ver- märelektronen emittiert werden. Er liegt bei
spiegelte evakuierte Glasröhre verwendet, die reinen Metallen bei 1, für Halbleiter zwischen
bei Lichteinfall Elektronen zur ringförmigen 2 und 15. Durch geeignet angeordnete Elektro-
Anode aussendet. Die kinetische Energie Wkin den (Dynoden), zwischen denen Beschleuni-
der freigesetzten Elektronen berechnet sich gungsspannungen liegen, können sehr kleine
dann zu Ströme rauscharm bis auf das 1010 -fache ver-
stärkt werden. Als Foto-Multiplier wird er zur
Messung sehr kleiner Lichtintensitäten (sogar
Wkin = h f − WA . (4.89)
einzelner Lichtquanten) eingesetzt.
Feldemission
Zur Überwindung der Austrittsarbeit WA
bedarf es elektrischer Feldstärken von etwa
109 V/m (Zusammenhang zwischen elektri-
scher Feldstärke E und Spannung U, Ab-
schn. 4.3.4, (4.96)). Um diese hohen Feldstär-
ken für verhältnismäßig geringe Spannungen
(etwa 100 V) zu erzeugen, wird die Kathode zu
einer feinen Spitze geformt (Radius der Spitze
etwa 10−7 m). Abb. 4.42 Monoatomarer Thorium-Film auf Wolfram
310 4 Elektrizität und Magnetismus
Mit der lawinenartigen Zunahme der Ionen schen Kathode und Anode (a), den Verlauf
– entsprechend einer Kettenreaktion – nimmt der Raumladung ρ (b), der Feldstärke E
der innere Widerstand zwischen den Elektro- (c) und der Spannung U (d). Zwischen
den ab. Um den Strom zu begrenzen, muss man der Kathode und dem Kathodenlicht liegt
deshalb Vorwiderstände einschalten. Hierzu ein kleiner dunkler Bereich, der Aston’sche
dient vielfach der induktive Wechselstromwi- Dunkelraum. In diesem Bereich ist die Feld-
derstand einer Spule (Abschn. 4.5.2.2). stärke E am größten. Durch den Aufprall
Während die meisten unselbständigen Gasent- positiver Ionen auf die Kathode werden Elek-
ladungen ohne Leuchterscheinungen ablau- tronen freigesetzt (negative Raumladung),
fen, spielen die Lichtausstrahlungen der selb- die zunehmend Feldenergie aufnehmen. Im
ständigen Gasentladungen in der Technik eine Bereich des Hittorf ’schen Dunkelraums wer-
wichtige Rolle. Sie sind sehr stark von der Gas- den durch die schnellen Elektronen viele
art, dem Gasdruck, der Temperatur und der Gasatome ionisiert, sodass eine starke posi-
Elektrodengeometrie abhängig. tive Raumladung entsteht. Die Energie der
Elektronen wird im kathodischen Glimm-
Glimmentladung licht (beginnend mit einem Glimmsaum)
Bei einer Glimmentladung in einem zylin- durch Lichtaussendung verbraucht. Deshalb
drischen Rohr erkennt man eine Reihe von nimmt die Feldstärke bis auf null ab und
hellen und dunklen Zonen. Abbildung 4.44 es entsteht eine große negative Ladungs-
zeigt schematisch die Leuchtbereiche zwi- dichte.
Nach dem Faraday’schen Dunkelraum leuchtet schwindet, bis eine Glimmerscheinung aus
eine positive Säule. In diesem Gebiet sind dem Hittorf ’schen Dunkelraum übrig bleibt.
gleich viel (negative) Elektronen wie positive Bei weiterer Druckabnahme hört die Glimm-
Ionen vorhanden (quasineutrales Plasma). erscheinung auf und die Wände beginnen zu
Hier diffundieren fortwährend Elektronen fluoreszieren.
und Ionen an die Wand und rekombinieren Wird statt einer massiven Kathode eine Loch-
dort unter Lichtausstrahlung. Die Energie zur platte verwendet, dann setzt sich die Leuchter-
Erzeugung neuer Ladungsträger wird dem scheinung hinter der Kathode fort. Die durch
konstanten elektrischen Feld entnommen. Die das Kathodenloch hindurchtretenden positi-
positive Säule ist der längste leuchtende Teil ven Ionen werden Kanalstrahlen genannt. Da
einer Glimmentladung. Zwischen ihr und der sie sich im feldfreien Raum bewegen, bleibt
Anode kann ein kleiner glimmender Bereich ihre Geschwindigkeit konstant.
liegen (anodisches Glimmlicht). Unmittel- Die wichtigste Anwendung der Strahlung
bar vor der Anode ist ein Feldstärkeanstieg glühender Körper ist die 5 Glühlampe zur
festzustellen, der von der negativen Raum- Beleuchtung von Objekten und Räumen.
ladung der schnell abfließenden Elektronen Abbildung 4.45 zeigt eine Übersicht der
herrührt. unterschiedlichen Arten und Anwendungs-
bereiche. Eine Anwendung der Entladungs-
Bogen- und Funkenentladung erscheinungen ist die Entladungslampe. Die
Fließen durch eine Gasentladungsröhre große gebräuchlichsten Arten sind in Abb. 4.46
Ströme, dann werden die Elektroden sehr zusammengestellt. Festkörperlichtquellen stel-
heiß. Die glühende Kathode sendet sehr viele len eine weitere Anwendung von Strahlung
Elektronen aus, sodass die Leuchtstärke in aus anorganischen Kristallen und organi-
der positiven Säule entsprechend groß wird. schen Polymeren dar. Die beiden wichtigsten
Dies ist eine Bogenentladung. Sie kann sowohl Repräsentanten sind die Leuchtdiode (LED)
bei kleinem Druck (Vakuumbogenentladung) und organische Leuchtdiode (OLED, Abb. 4.46
als auch bei hohem Druck (106 Pa bis 107 Pa rechts).
in Hochdrucklampen) stattfinden. Rasch ge- Glühlampen zeichnen sich durch folgende Ei-
löschte und deshalb nur kurz aufleuchtende genschaften aus:
Bogenentladungen werden Funkenentladun-
– Kontinuierliches Spektrum (Temperatur-
gen genannt.
strahler);
– Über alle Spannungsbereiche ohne Vor-
Kathoden- und Kanalstrahlen schaltgeräte betreibbar
Wird in einer Gasentladungsröhre der Druck
– Sofort betriebsbereit (d. h. kein Zündvor-
auf 10 Pa bis 1 Pa vermindert, so ist die Wahr-
gang und keine Einbrennzeit)
scheinlichkeit für Stoßprozesse gering. Aus
diesem Grunde können die Elektronen aus Die wichtigsten Vorzüge von Entladungslam-
der Kathode das Feld nahezu ungestört und pen sind:
mit unverminderter Geschwindigkeit gerad-
linig durchlaufen. Diese Elektronenstrahlen – Lichtausbeute ist größer als bei Glühlampen
werden Kathodenstrahlen genannt. Mit abneh- – Lebensdauer ist höher als bei Glühlampen
mendem Druck werden zunächst die Dun- – Farbspektrum ist durch Zusätze und
kelräume größer und die positive Säule ver- Leuchtstoffe beeinflussbar
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 313
ihre Normvorschriften und typische Anwen- Nennspannung von 12,0 V bei 12,6 V so re-
dungsbereiche sowie einige typische Bauarten. sultiert aus dieser Spannungserhöhung um
Das zugehörige Diagramm zeigt den Zusam- 5% eine Lebensdauerreduzierung um 50%.
menhang zwischen Lichtstrom, Lichtausbeute Die Halogenlampe fällt also bereits nach der
und Lebensdauer in Abhängigkeit von der Hälfte der Nennlebensdauer aus. Dagegen
Spannung. Im gemeinsamen Schnittpunkt al- steigert diese 5%ige Spannungserhöhung den
ler Kurven ist 100% Lebensdauer, Lichtstrom Lichtstrom um 20% und die Lichtausbeute
und Lichtausbeute bei 100% Spannung. verbessert sich um 12%. Bei einer geringfügi-
Die stark nichtlinearen Abhängigkeiten wer- gen Spannungsabsenkung kann entsprechend
den zum Beispiel bei Betrachtung einer deutlich die Lebensdauer der Halogenlampe
12 V-Halogenlampe besonders deutlich. Be- unter Absenkung des Lichtstroms und der
treibt man eine 12 V-Lampe anstatt bei der Lichtausbeute erhöht werden.
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 315
Je nach Füllgas und Fülldruck können des Leuchtkörpers ausgeglichen, die damit
Glühlampen eingeteilt werden in Vakuum- verbundene Erhöhung der Verdampfungsge-
lampen, gasgefüllte Lampen mit Normal- und schwindigkeit des Wolframs (Leuchtkörper)
Überdruck sowie in gasgefüllte Überdrucklam- durch Größe und Anzahl (Fülldruck) der
pen mit Halogenzusätzen (Halogenlampen). Gasmoleküle (inaktive Edelgase wie Argon
Bei Lampen mit geringer Leistungsaufnahme (Ar), Xenon (Xe) oder Krypton (Kr)) re-
(z. B. Allgebrauchsglühlampen bis 15 W) sind duziert und somit der Schwärzungsprozess
Vakuumlampen infolge geringerer Verluste durch Wolframablagerungen an den kalten
durch fehlende Wärmeableitung über das Füll- Lampenteilen (Kolben) verzögert werden.
gas im Vergleich zu gasgefüllten vorteilhafter. Halogenzusätze zum Füllgas in Form halo-
Bei höheren Leistungen kann dieser Wärme- genierter Kohlenwasserstoffe oder Jod (I2 )
verlust durch höhere Temperaturbelastung bewirken einen Kreisprozess zwischen den
316 4 Elektrizität und Magnetismus
vom Leuchtkörper abdampfenden Wolfram- und anderen Zusätzen in der Lampe können
teilchen und dem Halogen. Bei Temperaturen Lichtfarbe, Lichtstrom und Strahlenintensität
um 250 ◦ C (also in der Nähe der kälteren beeinflusst und gezielt eingestellt werden.
Kolbenwand) verbinden sich diese Wolf- Entladungslampen benötigen im Gegensatz
ramteilchen mit dem Halogen zu Wolfram- zu Glühlampen eine Zündhilfe (z. B. Glimm-
halogeniden. Gelangen diese infolge von starter, Zündelektrode oder Zündgerät) und
Konvektion wieder in Temperaturbereiche um strombegrenzende Vorschaltgeräte (VG), z. B.
1 500 ◦ C (in Leuchtkörpernähe), so zerfallen Drosselspulen, Streufeldtransformatoren oder
diese Verbindungen wieder in Wolfram und elektronische Vorschaltgeräte (EVG). Infolge
Halogen. Damit stehen die freigewordenen der geringen Leistungsaufnahme bei gleicher
Halogenbestandteile erneut zum Kreisprozess Lichtemission (z. B. 9 W-Leuchtstofflampe
zur Verfügung. Durch diesen Kreisprozess statt 60 W-Glühlampe oder in Form von Ener-
wird bewirkt, dass sich die abdampfenden giesparlampen) sowie wegen der wesentlich
Wolframteilchen nicht auf der kälteren Kol- höheren Lebensdauer haben Entladungslam-
benwandung niederschlagen, sodass eine pen in vielen lichttechnischen Anwendungen
Schwärzung des Lampenkolbens während der die Glühlampen ersetzt.
Lebensdauer weitgehend unterbunden wird. Neben der Lichterzeugung durch Glüh- und
Halogenglühlampen können heute in Leis- Entladungslampen werden immer häufiger
tungsstufen zwischen 1 W und 20 000 W Festkörperlampen in zahlreichen Anwendun-
hergestellt werden. Halogenzusätze in Verbin- gen eingesetzt (Abb. 4.50). Im Fall der Leucht-
dung mit der Überdrucktechnik ermöglichen diode (LED) wird ein Festkörperkristall aus
in Relation zur herkömmlichen Glühlampen- verschiedenen Halbleitermaterialschichten
technik auch bei Lampen mit hoher Leistung durch einen Stromfluss zum Leuchten ange-
kleine Bauabmessungen sowie höhere Tem- regt (Aschn. 9.4.1.1, Abb. 9.72). Je nach Art des
peraturbelastungen des Leuchtkörpers oder verwendeten Materials strahlt die Leuchtdiode
alternativ hierzu längere Lebensdauern. in unterschiedlichen Farben mit schmalban-
Typische Anwendungsgebiete sind Fahrzeug- digem Spektrum (Δλ ≈ 15 nm bis 30 nm).
scheinwerfer, Allgemeinbeleuchtung (z. B. Als Halbleitermaterial kommen die Verbin-
Flutlichtanlagen, Effektbeleuchtung) und dungen InGaAlP (Rot, Amber, Gelb) und
Foto-, Studio- und Bühnenbeleuchtung. InGaN (Grün, Blau) zum Einsatz. Das Licht
In Abb. 4.46 sind die Entladungslampen in einer weißen LED wird aus der Farbmischung
Glimm-, Niederdruck-, Spektral-, Hochdruck- einer blau leuchtenden LED und einem gelb
und Höchstdrucklampen eingeteilt, die ent- emittierenden Leuchtstoff erzeugt. Dieser
sprechenden Kenngrößen zusammengestellt, Leuchtstoff befindet sich unmittelbar auf der
die wichtigsten Normen erwähnt und haupt- LED und wird durch das blaue Licht der LED
sächlichen Anwendungsfelder aufgezeigt zur Luminiszenz angeregt.
sowie einige Lampentypen exemplarisch dar- Wesentliche Vorteile der LED im Vergleich
gestellt. Bei den Entladungslampen werden zur Glühlampe sind die kompakte Bauform
beim Stromdurchgang Gase oder Metall- und die hohe Lebensdauer. So verdrängte be-
dämpfe (z. B. Quecksilber oder Natrium) reits im Automobilbereich zur Beleuchtung
angeregt. Die dabei aufgenommene kine- des Armaturenbretts die LED weitgehend die
tische Energie wird als Strahlung wieder Glühlampe. Im Bereich der Signal- und An-
abgegeben. Je nach Gas, Druck, Leuchtstoffen zeigenanwendung liegt die Stärke der LED in
4.3 Elektrisches Feld 317
der hohen Effizienz der farbigen Lichterzeu- schmelzung (Kernfusion) kommen kann (Ab-
gung. Bei der Lichterzeugung von farbigen schn. 8.8.4).
Licht mittels Glühlampen müssen verlustbe- Beim magnetohydrodynamischen Generator
haftete Farbfilter eingesetzt werden, die die (MHD-G.) wird ein Plasmastrom durch ein
Gesamteffizienz des Systems erheblich redu- transversales Magnetfeld geschickt. Ähn-
zieren. LEDs lassen sich in allen Betriebsarten, lich wie beim Hall-Effekt (Abschn. 4.4.3.2,
wie Sofortstart, Blinken und Dimmen von 0% Abb. 4.108) werden positive und negative
bis 100% mit relativ einfachen Betriebsgeräten Teilchen getrennt, sodass eine elektrische
bei niedrigen Betriebsspannungen anwenden. Spannung auftritt. Dadurch wird thermische
Organische Leuchtdioden (OLED) sind im Ver- direkt in elektrische Energie umgewandelt.
gleich zur LED nicht aus Halbleiterkristal-
Zur Übung
len, sondern aus verschiedenen dünnen or- Ü 4.2-1 Für ein Aluminiumwerk mit 20 Schmelz-
ganischen Polymerschichten aufgebaut. Auf- öfen steht in einer Entfernung von 500 m ein Gene-
grund der Polymereigenschaften und der ge- rator eines Kraftwerks, der diese mit Strom versorgt.
ringen Gesamtdicke einer OLED von etwa Die Verbindungsleitungen bestehen aus Kupfer (ρCu =
0,5 μm lassen sich flexible, flächige und far- 0,018 Ω · mm2 /m; Querschnitt A = 64 cm2 ). Die Alu-
bige Lichtquellen herstellen. Hauptanwendun- miniumöfen sind in Reihe geschaltet und an jedem liegt
eine Spannung von 4,6 V. Jeder Ofen soll je Schicht (8 h)
gen der OLED sind aktive Matrix-Displays für
100 kg Aluminium erzeugen (Ä = 0,09321 mg/(As)).
die Text- und Bilddarstellung. Wie groß muss die am Generator erzeugte Leistung
sein?
4.2.3 Plasmaströme
Ü 4.2-2 Ein Stahlzylinder (Länge l = 1,50 m; Ra-
Ein Plasma besteht aus positiven Ionen und dius r = 5 cm) soll galvanisch mit einer Schichtdicke
d = 5 · 10−2 mm vernickelt werden (ρNi = 8,7 kg/dm3 ;
negativen Elektronen großer Dichte. Wegen
Ä = 0,30415 mg/(As)). Welche Stromstärke ist dazu er-
der annähernd vollständigen Ionisation der forderlich und wie lange muss das Werkstück im Bad
Materie (bis zu 99%) wird der Plasmazu- bleiben, wenn die Stromdichte j = 25 A/m2 nicht über-
stand auch als vierter Aggregatszustand be- schritten werden darf?
zeichnet. Ein Beispiel eines quasineutralen
Plasmas (gleich viel positive wie negative La-
dungsträger) ist die positive Säule einer Glim- 4.3 Elektrisches Feld
mentladung (Abb. 4.44a).
Das physikalische Verhalten von Materie im 4.3.1 Allgemeiner Feldbegriff
Plasmazustand spielt vor allem in der Astro-
physik und in der Kernphysik eine Rolle. Die In der Physik tritt die Bezeichnung Feld in
Ladungsträgerkonzentrationen liegen z. B. in verschiedenen Zusammenhängen auf (z. B. in
der Ionosphäre bei 1010 Ladungsträgern je m3 , Abschn. 2.12.2.1). Ein Feld ist allgemein eine
in der Sternatmosphäre bei 1020 je m3 und im physikalische Größe Z, die nicht nur in einem
Sterninnern sogar bei 1030 je m3 . Diese hohen einzigen Punkt, sondern im gesamten Raum
Konzentrationen werden durch extrem hohe wirksam und damit messbar ist. Ein Feld kann
Temperaturen (10 000 bis 30 000 K) verursacht. daher mathematisch beschrieben werden:
Die Atomkerne und die Elektronen werden bei
einer Temperatur von 108 K völlig voneinan- Z = Z(x, y, z; t) . (4.90)
der getrennt, sodass es zu einer Atomkernver-
318 4 Elektrizität und Magnetismus
Abbildung 4.47 zeigt, dass Felder eingeteilt dungen sind. Diese elektrischen Kräfte lassen
werden können je nach ihrer Unabhängigkeit sich nach dem Coulomb’schen Gesetz (4.2) be-
bzw. Abhängigkeit von bestimmten Größen: rechnen (nicht für zeitlich sich ändernde Fel-
der). Sie wirken nicht nur im Ort der Ladung
– Richtung
selbst, sondern auch in deren Umgebung. Es
Richtungsunabhängige Felder sind skalare
ist deshalb ein elektrisches Feld vorhanden:
(z. B. Temperaturfelder) und richtungsab-
hängige sind Vektorfelder.
– Ort Das elektrische Feld wird mathematisch
Im allgemeinen Fall sind die Felder abhän- durch ein Vektorfeld beschrieben. Es
gig vom Ort (inhomogen). Nur in Spezial- rührt von elektrischen Ladungen her
fällen sind sie unabhängig vom Ort (homo- und beschreibt die Wirkungslinien der
gen), z. B. das elektrische Feld zwischen den elektrischen Kräfte in Betrag und Raum-
Platten eines Plattenkondensators oder das richtung. Als anschauliches Hilfsmittel
magnetische Feld im Innern einer lang ge- verwendet man hierfür den Begriff
streckten Spule. elektrische Feldlinien.
– Zeit
Zeitunabhängige Felder werden stationär
Die elektrischen Feldlinien weisen folgende Ei-
(z. B. laminare Strömung durch ein Rohr)
genschaften auf:
und zeitabhängige Felder instationär ge-
nannt.
– Sie beschreiben die elektrischen Kraftwir-
kungen:
4.3.2 Beschreibung des elektrischen Feldes • die Tangente an die Feldlinie gibt die
Kraftrichtung an;
Aus Abschn. 4.1 geht hervor, dass eine der Ur- • die Kraftwirkungen sind eindeutig, d. h.
sachen für elektrische Kraftwirkungen die La- die Feldlinien schneiden sich nicht;
4.3 Elektrisches Feld 319
• die Dichte der Feldlinien gibt Anhalts- nere von metallischen Körpern immer feld-
punkte für die Stärke der Kraftwirkungen frei ist, wie es in Abb. 4.48f angedeutet ist.
an verschiedenen Stellen; Mit metallischen Umhüllungen können des-
– sie besitzen einen Anfang (positive Ladung) halb elektrische Felder abgeschirmt werden
und ein Ende (negative Ladung). Dies be- (Faraday’scher Käfig).
deutet, dass es keine in sich geschlossenen Abbildung 4.48 zeigt den Verlauf der elektri-
Feldlinien gibt. Die Richtung von positiver schen Feldlinien für eine positive Ladung (a),
zu negativer Ladung ist willkürlich festge- für zwei gleich große, entgegengesetzte Ladun-
legt; gen (b), für zwei gleich große gleichnamige La-
– positiv geladene Körper werden in Richtung dungen (c), für zwei gleich große Metallplatten
der Feldlinien beschleunigt, negativ gela- (d), für eine Metallplatte und eine Metallspitze
dene den Feldlinien entgegen; (e) und für einen Metallrahmen zwischen zwei
– da auf metallischen Leitern die Elektronen Metallplatten (f).
frei beweglich sind, werden sie so lange ver-
schoben, bis keine tangentiale Kraftkompo- 4.3.3 Elektrische Feldstärke und Kraft
nente mehr vorhanden ist. Dies bedeutet,
dass auf elektrischen Leitern die elektrischen Wird in ein elektrisches Feld eine punktför-
Feldlinien senkrecht stehen; mige Prüfladung Q gebracht, so spürt diese
– befinden sich metallische Körper im elektri- eine Kraft F. Der Quotient aus der Kraft F und
schen Feld, so sitzen die Ladungen immer an der Prüfladung Q wird elektrische Feldstärke E
der Oberfläche. Dies bedeutet, dass das In- genannt:
U =E·d
Am Beispiel einer Punktladung kann der Zu-
oder für die elektrische Feldstärke E
sammenhang zwischen Feldstärke und Kraft
gut gezeigt werden. Nach dem Coulomb’schen U
Gesetz (4.2) gilt E= . (4.94)
d
1 Q1 Q2 r
F = · .
4πε0 r2 r Diese Beziehung beschreibt als Spezialfall
Für die Feldstärke E der Punktladung Q1 am die elektrische Feldstärke E zwischen zwei
Ort der Prüfladung Q2 folgt nach (4.91) geladenen Platten (Plattenkondensator, Ab-
schn. 4.3.6.2) in Abhängigkeit vom Abstand d.
Für den allgemeinen (inhomogenen) Feldfall
F 1 Q1
E= = · r. (4.93) jedoch muss man auf (4.91) zurückgreifen.
Q2 4πε0 r3
Beispiel
4.3-1 An den Eckpunkten eines Quadrates mit der
Dabei ist r der Abstandsvektor des Aufpunktes Seitenlänge von 10 cm befinden sich gleiche Ladungen
von der felderzeugenden Punktladung Q1 . Q1 bis Q4 von je 5 · 10−7 C, wie es Abb. 4.49 verdeut-
Die elektrische Feldstärke E(P0 ) am Ort P0 ei- licht. Ermitteln Sie mit einem Rechenprogramm die
ner Prüfladung errechnet sich bei n felderzeu- Feldstärke E (Betrag und Richtung) im Mittelpunkt P
genden Ladungen Q1 , Q2 bis Qn zu des Quadrates für folgende vier Ladungsanordnungen:
Q1 Q2 Q3 Q4
1
E(P0 ) = a) – – – –
4πε0
b) – – + +
Q1 Q2 Qn c) – + – +
· 3 r10 + 3 r 20 + … + 3 rn0 . d) – – + –
r10 r20 rn0
Fassen Sie das Programm so ab, dass beliebige La-
Dabei ist rn0 der Abstand der n-ten Ladung dungen in den Eckpunkten sitzen können und die La-
vom Ort der Prüfladung. dungsabstände unterschiedlich sein können.
4.3 Elektrisches Feld 321
Lösung
Für die Feldstärke E der Punktladung Q1 am Ort P gilt
nach (4.93)
Q1 Q1
|EQ,P | = = 2 .
D√ 2 D
4 πε0 2 8 πε0
2 2
D ist der Ladungsabstand. Durch Vektoraddition wer-
den alle vier elektrischen Feldstärken (herrührend von
den vier Ladungen) im Punkt P addiert und ergeben
die resultierende Feldstärke E am Ort P in Betrag und Abb. 4.50 Verschiebung von Ladung im elektrischen
Richtung. Feld
322 4 Elektrizität und Magnetismus
gegen die Feldkraft F = QE eine Verschie- Wird die Probeladung Q vom Unendlichen
bungsarbeit verrichtet werden: (rA = ∞) zum Punkt B geführt, dann ist die
B Spannung zwischen unendlich und Punkt B
WAB =− F(s) ds . B
Q1
U∞B = E ds = − .
A 4πε0 rB
Daraus ergibt sich ∞
Sie hängt also nur von der Lage des Punktes B
B
im elektrischen Feld ab. Als elektrisches Po-
WAB =− Q E ds oder
tential ϕB des Punktes B wird bezeichnet:
A
B
B W∞B
ϕB = − E ds = . (4.98)
WAB = −Q E ds . (4.95) ∞
Q
A
Q1 1 1
UAB = − . (4.97)
4πε0 rA rB Abb. 4.51 Elektrostatisches Potential und Spannung
zwischen zwei Punkten
4.3 Elektrisches Feld 323
Für sehr kleine Verschiebungen ist Aufpunktes P durch Integration der elektri-
schen Feldstärke auf dem Weg von P nach ∞.
dϕ = −E ds = −|E| · | ds| cos(E, ds) . Das Ergebnis ist unabhängig vom genauen
Verlauf des Weges.
Findet diese sehr geringe Verschiebung in
– Aus dem elektrostatischen Potential ϕ lässt
Feldrichtung statt (cos (E, ds) = 1), so gilt
sich durch Anwendung des Vektoroperators
Gradient die elektrische Feldstärke E (bzw.
dϕ deren Komponenten Ex , Ey und Ez ) errech-
|E| = − (4.101)
ds nen ((4.102) bzw. (4.103)).
– Beide Beschreibungsweisen des elektri-
schen Feldes, also durch die elektrische
oder für die räumlichen Komponenten des Fel-
Feldstärke E und andererseits durch das
des
elektrostatische Potential ϕ, sind gleichbe-
⎛ ⎞ rechtigt.
∂ϕ ∂ϕ ∂ϕ ⎠
E(x, y, z) = − ⎝ i + j+ k
∂x
!"#$ ∂y ∂z
!"#$ Äquipotentialflächen
!"#$
Ex + Ey + Ez Auf Äquipotentialflächen herrscht immer glei-
ches Potential (ϕ = konstant), d. h., der Poten-
(4.102) tialunterschied ist null (Δϕ = 0). Dann folgt
nach (4.100)
∂ ∂ ∂
grad = i+ j+ k Das Skalarprodukt E ds wird null, wenn die
∂x ∂y ∂z
beiden Vektoren senkrecht aufeinander ste-
formuliert werden: hen, wie es Abb. 4.52 zeigt (dann ist cos
(E ds) = 0), sodass gilt E ⊥ ds.
E = −grad ϕ . (4.103)
Lösung
B
Nach (4.100) gilt UAB = − E dl. Somit ergibt sich
A
B B
E
UBA = ϕB − ϕA = − E cos α dl = √ dl
2
A A
E E √
= √ l= √ 2 d = Ed .
2 2
Die Punkte B und C haben gleiches Potential, da die
Feldstärke E senkrecht zum Wegelement dl steht, so-
dass E dl = 0 wird. Es handelt sich also um die Äqui-
Abb.4.54 Automatischer Äquipotentiallinienschreiber potentiallinie (BC), sodass gilt UCA = UBA = E d.
326 4 Elektrizität und Magnetismus
ΔEkin = −ΔEpot ,
1 2
m − 20 = −Q (ϕ1 − ϕ2 ) = Q U ,
2
1 2
m − 20 = Q U . (4.106)
2
Abb. 4.56 Zu Beispiel 4.3-2. Eine äußere Kraft F Man erkennt, dass die kinetische Energie
bewegt eine Ladung Q auf dem Weg ABC proportional zur durchlaufenden Beschleu-
nigungsspannung U zunimmt. Falls die An-
fangsgeschwindigkeit 0 = 0 ist, setzt man an
4.3.5 Bewegung geladener Teilchen
im elektrischen Feld
1
Ekin = m 2 = QU . (4.107)
4.3.5.1 Grundlegende Betrachtungen 2
Ein elektrisch geladenes Teilchen (z. B. ein
Elektron oder ein Proton) wird im elektrischen In der Atom- und Kernphysik (Abschn. 8) wer-
Feld der Feldstärke E wegen der elektrischen den die Energien von Elementarteilchen übli-
Kraft F el = Q E in Feldrichtung beschleunigt, cherweise in Elektronenvolt (eV) gemessen:
sodass das Teilchen mit der Masse m nach dem
Newton’schen Grundgesetz der Dynamik eine Ein Elementarteilchen mit der Elemen-
Beschleunigung erfährt: tarladung e = 1,60219 · 10−19 As erhält
beim Durchlaufen einer Potentialdiffe-
= ma ,
F el renz von 1 V eine Energiezunahme von
QE = ma .
1 Elektronenvolt (eV) = 1,60219 · 10−19 J .
Daraus ergibt sich die Beschleunigung (4.108)
Ist das elektrische Feld homogen, so durchläuft 1 MeV = 106 eV = 1,60219 · 10−13 J ,
ein geladenes Teilchen eine Bewegung mit kon- 1 GeV = 109 eV = 1,60219 · 10−10 J .
stanter Beschleunigung. Deshalb nimmt die (4.109)
kinetische Energie Ekin ständig zu, und zwar
4.3 Elektrisches Feld 327
Aus (4.107) lässt sich die Endgeschwindigkeit Elektronenmasse im Vergleich zur Ruhemasse um 5%,
geladener Teilchen berechnen: 10%, …, 100% größer? Zeichnen Sie in Abhängigkeit
von U im klassischen und im relativistischen Fall auf.
2QU Lösung
= . (4.110)
m
a) Es sind folgende Beziehungen zu verwenden:
sehr schnelle fliegende Teilchen (ab etwa 10% Für ein Elektron gilt weiterhin die Elektronenge-
der Vakuumlichtgeschwindigkeit c; bei Elek- schwindigkeit (klassisch)
tronen schon bei der relativ kleinen Spannung
von 2 500 V) ist der relativistische Massenzu- √
ke = 5,93 · 105 U / V m/s , (4.113)
wachs spürbar (Abschn. 10.4):
m0
m= 2 . relativistisch
1−
c
Hierin ist m0 die Ruhmasse des Teilchens re = 2,998 · 108
und c die Vakuumlichtgeschwindigkeit. Es gilt 1
1− m/s,
nach (10.16) für die kinetische Energie Ekin = (1,957 · 10−6 U / V + 1)2
m c2 − m0 c2 . Eingesetzt in (4.107) resultiert (4.114)
9,11 · 10−31 kg
m = 2 , (4.115)
QU = (m − m0 ) c2 1−
re
⎛ ⎞ 2,998 · 108 m/s
⎜ 1 ⎟ m
=
1
= m0 c2 ⎜
⎝
⎟
2 − 1⎠ , m0 re
2 . (4.116)
1−
1− 2,998 · 108 m/s
c
(4.111)
1 − 2 . (4.112)
QU
+1
m0 c2
Beispiel
4.3-3 Für ein Elektron (Ruhemasse m0 = 9,11
10−31 kg) sollen anhand eines Programms für die
durchlaufenen Spannungen von 1 V bis 1010 V (in
10 V-Schritten) die Elektronengeschwindigkeit , die Abb. 4.57 Elektronengeschwindigkeit normiert auf
Elektronenmasse m sowie die relative Massenzu- die Lichtgeschwindigkeit c in Abhängigkeit von der
nahme m/ m0 errechnet werden. Bei wie viel eV ist die Spannung im klassischen und relativistischen Fall
328 4 Elektrizität und Magnetismus
b) Abbildung 4.57 zeigt die Abhängigkeit der Elektro- (Die Gravitationskraft kann im Vergleich
nengeschwindigkeit von der Spannung im klassi- zur Feldkraft vernachlässigt werden.) Dar-
schen bzw. im relativistischen Fall: Die Geschwin- aus errechnet sich eine Geschwindigkeit in
digkeit nach der klassischen Formel würde ab 105 V
y-Richtung von y = ay t.
sehr schnell ins Unendliche anwachsen, während
sie im relativistischen Fall in die Gerade el = c
Analog zum waagerechten Wurf erhält man für
einmündet. die Bewegung in x-Richtung x = ox t und in
y-Richtung y = 12 ay t2 = 2emEe t2 .
Durch Eliminieren von t ergibt sich die Bahn-
gleichung (s. waagrechter Wurf, (2.17) in Ab-
4.3.5.2 Bewegung eines geladenen Teilchens
schn. 2.2.2.3):
quer zum elektrischen Feld
a
Es sei angenommen, dass Elektronen nach y = 2 x2 oder
(4.110) mit einer Geschwindigkeit von 2 ox
2e
ox = Ua eE
me y= x2 . (4.117)
2 me 2ox
in ein homogenes Querfeld E einströmen.
Dieses Feld kann durch einen Plattenkon-
densator der Plattenlänge l und dem Plat- Da für die elektrische Feldstärke im Konden-
tenabstand d erzeugt werden. Dies geschieht sator E = UKond / d gesetzt werden kann und
u. a. beim Elektronenstrahl-Oszilloskop (Ab- 2ox = 2 e Ua / me ist, erhält man
schn. 4.3.5.4) und ist schematisch in Abb. 4.58
dargestellt. Die Bahnkurve des Elektrons ent- UKond 2
y= x . (4.118)
spricht der eines waagrechten Wurfes (Ab- 4 d Ua
schn. 2.2.1.3), da
– in x-Richtung eine Bewegung mit konstanter Für den Ablenkwinkel ϕ gilt
Geschwindigkeit ox und
– in y-Richtung eine Bewegung mit konstan- y eE
ter Beschleunigung ay = e E/ me (4.105) er- tan ϕ = = t. (4.119)
ox me ox
folgt.
Wegen t = l/ ox gilt nach Verlassen des Feldes 4.3.5.3 Bewegung eines geladenen Teilchens
parallel zum elektrischen Feld
eEl Als Beispiel sei ein positiv geladenes Teilchen
tan ϕ = . (4.120) gewählt, ein Proton mit der Masse mP und der
me 2ox
Ladung +e. Wie Abb. 4.59 zeigt, entspricht die
elektrische Kraft F el = e E der Gravitations-
Mit (4.94) für E und (4.110) für 2ox erhält man kraft F Gr = m g (s. dazu auch Abb. 4.53). Die
konstante Beschleunigung des Protons errech-
l UKond net sich nach (4.105) zu
tan ϕ = . (4.121) eE
2 d Ua a= .
mP
Es ergeben sich die bekannten Beziehungen
Für die Ablenkung aus der Flugrichtung nach
der Mechanik für den freien Fall, wenn anstelle
Verlassen des Feldes bedeutet dies:
von g der obige Ausdruck für a gesetzt wird:
– Je größer l (oder die Flugdauer t), desto grö- = a t,
ßer die Ablenkung;
– je größer die Kondensatorspannung UKond eE
= t. (4.123)
oder die Feldstärke E = UKond / d, desto grö- mP
ßer die Ablenkung und
– je größer die Anodenspannung Ua (oder die Für den Weg gilt y = 12 a t2 ,
Geschwindigkeit ), desto kleiner die Ablen-
kung.
1 eE 2
y= t , (4.124)
Wenn sich im Abstand s von der Kondensator- 2 mP
mitte ein Auffangschirm befindet, dann kann
die Ablenkung b (Abb. 4.58) berechnet werden für den Zusammenhang zwischen Geschwin-
gemäß
digkeit, Beschleunigung und Weg = 2 a y,
l
b = yA + s − tan ϕ .
2 2eE
= y. (4.125)
Mit den Beziehungen für yA (4.117) und mP
tan ϕ (4.120) ergibt sich
eE 2 l eEl
b= l + s− =
2 me 2ox 2 me 2ox
eEl l 1
= 2 +s− ,
me ox 2 2
eE l s e UKond l s l s UKond
b= = = .
me 2ox me d 2ox 2 d Ua
(4.122) Abb. 4.59 Bewegung eines geladenen Teilchens
parallel zum elektrischen Feld
330 4 Elektrizität und Magnetismus
Die Flächenladungsdichte σ ist ein Maß dafür, nur möglich, wenn die Flächenladungsdichte σ
wie viel Teilladung ΔQ sich auf einer Teilflä- auf den Influenzplättchen genau so groß ist,
che ΔA befindet: wie diejenige auf den Kondensatorplatten. Die
Ladung ΔQ, die auf den Influenzplättchen sitzt,
ΔQ kann nun außerhalb des elektrischen Feldes
σ= . (4.128)
ΔA gemessen werden, beispielsweise nach (4.3)
über den Entladestrom (Abb. 4.64d). Es zeigt
Die Maßeinheit ist [σ ] = 1 C/m2 = 1 As/m2 . sich, dass die so bestimmte Ladungsdichte
Anhand der Messung der influenzierten La- auf den Influenzplatten der elektrischen Feld-
dung ist eine Beschreibung und Berechnung stärke proportional ist. Die Proportionalitäts-
des elektrischen Feldes möglich. Bringt man konstante ist die elektrische Feldkonstante ε0 :
beispielsweise gemäß Abb. 4.64a ein metalli- σ = ε0 E .
sches Doppelplättchen in ein homogenes elek-
trisches Feld, so werden Ladungen auf dem Das vektorielle Produkt ε0 E ist eine inter-
Doppelplättchen getrennt (Abb. 4.64b). Wer- essante Feldgröße, die allerdings erst dann
den anschließend die Plättchen innerhalb des wichtig wird, wenn sich Materie im elektri-
Feldes getrennt (Abb. 4.64c), so verbleibt der schen Feld befindet (Abschn. 4.3.7). Sie wird
Raum zwischen den Plättchen feldfrei. Dies ist als elektrische Verschiebungsdichte D bezeich-
D = ε0 E . (4.129)
ΔQ
|D| = σ = . (4.130)
ΔA
ψ = A D = A ε0 E .
ψ= D dA = ε0 E dA . (4.132)
Die Verschiebungsdichte D spielt damit die
A A
Rolle der Flussdichte:
ψ
D= .
A Als Beispiel soll der Fluss durch eine Kugel-
Ist das elektrische Feld inhomogen und die Be- oberfläche mit Radius R berechnet werden,
zugsfläche gegenüber den Feldlinien um den in deren Zentrum sich die Ladung Q befindet
Winkel ϕ gekippt (Abb. 4.65b), dann sind Fluss (Abb. 4.66).
und Flussdichte differentiell zu definieren: Nach (4.93) ist die elektrische Feldstärke einer
Punktladung im Abstand R
dψ
dψ = D dA und D = . (4.131) Q
dA⊥ E(R) = .
4πε0 R2
Die elektrische Verschiebungsdichte ist
Die Feldlinien weisen radial vom Zentrum weg
gleich dem elektrischen Fluss je Flächen-
(Abb. 4.66). Damit ist in jedem Punkt der Ober-
Einheit.
fläche der Normalenvektor dA parallel zur Ver-
334 4 Elektrizität und Magnetismus
schiebungsdichte D bzw. der Feldstärke E. Für Befindet sich innerhalb einer geschlossenen
das Integral von (4.132) ergibt sich Oberfläche keine Ladung, so ist nach (4.133)
der Fluss durch diese Fläche null. Dies hängt
ψ = D dA = ε0 E dA einfach damit zusammen, dass der Fluss ein
Maß ist für die Zahl der Feldlinien, die eine
Q
= dA = Q. Fläche durchdringen. Da jede Feldlinie, die in
4π R2
den Raum eintritt, diesen auch wieder ver-
Der von einer Punktladung ausgehende Fluss lassen muss (sie kann ja nicht auf einer La-
durch eine beliebige konzentrische Kugelflä- dung im Innern enden), ist der Gesamtfluss
che entspricht also der Ladung Q der Punkt- null (Abb. 4.67).
ladung. Hätte man anstatt der Kugel eine be-
liebige andere geschlossene Fläche um die La- Beispiel
dung Q gelegt, dann wäre wegen des Skalar- 4.3-4 Die elektrische Feldstärke im Innern eines Plat-
tenkondensators ist zu bestimmen, wenn auf den Plat-
produktes D dA dasselbe Ergebnis heraus ge-
ten der Fläche A die Ladung Q sitzt.
kommen.
Sitzen innerhalb einer geschlossenen Fläche Lösung
n Ladungen Qi , dann ist der Fluss durch die Im Idealfall eines Plattenkondensators mit großer Plat-
Oberfläche gleich der Summe der Ladungen. tenfläche und kleinem Plattenabstand ist der Außen-
Dieses Ergebnis wird als Gauß’scher Satz (C. F. raum feldfrei und im Innern liegt ein homogenes Feld
vor (Abb. 4.68). Denkt man sich nun die geschlossene
Gauss, 1777 bis 1855) bezeichnet:
rote Fläche um eine Platte gelegt, dann ist der Fluss
durch die Fläche
n
ψ= D dA = Qi . (4.133) ψ = D dA = D A = ε0 E A .
i=1
Der durch eine geschlossene, beliebig ge- Dieser Fluss muss nach dem Gauß’schen Satz gleich
formte Oberfläche gehende elektrische sein der Summe aller Ladungen innerhalb der Bezugs-
fläche. Also gilt
Fluss ist gleich der Summe der von dieser
Q σ
Fläche eingeschlossenen Ladungen. ψ = ε0 E A oder E = = .
ε0 A ε0
4.3 Elektrisches Feld 335
Q
C= ,
Abb. 4.68 Zur Berechnung der Feldstärke im U
Plattenkondensator nach Beispiel 4.3-4 Q = CU . (4.134)
Der Gauß’sche Satz ermöglicht bei gewissen geometri- Allgemein schreibt man
schen Konstellationen die Berechnung der Feldstärke
aus der Ladungsverteilung. In Abb. 4.70 ist die Feld-
D dA
stärke E in der Umgebung von geladenen Körpern un- C= . (4.135)
terschiedlicher Geometrie zusammengestellt. E ds
(n − 1) A
C = ε0 . (4.137)
d
Die Kapazität einer einzigen Kugel mit dem Für eine geschlossene Fläche im Abstand r entspre-
Radius r ist chend Abb. 4.75 und unter Berücksichtigung der
Länge l des Zylinders gilt
CKug = 4π ε0 r . (4.140) E dA = E(2πr)l = Q/ε0 ,
Q
E= .
ε0 2πrl
Abbildung 4.74 gibt die Gleichungen für die Die Potentialdifferenz zwischen den Platten beträgt
Kapazitäten anderer Geometrien wieder. nach (4.100)
r2 r2
Beispiel Q
U = E dr = dr =
4.3-5 Die Gleichung für die Kapazität eines Zylinder- 2πε0 rl
r1 r1
kondensators (4.151) soll hergeleitet werden.
r2
Q dr Q r2
= = ln .
Lösung
2 π ε0 l r 2πε0 l r1
Nach (4.132) und (4.133) gilt E dA = ε10 Q. r1
4.3 Elektrisches Feld 339
Lösung
Nach (4.139) gilt
r1 r2
CKug = 4πε0 = 45,85 mF .
(r2 − r1 )
E0 U0
= = εr . (4.149)
Em Um
Cm
= εr , Cm = εr C0 . (4.150)
C0
Wird der Kondensator an die Spannungsquelle Tabelle 4.8 Permittivitätszahl einiger Werkstoffe
angeschlossen, so können so viele Ladungen
auf die Plattenoberfläche des Kondensators Werkstoffe Permittivitätszahl εr
nachfließen, dass das Polarisationsfeld EP
(Elektrisierung) kompensiert wird und wie- Paraffin 2,2
der das ursprüngliche Feld herrscht. Dann Polypropylen 2,2
nimmt aber die Verschiebungsdichte Dm auf Polystyrol 2,5
das εr -fache zu oder wird um die elektri- Polycarbonat 2,8
sche Polarisation P, d. h. um die Dichte der Polyester 3,3
Kondensatorpapier 4 bis 6
Polarisationsladungen auf der Dielektrikums- Zellulose 4,5
oberfläche erhöht: Al2 O3 12
Ta2 O5 27
Wasser 81
Dm = εr D0 = D0 + P . (4.152) Keramik (NDK) 10 bis 200
Keramik (HDK) 103 bis 104
Dm = ε0 εr Em = ε Em = ε0 Em + P . P = χe ε0 Em . (4.156)
(4.153)
Für das zur Polarisation P gehörende elek-
Ferner gilt trische Gegenfeld EP folgt aus (4.151) unter
Berücksichtigung von (4.155)
ε = ε0 εr . (4.154)
εr − 1
EP = E0 − Em = E0 = χe Em .
Für das elektrische Feld in einem Di- εr
elektrikum steht bei allen physikalischen (4.157)
Gleichungen statt ε0 das Produkt ε = ε0 εr
(Permittivität).
Für Dielektrika ist εr > 1 und deshalb χe > 0.
Für Vakuum gilt εr = 1 bzw. χe = 0.
Tabelle 4.8 zeigt die Permittivitätszahl einiger
Bei einer Verbindung einer Spannungsquelle
wichtiger Dielektrika. Aus (4.153) folgt für die
mit einem Kondensator ist die Spannung U
elektrische Polarisation
und damit E konstant, während bei Trennung
P = Dm − ε0 Em = ε0 εr Em − ε0 Em des Kondensators von der Spannungsquelle
oder die Ladung Q und damit die Verschiebungs-
dichte D gleich bleibt. In beiden Fällen steigt
die Kapazität auf das εr -fache an, wenn ein
P = ε0 Em (εr − 1) . (4.155)
Dielektrikum in den Kondensator eingebracht
wird. Bleibt der Kondensator mit der Span-
Der Faktor (εr − 1) ist die elektrische Suszepti- nungsquelle verbunden, dann erhöht sich die
bilität χe . Somit gilt elektrische Energie Wel auf das εr -fache, wäh-
342 4 Elektrizität und Magnetismus
rend sie sich im anderen Fall auf den εr -ten Teil – beim Speichern von Ladung und elektri-
verringert. scher Energie (Elektronen-Blitzgerät, Plas-
Tabelle 4.9 zeigt in den Spalten die beiden maerzeugung, Laser, Kopierer);
Fälle (Kondensator mit der Spannungsquelle – bei der Trennung von Gleich- und Wech-
verbunden oder getrennt) und in den Zeilen, selstrom bzw. von Wechselströmen unter-
welche der elektrischen Größen konstant blei- schiedlicher Frequenzen (Lautsprecheran-
ben bzw. sich ändern. kopplung, Verstärker, Störschutz) sowie zur
Abbildung 4.77c zeigt den Fall eines teilweise Siebung und Glättung von pulsierenden
gefüllten Kondensators. Schwarz gezeichnet Gleichspannungen (Brumm-Siebung bei
sind die Feldlinien des elektrischen Feldes E netzbetriebenen Elektrogeräten);
und rot diejenigen des Feldes der Verschie- – in Schwingkreisen, beispielsweise zur Sen-
bungsdichte D. Während E im Innenraum der derabstimmung bei Rundfunk- und Fern-
Materie reduziert wird, also an der Grenzfläche sehempfängern;
einen Sprung erleidet, ist D überall konstant. – in Zeitkreisen
Das bedeutet, dass das D-Feld eine Grenzflä- (RC-Glieder, Blinkschaltungen, Anzugs-
che stetig durchsetzt. Bei schräg zu den Feld- und Abfallsverzögerungen für Relais);
linien verlaufenden Grenzflächen gilt dies für – als Phasenschieber
die Normalkomponente (Abb. 4.83). • zur Blindstromkompensation
(Leuchtstofflampen mit Spule oder Leis-
tungskondensatoren nach VDE 0560-4);
Kondensatoren als Bauelemente • zur Drehfelderzeugung
in der Elektrotechnik (Hilfsphase für Motoranlauf oder Mo-
Kondensatoren gehören zu den wichtigsten torbetrieb an ein Ein-Phasen-Netz,
Bauelementen in der Elektrotechnik. Die Motorbetriebs-Kondensatoren nach VDE
Werte für die Kapazitäten erstrecken sich 0560-8);
über zwölf Dekaden (von 1 pF bis 1 F). In – in der Leistungselektronik
sehr unterschiedlichen Bereichen werden (Bedämpfen von Spannungsspitzen, Kom-
Kondensatoren eingesetzt, beispielsweise mutierung, Filtern von Oberwellen).
4.3 Elektrisches Feld 343
steht aus einer atomaren Oxidschicht (Al2 O3 Außer den gesinterten Ta-Elkos werden auch
bzw. Ta2 O5 ). Durch einen flüssigen Elektro- Keramik-Kondensatoren in Sintertechnik her-
lyten wird die Leitung zur negativen Katho- gestellt. Man unterscheidet drei Typen:
denfolie aus hochreinem Metall sichergestellt.
Die Elkos müssen polungsrichtig eingebaut – Typ-I-Kondensatoren
werden. Häufig kennzeichnet der längere An- Das Dielektrikum besteht aus einer Kera-
schlussdraht den positiven Pol. Den Aufbau mikschicht mit niedriger Dielektrizitätszahl
für Al- bzw. Ta-Elkos zeigt eine Skizze in (ND; εr von 10 bis 200), z. B. Titandioxid und
Abb. 4.78. Magnesiumtitanat;
346 4 Elektrizität und Magnetismus
rung der Dipole. Da die Wärmebewegung die Vektor der elektrischen Verschiebungsdichte
Orientierung behindert, ist die paraelektrische D(x, y, z) (4.153)
Polarisation stark temperaturabhängig.
Ist die Verschiebungspolarisation oder die pa- D(x, y, z) = ε0 εr E(x, y, z)
raelektrische Polarisation in allen drei Raum- ⎛ ⎞
richtungen gleich groß, so liegt ein isotropes εx x εx y εx z
Verhalten vor. Die drei Vektoren elektrische εr = ⎝εy x εy y εy z ⎠ . (4.159)
Feldstärke E, Verschiebungsdichte D und Po- εz x εz y εz z
larisation P stehen parallel zueinander und
können anhand von (4.153) und (4.156) um- Dabei stellt z. B. das Element εx z den εr -Wert
gerechnet werden. Für den Fall einer rich- dar, der von der x-Komponente der elektri-
tungsabhängigen, d. h. anisotropen Polarisa- schen Feldstärke E herrührt und einen Beitrag
tion wird εr ein symmetrischer Tensor zweiter zur z-Komponente der elektrischen Verschie-
Stufe. So gilt für die Umrechnung des Vektors bungsdichte D liefert. Die Zeilen des Tensors εr
der elektrischen Feldstärke E(x, y, z) in den geben deshalb die Aufteilung der Raumkom-
Abb. 4.82 Temperatur- und Frequenzabhängigkeit der Permittivitätszahl und des Verlustwinkels von Polyester
4.3 Elektrisches Feld 349
tan ϕ1 εr1
Elektrische Feldstärke und elektrische = . (4.162)
tan ϕ2 εr2
Verschiebungsdichte an Grenzflächen
Abbildung 4.77c zeigt, dass sich bei senkrech-
tem Verlauf der elektrischen Feldlinien zur Die elektrischen Feldlinien an der Grenz-
Grenzfläche die elektrische Feldstärke E an fläche zweier unterschiedlicher Dielek-
der Grenzfläche zwischen Vakuum und Di- trika gehorchen einem Brechungsgesetz
elektrikum sprungartig ändert, während die (analog zur Optik).
Verschiebungsdichte D stetig die Grenzfläche
durchdringt.
Verlaufen die elektrischen Feldlinien schräg Das Brechungsgesetz sagt aus, dass beim Ein-
zur Grenzfläche der Dielektrika, so gelten ge- tritt in einDielektrikum mit größerem εr (klei-
mäß Abb. 4.83 für die Normal- bzw. Tangential- nerem εr ) die Feldlinien (für E und D) vom Lot
komponenten des E- bzw. D-Vektors folgende weg (zum Lot hin) gebrochen werden.
Abb. 4.83 Elektrische Feldstärke und Verschiebungsdichte an der Grenzfläche zweier unterschiedlicher
Dielektrika
350 4 Elektrizität und Magnetismus
4.3.8 Energieinhalt des elektrischen Feldes Gleichung (4.167) ist nicht nur für den Platten-
kondensator, sondern allgemein gültig.
Für die elektrische Energie gilt gemäß (4.76)
Kraft zwischen zwei Kondensatorplatten
Qmax Aus dem Zusammenhang zwischen Arbeit und
Wel = U(Q) dQ , (4.163) Kraft dW = F ds errechnet sich die Anzie-
0
hungskraft zu
dW
und wegen U(Q) = Q
C lauten die Umformun- F = .
ds
gen
Da dW = 12 Q dU ist, gilt
1 Q2 1 1 Q dU dU
Wel = = Q U = C U 2 . (4.164) F = und wegen =E
2 C 2 2 2 ds ds
QE
Wel gibt die elektrische Arbeit an, die benötigt F = . (4.168)
wird, um einen Kondensator mit der Kapa- 2
zität C auf eine Spannung U aufzuladen. Für
den speziellen Fall des Plattenkondensators ist Wird für Q = C U und für E = U
d gesetzt, dann
U = E d und C = ε0 εr A/ d. Deshalb gilt für die ist
in einem Kondensator gespeicherte elektrische
Energie C U2
F = (4.169)
2d
1 A
Wel = ε0 εr (E d)2 ,
2 d und wegen C = ε0 εr A
d
ε0 εr A U 2
1 F = . (4.170)
Wel = ε0 εr (A d) E2 . (4.165) 2 d2
2
Zur Übung
Da A d das Volumen zwischen den Kondensa- Ü 4.3-1 Zwei Platten mit einem Radius r = 8 cm befin-
den sich im Abstand d = 4 mm voneinander. Welche
torplatten ist, schreibt man für die elektrische
Kapazität hat der Kondensator? Wie groß ist die elek-
Energiedichte
trische Feldstärke zwischen den Platten und wie groß
ist die Ladung und die Verschiebungsdichte auf jeder
Wel 1 der beiden Platten bei U = 10 V?
wel = = ε0 εr E2 (4.166)
V 2
Ü 4.3-2 Ein Wattebausch mit der Masse m = 3 · 10−2 g
ist mit einer Ladung Q = 4 · 10−8 C geladen. Wie groß
oder wegen ε0 εr E = D muss die Spannung zwischen den Platten eines waag-
recht liegenden Kondensators (Plattenabstand d =
5 cm) sein, damit der Wattebausch schwebt?
Wel 1
el = = DE . (4.167)
Ü 4.3-3 Berechnet werden soll die Gesamtkapazität
V 2
der Kondensator-Anordnung nach Abb. 4.84.
4.4 Magnetisches Feld 351
Experimentell kann festgestellt werden, dass Abb. 4.88 Magnetfeld eines geraden, stromdurchflos-
ein stromdurchflossener gerader Leiter ein senen Leiters
4.4 Magnetisches Feld 353
Wird die Stärke des magnetischen Feldes mehreren Strömen innerhalb eines Integrati-
entlang der magnetischen Feldlinien mit onsweges überlagern sich also deren Magnet-
H bezeichnet, so beschreibt das Durchflu- felder, und es gilt beispielsweise für den Fall in
tungsgesetz (Ampère’sches Gesetz) den Zu- Abb. 4.89 nach dem Durchflutungsgesetz
sammenhang zwischen Stromdichte j = I / A
und magnetischer Feldstärke (magnetischer H ds = −I1 + I2 + I3 − I4 − I5 + I6 .
Erregung) H: Umschließt der in sich geschlossene Integrati-
onsweg keine Ströme, dann gilt, da j = 0,
n
Θ= H ds = j dA = Ii .
A i=1
H ds = 0 . (4.172)
(4.171)
Das Integral der magnetischen Feld-
stärke H längs einer geschlossenen Das Durchflutungsgesetz ist allgemein gültig.
Umlauflinie ist gleich dem gesamten Mit ihm kann die magnetische Feldstärke H
durch diese Fläche hindurchfließenden beliebig verlaufender stromführender Leiter
Strom I. berechnet werden.
Die magnetische Feldstärke H hat die Maßein- Magnetische Feldstärke eines geradlinigen,
heit 1 A/m. stromdurchflossenen Leiters
Das Durchflutungsgesetz lautet in diesem Fall
Analog zur elektrischen Spannung U = E ds
nach (4.171)
wird H ds als magnetische Spannung be-
n
zeichnet. Der Wert der magnetischen Span-
H ds = Ii = I .
nung auf einer geschlossenen magnetischen
i=1
Feldlinie H ds ist die magnetische Randspan-
Experimentell zeigt sich, dass die magnetische
nung Θ. Das Integral der Stromdichte j über die
Feldstärke H auf konzentrischen Kreisen um
Fläche innerhalb der geschlossenen magne-
den stromdurchflossenen Leiter konstant ist.
tischen Feldlinie, bei einzelnen Stromfäden
Der Weg auf der geschlossenen Feldlinie in
wie in Abb. 4.89 also die Summe der Ströme
Abb. 4.90 mit dem Radius r beträgt s = 2πr,
I1 + I2 + …, ist die elektrische Durchflutung Θ
sodass gilt
der magnetischen Feldlinie: Θ = j dA. Bei
H · 2π r = I ,
A
H2 πr = N I .
NI
H = . (4.175)
2πR
Beispiel
4.4-1 Die magnetische Feldstärke H im Mittelpunkt
eines kreisförmig fließenden Stroms (I = 10 A, r =
10 cm) ist zu berechnen.
Lösung
Da der Radius r gemäß Abb. 4.94 senkrecht zum Li-
nienelement ds steht, ist sin ϕ = 1. Somit lautet das
Biot-Savart’sche Gesetz (4.176)
I I
dH = ds oder H = ds .
4πr2 4πr2
Das geschlossene Wegintegral ds ist der Umfang des
Kreises 2πr. Man schreibt also
I
H= 2πr .
4πr2
Daraus ergibt sich für die magnetische Feldstärke im
Abb. 4.92 Magnetische Feldlinien in einer Ringspule Mittelpunkt des stromdurchflossenen Kreises
(Toroid)
I ds × r
dH = . (4.176)
4π r3
I Nun gilt r = R
sin β und damit
H= . (4.177)
2r
I
H= sin3 β . (4.180)
Es resultiert H = 10 A
2·0,1 m = 50 mA . 2R
Beispiel
Im Mittelpunkt des Kreisrings ist β = 90◦ . Daraus folgt
4.4-2 Die magnetische Feldstärke auf der Symmetrie-
für die magnetische Feldstärke im Mittelpunkt eines
achse einer kurzen Spule ist zu berechnen. Welche Feld-
Ringstromes die bereits von (4.177) bekannte Bezie-
stärke ergibt sich in der Mitte und am Rand, wenn die
hung.
Länge l = 1 cm und der Durchmesser d = 0,8 cm be- √
Mit sin β = Rr und r = R2 + l2 lässt sich (4.180)
trägt? Der Strom durch die Spule mit N = 12 Windun-
umformen in
gen ist I = 8 A. Wie groß ist der Fehler, wenn (4.174)
für die lange Zylinderspule verwendet wird?
I R2
Lösung H= √ 3 . (4.181)
Zunächst wird nur eine Stromschleife mit Radius 2 R2 + l2
R = d/2 betrachtet. Die magnetische Feldstärke in ei-
nem Punkt A auf der Symmetrieachse (Abb. 4.95) wird
mithilfe des Biot-Savart’schen Gesetzes (4.176) berech- Aus dieser Gleichung lässt sich für große Abstände
net: vom Kreisleiter (l >> R) folgende Näherungslösung
I ds × r herleiten:
dH = .
4π r3
Der Winkel ϕ zwischen Leiterelement ds und Radius- I R2
vektor r ist 90°, sodass gilt H= . (4.182)
2 l3
I
dH = ds . (4.178)
4πr2 Aus (4.180) lässt sich die Feldstärke auf der Symme-
trieachse einer Spule berechnen. Dazu denkt man sich
nach Abb. 4.96 die Spule aufgebaut aus dünnen Ringen
Der Feldstärkeanteil in Achsenrichtung ist dH · sin β.
der Dicke dh.
Durch Integration über den kompletten Ring erhält
man die magnetische Feldstärke in Achsenrichtung im
Punkt A:
I sin β I sin β
H= ds = 2πR . (4.179)
4πr2 4πr2
Abb. 4.95 Feldstärke eines Kreisstroms auf der Abb. 4.96 Kurze Zylinderspule. Die Variable x wird
Symmetrieachse nach dem Gesetz von Biot-Savart aus der Spulenmitte heraus gemessen
4.4 Magnetisches Feld 357
Ein solcher Ring erzeugt im Punkt A ein Magnetfeld In der Spulenmitte, bei x = 0 ergibt sich
der Stärke
sin3 β
dH = dI . HMitte =
NI
=√
NI
. (4.185)
2R
2 R2 + l2 d 2 + l2
Wenn auf die Länge l der Spule N Windungen kommen, 4
dann ist der Anteil des Stromes I, der auf die Schleife
der Dicke dh entfällt
NI Für eine langgestreckte Zylinderspule mit l >> d folgt
dI = dh . der bereits bekannte Ausdruck
l
Damit ergibt sich NI
HMitte = . (4.174)
NI l
dH = sin3 β dh .
2R l Am Rand der Spule, bei x = l/ 2 gilt
Zur Integration empfiehlt sich eine Integration über
alle möglichen Winkel β. Mit
NI
h R HRand = √ . (4.186)
cot β = ergibt sich dh = − 2 dβ und 2 R2 + l2
R sin β
NI R NI
dH = − sin3 β 2 dβ = − sin β dβ .
2R l sin β 2l Bei einer langgestreckten Spule ist die Feldstärke am
Rand halb so groß wie in der Mitte:
Die Integration
β1 HRand =
NI 1
= HMitte .
NI
H=− sin β dβ ergibt 2l 2
2l
180◦ −β2 Gemäß (4.185) ergibt sich mit den oben genannten
Zahlenwerten
IN A
H= (cos β1 + cos β2 ) . (4.183) HMitte = 7,5 · 103 .
2l m
Aus (4.174) für die lange Spule folgt
Nun gilt
l A
+x HMitte = 9,6 · 103 .
cos β1 =
2
2 und m
R2 + 2l + x
Der relative Fehler der Näherungslösung nach (4.174)
−x l ist 28%.
cos β2 =
2
2 .
R2 + 2l − x
4.4.3 Magnetische Flussdichte
Damit wird die Feldstärke in Abhängigkeit von x:
und Kraftwirkungen im Magnetfeld
NI
H(x) = · 4.4.3.1 Magnetischer Fluss,
2l
⎛ ⎞ magnetische Flussdichte
l l Aus dem vorhergehenden Abschnitt geht her-
⎜ +x −x ⎟
⎜ ⎟ vor, dass die Ursache für das Auftreten ei-
⎜ 2 + 2 ⎟
⎜ 2 2 ⎟
⎝ l l ⎠ nes Magnetfeldes ein Fließen elektrischer La-
R2 + +x R2 + −x
2 2 dungen bzw. das Vorhandensein einer Strom-
(4.184) stärke I ist. In diesem Magnetfeld kann man
folgende Wirkungen beobachten: Wird eine
358 4 Elektrizität und Magnetismus
im Magnetfeld befindliche Leiterschleife aus nannt. Der Fluss durch die Leiterschleife än-
dem Magnetfeld gezogen, wie es Abb. 4.97a dert sich durch das Herausziehen der Leiter-
zeigt, so wird ein Spannungsstoß U dt gemes- schleife von ursprünglich Φ auf null um ΔΦ =
sen (Abb. 4.97b). Der Spannungs-Zeit-Verlauf Φ − 0 = Φ. Die Änderung des magnetischen
ist bei einer schnellen Durchquerung des Ma- Flusses wird direkt dem Spannungsstoß zuge-
gnetfeldes steiler und bei einer langsameren ordnet:
flacher. Die Flächen unter diesen Kurven sind
jedoch immer gleich groß.
U(t) dt
Der Spannungsstoß ist davon abhängig, wie ΔΦ = . (4.187)
viele magnetische Feldlinien beim Herauszie- N
hen durch die von der Leiterschleife aufge-
spannte Fläche gekreuzt werden und aus wie
Entsprechend gilt für den Spannungsstoß
vielen Windungen N die Leiterschleife gewi-
ckelt ist. Dies bedeutet, dass der Spannungs-
stoß der Anzahl der parallel zur Flächennor-
malen dAn befindlichen magnetischen Feldli- U(t) dt = N ΔΦ . (4.188)
nien entspricht (Abb. 4.97a). Die Anzahl der
magnetischen Feldlinien wird in Analogie zu Der Spannungsstoß U dt ist gleich der
Wasserflüssen der magnetische Fluss Φ ge- Änderung des magnetischen Flusses Φ,
der die Fläche eines Leiters senkrecht
durchsetzt.
Φ dΦ
B= bzw. . (4.189)
A⊥ dA⊥
Die magnetische Induktion oder Fluss-
dichte B beschreibt den magnetischen
Fluss Φ pro Flächeneinheit senkrecht zu
den Feldlinien.
Aus (4.189) lässt sich der magnetische Fluss Φ Die Proportionalitätskonstante ist die ma-
durch eine Fläche z. B. einer beliebig orientier- gnetische Feldkonstante μ0 . Ihr Zahlenwert
ten Leiterschleife berechnen: ergibt sich aus den Kraftwirkungen elektri-
scher Ströme (s. Definition des Ampère in
Abschn. 1.3.1 und 4.1.2).
Φ= B dA = B cos ϕ dA . (4.190)
Die magnetische Feldkonstante beträgt dem-
nach
Sind also die magnetischen Feldlinien unter
einem Winkel ϕ zur Flächennormalen geneigt, μ0 = 4π · 10−7
Vs
≈ 1,257 · 10−6
Vs
.
so ist nur die Flussdichte senkrecht zur Fläche Am Am
B cos ϕ maßgebend, wie Abb. 4.98 zeigt. (4.192)
Die magnetische Flussdichte B und die magne-
tische Feldstärke H dienen beide zur Beschrei- Gleichung (4.191) gilt nur im materiefreien
bung der Richtung und Stärke einer magneti- Raum.
schen Wirkung. Im Vakuum sind die magneti-
sche Feldstärke H, z. B. in einer langen Zylin- 4.4.3.2 Kraftwirkungen im Magnetfeld
derspule, und die magnetische Flussdichte B, Verschiedene Magnetfelder überlagern sich zu
z. B. bestimmt aus dem Spannungsstoß in ei- einem resultierenden Magnetfeld, z. B. das Ma-
ner nach Abb. 4.98 im Winkel ϕ zur Zylinder- gnetfeld eines Permanentmagneten und das
spulenachse herausgezogenen Leiterschleife, eines stromdurchflossenen Leiters. Aus die-
stets gleichgerichtet und zueinander propor- sem resultierenden Feld lassen sich Kraftwirk-
tional. Es gilt die Beziehung ungen ableiten.
M = Fmagn l = N I B l2 = 1,08 N m .
F = IlB . (4.196)
Ferner gilt
M =p×E . (4.198)
nicht nur gedreht, sondern in Richtung größ- wird das Drehmoment des Kräftepaars
ter Feldstärke gezogen wird.
Da die Kompassnadel im Magnetfeld ein Dreh- M = F b sin ϕ = I l b B sin ϕ = I A B sin ϕ .
moment erfährt, wie der elektrische Dipol
im elektrischen Feld, liegt es nahe, auch von Dabei ist A = l b die Fläche der Leiterschleife.
magnetischen Dipolen und ihrem magneti- Um eine formale Ähnlichkeit mit dem elek-
schen Dipolmoment zu reden. Jede vom Strom trischen Dipolmoment herzustellen, definiert
durchflossene Leiterschleife erfährt im Ma- man
gnetfeld ein Drehmoment, besitzt also eben-
falls ein magnetisches Dipolmoment. Abbil- m = AI . (4.199)
dung 4.101b zeigt eine Schleife der Länge l und
Breite b, die vom Strom I durchflossen wird,
in einem Magnetfeld der Flussdichte B. Wäh- als magnetisches Dipolmoment, gelegentlich
rend sich die Kräfte F 1 + F 2 + F 3 = 0 aufheben, auch als Ampere’sches Dipolmoment bezeich-
bilden die beiden Kräfte F ein Kräftepaar, das net; [m] = 1 A · m2 . A ist der Flächennor-
die Schleife dreht. Mit malenvektor, der dem Stromfluss im Rich-
tungssinn einer Rechtsschraube zugeordnet ist
F = IlB (Abb. 4.101b).
Abb. 4.101 Dipole im homogenen Feld: a elektrischer Dipol im E-Feld, b magnetischer Dipol im B-Feld, links
Seitenansicht, rechts Draufsicht
4.4 Magnetisches Feld 363
Damit ist das Drehmoment, das die Leiter- das Magnetfeld des Leiters 2. Dessen magneti-
schleife im Magnetfeld erfährt sche Flussdichte ist gemäß (4.173 und 4.191)
I2
B2 = μ0 .
2πd
M =m×B. (4.200) Für die Kraft zwischen zwei Leitern gilt ent-
sprechend (4.196)
Ohne Beweis sei angefügt, dass obige Aussa- F12 = I1 l B2
gen für beliebig geformte Leiterschleifen der und unter Berücksichtigung von B2
Fläche A gilt.
Gelegentlich wird auch das Coulomb’sche Mo- μ0 I1 I2 l
F12 = . (4.202)
ment 2πd
Abbildung 4.103 verdeutlicht den Zusammen- Die Lorentz-Kraft ist demnach maximal, wenn
hang. Die Kraft wird nach ihrem Entdecker und B senkrecht zueinander stehen und null,
Lorentz-Kraft genannt (H. A. Lorentz, 1853 wenn sich die Ladungsträger in Richtung des
bis 1928). Der Betrag der Lorentz-Kraft ist magnetischen Feldes bewegen.
Sind die fließenden Ladungen in einem Lei-
ter Elektronen, so erfahren die mit einer
|F L | = Q B sin(, B) . (4.204) Geschwindigkeit el in x-Richtung fließenden
Elektronen in einem Querfeld By in y-Richlung
eine Lorentz-Kraft in z-Richtung. Sie beträgt Es ist Ey = Uy / b, sodass für die zwischen
je Elektron den Stirnseiten in y-Richtung messbare Span-
nung Uy folgt
FLz = −e (x · By ) . (4.205)
Uy = Bz x b = UH . (4.206)
Sie wirkt wegen der negativen Ladung der
Elektronen in die negative z-Richtung. Die Spannung UH wird Hall-Spannung ge-
nannt (E. H. Hall, 1855 bis 1938).
Hall-Effekt Die Stromdichte jx der Elektronen in x-
Durch ein leitendes Plättchen mit der Breite b Richtung ist
und der Dicke d fließe in x-Richtung ein
Strom Ix . Senkrecht hierzu herrsche ein Ma-
gnetfeld Bz . Dann wirkt auf jedes Elektron die jx = n e x = κ Ex . (4.207)
Lorentz-Kraft
Dabei ist n die Anzahl der Elektronen je Vo-
FLy = −e x Bz .
lumen und e die Elementarladung. Eingesetzt
Durch diese Lorentz-Kraft werden die Elek- in die Gleichung für die Hall-Spannung ergibt
tronen in y-Richtung verschoben, sodass an sich
der linken Stirnseite ein Elektronenüberschuss
1
und an der rechten Stirnseite ein Elektronen- UH = jx Bz b . (4.208)
mangel herrscht, wie Abb. 4.104 zeigt. Dies hat ne
zur Folge, dass in y-Richtung ein elektrisches
1
Gegenfeld aufgebaut wird und eine elektrische Der Faktor ne wird Hall-Koeffizient AH ge-
Gegenkraft Fel = −e Ey auftritt. Die Verschie- nannt:
bung der Elektronen aufgrund der Lorentz-
1
Kraft kommt dann zum Stillstand, wenn sich AH = . (4.209)
ein Gleichgewicht der Kräfte einstellt: ne
UH = AH jx Bz b . (4.210)
Wegen jx = Ix / (b d) gilt
AH Bz
UH = Ix = RH Ix . (4.211)
d
Teilchen wird der Radius größer. Dies wird schwindigkeiten ist der relativistische Massen-
bei den Teilchenbeschleunigern ausgenutzt. In zuwachs zu berücksichtigen, s. Abschn. 10.4.)
Abb. 4.106 erkennt man das Prinzip. Bei einem In einem Synchrotron (Abb. 4.106b) bleibt der
Zyklotron herrscht ein konstantes Magnetfeld, Radius der beschleunigten Teilchen gleich,
und die Teilchen werden durch ein elektri- weil entsprechend der zunehmenden Ge-
sches Wechselfeld zwischen den Bereichen I schwindigkeit das Magnetfeld B ebenfalls
und II auf höhere Geschwindigkeiten gebracht erhöht wird.
(Abb. 4.106a). Dadurch entsteht eine spiral- Aus (4.212) ist auch die spezifische Ladung ei-
förmige Bahn, die aus aneinandergrenzenden nes Elementarteilchens bestimmbar:
Halbkreisen besteht. (Bei hohen Teilchenge-
Q
= . (4.213)
m rB
Q −e C
= = −1,76 · 1011 . (4.214)
m mel kg
Beispiel
4.4-6 In einem Zyklotron werden Protonen in einem
Magnetfeld von B = 2 T beschleunigt. Zeigen Sie, dass
die Anzahl der Umläufe je Sekunde von der Teilchen-
Abb. 4.106 a Zyklotron, schematisch und geschwindigkeit und vom Radius unabhängig ist. Be-
b Synchrotron rechnen Sie diese im vorliegenden Fall.
368 4 Elektrizität und Magnetismus
Lösung E ⇔ B und D ⇔ H
Nach (4.213) gilt = m
Q
r B. Für die Frequenz gilt f = 2ωπ
mit ω = r .
miteinander korrespondieren.
Wird in die Gleichung für die Frequenz eingesetzt, so
ergibt sich 4.4.4 Materie im Magnetfeld
QB 4.4.4.1 Grundbegriffe
f = = . (4.215)
2π r 2π m Wird Materie in ein magnetisches Feld ge-
bracht, so ändert sich – analog zur Materie
Im vorliegenden Fall ermittelt man mit QP = 1,602
im elektrischen Feld (Abschn. 4.3.7) – die ma-
10−19 C und mP = 1,672 · 10−27 kg; f =30,49 MHz. gnetische Flussdichte B. Es ist
|Bm |
Kraftwirkung im elektrischen μr = . (4.217)
|B0 |
und magnetischen Feld
Bewegen sich geladene Teilchen sowohl in ei- Die Permeabilitätszahl μr ist eine dimen-
nem elektrischen als auch in einem magneti- sionslose Verhältniszahl, sie gibt an, um
schen Feld, dann wirkt die resultierende Kraft das Wievielfache sich die magnetische
Flussdichte mit Materie (Bm ) im Verhält-
nis zur magnetischen Flussdichte ohne
F = Q E + Q ( × B) . (4.216) Materie (B0 ) verändert.
zeptibilität χm . Somit formt sich (4.220) um genommen hiervon sind die nichtlinearen ma-
zu gnetischen Werkstoffe (z. B. die Ferromagne-
tika). Werkstoffe können nach ihrem Verhalten
J = χm B0 = χm μ0 H , (4.221) im Magnetfeld (μr = B/ B0 ) gemäß Abb. 4.107
|J| |J| eingeteilt werden in
χm = = . (4.222)
|B0 | μ0 |H| – diamagnetische Stoffe
Die magnetische Suszeptibilität χm μr wenig kleiner als 1 bzw. χm geringfügig
beschreibt das Verhältnis von Polari- negativ, Beispiele: Cu, Bi, Pb;
sation J, hervorgerufen durch Materie
im Magnetfeld, und der magnetischen
Flussdichte B0 (ohne Materie).
C
χm = . (4.227)
Abb. 4.109 Verlauf der Permeabilitätszahl μr in
T − TC
Abhängigkeit von der Feldstärke H für einen
Ferromagneten
Die Curie-Temperaturen einiger ferromagne-
tischer Werkstoffe sind in Tabelle 4.12 zusam-
mengestellt.
Werkstoff ferromagnetische
Curie-Temperatur
TC in K
Dy 87
Gd 289
Cu2 MnAl 603
Ni 631
Fe 1 042
Co 1 400
Abb. 4.110 Hysteresekurve
4.4 Magnetisches Feld 373
B = μ0 H + JS = μ0 (H + MS ) ,
wenn alle Elektronenspins parallel zum äu-
ßeren Feld ausgerichtet sind, d. h. wenn die
magnetische Polarisation ihren Sättigungs-
wert JS erreicht hat. Abbildung 4.111 zeigt die
Weiss’schen Bezirke eines Nickel-Einkristalls
im unmagnetischen Zustand (Abb. 4.111a,
entspricht dem Punkt 0 der Neukurve), bei
teilweiser Magnetisierung (Abb. 4.111b, ent-
spricht dem Gebiet II der Neukurve) und bei
vollständiger Magnetisierung (Abb. 4.111c,
entspricht der Sättigungsinduktion BS ). Be-
sonders gut sichtbar ist die einheitliche
Magnetisierung der Weiss’schen Bezirke,
die durch die Bloch-Wände (F. Bloch, 1905
bis 1983) voneinander getrennt sind. Diese
Bloch-Wände sind die Übergangszonen, in
denen sich die Magnetisierung von einem
Weiss’schen Bezirk zum andern ändert.
In der Neukurve laufen drei Elementar-
prozesse ab: Bei der Erhöhung der äußeren
magnetischen Feldstärke H nimmt die magne-
tische Induktion B aufgrund von Bloch-Wand-
Abb. 4.111 Veränderung der Weiss’schen Bezirke eines
Verschiebungen schnell zu. Zunächst finden
Nickel-Einkristalls bei Zunahme des Magnetfeldes
die leichter verschiebbaren reversiblen Wand-
verschiebungen (Bereich I) und später die
schwerer verschiebbaren irreversiblen Wand- tischen Momente vollends in die vorgegebene
verschiebungen statt (Bereich II). Die Bezirke, Feldrichtung drehen. Das Material ist dann
die annähernd in Feldrichtung ausgerichtet bis zur Sättigungspolarisation JS magnetisiert
sind, vergrößern sich in diesen beiden Phasen (Abb. 4.111c). Von diesem Punkt an nimmt B
auf Kosten der anderen. Das Material ist teil- nur noch geringfügig zu.
weise magnetisiert (Abb. 4.111b). Bei weiter Wird das magnetische Feld ausgeschaltet
zunehmendem Magnetfeld H nimmt die ma- (H = 0), dann bleibt eine Restinduktion übrig,
gnetische Induktion B nur noch geringfügig die man Remanenzflussdichte (Remanenz) BR
zu. In diesem Bereich finden Drehprozesse nennt. Um wieder einen unmagnetischen Ma-
statt (Bereich III), bei denen sich die magne- terialzustand zu erreichen (B = 0), muss eine
374 4 Elektrizität und Magnetismus
Gegenfeldstärke eingestellt werden. Sie wird rungsfaktor bezeichnet. Er hängt nur von der
Koerzitivfeldstärke HC genannt. Bei weiter Probengeometrie ab (Tabelle 4.13).
zunehmendem Gegenfeld wird das Material Für die wahre Feldstärke im Innern der Probe
bis zur Sättigung in Gegenrichtung (−JS ) auf- gilt damit
magnetisiert. Beim Ausschalten des Magnet- J
H = H − N , oder mit (4.234)
feldes (H = 0) fällt die magnetische Induktion μ0
wieder bis zur Remanenzflussdichte (−BR )
und erst ein positives Magnetfeld (HC ) er- B
zeugt wieder ein unmagnetisches Material. H − N
μ0
Bei erneuter Erhöhung des magnetischen H = . (4.228)
N −1
Feldes wird wieder die Sättigungsinduktion JS
erreicht. Die durchlaufene Kurve nennt man
Abbildung 4.112 zeigt den ersten und zwei-
Hystereseschleife.
ten Quadranten einer gemessenen (gescher-
Wird anstelle der Induktion B die Polarisa-
tion J über der magnetischen Feldstärke H auf-
getragen, dann hat die Koerzitivfeldstärke HC , Tabelle 4.13 Entmagnetisierungsfaktor für
bei der die Polarisation null wird einen ande- ausgewählte Geometrien
ren Wert als im B(H)-Diagramm. Aus diesem
Grund gibt es zweierlei Koerzitivfeldstärken: Geometrie Magnetisierung Entmagneti-
sierungsfaktor N
HCJ im J(H)-Diagramm und HCB im B(H)-
Diagramm. Der numerische Unterschied ist dünne Platte in Plattenebene 0
allerdings nicht erheblich. senkrecht zur
Plattenebene 1
sehr langer in Längsrichtung 0
Scherung Stab in Querrichtung 1/2
Wird mit einem stabförmigen Magnetwerk- Kugel 1/3
stoff eine Magnetisierungskurve aufgenom-
men, so kann diese je nach Geometrie des Sta-
bes unter Umständen erheblich von der Ma-
gnetisierungskurve abweichen, die man mit
einem geschlossenen Ring desselben Materi-
als misst.
Der Grund liegt in der entmagnetisierenden
Wirkung der Magnetpole an den Staben-
den. Diese erzeugen ein entmagnetisierendes
Feld H , das dem von außen angelegten Feld H
(beispielsweise durch eine Spule erzeugt, mit
H = N I / l) entgegengesetzt gerichtet ist
und dieses schwächt. Im Innern der Probe
ist deshalb die Feldstärke H kleiner als die
Feldstärke des äußeren Feldes: H = H − H .
Abb. 4.112 Scherung der Hystereseschleife für
Das entmagnetisierende Feld ist umso größer, den Entmagnetisierungsfaktor N = 0,01. BR ist
je größer die Polarisation in der Probe ist: die scheinbare, BR die wahre Remanenzdichte des
H = N M = N μJ0 . N wird als Entmagnetisie- Werkstoffs
4.4 Magnetisches Feld 375
ten) Hystereseschleife B(H ) und die mit Hilfe Die Ferrite haben große technische Bedeu-
von (4.229) zurückgescherte Hysteresekurve tung sowohl als weichmagnetische als auch als
B(H). Offensichtlich ist die Remanenz BR = dauermagnetische Werkstoffe. Sie sind keine
0,5 T im Stab wesentlich niedriger als die Re- Metalle, sondern Ionenkristalle. Deshalb wei-
manenz BR = 1,1 T in einem ringförmigen ge- sen sie einen hohen spezifischen Widerstand
schlossenen Magneten. auf (1 < ρ < 103 Ω m) im Vergleich zu den
Metallen (ρ ≈ 10−7 Ω m). Aus diesem Grund
treten kaum messbare Wirbelströme (Ab-
Antiferromagnetismus und Ferrimagnetismus schn. 4.5.1.2) auf, sodass Ferrite vor allem für
Unaufgefüllte innere Elektronenschalen füh- magnetische Anwendungen bei hohen Fre-
ren zu parallelen magnetischen Spinmomen- quenzen (z. B. Spulenkerne bei Frequenzen
ten. Bei Antiferromagnetika liegen zwei gleich bis 5 MHz) eingesetzt werden.
große ferromagnetische Untergitter vor, die Der Temperaturverlauf der Suszeptibilität ist
sich antiparallel einstellen. Deshalb ist die im Allgemeinen sehr kompliziert, oberhalb
Suszeptibilität auch nur schwach positiv. Die der ferromagnetischen Curie-Temperatur TC
Suszeptibilität entspricht oberhalb der Néel- zeigt sie einen paramagnetischen Verlauf.
Temperatur TN (L. Néel, 1904 bis 2000) dem
abgewandelten Curie-Gesetz: Magnetostriktion
Durch Blochwandverschiebungen aufgrund
eines äußeren Magnetfeldes kann eine Län-
C
χm = . (4.229) genänderung eintreten. Diese elastische
T + TN
Formänderung bei Anwesenheit eines ma-
gnetischen Feldes heißt Magnetostriktion.
Unterhalb dieser Temperatur verläuft die Tem- Abbildung 4.113 zeigt schematisch die posi-
peraturabhängigkeit der magnetischen Sus- tive Magnetostriktion (gestrichelt) bei Eisen
zeptibilität χm meist sehr unterschiedlich. Sie (Längenvergrößerung bei kleinerer Breite)
ist zudem stark von der Kristallrichtung ab- und die negative Magnetostriktion bei Nickel
hängig. Typische antiferromagnetische Sub- (Längenverkürzung bei zunehmender Breite).
stanzen sind MnO, NiO, CoO, CrF3 , FeF3 , CoF3 Die Längenänderungen Δl/ l liegen im All-
(Abb. 4.108). gemeinen zwischen −3 · 10−5 und +5 · 10−5 .
Sind die magnetischen Momente der anti-
parallel eingestellten Untergitter nicht gleich
groß, dann ist ein resultierendes magnetisches
Moment vorhanden. Dies wird Ferrimagnetis-
mus genannt. Er hat teils antiferromagneti-
sche und teils ferromagnetische Eigenschaften
(z. B. Hysterese). Die Werkstoffe heißen Fer-
rite. Typische Kristallstrukturen sind Spinelle
der Form MeOFe2 O3 – für Me kann z. B. Fe,
Ni, Co stehen – aber auch hexagonale Ferrite
der Form MeO · 6Fe2 O3 (Me: Ba, Sr, Pb) oder
Granate der Form 3 Me2 O3 · 5Fe2 O3 (Me: drei-
wertiges Selten-Erdmetall, z. B. Ce3+ , Sm3+ ). Abb. 4.113 Magnetostriktion bei Eisen und Nickel
376 4 Elektrizität und Magnetismus
Bm Am = σ Bl Al (4.231)
σ = 10 bedeutet dies, dass lediglich 10% des nenzflussdichte BR . Hierbei gilt: Je größer der
Dauermagnetflusses als Nutzfluss im Arbeits- Luftspalt, um so geringer ist die Flussdichte.
luftspalt genutzt werden können.) Da das Produkt BH die magnetische Energie je
Abbildung 4.118 zeigt den Verlauf der Entma- Volumen darstellt, ergibt sich die im Luftspalt
gnetisierungskurve. Aufgrund der Geometrie gespeicherte magnetische Energie durch Mul-
wird ein Arbeitspunkt A eingestellt, der die Ko- tiplikation der Flußgleichung (4.231) mit dem
ordinaten (−Hm / Bm ) hat. Die Gleichung der Durchflutungsgesetz (4.230):
Geraden durch den Arbeitspunkt A und den
Nullpunkt 0 wird Scherungsgerade genannt. B2l
(Bm Hm )Vm = Bl Hl Vl γ σ = γ σ Vl .
Aus dem Durchflutungsgesetz (4.230) und der μ0
Gleichung der Flusserhaltung (4.231) folgt mit- (4.233)
hilfe von Bl = μ0 Hl die Gleichung der Sche-
rungsgeraden Löst man nach Bl auf, so ergibt sich als nutz-
bare magnetische Flussdichte im Luftspalt
σ Al lm
Bm = −μ0 H . (4.232)
γ Am ll m
μ0 Vm
Bl = (BH)m . (4.234)
γ σ Vl
Hieraus ist ersichtlich, dass die Scherungsge-
rade vom Werkstoff unabhängig ist und nur
von der Geometrie des Magneten abhängt. Die im Luftspalt zur Verfügung stehende ma-
Der Arbeitspunkt A ergibt sich als Schnitt- gnetische Flussdichte Bl ist proportional zum
punkt der Scherungsgerade mit der Entma- Magnetvolumen und zum (BH)m -Wert. Dies
gnetisierungskurve (Abb. 4.118). Es ist erwäh- bedeutet, dass bei hohem (BH)m -Wert das
nenswert, dass die sich einstellende Fluss- Magnetvolumen klein gewählt werden kann.
dichte Bm deutlich geringer ist, als die Rema- Der optimale Arbeitspunkt wird dort liegen,
wo BH maximal ist, d. h. wo sich der (BH)max -
Wert und die Scherungsgerade schneiden.
Dann kann die höchste Luftspaltinduktion bei
kleinstem Magnetvolumen erreicht werden.
Beispiel
4.4-7 Ein Magnetsystem soll aus einem AlNiCo Werk-
stoff entworfen werden. Der Arbeitspunkt liegt bei
HA = −40 kA/m und BA = 800 mT (σ = 3, γ = 1). Aus
konstruktiven Gründen muss ein Luftspalt des Quer-
schnitts A1 = 2,4 cm2 und der Länge l1 = 3,6 cm so-
wie eine Länge des dauermagnetischen Werkstoffs von
lm = 6,4 cm vorgesehen werden.
a) Wie groß muss die magnetische Fläche Am bzw. das
Magnetvolumen Vm gewählt werden, um diese Anfor-
derungen zu erfüllen?
b) Wie groß ist die im Luftspalt nutzbare magnetische
Flussdichte?
c) Der (BH)max -Wert der AlNiCo-Legierung liegt
Abb. 4.118 Optimaler Arbeitspunkt A eines bei 42 kJ/m3 . Wie lautet der optimale Arbeitspunkt
Permanentmagneten A(−HA / BA )?
380 4 Elektrizität und Magnetismus
derstand ist in diesem Fall die Summe der ma- Luftspalt? c) Welcher Strom muss durch die Spule mit
gnetischen Widerstände des Eisens und des N = 1 200 Windungen fließen, wenn eine Luftspaltin-
Luftspaltes. Die Analogien zwischen den Be- duktion von B = 1,5 T gefordert wird? Die Magnetisie-
rungskurve des Eisenkerns ist in Abb. 4.120 gegeben.
ziehungen im elektrischen und magnetischen
Kreis sind in Abb. 4.121 zusammengestellt. Lösung
Der magnetische Widerstand einer Substanz
a) Aus Abb. 4.120 kann abgelesen werden, dass der
in einem magnetischen Kreis ist
Fluss B = 1,5 T eine magnetische Erregung von
H = 2,72 kA/m erfordert. Die Permeabilität beträgt
l damit
Rm = . (4.237)
μr μ0 A B Vs
μFe = = 5,51 · 10−4 .
H Am
Die relative Permeabilität ist μr = μFe /μ0 = 439.
Im Vergleich zum elektrischen Widerstand
Mit
R = (1/ κ)(l / A) kann μ0 μr als magnetische
d1 − d2
Leitfähigkeit gedeutet werden. Tatsächlich ist A= h = 10,5 · 10−6 m2 und
2
die relative Permeabilität μr ein Maß für die d1 + d2
l1 = π − l2 = 43,8 mm
Fähigkeit, magnetische Feldlinien zu leiten. 2
Es muss an dieser Stelle betont werden, dass beträgt der magnetische Widerstand im Eisenkern
diese Analogie keinen tieferen physikalischen nach (4.237)
Hintergrund aufweist, sondern lediglich den
l1 A
Umgang mit magnetischen Größen erleichtert, Rm1 = = 7,56 · 106 .
μ0 μr A Wb
weil letztere analog zum elektrischen Strom-
kreis verwendet werden können. b) Der magnetische Widerstand im Luftspalt ist Rm2 =
μ0 A = 75,8 · 10 Wb . Somit ist der gesamte magne-
l2 6 A
Zur Übung
Ü4.4-1 In einem waagrechten homogenen Magnetfeld
mit der magnetischen Flussdichte B = 2,5 T bewegt
sich senkrecht ein Proton mit der Energie Ep = 3 MeV.
Wie groß ist die Kraft, die auf das Proton wirkt?
Abb. 4.122 Abmessungen des Ringkerns im Ü 4.4-3 Ein Holzzylinder mit der Masse m = 100 g,
Beispiel 4.4-8 dem Radius r und der Länge l = 20 cm hat N = 20
4.5 Instationäre Felder 383
4.5.1.1 Induktionsgesetz
Aus Abschn. 4.4.3.1 geht hervor, dass der Span-
nungsstoß U dt gleich der Änderung des ma-
gnetischen Flusses ΔΦ ist, der die Fläche ei-
nes Leiters senkrecht durchdringt ((4.188) und
Abb. 4.97)). M. Faraday (1791 bis 1867) er-
kannte 1831:
dΦ
uind = −N . (4.241)
dt
Aus dieser Gleichung geht hervor, dass es – der Magnet sich gegen eine Spule oder die
gleichgültig ist, ob sich Spule sich gegen einen Magneten bewegt.
zeldrähten zu einer Litze verdrillt, damit die Fall die erzeugte Spannung abgenommen
Stromführung abwechselnd innen und außen (Abschn. 4.5.2.8).
verläuft, oder es werden Hohlleiter verwen-
det. 4.5.1.3 Selbstinduktion
Mit dem Wirbelstrom-Messverfahren können
Nach dem Induktionsgesetz (4.241) tritt an den
zerstörungsfrei Werkstoffe auf Fehler unter-
Enden einer Leiterschleife oder Spule immer
sucht werden. Dazu wird im Prüfling ein elek-
dann eine Induktionsspannung auf, wenn der
trischer Wechselstrom geeigneter Amplitude,
Fluss durch die Schleife sich ändert. Dabei ist
Frequenz und Richtung erzeugt. Die auftreten-
es unerheblich, wodurch die Flussänderung
den Unregelmäßigkeiten dieses Stroms wer-
zustande kommt. So tritt auch eine Indukti-
den elektronisch ausgewertet. Diese Prüfme-
onsspannung auf, wenn der Strom durch eine
thode ist besonders schnell und findet u. a.
Spule und damit der Fluss durch die Spule sich
Einsatz bei der zerstörungsfreien Werkstoff-
ändert. Da dieser Induktionsvorgang vom Ma-
prüfung im Triebwerksbau.
gnetfeld verursacht wird, das die Spule selbst
erzeugt, spricht man von Selbstinduktion im
Flächenrotation mit konstanter Drehzahl (Fall d) Gegensatz zur Fremdinduktion, die dann vor-
liegt, wenn die Flussänderung in einer Spule
Wird in einem Magnetfeld eine Fläche mit ei- durch äußere Maßnahmen erzeugt wird.
ner konstanten Drehzahl n (oder Winkelge- Sind in der Umgebung des Leiters ausschließ-
schwindigkeit ω) gedreht, so ist die induzierte lich unmagnetische Stoffe vorhanden, dann
Spannung abhängig von der das Feld senk- ist der Gesamtfluss, der den Leiter durchsetzt,
recht durchsetzenden Fläche An = A cos(ωt). proportional zum Augenblickswert i des Stro-
Daraus errechnet sich eine Flächenänderung mes:
von dAn / dt = −Aω sin(ωt). Eingesetzt in das
Induktionsgesetz ergibt sich ein sinusförmiger
Verlauf einer Wechselspannung: Φges = N Φ = L i . (4.252)
nung uL eingeführt, deren Zählrichtung mit sich im Wechselstromkreis aber gut durch
der Stromrichtung übereinstimmt, dann gilt Messen bestimmen. Die Selbstinduktivität L
einer geraden Einfach- oder Doppelleitung
di gemäß Abb. 4.127 beträgt
uL =L . (4.254)
dt
Einfachleitung
Die Maßeinheit der Induktivität ist das Henry μ0 μr l 2l 3
L= ln − , (4.257)
(J. Henry, 1797 bis 1878): 2π r 4
[L] = 1 Wb/A = 1 Vs/A = 1 Ωs = 1 H . Doppelleitung
μ0 μr l a 1
L= ln + , (4.258)
Die Induktivität beträgt 1 Henry, wenn π r 4
bei der Änderung der Stromstärke um
1 A innerhalb von 1 s eine Spannung von Soll eine mit Draht gewickelte Spule eine nur
1 V induziert wird. vernachlässigbar kleine Induktivität haben,
beispielsweise für Messwiderstände, dann
Für die Induktivität einer langen Zylinderspule wird diese aus entgegengesetzt gleichen (bi-
mit N Windungen, Fläche A und Länge l gilt filaren) Wicklungen hergestellt. Dann heben
mit (4.174) und (4.252) sich die Magnetfelder annähernd auf, sodass
keine Selbstinduktion stattfinden kann. – Die
N 2 μr μo A Selbstinduktivitäten verhalten sich bei einer
L= . (4.255) Schaltung wie Ohm’sche Widerstände, sodass
l
gilt:
t I
Bei der Parallelschaltung ist der Kehr- di
W = L i dt , W = Li di ,
wert der gesamten Selbstinduktivität dt
1/ Lges gleich der Summe der Kehrwerte
0 0
1
Wie bei den Ohm’schen Widerständen ist bei Wmagn = μ0 μr H 2 A l (4.263)
2
einer Parallelschaltung die gesamte Selbstin-
duktivität LP, ges kleiner als die kleinste ein-
zelne Selbstinduktivität. und mit μ0 μr H = B sowie Al = V
Beispiel 1
4.5-2 Der Radius eines Leiters beträgt r = 0,25 mm Wmagn = BH V . (4.264)
2
und der Abstand der beiden Leiter einer Doppellei-
tung a = 10 cm. Wie groß muss die Länge l der Leiter
sein, wenn das Verhältnis der Selbstinduktivitäten von Für die Energiedichte in einem homogenen
Einfachleitung und Doppelleitung L1 / L2 = 0,5 beträgt? Feld gilt
Lösung
Für L1 gilt (4.257) und für L2 (4.258), sodass man Wmagn 1
schreiben kann wmagn = = BH . (4.265)
V 2
μ0 μr l 2l 3
ln −
L1 2π r 4
= = 0,5 , Diese Formel zeigt Ähnlichkeit mit der Ener-
μ0 μr l a 1
giedichte im elektrischen Feld el = 12 D E
L2
ln +
π r 4
(4.167). Sie ist allgemein gültig, da sich die Ma-
Aus dieser Gleichung folgt für die Länge l = 0,136 m. gnetfelder aus kleinen homogenen Bereichen
aufbauen lassen. Für die magnetische Energie
eines inhomogenen Magnetfeldes gilt deshalb
andere Möglichkeit, die magnetische Fel- Es kürzt sich der Weg l heraus, sodass übrig
denergie zu bestimmen, besteht über den bleibt
magnetischen Fluss Φ (oder die Magnetisie-
rungskurve). Für die elektrische Arbeit gilt 1
allgemein dW = U I dt. Mit dem Induktions-
F = μ0 μr H 2 A oder (4.269)
2
gesetz uind = N dΦ/ dt wird dW = I N dΦ oder BHA B2 A
F = = . (4.270)
2 2μ0 μr
Φ
Wmagn = I N dΦ . (4.267)
0 Beispiel
4.5-3 Bei der Abschaltung von Spulen können Funken
entstehen. Sie werden vermieden, wenn ein Löschkon-
Abbildung 4.128 zeigt die Magnetisierungs- densator parallel zum Schalter geschaltet wird. Die In-
kurve (Abschn. 4.4.4.2) für μr = konstant duktivität einer Schaltspule beträgt L = 4 H, der Spu-
(Fall a) und für ein ferromagnetisches, nicht lenstrom I = 5 A, und der Löschkondensator wurde
lineares μr . Die hervorgehobene Fläche stellt bei einer Prüfspannung von 10 kV getestet. Wie groß
ist die Kapazität C des Löschkondensators zu wählen?
die magnetische Energie dar. Für den Fall
eines linearen Magnetisierungsverlaufes ist Lösung
der Flächeninhalt Die Energie des elektrischen Feldes eines Kondensators
Eel muss gleich der Energie des magnetischen Feldes
einer Spule Emagn sein. Es gilt Eel = Emagn . Aus (4.164)
1
Wmagn = INΦ . (4.268) für Eel und (4.262) für Emagn gilt
2
1 1
C U 2 = L I2 .
2 2
Wegen N Φ = L I folgt wieder (4.262).
Im allgemeinen Fall muss die Fläche berechnet Daraus errechnet sich die Kapazität zu
oder numerisch ermittelt werden. 4
Vs
· 25 A2
L I2
Aus der Energie des Magnetfeldes lässt sich die C= 2 = A 8 2 = 1 μF .
U 10 V
Tragkraft eines Magneten berechnen. Die me-
chanische Arbeit Wmech = F l wird dabei mit
der magnetischen Arbeit Wmagn gleichgesetzt. 4.5.2 Periodische Felder (Wechselstromkreis)
Es ergibt sich
Dieser Abschnitt beschreibt elektrische Wech-
μ0 μr H 2
Fl = Al . selfelder, die durch harmonische Funktionen
2 (z. B. sin oder cos) beschrieben werden kön-
nen. Zur ausführlichen Erläuterung der Defi-
nitionen und Begriffe aus der Schwingungs-
lehre wird auf Abschn. 5.1 verwiesen.
digkeit ω) in einem homogenen Magnet- Hierbei ist î die Amplitude und ϕi der Null-
feld eine periodische Spannung induziert phasenwinkel des Wechselstroms.
wird (Abb. 4.125, Fall d). Diese periodische In einem Wechselstromkreis sind ϕu und ϕi oft
Spannung kann entsprechend Abb. 4.129 nicht gleich, sodass gilt
beschrieben werden als
ϕ = ϕu − ϕi . (4.273)
u(t) = û cos(ωt + ϕu ) . (4.271)
T
1
ieff =I= i2 dt , (4.274)
T
0
T
1 T
ieff = î cos2 (ωt + ϕi ) dt = î ,
T 2T
0
î
ieff = I = √ ≈ 0,707 î . (4.275)
2
Abb. 4.129 Wechselstrom und Wechselspannung
392 4 Elektrizität und Magnetismus
û
ueff = U = √ ≈ 0,707 û . (4.276)
2
Abb. 4.130 Darstellung komplexer Größen im
Zeigerdiagramm
In der Wechselstromtechnik werden bei ein-
deutiger Zuordnung die Effektivwerte durch
U = ueff und I = ieff bezeichnet.
Zur Darstellung, zur Berechnung und zum
besseren Verständnis des Wechselstromkrei-
ses werden Wechselspannung, Wechselstrom
und Widerstand als komplexe Größen in Form
Abb. 4.131 Bezeichnung elektrischer Wechselstrom-
von Zeigern in der Gauß’schen Zahlenebene
größen im Zeigerdiagramm
dargestellt. Dies ist deshalb vorteilhaft, weil
sich nach der Euler’schen Formel der kom-
plexe Exponent einer Exponentialfunktion
Da nur der Realteil eines Zeigers physikali-
durch die harmonischen trigonometrischen
sche Wirkungen zeigt, werden die elektrischen
Funktionen ausdrücken lässt als
Wechselstromgrößen (Spannung, Strom, Wi-
derstand und Leistung) auch gemäß Abb. 4.131
Z = |Z|ejϕ = |Z|(cos ϕ + j sin ϕ) bezeichnet: Der Realteil ist der Wirkanteil,
der Imaginärteil der Blindanteil einer Wech-
= |Z| cos ϕ + j|Z| sin ϕ .
! "# $ ! "# $ selstromgröße; beide zusammen ergeben als
Realteil Imaginärteil komplexen Zeiger die Scheingröße.
(4.277)
4.5.2.2 Bauelemente im Wechselstromkreis
Abbildung 4.132 zeigt das Verhalten der drei
Dies bedeutet, dass die komplexe √ Zahl Z = Bauelemente Widerstand (R), Spule (L) und
Realteil + j · Imaginärteil (j = −1) in der
Kondensator (C) im Wechselstromkreis. Die
Gauß’schen Zahlenebene liegt und einen Re-
erste Zeile dieser Übersicht bezeichnet das gra-
alteil von |Z| cos ϕ und einen Imaginärteil von
fische Symbol und zeigt, dass jedes Bauele-
|Z| sin ϕ hat (Abb. 4.130). Der Betrag |Z| und
ment von dem gleichen Wechselstrom i(t) =
der Winkel ϕ zwischen reeller Achse und dem
î cos (ωt) durchflossen wird und in ihm ein
Zeiger errechnet sich nach
Spannungsabfall u(t) stattfindet. Den Zusam-
menhang zwischen Stromstärke i und Span-
nung u liefert ein für jedes Bauelement spe-
|Z| = (Realteil)2 + (Imaginärteil)2 , zifisches Gesetz (Zeile 2), z. B. das Ohm’sche
(4.278) Gesetz für den Widerstand, das Induktions-
Imaginärteil gesetz für die Spule und den Zusammenhang
tan ϕ = . (4.279) zwischen Ladung und Spannung für den Kon-
Realteil
densator. Die nächste Zeile zeigt den zeitlichen
4.5
Instationäre Felder 393
Verlauf von Strom und Spannung (Momentan- Zeile 2). Nach dem Ohm’schen Gesetz für den
werte). So ist daraus ersichtlich, dass Wechselstromkreis gilt für die Effektivwerte U
und I
– beim Widerstand Strom und Spannung
nicht phasenverschoben sind,
– bei der Spule die Spannung dem Strom um U = IZ. (4.286)
π/ 2 vorauseilt und
– beim Kondensator die Spannung dem Strom Daraus ergeben sich die schaltungstypischen
um π/ 2 nacheilt. komplexen Wechselstromwiderstände Z sowie
die Phasenverschiebungswinkel tan ϕ.
Diese Ergebnisse lassen sich auch in einem Zei-
Bei der Reihenschaltung aller drei Bauele-
gerdiagramm (Zeile 4) anschaulich darstellen.
mente R, L und C besteht die Möglichkeit,
In ihm rotieren die eventuell phasenverscho-
die Phasenverschiebung zwischen Strom und
benen Strom- und Spannungszeiger mit der
Spannung aufzuheben. Dies ist der Fall, wenn
Winkelgeschwindigkeit ω und erzeugen so die
UL = UC ist. Dann gilt die Thomson-Gleichung
Momentanwerte. Die Widerstände sind entwe-
(W. Thomson, 1824 bis 1907, später Lord Kel-
der reell (beim Ohm’schen Widerstand R) oder
vin) für Reihenresonanz:
imaginär (bei der Spule XL = j ω L und beim
Kondensator XC = −j(ω C)−1 ). Die reellen Wi-
derstände (Wirkwiderstände) werden prinzi- 1
ω= (4.293)
piell mit dem Buchstaben R und die imagi- LC
nären Widerstände (Blindwiderstände) mit X
bezeichnet. Die Formeln für die Widerstände (s. Differentialgleichung eines elektrischen
der Bauelemente besagen etwas über die Fre- Schwingkreises in Abschn. 5.1). Bei der
quenzabhängigkeit der Widerstände: Reihenresonanz bleibt die Spannung mit
der Resonanzfrequenz bevorzugt erhalten,
– der Ohm’sche Widerstand ist frequenzunab-
alle Spannungen mit anderen Frequenzen
hängig,
werden unterdrückt (z. B. Reihenschaltung
– der induktive Widerstand XL nimmt mit
eines speziellen RLC-Gliedes als Siebelement).
steigender Frequenz zu und
Gleichzeitig fließt bei der Resonanzfrequenz
– der kapazitive Widerstand XC nimmt mit
wegen der fehlenden induktiven und ka-
steigender Frequenz ab.
pazitiven Widerstandsanteile eine maximale
Stromstärke. Zu beachten ist aber, dass sich die
4.5.2.3 Reihenschaltung von Bauelementen Blindspannungen an Spule und Kondensator
im Wechselstromkreis zwar aufheben, beim einzelnen Bauelement
Abbildung 4.133 zeigt die Verhältnisse bei aber beträchtlich hoch sein können und in der
der Reihenschaltung von Widerstand R Lage sind, die Bauelemente zu zerstören.
und Spule L (RL-Glied), Widerstand R und
Kondensator C (RC-Glied) sowie von Wi- 4.5.2.4 Parallelschaltung von Bauelementen
derstand R, Spule L und Kondensator C im Wechselstromkreis
(RLC-Glied). Da bei einer Reihenschaltung Abbildung 4.134 zeigt die Verhältnisse bei
die Ströme konstant bleiben, addieren sich die der Parallelschaltung der Bauelemente Wider-
jeweiligen Spannungszeiger der Bauelemente stand (R), Spule (L) und Kondensator (C). Wie
(Zeigerdiagramm in Zeile 1 und Spannung in im Fall der Reihenschaltung (Abschn. 4.5.2.3)
4.5
werden die Fälle RL-, RC- und RLC-Glied be- und zeigt je nach Richtung und Größe der
trachtet. Bei der Parallelschaltung bleibt die Wechselspannung bzw. des Wechselstroms po-
angelegte Spannung konstant. Deshalb addie- sitive oder negative Energieflüsse. Die mittlere
ren sich in diesem Fall die Teilströme vekto- Leistung oder Wirkleistung ergibt sich aus der
riell zum Gesamtstrom (Zeigerdiagramm in Differenz der positiven und negativen Flächen
Abb. 4.134). Das Ohm’sche Gesetz für den der u i-Kurve und der Zeitachse in Abb. 4.136
Strom im Wechselstromkreis lautet dann und errechnet sich zu
U
I = =UY . (4.294) T
Z 1
P= u(t)i(t) dt . (4.302)
T
0
Daraus ergeben sich für die jeweilige Schal-
tung spezifische komplexe Leitwerte Y = G+jB
sowie Phasenverschiebungswinkel. – Bei der Bei harmonischem Spannungs- und Stromver-
Parallelschaltung aller drei Bauelemente R, L lauf ist die Wirkleistung
und C tritt eine Stromresonanz des Parallel-
kreises auf. Die Thomson-Gleichung für die
1
Resonanzfrequenz ist für die Reihenschaltung P = û î cos ϕ = U I cos ϕ . (4.303)
und für die Parallelschaltung gleich. Die RLC- 2
Resonanzschaltungen eignen sich zum Bau
von Siebelementen oder Sperrkreisen, zum Hierbei ist der Winkel ϕ die Phasenverschie-
Unterdrücken von Störfrequenzen und als Fil- bung zwischen Wechselspannung und Wech-
ter zur Frequenzwahl. selstrom (4.273).
Abb. 4.135 Zeitlicher Verlauf von Strom, Spannung Abb. 4.136 Momentan-, Schein-, Wirk- und
und Leistung im Wechselstromkreis Blindleistung im Wechselstromkreis
398 4 Elektrizität und Magnetismus
u(t) = û cos(ωt + ϕu )
√ und der Leistungsfaktor
= U 2 cos(ωt + ϕu ) , (4.304)
i(t) = î cos(ωt + ϕi )
√ P
cos ϕ = . (4.311)
= I 2 cos(ωt + ϕi ) . (4.305) S
Daraus errechnet sich der zeitliche Verlauf der Er gibt an, wie viel der gesamten Leistung S
Leistung: als Wirkleistung zur Verfügung steht. Er sollte
möglichst nahe bei 1 liegen. Die Blindleis-
p(t) = u(t), i (t)
tung Q beträgt
= 2U I cos(ωt + ϕu ) cos(ωt + ϕi ) .
Durch Anwendung des Additionstheorems
2 cos2 ωt = cos(2ωt) + 1 ergibt sich Q = U I sin ϕ = S sin ϕ . (4.312)
p(t) =U I cos ϕ (4.306) Der Blindfaktor sin ϕ errechnet sich dann als
+ U I cos(2ωt + ϕu + ϕi ) .
Q
sin ϕ = . (4.313)
S
(Der Winkel ϕ ist in Übereinstimmung
mit (4.273) gegeben durch ϕ = ϕu − ϕi .)
Wie Abb. 4.136a zeigt, schwingt die Moment- Die durch elektrische Zuleitungen und durch
anleistung mit der doppelten Frequenz der elektrische Geräte fließende Stromstärke kann
Wechselspannung um den Durchschnittswert, tatsächlich größer sein als der Wirkstrom IWirk ,
der nach (4.303) der Wirkleistung P entspricht. der wirklich nutzbar ist. Es ist deshalb wichtig,
Abbildung 4.136b zeigt, wie die Scheinleis- den Blindfaktor sin ϕ möglichst klein oder den
tung S aus Anteilen der Wirkleistung P und Leistungsfaktor cos ϕ nahe bei 1 zu halten. Zur
der Blindleistung Q besteht. Es gilt Kompensation des Blindstromanteils können
Phasenschieberkondensatoren (Abschn. 4.3.7,
Abb. 4.78) verwendet werden, deren kapaziti-
S=UI , (4.307) ver Blindwiderstand so groß wie der induktive
S = P2 + Q2 (4.308) Blindwiderstand ist. Für die Blindleistung Q
gilt
mit
Q
tan ϕ = . (4.309) U
P IBlind = = Uω C .
XC
4.5 Instationäre Felder 399
Tabelle 4.15 Gleichungen für Wechselstromwider- Für den Wirkstrom gilt IWirk = I cos ϕ = 112,5 A und
stände und -leitwerte für den Blindstrom IBlind = I sin ϕ = 69,7 A.
Widerstand Leitwert
P P 4.5.2.6 Drehstrom
Wirk- R= (4.315) G = (4.316)
I2 U2 Im öffentlichen Stromnetz fließt ein sogenann-
anteil
Resistanz Konduktanz ter Dreiphasenstrom oder Drehstrom. Ursache
sind drei Wechselspannungen u1 , u2 und u3 ,
Blind- X =
Q
(4.317) B = −
Q
(4.318) die um jeweils 120◦ (2π/ 3) phasenverschoben
I2 U2
anteil sind, wie Abb. 4.137 zeigt. Die drei Wechsel-
Reaktanz Suszeptanz spannungen werden durch drei voneinander
U I unabhängige Spulenwicklungen im Genera-
Schein- Z = (4.319) Y = (4.320) tor erzeugt (Abschn. 4.5.2.8). Dann ergeben
I U
größe
sich sechs Spulenendpunkte. Durch eine ge-
Impedanz Admittanz
eignete Verkettung als Dreiecksschaltung bzw.
als Sternschaltung gemäß Abb. 4.138 können
Damit ergibt sich Q = U 2 ω C. Die zur Blind- die notwendigen Anschlussstellen auf drei (U,
stromkompensation notwendige Kapazität er- V, W) bzw. vier (U, V, W, N) verringert werden.
rechnet sich daraus zu In Tabelle 4.16 sind die Zusammenhänge zwi-
schen dem Leiterstrom und der Leiterspan-
Q nung für die Dreieck- bzw. Sternschaltung
C= . (4.314)
U2ω zusammengestellt. Durch die Spule fließende
Ströme bzw. an den Spulen abfallende Span-
Tabelle 4.15 zeigt die Formelzeichen sowie die
Bezeichnungen nach DIN 40 110 für die Wirk-,
Blind- und Scheinanteile von Widerstand Z =
R + jX und Leitwert Y = G + jB.
Beispiel
4.5-4 Ein Elektromotor hat die Leistung P = 45 kW
und wird mit einer Klemmenspannung von U = 400 V
betrieben. Der Leistungsfaktor ist cos ϕ = 0,85. Wie
groß ist die Schein- und Blindleistung, wie groß ist die
Stromstärke I sowie der Wirk- und Blindstrom?
Lösung
Aus (4.311) ergibt sich für die Scheinleistung
P 45 kW
S= = = 52,94 kW .
cos ϕ 0,85
Die Blindleistung beträgt nach (4.312)
Q = S sin ϕ = 52,94 kW · 0,5267 = 27,88 kW .
Für die Stromstärke I ergibt sich nach (4.307)
S 52,94 · 103 VA Abb. 4.137 Verlauf der drei Wechselspannungen beim
I= = = 132,4 A .
U 400 V Drehstromnetz
400 4 Elektrizität und Magnetismus
Za = Za · ü (4.327)
Generatoren
Wie Abb. 4.141 zeigt, gibt es Generatoren zur
Erzeugung von Gleich-, Wechsel- und Dreh-
strom. Der einfachste Wechselstromgenerator
besteht aus einer drehbaren Spule im Magnet-
feld (Abb. 4.125, Fall d). Wird die Anordnung
umgekehrt, sodass die Magnetpole innen lie-
Abb. 4.142 Stator und Rotor einer Innenpolmaschine. gen und die Induktionsspule außen ist, so liegt
Werkfotos: Emod ein Innenpolgenerator vor. Bei diesem kann
4.5 Instationäre Felder 403
der erzeugte Wechselstrom ohne Schleifringe werden können. Die Synchronmotoren finden
direkt von den Spulenwicklungen abgegriffen vor allem Anwendung bei gleich bleibenden
werden. Dies ist bei hoher Drehzahl besonders Drehzahlen. Die Leistungen ausgeführter Ma-
günstig. Beim Drehstromgenerator als Innen- schinen reichen in den Megawattbereich.
polmaschine besitzt der Anker drei voneinan- Der Asynchronmotor wird mit Wechselstrom
der unabhängige, um 120◦ verschobene Spu- betrieben. Deshalb muss die Stromänderung
lensysteme, die als Dreieck oder als Stern ge- im Drehfeld und im Anker gleichzeitig erfol-
schaltet werden können und Drehstrom erzeu- gen. Dann ist die Drehzahl auch frequenzunab-
gen. Außenpolgeneratoren werden wegen der hängig und der Motor läuft asynchron zur Fre-
zusätzlich benötigten Schleifringe heute prak- quenz der Wechselspannung. Der Asynchron-
tisch kaum noch gebaut. motor ist der am häufigsten eingesetzte Elek-
Gleichstrom wird dadurch erzeugt, dass die tromotor. Er findet vielseitige Anwendung in
untere Halbwelle des Wechselstroms durch der Technik, so z. B.
einen Polwender oder Kommutator nach oben
geklappt wird. Diese pulsierende Gleichspan- – für Rührgeräte und Pumpen in der chemi-
nung kann geglättet werden, wenn viele Spulen schen Industrie,
und entsprechend viele Polwender eingebaut – für Datendrucker und Antriebe für Disket-
werden. Dieses Polwendersystem wird dann tenlaufwerke,
Kollektor genannt, weil es alle Spannungen zur – in Bohr-, Schleif- und Kunststoffspritzma-
Gleichspannung aufsammelt. schinen,
– in Inkubatoren oder Pumpen von EKG-
Apparaten in der Medizin,
Elektromotoren
– als Spiegelantriebe für elektrooptische Ge-
Entsprechend Abb. 4.141 ist die Umkehrung räte und
eines (Einphasen-)Wechselstromgenerators – in Musikautomaten, Plattenspielern und
(der praktisch ohne Bedeutung ist), ein Tonband- sowie Kassettengeräten.
(Einphasen-)Wechselstrommotor; die Um-
kehrung eines Gleichstromgenerators ist der Drehstrommotoren sind meist so aufgebaut
Gleichstrommotor; die Umkehrung des Dreh- wie ein Drehstromgenerator als Innenpol-
stromgenerators ist der Drehstrommotor. maschine. Durch die zeitlich gegeneinander
verschobenen Spannungen des Drehstrom-
Ein Wechselstrommotor kann sowohl als Syn- netzes entsteht ein Drehfeld. Der Läufer
chronmotor als auch als Asynchronmotor An- benötigt keine Wicklung. Er ist ein Kurz-
wendung finden. Als Synchronmotor ist er des- schlussläufer, der als Käfiganker gebaut wird.
halb die Umkehrung des Wechselstromgene- Abbildung 4.144 zeigt einen universell ein-
rators, weil die Frequenz der Wechselspan- setzbaren Schneckengetriebe-Motor (a) und
nung proportional zur Drehzahl des Läufers dessen Drehzahl-Momenten-Kennlinie (b)
ist (Abb. 4.125, Fall d). Die Synchronmaschine für einen Käfigläufer-Motor der Nennleistung
läuft gleichsam synchron mit dem durch die 75 kW (Linie I), für einen Käfigläufer-Motor
Wechselspannung erzeugten Magnetfeld. Al- der Nennleistung 0,37 kW (II) sowie für einen
lerdings müssen diese Motoren durch einen Schlupfläufer-Motor (III). Das Diagramm
Gleichstrom in eine Anfangsdrehung kom- zeigt, dass die Drehzahl eines Asynchronmo-
men, ehe sie durch entsprechende An- und Ab- tors mit zunehmender Belastung abnimmt.
stoßung der Magnetfelder in Drehung versetzt Die Drehzahl des Läufers nL ist stets kleiner
404 4 Elektrizität und Magnetismus
q
Der Schlupf von Drehstromasynchronmoto- U0 − Ri − =0. (4.329)
C
ren beträgt für kleine Motoren (ca. 0,11 kW)
etwa 12% und für große Motoren (ca. 75 kW)
etwa 2%. Alle Gleichstrommotoren können – Mit i = dq/ dt gilt
wie die Generatoren – als Haupt- oder Ne- dq q
benschlussmaschinen betrieben werden. Für U0 − R − =0.
dt C
Gleichstrommotoren als Hauptschlussmo- Nach Division durch R und einer Umstellung
tor liegen Feldmagnet und Anker in Reihe erhält man die Differentialgleichung
(Abb. 4.143). Dies bedeutet, dass bei starkem
Stromfluss das Magnetfeld groß ist, sodass dq 1 U0
ein starkes Anzugsmoment spürbar wird. + q− =0. (4.330)
dt RC R
Die Drehzahl dieses Motors ist belastungs-
4.5 Instationäre Felder 405
durch L ergibt sich die Differentialgleichung sich die Stromstärke i dem Endwert I0 = U0 / R
für die Stromstärke: nähert. Bei Stromkreisen mit hoher Induktivi-
tät ist die Zeitkonstante groß, sodass der End-
di R U0 wert sehr spät erreicht wird. Die Zeitkonstante
+ i− =0. (4.339)
dt L L τ kann grafisch ermittelt werden als Schnitt-
punkt der beiden Kurven i = (U0 / L)t (punk-
Die zugehörige Lösung lautet tierte Linie in Abb. 4.146) und I0 = U0 / R (ge-
strichelte Linie). Dann gilt
U0
U0 U
i=
R
R
1 − e− L t . (4.340) τ= 0 oder
L R
Beim Ausschalten wird die Spannung U0 = 0, abfließen kann. Für den Fall einer Reihenschal-
sodass sich die Differentialgleichung verein- tung würde besonders für hohe Induktivitäten
facht: die gesamte Induktionsspannung −L( di/ dt)
lange Zeit zwischen den Schaltkontakten lie-
di R gen. Dadurch könnten die Schaltkontakte oder
+ i=0. (4.342)
dt L die Bauelemente zerstört werden.
Abbildung 4.147a zeigt das Ein- und Aus-
Diese Gleichung lässt sich analog zur Diffe- schaltverhalten (Spannungs-Zeit-Verlauf nach
rentialgleichung (4-335) durch Trennung der (4.332) und (4.336)) für eine Batteriespannung
Variablen direkt lösen. Es gilt von U0 = 24 V und Kapazitäten von C = 50 nF,
100 nF und 150 nF. Mit größeren Werten der
Kapazität C vergrößern sich also die Ein-
i = I0 e− L t .
R
(4.343)
und Ausschaltzeiten. Abbildung 4.147b zeigt
das Ein- und Ausschaltverhalten nach ((4.340)
Beim Ausschalten ist eine Parallelschaltung und (4.343)) für eine Batteriespannung von
von Widerstand und Spule empfehlenswerter U0 = 24 V, einen Widerstand von R = 2 Ω
als die Reihenschaltung (Abb. 4.146), weil dann und Induktivitäten von L = 100 mH, 300 mH
sofort ein Teil des Stroms über den Widerstand und 500 mH. Auch hier erkennt man, dass sich
die Ein- und Ausschaltzeiten für höhere Werte
für L vergrößern.
4.5.4 Messgeräte
Drehspulmesswerk
Abb. 4.147 Ein- und Ausschaltverhalten von a Ein Drehspulmesswerk besteht aus einem
Kapazitäten; b Induktivitäten drehbaren zylindrischen Spulenkörper, der
4.5 Instationäre Felder 409
sich in einem ringförmigen Spalt eines Dau- kompakte Bauform von Vielfachmessinstru-
ermagneten bewegen kann. Auf der Achse der menten.
Drehspule befinden sich zwei Spiralfedern, Ein wichtiger Spezialfall ist das Drehspulquo-
die als Stromzuführungen für die Spule die- tientenmesswerk (oder Kreuzspulinstrument).
nen, sowie ein Zeiger. Im Luftspalt zwischen Hierbei bewegen sich zwei um 30◦ versetzte
dem Dauermagneten und dem Spulenkör- Spulen im Dauermagnetfeld. Werden die bei-
per herrscht ein radiales Magnetfeld. Wenn den Spulen von unterschiedlichen Stromstär-
durch den Spulenkörper ein Gleichstrom ken i1 und i2 durchflossen, ist der Zeigeraus-
fließt, dann tritt ein Drehmoment auf, das schlag ϕ proportional zum Quotienten der bei-
proportional der Stromstärke ist und von dem den Stromstärken i1 / i2 . Eine Spule kann man
Gegendrehmoment der Spiralfeder im Gleich- als Amperemeter und die andere als Voltme-
gewicht gehalten wird. Der Ausschlagwinkel ter schalten. Dann misst der Quotient direkt
des Zeigers ist demnach proportional zur den Widerstand (unabhängig von einer Bat-
Stromstärke (ϕ ∼ I). teriespannung). Eine Hauptanwendung dieses
Kleinere Bauformen werden dadurch erreicht, Messwerkes ist die Temperaturmessung mit
dass sich der Dauermagnet als feststehender Hilfe von Widerstandsthermometern.
Zylinder im Zentrum des Messwerkes befin-
det. Die Spule ist drehend um ihn gelagert und Dreheisenmesswerk
der Luftspalt wird durch einen Hohlzylinder Das Dreheisenmesswerk besteht aus einer
aus Weicheisen abgeschlossen (Drehspul- Spule, die vom Messstrom durchflossen wird.
Kernmagnet-Messwerk). Drehspulmesswerke Im Zentrum dieser Spule befinden sich zwei
werden zur Messung von Gleichströmen und Weicheisenplättchen, von denen eines an der
Gleichspannungen verwendet. Sie gehören Spule und das andere an der Zeigerachse
zu den empfindlichsten elektrischen Mess- befestigt ist. Beim Stromfluss durch die Spule
werken (minimale Stromstärke 10−9 A). Wird werden beide Plättchen gleichnamig ma-
ein Gleichrichter vorgeschaltet, so können gnetisiert. Dadurch stoßen sie sich ab. Der
auch Effektivwerte von Wechselströmen- und Zeigerausschlag ist proportional zum Effek-
-spannungen bei sinusförmigem Kurvenver- tivwert der Messgröße, und zwar unabhängig
lauf gemessen werden. Ebenso kann man von der Kurvenform. Dreheiseninstrumente
sie als Widerstandsmesser einsetzen, wenn sind sehr robuste Geräte, haben allerdings
sie als Brücke in Zusammenhang mit einer einen hohen Leistungsverbrauch und sind
konstanten Spannungsquelle geschaltet wer- wegen der Wirbelstromverluste nicht bei
den (Wheatstone’sche Brücke, Abschn. 4.1.9). Frequenzen über 1 kHz einsetzbar.
Durch Vorschalten eines Thermoumformers,
bei dem mit Hilfe eines Thermoelements Elektrodynamisches Messwerk
die Temperaturerhöhung an einem kleinen Beim elektrodynamischen Messwerk wird der
Lastwiderstand gemessen und über einen Permanentmagnet des Drehspulmesswerks
Kalibrierfaktor auf den anliegenden Wech- durch einen Elektromagneten ersetzt. Wird
selstrom zurückgeschlossen wird, lassen sich der Strom durch beide Spulen geleitet, so
die Effektivwerte von Wechselströmen und ist der Ausschlag proportional zum Quadrat
-spannungen beliebiger Welligkeit messen. der Stromstärke. Aus diesem Grund können
Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von sowohl Gleich- als auch Wechselgrößen ge-
Drehspulmessgeräten sind der Grund für die messen werden. Sehr wichtig ist auch die
4.5 Instationäre Felder 411
Abb. 4.151 Maxwell’sche Gleichungen für das elektrische und magnetische Feld
Die Materialgleichungen beschreiben die Ein- Während auf jede Ladung in einem elektri-
flüsse des Materials auf die elektrischen und schen Feld eine Kraft ausgeübt wird, tritt die
magnetischen Felder. Die elektrische (P) und Lorentz-Kraft im Magnetfeld nur bei bewegten
magnetische (J) Polarisation ist im einfachs- Ladungen auf.
ten Fall proportional zur jeweiligen Feldstärke Mit den Maxwell’schen Gleichungen ist eine
E bzw. H. Die Proportionalitätskonstante ist vollständige Beschreibung elektromagneti-
die Suszeptibilität χ. Bei hohen Feldstärken scher Vorgänge möglich. Tabelle 4.17 zeigt die
treten nichtlineare Effekte auf wie die nicht- vier denkbaren Spezialfälle:
lineare Optik bei intensiven Laserfeldern. Die
Stromdichte j ist mit der elektrischen Feld- 1.) Elektrostatik und Magnetostatik
stärke E über das Ohm’sche Gesetz j = κE Fließt weder ein Strom (j = 0) noch ändert sich
verknüpft. das magnetische Feld (dB/ dt = 0) sowie die
4.5 Instationäre Felder 415
j=0 j = 0
dB
=0 Elektrostatik Elektrodynamik
dt
und stationärer
dD
=0 Magnetostatik Ströme
dt Abb. 4.152 Ausbreitung einer elektromagnetischen
dB Welle durch wechselseitig induzierte elektrische und
= 0 elektromagne- Elektrodynamik magnetische Felder
dt
tische Wellen quasistationärer
dD
= 0 Ströme
dt 4.) Elektromagnetische Wellen
dD
für ≈0
dt Die geniale Voraussage von Maxwell bestand
darin, dass er seine Gleichungen als For-
mulierungen für elektromagnetische Wellen
interpretieren konnte für den Fall, dass kein
elektrische Verschiebungsdichte (dD/ dt = 0), Stromfluss vorhanden war (j = 0).
dann existieren elektrostatische und magneto- In Abb. 4.152 ist der Fall dargestellt, dass
statische Felder vollkommen unabhängig von- die zeitliche Änderung dB/ dt des primären
einander. Magnetfeldes nicht konstant ist. Wenn bei-
spielsweise die Flussdichte harmonisch von
2.) Elektrodynamik stationärer Ströme
der Zeit abhängt, gemäß B = B̂ sin ωt, dann
Fließt lediglich ein Strom ( j = 0), ist je- ist Ḃ = B̂ ω cos ωt. In diesem Fall ist das
doch keine Änderung des magnetischen Feldes erzeugte elektrische Wirbelfeld ebenfalls
(dB/ dt = 0) und der elektrischen Verschie- zeitlich veränderlich, was seinerseits wie-
bungsdichte (dD/ dt = 0) vorhanden, so ist der ein zeitlich veränderliches magnetisches
wegen des Durchflutungsgesetzes (Abb. 4.89, Wirbelfeld bildet usw. Die Verkettung von
(4.171)) bereits eine magnetische Wirkung elektrischen und magnetischen Feldern stellt
spürbar. Ferner gilt das Ohm’sche Gesetz in eine elektromagnetische Welle dar, die sich
der Formulierung j = κE (4.207). mit Lichtgeschwindigkeit im Raum ausbreitet.
3.) Elektrodynamik quasistationärer Ströme Diese elektromagnetischen Wellen wurden
von H. Hertz (1857 bis 1894) experimentell
Fließt ein Strom (j = 0) und ändert sich das
nachgewiesen (Abschn. 5.2.2). Da das Licht
Magnetfeld (dB/ dt = 0), wobei der Verschie-
als elektromagnetische Welle verstanden wer-
bungsstrom gegenüber dem Leitungsstrom
den kann, ist außerdem eine enge Beziehung
vernachlässigt werden kann (nahezu statio-
zwischen Elektrodynamik und Wellenoptik
när: (dD/ dt ≈ 0), dann gelten das Durchflu-
vorhanden (Abschn. 6.1 und 6.4).
tungsgesetz und das Induktionsgesetz (die
erste und die zweite Maxwell’sche Gleichung).
Zur Übung
Sie sind die Grundlagen der in Abschn. 4.5 Ü 4.5-1 Eine eisenlose Flachspule hat 200 Windun-
beschriebenen Phänomene zeitlich sich än- gen und umschließt eine Fläche von 150 cm2 . Sie ro-
dernder elektrischer und magnetischer Felder. tiert mit einer Drehzahl von 800 min−1 in einem ho-
416 4 Elektrizität und Magnetismus
Schwingungen eingeteilt. Abbildung 5.2 zeigt der Scheitelwert der freien Schwingung im
die Zusammenhänge am Beispiel eines Kör- zeitlichen Verlauf ab. Dies kennzeichnet die
pers, der mit einer Feder verbunden ist und in gedämpfte freie Schwingung. Ferner ist die Fre-
horizontaler Richtung schwingen kann. quenz fd der gedämpften freien Schwingung
Bei der freien Schwingung wird dem Oszillator wegen des stattfindenden Energieverlustes
einmalig zu einem bestimmten Zeitpunkt kleiner als die Eigenfrequenz f0 der unge-
Energie durch Stoß oder durch die Auslen- dämpften freien Schwingung.
kung des Oszillators zugeführt. Anschließend Ein Resonator ist ein Oszillator, dem von außen
wird das System sich selbst überlassen; der eine periodische Erregung mit der Erregerfre-
Oszillator schwingt dann mit einer system- quenz fE aufgezwungen werden kann. Unter
typischen, konstanten Eigenfrequenz f0 . Wird dem Einfluss des Erregers führt der Resonator
dem Schwingungssystem im weiteren zeitli- erzwungene Schwingungen mit der Erreger-
chen Verlauf keine Energie zugeführt oder frequenz fE aus. Wenn die Erregerfrequenz fE
entzogen, so schwankt die Auslenkung des Os- gleich oder annähernd gleich der Resonanzfre-
zillators periodisch mit der Eigenfrequenz f0 quenz fR ist, tritt Resonanz ein. Bei Resonanz
zwischen zwei konstanten Maximalwerten wächst im ungedämpften Fall (ohne Energie-
(Scheitelwert oder Amplitude ŷ). Der Schei- verluste) die Amplitude unendlich an (Reso-
telwert der Schwingung, die als ungedämpfte nanzkatastrophe). Im gedämpften Fall steigt
freie Schwingung bezeichnet wird, ist konstant dagegen die Amplitude bei Resonanz ledig-
und abhängig vom Energiebetrag, mit dem lich bis auf einen endlichen Maximalwert der
die freie Schwingung erregt wurde. Wirken Auslenkung an, bei dem der Energieverlust je
dagegen äußere Kräfte, z. B. die Reibung oder Schwingungsperiode gerade gleich der zuge-
Energieverluste des Oszillators, so nimmt führten Erregerenergie ist. Ist die Erregerfre-
5.1 Schwingungen 421
Abb. 5.3 Zusammenhang zwischen der Kreisbewegung und den harmonischen Schwingungen (a) bis (c) sowie
rotierende Zeiger in der komplexen Ebene (d)
quenz fE wesentlich niedriger als die Resonanz- Wird das periodisch wiederkehrende Muster
frequenz fR , so schwingen Erreger und Reso- als Auslenkung y aufgefasst, so kann der pe-
nator gleichphasig; die Phasenverschiebung γ riodische Vorgang mathematisch formuliert
zwischen den beiden Schwingungen ist null. werden:
Ist fE >> fR , dann schwingen Erreger und Re-
sonator gegenphasig; die Phasenverschiebung y(t) = y(t + T) . (5.2)
beträgt in diesem Fall γ = 180◦ . Ohne Dämp-
fung kommt es bei Resonanz zu einem Phasen-
sprung von Δγ = 180◦ . Mit Dämpfung verläuft Die Auslenkung y zu einer Zeit t ist gleich groß
die Phasenverschiebung mit zunehmender Er- wie die Auslenkung y zur Zeit t + T; hierbei
regerfrequenz stetig. ist T die Schwingungsdauer (Periode) des Sys-
Die wichtigste Eigenschaft aller schwingungs- tems. Im Allgemeinen ist die mathematische
fähigen Systeme ist die Periodizität. Beschreibung periodischer Auslenkungen,
wie z. B. regelmäßig wiederkehrender Spitzen,
Bei der Periodizität werden bestimmte sehr schwierig (Abschn. 5.1.4.3, Fourier-
Muster in konstanten Zeitintervallen analyse). In der Praxis gibt es jedoch viele
(Periode T) wiederholt. Schwingungen, deren Auslenkungs-Zeit-Ge-
setz durch eine mathematische Cosinus- bzw.
422 5 Schwingungen und Wellen
Sinus-Funktion beschrieben werden kann. tion des Zeigers auf die Waagrechte verstanden
Solche Schwingungen werden harmonische (Abb. 5.3a), so ergibt sich eine Cosinusfunk-
Schwingungen genannt. tion:
Die harmonische Schwingung lässt sich durch
den Vergleich mit der Parallelprojektion ei-
ner gleichförmigen Kreisbewegung anschau- y(t) = ŷ cos(ω0 t) . (5.3)
lich beschreiben. Abbildung 5.3 zeigt den Zu-
sammenhang zwischen der Kreisbewegung ei-
nes Zeigers mit konstanter Umlaufdauer T0 Wird dagegen die Auslenkung als Projektion
bzw. Winkelgeschwindigkeit ω0 = 2πf0 = des Zeigers auf die Senkrechte verstanden
2π/ T0 (5.1) und der Auslenkung y(t). (Der In- (Abb. 5.3b), so ergibt sich eine Sinusfunktion:
dex null bedeutet, dass es sich um Größen der
ungedämpften Schwingung handelt.)
Startet der Zeiger seine Bewegung im Null- y(t) = ŷ sin(ω0 t) . (5.4)
punkt und wird die Auslenkung y(t) als Projek-
Kenngröße Bedeutung
Periodizität
Schwingungsdauer T kleinste Zeitspanne zwischen zwei aufeinander folgenden, gleichen Schwin-
(Periode) gungszuständen (z. B. zeitlicher Abstand zwischen zwei Maxima oder Minima)
Frequenz f Anzahl der Schwingungen je Zeit
1
f = = N / tN in Hz (N: Anzahl der Schwingungen;
T tN : Zeit für N Schwingungen)
2π
Kreisfrequenz ω ω = 2πf = in s−1
T
Auslenkungen bzw. Momentanwerte
Momentanwert y(t) momentane Auslenkung zur Zeit t (errechenbar aus (5.3) bis (5.5))
Scheitelwert ŷ maximaler Wert der Auslenkung (für sin(ωt + ϕ0 ) oder cos (ωt + ϕ0 ) = 1)
(Amplitude)
Phasenwinkel
Nullphasenwinkel ϕ0 Anfangslage des schwingenden Systems zur Zeit t = 0. Es folgt aus (5.5)
(Anfangsphase)
y(0)
ϕ0 = arc cos (5.6)
ŷ
ϕ0 > 0: voreilend
ϕ0 < 0: nacheilend
allgemeiner Phasen- ϕ = ωt + ϕ0
winkel (Momentan- Summe der Phasenlage eines Punktes zur Zeit t (ωt) und des
phase) ϕ Nullphasenwinkels ϕ0
Phase
Phase augenblicklicher Zustand einer Schwingung (bestimmt durch zwei Schwin-
gungsgrößen, z. B. Weg und Zeit)
5.1 Schwingungen 423
Für die Beschleunigung in Auslenkungsrich- Werden die Weg-Zeit-Gleichung (5.5) und die
tung y gilt a = d2 y/ dt2 , somit ist Beschleunigung-Zeit-Gleichung (5.10) in die
d2 y Differentialgleichung (5.8) eingesetzt, so er-
− ky = m oder gibt sich
dt2
d2 y k
m + ky = 0 oder −ŷ ω20 cos(ω0 t + ϕ0 ) + ŷ cos(ω0 t + ϕ0 ) = 0 .
dt2 m
Der Term ŷ cos(ω0 t + ϕ0 ) kürzt sich heraus,
sodass gilt
d2 y k
+ y=0. (5.8) k
dt2 m −ω20 + =0,
m
figkeit) des Feder-Masse-Systems. Aus (5.11) Abbildung 5.6a zeigt den Weg-Zeit-Verlauf
errechnet sich des Feder-Masse-Systems. Bei der Momentan-
phase ϕ = 0 ist der Körper bis zur Amplitude ŷ
k ω0 ausgelenkt. Er läuft bei ϕ = π/ 2 durch den
ω0 = und f0 = , (5.12) Nullpunkt, drückt bei ϕ = π die Feder um die
m 2π
2π m negative Amplitude zusammen, schwingt bei
T0 = = 2π . (5.13) ϕ = 3π/ 2 wieder durch den Nullpunkt und
ω0 k
ist bei ϕ = 2π wieder maximal ausgelenkt. In
Abb. 5.6b sind die periodischen Abläufe der dass sie für alle freien, ungedämpften har-
drei Bewegungsgleichungen dargestellt: monischen Schwingungen gültig ist. In dieser
– das Weg-Zeit-Gesetz y(t) (5.5) mit durchge- allgemeinen Form lautet sie
zogener Linie,
– das Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz (t) (5.9), d2
gestrichelt, und (Variable) + Konstante
dt2
– das Beschleunigung-Zeit-Gesetz a(t) (5.10), · (Variable) = 0 . (5.17)
strichpunktiert.
Für die Maximalwerte von Weg y, Geschwin-
Sie hat die Lösung
digkeit und Beschleunigung a gilt
Mathematisches Pendel
Das mathematische Pendel (Abb. 5.8) besteht
aus einer punktförmigen Masse, die an einem
unelastischen Faden mit der Länge l aufge-
hängt ist. (Die Masse des Fadens ist gegen-
über der punktförmigen Masse vernachlässig-
bar klein.) Wird das mathematische Pendel um
den Drehwinkel β bis zum Punkt B ausgelenkt,
so gilt nach dem Energieerhaltungssatz
oder
Daraus ergibt sich die Differentialgleichung Tabelle 5.2 Korrekturfaktor für größere Auslenkungs-
winkel
g
β̈ + sin β = 0 . (5.23) Winkel Korrekturfaktor
l
1◦ 1,00002
Diese beschreibt keine harmonische Schwin- 5◦ 1,00048
gung. Die nach (5.17) geforderte Differenti- 10◦ 1,00191
30◦ 1,01741
algleichung entsteht dadurch, dass sin β ≈ β 45◦ 1,03997
gesetzt wird (Abbruch der Reihenentwicklung
β3 β5 β7
sin β = β− + + − · · · nach dem
−
3! 5! 7! Schwingungsdauer recht genau mit (5.27) be-
ersten Glied). Damit ergibt sich rechnet werden kann.
Wie (5.27) zeigt, hängt die Schwingungs-
g
β̈ + β = 0 . (5.24) dauer T0 nicht von der Masse des angehängten
l Körpers ab. Mit diesem Pendel gelang es
L. Foucault (1819 bis 1868), die Erdbe-
Die Lösung lautet schleunigung experimentell sehr genau zu
bestimmen.
Umgeformt ergibt sich die Differentialglei- per als Torsionsschwinger aufgehängt. Die Kalibrie-
chung rung der Aufhängung geschieht mit einem Körper, des-
sen Trägheitsmoment bekannt ist. Es ist ein Stahlzylin-
der mit dem Durchmesser d = 80 mm und der Länge
kt l = 150 mm, der für 10 Schwingungen eine Zeit von
β̈ + β=0 (5.29)
JA 67,8 s braucht. Der zu messende Körper benötigt für
10 Schwingungen 107,5 s. Wie groß ist das Massenträg-
heitsmoment dieses Körpers? (Aufhängung immer in
mit der Lösung der Schwereachse.)
Lösung
β(t) = β̂ cos(ω0 t + ϕ0 ) , (5.30) Für den Eichkörper gilt nach (5.32)
kt J0 4π2 J0
T0 = 2π , kt =
ω0 = , (5.31) kt T02
;
JA
für den Messkörper gilt analog
2π JA
T0 = = 2π . (5.32)
ω0 kt kt =
4π2 J
.
T02
T0
phys
= T0math ,
Abb. 5.11 Physisches Pendel
JA lred
2π = 2π .
Um zur allgemeinen Struktur der Differen- mgr g
tialgleichung (5.17) zu gelangen, muss sin β
durch den Winkel β ersetzt werden (siehe Nä- Daraus ergibt sich
herungsformel für mathematisches Pendel).
Dann gilt JA
lred = . (5.40)
mr
−FG r β = JA β̈ oder
Beispiel
mgr
β̈ + β=0. (5.35) 5.1-3 Ein Rad gemäß Abb. 5.12 mit der Masse m = 1 kg
JA und den Abmessungen di = 96 mm und da = 125 mm
pendelt an einer Schneide A. Die Periodendauer be-
Die Lösung lautet trägt T0 = 0,65 s. Ermittelt werden sollen das Massen-
trägheitsmoment um den Schwerpunkt und die redu-
zierte Pendellänge.
β(t) = β̂ cos(ω0 t + ϕ0 ) , (5.36)
Lösung
mgr Nach dem Steiner’schen Satz ist JS = JA − m ri2 ; hierbei
ω0 = , (5.37)
JA errechnet sich JA aus (5.39) mit r = ri . Somit ist
2
2π JA JS = mri
T0
= = 2π i = 2,74 · 10 kg m .
−3 2
T0 . (5.38) g − r
ω0 mgr 4π2
Für die reduzierte Pendellänge gilt nach (5.40)
und (5.39)
Mit Hilfe eines physischen Pendels können –
T02
wie mit einem Torsionspendel – Massenträg- lred = g = 0,105 m .
4π2
heitsmomente gemessen werden. Auch hierbei
muss zur Berechnung von JS der Steiner’sche
Satz (Abb. 5.10) berücksichtigt werden. Es gilt
nach (5.38)
T02
JA = mgr . (5.39)
4π2
Flüssigkeitspendel im U-Rohr
Wird in ein U-Rohr mit konstantem Quer-
schnitt A eine Flüssigkeit der Dichte ρ ein-
gefüllt, so stellt sich im Gleichgewicht eine U-
förmige Flüssigkeitssäule der Länge l ein. Wird
der Gleichgewichtshorizont – die gestrichelte
Linie in Abb. 5.13 – um y verschoben, dann
ist eine Differenz der Flüssigkeitsniveaus von
Abb. 5.13 Flüssigkeitspendel im U-Rohr
2y vorhanden. Das Gewicht der überstehenden
Flüssigkeitsmasse mF1 (gekennzeichneter Be-
2g
reich) bewirkt eine rücktreibende Kraft. Nach ÿ + y=0 (5.45)
dem Newton’schen Gesetz gilt l
= ma ,
Fa vereinfacht. Die Lösung ist
−mF1 g = mges ÿ .
y(t) = ŷ cos(ω0 t + ϕ0 ) , (5-42)
Die Masse der überstehenden Flüssigkeits-
2g
menge kann errechnet werden aus ω0 = , (5.46)
l
mFl = VFl ρ = A2yρ . 2π l
T0 = = 2π . (5.47)
ω0 2g
Daraus ergibt sich
Beispiel
y(t) = ŷ cos(ω0 t + ϕ0 ) , (5.42) 5.1-4 In einem U-Rohr mit einem lichten Durchmes-
ser von di = 1 cm schwingt eine Quecksilbersäule nach
2Aρg
ω0 = , (5.43) einer einmaligen Auslenkung um 3 cm. Die Masse des
mges Quecksilbers beträgt 0,5 kg. Berechnet werden sollen
T0 , ω0 und f0 . Wie ändern sich diese Größen, wenn
2π mges
T0 = = 2π . (5.44) das U-Rohr, wie in Abb. 5.15 dargestellt, um 50◦ zur
ω0 2Aρg Waagrechten geneigt ist?
Lösung
Für die gesamte Masse gilt mges = Alρ, sodass Nach (5.44) ist T0 = 0,974 s, f0 = 1/ T0 = 1,027 Hz
sich die Differentialgleichung (5.41) zu ω0 = 2πf0 = 6,45 s−1 .
432 5 Schwingungen und Wellen
y(t) = ŷ cos(ω0 t + ϕ0 ) ,
dann ist
1
Epot (t) = kŷ2 cos2 (ω0 t + ϕ0 ) . (5.49)
2
1
Ekin (t) = kŷ2 sin2 (ω0 t + ϕ0 ) . (5.51)
2
1
î = q̂ω0 = q̂ √ = 20 mA ;
1 LC
ω0 = √ , (5.61)
LC
√ der Phasenwinkel ist ϕ0i = − π2 .
T0 = 2 π LC . (5.62) c) Für die Frequenz gilt
ω0 1
f0 = = √ = 1,59 · 103 s−1 .
(s. Thomson-Gl. (4.293)). 2π 2π LC
Beispiel
Abbildung 5.19 zeigt die Analogie mechani-
5.1-5 Die Kapazität des Schwingkreises (Abb. 5.17)
wird in Schalterstellung 0-2 durch eine angelegte scher (am Beispiel des Feder-Masse-Systems)
Gleichspannung U0 aufgeladen und durch Umschalten und elektromagnetischer Schwingungen (am
auf Stellung 1-2 wird die Schwingung erregt. Es ist Beispiel des Schwingkreises Kondensator–
U0 = 2 V, L = 10 mH und C = 1 μF. Zu berechnen Spule). Während beim mechanischen System
sind die Auslenkung periodisch schwingt und ein
a) Amplitude q̂ und Nullphasenwinkel ϕ0q der Ladung, periodischer Austausch zwischen potentieller
b) Amplitude î und Nullphasenwinkel ϕ0i der Strom- und kinetischer Energie stattfindet, schwingt
stärke sowie im elektromagnetischen System die Ladung
c) die Eigenfrequenz f0 . zwischen Kapazität und Spule hin und her
und es findet ein periodischer Austausch
Lösung zwischen elektrischer und magnetischer
a) Es gilt q̂ = CûC mit ûC = U0 . Also ist q̂ = 2 · 10−6 C; Energie statt. Der Masse im mechanischen
für den Nullphasenwinkel gilt ϕ0q = ϕ0u = 0. System entspricht die Spule im elektroma-
b) Es ist gnetischen Schwingkreis, die sich als träges
dq Element der Stromänderung widersetzt. Die
i= = −q̂ω0 sin(ω0 t) rücktreibende Kraft ist im mechanischen
dt
π
= q̂ω0 cos ω0 t − ; System proportional zur Federkonstanten k
2 und im elektromagnetischen Schwingkreis
die Amplitude beträgt umso größer, je kleiner die Kapazität ist.
5.1 Schwingungen 435
Im Ausgangszustand (Abb. 5.19, ϕ = 0) ist im gungsenergie mehr vorhanden ist. Tabelle 5.3
mechanischen System die Auslenkung maxi- zeigt übersichtlich drei unterschiedliche Rei-
mal und deshalb die potentielle Energie maxi- bungskräfte bei freien, gedämpften Schwin-
mal und die kinetische Energie null. Im elek- gungen:
tromagnetischen Schwingkreis ist die Konden-
satorspannung und somit die elektrische Ener- – die geschwindigkeitsunabhängige Gleit-
gie maximal; dagegen fließt kein Strom durch oder Rollreibungskraft
die Spule, sodass die magnetische Energie null
ist. Nach einem Winkel von π/ 2 durchläuft
die Masse mit maximaler Geschwindigkeit die FR = μFN , (5.63)
Nulllage. Die potentielle Energie ist null und
die kinetische Energie maximal. Entsprechend
– die geschwindigkeitsabhängige Reibungs-
ist im elektromagnetischen Schwingkreis die
kraft, die proportional zur Geschwindigkeit
Spannung am Kondensator und damit die
ist (Newton’sches Reibungsgesetz der vis-
elektrische Energie gleich null, während der
kosen Reibung),
Spulenstrom und die magnetische Energie ma-
ximal sind. Im mechanischen bzw. elektroma-
gnetischen Schwingungssystem wiederholen FR = −d , (5.64)
sich diese Zustände periodisch.
Tabelle 5.3 Unterschiedliche Reibungskräfte und die entsprechenden Differentialgleichungen bei gedämpften
Schwingungen
Auch die Differentialgleichungen des Feder- tung-y) bewegt, wirkt die Reibungskraft in
Masse-Systems sind für diese drei Fälle in Ta- negativer oder positiver y-Richtung. Deshalb
belle 5.3 zusammengestellt. Die Lösungen wer- müssen diese Bewegungsabläufe getrennt be-
den (bis auf die vom Quadrat der Geschwindig- trachtet werden. Abbildung 5.20 zeigt eine
keit abhängige Reibungskraft) im Folgenden Übersicht.
näher erläutert. Für die Aufwärtsbewegung gilt die Bewe-
gungsgleichung
Geschwindigkeitsunabhängige Reibungskraft
Je nachdem, ob sich der Körper nach oben mÿ + μ FN + ky = 0 . (5.66)
( in Richtung y) oder nach unten ( in Rich-
Die Konstante μFN kann gleich k y0 gesetzt und ihre Zahlenwerte einer arithmetischen Reihe
als konstante Vorspannung aufgefasst werden. entsprechen. Dieser Reibungsvorgang hat zur
Wird weiter y + y0 = s gesetzt, dann ergibt Folge, dass das System nicht genau bei y = 0
sich für s die Differentialgleichung der un- zur Ruhe kommt, sondern außerhalb (in die-
gedämpften harmonischen Schwingung (Ab- sem Fall bei −y0 ). Dies kann bei Messsyste-
schn. 5.1.2.2, (5.17)) men zu Nullpunktsabweichungen führen, die
bei der Auswertung von Messdaten berück-
k sichtigt werden müssen.
s̈ + s=0 (5.67)
m
Geschwindigkeitsproportionale (viskose) Reibung
Die Reibungskraft ist in diesem Fall propor-
mit der Lösung tional zur Geschwindigkeit (Newton’sches Rei-
bungsgesetz):
s = ŝ0 cos(ω0 t + ϕ0 ) , (5.68)
k FR = −d . (5-64)
ω0 = . (5.69)
m
Das Verhältnis von Abklingkoeffizient δ und Wie aus (5.79) weiter hervorgeht, nehmen die
Kreisfrequenz ω0 ergibt den dimensionslosen Amplituden entsprechend der Exponential-
Dämpfungsgrad ϑ der gedämpften Schwin- funktion e−δt ab. Dies heißt, dass aufeinan-
gung: der folgende Amplitudenverhältnisse konstant
sind. Für den zeitlichen Verlauf der mittleren
δ Schwingungsenergie ESch gilt deshalb
ϑ= . (5.75)
ω0
ESch (t) = ESch (0)e−2δt . (5.83)
Der doppelte Wert wird Verlustfaktor d∗ ge-
nannt. Sein Kehrwert ist die Güte Q:
Der Abklingkoeffizient δ kann sowohl analy-
d d tisch als auch grafisch ermittelt werden. Nach
d∗ = 2ϑ = =√ , (5.76)
mω0 mk (5.79) gilt für die Amplituden zweier aufein-
√ ander folgender Schwingungen
1 m ω0 mk
Q= = = . (5.77)
2ϑ d d ŷi+1 = ŷi e−δT d oder
Dies bedeutet, dass die Kreisfrequenz des ge- Daraus errechnet sich der Abklingkoeffizient
dämpften Schwingers ω d kleiner als die Kreis-
frequenz des ungedämpften Schwingers ω0 ist. ŷi
ln
(Entsprechend größer ist die Periodendauer ŷi+1 Λ
der gedämpften Schwingung T d im Vergleich
δ= = . (5.87)
Td Td
zur ungedämpften Schwingung T0 .)
440 5 Schwingungen und Wellen
Bei der grafischen Bestimmung von δ geht man Sie ist nach 20 Schwingungen noch halb so groß.
ebenfalls von (5.79) aus: Wie groß ist bei einer Schwingungsdauer T d = 2 s
das Dämpfungsverhältnis k, das logarithmische De-
ŷ(t) = ŷ0 e−δt . krement Λ, der Abklingkoeffizient δ und die Frequenz
des ungedämpften Systems? Wie lautet die Bewegungs-
Diese Gleichung wird durch Logarithmieren gleichung y(t) des gedämpften Systems?
auf eine Geradengleichung zurückgeführt:
Lösung
√
Nach (5.85) gilt 2 = c20 oder c = 20 2 = 1,0353. Das
ln(ŷ(t)/ ŷ0 ) = −δt , heißt, jede nachfolgende Amplitude ist um 3,4% klei-
ner als die vorausgegangene. Für das logarithmische
y = mx + b . (5.88)
Dekrement gilt nach (5.86)
Λ = ln(c) = 0,03466 .
Daraus ist ersichtlich, dass der Abklingkoef-
fizient δ der Steigung m der Geraden ent- Nach (5.87) errechnet sich der Abklingkoeffizient δ zu
spricht. In einer Graphik wird zweckmäßiger- Λ
weise auf halblogarithmischem Papier der Lo- δ= = 1,733 · 10−2 s−1 .
T
garithmus der Amplituden ŷi aufeinander fol-
Nach (5.81) (Abb. 5.21) errechnet sich ω0 zu
gender Schwingungen als Funktion der Zeit
aufgetragen und aus der Steigung der Abkling- ω0 = ω2d + δ2 = 3,14160 s−1 .
koeffizient δ bestimmt.
Die Kreisfrequenz des ungedämpften Systems ω0 ist
Beispiel im Vergleich zur Kreisfrequenz des gedämpften Sys-
5.1-6 Die Amplitude eines gedämpften Feder-Masse- tems ω d nur geringfügig größer (1/10 Promille). Dies
Systems beträgt zu Beginn der Schwingung ŷ0 = 10 cm. ist in der Praxis häufig der Fall.
5.1 Schwingungen 441
Abb. 5.22 Schwingfall, aperiodischer Grenzfall und Kriechfall eines gedämpften Systems mit den
Anfangsbedingungen y(0) = 1 und ẏ(0) = 0
442 5 Schwingungen und Wellen
Tabelle 5.4 Charakteristische Kenngrößen mechani- trägt m = 30 g. Wird das Glas kurzzeitig ins Wasser
scher und elektromagnetischer Schwingkreise mit gedrückt, dann führt es Schwingungen aus.
Dämpfung
a) Es soll nachgewiesen werden, dass bei Vernachläs-
mechanisch elektromagnetisch sigung der Flüssigkeitsreibung eine harmonische
Schwingung in vertikaler Richtung vorliegt;
Masse m Induktivität der Spule L
ferner sollen berechnet werden
Dämpfungskon- Widerstand R
stante d Kehrwert der b) die „Federkonstante“ k, die Schwingungsdauer T0
1 und die Eigenkreisfrequenz ω0 des Systems,
Federkonstante k Kapazität
C c) die Abhängigkeit der Eigenkreisfrequenz ω0 vom
Kreisfrequenz ω0 Durchmesser d des Reagenzglases sowie
k 1 d) die potentielle und kinetische Energie zur Zeit
ω0 = ω0 = t = 1,2 s bei einer Amplitude von ŷ = 1 cm und
m LC
Abklingkoeffizient δ Nullphasen-Winkel ϕ0 = 0.
d R
δ= δ= (5.93)
2m 2L
Ü 5.1-3 Ein Schwingkreis mit einer Spule (L = 10 mH)
Dämpfungsgrad ϑ
hat einen Drehkondensator mit veränderlicher Kapazi-
δ d 1 δ R C tät C. Bei einer Änderung des Drehwinkels um γ = 180◦
ϑ= = ϑ= = (5.94)
ω0 2 mk ω0 2 L wird ein Frequenzbereich von 1 kHz bis 3 kHz überstri-
Güte Q chen. Berechnet werden soll die Abhängigkeit der Ei-
√
1 mk 1 1 L genkreisfrequenz ω0 von dem Drehwinkel γ des Dreh-
Q= = Q= = (5.95)
2ϑ d 2ϑ R C kondensators bei linearer Abhängigkeit der Kapazität
C vom Drehwinkel γ .
Dämpfungsgrad ϑ und die Güte Q gegenüber- Ü 5.1-4 Bei einer gedämpften Schwingung beträgt
gestellt. die Amplitude der ersten Schwingung 20 cm. Nach 15
Schwingungen nimmt sie um die Hälfte ab. Berechnet
Zur Übung werden sollen
Ü 5.1-1 Ein Körper führt eine ungedämpfte, harmo-
nische Schwingung mit folgender Weg-Zeit-Gleichung a) das Dämpfungsverhältnis c bzw. das logarithmische
aus: y(t) = 0,25 m · cos(4π s−1 t + π5 ). Dekrement Λ,
Berechnet werden sollen b) der Abklingkoeffizient δ bzw. die Kreisfrequenz
der gedämpften Schwingung ω d bei einer Schwin-
a) die Eigenkreisfrequenz ω0 , die Schwingungsdauer gungsdauer von T d = 3,5 s sowie
T0 , der Nullphasenwinkel ϕ0 und die Amplitude ŷ, c) die Schwingungsgleichung y(t) des gedämpften Sys-
b) die momentane Auslenkung y(t), die momentane tems (Nullphasenwinkel ϕ0 = 0).
Geschwindigkeit (t) und die momentane Beschleu-
nigung a(t) für die Zeit t = 1,2 s,
c) die maximale Geschwindigkeit max und die maxi-
male Beschleunigung amax sowie 5.1.3 Erzwungene Schwingung
d) die potentielle und die kinetische Energie eines
schwingenden Körpers der Masse m = 0,1 kg bei 5.1.3.1 Differentialgleichung der erzwungenen
der Auslenkung y(t) = 0,10 m. Schwingung
Wird einem mechanischen (oder elektrischen)
Ü 5.1-2 Ein Reagenzglas mit dem Durchmesser d = schwingungsfähigen System (Resonator) von
1,2 cm, in dem sich Blei befindet, schwimmt aufrecht einem äußeren Erreger eine periodische Kraft
im Wasser. Die Gesamtmasse (Reagenzglas + Blei) be- (oder Spannung) aufgezwungen, dann ergibt
444 5 Schwingungen und Wellen
sich eine erzwungene Schwingung. Nach einer 5.1.3.2 Lösung der Differentialgleichung
ausreichend langen Zeit (Einschwingdauer) der erzwungenen gedämpften Schwingung
wird das schwingungsfähige System mit der Die Differentialgleichung der erzwungenen
vom Erreger erzwungenen Kreisfrequenz Ω Schwingung (5.98) ist im Gegensatz zu der
schwingen. Differentialgleichung für die freie Schwingung
Für die folgenden Überlegungen wird das in inhomogen. Die allgemeine Lösung einer linea-
Abb. 5.24 dargestellte mechanische System be- ren, inhomogenen Differentialgleichung ist
trachtet. Hierbei gilt das Newton’sche Bewe-
gungsgesetz:
yinh = yhom + ypart , (5.99)
FFed + FR + FE = ma . (5.96)
d. h. die Summe aus der allgemeinen Lösung
der homogenen Differentialgleichung yhom
Für die periodisch erregende Kraft FE gelte und irgend einer, die inhomogene Differen-
tialgleichung befriedigenden partikulären
FE = F̂E cos(Ωt) . (5.97) Lösung ypart , wie aus Abb. 5.25 hervorgeht. Die
Lösung der homogenen Differentialgleichung
ist bereits bestimmt: Es ist die Bewegungs-
Hierbei ist F̂E der Maximalwert der erregenden gleichung des Schwingfalles (5.79) der freien,
dy gedämpften Schwingung (oberer Kurven-
Kraft. Mit FFed = −ky und FR = −d gilt
dt verlauf in Abb. 5.25). Infolge der Dämpfung
nimmt der Beitrag der homogenen Lösung mit
dy d2 y
−ky − d + F̂E cos(Ωt) = m 2 . der Zeit ab. Für Zeiten t >> 1/δ bestimmt allein
dt dt der Beitrag der partikulären Lösung (in die-
Durch geeignete Umstellung und unter Be- sem Fall die Schwingung mit der erregenden
rücksichtigung des Dämpfungsgrades ϑ ergibt Kreisfrequenz Ω) das Schwingungsverhalten.
sich die Differentialgleichung der erzwunge- Da das System nach einer Einschwingzeit der
nen Schwingung: Erregerschwingung (5.97) folgt, ist als Ansatz
für die partikuläre Lösung
d2 y dy F̂E
+ 2ϑ ω0 + ω20 y = cos(Ωt) .
dt 2 dt m ypart (t) = ŷ ej(Ωt−γ ) (5.100)
(5.98)
dy
= jŷΩe j(Ωt−γ ) , (5.101) F̂E jγ
e =
F̂E
(cos γ + j sin γ ) . (5.104)
dt m m
d2 y
= −ŷΩ2 e j(Ωt−γ ) . (5.102)
dt2
Somit kann der komplexe Zeiger F̂E / m in
Abb. 5.27 in seinen Realteil
Eingesetzt in die Differentialgleichung (5.98)
ergibt mit FE = F̂E e jΩt
F̂E
2 j(Ωt−γ ) j(Ωt−γ )
(Real) = ŷ ω20 − Ω2 (5.105)
−ŷ Ω e + 2ϑω0 jŷΩ e m
F̂E jΩt
+ω20 ŷ e j(Ωt−γ ) = e .
m und in seinen Imaginärteil
446 5 Schwingungen und Wellen
F̂E
(Imaginär) = 2 ϑ ω0 Ωŷ (5.106)
m
Ω
η= . (5.108)
ω0
Tabelle 5.5 Amplituden- und Phasenverlauf einer erzwungenen Schwingung für verschiedene Dämpfungsgrade
und unterschiedliche Kreisfrequenzverhältnisse
Dämpfungsgrad ϑ
F̂E
quasistatische Amplitude ŷ =
Anregung η << 1 k
(Ω << ω0 )
bis η ≈ 1 zunehmend mit η > 0 abnehmend
Phasenverschiebung γ =0
Resonanz η ≈ 1 Amplitude Amplitude Amplitude
(Ω ≈ ω0 )
F̂E
ŷ → ∞ ŷ → Maximum ŷ <
π k
Phasenverschiebung γ =
2
hochfrequente Amplitude ŷ → 0
Anregung η >> 1
(Ω >> ω0 ) Phasenverschiebung Phasenverschiebung
γ=π γ → π (abhängig von ϑ)
ŷ (Res) 1
oder die Resonanzkreisfrequenz = √ . (5.114)
ŷ (stat) 2 ϑ 1 − ϑ2
√
ωRes = ω0 1 − 2 ϑ2 . (5.111)
Für einen geringen Dämpfungsgrad ϑ gilt
ŷ (Res) 1
≈ . Dies beschreibt nach (5.77) die
Dies bedeutet, dass bei einer Dämpfung das ŷ (stat) 2ϑ
Maximum der Amplitudenresonanzfunktion Güte eines Schwingkreises, sodass näherungs-
bei einer Resonanzfrequenz liegt, die stets klei- weise gilt
ner als die Eigenkreisfrequenz ω0 (bzw. ω d )
ist.
ŷ (Res) 1
Werden die Beziehungen für ηRes (5.110) bzw. ≈ =Q. (5.115)
ŷ (stat) 2ϑ
ωRes (5.111) in die Amplitudenresonanzfunk-
tion (5.109) eingesetzt, so ergibt sich für die
Größe der Amplitude im Resonanzfall
Die Güte eines Schwingkreises nimmt also mit
steigender Resonanzüberhöhung zu.
F̂E
ŷ (Res) = √ . (5.112) Die Halbwertsbreite der Resonanzkurve bei
k 2 ϑ 1 − ϑ2 schwacher Dämpfung ist die Breite Δη an der
ŷ (Res)
Stelle √ , verdeutlicht in Abb. 5.29.
ŷ (stat) · 2
Aus den Gleichungen für die Resonanzfre- Sie beträgt
quenz (5.110) bzw. (5.111) und der Resonanz-
amplitude (5.112) geht hervor, dass mit stei-
gendem Dämpfungsgrad ϑ die Resonanzfre- 1
Δη ≈ . (5.116)
quenzen immer kleiner werden und die Am- Q
plituden ebenfalls abnehmen (Abb. 5.28).
Die Amplitudenüberhöhung findet nur bis zu
einer Grenzdämpfung ϑGr statt, für die die Wird (5.115) mit (5.116) multipliziert, so ist
Wurzel in (5.110) noch reell ist. Diese Grenze das Ergebnis 1. Dies bedeutet, dass für geringe
liegt bei Dämpfungsgrade (ϑ 0,1) gilt
5.1 Schwingungen 449
2ϑΩω
tan γ = 2 02 (5.118)
ω0 − Ω
2ϑη
= . (5.119)
(1 − η2 )
5.1.3.4 Phasenresonanzfunktion
Für den Winkel des Zeigers in Abb. 5.27 gilt Abb. 5.30 Phasenresonanzfunktion
450 5 Schwingungen und Wellen
und zwar umso genauer, je geringer die Dämp- Tabelle 5.6 Resultierende Schwingung bei
fung ϑ ist (Abb. 5.30). Schwingungsüberlagerung
ŷneu = ŷ21 + 2ŷ1 ŷ2 cos(ϕ01 − ϕ02 ) + ŷ22 ,
(5.124)
ŷ1 sin ϕ01 + ŷ2 sin ϕ02
tan ϕ0 neu = .
ŷ1 cos ϕ01 + ŷ2 cos ϕ02
(5.125)
ŷneu = ŷ21 + 2ŷ1 ŷ2 + ŷ22 = ŷ1 + ŷ2 .
(5.126)
Sind die beiden Amplituden gleich groß (ŷ1 = Abb. 5.32 Verstärkung und Auslöschung bei der
ŷ2 = ŷ), dann ist die resultierende Amplitude Überlagerung gleichfrequenter Schwingungen
doppelt so groß: gleicher Raumrichtung
452 5 Schwingungen und Wellen
harmonische Schwingung mit derselben und einer sich ändernden Amplitude mit der
Kreisfrequenz ω (bzw. Periodendauer T). Die Schwebungsfrequenz fS . Es resultiert
neue Amplitude und die neue Phase müssen in
diesem Fall nach (5.124) und (5.125) berechnet
werden (Abb 5.32c). yneu (t) = 2ŷ cos(πfS t) cos(ωneu t) .
(5.133)
5.1.4.2 Überlagerung harmonischer
Schwingungen gleicher Raumrichtung mit geringen Es gilt für die Schwebungsfrequenz fS
Frequenzunterschieden (Schwebung)
Unterscheiden sich die Frequenzen von zwei zu
überlagernden Schwingungen nur geringfü- fS = f2 − f1 (5.134)
gig, dann treten Schwebungen auf: Die Ampli-
tuden der resultierenden Schwingung schwel-
len langsam an und wieder ab. und für die Periodendauer der Schwebung TS
Als Voraussetzung für eine reine Schwebung
müssen die beiden Schwingungen dieselbe 1 T1 T2
Amplitude haben. Bei gleicher Phase ϕ01 =
TS = = . (5.135)
fS T1 − T2
ϕ02 = 0 gilt
Für die Frequenz der neuen Schwingung
y1 (t) = ŷ cos (ω1 t) , (5.129) gilt nach (5.131) unter Berücksichtigung von
y2 (t) = ŷ cos (ω2 t) . (5.130) (5.132)
ω1 + ω2 ŷneu = 2 ŷ . (5.138)
ωneu = ≈ ω1 ≈ ω2 . (5.132)
2
Sind die Amplituden der sich überlagernden
Die resultierende Schwingung nach (5.131) ist Schwingungen nicht gleich groß, dann tritt
harmonisch mit der neuen Kreisfrequenz ωneu eine unreine Schwebung auf. Hierbei wird die
5.1 Schwingungen 453
T2 = 2,5 s (f2 = 0,4 Hz) der Form yi (t) = ŷi sin(ωi t).
4ŷ
gemäß Abb. 5.35a. Abbildung 5.35b zeigt die y1 (t) = sin (ωt) ,
π
resultierende Schwingungsdauer TR (im vor- 4ŷ
liegenden Fall ist TR = T1 ) und die resultie- ŷ2 (t) = sin (3ωt) ,
3π
rende Amplitude ŷR = ŷ1 + ŷ2 = 2 cm. 4ŷ
ŷ3 (t) = sin (5ωt) (Abb. 5.36a)
Werden in einem Diagramm die Amplituden 5π
gegen die Kreisfrequenzen aufgetragen, so
Abbildung 5.36b zeigt die resultierende
ergibt sich eine spektrale Darstellung der
Schwingung yR (t):
Amplituden (Amplitudenspektrum). Dieses
Spektrum zeigt, welche Frequenzen mit wel-
chen Amplituden am Zustandekommen der 4ŷ 1
yR (t) = sin (ωt) + sin(3ωt)
resultierenden Schwingung beteiligt sind π 3
(Abb. 5.35c), enthält aber keine Information 1
+ sin (5ωt) . (5.139)
über die Phasenlage der Ausgangsschwingun- 5
gen.
5.1 Schwingungen 455
∞
a0
yR (t) = + (ak cos(kωt)
2
k=1
+ bk sin(kωt)) . (5.140)
Abb. 5.39 Fourier-Analyse der tangentialen Komponente der Pleuelkraft eines Kolbens nach Beispiel 5.1-8
Nach dem Additionstheorem sin(α + β) = Quadriert ergibt sich die allgemeine Gleichung
sin α cos β + cos α sin β ergibt (5.145) der Ellipse:
458 5 Schwingungen und Wellen
y2 x2 2yx
+ − cos ϕ = sin2 ϕ . (5.147)
ŷ2 x̂2 ŷx̂
y(0) x(0)
sin ϕ = = . (5.148)
ŷ x̂
oder
Bei gleichen Amplituden ŷ = x̂ wird aus der
y x 2 Ellipse ein Kreis:
− =0;
ŷ x̂
y2 + x2 = ŷ2 = konst . (5.151)
daraus ergibt sich (Abb. 5.40b)
Abb. 5.41 Lissajous-Figuren unterschiedlicher Phasenlage für die Frequenzverhältnisse 1:1, 1:2, 1:3 und 2:3
Lösung
Abbildung 5.41 zeigt das Ergebnis jeweils für ein Fre-
quenzverhältnis von 1:1, 1:2, 1:3 und 2:3. Der Phasen-
winkel beträgt in allen Fällen ϕ = 0◦ bis ϕ = 360◦ .
5.1.5 Schwingungen
mit mehreren Freiheitsgraden
(gekoppeltes Schwingungssystem)
Die hierfür wichtigen Begriffe sind in DIN Abb. 5.42 Elastisch gekoppelte Feder-Masse-
1311, Blatt 3, definiert. Unter Freiheitsgrad Schwinger
460 5 Schwingungen und Wellen
grade der Auslenkung y1 und y2 , zwei gleiche dass eine Schwebung entsteht mit der Schwe-
Massen m, gleiche Federkonstanten k sowie bungsfrequenz
eine Kopplungsfeder mit der Federkonstan-
ten k12 . Es besteht also aus zwei gleich großen
Energiespeichern, zwischen denen durch die fS = f2 − f1 (5.155)
Kopplungsfeder ein periodischer Energieaus-
tausch stattfinden kann. Wird z. B. der erste (Abschn. 5.1.4.2). Um die Vorgänge genauer
Körper in Abb. 5.42a ausgelenkt, dann gibt das zu analysieren, werden im Folgenden die Dif-
erste Pendel seine Energie allmählich an das ferentialgleichungen für die beiden Schwinger
zweite Pendel ab, bis dieses die gesamte Ener- aufgestellt (Abb. 5.42b). Beim ersten Schwin-
gie besitzt und der Vorgang wieder in die an- ger ist die Kopplungsfeder um y1 − y2 zusam-
dere Richtung abläuft. Es gibt lediglich zwei mengedrückt, sodass das Newton’sche Gesetz
Schwingungszustände, bei denen keine Ener- der Bewegung lautet
gieübertragung stattfindet. Sie werden Funda-
mentalschwingungen genannt. −k y1 − k12 (y1 − y2 ) = m a1 .
Daraus ergibt sich die Differentialgleichung
– Gleichphasige Schwingung für den ersten Schwinger:
Das Kopplungsglied ist in diesem Fall nicht
wirksam, weil die Kopplungsfeder immer
d2 y1 k k12
entspannt bleibt. Deshalb schwingen die
2
+ y1 + (y1 − y2 ) = 0 .
Massen mit der Frequenz der ungedämpf- dt m m
(5.156)
ten harmonischen Schwingung:
d2 k
In allen anderen Fällen findet eine Überlage- 2
(y1 + y2 ) + (y1 + y2 ) = 0 . (5.158)
dt m
rung der Fundamentalschwingungen so statt,
5.1 Schwingungen 461
Werden beide Differentialgleichungen subtra- Es findet eine Schwingung mit der ersten Fun-
hiert, dann entsteht eine andere Differential- damentalfrequenz f1 = f0 (5.11) statt.
gleichung für y1 − y2 : Bei einer gegenphasigen Schwingung (y1 =
−y2 ) verschwindet die Differentialgleichung
(5.158) und es bleibt für (5.159) stehen
d2 k + 2 k12
2
(y1 − y2 ) + (y1 − y2 ) = 0 .
dt m
(5.159) d2 y1 k + 2 k12
+ y1 =0. (5.163)
dt2 m
Aus (5.159) folgt Durch Addition von (5.164) und (5.165) ergibt
sich
k + 2 k12 ŷ
ω2 = , (5.160) y1 = (cos(ω1 t) + cos(ω2 t)) .
m 2
1 k + 2 k12 Wird das Additionstheorem
f2 = , (5.154)
2π m
α+β α−β
m cos α + cos β = 2 cos cos
T2 = 2 π . (5.161) 2 2
k + 2 k12
angewendet, dann gilt
d2 y1 k
2
+ y1 =0. (5.162) Wird (5.165) von (5.164) subtrahiert, dann er-
dt m
gibt sich
462 5 Schwingungen und Wellen
ŷ
y2 = (cos(ω1 t) − cos (ω2 t)) . k12
2 κ= oder (5.168)
k + k12
Wird das Additionstheorem T12 − T22 f22 − f12
κ= = . (5.169)
T12 + T22 f22 + f12
α+β α−β
cos α − cos β = 2 sin sin
2 2
mit 0 < κ < 1. Bei loser Kopplung ist κ << 1
und f1 = f2 . Bei fester Kopplung ist κ ≈ 1 und
angewendet, dann gilt
f1 ≈ f2 .
Mit zunehmender Kopplung werden die bei-
ω1 + ω2 ω1 − ω2 den Fundamentalfrequenzen f1 und f2 deutlich
y2 = ŷ sin t sin t . verschieden.
2 2
(5.167) Im allgemeinen Fall sind n Schwinger mitein-
ander gekoppelt. Dieses System besitzt dann n
Fundamentalschwingungen (Eigenschwingun-
Gleichungen (5.166) und (5.167) beschreiben gen). Solche Systeme sind in der Molekül-
nach Abschn. 5.1.4.2 Schwebungen. Dies be- und Festkörperphysik von Bedeutung (Ab-
deutet, dass der erste und der zweite Schwinger schn. 8.6.2, 9.2.1).
Schwebungen ausführen, die gemäß Abb. 5.43 Abbildung 5.44 zeigt die induktive Kopp-
um π2 verschoben sind. lung elektromagnetischer Schwingkreise. Das
Als Kopplungsgrad κ der beiden Schwinger gilt Schema des Messaufbaus verdeutlicht Abb.
für gleiche Massen und gleiche Amplituden 5.44a, und Abb. 5.44b zeigt die prinzipielle
Oszilloskop
Sinus-
generator
zeitabhängig
ortsabhängig sklero- (nicht parametrisch) rheo- (parametrisch)
d2 y d2 y
linear + ω20 y = 0 + ω20 (t)y = 0
dt2 dt2
d2 y d2 y
nichtlinear + ω20 (y)y = 0 + ω20 (y, t)y = 0
dt2 dt2
In der Mechanik sind parametrische Schwin- ansteigt. Wie lauten die Fourier-Koeffizienten des Sä-
gungen bei Pendeln mit periodisch beweg- gezahns? Welche Form hat das Spektrum?
ten Aufhängepunkten oder Pendellängen zu
beobachten (z. B. periodische Änderung der
Pendellänge durch die Kniebewegungen in
5.2 Wellen
einer Schiffschaukel). Parametrische Verstär-
5.2.1 Physikalische Grundlagen
ker dienen in der Elektrotechnik zur rausch-
der Wellenausbreitung
armen Verstärkung kleinster elektrischer Si-
gnale (z. B. aus dem Weltraum).
Eine Wellenausbreitung wird beobachtet,
Zur Übung wenn schwingungsfähige Systeme räumlich
Ü 5.1-7 Es überlagern sich die folgenden parallelen, miteinander gekoppelt sind. Durch die Kopp-
ungedämpften Schwingungen: lung kann sich die Schwingung eines Systems
π auf die Nachbarn übertragen, was zu einer
y1 (t) = 0,05 m cos 4π s−1 t + und
3 räumlichen Ausbreitung des Schwingungs-
π
y2 (t) = 0,08 m cos 4π s−1 t + . zustandes führt. Dieser Sachverhalt, der in
5
Abb. 5.1 schematisch dargestellt ist, soll hier
Bestimmt werden sollen die Amplitude ŷ und der noch einmal veranschaulicht werden.
Nullphasenwinkel ϕ0 der resultierenden Schwingung Abbildung 5.46a zeigt eine Reihe von Faden-
y(t) = ŷ cos(ωt + ϕ0 ).
pendeln, die über Schraubenfedern mitein-
ander verbunden sind. Regt man das erste
Ü 5.1-8 Zwei gleiche Feder-Masse-Systeme schwingen
Pendel zu harmonischen Schwingungen in y-
in x- bzw. y-Richtung. Das Maximum in x-Richtung
und das Minimum in y-Richtung werden gleichzeitig Richtung an, so wird die erste Feder peri-
erreicht. Die Amplitude der x-Schwingung ist dreimal odisch gedehnt und gestaucht, sodass sie das
so groß im Vergleich zur y-Schwingung. zweite Pendel ebenfalls zu Schwingungen in y-
Richtung anregt. Das zweite Pendel regt nun
a) Wie groß ist der Phasenunterschied ϕ der beiden
seinerseits das dritte zu Schwingungen an,
Schwingungen?
b) Nun sollen die beiden Schwingungen überlagert dann wird das vierte erregt und so fort, bis die
werden. Welche Lissajous-Figur entsteht? ganze Reihe schwingt. In der zeitlichen Ab-
folge entsteht jeweils zwischen zwei Pendeln
Ü 5.1-9 Ein Sägezahngenerator erzeugt einen Span- eine Verzögerung im Schwingungszustand, da
nungsverlauf u(t), der zur Zeit t = 0 bei u(0) = −1 V be- die Wechselwirkungskraft erst wirksam wird,
ginnt und in der Zeit T = 1 ms linear auf u(T) = +1 V wenn die Kopplungsfeder gespannt wird. Der
5.2 Wellen 465
Schwingungszustand breitet sich also nicht von einer Transversal- oder Querwelle. Wenn
sofort über die ganze Reihe aus, vielmehr die einzelnen Schwinger ihre Schwingungs-
wird die Schwingung mit einer charakteristi- richtung (hier die y-Richtung) während der
schen Fortpflanzungsgeschwindigkeit längs der Ausbreitung beibehalten, nennt man die Welle
x-Achse weitergetragen. linear polarisiert. Da die Polarisation von Wel-
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schwing- len besonders in der Optik eine Rolle spielt,
zustandes und die Entstehung einer Welle wird in Abschn. 6.4 näher darauf eingegangen.
überhaupt hängen als ganz wesentlich von der Eine Longitudinal- oder Längswelle entsteht,
Kopplung der einzelnen Oszillatoren ab. Ab- wenn das erste Pendel, wie in Abb. 5.46c ange-
bildung 5.46b zeigt in einer Momentaufnahme deutet, in x-Richtung bewegt wird. Auch die-
den „eingefrorenen“ Schwingungszustand der ser Schwingungszustand breitet sich mit einer
ganzen Pendelreihe. typischen Verzögerung von Pendel zu Pendel
Schwingen die Pendel gemäß Abb. 5.46b senk- aus, sodass man eine laufende Welle erhält, bei
recht zur Ausbreitungsrichtung, spricht man der Ausbreitungs- und Schwingungsrichtung
parallel sind. Die Longitudinalwelle ist eine
Folge von Verdichtungen und Verdünnungen,
die sich mit einer bestimmten Geschwindig-
keit ausbreiten.
Betrachtet man eine laufende Welle, etwa eine
Welle auf einer Wasseroberfläche, so erscheint
es, als würde Wasser in Laufrichtung der Welle
transportiert. Tatsächlich wird aber lediglich
ein Schwingungszustand übertragen, wie man
deutlich bei der Betrachtung der schwingen-
den Pendelreihe erkennt. Die einzelnen Pen-
del schwingen ortsfest mit einer bestimmten
Amplitude und Frequenz, lediglich die Infor-
mation des Schwingens wird übertragen.
λ
c= . (5.170)
T
c = λf . (5.171)
Abb. 5.47 Zustände einer laufenden Transversalwelle
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit c einer
Welle ist das Produkt aus Wellenlänge λ
Zeit von oben nach unten in gleichmäßigen
und Frequenz f .
Intervallen fort. Die gesamte Zeitspanne zwi-
schen der ersten und der letzten Darstellung
ist identisch mit der Schwingungsdauer T In Abb. 5.48 ist eine Serie von Momentaufnah-
der beteiligten Oszillatoren. Nach Ablauf der men einer laufenden Longitudinalwelle dar-
Zeit T hat sich das Wellenbild reproduziert, gestellt. Die Wellenlänge λ gibt wieder an,
allerdings ist eine bestimmte Stelle, z. B. der um welchen Weg ein bestimmter Zustand, in
Abb. 5.48 Zustände einer Longitudinalwelle. Der Pfeil markiert jeweils den Ort größter Verdünnung
5.2 Wellen 467
diesem Fall z. B. die durch den Pfeil gekenn- Eine besondere Form der Transversalwellen
zeichnete Verdünnung, innerhalb der Peri- sind die elektromagnetischen Wellen. Bei ih-
odendauer T fortschreitet. Das Zeichnen einer nen schwingt entsprechend Abb. 5.50 ein elek-
Longitudinalwelle ist sehr umständlich, wes- trischer und ein magnetischer Feldstärkevek-
halb in der Praxis meist auch die Longitudi- tor senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Die
nalwelle wie eine Transversalwelle gezeichnet elektromagnetischen Wellen benötigen im Ge-
wird. Die tatsächliche Auslenkung der Teilchen gensatz zu den oben behandelten elastischen
wird dabei um 90◦ gedreht aufgezeichnet, wie Wellen kein Übertragungsmedium. Sie kön-
Abb. 5.49 zeigt. nen sich sowohl im Vakuum als auch (in be-
Bisher sind Wellen nur in diskret angeordneten stimmten Grenzen) in Materie ausbreiten.
Oszillatoren betrachtet worden. Wellen sind Verbindet man benachbarte Punkte mit gleich-
aber auch in den Kontinua ausbreitungsfähig. artigem Schwingungszustand (z. B. Wellen-
(Im Grunde hat man es immer noch mit einzel- berge) einer Welle miteinander, so erhält man
nen Oszillatoren zu tun, deren Größe aber auf eine geometrische Fläche, die Wellenfläche
die Maße von Atomen verringert ist.) In Gasen oder Wellenfront. Die Form der Wellenfläche
und Flüssigkeiten ohne innere Reibung sind hängt vom erregenden Zentrum sowie von
lediglich Longitudinalwellen ausbreitungsfä- den Eigenschaften des Übertragungsmediums
hig. Andere Wellentypen existieren nicht, weil ab. Von besonderer Bedeutung sind die in
benachbarte Volumelemente einer seitlichen
Verschiebung keinen Widerstand entgegenset-
zen. (Die Medien haben keinen Schubmodul.)
An der Grenzfläche von Flüssigkeiten und Ga-
sen kann es jedoch zu transversalen Oberflä-
chenwellen kommen, wie etwa bei den Wasser-
wellen. In Festkörpern sind alle Wellentypen
ausbreitungsfähig: Außer den Longitudinal-
wellen gibt es verschiedene Transversalwellen:
Biegewellen und Scherungswellen. Die wich-
tigste Transversalwelle in Stäben ist die Torsi-
onswelle. Es findet auch Wellenumformung von
einem Typ in einen anderen statt. So löst z. B.
eine Longitudinalwelle bei einem Stab mit ei-
nem exzentrisch aufgesetzten Körper eine se- Abb. 5.50 Momentaufnahme einer elektromagneti-
kundäre Biegewelle aus. schen Welle: a) Feldverteilung, b) Energiedichte
468 5 Schwingungen und Wellen
y = ŷ cos[ω(t − Δt) + ϕ0 ]
ω
= ŷ cos ωt − x + ϕ0 .
c
dE 1
Die Energie, die je Zeiteinheit eine Fläche dA = = (ED + HB)
senkrecht durchsetzt, also der Quotient aus dV 2
1
Leistung und Fläche, nennt man Intensität = εr ε0 E2 + μr μ0 H 2 .
oder Energiestromdichte. Die Intensität I lässt 2
sich wie jede Stromdichte als Produkt von Die elektrische und magnetische Energie-
Dichte (hier: Energiedichte) und Strömungs- dichte sind gleich, sodass auch gilt
geschwindigkeit (hier: Ausbreitungsgeschwin-
digkeit) schreiben:
= εr ε0 E2 = μr μ0 H 2 . (5.178)
Die Energiedichte variiert längs der Ausbrei- Auch bei elektromagnetischen Wellen sind die
tungsrichtung, wie es in Abb. 5.50 dargestellt charakteristischen Feldgrößen E und H bzw.
ist. Die einzelnen Maxima verschieben sich mit Spannung U und Strom I auf Leitungen durch
Lichtgeschwindigkeit auf der x-Achse. Am fes- einen Wellenwiderstand in Analogie zum
ten Ort x schwankt die Energiedichte gemäß Ohm’schen Gesetz miteinander verknüpft.
Tabelle 5.8 gibt einen Überblick über die
= εr ε0 Ê2 cos2 (ωt + ϕ0 ) . Abhängigkeiten. Dabei sind die gestrichenen
Größen die so genannten Leitungsbeläge,
Die Energiestromdichte S einer elektromagne-
d. h. der längenbezogene Widerstand R des
tischen Welle ist nach (5.176)
Leiters, der längenbezogene Querleitwert G
des Isolators sowie die längenbezogene Kapa-
S = εr ε0 E2 c = μr μ0 H 2 c . (5.179) zität C und Induktivität L der Leitung. Für
eine einfache Doppelleitung mit Drahtradius
r und Drahtabstand a (Abb. 4.74 und (4.127))
Sie schwankt wie die Energiedichte räumlich gilt
und zeitlich. Der Mittelwert der Energiestrom-
dichte, die Intensität I, ist gegeben durch εr ε0 π μr μ0 a
C = und L = ln .
1 1 ln(a/ r) π r
2
S=I = εr ε0 Ê c = μr μ0 Ĥ 2 c Für eine Koaxialleitung mit dem Innenleiter-
2 2
durchmesser d und dem Außenleiterdurch-
1
oder, mit c = √ (Abschn. 5.2.2.3) messer D (Abb.4.74) gilt
εr ε0 μr μ0
2εr ε0 π μr μ0 D
C =
und L =
ln .
ln(D/ d) 2π d
1 εr ε0 2 1 μr μ0 2
S=I = Ê = Ĥ . Bei der verlustlosen Freiraumübertragung im
2 μr μ0 2 εr ε0
Vakuum beträgt der Wellenwiderstand
(5.180)
μ0
ZF,0 = = 376,7 Ω .
ε0
Ein Detektor, der die Energiestromdichte des
Dieser Wert wird als Wellenwiderstand des Va-
Lichts misst, wird infolge der hohen Frequenz
kuums bezeichnet.
des Lichtes immer nur den Mittelwert S anzei-
Fällt eine Welle auf eine Grenzfläche, die zwei
gen.
Medien mit unterschiedlichen Wellenwider-
Die Energiestromdichte lässt sich auch sehr
ständen Z1 und Z2 voneinander trennt, so wird
einfach als Vektorprodukt der elektrischen
ein Teil der Welle an der Grenzfläche reflek-
und magnetischen Feldstärke darstellen:
tiert, der andere Teil tritt durch, er wird trans-
mittiert (Abb.7.5). Wie in Abschn. 7.2.3 her-
S=E×H . (5.181) geleitet wird, ist der Reflexionsgrad ρ, der die
reflektierte Intensität Ir mit der einfallenden Ie
verknüpft, bei senkrechtem Einfall
Der Vektor S weist in Ausbreitungsrichtung
der Welle und wird Poynting’scher Vektor 2
Ir Z1 − Z2
(J. H. Poynting, 1852 bis 1914) der Energie- ρ= = . (5.188)
Ie Z1 + Z2
stromdichte genannt.
5.2 Wellen 471
Tabelle 5.8 Wellenwiderstand Z bei der Ausbreitung elektromagnetischer Wellen im freien Raum auf Leitungen
in komplexer Notation. { : elektrische Leitfähigkeit, ω: Kreisfrequenz der Welle
Die transmittierte Intensität ergibt sich aus chen verteilt werden. Weil die Kugelflächen mit
dem Transmissionsgrad τ dem Radius r quadratisch zunehmen, muss die
Energiedichte mit 1/ r2 abnehmen. Die Glei-
chung für eine Kugelwelle (Abb. 5.51 links)
It 4Z1 Z2
τ= =1−ρ= 2 . (5.189) lautet also für r > 0:
Ie Z1 + Z2
A
y(r, t) = cos(ωt − kr + ϕ0 ) . (5.190)
r
Offensichtlich kommt es zu keiner Reflexion,
wenn die Wellenwiderstände beider Medien
gleich sind: Z1 = Z2 . Insbesondere wird eine Bei Zylinderwellen, bei denen die Wellenflä-
elektromagnetische Welle auf einer Leitung chen die Form langer Zylinder haben, ver-
nicht reflektiert, wenn die Leitung mit einem teilt sich die von der Quelle abgestrahlte Leis-
Ohm’schen Abschlusswiderstand R = ZL abge- tung auf immer größere Zylinderoberflächen,
schlossen wird. Das ist u. a. wichtig bei An- die proportional zum Abstand r wachsen. Da-
tennenleitungen. Ist das Leitungsende offen, durch nimmt die Intensität mit 1/r ab. Die Glei-
wird die Welle am Ende reflektiert und bildet chung einer Zylinderwelle lautet demnach
in der Überlagerung mit einer einlaufenden
Welle eine stehende Welle (Absch. 5.2.4.2). B
Bei den ebenen Wellen ist die Energiedichte y(r, t) = √ cos(ωt − kr + ϕ0 ) . (5.191)
r
und somit auch die Amplitude längs der Aus-
breitungsrichtung konstant, da sich die Wel-
lenflächen, durch die die Energie hindurch-
tritt, nicht ändern (Abb. 5.51 rechts). Dies be- 5.2.2.3 Phasengeschwindigkeit
deutet, dass (5.172) und (5.174) für ebene Wel- Die Geschwindigkeit einer Welle in einem
len gelten. Bei Kugelwellen hingegen muss mit bestimmten Medium wird bestimmt mit
zunehmendem Abstand von der Quelle der Hilfe der Wellengleichung, die zuerst von
Energieinhalt auf immer größer werdende Flä- Euler (L. Euler, 1707 bis 1783) angegeben
472 5 Schwingungen und Wellen
∂y ∂2 y ∂y
Frück = F + dx − F
∂x ∂x2 ∂x
∂2 y
= F 2 dx .
∂x
Die Rückstellkraft beschleunigt das Massen-
element der Masse dm nach dem Newton’schen
Grundgesetz:
∂2 y
Frück = dm a = dm
Abb. 5.52 Teilstück einer gespannten Saite ∂t2
oder
∂2 y ∂2 y
wurde. Das Aufstellen und die Lösung dieser F dx = dm .
Differentialgleichung seien am Beispiel der ∂x2 ∂t2
Wellenausbreitung auf einer gespannten Saite Mit der Querschnittsfläche A der Saite gilt für
demonstriert. die Masse dm = ρA dx. Damit erhält man die
Abbildung 5.52 zeigt einen Ausschnitt aus ei- Differentialgleichung
ner gespannten Saite, die mit der Kraft F ge-
∂2 y ∂2 y
spannt ist. (Die Einspannstellen liegen außer- F dx = ρ A dx
halb des Diagramms.) Die Kraft F, die beidsei-
∂x2 ∂t2
tig des gekennzeichneten Volumelements an- oder
greift, wird in ihre x- und y-Komponente zer-
legt. Die rücktreibende Kraft, die das Volum- ∂2 y F ∂2 y
element in die Ruhelage y = 0 zurücktreibt, = . (5.192)
∂t2 Aρ ∂x2
ist
Abb. 5.53 Wellenfelder zum Doppler-Effekt: a) ruhende Quelle, bewegter Beobachter, b) bewegte Quelle,
ruhender Beobachter und c) Mach’scher Kegel beim Überschallflug
dünnungen der Luft in rascherer Folge an sein Quelle ihren eigenen Wellenzügen nacheilt, ist
Ohr als beim Stillstand. Der zeitliche Abstand, der Abstand zwischen den Wellenflächen auf
in dem zwei aufeinander folgende Verdich- der Vorderseite gestaucht, auf der Rückseite
tungen beim Beobachter ankommen, beträgt gedehnt. Für einen Beobachter, auf den die
TB = c+λ B . Damit ist die Frequenz, die der Be- Welle zuläuft, ist die wirksame Wellenlänge
obachter wahrnimmt, fB = c+λ B . Mit der Bezie- λB = λ − Q TQ verkürzt und die Frequenz
hung c = λfQ ergibt sich fB = λcB erhöht. Mit c = λfQ = TλQ ergibt sich
B fQ
fB = fQ 1 + . (5.205) fB = . (5.207)
c 1 − Q / c
Entfernt sich der Beobachter von der Quelle, Entfernt sich die Quelle vom Beobachter, so
so gilt gilt
B fQ
fB = fQ 1− . (5.206) fB = . (5.208)
c 1 + Q / c
Die beiden Endformeln gelten nur für den Gleichungen (5.207) und (5.208) unterschei-
Fall, dass sich der Beobachter radial auf die den sich von (5.205) und (5.206). Bei kleinen
Quelle zu bzw. von ihr weg bewegt. Erfolgt Geschwindigkeiten gehen die entsprechenden
die Bewegung auf einem um die Quelle kon- Ausdrücke ineinander über. Bei großen Ge-
zentrischen Kreis, so beobachtet man keine schwindigkeiten, besonders nahe der Schall-
Doppler-Verschiebung. Für beliebige Bewe- geschwindigkeit c, ergeben sich erhebliche Ab-
gungen muss man in (5.205) und (5.206) die weichungen.
Radialkomponente der Beobachtergeschwin-
c) Beobachter und Quelle bewegen sich
digkeit einsetzen, um die richtige Frequenz zu
erhalten. Falls sich sowohl der Beobachter als auch die
Quelle relativ zur Luft bewegen, gibt es je nach
b) Beobachter ruht, Quelle bewegt sich Bewegungsrichtung mehrere Möglichkeiten
Abbildung 5.53b zeigt das Wellenfeld einer der Frequenzverschiebung. In Tabelle 5.10
nach rechts laufenden Schallquelle. Da die sind alle Fälle schematisch dargestellt.
476 5 Schwingungen und Wellen
Tabelle 5.10 Doppler-Effekt: Die verschiedenen Die bisher angegebenen Formeln sind nicht anwend-
Bewegungsmöglichkeiten von Quelle und Beobachter bar beim Doppler-Effekt des Lichts. Wie Michelson und
sind durch Pfeile angedeutet. Die Geschwindigkeiten Morley 1887 zeigten, bedarf es keines Übertragungs-
B , Q und c sind betragsmäßig in die Gleichungen mediums (Äther) für die Ausbreitung elektromagneti-
einzusetzen scher Wellen. Für die Doppler-Verschiebung ist nicht
die Geschwindigkeit relativ zu einem ruhenden Koor-
Quelle Beobachter beobachtete Frequenz dinatensystem, sondern nur die Relativgeschwindig-
B
keit v von Quelle und Beobachter zueinander maßge-
• ←• fB = fQ 1 + (5.205) bend. Es ergibt sich bei Annäherung (Abschn. 10.5.2)
c
• •→ fB = fQ 1 − B (5.206)
c c+
fQ fB = fQ . (5.213)
•→ • fB = Q (5.207) c−
1−
c
fQ Entfernen sich Quelle und Beobachter voneinander,
←• • fB = Q (5.208)
1+ werden bei dem Bruch in (5.213) Zähler und Nenner
c vertauscht.
c + B
•→ ←• fB = fQ (5.209)
c − Q
c − B d) Quelle bewegt sich mit Überschallgeschwin-
←• •→ fB = fQ (5.210)
c + Q digkeit
c + B
←• ←• fB = fQ (5.211) Abbildung 5.53b zeigt das Wellenfeld, das um
c + Q
c − B eine bewegte Quelle entsteht. Mit zunehmen-
•→ •→ fB = fQ (5.212)
der Geschwindigkeit der Quelle nähern sich
c − Q
die Wellenflächen auf der Vorderseite immer
Beispiel mehr, bis sie schließlich für Q = c alle durch
5.2-1 Zwei Züge fahren auf parallelen Gleisen mit der einen Punkt gehen und die Einhüllende wie
gleichen Geschwindigkeit einander entgegen. Ein Zug eine ebene Wand aussieht. Durchstößt die
gibt ein Pfeifsignal ab, das ein Reisender im anderen Quelle diese ,,Schallmauer“ und fliegt mit
Zug hört. Der Reisende ist musikalisch und behauptet,
Überschallgeschwindigkeit, dann stellt sich
beim Vorbeifahren eine Tonhöhenänderung von einer
Quinte (Frequenzverhältnis 3:2) gehört zu haben. Wie ein Wellenfeld gemäß Abb. 5.53c ein. An der
schnell fahren die Züge? Die Schallgeschwindigkeit be- Spitze des Kegels befindet sich das auslösende
trägt c = 340 m/s. Objekt. Dieses muss von sich aus gar keine
Schallwellen aussenden. Bei seiner Bewegung
Lösung
drängt es die Luftmoleküle zur Seite, erzeugt
Nach (5.209) und (5.210) in Tabelle 5.9 ist die Fre-
quenz, die der Beobachter bei Annäherung hört, fB1 = also vor sich eine Druckerhöhung, hinter sich
c+ c− eine Druckerniedrigung. Die Druckwellen
fQ , bei Entfernung fB2 = fQ . Das Frequen-
c− c+ breiten sich vom jeweiligen Entstehungspunkt
zenverhältnis beträgt
kugelförmig im Raum aus. Im stationären
fB1 3 c + 2
= = . Zustand ergibt die Überlagerung aller Ku-
fB2 2 c−
gelwellen als Einhüllende einen Kegel, den
Daraus folgt
Mach’schen Kegel (Ernst Mach, 1838 bis
3 1916). Die kegelförmige Wellenfront nennt
2 −1
= c
= 34,35 m/s = 123,6 km/h . man eine Kopfwelle. Weil sich auf dem Ke-
3
2 +1 gelmantel die Druckerhöhungen addieren,
5.2 Wellen 477
hört ein Beobachter, über den diese Stoßfront b) Wie groß ist die Frequenzänderung, wenn =
hinwegrast, einen explosionsartigen Knall. 60 km/h und f = 9 GHz ist?
Der Überschallknall tritt auf bei schnellen Ge- c) Mit welcher Genauigkeit muss Δf gemessen werden,
wenn die Geschwindigkeit = 60 km/h auf 10%
schossen und Überschallflugzeugen.
genau sein soll?
Der halbe Öffnungswinkel α des Mach’schen
Kegels ergibt sich nach Abb 5.53c aus folgender Ü5.2-10 Ein Flugzeug fliegt mit der Machzahl Ma=1,5.
Überlegung: Eine zur Zeit t = 0 am Punkt A
erzeugte Druckwelle ist in der Zeit t mit der a) Wie groß ist der halbe Öffungswinkel des Mach’-
schen Kegels?
Schallgeschwindigkeit c von A nach B gelaufen,
b) Das Flugzeug befinde sich zur Zeit t = 0 genau
hat also den Weg AB, d. h. ct zurückgelegt. In senkrecht über einem Beobachter in einer Höhe von
der gleichen Zeit flog die Quelle von A nach Q, h = 5 000 m. Nach welcher Zeit hört der Beobachter
legte also den Weg AQ, d. h. Q t zurück. Der den Überschallknall?
Sinus des Mach’schen Winkels α ist damit
5.2.4 Interferenz
c 1
sin α = = . (5.214)
Q Ma 5.2.4.1 Überlagerung von Wellen
gleicher Frequenz
Ma nennt man die Mach’sche Zahl (s. a. Laufen mehrere Wellen durch ein gemeinsa-
(2.269)). mes Übertragungsmedium, so kann es an be-
stimmten Stellen des Raumes zu Überlagerun-
Zur Übung gen der einzelnen Wellen kommen. Es zeigt
Ü 5.2-7 Eine Blaskapelle macht Musik im Freien. Wie sich, dass im Allgemeinen das Prinzip der un-
schnell muss ein Autofahrer auf die Musiker zufahren,
gestörten Superposition anwendbar ist. Dabei
damit er das Musikstück einen Halbton (Frequenzver-
√ geht man davon aus, dass sich jede Welle so
hältnis 12 2 : 1) höher hört?
ausbreitet, als ob die anderen Wellen nicht da
Ü 5.2-8 Ein Lokführer, der mit der Geschwindigkeit wären; man überlagert sie dann additiv. Er-
= 90 km/h auf einen Tunnel zufährt, lässt ein Pfeifsi- scheinungen, die an einer bestimmten Stelle
gnal der Frequenz f = 500 Hz ertönen. des Raumes durch Überlagerung von Wellen
a) Welche Frequenz fB hört ein ruhender Beobachter, hervorgerufen werden, nennt man Interferenz.
an dem der Zug bereits vorbeigefahren ist? Zunächst soll untersucht werden, wie sich zwei
b) Am Tunneleingang wird das Signal reflektiert. Wel- in derselben Richtung laufende ebene Wellen
che Frequenz fT hört der Beobachter? gleicher Amplitude überlagern. Die erste Welle
c) Wie groß ist die Frequenz fL des reflektierten Signals
sei gegeben durch
für den Lokführer?
y1 = ŷ cos(ωt − kx) .
Ü 5.2-9 Beim Verkehrsradar wird ein Radarstrahl an
einem entgegenkommenden Kraftfahrzeug reflektiert. Die zweite Welle weise gegenüber der ersten
Ein Detektor, der neben dem Sender steht, misst die die Phasenverschiebung ϕ bzw. den Gangun-
ϕ
terschied Δ = λ auf:
Frequenzverschiebung des reflektierten Strahls gegen-
über der Sendefrequenz. 2π
a) Zeigen Sie, dass die relative Frequenzänderung in y2 = ŷ cos(ωt − kx + ϕ)
guter Näherung Δf / f = 2/ c beträgt. ist die Ge-
Δ
schwindigkeit des Autos, c die Lichtgeschwindig- = ŷ cos ωt − kx + 2π .
keit. λ
478 5 Schwingungen und Wellen
Die resultierende Welle, die durch Addition Tabelle 5.11 Interferenzbedingungen für konstruktive
der beiden Teilwellen entsteht, ist wieder eine und destruktive Interferenz, Ordnungszahl
ebene Welle mit der gleichen Frequenz und m = 0, 1, 2, 3…
Wellenlänge, aber anderer Amplitude und
Bedingung für konstruktive destruktive
Phasenlage: Interferenz Interferenz
ϕ ϕ Gangunter-
y = 2 ŷ cos cos ωt − kx + schied Δ = mλ Δ = (2 m + 1) λ2
2 2
Phasenver-
oder schiebung ϕ = m 2π ϕ = (2 m + 1)π
Δ Δ
y = 2 ŷ cos π cos ωt − kx + π .
λ λ
(5.215)
Die Ergebnisse sind in Tabelle 5.11 wiederge-
In Abb. 5.54 sind einige Sonderfälle dargestellt: geben. Konstruktive Interferenz, d. h. Verstär-
kung der beiden Wellen, ergibt sich, wenn der
a) Gangunterschied Δ = 0; Phasenverschie- Gangunterschied ein ganzzahliges Vielfaches
bung ϕ = 0. Die Amplitude der resultie- der Wellenlänge ist. Destruktive Interferenz –
renden Welle ist doppelt so groß wie die der also Auslöschung – tritt ein, wenn der Gang-
Ausgangswellen. Die Nulldurchgänge liegen unterschied der beiden Teilwellen ein unge-
am selben Ort wie bei den Ausgangswellen. radzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge
b) Gangunterschied Δ = λ/ 2; Phasenverschie- beträgt.
bung ϕ = π. Die beiden Ausgangswellen
schwingen an jedem Ort gegenphasig und Beispiel
löschen sich überall aus. 5.2-2 Zwei Lautsprecherboxen B1 und B2 sind im Ab-
c) Gangunterschied Δ = λ/ 4; Phasenverschie- stand d = 4 m aufgestellt. Ein Hörer sitzt so, dass er von
der Box B1 die Entfernung s1 = 4,2 m, von B2 den Ab-
bung ϕ = π/ 2. Die
√ Amplitude der resultie- stand s2 = 3,2 m hat. Für welche Frequenzen können
renden Welle ist 2-mal größer als die der sich die Schallwellen am Ort des Hörers auslöschen?
Ausgangswellen. Die Nulldurchgänge liegen (Reflexionen, z. B. an den Wänden, seien vernachläs-
zwischen denen der Wellen y1 und y2 . sigt.)
Die resultierende Welle ergibt sich durch Ad- xionsstelle ein Schwingungsknoten oder ein
dition der beiden Teilwellen: Schwingungsbauch ausbildet, hängt davon ab,
ob die Reflexion an einem festen oder losen
ϕ ϕ Ende erfolgt. Hängt man einen mit Sand ge-
y(x, t) = 2ŷ cos ωt + cos kx + .
2 2 füllten flexiblen Schlauch an der Decke auf
(5.216) und versetzt ihm einen Schlag, so läuft die
Ausbuchtung nach oben und nach der Refle-
xion am fest eingespannten Ende auf der an-
In Abb. 5.56 sind verschiedene Zustände der
deren Seite wieder herunter, wie Abb. 5.57a
durch (5.216) beschriebenen stehenden Welle
zeigt. Die Welle erfährt also einen Phasen-
dargestellt. In regelmäßigen Abständen λ/ 2,
sprung um ϕ = π. Ist hingegen das obere Ende
entstehen Schwingungsknoten bzw. Schwin-
des Schlauches an einem dünnen Bindfaden
gungsbäuche. Es ist zu beachten, dass diese
gemäß Abb. 5.57b befestigt, so erfolgt bei der
Knoten und Bäuche ortsfest sind und sich nicht
Reflexion am losen Ende kein Phasensprung,
wie bei der laufenden Welle längs der x-Achse
d. h., die Auslenkung kommt auf derselben
weiterbewegen.
Seite zurück, auf der sie begann. Regt man
Bei jeder Reflexion einer Welle tritt ein ste-
nun den Schlauch mit geeigneter Frequenz zu
hendes Wellenfeld auf. Ob sich an der Refle-
Schwingungen an, so bildet sich eine stehende
Welle aus, die bei fester Einspannung einen
Knoten, bei loser Halterung einen Bauch am
Schlauchende hat.
Stehende Wellen treten in vielen Gebieten der
Physik auf. Im Folgenden werden einige Bei-
spiele beschrieben.
Lösung
a) Nach (5.217) ist die Frequenz des Grundtons
c
f0 = . Mit
2l
F
c=
Aρ
Abb. 5.58 Stehende Wellen auf einer Saite
1N
=
7,85 · 10−7 m2 · 950 (kg/m3 )
sein muss, hat die Grundschwingung einen = 36,6 m/s
Bauch in der Saitenmitte. Die Länge l der Saite
muss demnach mit der halben Wellenlänge ist die Grundfrequenz f0 = 9,15 Hz.
übereinstimmen: l = λ/ 2. Mit c = λf ergibt b) Eine Schwingung mit n Knoten hat die Frequenz
fn = (n + 1)f0 . Mit der Bedingung fn 5 fmax folgt
sich für die Frequenz des Grundtons
n = 4.
c
f0 = . (5.217) Longitudinalwellen in Gasen
2l Longitudinale stehende Wellen in einer Luft-
säule können im Kundt’schen Rohr sichtbar
Die Phasengeschwindigkeit der Welle beträgt gemacht werden, wie es Abb. 5.59 zeigt. Die
dabei Luftsäule im Innern eines Glasrohrs wird z. B.
mit Hilfe eines Lautsprechers in Längsschwin-
F
c= . (5.193) gungen versetzt. Die Länge der schwingenden
Aρ Luftsäule lässt sich mit dem verschiebbaren
Stempel am linken Ende verändern. Bei pas-
Die erste Oberschwingung hat in der Saiten-
sender Länge bildet sich ein stehendes Wellen-
mitte einen Knoten, die zweite Oberschwin-
feld mit großen Schwingungsamplituden aus.
gung hat zwei Knoten und so fort. Die n-te
Oberschwingung hat n Knoten und die Fre-
quenz
fn = (n + 1)f0 . (5.218)
Beispiel
5.2-3 Abbildung 5.58 zeigt Fotografien stehender Wel- Abb. 5.59 Stehende Schallwellen im Kundt’schen
len auf einer Gummischnur. Die Anregung geschieht Rohr: a) Prinzip der Anregung und b) Knoten und
mit einem Klingeltrafo variabler Frequenz. Die Dichte Bäuche (Fotografie)
482 5 Schwingungen und Wellen
Im Rohrinnern befindet sich Korkmehl, das an ten) aufweist (Reflexion am losen Ende). Ab-
den Schwingungsbäuchen aufgewirbelt wird bildung 5.60 zeigt einige Schwingungsformen
und an den Knoten liegen bleibt. Der Abstand einer offenen Pfeife. Die Longitudinalwellen
zweier benachbarter Knoten beträgt auch in werden als Transversalwellen dargestellt. Die
diesem Fall λ/ 2. Grundschwingung hat in der Mitte einen Kno-
Stehende Longitudinalwellen spielen auch eine ten. Die Länge l der Pfeife entspricht also ei-
große Rolle bei Blasinstrumenten. Als Beispiel ner halben Wellenlänge der Schallwelle. Mit
seien die Eigenschwingungen der Orgelpfei- der Schallgeschwindigkeit c ergibt sich die
fen näher untersucht. Bei Orgelpfeifen wird Frequenz des Grundtons wie bei den Saiten-
die Luft am vorderen Ende über eine Schneide schwingungen zu f0 = c/ (2l) (5.217). Die n-te
eingeblasen und durch die entstehenden Wir- Oberschwingung hat n+1 Knoten und die Fre-
bel die Luftsäule zu Schwingungen angeregt. quenz fn = (n + 1)f0 (5.218).
Bei offenen Pfeifen ist das hintere Ende der Bei „gedackten“ Pfeifen ist ein Ende der Pfeife
Pfeife offen. Dort wird die Schallwelle reflek- verschlossen. Am geschlossenen Ende ent-
tiert und läuft zurück. Es bildet sich eine steht ein Schwingungknoten, am offenen ein
stehende Welle aus, die an den Enden des Schwingungsbauch. Die verschiedenen Eigen-
Rohres einen Schwingungsbauch (Druckkno- schwingungsformen sind in Abb 5.61 gezeigt.
Bei der Grundschwingung ist die Länge l der
Pfeife mit λ/ 4 identisch. Die Frequenz des
Grundtones ist deshalb
c
f0 = . (5.219)
4l
Abb. 5.60 Eigenschwingungen offener Orgelpfeifen Abb. 5.61 Eigenschwingungen gedackter Orgelpfeifen
(Verlauf der Auslenkung bzw. Geschwindigkeit): (Verlauf der Auslenkung bzw. Geschwindigkeit):
a) Grundschwingung, b) erste Oberschwingung und a) Grundschwingung, b) erste Oberschwingung und
c) zweite Oberschwingung c) zweite Oberschwingung
5.2 Wellen 483
5.2.4.3 Beugung
Eine Welle, die auf ein Hindernis trifft, wird an Abb. 5.63 Elementarwelle hinter einer spaltförmigen
dessen Rändern gebeugt. Sie erfährt eine Rich- Öffnung
tungsänderung und pflanzt sich auch in Rich-
tungen fort, die innerhalb der geometrischen gedacht werden. Werden zu einem bestimmten
Schattengrenzen liegen. Die Richtungsände- Zeitpunkt von allen Punkten einer Wellenflä-
rung und die Ausbildung der neuen Wellen- che Elementarwellen ausgesandt, so ergibt sich
front hinter dem Hindernis können nach dem die Wellenfläche zu einem späteren Zeitpunkt
Prinzip von Huygens (C. Huygens, 1629 bis als Einhüllende aller Elementarwellen. Abbil-
1695) ermittelt werden: Alle Punkte einer Wel- dung 5.62 zeigt Beispiele für die Anwendung
lenfläche schwingen mit gleicher Phase. Sie ha- des Huygens’schen Prinzips.
ben dieselbe Frequenz wie der Wellenerreger Das Huygens’sche Prinzip der Elementarwel-
und unterscheiden sich demnach nicht grund- len wurde von A. J. Fresnel (1788 bis 1827)
sätzlich von diesem. Nach Huygens kann nun erweitert. Er zeigte, dass die Schwingung ei-
jeder Punkt einer Wellenfläche als Ausgangs- nes beliebigen Punktes im Wellenfeld dadurch
punkt einer sog. Elementarwelle (Kugelwelle) zustande kommt, dass sämtliche Elementar-
wellen, die von einer Wellenfläche ausgehen,
in dem betreffenden Punkt überlagert werden.
Das Huygens-Fresnel’sche Prinzip erwies sich
als außerordentlich fruchtbar; denn man ist
damit in der Lage, alle Beugungserscheinun-
gen zu erklären.
Die Existenz der Elementarwellen kann man
durch folgenden Versuch sichtbar machen:
Lässt man – wie in Abb. 5.63 gezeigt – ebene
Wasserwellen auf eine Wand mit einer klei-
nen Öffnung zulaufen, so bildet sich hinter der
Öffung eine kreisförmige Elementarwelle aus.
Abb. 5.62 Beispiele zum Huygens’schen Prinzip Hat die Wand zwei oder mehr Öffnungen, so
484 5 Schwingungen und Wellen
λ
sin αm =m . (5.221)
d
Die in Abb. 5.66 dargestellte Welle zeigt Für Wellen dieser Art ist die Phasen- und Gruppenge-
normale Dispersion: Ein Zustand konstanter schwindigkeit zu bestimmen.
Phase, durch einen kleinen Kreis gekennzeich- Lösung
net, bewegt sich rascher als das Maximum der Aus der Dispersionsrelation folgt für die Phasenge-
Wellengruppe. schwindigkeit
In der Optik wird die Lichtgeschwindigkeit c ω c0 c0
in einem Medium über den Brechungsindex n c= = 2 2 .
k c0 fgr
ausgedrückt (Abschn. 6.2.3.1): 1− 1−
2af f
c0
c= ,
n
dann besteht für diese beiden Brechungsindi- Abb. 5.67 Phasen- und Gruppengeschwindigkeit einer
zes folgender Zusammenhang elektromagnetischen Welle in einem Hohlleiter
5.2 Wellen 487
Eine Wellenausbreitung ist offensichtlich nur mög- Ü 5.2-12 Ein Stahlstab mit der Dichte ρ = 7,83 kg/dm3
lich, wenn die Frequenz f größer ist als eine Grenz- und der Länge l = 1 m ist in der Mitte fest eingespannt.
frequenz fgr : Durch Reiben erzeugt man eine Longitudinalschwin-
c0 gung mit der Grundfrequenz f0 = 2 527 Hz.
f > fgr = .
2a a) Wie groß ist die Schallgeschwindigkeit im Stab?
Zudem ist die Phasengeschwindigkeit c stets größer als b) Bestimmen Sie den Elastizitätsmodul des Stahls.
die Vakuumlichtgeschwindigkeit c0 (Abb. 5.67). Dies c) Welche Frequenzen haben die möglichen Ober-
ist kein Widerspruch zur Relativitätstheorie, nach der töne?
weder materielle Körper schneller sein können als die
Vakuumlichtgeschwindigkeit, noch Energie mit einer
größeren Geschwindigkeit übertragen werden kann. Ü 5.2-13 Zwei ebene ungedämpfte Wellen laufen in
Tatsächlich werden Signale (Energie) auf dem Hohllei- gleicher Richtung und überlagern sich. Die Frequen-
ter mit der Gruppengeschwindigkeit übertragen, die zen sind f1 = 30 Hz und f2 = 33 Hz. Die Ausbreitungs-
stets kleiner ist als die Vakuumlichtgeschwindigkeit. geschwindigkeit ist für beide c1 = c2 = 330 m/s.
Aus der Dispersionsrelation folgt für die Gruppenge-
a) Welchen räumlichen Abstand haben zwei aufein-
schwindigkeit
ander folgende Wellengruppen?
2 b) Wie groß ist die Schwebungsfrequenz am festen Ort
dω fgr
cgr = = c0 1 − . eines Detektors?
dk f
c) Wie groß ist die Gruppengeschwindigkeit einer
Für das Produkt der beiden Geschwindigkeiten gilt: Schwebungsgruppe ?
cgr · c = c02 .
Ü5.2-14 Der Brechungsindex von Quarzglas zeigt nor-
Zur Übung male Dispersion. Im Kern einer Glasfaser werden fol-
Ü 5.2-11 Zwei Wellen gleicher Frequenz, Schwin- gende Werte gemessen:
gungsrichtung und Laufrichtung überlagern sich. Sie
werden beschrieben durch bei λ1 = 840 nm : n1 = 1,47393 ,
π bei λ2 = 860 nm : n2 = 1,47359 .
y1 = 3 · 10−4 m · cos ωt − kx + und
6
2π Bestimmen Sie näherungsweise, mit welcher Ge-
y2 = 2 · 10−4 m · cos ωt − kx + . schwindigkeit (Gruppengeschwindigkeit) sich der
3
Schwerpunkt eines kurzen Lichtpulses auf einer
Ermitteln Sie a) die resultierende Amplitude ŷ, b) die Glasfaser ausbreitet. Der Lichtblitz stammt von einem
Phasenverschiebung der resultierenden Welle gegen- GaAlAs-Laser, der bei der Wellenlänge λ = 850 nm
über y1 . emittiert. Wie groß ist der Gruppenindex?
Kapitel 6
Optik 6
nel (1815) der Schluss gezogen, dass das Licht der elektromagnetischen Wellen. Das sicht-
eine transversale Welle darstellt. bare Spektrum liegt im Wellenlängenbereich
Die Natur der Lichtwellen als elektromagneti- λ = 380 nm bis λ = 780 nm. Die Wellenlänge λ
sche Transversalwellen wurde schließlich von ist mit der Frequenz f und der Lichtge-
Maxwell (1865) erkannt. Die Maxwell’schen schwindigkeit c durch c = λf verknüpft
Gleichungen haben elektromagnetische Wel- (Abschn. 5.2.1). Mit der Vakuumlichtge-
len als Lösung, die sich mit Lichtgeschwindig- schwindigkeit c0 = 299 792,458 km/s ergeben
keit im Vakuum ausbreiten. Es gelang, alle Ge- sich Frequenzen des sichtbaren Lichts im
setze der Optik aus den Grundgleichungen der Bereich f = 3,84 · 1014 Hz bis 7,89 · 1014 Hz.
Elektrodynamik herzuleiten, sodass die Op- Unser Auge ist demnach in einem Frequenz-
tik zu einem Teilgebiet der Elektrodynamik intervall von einer Oktave empfindlich.
wurde. Nachdem Ende des 19. Jahrhunderts die
Abbildung 6.2 zeigt die Einordnung des Wellentheorie des Lichtes etabliert war, wur-
sichtbaren Lichtes in das Gesamtspektrum den um die Jahrhundertwende Experimente
bekannt, die mit der Wellentheorie nicht inter-
pretierbar waren. Diese Schwierigkeiten treten
immer dann auf, wenn Licht und Materie in
Wechselwirkung treten, z. B. bei der Absorp-
tion und Emission von Licht. Einen Ausweg
fand Einstein (1905) mit der Einführung seiner
Lichtquantenhypothese. Danach soll Licht aus
einzelnen Lichtquanten bestehen, die Energie
in ganzen Paketen, d. h. quantenhaft, mit Ma-
terie austauschen. Je nach Experiment wurde
deshalb Licht entweder als Teilchenstrom oder
als elektromagnetische Welle interpretiert.
Diese Zweigleisigkeit der Beschreibung wurde
mit dem Begriff Welle-Teilchen-Dualismus
belegt. Erst in der Quantenoptik bzw. Quan-
tenelektrodynamik wurde eine theoretische
Beschreibung gefunden, die beide Aspekte
vereinigt.
Auch in der Wellentheorie hat der Lichtstrahl verläuft also immer so, als ob keine anderen
eine sinnvolle Bedeutung; er entspricht der Strahlen vorhanden wären.
Normalen auf einer Wellenfläche. Die geometrische Optik ist anwendbar, so-
Abbildung 6.3a zeigt eine punktförmige Licht- lange die Dimension der Gegenstände, Linsen,
quelle mit konzentrischen kugelförmigen Wel- Spiegel, Blenden usw. groß sind gegenüber der
lenflächen. Die eingezeichneten Strahlen, die Wellenlänge des Lichtes. Sind dagegen die Ab-
von der Lichtquelle ausgehen, stehen senk- messungen in der Größenordnung der Wellen-
recht auf den Wellenflächen. Die Gesamtheit länge, dann werden Beugungseffekte wirksam,
aller Strahlen, die von der Blende begrenzt die mit der Wellenoptik erklärt werden müs-
werden, nennt man ein Strahlenbündel. Wenn sen (Abb. 6.1).
die Strahlen – wie in diesem Fall – von ei-
nem Punkt ausgehen bzw. sich in einem Punkt
6.2.2 Reflexion des Lichtes
schneiden, ist das Bündel homozentrisch.
Bei ebenen Wellen, die z. B. von Lasern aus- 6.2.2.1 Reflexion an ebenen Flächen
gesandt werden oder in großer Entfernung
Fällt ein Lichtstrahl nach Abb. 6.4 auf eine spie-
von Lichtquellen vorliegen, sind die Strahlen
gelnde Fläche, so wird der Strahl reflektiert.
parallel (Abb. 6.3b). Der Pfeilrichtung an den
Die Normale zur Fläche durch den Auftreff-
Strahlen kommt keine besondere Bedeutung
punkt wird als Einfallslot bezeichnet. Es gilt
zu, denn der Lichtweg ist grundsätzlich um-
das Reflexionsgesetz:
kehrbar. Lichtstrahlen, die sich durchkreuzen,
beeinflussen sich gegenseitig nicht. Ein Strahl
Einfallender Strahl, reflektierter Strahl
und Einfallslot liegen in einer Ebene; der
Einfallswinkel ε und der Reflexionswin-
kel εr sind gleich: εr = −ε.
Das Reflexionsgesetz, das von Euklid 300 v. Aus einem 90◦ -Winkelspiegel wird ein Tripel-
Chr. gefunden wurde, ist theoretisch leicht er- spiegel, wenn man noch eine dritte spiegelnde
klärbar. In Newtons Korpuskulartheorie folgt Fläche senkrecht zu den beiden vorhandenen
diese Gesetzmäßigkeit aus dem elastischen aufbringt. (Die Flächen stoßen aneinander
Stoß eines leichten Teilchens an einer schwe- wie bei einer Würfelecke.) Ein Lichtstrahl,
ren Wand. Im Wellenbild ergibt sich das Re- der in einen Tripelspiegel fällt, wird stets
flexionsgesetz zwanglos aus der Konstruktion so reflektiert, dass der reflektierte Strahl
Huygens’scher Elementarwellen an der Auf- parallel zum einfallenden verläuft. Außer
treffstelle (Abschn. 5.2.4.3). als Rückstrahler an Fahrzeugen wird der
Tripelspiegel bei der optischen Entfernungs-
Beispiel
messung eingesetzt. Dabei wird ein Lichtpuls
6.2-1 Zwei ebene Spiegel bilden nach Abb. 6.5 einen
von einem Sender ausgestrahlt, an einem
Winkelspiegel mit dem Öffnungswinkel γ . Ein Licht-
strahl, der senkrecht zur gemeinsamen Kante ver- Tripelspiegel reflektiert und mit einem De-
läuft, wird durch beide Spiegel reflektiert. Wie groß tektor nachgewiesen, der unmittelbar beim
ist der Ablenkungswinkel δ? Was ergibt sich speziell Sender steht. Die Entfernung zwischen Sender
für γ = 45◦ und γ = 90◦ ? und Tripelspiegel ergibt sich aus der Laufzeit
des Lichtpulses und der Lichtgeschwindig-
Lösung
Die Winkelsumme im Dreieck ABC beträgt keit.
r
f = . (6.1)
2
1 1 1
+ = . (6.2)
a a f
Beispiel
6.2-2 Vor einem Hohlspiegel mit f = −5 cm steht im
Abstand a = −2,5 cm ein y = 1 cm großer Gegenstand.
Wo liegt das Bild und wie groß ist es?
keit c in Materie wird üblicherweise als Brech- Tabelle 6.1 Brechzahl n einiger Stoffe für gelbes
zahl oder Brechungsindex n des betreffenden Na-Licht (Wellenlänge λ = 589 nm) bei der
Materials bezeichnet: Temperatur ϑ = 20◦ C und dem Druck p = 1 013 mbar
Festkörper n Flüssigkeiten n
c0
n= . (6.9) und Gase
c
Eis 1,310 Luft 1,0003
Flussspat 1,434 Kohlendioxid 1,0045
Mit Hilfe des Brechungsindex nimmt (6.8) die Quarzglas 1,459 Wasser 1,333
Form des Snellius’schen Brechungsgesetzes an: Borkron BK l 1,510 Ethylalkohol 1,362
Flintglas F 3 1,613 Benzol 1,501
Caesiumiodid 1,790 Schwefel-
sin ε n Bariumoxid 1,980 kohlenstoff 1,628
= = konstant . (6.10) Diamant 2,417 Methyleniodid 1,742
sin ε n
n
sin εg = . (6.13)
n
1
sin εg = . (6.14)
n
Beispiel
6.2-5 Im Halbleiter GaP (Ausgangsmaterial für
Leuchtdioden) ist der Brechungsindex n = 3,3. Wie
groß ist der Grenzwinkel der Totalreflexion?
Lösung
sin εg = 1/ n = 1/ 3,3 = 0,3 liefert εg = 17,6◦ . Von den
Lichtstrahlen, die im Innern des Kristalls erzeugt wer-
den, können also nur diejenigen den Kristall verlassen,
die innerhalb eines schlanken Kegels von εg = 17,6◦
Öffnungswinkel auf die Kristalloberfläche auftreffen.
Alle anderen werden total reflektiert.
sin ϑ0,max = n21 − n22 = AN ; (6.15)
und Dichtegradienten in der Luft der Bre- der Faser ankommen. So hat beispielsweise
chungsindex sich stetig ändert (Luftspiege- der in Abb. 6.19 gezeichnete Strahl einen grö-
lung, Fata Morgana). ßeren Weg zurückzulegen als ein Strahl, der
Ein spezieller Lichtwellenleiter ist die Gradi- exakt auf der Symmetrieachse läuft. Er befin-
entenfaser, die schematisch in Abb. 6.19 dar- det sich aber häufig in Gebieten mit kleinerem
gestellt ist. Bei ihr ändert sich der Brechungs- Brechungsindex, läuft dort also schneller und
index kontinuierlich von n1 in der Mitte auf n2 kompensiert so seinen Umweg. Da Laufzeit-
im Mantel. Die Gradientenfaser hat gegenüber differenzen verschiedener Moden die Über-
der Stufenindexfaser den Vorteil, dass Licht- tragungskapazität beschränken, kann auf der
pulse, die unter verschiedenen Winkeln ϑ0 in Gradientenfaser eine höhere Datenrate über-
die Faser eingekoppelt werden, nahezu die- tragen werden als auf der Stufenindexfaser.
selbe Laufzeit haben, bis sie am anderen Ende
Zur Übung
Ü 6.2-8 Ein Lichtstrahl fällt auf einen Glaswürfel mit
dem Brechungsindex n = 1,5. Der Strahl trifft genau
die Mitte einer Würfelfläche unter dem Einfallswinkel
60◦ . Die Einfallsebene ist parallel zu einer Würfelflä-
che. Berechnen und zeichnen Sie den weiteren Weg des
Lichtstrahls.
δ = ε1 − α
n
n
⎡ ε
= arcsin sin α − arcsin
2 1,g .
n n n
+ arcsin ⎣sin α − ε
sin2 1 (6.18)
n
⎤
− cos α sin ε1 ⎦ . (6.16)
Beispiel
6.2-6 Für ein Prisma mit dem Brechungsindex n = 1,5
und dem brechenden Winkel α = 60◦ sollen der Aus-
trittswinkel ε2 und der Ablenkungswinkel δ als Funk-
tion des Einfallswinkels ε1 dargestellt werden. Die Um-
gebung sei Luft mit n = 1.
Lösung
Gleichung (6.16) sollte am besten mit einem pro-
grammierbaren Rechner ausgewertet werden. Abbil-
dung 6.21 zeigt das Ergebnis. Der Ablenkwinkel δ zeigt
ein Minimum beim Einfallswinkel ε1,min = 48,6◦ . Der
zugehörige Ausfallswinkel beträgt ebenfalls ε2,min = Abb. 6.21 Ablenkwinkel δ und Austrittwinkel ε2 in
48,6◦ . Der Strahl durchläuft das Prisma also symme- Abhängigkeit vom Einfallswinkel ε1 bei der Brechung
trisch. Dieses Ergebnis kann allgemein mit Hilfe der eines Lichtstrahls an einem Prisma; Brechungsindex
Differentialrechnung bewiesen werden: n = 1,5, Prismenwinkel α = 60◦
506 6 Optik
1 1 1 1
n − =n
− . (6.21)
r s r s
Abb. 6.27 Brechung eines Strahls an einer konvexen
Kugelfläche
Einfallswinkel ε und Brechungswinkel ε sind s ist positiv, das Bild liegt hinter der brechenden Fläche
verknüpft durch das Brechungsgesetz n sin ε = und ist reell.
n sin ε .
b) Wie groß ist s für s = −100 mm und r = +80 mm?
Aus diesen Beziehungen folgt
Lösung
s = −400 mm .
s−r s −r
n =n . (6.20)
l l Das negative Vorzeichen des Wertes bedeutet, dass der
Bildort links vom Scheitel liegt, das Bild ist virtuell.
Wird diese Gleichung nach s aufgelöst, so er- c) Der Objektort liege im Unendlichen, d. h. s = −∞.
hält man den Ort des Bildpunktes O . Wie man Wo liegt der Bildpunkt bei einer konkav gekrümmten
leicht erkennt, hängt dieser nicht nur von s Kugelfläche mit r = −80 mm?
6.2 Geometrische Optik 509
y s − r s − r
β = =− = .
y r−s s−r
y n s
β = = . (6.22)
Abb. 6.28 Strahlengang durch eine Kugelfläche (zu y n s
Beispiel 6.2-7)
nyσ = n y σ . (6.23)
n n nL − n nL − n
− = − . (6.25)
a a r1 r2
n a
β = . (6.26)
n a 1 1 1
= D = (nL − 1) − . (6.29)
f r1 r2
Die Linse ist beiderseits von Luft umgeben Die Größe D = 1/ f nennt man die Brechkraft
Eine weitere wesentliche Vereinfachung ergibt einer Linse. Die Maßeinheit für die Brechkraft
sich für den Fall, dass die dünne Linse beid- ist die Dioptrie: 1 dpt = 1 m−1 .
seitig von Luft mit n = n = 1 umgeben ist. Wie Abb. 6.31 ebenfalls zeigt, verlaufen alle
Aus (6.25) folgt dann Strahlen, die durch den gegenstandsseitigen
Brennpunkt F gehen, hinter der Linse ach-
senparallel, d. h., der Bildort ist a = ∞.
1 1 1 1
− = (nL − 1) − . (6.27) Nach (6.27) sind die gegenstandsseitige Brenn-
a a r1 r2
weite f und die bildseitige Brennweite f be-
tragsmäßig gleich, es gilt
Der Abbildungsmaßstab ist in diesem Fall
a
f = −f . (6.30)
β =
. (6.28)
a
Die Abbildungsgleichung (6.27) erhält eine
Abbildung 6.31 zeigt, dass sich alle Strahlen besonders einfache Gestalt, wenn die durch
eines Lichtbündels, das parallel zur optischen (6.29) definierte Brennweite eingeführt wird:
512 6 Optik
Abb. 6.32 Abbildung eines Gegenstandes mit Hilfe Abb. 6.33 Zuordnung von Gegenstand und Bild bei
von Brennpunktsstrahlen und Mittelpunktsstrahl einer Sammellinse
6.2 Geometrische Optik 513
Lösung
Abbildung 6.36 zeigt die zeichnerische Konstruktion
mit Hilfe der Brennpunktsstrahlen 1 und 2 sowie des
nicht abgelenkten Mittelpunktsstrahls 3. Das Bild ist
aufrecht, verkleinert und virtuell. Ein virtuelles Bild Sammellinse, so wird er nach zweimaliger Bre-
kann nicht auf einer Mattscheibe sichtbar gemacht chung an den beiden Kugelflächen im bildsei-
werden; trotzdem kann es ein Beobachter wahrneh- tigen Brennpunkt F die optische Achse schnei-
men. Die von P ausgehenden Strahlen können von der
den. Der Strahlenverlauf im Innern der Linse
Augenlinse wieder auf die Netzhaut fokussiert werden.
Die Rechnung ergibt mit (6.32) und (6.33) für die Bild-
ist für die optische Abbildung völlig unwich-
weite a = −20 cm und für den Abbildungsmaßstab tig. Der Strahlenverlauf im bildseitigen Außen-
β = 1/ 3. raum sieht jedenfalls so aus, als ob der Strahl
vom Punkt Q herkäme. Dieser Schnittpunkt
Zur Übung der gestrichelten Strahlverlängerung definiert
Ü 6.2-14 Konstruieren Sie den weiteren Weg eines die Lage der bildseitigen Hauptebene H . Wie
Lichtstrahls, der unter einem beliebigen Winkel schief später noch gezeigt wird, kann die Lage der
auf eine Sammellinse (Zerstreuungslinse) fällt. Hauptebenen berechnet werden. Dadurch ist
eine sehr einfache Konstruktion der Strahlen
Ü 6.2-15 Eine plankonvexe Linse mit dem Brechungs- im Außenraum der Linse möglich. Beispiels-
index nL = 1,51 hat an Luft die Brennweite f = 10 cm. weise wird ein Strahl, der durch den gegen-
Sie berührt mit der ebenen Fläche die Glaswand eines standsseitigen Brennpunkt F geht, ungeach-
Aquariums, das mit Wasser gefüllt ist. a) Sonnenlicht
tet seines tatsächlichen Verlaufs bis zur gegen-
fällt parallel zur optischen Achse auf die Linse. Wo liegt
der Fokus F im Wasser? b) In welcher Entfernung von
standsseitigen Hauptebene H verlängert und
der Linse entsteht das Bild eines Fisches, der 20 cm von verläuft von dort parallel zur optischen Achse.
der Linse entfernt im Wasser schwimmt? Wie groß ist Der Abstand des bildseitigen Brennpunktes F
der Abbildungsmaßstab? Lösen Sie die Aufgabe zeich- vom Linsenscheitel S , d. h. die Strecke sF , er-
nerisch und rechnerisch. gibt sich unmittelbar aus der Schnittweiten-
gleichung (6.24) für einen unendlich weit ent-
Ü 6.2-16 Von F. W. Bessel (1784 bis 1846) stammt fol- fernten Gegenstand, also für s1 = −∞. Ebenso
gende Methode zur experimentellen Bestimmung der
ist der Ort des objektseitigen Brennpunktes,
Brennweite einer Sammellinse: Ein leuchtender Gegen-
stand und eine Mattscheibe werden in festem Abstand d. h. die Strecke sF , aus (6.24) zu ermitteln, in-
l (l > 4f ) aufgestellt. Bildet man den Gegenstand mit dem die Bildweite s2 = ∞ gesetzt wird. Im
einer Linse auf die Mattscheibe ab, so gibt es zwei Lin- Folgenden werden nur Gleichungen angege-
senstellungen, bei denen eine Abbildung möglich ist. ben für den Fall, dass die Linse beidseitig von
Berechnen Sie aus dem Abstand t der beiden Linsen- Luft umgeben ist. Für diesen Spezialfall liefert
orte die Brennweite der Linse.
die Schnittweitengleichung (6.24)
Ü 6.2-17 Eine plankonvexe Linse mit dem Krüm-
mungsradius r1 = 20 cm bildet einen Gegenstand nL r1 − (nL − 1)d
mit der Gegenstandsweite a = −70 cm im Abstand sF = r2 ;
(nL − 1)[nL (r2 − r1 ) + (nL − 1)d]
a = 93,5 cm ab. Wie groß ist die Brechkraft D und der
nL r2 + (nL − 1)d
Brechungsindex nL der Linse? sF = −r1 .
(nL − 1)[nL (r2 − r1 )+(nL − 1)d]
(6.35)
6.2.4.2 Dicke Linsen
Ist die Linsendicke d nicht mehr vernachlässig-
bar klein, so müssen die vorgenannten Abbil- Die Brennweiten f und f , die gemäß Abb. 6.37
dungsgleichungen etwas modifiziert werden. von den Hauptebenen zu den entsprechenden
Fällt ein Lichtstrahl entsprechend Abb. 6.37 Brennpunkten gerechnet werden, können aus
parallel zur optischen Achse auf eine dicke folgender Überlegung gewonnen werden: Für
6.2 Geometrische Optik 515
Ebenso gilt
Hierin ist das erste Glied die Brennweite der
−h
−h h s1 dünnen Linse, wie sie bereits in (6.29) angege-
tan σ1 = = oder = .
s1 − d s1 h s1 − d ben wurde. Das zweite Glied wirkt gleichsam
(2) als Korrekturglied und erfasst den Einfluss der
Linsendicke d. Es ist immer dann vernachläs-
Wird (2) in (1) eingesetzt, so gilt für die Brenn- sigbar, wenn die Linsendicke klein ist gegen-
weite über der Differenz der Radien, d. h., wenn gilt
d << |r2 − r1 |.
s1
f = s. Gleichung (6.36) lässt sich auch direkt nach
s1 −d F
der Brennweite auflösen:
Der Abstand s1 folgt unmittelbar aus der Ab-
nL r1 r2
be’schen Invarianten (6.21) zu f = .
nL − 1 nL (r2 − r1 ) + (nL − 1)d
nL (6.37)
s1 = r1 .
nL − 1
Damit erhält man folgenden Ausdruck für die Die gegenstandsseitige Brennweite f wird ana-
Brennweite: log zur eben gezeigten Methode berechnet.
516 6 Optik
Wie schon bei der dünnen Linse sind auch bei reits bekannte Abbildungsgleichung (6.31):
der dicken Linse die Beträge der Brennweiten 1/ a − 1/ a = 1/ f . Ebenso wird der Abbil-
gleich. Es gilt nach (6.30) f = −f . dungsmaßstab nach der bereits bekannten
Falls die Brennweite einer Linse bekannt ist, Gleichung (6.28) berechnet: β = a / a.
lässt sich das Gleichungspaar (6.35) für die Ab-
Beispiel
stände der Brennpunkte von den Scheiteln sehr
6.2-10 Gegeben sei eine Linse mit r1 = 5 cm. r2 =
viel einfacher ausdrücken. Aus dem Vergleich −5 cm, d = 3 cm, nL = 1,7. Ein Gegenstand ist sO =
von (6.35) und (6.37) folgt −8 cm vom linken Scheitel entfernt (Abb. 6.38). In wel-
chem Abstand sO vom rechten Scheitel entsteht das
Bild? Wie groß ist β ?
nL − 1 d
=f 1−
sF
;
nL r1 Lösung
Die Brechkraft der Linse beträgt nach (6.36)
nL − 1 d
sF = −f 1 + . (6.38)
1 1
0,72 3
nL r2 D = 0,7 · + cm−1 − · cm−1
5 5 1,7 25
= 0,245 cm−1 = 24,5 dpt .
Den Abstand der Hauptebenen von den Schei-
Die Brennweite ist f = 4,07 cm. Für die Abstände der
teln erhält man nach Abb. 6.37 durch einfa-
Hauptebenen von den Scheiteln gilt nach (6.39)
che Differenzbildung zweier Strecken, nämlich
0,7 3
sH = sF − f und sH = sF − f . Dabei ergibt sich −sH = sH = 4,07 cm · · = 1,01 cm .
1,7 5
Abbildung 6.38 zeigt die Lage der beiden Hauptebenen.
nL
−1 d Für die weitere Rechnung benötigt man zunächst die
= −f
sH ; Gegenstandsweite
nL r1
nL − 1 d a = sO − sH = −8 cm − 1,01 cm = −9,01 cm .
sH = −f . (6.39)
nL r2 Die Bildweite a folgt aus der Abbildungsglei-
chung (6.32):
Wird nach Abb. 6.38 die Gegenstandsweite a af −9,01 · 4,07
a = = cm = 7,42 cm .
als Entfernung des Gegenstandes von der a + f −9,01 + 4,07
Hauptebene H definiert und entsprechend Der Abstand von der rechten Linsenfläche ist
die Bildweite a als Abstand zwischen Haupt- sO = a + sH = 7,42 cm − 1,01 cm = 6,41 cm .
ebene H und Bild, so gilt auch bei dicken
Der Abbildungsmaßstab wird nach (6.28) berechnet:
Linsen die von den dünnen Linsen her be-
a 7,42 cm
β = =− = −0,82 .
a 9,01 cm
Die grafische Lösung ist in Abb. 6.38 wiedergegeben.
Das Bild ist reell, Kopf stehend und verkleinert.
Zur Übung
Ü 6.2-18 Gegeben sei eine plankonvexe Linse mit den
Daten r1 = ∞. r2 = −4 cm, d = 2 cm und nL = 1,7.
a) Wie groß ist die Brennweite f der Linse? b) Wo
befinden sich die Hauptebenen H und H relativ zu den
Linsenscheiteln S und S ? c) Im Abstand sO = −12 cm
von der ebenen Fläche befindet sich ein Objekt. In
Abb. 6.38 Abbildung eines Gegenstandes durch eine welcher Entfernung sO , von der Kugelfläche entsteht
dicke Sammellinse (zu Beispiel 6.2-10) das Bild? d) Wie groß ist der Abbildungsmaßstab β ?
6.2 Geometrische Optik 517
Ü 6.2-19 Eine Glaskugel mit dem Radius r und der Strahl auf die Linse L1 und wird auf F1 zu gebrochen.
Brechzahl nL wird als Linse verwendet. Wie groß ist die Hinter der Linse L2 verläuft der Strahl parallel zur Ge-
Brennweite f , und wo befinden sich die Hauptebenen? raden AB (s. Ü 6.2-14), sodass er schließlich die opti-
sche Achse im Brennpunkt F schneidet. Der Schnitt-
Ü 6.2-20 Wie hängt bei einer Plankonvex-
punkt der Strahlverlängerungen definiert die Lage der
(Plankonkav-)Linse die Brennweite f von der Linsen-
bildseitigen Hauptebene H . Nach obigem Muster wird
dicke ab?
der Weg eines von rechts parallel zur optischen Achse
Ü 6.2-21 Wie groß ist die Brennweite f einer Menis- einfallenden Strahls konstruiert. Brennpunkt F und
kuslinse mit r1 = r2 = r und der Dicke d? Wo liegen die Hauptebene H sind somit bestimmt.
Hauptebenen? Zeichnen Sie maßstäblich die Brechung
eines von links kommenden achsenparallelen Strahls Durch Anwendung der Abbildungsglei-
für r = 5 cm, d = 3 cm und nL = 1,7. chung (6.31) erhält man für die Abstände
der Brennpunkte von den Linsen
6.2.4.3 Linsensysteme
Viele optische Systeme bestehen aus mehreren
1 1 1
Linsen mit gemeinsamer optischer Achse. Der = + und
sF f2 f1 − e
für eine optische Abbildung relevante Strah-
1 1 1
lenverlauf kann konstruiert werden, wenn die =− − . (6.40)
Gesamtbrennweite sowie die Lage der zwei sF f1 f2 − e
Hauptebenen des Systems bekannt sind. Man
führt also letztlich das System ersatzweise auf Für Beispiel 6.2-11 ergibt sich sF = 20,6 cm
eine dicke Linse zurück. und sF = −17,6 cm.
Die Brennweite des Systems, als Abstand
Beispiel
6.2-11 Zwei dünne Sammellinsen L1 und L2 gemäß zwischen Brennpunkt und zugeordneter
Abb. 6.39 sind im Abstand e = 25 cm angebracht. Die Hauptebene definiert, lässt sich durch ele-
Brennweiten betragen f1 = 60 cm und f2 = 50 cm. Wie mentare geometrische Überlegungen, auf
groß ist die Gesamtbrennweite f und wo liegen die deren Wiedergabe hier verzichtet wird, be-
Hauptebenen des Systems? rechnen. Das Ergebnis ist
Lösung
Sehr einfach lässt sich das Problem zeichnerisch lösen.
In Abb. 6.39 fällt von links her ein achsenparalleler f1 f2
f = −f = . (6.41)
f1 + f2 − e
Abb. 6.42 Brechung an einer Kugelfläche Abb. 6.43 Verlauf eines Strahls durch eine dicke Linse
520 6 Optik
y
β = =A. (6.51)
y
Abb. 6.44 Strahlengang am Hohlspiegel mit Auffaltung
6.2 Geometrische Optik 521
Lösung
Zweckmäßigerweise legt man die Referenzebene RE1
in die Linse L1 und die Ebene RE2 in die Linse L2 .
Damit wird die Systemmatrix ein Produkt aus zwei
Linsenmatrizen nach (6.48) sowie einer Transfermatrix
nach (6.45) :
1 0 1e 1 0
M = L2 T L1 = .
− f1 1 01 − f1 1
2 1
einfach lassen sich aus der Systemmatrix die Gleichun- r1 = +3 cm; r2 = ∞. Wo erscheint das Bild eines Ob-
gen (6.40) für die Lage der Brennpunkte sowie der jektes, das sich im Abstand sO = −10 cm vom linken
Hauptpunkte herleiten. Linsenscheitel befindet? Geben Sie den Abstand sO von
der rechten Planseite an.
Beispiel
6.2-13 Im Abstand sO = −40 cm von der Linse L1 des
Systems von Beispiel 6.2-12 stehe ein Gegenstand. Wo
entsteht das Bild? Wie groß ist der Abbildungsmaßstab? 6.2.5 Blenden im Strahlengang
Abb. 6.46 Zu Beispiel 6.2-13 Abb. 6.47 Strahlbegrenzung durch eine Blende
6.2 Geometrische Optik 523
schlanker, bis schließlich nur noch die rot ge- chen Blende kann auch das Bild einer Blende,
strichelten Hauptstrahlen übrig bleiben. eine Luke, das Gesichtsfeld begrenzen.
Es ist offensichtlich, dass die Lichtmenge, die
vom Gegenstand zum Bild gelangt, von der Zur Übung
Ü6.2-26 In 30 cm Abstand vor einer Sammellinse steht
Größe der Eintrittspupille abhängt. Die Blende
eine Blende mit 12 mm Durchmesser. Ihr Bild (AP) ent-
steuert damit die Helligkeit des Bildes. steht 60 cm hinter der Linse. a) Welchen Durchmesser
Eine weitere Funktion einer Blende ist die Be- hat die Austrittspupille? b) Konstruieren Sie mithilfe
grenzung des Gesichtsfelds. Diese Blendenwir- der Pupillenstellungen die Abbildung eines Gegenstan-
kung ist in Abb. 6.48 verdeutlicht, wo der Ge- des mit a = −50 cm Gegenstandsweite und y = 1 cm
genstandsraum von Abb. 6.47 noch einmal dar- Größe. c) Wie groß muss der Linsendurchmesser min-
destens sein, damit auch die Randpartien ohne Ab-
gestellt ist. Für diejenigen Gegenstandspunkte,
schattung abgebildet werden?
die sich innerhalb der Grenzen P1 und P2 be-
finden, gelangen alle Strahlen, die die Eintritts-
pupille passiert haben, auch auf das Bild. Für 6.2.6 Abbildungsfehler
Gegenstandspunkte zwischen P1 und P3 bzw.
P2 und P4 wirkt die Linsenfassung als Blende, Bei der bisherigen Beschreibung optischer
sodass nur ein Teil der Strahlen auf das Bild ge- Abbildungen ist idealisierend vorausgesetzt,
langt. Gegenstandspunke schließlich, die au- dass nur achsennahe Strahlen an der Abbil-
ßerhalb von P3 und P4 sitzen, werden durch dung beteiligt sind. Sobald Strahlen in großem
die vorliegende Anordnung überhaupt nicht Abstand von der optischen Achse bzw. unter
mehr abgebildet. Das Gesichtsfeld ist hier nicht großen Winkeln gegen diese verlaufen, ist die
scharf begrenzt, sondern es wird nach außen Abbildung mit Fehlern behaftet. Tabelle 6.3
hin allmählich dunkler. Diesen Effekt bezeich- zeigt eine knappe Zusammenstellung der
net man als Vignettierung oder Abschattung. wichtigsten Abbildungsfehler.
Soll das Gesichtsfeld scharf begrenzt sein, so Zur Behebung der Abbildungsfehler sind im-
muss in der Bildebene eine Gesichtsfeldblende mer mehr oder weniger komplizierte Linsen-
angebracht werden. Anstelle einer körperli- systeme erforderlich. Dabei wird ausgenutzt,
dass bestimmte Fehler in verschiedenen Lin-
sentypen gegenläufig sind, sodass sie sich bei
der Kombination ganz oder teilweise aufhe-
ben. Eine vollkommene Korrektur aller Abbil-
dungsfehler ist nicht möglich.
sphärische Ein Objektpunkt auf der optischen Achse Kombination mehrerer Linsen ver-
Aberration wird, falls nur achsennahe Strahlen an der schiedener Brennweite (z. B. Sam-
(Öffnungsfehler) Abbildung beteiligt sind, weiter von einer mellinse und Zerstreuungslinse);
Sammellinse entfernt abgebildet, als bei der Variation der Linsenform.
ausschließlichen Verwendung achsenferner Ein korrigiertes System wird als
Strahlen. Daher wird ein Punkt durch weit Aplanat bezeichnet.
geöffnete Strahlenbündel nicht als Punkt, son-
dern als Zerstreuungsscheibchen abgebildet.
Astigmatismus Ausgedehnte ebene Objekte werden nicht in Kombination mehrerer Linsen aus
und Bildfeld- einer Ebene, sondern auf zwei gekrümmten geeigneten Gläsern; Veränderung
wölbung Bildschalen, die sich auf der optischen Achse der Blendenlage.
berühren, abgebildet. Deshalb entsteht bei Ein korrigiertes System ist ein
der Abbildung eines Punktes, der außerhalb Anastigmat.
der optischen Achse liegt, auch bei der Ver-
wendung schlanker Strahlenbündel kein Bild-
punkt, sondern zwei zueinander senkrecht ver-
laufende Bildstriche auf den beiden Bild-
schalen in verschiedenen Abständen von der
Linse.
Koma Strahlenbündel großer Öffnung bilden einen Abblenden; Fehler ist stark abhängig
Punkt, der außerhalb der optischen Achse von der Blendenlage.
liegt, nicht als Punkt, sondern als ovale Figur
mit kometenhaftem Schweif ab.
Verzeichnung Bei falscher Blendenlage sind Bild und Objekt Blende bzw. Pupille sollte in der
nicht geometrisch ähnlich. Liegt die Blende Linsenebene liegen. Verwirklicht im
zu weit im Gegenstandsraum, wird ein orthoskopischen Objektiv.
Quadrat tonnenförmig verzeichnet, liegt sie
zu weit im Bildraum, resultiert eine kissen-
förmige Verzeichnung.
chromatische Farbfehler, der aufgrund der Dispersion des Kombination von Sammellinse aus
Aberration Linsenmaterials entsteht, wenn zur Abbildung Kronglas und Zerstreuungslinse aus
kein monochromatisches Licht verwendet Flintglas; korrigiertes Objektiv ist
wird. Das Bild wird unscharf und erhält ein Achromat.
farbige Ränder.
Hornhaut H, die mit Kammerwasser gefüllte Brechung des Lichts findet vorwiegend an der
vordere Augenkammer K, die Linse Li sowie gekrümmten Hornhaut statt. Die Linse sorgt
der gallertartige Glaskörper G. lediglich dafür, dass Gegenstände in verschie-
Das normalsichtige Auge ist im Ruhezustand denen Entfernungen scharf gesehen werden.
so eingestellt, dass paralleles Licht unendlich Zu diesem Zweck wird die Krümmung der Au-
ferner Gegenstände auf die Netzhaut fokus- genlinse mithilfe des Ziliarmuskels Z verändert
siert wird, wie es Abb. 6.50 zeigt. Dabei re- (Akkommodation). Der nächstgelegene Punkt,
gelt die Iris I (Regenbogenhaut) als Eintritts- den man eben noch scharf sehen kann, wird
pupille die Lichtmenge, die ins Auge fällt. Die Nahpunkt genannt. Er liegt bei Jugendlichen
6.2 Geometrische Optik 525
weit auseinander sein, damit man sie noch als weite aB = −25 cm rückt? (Der Abstand e zwischen
getrennt wahrnimmt. Brillenglas und Augenlinse sei vernachlässigbar.)
Abb. 6.51 Definition des Sehwinkels σ Abb. 6.52 Strahlengang bei der Lupe
6.2 Geometrische Optik 527
vergrößerung ΓOk
des Okulars berechnen:
t aB
ΓM = . (6.63)
fOb fOk
Zur Übung
Ü 6.2-29 Bei einem Mikroskop ist die Objektivbrenn-
= 4 mm, die Okularbrennweite f = 25 mm
weite fOb Ok
und die Tubuslänge t = 160 mm. a) Wie groß ist die Mi-
kroskopvergrößerung ΓM ? b) In welchem Abstand z
Ob
vom vorderen Ojektivbrennpunkt muss sich das Ob-
jekt befinden, wenn es von einem auf unendlich einge-
stellten Auge scharf gesehen werden soll? c) Das Okular
wird um ΔzOk nach hinten verschoben und entwirft
dadurch ein reelles Bild. In welchem Abstand aOk vom
Okular muss man einen Schirm aufstellen, um das
Abb. 6.56 Grundtypen des Fernrohrs: a) Kepler’sches
Bild aufzufangen, und wie groß ist der gesamte Ab-
Fernrohr, b) Galilei’sches Fernrohr
bildungsmaßstab β ? Zeichnen Sie ein Diagramm für
1 mm 5 ΔzOk 5 25 mm. Was ergibt sich speziell für
ΔzOk = 1 mm?
sen, das Galilei’sche (1609) oder holländische
Fernrohr eine Sammel- und eine Zerstreu-
Ü 6.2-30 Ein Mikroskop kann ersatzweise wie eine
ungslinse. Beim Kepler’schen Fernrohr ent-
Lupe mit extrem kleiner Brennweite behandelt wer-
wirft das Objektiv in seiner bildseitigen Brenn-
den. Berechnen Sie für das Mikroskop von Ü 6.2-29 die
Gesamtbrennweite f und die Lupenvergrößerung ΓL ebene ein reelles Zwischenbild ZB eines un-
Wieso ist die Gesamtbrennweite negativ? endlich entfernten Gegenstandes, das dann
mit dem als Lupe wirkenden Okular betrachtet
wird. Befindet sich das Objekt in endlicher Ent-
6.2.7.4 Fernrohr fernung, so entsteht das Zwischenbild hinter
Das Fernrohr hat die Aufgabe, den Sehwin- der bildseitigen Brennebene. Eine Scharfein-
kel, unter dem weit entfernte Gegenstände er- stellung geschieht am einfachsten dadurch,
scheinen, zu vergrößern. Das Bild soll mit ent- dass der Abstand zwischen Objektiv und Oku-
spanntem Auge betrachtet werden. Dies be- lar verlängert wird. Beim Galilei’schen Fern-
deutet, dass ein ins Fernrohr eintretendes par- rohr kommt es nicht zur Ausbildung eines reel-
alleles Strahlenbündel auch wieder als paral- len Zwischenbildes, denn die konvergierenden
leles Bündel austreten muss. Diese Bedingung Strahlen treffen auf die Zerstreuungslinse, be-
wird von einem afokalen System mit zwei Lin- vor sie sich in einem Punkt vereinigen können.
sen erfüllt. Dabei fällt der bildseitige Brenn- Die Vergrößerung des Fernrohrs lässt sich
punkt der ersten Linse mit dem gegenstands- anhand von Abb. 6.56 folgendermaßen
seitigen der zweiten zusammen. bestimmen: Der Winkel σ , unter dem
Abbildung 6.56 zeigt die beiden Grundtypen ein Strahlenbündel von einem weit ent-
des Fernrohrs. Das Kepler’sche (1611) oder fernten Gegenstand ins Objektiv fällt, ist
astronomische Fernrohr hat zwei Sammellin- derselbe Winkel, unter dem man den Ge-
530 6 Optik
fOb
ΓF = − . (6.64)
fOk
niert die Eintrittspupille EP des Systems. Ihr pupille wie die Brennweiten von Objektiv und
Bild, die Austrittspupille AP, erscheint in der Okular. Es gilt also
Gegend des Brennpunktes F2 des Okulars.
Beim Kepler’schen Fernrohr erscheint die DEP
Austrittspupille als reelles Bild der Eintritts- |ΓF | = . (6.65)
DAP
pupille. An der Stelle der Austrittspupille
sollte sich das Auge des Beobachters befinden.
Hält man z. B. einen Feldstecher gegen den Nach DIN 58 386 wird mithilfe von (6.65) die
Himmel und blickt von weitem auf das Okular, Vergrößerung eines Fernrohrs gemessen.
so sieht man deutlich die Austrittspupille als Das Gesichtsfeld des Kepler’schen Fernrohrs
hellen Fleck von einigen mm Durchmesser. kann wesentlich erweitert werden, wenn
Beim Galilei’schen Fernrohr erscheint die Aus- man an der Stelle des reellen Zwischenbildes
trittspupille als virtuelles Bild zwischen den eine Feldlinse FL oder Kollektivlinse gemäß
beiden Linsen. Da man das Auge nicht un- Abb. 6.59 anbringt. Diese Feldlinse ändert zwar
mittelbar an die Stelle der Austrittspupille nicht die Vergrößerung, bricht die Strahlen
bringen kann, erscheint das Gesichtsfeld nicht aber so, dass sie die Okularlinse verhältnis-
scharf begrenzt. Es ist außerdem verhältnis- mäßig zentral durchsetzen. Dadurch können
mäßig klein, vergleichbar mit einem Blick die Strahlen unter einem größeren Winkel ins
durch ein Schlüsselloch. Der Vorteil des Ga- Objektiv einfallen und treffen trotzdem noch
lilei’schen Fernrohrs ist seine kurze Baulänge. auf die Okularlinse. Die Austrittspupille rückt
In Abb. 6.58 sind zwei Fernrohre gleicher Ver- durch diese Maßnahmen näher ans Okular.
größerung gezeichnet, dabei ist das Galilei’- Bei Fernrohren werden in der Regel als wich-
sche etwa halb so lang wie das Kepler’sche tigste Kenngrößen die Vergrößerung und der
Fernrohr. Das Galilei’sche Fernrohr wird am Durchmesser der Eintrittspupille angegeben.
meisten als Opernglas verwendet. Steht beispielsweise auf einem Feldstecher
Wie man Abb. 6.58 entnimmt, verhalten sich 8 × 30, so sind ΓF = 8 und DEP = 30 mm.
die Strahldurchmesser von Ein- und Austritts- Als Maß für die Leistungsfähigkeit bei Däm-
merung kann nach DIN 58 386 vom Hersteller
die Dämmerungszahl Z angegeben werden:
Z = |ΓF |DEP . (6.66)
DEP ist der Durchmesser der Eintrittspupille Bei der Betrachtung von Fixsternen werden
in mm. Mit DEP = |ΓF |DAP gilt auch Z = selbst mit den größten astronomischen Fern-
√
|ΓF | DAP . rohren die Sterne nur punktförmig wiederge-
√ den Feldstecher 8 × 30 ergibt sich Z =
Für geben. Der Sinn der Fernrohre in der Astrono-
240 = 15,5. Ist bei einem Fernrohr die Aus- mie besteht deshalb nicht in einer Vergröße-
trittspupille größer als 8 mm, dann ist DAP = rung der Objekte, sondern in einer Steigerung
8 mm zu setzen. Dieser Grenzwert ist der maxi- der Helligkeit. So kann man mit dem Fern-
male Durchmesser der menschlichen Augen- rohr Sterne sehen, die mit dem bloßen Auge
pupille. nicht wahrnehmbar sind. Das Auflösungsver-
Schließlich sei noch die Frage untersucht, ob mögen des Fernrohrs ist in Abschn. 6.4.1.5 be-
die Helligkeit eines betrachteten Gegenstan- schrieben.
des gesteigert wird, wenn man ihn mit einem
Zur Übung
Fernrohr betrachtet. Ein Maß für die Hellig-
Ü 6.2-31 Bei einem Feldstecher 8 × 30 beträgt der Ab-
keit ist der Lichtstrom Φ (Abschn. 6.3), der auf stand zwischen Objektiv und Okular l = 200 mm bei
einen Zapfen der Netzhaut fällt. Ohne Fern- Einstellung auf Unendlich. a) Wie groß ist die Brenn-
rohr sei dieser Lichtstrom Φ0 . Benutzt man weite von Objektiv und Okular? b) Zur Einstellung auf
ein Fernrohr, so wird wegen der großen Ob- nahe Objekte lässt sich das Okular um Δl = 5 mm her-
jektivöffnung zwar mehr Licht eingefangen als ausdrehen. Welches ist der kürzeste Abstand vom Ob-
jektiv, in dem Gegenstände noch scharf gesehen wer-
vom unbewaffneten Auge; dieser große Licht-
den, wenn das Auge auf unendlich akkommodiert ist?
strom wird aber auf ein größeres Netzhautbild
verteilt, sodass im Endeffekt die Helligkeit mit Ü 6.2-32 Zeigen Sie, dass der Einbau einer Feldlinse
Instrument gleich der Helligkeit ohne Instru- gemäß Abb. 6.59 die Vergrößerung eines Fernrohrs
ment ist. (Tatsächlich erscheint das Bild mit In- nicht beeinflusst. (Hinweis: Berechnen Sie die Brenn-
strument sogar dunkler wegen der unvermeid- weite des Systems Feldlinse-Okular.)
lichen Absorptions- und Reflexionsverluste an
Ü 6.2-33 Ein Fixstern wird mit einem astronomi-
den Linsen.) Andere Verhältnisse ergeben sich
schen Fernrohr betrachtet. Die Objektivbrennweite ist
bei der Betrachtung punktförmiger Objekte. In = 2,4 m, die Okularbrennweite f = 4 cm, der
fOb Ok
diesen Fällen ist das Bild wieder nur ein Punkt, Objektivdurchmesser DEP = 32 cm. a) Wie groß ist
und zwar sowohl bei Betrachtung mit unbe- die Fernrohrvergrößerung? b) Welchen Durchmesser
waffnetem Auge als auch bei der Betrachtung hat die Austrittspupille? c) Berechnen Sie die Dämme-
durch ein Fernrohr. Dies bedeutet, dass der rungszahl Z. d) Wie groß ist die Helligkeitssteigerung
gegenüber der Beobachtung mit bloßem Auge, falls
eingefangene Lichtstrom vollständig, z. B. auf
Augenpupille und Austrittspupille gleich groß sind? e)
einen Zapfen der Netzhaut gelenkt wird. Der Wie groß ist die Helligkeitssteigerung, wenn sich die
Lichtstrom wird durch das Instrument im Ver- Augenpupille auf 8 mm vergrößert hat?
hältnis der Flächen von Eintrittspupille und
Augenpupille gesteigert. Ist die Augenpupille
6.2.7.5 Fotoapparat
so groß wie die Austrittspupille des Instru-
Der Fotoapparat ist das optische Instrument,
ments, nimmt die Helligkeit mit dem Quadrat
das dem menschlichen Auge am meisten äh-
der Fernrohrvergrößerung zu:
nelt. Anstelle der Augenlinse steht ein Objek-
tiv, das zur Korrektur von Abbildungsfehlern
immer aus mehreren Einzellinsen zusammen-
Φ = ΓF2 Φ0 . (6.67) gesetzt ist. Das Objektiv entwirft das Bild ei-
nes Gegenstandes nach Abb. 6.60 in der Film-
6.2 Geometrische Optik 533
ebene FE. Dort befindet sich statt der Netzhaut sen. Die in DIN ISO 517 genormte Hauptreihe
ein lichtempfindlicher Film, oder bei Digital- der Blendenzahlen lautet ausschnittsweise
kameras ein CCD-Chip. Das Objektiv kann 1; 1,4; 2; 2,8; 4; 5,6; 8; 11; 16; 22 .
nicht wie das Auge auf unterschiedliche Ob- Eine absolut scharfe Abbildung auf einem ebe-
jektabstände akkommodieren. Deshalb muss nen Film ist theoretisch nur möglich, wenn das
für verschiedene Entfernungen der Abstand Objekt auch eben ist; hierbei steht die Objekt-
zwischen Objektiv und Film gemäß der Ab- ebene OE in Abb. 6.61 senkrecht zur optischen
bildungsgleichung variiert werden. Achse. Objektpunkte, die vor oder hinter der
Wie beim Auge kann der Lichtstrom, der auf idealen Objektebene OE liegen, werden in
den Film fällt, mithilfe einer Irisblende ge- der Filmebene FE als kleine Unschärfekreise
regelt werden. Ein Maß für die einfallende abgebildet. Da sowohl das Auge als auch das
Lichtmenge ist nach DIN ISO 517 die rela- Filmmaterial bzw. der CCD-Chip infolge seiner
tive Öffnung DEP / f . Diese wichtige Kenngröße Körnung ein begrenztes Auflösungsvermögen
ist meist auf dem Kameraobjektiv angegeben. haben, kann man stets eine bestimmte Un-
Steht beispielsweise auf einer Kamera 1:2,8; schärfe auf dem Film tolerieren. Gibt man
f = 45 mm, dann beträgt die maximale relative einen akzeptablen Durchmesser u des Un-
Öffnung 1/2,8 und die Brennweite f = 45 mm. schärfekreises an, so liegt der Objektbereich,
Der Objektivdurchmesser ist bei dieser Ka- der „scharf“ abgebildet wird, zwischen den
mera DEP = 16 mm. Grenzen av und ah . Dabei liegt av vor, ah hinter
Von größerer praktischer Bedeutung ist der der theoretischen Objektebene OE. Durch ele-
Kehrwert der relativen Öffnung, die Blenden- mentare Rechnung erhält man für die Grenz-
zahl k. Es gilt werte
f af 2
k= . (6.68) av = und
DEP f 2 − u k(a + f )
af 2
Die Blendenzahl kann an der Kamera einge-
ah = . (6.69)
f 2 + u k(a + f )
stellt werden. Die Werte sind so abgestuft, dass
sich die Fläche und damit der Lichtstrom von
Die Schärfentiefe beträgt dann
einem Wert auf den andern um den Faktor 2
ändern. Dies bedeutet, dass √ sich aufeinander
folgende Blendenzahlen um 2 ändern müs- Δa = av − ah . (6.70)
Abb. 6.60 „Unendliche“ Einstellung beim Fotoapparat Abb. 6.61 Schärfentiefe beim Fotoapparat
534 6 Optik
Die Schärfentiefe wird mit zunehmender dass diese im Einzelnen definiert sind. Die
Blendenzahl k immer größer. Die Größe des Strahlungs- oder Lichtmessung beschäftigt
zulässigen Unschärfekreises hängt von dem sich mit der Messung dieser Größen. Hierbei
verwendeten Filmformat ab. Als Faustformel interessiert z. B. die Messung der Strahlungs-
kann verwendet werden leistung sowie deren räumliche und spektrale
Verteilung.
Formatdiagonale Bei der objektiven Radiometrie wird die Strah-
u = . (6.71)
1000 lungsleistung mit einem „unbestechlichen“
Messinstrument gemessen. Je nach Empfän-
gertyp ist der Wellenbereich nicht auf das
Beispiel sichtbare Spektrum beschränkt. Zur Kenn-
6.2-14 Mit einer Kleinbildkamera (Format 24 mm ×
zeichnung solcher strahlungsphysikalischer
36 mm) mit f = 45 mm Brennweite soll bei Blende 8
ein Objekt fotografiert werden, das sich in a = −3 m Größen werden die Formelzeichen mit dem
Entfernung befindet. Innerhalb welcher Gegenstands- Index „e“ (für energetisch) versehen. Wird die
weiten av und ah wird die Abbildung scharf? Wie groß Strahlung mit dem Auge bewertet, spricht man
ist die Schärfentiefe? von subjektiver Fotometrie. Die so erhaltenen
lichttechnischen Größen werden durch den
Lösung
Zulässiger Unschärfekreis nach (6.71):
Index „v“ (für visuell) bei den physikalischen
Größen gekennzeichnet. Es versteht sich von
Formatdiagonale 43,3 mm selbst, dass lichttechnische Größen nur für
u = = = 0,0433 mm ;
1000 1000 den sichtbaren Spektralbereich definiert sind.
Ebenso versteht man unter „Licht“ im engeren
nach (6.69) ist av = −1,99 m, ah = −6,07 m und die Sinn elektromagnetische Strahlung im Wel-
Schärfentiefe Δa = av − ah = 4,08 m. lenlängenbereich λ = 380 nm bis λ = 780 nm.
Die in der Fotometrie verwendeten Begriffe,
Formelzeichen und Maßeinheiten sind in
Zur Übung
DIN 5031 festgelegt.
Ü 6.2-34 Berechnen Sie die Schärfentiefe für die in
Beispiel 6.2-14 angegebenen Zahlenwerte, jedoch mit
Blende 2,8.
6.3.2 Strahlungsphysikalische Größen
Ü 6.2-35 Mit einer Kleinbildkamera ( f = 45 mm) soll
mit Blende 8 fotografiert werden. Welche Entfernung a
Fällt elektromagnetische Strahlung auf einen
muss eingestellt werden, wenn die hintere Grenzentfer-
geeigneten Empfänger, so kann man die in
nung ah = −∞ sein soll? Wie groß ist dann die vordere
Grenzentfernung av ? einer bestimmten Zeit zugeführte Strahlungs-
energie messen. Zur Messung bieten sich ver-
schiedene physikalische Effekte an. Beispiels-
6.3 Radio- und Fotometrie weise wird beim Bolometer die Erwärmung ei-
nes geschwärzten Platinbleches über die Ände-
6.3.1 Einführung rung des elektrischen Widerstands gemessen.
Beim Thermoelement fließt ein Thermostrom,
In der geometrischen Optik des letzten Ab- wenn es bei Bestrahlung erwärmt wird. Be-
schnitts werden oft Begriffe, wie z. B. Lichtin- stimmte Halbleiter ändern bei Bestrahlung ih-
tensität und Helligkeit, verwendet, ohne ren elektrischen Widerstand (innerer Fotoef-
6.3 Radio- und Fotometrie 535
fekt). Bei Fotodioden fließt während der Be- winkels ist der Steradiant: 1 sr = 1 m2 /m2 . Der
strahlung ein Fotostrom. Übersichtlichkeit wegen schreibt man gern
Die Strahlungsleistung Φe (auch Strahlungs-
fluss), die auf einen Detektor trifft, hängt mit A
der Strahlungsenergie Qe folgendermaßen zu-
Ω= Ω0 (6.73)
r2
sammen:
mit Ω0 = 1 sr. Der größte Raumwinkel beträgt
Φe =
dQe
. (6.72) 4 π sr, wenn die Strahlung den ganzen Raum
dt erfüllt. Strahlt ein Strahler nur in den Halb-
raum, beträgt der Raumwinkel 2 π sr. Falls
die bestrahlte Fläche nicht zu groß ist, macht
Die Strahlungsleistung wird im SI-Maßsystem
man keinen nennenswerten Fehler, wenn die
in Watt, die Strahlungsenergie in Joule gemes-
Empfängerfläche eben anstatt kugelförmig ist.
sen: 1 W = 1 J/s.
Diese Näherung ist gut erfüllt, wenn der Ab-
Die Strahlungsleistung, die auf einen Empfän-
stand zwischen Sender und Empfänger größer
ger fällt, hängt außer von seiner Fläche auch
ist als die in DIN 5032 definierte fotometrische
von seinem Abstand zum Sender ab. Abbil-
Grenzentfernung. Diese soll mindestens das
dung 6.62 zeigt drei verschiedene Empfänger
Zehnfache der größten Querdimension von
in den Entfernungen r1 , r2 und r3 von einem
Empfänger bzw. Sender betragen.
Sender. Die Abmessungen sind so gewählt,
Im Folgenden wird vereinfacht nur ein Fall be-
dass alle Empfänger auf einem gemeinsamen
trachtet: Der Abstand zwischen Sender und
Kegel liegen. Es ist einleuchtend, dass jeder
Empfänger ist größer als die fotometrische
dieser Empfänger die gleiche Strahlungsleis-
Grenzentfernung. Es handelt sich also um
tung nachweisen würde. Was allen drei Emp-
kleine Sender und Empfänger, die räumlich
fängern gemeinsam ist, ist der Raumwinkel Ω,
weit auseinander liegen.
unter dem sie vom Sender aus gesehen werden.
Abbildung 6.63 zeigt einen Sender mit der Flä-
Zur Definition des Raumwinkels: Um einen
che A1 , der Licht aussendet, das vom Empfän-
leuchtenden Punkt wird eine Kugel mit Ra-
ger mit der Fläche A2 nachgewiesen wird. Der
dius r beschrieben. Beleuchtet die Strahlung
wirksame Raumwinkel beträgt
eine Figur der Fläche A auf der Kugel, dann sagt
man, dass die Strahlung im Raumwinkel Ω =
A/ r2 auftritt. Die SI-Maßeinheit des Raum- A2 cos ε2
Ω= Ω0 . (6.74)
r2
Φe = Ie Ω (6.75)
Abb. 6.62 Zur Definition des Raumwinkels
536 6 Optik
Φe = Le A1 cos ε1 Ω .
Mit dem Raumwinkel
A2 cos ε2
Ω= Ω0
r2
ergibt sich eine Beziehung, die völlig symme-
trisch Sender- und Empfängergrößen enthält,
nämlich das fotometrische Grundgesetz:
Abb. 6.65 Zur Berechnung der spezifischen
A cos ε1 A2 cos ε2 Ausstrahlung
Φe = Le 1 Ω0 . (6.78)
r2
Die spezifische Ausstrahlung wird in W/m2 ge-
Bei ausgedehnten Strahlungsquellen und messen.
Empfängern erscheinen verschiedene Orte auf Für einen Lambert-Strahler sei ein Zusam-
der Sender- bzw. Empfängeroberfläche unter menhang zwischen der spezifischen Ausstrah-
verschiedenen Winkeln ε1 und ε2 . Ferner kann lung und der Strahldichte hergeleitet. Der
die Strahldichte Le vom Ort auf der Sendero- Sender schickt die Strahlung in einen Kegel
berfläche abhängen. Das bedeutet, dass (6.78) mit dem halben Öffnungswinkel ϕ1 , wie es
streng genommen nur differentiell formuliert Abb. 6.65 zeigt. In den roten Raumbereich,
werden kann: der von den Kegeln mit den Öffnungswin-
keln ε1 und ε1 + dε1 begrenzt wird, fließt der
dA1 cos ε1 dA2 cos ε2 Strahlungsfluss dΦe = Ie (ε1 ) dΩ. Dabei ist der
d2 Φe = Le Ω0 .
r2 Raumwinkel
(6.79)
dA
dΩ = Ω0 = 2π sin ε1 dε1 Ω0 .
r2
Dies ist die Strahlungsleistung, die von einem Mit Ie (ε1 ) = Le A1 cos ε1 beträgt der Strah-
Senderelement der Fläche dA1 auf ein Element lungsfluss
dA2 des Empfängers fällt. Die gesamte Strah-
lungsleistung Φe ergibt sich dann aus einer dΦe = Le A1 cos ε1 sin ε1 2π dε1 Ω0 .
Integration über die Sender- und Empfänger-
Den gesamten Strahlungsfluss erhält man
fläche.
durch Integration vom Winkel ε1 = 0 bis
Eine weitere Größe, die den Sender charak-
terisiert, ist die spezifische Ausstrahlung Me .
ε1 = ϕ1 zu
Darunter versteht man das Verhältnis von ins- ϕ1
gesamt abgegebener Strahlungsleistung Φe zur Φe = Le A1 2 πΩ0 cos ε1 sin ε1 dε1
Senderfläche A1 : 0
= Le A1 πsin ϕ1 Ω0 .
2
Φe
Me = = Le cos ε1 Ω . (6.80)
Für die spezifische Ausstrahlung folgt unmit-
A1
telbar
538 6 Optik
Beispiel
6.3-1 Ein Flächenelement der Erde, das senkrecht
Von besonderem Interesse ist es, wenn der
zur Sonne ausgerichtet ist, empfängt die Bestrahlungs-
Strahler in den kompletten Halbraum emit- stärke Ee = 1,35 kW/m2 (außerhalb der Atmosphäre).
tiert. Der Öffnungswinkel des Kegels beträgt Diese Größe heißt Solarkonstante. Die Sonne erscheint
dann ϕ1 = π/ 2 und aus (6.81) folgt für die unter dem halben Öffnungswinkel ϕ2 = 16 . Wie groß
spezifische Ausstrahlung des Lambert’schen ist die spezifische Ausstrahlung Me der Sonne?
Strahlers
Lösung
Abbildung 6.66 zeigt schematisch die kugelförmige
Sonne mit Radius r sowie einen Empfänger auf der
Me = Le π Ω0 . (6.82) Erde im Abstand R (R >> r). Die Kugelschicht auf der
Sonne, begrenzt durch die Winkel ε1 und ε1 + dε1 ,
hat die Fläche dA1 = 2πr2 sin ε1 dε1 . Von ihr fällt der
Auf der Empfängerseite interessiert außer dem Strahlungsfluss
auftreffenden Strahlungsfluss Φe auch die Be- dA1 cos(ε1 + ε2 ) A2 cos ε2
strahlungsstärke Ee , d. h. der auf die Empfän- dΦe = Le Ω0
R2
gerfläche bezogene Strahlungsfluss auf den Empfänger. Infolge des großen Abstands von
Erde und Sonne gilt in guter Näherung cos(ε1 + ε2 ) =
cos ε1 und cos ε2 = 1. Damit sind
Φe
Ee = . (6.83) Le
A2 dΦe = A2 cos ε1 dA1 Ω0
R2
und
Die Maßeinheit der Bestrahlungsstärke ist dΦe L
1 W/m2 . Für die Bestrahlungsstärke folgt dEe = = e2 cos ε1 dA1 Ω0 .
A2 R
mit (6.74) und (6.75) das fotometrische Entfer- Die gesamte Bestrahlungsstärke erhält man durch In-
nungsgesetz tegration über alle Winkel ε1 von 0 bis π/ 2:
2
r
Ie (ε1 ) Ee = Le π Ω0 .
Ee = cos ε2 Ω0 . (6.84) R
r2
Für das Verhältnis der Längen gilt r/ R ≈ ϕ2 .
Nach (6.82) ist Me = Le πΩ0 ; damit folgt Ee = Me ϕ22 .
Die spezifische Ausstrahlung der Sonne ist somit
Wird ein Empfänger eine bestimmte Zeit-
spanne Δt bestrahlt, dann ergibt das Pro-
dukt aus Bestrahlungsstärke und Zeit die Be-
strahlung He , nämlich die auftreffende Ener-
gie je Flächeneinheit: He = Ee Δt, gemessen in
W s/m2 = J/m2 . Allgemein gilt
He = Ee (t) dt . (6.85)
Abb.6.66 Zur Ableitung der spezifischen Ausstrahlung
der Sonne (zu Beispiel 6.3-1)
6.3 Radio- und Fotometrie 539
Tabelle 6.4 Zusammenstellung radiometrischer Größen. Die vereinfachten Gleichungen gelten unter der
Voraussetzung, dass die Strahlungsenergie konstant ist bezüglich Zeit, Fläche und Raumwinkel. Wenn dies nicht
erfüllt ist, gelten die vereinfachten Gleichungen für die Mittelwerte
Optische Abbildung
Es soll untersucht werden, wie sich die foto- Abb. 6.67 Strahlungsverhältnisse bei der optischen
metrischen Größen bei einer optischen Abbil- Abbildung
dung verhalten.
Abbildung 6.67 zeigt eine einfache Abbildung Le,1 ist die Strahldichte des Gegenstands. Wer-
eines Gegenstands mit der Fläche A1 durch den Verluste an der Linse vernachlässigt, so
eine Sammellinse. Das Bild hat die Fläche A2 . gelangt der gesamte Strahlungsfluss ins Bild
Der Strahlungsfluss, der von der Linse aufge- und wegen der Symmetrie gilt eine analoge
nommen wird, ist nach (6.81) Beziehung:
Φe = A1 Le,1 π sin2 ϕ1 Ω0 . (1) Φe = A2 Le,2 π sin2 ϕ2 Ω0 . (2)
540 6 Optik
Für schlanke Strahlenbüschel gilt sin ϕ ≈ ϕ, erhält man bei bekanntem Xe, λ durch Integra-
sodass aus (1) und (2) folgt tion:
dXe
Xe, λ = . (6.86)
dλ
c1 1 1
Le, λ (λ, T) = . (6.88)
λ5 ec2 /λT − 1 Ω0
h = 6,626 · 10−34 J s .
Der Verlauf der spektralen Strahldichte Le, λ Abb. 6.70 Spektrale Strahldichte eines schwarzen
über der Wellenlänge λ ist in Abb. 6.70 Strahlers
542 6 Optik
Mithilfe von thermodynamischen Überlegun- Ü 6.3-3 Mit einer Sammellinse (Brennglas) der Brenn-
gen fanden 1879 bzw. 1884 J. Stefan (1835 weite f = 100 mm und dem Durchmesser d1 = 40 mm
bis 1893) bzw. L. Boltzmann (1844 bis 1906), wird die Sonne auf ein Papier abgebildet. Der Sonnen-
durchmesser erscheint von der Erde aus unter dem
dass die abgestrahlte Leistung proportional
Winkel 32 . a) Welchen Durchmesser d2 hat das Son-
zur vierten Potenz der Temperatur ist: Le ∼ T 4 . nenbild? b) Wie groß ist die Bestrahlungsstärke Ee,2 auf
Dieses Stefan-Boltzmann’sche Gesetz wird übli- dem Papier, wenn die Bestrahlungsstärke am Ort der
cherweise für die spezifische Ausstrahlung Me Linse Ee,1 = 750 W/m2 beträgt?
geschrieben:
Strahlungsenergie Qe Ws Lichtmenge Qv lm s
Strahlungsleistung Φe W Lichtstrom Φv lm
spezifische Ausstrahlung Me W/m2 spezifische
Lichtausstrahlung Mv lm/m2
Strahlstärke Ie W/sr Lichtstärke Iv cd = lm/sr
Strahldichte Le W/(m2 sr) Leuchtdichte Lv cd/m2
Bestrahlungsstärke Ee W/m2 Beleuchtungsstärke Ev lx = lm/m2
Bestrahlung He W s/m2 Belichtung Hv lx s
Beispiel
6.3-2 Eine rote LED emittiert Licht der Wellen-
länge λ = 660 nm. Die Strahlungsleistung beträgt
Φe = 46 μW. Wie groß ist der Lichtstrom Φv ?
Lösung
Bei λ = 660 nm ist der Hellempfindlichkeitsgrad V(λ)
= 6,1 · 10−2 . Damit errechnet sich der Lichtstrom zu
Φv = 683 lm/W · 46 · 10−6 W · 6,1 · 10−2
= 1,9 · 10−3 lm .
Ist die Strahlung nicht monochromatisch son- Tabelle 6.6 Lichtstrom einiger Lichtquellen
dern spektral breitbandig, dann muss für die
Lichtquelle Lichtstrom
Berechnung des Lichtstroms über das sicht-
bare Spektrum integriert werden: Leuchtdiode (weiß) bis 200 lm
Glühlampe 230 V, 60 W 730 lm
Glühlampe 230 V, 100 W 1380 lm
nm
780
Leuchtstoffröhre 230 V, 40 W 2300 lm
Φv = Km Φe, λ (λ)V(λ) dλ . (6.93) Quecksilberdampflampe
380 nm 230 V, 125 W 5400 lm
Quecksilberdampflampe
230 V, 2000 W 125 000 lm
So wie die Strahlungsleistung nach der Bewer-
tung durch das Auge in den Lichtstrom umge-
wandelt wird, kann für jede andere strahlungs- Hieraus folgt sofort für den Umrechnungs-
physikalische Größe Xe eine entsprechende faktor Km der bereits genannte Wert Km =
lichttechnische Größe Xv angegeben werden. 683 (cd sr)/W = 683 lm/W. Als abgeleitete Ein-
Die Berechnung erfolgt nach heiten sind für den Lichtstrom das Lumen
(1 lm = 1 cd sr) und für die Beleuchtungs-
nm
780 stärke das Lux (1 lx = 1 lm/m2 ) eingeführt.
Xv = Km Xe, λ (λ)V(λ) dλ . (6.94) In Tabelle 6.6 sind einige in der Praxis vorkom-
mende Werte für den Lichtstrom zusammen-
380 nm
gestellt. Daten zur Beleuchtungsstärke zeigt
Tabelle 6.7. Die Anforderungen an die Beleuch-
Die Bezeichnungen dieser neuen lichttechni- tungsstärke in Innenräumen sind in DIN 5035
schen Größen sind zusammen mit ihren Maß- niedergelegt. Beleuchtungsstärken für Stra-
einheiten in Tabelle 6.5 den entsprechenden ßenbeleuchtung findet man in DIN 5044. Die
strahlungsphysikalischen Größen gegenüber- lichttechnischen Anwendungen sind in Ab-
gestellt. schn. 4.2.2.2, Abb. 4.49 und 4.50 dargestellt.
Die lichttechnischen Größen haben Maßein-
heiten, die mit der SI-Basiseinheit für die
Lichtstärke 1 cd (Candela) verknüpft sind. Tabelle 6.7 Daten zur Beleuchtungsstärke
Die Candela ist die Lichtstärke einer Strah-
Beleuchtung Beleuch-
lungsquelle, die monochromatische Strahlung tungsstärke
der Frequenz 540 · 1012 Hz in eine bestimmte
Richtung aussendet und deren Strahlstärke Sonne, Sommer 70 000 lx
in dieser Richtung Ie = 1/ 683 W/sr beträgt Sonne, Winter 5500 lx
Tageslicht, bedeckter Himmel 1000 bis
(Abschn. 1.3).
2000 lx
Licht mit der Frequenz f = 540 THz hat die Vollmond 0,25 lx
Wellenlänge λ = 555 nm. Der Hellempfind- Sterne ohne Mond, klare Nacht 10−3 lx
lichkeitsgrad ist in diesem Fall V(555 nm) = 1. Grenze der Farbwahrnehmung 3 lx
Somit gilt für die Lichtstärke 1 Candela Arbeitsplatzbeleuchtung, hohe
Ansprüche 1000 lx
1 W Wohnzimmerbeleuchtung 120 lx
Iv = 1 cd = Km Ie = Km . Straßenbeleuchung 1 lx bis 16 lx
683 sr
6.3 Radio- und Fotometrie 545
Bei der additiven Mischung zu „Weiß“ entsteht genau so erscheint, wie die Mischung aus
je nach Helligkeit der verwendeten Lichtquel- Grün und Blau (so genannte äußere Mi-
len die Reihe der unbunten Farben von Weiß schung):
über verschiedene Graustufen bis Schwarz.
Werden mithilfe von Farbfiltern aus weißem F + RR = GG + BB , oder
Licht spektrale Anteile entfernt, entsteht durch F = −RR + GG + BB .
subtraktive Farbmischung farbiges Licht (z. B.
beim Diapositiv). Wird eine bestimmte Farbe Die Nachteile negativer Farbmaßzahlen
aus dem Spektrum entfernt, so verbleibt als umgeht man durch eine rechnerische Ko-
Mischfarbe seine Komplementärfarbe. Mit ordinatentransformation auf ein anderes
drei passend gewählten Filtern (z. B. Blau- Primärvalenzsystem, in dem nur positive
grün, Gelb und Purpur) kann die ganze Reihe Farbmaßzahlen vorkommen. Von der CIE
der unbunten Farben erzeugt werden. Körper- wurde deshalb 1931 ein Normvalenzsystem
farben undurchsichtiger Körper beruhen auf mit den Normvalenzen X, Y und Z eingeführt.
selektiver Remission. So entsteht beispiels- Diese sind zwar physikalisch nicht erzeug-
weise das Blattgrün der Pflanzen dadurch, bar, trotzdem kann jede Farbe in diesem
dass das Chlorophyll im roten Spektralbereich virtuellen Primärvalenzsystem dargestellt
(640 ≤ λ ≤ 680 nm) absorbiert und des- werden:
halb die Komplementärfarbe grün vom Blatt
remittiert wird.
F = XX + YY + ZZ . (6.95)
Farbmaßzahlen
Eine Strahlung, die auf das Auge trifft und
Die Normfarbwerte X, Y und Z werden
schließlich eine bestimmte Farbempfindung
folgendermaßen berechnet:
auslöst, wird beschrieben durch die als
Farbreizfunktion ϕλ bezeichnete spektrale
Strahlungsverteilung. Zur Bestimmung der X =k ϕλ x(λ) dλ ,
Maßzahlen einer Farbe F kann man bei-
spielsweise durch additive Farbmischung Y =k ϕλ y(λ) dλ ,
aus den drei Primärvalenzen R, G und B
eine Farbe erzeugen, die der vorgegebenen Z =k ϕλ z(λ) dλ . (6.96)
Farbe gleich ist. In einem dreidimensionalen
Farbraum, der von den drei Basisvektoren
R, G und B aufgespannt wird, kann jede
k ist eine geeignet wählbare Konstante,
Farbe F eindeutig als Vektor dargestellt
x(λ), y(λ) und z(λ) sind die Normspektral-
werden:
werte, die durch Messungen mit Testpersonen
F = RR + GG + BB gefunden wurden und durch die CIE 1931
für den farbmetrischen Normalbeobachter mit
Die Farbmaßzahlen R, G und B sind nicht 2◦ -Gesichtsfeldgröße festgelegt wurde. Weitere
immer positiv. Insbesondere können viele Funktionen für ein Gesichtsfeld von 10° wur-
der hoch gesättigten Spektralfarben nur so den 1964 definiert. Die Normspektralwerte
gemischt werden, dass beispielsweise Rot sind in DIN 5033 in Schritten von Δλ = 5 nm
zusammen mit der auszumessenden Farbe tabelliert und in Abb. 6.73 dargestellt. In der
6.3 Radio- und Fotometrie 547
Der Unbuntpunkt E in Abb. 6.74 ist der Farb- Eine anschauliche Beschreibung einer Farbe
ort des energiegleichen Spektrums, d. h. ϕλ = ist auch möglich mithilfe der Helmholtz-
konstant. Er hat die Normfarbwertanteile x = Maßzahlen. Dies ist die Angabe der buntton-
y = z = 1/3. Die unbunte Farbe E entsteht aber gleichen Wellenlänge λd , der Sättigung oder
auch durch Mischung von zwei Kompensati- Buntheit sowie der Helligkeit (z. B. Normfarb-
onsfarben, die auf gegenüberliegenden Seiten wert Y oder Leuchtdichte Lv ). Die Sättigung
auf einer Geraden durch den Unbuntpunkt lie- wird durch den spektralen Farbanteil
gen, beispielsweise durch die Spektralfarben
mit λ = 490 nm und λ = 600 nm. FE yF − yn xF − xn
Dicht am Unbuntpunkt (Weißpunkt) vorbei pe = = = (6.98)
SE yS − yn xS − xn
führt der Kurvenzug der Farben des schwarzen
Strahlers. Der geringste Abstand liegt bei T ≈
5600 K. Zur Kennzeichnung der Farbart eines beschrieben. Dabei sind (xF , yF ) die Norm-
Strahlers kann die Farbtemperatur Tf verwen- farbwertanteile der zu beschreibenden Farb-
det werden. Das ist die Temperatur eines Plan- valenz F, (xn , yn ) die des Unbuntpunktes E und
ck’schen Strahlers, der dieselbe Farbart hat. (xS , yS ) die der bunttongleichen Spektralfarbe.
Liegt der Farbort des Strahlers nicht auf dem
Beispiel
Planck’schen Kurvenzug, kann lediglich eine
6.3-4 Welchen spektralen Farbanteil pe hat die Farbart
ähnlichste Farbtemperatur Tn angegeben wer-
des Punktes F in Abb. 6.74?
den.
Die Eckpunkte des gestrichelten Dreiecks in Lösung
Abb. 6.74 sind die Farborte der drei beim Entweder durch direktes Ausmessen oder durch Be-
rechnen der beiden sich schneidenden Geraden und
Farbfernsehen verwendeten Primärfarben. Sie
damit der Abstände FE und SE folgt pe = 0,693.
haben folgende Koordinaten: Rot: (0,67/ 0,33),
Grün: (0,21/ 0,71), Blau: (0,14/ 0,08). Innerhalb
In der Farbtafel von Abb. 6.74 weichen geome-
des gestrichelten Dreiecks liegen alle Farbar-
trische Abstände stark von den empfundenen
ten, die mit der Farbbildröhre darstellbar sind.
Farbabständen ab. Insbesondere ist der Be-
Damit können nahezu alle in der Natur vor-
reich der grünen Farben im Vergleich zu Rot
kommenden Farbarten nachgebildet werden.
und Blau stark ausgedehnt. Um eine bessere
Alle Farbarten, die sich durch Mischung von
Übereinstimmung zu erhalten, wurde 1976
zwei Farben herstellen lassen, liegen auf einer
von der CIE die UCS (Uniform Chromaticity
Geraden. Beispielsweise kann die Farbe F in
Scale)–Farbtafel eingeführt, die eine projek-
Abb. 6.74 durch Mischung der beiden Spektral-
tive Transformation der Normfarbtafel dar-
farben λ = 500 nm und λ = 540 nm erzeugt
stellt und deren Koordinaten u und v durch
werden, aber natürlich auch durch beliebige
folgende Transformationsgleichungen aus den
andere Kombinationen. Die Farbart F kann
Normfarbwertanteilen x und y hervorgehen:
auch aufgefasst werden als additive Mischung
von Weiß (Unbuntpunkt E) mit der Spektral-
farbe S (hier: λ = 520 nm). Alle Punkte auf der u =
4x
und (6.99)
Geraden EFS haben denselben Buntton (Farb- 3 − 2x + 12y
ton) aber unterschiedliche Sättigung. Die Wel- 9y
v = .
lenlänge des Punktes S wird als bunttongleiche 3 − 2x + 12y
Wellenlänge λd bezeichnet.
6.4 Wellenoptik 549
l = cτ (6.100)
erfüllt ist.
Die kurze Kohärenzlänge von Licht normaler
Lampen rührt daher, dass die Emissionsakte
der einzelnen Atome nicht miteinander kor-
reliert sind. Der Laser (Abschn. 6.5.4) ist eine
Lichtquelle, bei der die einzelnen Atome bei
der Lichtaussendung miteinander kooperieren
und ihr Licht jeweils phasengerecht aussen-
den. Dadurch entsteht ein fast monochromati- Abb. 6.76 Fresnel’scher Spiegelversuch
552 6 Optik
len, dazwischen löschen sie sich aus. Auf ei- Ü 6.4-2 Bei einem Experiment mit dem Fresnel’schen
ner Wand, die von den Lichtbündeln getroffen Winkelspiegel beträgt der Abstand der beiden virtuel-
wird, entsteht das unten stehende stationäre len Lichtquellen (Abb. 6.76) d = 0,6 mm. Im Abstand
D = 2 m von den Lichtquellen befindet sich eine Wand,
Interferenzbild. Die Ordnungszahl m gibt den
auf der die Interferenzstreifen beobachtet werden. Wie
Gangunterschied der interferierenden Wellen groß ist der Abstand Δx zwischen zwei Interferenz-
in Vielfachen der Wellenlänge an: Δ = mλ. streifen in der Nähe der Symmetrieachse, wenn als
Wie bereits in Abschn. 5.2.4.3 erwähnt, liegen Lichtquelle eine Natriumdampflampe mit λ = 589 nm
die Punkte konstruktiver Interferenz auf kon- verwendet wird?
fokalen Hyperbeln mit den Brennpunkten L1
und L2 . Die Hyperbeln entsprechen der Glei- 6.4.1.2 Interferenzen an dünnen Schichten
chung
√
2 d n2 − sin2 ε = (m + 1)λ . (6.108)
Beispiel
6.4-1 Eine Seifenlamelle mit der Dicke d = 350 nm
wird mit weißem Licht senkrecht beleuchtet. Welche
Farbe hat das von der Seifenhaut reflektierte Licht,
wenn der Brechungsindex n = 1,33 beträgt?
Lösung
Nach (6.107) wird Licht der Wellenlänge reflektiert, die
der Bedingung
n1 d1 = n2 d2 = λ/ 4 . (6.110)
An der Berührungsstelle der beiden Gläser ist sein, damit Licht mit der Wellenlänge λ = 633 nm
immer ein dunkler Fleck. Bei bekannter Licht- bei senkrechtem Einfall nicht reflektiert wird? b) Für
wellenlänge kann z. B. durch Ausmessen der welche Wellenlänge wird die Reflexion minimal, wenn
Licht unter ε = 45◦ zur Oberfläche einfällt?
Interferenzringe der Krümmungsradius R des
gekrümmten Glases berechnet werden.
Oberflächenprüfung 6.4.1.3 Interferometer
Beobachtet man Unregelmäßigkeiten im Sys- Interferometer sind optische Geräte, bei denen
tem der Newton’schen Kreisringe, so weist dies mithilfe von Lichtinterferenzen physikalische
darauf hin, dass bei der gekrümmten Fläche Größen, wie z. B. Länge, Brechzahl, Winkel und
Abweichungen von der idealen Kugelform vor- Wellenlänge, gemessen werden. Der wichtigste
liegen. (Die Ebenheit der Planplatte ist selbst- Interferometer-Grundtyp ist das Michelson-
verständlich Voraussetzung.) Allgemein kann Interferometer (A. A. Michelson, 1852 bis
man aus Unregelmäßigkeiten im System der 1931).
Fizeau-Streifen an Luftkeilen auf Oberflächen- Aufbau und Arbeitsweise des Michelson-
fehler der Platten schließen. Da der Abstand Interferometers sind schematisch in Abb. 6.81
zwischen zwei benachbarten Interferenzstrei- dargestellt. Von der Lichtquelle L fällt Licht un-
fen gleicher Dicke immer einer Dickenände- ter 45◦ auf den teilverspiegelten Strahlteiler T.
rung des Keils von einer halben Wellenlänge Dabei entstehen zwei unter 90◦ verlaufende
entspricht, können aus Verschiebungen der In- Teilstrahlen 1 und 2, die nach der Reflexion
terferenzstreifen Oberflächenfehler (z. B. Rau- an den Spiegeln S1 und S2 in sich selbst
igkeiten) im Bereich von Bruchteilen der Licht- zurückgeworfen werden. Die reflektierten
wellenlänge vermessen werden. Verschiedene Strahlen werden erneut durch den Strahlteiler
Interferenzmuster, die bei der Oberflächen- geteilt, sodass schließlich die Überlagerung
prüfung von Optikteilen entstehen, sind in der Strahlen 1 und 2 mithilfe der Fernrohrs F
DIN 3140, Teil 5, zusammengestellt. Mithilfe betrachtet werden kann. Die auftretenden
der Fizeau-Streifen werden Passfehler von Op- Interferenzerscheinungen können auch mit
tikbauteilen klassifiziert.
Zur Übung
Ü 6.4-3 Zur Bestimmung der Wellenlänge von mono-
chromatischem Licht werden Newton’sche Ringe nach
Abb. 6.80 ausgemessen. Die Plankonvexlinse hat die
Brennweite f = 5 m und den Brechungsindex n = 1,5.
Der zehnte dunkle Ring hat den Radius r10 = 4 mm.
Wie groß ist die Wellenlänge des Lichtes?
Ü 6.4-5 Eine Glasplatte (nG = 1,5) ist mit MgF2 (n = Abb. 6.81 Wirkungsweise des Michelson-
1,33) überzogen. a) Wie dick muss die Antireflexschicht Interferometers
558 6 Optik
Lichtes. Tatsächlich wird dies auch beobachtet, obachtungspunkt P auf dem Schirm liegen
wenn sich Lichtstrahlen ungestört im homo- in endlichem Abstand von der Öffnung. Bei
genen Raum ausbreiten. Sobald aber Hinder- der Fraunhofer’schen Beugung (J. Fraunho-
nisse die freie Ausbreitung stören, stellt man fer, 1787 bis 1826) liegt sowohl die Licht-
fest, dass Lichtstrahlen ihre Richtung ändern. quelle als auch der Beobachtungsschirm im
Sie werden an den Rändern der Hindernisse Unendlichen (Abb. 6.83b). Praktisch kann dies
gebeugt. Wie im Folgenden verdeutlicht, ist die nach Abb. 6.83c realisiert werden, indem Licht-
Abweichung von der geradlinigen Ausbreitung quelle und Schirm jeweils im Brennpunkt ei-
des Lichtes umso stärker, je kleiner die Dimen- ner Linse stehen. Alle folgenden Ableitungen
sionen der Öffnungen und Hindernisse sind, beziehen sich auf die Fraunhofer’sche Betrach-
an denen das Licht gebeugt wird. tungsweise; die Beugung nach Fresnel ist in
Bei der Untersuchung der Beugungserschei- Abschn. 6.4.1.9 beschrieben.
nungen unterscheidet man zwei Fälle der ex- Bei der Fraunhofer’schen Beugung am Spalt
perimentellen Ausführung, die in Abb. 6.83 entsteht auf einem Schirm die in Abb. 6.84
dargestellt sind. Abbildung 6.83a zeigt die gezeigte Helligkeitsverteilung. Ein zentraler
Beugung nach Fresnel. Lichtquelle L und Be- heller Streifen ist symmetrisch von dunklen
und hellen Streifen umgeben. Der Abstand der
Beugungsstreifen vergrößert sich mit abneh-
mender Spaltbreite und zunehmender Wellen-
länge.
Zur Ableitung der Beugungsverhältnisse am
Spalt sei nach Abb. 6.85 ein Spalt mit der
Breite b, der senkrecht zur Zeichenebene nicht
begrenzt sein soll, von links mit parallelem
Licht beleuchtet. Es treffen also ebene Wellen
auf den Spalt. Die Lichtintensität in einem be-
liebigen Punkt hinter dem Spalt kann mit Hilfe
des Prinzips von Huygens und Fresnel (Ab-
schn. 5.2.4.3) bestimmt werden. Danach sen-
det jeder Punkt auf einer Wellenfläche Kugel-
wellen aus, die im betrachteten Aufpunkt über-
lagert werden. In Abb. 6.85 sind innerhalb des
Spalts acht diskrete Sender solcher Elemen-
tarwellen im Abstand s angeordnet. Allgemein
seien es p Sender mit p → ∞. Die Intensität,
die in großer Entfernung vom Spalt in Rich-
Abbildung 6.87 zeigt die Intensitätsverhält- nung, die näherungsweise in der Mitte zwi-
nisse bei der Beugung am Spalt. Aufgetra- schen den Nullstellen liegen. Für die Lage der
gen ist die mathematische Funktion Iα / I0 = Nebenmaxima gilt
sin2 x/ x2 mit x = (πb/λ) sin α. Die Funktion
hat Nullstellen (physikalisch: Dunkelheit) für 1 λ
x = ±π, ±2π, ±3π und so fort. Daraus folgt, sinαm ≈ ± m + (6.115)
2 b
dass sich die Teilwellen völlig auslöschen in
den Richtungen mit den Winkeln αm , die ge-
geben sind durch die Beziehung mit m = 1, 2, 3, …
Beispiel
λ
sinαm = ±m (6.114) 6.4-3 Ein Spalt wird mit monochromatischem Licht
b eines HeNe-Lasers (λ = 633 nm) beleuchtet. Man be-
trachtet das Beugungsbild auf einer l = 8 m entfern-
ten Wand. Der Abstand zwischen den beiden Minima
mit der Ordnungszahl m = 1, 2, 3, … Es ist erster Ordnung beträgt s = 30 cm. Wie groß ist die
bemerkenswert, dass immer dann Dunkelheit Spaltbreite b?
herrscht, wenn die Wellen, die von den Rän-
Lösung
dern des Spalts ausgehen, einen Gangunter- Nach (6.114) gilt für die Winkel des ersten Minimums
schied von einem Vielfachen der Wellenlänge sin α1 = ±λ/ b. Der Abstand der beiden Minima ist
aufweisen. deshalb
Außer dem zentralen Hauptmaximum nullter
s = 2l tan α1 ≈ 2l sin α1 = 2l (λ/ b) .
Ordnung gibt es Nebenmaxima höherer Ord-
Die Spaltbreite beträgt
2l λ 2 · 8 m · 633 nm
b= = = 33,8 μm .
s 0,3 m
nach (6.118) lässt sich umrechnen in einen Objekt mit blauem Licht der Wellenlänge λ = 450 nm,
Mindestabstand y, den zwei Objektpunkte dann ist y = 200 nm.
haben müssen, damit sie getrennt werden:
Zur Übung
λ
y 0,61 . (6.119) Ü 6.4-9 Welchen Grenzwinkel können zwei Objekt-
AN punkte haben, damit sie mit dem Auge aufgelöst wer-
den? Der Pupillendurchmesser sei d = 2 mm. Der Glas-
körper des Auges hat den Brechungsindex n = 1,34.
Hierbei ist AN = n sin σ die numerische Aper- Die Berechnung soll für grünes Licht der Wellenlänge
tur des Objektivs; σ ist der halbe Öffnungs- λ = 550 nm durchgeführt werden. Vergleichen Sie das
winkel, unter dem das Objektiv vom Objekt Ergebnis mit dem physiologischen Grenzwinkel.
aus erscheint, n ist der Brechungsindex des
Mediums, das sich zwischen Objekt und Ob- Ü 6.4-10 Ab welcher Größe kann man Objekte auf dem
jektiv befindet. Gleichung (6.119) setzt vor- Mond mit dem bloßen Auge unterscheiden, wenn die
aus, dass man selbstleuchtende Objekte be- Augenpupille d = 4 mm Durchmesser hat?
trachtet. Ein Objekt das von einer Lampe be-
leuchtet wird und das Licht diffus ins Objektiv Ü 6.4-11 Ein Wanderer betrachtet eine s = 15 km weit
streut, kann wie ein Selbstleuchter angesehen entfernte Burg. An einer Burgwand befindet sich eine
werden. Beleuchtet man ein Objekt mit kohä- Fensterfront mit Fenstern im Abstand y = 1 m. a) Kann
rentem Licht, dann können an feinen Struk- er mithilfe eines Fernrohres 8×30 die Fensterreihe auf-
lösen? b) Welches Auflösungsvermögen hat sein Auge
turen der Objektoberfläche Beugungserschei-
bei einer Pupillengröße von d = 1,5 mm?
nungen auftreten, die das Auflösungsvermö-
gen bestimmen. Abbe zeigte, dass in diesem
Fall das Auflösungsvermögen gemäß y = λ/ AN
6.4.1.6 Beugung am Gitter
berechnet wird. Dieser Ausdruck stimmt bis
Mehrere Spalte, die nach dem Muster gemäß
auf den Faktor 0,61 mit (6.119) überein (Ab-
Abb. 6.91 in regelmäßigen Abständen ange-
schn. 6.6).
ordnet sind, bezeichnet man als Beugungs-
Aus den vorgenannten Überlegungen folgt:
gitter. Ein solches Gitter kann z. B. so herge-
stellt werden, dass in eine durchsichtige Glas-
Mit einem Mikroskop sind Objektstruk-
platte Striche eingeritzt werden, die lichtun-
turen in der Größenordnung der Licht-
durchlässig sind. Die Breite eines Spaltes sei b,
wellenlänge auflösbar.
der Abstand zweier Spalte ist die Gitterkon-
stante g. Senkrecht zur Zeichenebene seien
die Spalte unbegrenzt. Bei Fraunhofer’scher
Beispiel
Beobachtung fällt von links her ein paralle-
6.4-5 Welchen kleinsten Abstand zweier Objekt-
punkte kann man mit einem Lichtmikroskop noch les Lichtbündel (ebene Wellen) auf das Gitter.
auflösen? Beobachtet wird die in Richtung des Winkels α
abgebeugte Intensität Iα in unendlich großer
Lösung
Entfernung (Abb. 6.83b).
Mikroskope mit Ölimmersion haben eine maximale
Zur Berechnung der abgebeugten Intensität Iα
numerische Apertur von etwa AN = 1,4. Nach (6.119)
gilt dann y = 0,44 λ. Dies bedeutet also praktisch, dass bei insgesamt p Spalten werden entsprechend
zwei Teilchen dann getrennt werden, wenn ihr Abstand Abb. 6.85 die Feldstärken von p interferieren-
eine halbe Wellenlänge beträgt. Beleuchtet man das den Wellen addiert.
6.4 Wellenoptik 565
πb
sin2 sinα
Iα λ
= ·
I0 πb 2
sinα
λ
πg
sin2 p sinα
· λ
π . (6.120)
Abb. 6.92 Beugung am Doppelspalt; Spaltbreite
g b = 106 μm, Spaltabstand g = 609 μm a)
p2 sin2 sinα
λ theoretische Intensitätsverteilung, b) Fotografie des
Beugungsbildes
566 6 Optik
Für die allgemeine Untersuchung des Auftre- mit m = 0, 1, 2, … erfüllen. Bei diesen Win-
tens von Maxima und Minima wird zunächst keln beträgt der Gangunterschied benachbar-
die Interferenzfunktion ter Wellen ein ganzzahliges Vielfaches der Wel-
sin2 (p z) πg lenlänge. Das Ergebnis stimmt mit (5.209)
I2 = mit z = sinα und (6.105) überein, die die konstruktive In-
p2 sin2 (z) λ
terferenz beim Doppelspalt beschreiben.
betrachtet. Wie Abb. 6.93 zeigt, hat diese Zwischen den Hauptmaxima liegen p − 2
Funktion Hauptmaxima bei den Stellen Nebenmaxima, deren Höhen im Vergleich
z = 0, ±π, ±2π… Hauptmaxima treten also zu den Hauptmaxima mit steigender Strich-
auf unter den Winkeln αm , die die Gleichung zahl p immer schwächer werden. Bei den
üblicherweise verwendeten großen Linien-
λ zahlen der optischen Gitter ist die Intensität
sinαm = ±m (6.121)
g der Nebenmaxima praktisch vernachlässig-
bar. Die Hauptmaxima werden mit steigender
Strichanzahl p immer schärfer. Die zuneh-
mende Schärfe der Linien mit steigender
Strichanzahl ist typisch für die Vielstrahlinter-
ferenz. Je mehr Teilwellen an der Interferenz
beteiligt sind, umso schärfer werden die
Bedingungen für konstruktive Interferenz.
Typische Gitter kommerzieller Spektrometer
haben 1000 und mehr Striche pro mm. Bei
einer Breite von 50…100 mm kann man also
mit p ≈ 100 000 Spalten rechnen.
Die gesamte theoretische Beugungsfunk-
tion (6.120) ist in Abb. 6.94 für den Fall p = 40
und g = 10 b dargestellt. Die Winkel der
Hauptmaxima entsprechen (6.121). Ihre In-
tensität nimmt nach außen geringfügig ab. Alle
Linien befinden sich noch im Hauptmaximum
der Spaltfunktion. Abbildung 6.95 zeigt Fotos
der Beugungsbilder, die in großem Abstand
hinter zwei verschiedenen Gittern entstanden.
In Abb. 6.95b erkennt man besonders deutlich
die abnehmende Intensität mit zunehmender
Ordnungszahl der Beugungsmaxima.
Der Abstand der Maxima vergrößert sich,
wenn das Gitter gedreht wird. Das einfallende
Licht trifft dann nicht mehr senkrecht auf das
Gitter, sondern nach Abb. 6.96 unter dem Ein-
fallswinkel β. Wie man sich leicht klar macht,
Abb. 6.93 Interferenzfunktion bei p = 2, 4 und 8 beträgt der Gangunterschied zwischen zwei
Spalten interferierenden Wellen Δ = g(sinα − sinβ).
6.4 Wellenoptik 567
λ
Beugungsmaxima treten auf unter den Win- y (6.123)
AN
keln αm , die der Beziehung
Ü 6.4-14 Ein Strichgitter mit 1000 Strichen/mm wird Abbildung 6.97 zeigt den schematischen
mit gelbem Natriumlicht der Wellenlänge λ = 589 nm Aufbau eines Spektrometers bzw. Mono-
durchstrahlt. a) Unter welchem Winkel α1 zur Git- chromators nach Czerny-Turner. Das durch
ternormalen liegen die Beugungsmaxima erster Ord-
den Eintrittsspalt E eintretende Licht wird
nung? b) Das Gitter wird um β = 10◦ gedreht. Welche
Winkel α1 ergeben sich jetzt für die erste Ordnung?
mithilfe des Hohlspiegels S1 als paralleles
Lichtbündel auf das Reflexionsgitter G gewor-
fen. Das abgebeugte Lichtbündel wird durch
den Hohlspiegel S2 auf den Austrittsspalt A
6.4.1.7 Spektralapparate
fokussiert. Welche Wellenlänge durchgelassen
Zur Messung von Lichtwellenlängen wurden wird, hängt von der Winkelstellung des Gitters
verschiedene Spektralapparate entwickelt, die ab. Das Gitter wird mit einem geeigneten
je nach Verwendungszweck etwas anders ge- Getriebe langsam gedreht, sodass die durch-
baut sind. In Tabelle 6.10 sind einige Geräte gelassene Wellenlänge proportional zur Zeit t
angeführt. Das Herz aller Spektralapparate ist anwächst. Stellt man hinter den Austrittsspalt
entweder ein Prisma oder ein Gitter, mit de- eine Fotodiode mit nachgeschaltetem Verstär-
ren Hilfe das Spektrum der verschiedenen ker, dann kann auf einem x, t-Schreiber ein
Lichtwellenlängen räumlich auseinandergezo- Spektrum aufgezeichnet werden. Auf diese
gen wird. Weise entstand z. B. das Spektrum der LED
von Abb. 6.68.
Tabelle 6.10 Spektralapparate Reflexionsgitter moderner Spektrometer sind
fast immer als Echelette-Gitter (frz. echelette:
Spektroskop Beobachtung eines Spektrums
kleiner Maßstab) ausgeführt. In eine Glas-
mit dem Auge. Häufig als
Tascheninstrument in der oberfläche wird mit einem Diamanten ein sä-
analytischen Chemie eingesetzt. gezahnähnliches Profil eingeritzt, wie es in
Spektrograph Komplettes Spektrum wird auf Abb. 6.98 gezeigt ist. (Bei den holografischen
Fotoplatte registriert. Ver- Gittern wird das Profil auf fotochemischem
gleich mit Eichspektrum be- Weg geätzt.) Beim Einfallswinkel β ist der Beu-
kannter Spektrallinien liefert gungswinkel αm für die m-te Ordnung wieder
die Wellenlänge. Schwärzung
ist Maß für die Lichtintensität.
durch (6.122) gegeben. Will man nun in eine
bestimmte Ordnung m besonders viel Licht be-
Spektrometer Wellenlängenbestimmung ein-
zelner Spektrallinien anhand
einer geeichten Wellenlängen-
skala über Winkelmessung.
Monochromator Ausblenden eines schmalban-
digen Wellenlängenbereichs
aus einem angebotenen Spek-
trum.
Spektral- Kombination von Monochro-
fotometer mator und fotoelektrischem
Empfänger (Fotomultiplier)
zur Bestimmung spektraler
Stoffdaten, wie z. B. Absorp-
tionsgrad und Transmissions-
grad.
Abb. 6.97 Gittermonochromator, schematisch
6.4 Wellenoptik 569
λ
Δλ = . (6.126)
m
Beispiel
6.4-6 Mit einem Gitter mit der Strichanzahl
p = 120 000 bei 1200 Strichen/mm sollen die beiden
Natrium-D-Linien getrennt werden. Ist dies möglich?
Wie groß ist der nutzbare Wellenlängenbereich Δλ?
Abb. 6.99 Zum Auflösungsvermögen eines Gitters. Die Die Wellenlängen betragen λ1 = 589,5930 nm und
Beugungsfunktion für die Wellenlänge λ ist schwarz λ2 = 588,9963 nm.
570 6 Optik
a (cos α − cos α0 ) = h λ ,
b (cos β − cos β0 ) = k λ ,
c (cos γ − cos γ0 ) = l λ (6.129)
Beispiel
6.4-7 Die Strahlung einer Röntgenröhre mit Mo-
lybdänanode fällt auf einen LiF-Kristall mit 2 d =
4,027 · 10−10 m. Wie groß ist die Wellenlänge der Rönt-
genstrahlung, wenn der Reflex erster Ordnung unter
dem Glanzwinkel Θ = 10,15 ◦ auftritt?
Abb. 6.108 Prinzip der Holografie. a) Überlagerung einer Kugelwelle des Punktes P mit einer ebenen
Referenzwelle, b) Hologramm (Fresnel’sches Zonensystem), c) Wiedergabe des Bildes
mentarwelle, dann ändert sich auch die Form Zonensystem gemäß Abb. 6.108b als Interfe-
der resultierenden Wellenfront. renzmuster. Zur Wiedergabe des Bildes wird
Bei der gewöhnlichen Fotografie geht der nach Abb. 6.108c das entwickelte Hologramm
räumliche Eindruck verloren, weil die Schwär- H nur noch mit der Referenzwelle beleuchtet.
zung des Films nur von der Intensität (Ampli- Das Hologramm wirkt wie ein Strichgitter, an
tudenquadrat) der Lichtwelle abhängt, nicht dem die Referenzwelle gebeugt wird. (Die ab-
aber von ihrer Phase. Die Information, die in rupten Übergänge zwischen undurchsichtigen
der Phasenlage steckt, geht verloren. Bei der und transparenten Stellen sind in Wirklichkeit
Holografie wird diese Information dadurch stetig.) Ein Teil der gebeugten Strahlen trifft
konserviert, dass die Welle, die vom Objekt sich im reellen Bildpunkt Pr , der andere Teil
ausgeht, mit einer sog. Referenzwelle zur Inter- divergiert und scheint aus dem virtuellen
ferenz gebracht wird. Das auf einer Fotoplatte Bildpunkt Pv zu kommen. Damit wurde ein
registrierte Interferenzmuster enthält dann Bild des Gegenstands entworfen. Erwäh-
Informationen über Amplitude und Phase der nenswert ist, dass eine Zonenplatte parallele
Wellen. Lichtstrahlen bündelt wie eine Sammellinse;
Das Prinzip sei zunächst anhand von man nennt sie deshalb auch Zonenlinse.
Abb. 6.108 demonstriert. In Abb. 6.108a ist Bei der Aufnahme eines Hologramms eines
eine kugelförmige Objektwelle, die von einem ausgedehnten Objekts O wird nach Abb. 6.109a
Objektpunkt P ausgeht, mit einer ebenen Refe- ein Laserstrahl L in zwei Teilstrahlen zerlegt,
renzwelle gleicher Wellenlänge zur Interferenz von denen einer das Objekt beleuchtet, der an-
gebracht. Orte gleicher Phase (Verstärkung) dere (rot) als Referenzstrahl verwendet wird.
der Wellen sind als ausgezogene Linien ge- Die einzelnen Objektpunkte senden Kugelwel-
zeichnet, Orte mit entgegengesetzter Phase len aus, sodass auf der Fotoplatte F ein kom-
(Auslöschung) sind gestrichelt dargestellt. Ein pliziertes Interferenzmuster entsteht. Nach der
Film F wird an den Stellen maximaler Ampli- Entwicklung hat das Hologramm etwa das
tude geschwärzt; es entsteht das Fresnel’sche Aussehen eines Gewirrs von Fingerabdrücken.
576 6 Optik
Archivierung von Vergleich eines Werk- Zerstörungsfreie Werk- Ersatz von lichtbre-
– dreidimensionalen stückes mit einem holo- stoffprüfung, Vermessen chenden optischen
Bildern, z. B. Werk- grafisch fixierten Mus- von Bewegungen und Bauteilen wie Linsen,
stücke, Modelle, ter, automatische Form- Verformungen aufgrund Spiegel, Prismen,
Kunstwerke, erkennung, Erkennung mechanischer oder ther- Strahlteiler durch
– zweidimensionalen von Formfehlern an mischer Belastung, Hologramme.
Bildern, wie Ätzmas- Werkstücken und Werk- Schwingungsanalyse Holografische Her-
ken für Halbleiter- zeugen. stellung von Beugungs-
fertigung, digitale gittern.
optische Datenspei-
cher.
tion wieder das gesamte dreidimensionale Bild Weicht die Form des Prüflings vom Muster
liefert (allerdings konstrastärmer als das Bild ab, so wird ein abweichender Fotostrom re-
eines vollständigen Hologramms). Ein Holo- gistriert, dessen Abweichung vom Sollwert
gramm ist daher ein gegen Informationsver- ein Maß für den Formfehler des Objektes ist.
lust geschützter Speicher. Hat man digitale Da- Dieses Prüfverfahren ist kaum zeitaufwändig
ten in Form von ebenen Punktmustern vorlie- und kann automatisiert werden.
gen, dann kann man auf einem Hologramm Die Interferenzholografie ist eine wichtige
mehrere hundert Vorlagen abspeichern. Dazu Methode in der zerstörungsfreien Werkstoff-
wird nach jeder Aufnahme das Hologramm prüfung, der Verformungs- und Schwin-
um einen definierten Winkel gedreht (Winkel- gungsanalyse von Bauteilen. Bewegungen
kodierung). Bei der Wiedergabe kann je nach oder Verformungen aufgrund mechanischer
Winkel zwischen Hologramm und Referenz- oder thermischer Belastungen werden durch
welle ein bestimmtes Teilbild ausgelesen wer- Interferenzstreifen sichtbar. Es sind meh-
den. Man rechnet mit einer Speicherkapazität rere Methoden in der Praxis gebräuchlich.
von 1011 bis 1012 bit auf einem Hologramm. Beim Doppelbelichtungsverfahren werden
Bei der holografischen Korrelation wird zu- hintereinander zwei Hologramme des Ob-
nächst von einem Muster ein Hologramm jekts auf einer Fotoplatte aufgenommen. Hat
aufgenommen. Bei der Wiedergabe sitzt ein sich der Gegenstand zwischen den beiden
Bauteil, das mit dem Muster verglichen wer- Aufnahmen verformt, dann ist sein Bild mit
den soll, an der Stelle des Objekts. Beleuchtet Interferenzlinien überzogen, aus denen der
man das Hologramm nur noch mit der Ob- Grad der Verformung abgelesen werden kann.
jektwelle (Referenzwelle ausgeschaltet), dann Beim Echtzeitverfahren wird nur ein Holo-
wird durch Beugung der Objektwelle am gramm eines Objektes aufgenommen. Bei
Hologramm die Referenzwelle rekonstruiert, der Betrachtung wird das Objekt selbst nicht
die auf einen Fotodetektor fokussiert werden entfernt. Dadurch kommt es zur Interferenz
kann. Dies gelingt ideal, wenn die beiden zwischen dem Bild des Hologramms und dem
zu vergleichenden Bauteile formgleich sind. Objekt selbst. Man kann nun das Objekt z. B.
578 6 Optik
6.4.2.1 Einführung
Durch die Experimente der Beugung und In-
terferenz wird die Wellennatur des Lichtes be-
wiesen. Die Väter der Wellenlehre, die For-
scher Huygens, Fresnel und Young, dachten da-
bei an eine longitudinale Welle, bei der sich ein
bestimmter Zustand in einem „Äther“ ausbrei-
Abb. 6.111 Interferenzholografische Aufnahme der
tet, analog zu den Schallwellen in Gasen. Durch
Bremsklappe eines Flugzeugs. Die Interferenzlinien
zeigen die Verformung des aus CFK bestehenden einen Zufall fand E. L. Malus (1775 bis 1812)
Bauteils bei Erwärmung. Werkfoto: Dornier GmbH, im Jahr 1808, dass Licht eine „Seitlichkeit“ auf-
Friedrichshafen weist. Er blickte durch ein Kalkspatprisma auf
ein Fenster, in dem sich das Sonnenlicht spie-
gelte. Durch Drehen des Prismas veränderte
durch mechanische Belastung deformieren sich die Helligkeit; unter einem bestimmten
und die Formänderung in Echtzeit beobach- Blickwinkel wurde gar kein Licht vom Prisma
ten. Die Zeitmittelholografie ist eine Methode durchgelassen. Malus zog daraus den Schluss,
zur Schwingungsanalyse. Hierbei wählt man dass das Licht bei der Reflexion am Fensterglas
zur Belichtung des Hologramms eine Zeit, seinen natürlichen Charakter verlor, es wurde
die groß ist gegen die Schwingungsdauer. polarisiert.
Dadurch entstehen helle Knotenlinien und Seit Maxwell weiß man, dass Licht eine trans-
dunkle Schwingungsbäuche. Abbildung 6.111 versale elektromagnetische Welle ist, bei der
zeigt eine Doppelbelichtungsaufnahme eines sich ein elektrisches und magnetisches Feld,
Bauteils, das sich infolge Erwärmung verformt charakterisiert durch die elektrische und
hat. magnetische Feldstärke E und H, mit Lichtge-
Mithilfe von Hologrammen können optische schwindigkeit ausbreitet. Abbildung 5.50 zeigt
Bauteile ersetzt werden, die zum Teil sehr ar- ein Momentbild einer ebenen elektromagneti-
beitsintensiv aus Glas gefertigt werden. Ein schen Welle. Die Feldvektoren E und H stehen
Beispiel ist die fokussierende Wirkung der Zo- senkrecht aufeinander und schwingen gleich-
nenplatte in Abb. 6.108c. phasig. Natürliches Licht besteht aus kurzen
Wellenzügen, die völlig regellos mit willkür-
Zur Übung
lichen Schwingungsrichtungen ausgestrahlt
Ü 6.4-21 Welche Radien haben die Kreisringe ma-
werden (Abschn. 6.4.1.1). Da im zeitlichen
ximaler Schwärzung der Fresnel’schen Zonenplatte
nach Abb. 6.108b, wenn die Entfernung des Punktes P Mittel jede Schwingungsrichtung vorkommt,
vom Film s = 50 cm und die Wellenlänge des Lasers ist senkrecht zur Ausbreitungsrichtung keine
λ = 633 nm beträgt? Richtung ausgezeichnet.
6.4 Wellenoptik 579
Natürliches Licht kann mithilfe eines Po- Stehen Polarisator und Analysator gekreuzt
larisators (Abschn. 6.4.2.2) polarisiert wer- (ϕ = 90◦ ), dann lässt der Analysator kein Licht
den. Abbildung 6.112 zeigt eine solche li- durch.
near polarisierte Welle. Der E-Vektor des Abbildung 6.113 zeigt zwei Lichtwellen, bei de-
Lichts schwingt in der Schwingungsebene, nen die elektrischen Feldvektoren E in zwei
die durch den Polarisator P vorgegeben zueinander senkrechten Ebenen schwingen.
wird. Senkrecht zu dieser Ebene schwingt Sind die Amplituden E gleich groß und beträgt
der H-Vektor (nicht gezeichnet) in der Po- der Gangunterschied der Wellen λ/ 4 (Phasen-
larisationsebene. Um nachzuweisen, dass differenz π/ 2), dann läuft der resultierende
das natürliche Licht durch den Polarisator Feldvektor auf einer Schraubenlinie um die
linear polarisiert wurde, schickt man das z-Achse. Licht dieser Art nennt man zirku-
Licht durch einen Analysator A, der wie der lar polarisiert. In Abb. 6.113 handelt es sich
Polarisator aufgebaut ist. Ist die Analysa- um eine rechts zirkulare Polarisation; hierbei
torrichtung um den Winkel ϕ gegenüber läuft der E-Vektor auf einer Rechtsschraube.
der Schwingungsrichtung verdreht, dann Trifft diese rechts zirkular polarisierte Welle
wird vom elektrischen Feldvektor E nur die auf einen Analysator A, dann läuft der E-
Projektion E cos ϕ vom Analysator durch- Vektor, wenn man der Welle entgegenblickt,
gelassen. (Hinter dem Analysator schwingt im Uhrzeigersinn auf einem Kreis. Dies be-
das Licht in Richtung der Analysatorachse.) deutet, dass im zeitlichen Mittel zirkular pola-
Das Gesetz von Malus beschreibt den Zusam- risiertes Licht durch einen einfachen Analysa-
menhang zwischen den Intensitäten I0 und I tor nicht ausgelöscht werden kann. Dazu muss
vor und hinter dem Analysator sowie dem erst mithilfe eines λ/ 4-Plättchens der Gang-
Winkel ϕ: unterschied zwischen den beiden Teilwellen
rückgängig gemacht werden, sodass man wie-
der linear polarisiertes Licht erhält, das durch
I = I0 cos2 ϕ . (6.131)
einen quer stehenden Analysator ausgelöscht
werden kann.
Sind bei der Überlagerung von zwei senkrecht
zueinander schwingenden Teilwellen entwe-
Abb. 6.112 Linear polarisiertes Licht Abb. 6.113 Zirkular polarisiertes Licht
580 6 Optik
der die Amplituden nicht gleich oder ist der mit n als dem Brechungsindex. Dieses
Gangunterschied von λ/ 4 verschieden, dann Brewster’sche Gesetz (D. Brewster, 1781 bis
läuft der resultierende Feldvektor auf einer el- 1868) liefert für Kronglas mit der Brechzahl
liptischen Schraube; das Licht ist elliptisch po- n = 1,51 den Polarisationswinkel εp = 56,5◦ .
larisiert. Zur Erklärung des Brewster’schen Gesetzes
Durch Interferenzversuche stellt man fest, wird in Abb. 6.114 ein beliebiger E-Vektor
dass senkrecht zueinander polarisierte Wellen des einfallenden natürlichen Lichtes in zwei
nicht miteinander interferieren; die Intensitä- Komponenten zerlegt, wobei E⊥ senkrecht zur
ten addieren sich einfach. Einfallsebene, E parallel zur Einfallsebene
schwingt. Die ins Glas eindringende elektro-
6.4.2.2 Erzeugung von polarisiertem Licht magnetische Welle regt die Elektronen des
Glases zu erzwungenen Schwingungen an, die
Reflexion und Brechung dann ihrerseits nach den Maxwell’schen Glei-
Natürliches Licht, das auf eine Glasoberflä- chungen elektromagnetische Wellen abstrah-
che fällt, ist nach der Reflexion teilweise po- len. Die Abstrahlcharakteristik ist wie bei ei-
larisiert, und zwar so, dass E-Vektoren, die ner linearen Antenne so geartet, dass in der
senkrecht zur Einfallsebene schwingen, do- Schwingungsrichtung nichts abgestrahlt wird
minieren. Das reflektierte Licht ist vollstän- (Abb. 6.114b), während senkrecht zur Schwin-
dig polarisiert, wenn der Einfallswinkel so ge- gungsrichtung die Abstrahlung maximal ist
wählt wird, dass der reflektierte und der ge- (Abb. 6.114a).
brochene Strahl aufeinander senkrecht stehen. Der gebrochene Strahl enthält vorwiegend
Die Schwingungsrichtung ist dabei senkrecht Feldvektoren, die in der Einfallsebene schwin-
zur Einfallsebene. Nach Abb. 6.114 ist der er- gen. Lässt man einen Lichtstrahl unter dem
forderliche Einfallswinkel εp , der als Polarisati- Brewster’schen Winkel auf einen Stapel von
onswinkel oder Brewster’scher Winkel bezeich- Glasplatten fallen, dann ist das durchge-
net wird, aus dem Brechungsgesetz ableitbar: hende Licht praktisch vollständig parallel zur
Einfallsebene polarisiert.
sin εp = n sin (90◦ − εp ) = n cos εp oder
Doppelbrechung
Blickt man durch einen isländischen Kalkspat
tan εp =n (6.132) (CaCO3 ) auf ein beschriebenes Papier, dann
erscheint die Schrift doppelt, wie Abb. 6.115
zeigt. Dieser Effekt der Doppelbrechung ist
auf die anisotropen optischen Eigenschaften
des Kristalls zurückzuführen. (Anisotropie
bedeutet, dass physikalische Eigenschaf-
ten von Stoffen, besonders von Kristallen,
richtungsabhängig sind.) Der Kalkspat lässt
sich leicht spalten; hierbei nehmen seine
Spaltflächen die Form eines Rhomboeders
Abb. 6.114 Zum Brewster’schen Gesetz: an. Das in Abb. 6.116 gezeichnete regelmä-
a) Schwingungsrichtung senkrecht zur Einfallsebene, ßige Rhomboeder hat als Spaltflächen sechs
b) Schwingungsrichtung in der Einfallsebene Rhomben (Rauten), bei denen jeweils zwei
6.4 Wellenoptik 581
Abb. 6.115 Doppelbrechender Kalkspat nete Ebene, die sowohl den Lichtstrahl als
auch die optische Achse enthält, wird Haupt-
schnitt genannt. Es zeigt sich, dass der Licht-
strahl in zwei Teilstrahlen aufspaltet. Der or-
dentliche Strahl o geht ungebrochen durch die
Grenzfläche, wie man es von den Gläsern ge-
wohnt ist. Der außerordentliche Strahl e (ex-
traordinär) wird seitlich abgelenkt. Eine Un-
tersuchung mit Hilfe eines Analysators zeigt,
Abb. 6.116 Optische Achse eines Kalkspats dass die beiden Strahlen senkrecht zueinan-
der polarisiert sind. Beim ordentlichen Strahl
gegenüberliegende Winkel 102◦ bzw. 78◦ liegt die Schwingungsrichtung senkrecht zum
betragen. Die strichpunktierte Achse geht Hauptschnitt, beim außerordentlichen liegt sie
durch zwei gegenüberliegende Ecken, an im Hauptschnitt.
denen drei 102◦ -Winkel zusammenstoßen. Die Geschwindigkeit, mit der sich ordentliche
Sie wird kristallografische Hauptachse oder Strahlen ausbreiten, ist in jeder Raumrichtung
optische Achse genannt. Sie ist eine dreizählige gleich. Wellenflächen von Elementarwellen
Symmetrieachse des Kristalls. sind daher Kugeln. Bei außerordentlichen
In Abb. 6.117 fällt ein Strahl senkrecht auf Strahlen ist die Lichtgeschwindigkeit rich-
eine Spaltfläche eines Kalkspats. Die gezeich- tungsabhängig. Wellenflächen sind in diesem
Fall Rotationsellipsoide, wie sie in Abb. 6.118
dargestellt sind. In Richtung der optischen
Achse ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit
für beide Polarisationsrichtungen gleich.
Senkrecht dazu ergeben sich die größten
Abweichungen. In negativen Kristallen ist die
Lichtgeschwindigkeit des außerordentlichen
Strahls größer, in positiven kleiner als die
des ordentlichen Strahls. Quantitativ wird
dies beschrieben durch zwei verschiedene
Abb. 6.117 Strahlenverlauf im Hauptschnitt eines Brechungsindizes; Tabelle 6.12 enthält einige
Kalkspats Zahlenwerte.
582 6 Optik
Tabelle 6.12 Brechzahlen einachsiger Kristalle für der senkrecht polarisierte Teilstrahlen zerlegt
gelbes Natrium-Licht (Wellenlänge λ = 589 nm) wird, kann man nutzen, um Polarisatoren her-
zustellen. Durch eine geeignete Anordnung ist
Substanz no ne ne − no Bezeich- dafür zu sorgen, dass ordentlicher und außer-
nung
ordentlicher Strahl voneinander getrennt wer-
Kalkspat 1,6584 1,4864 −0,1720 negativ den. Es wurden verschiedene Polarisations-
Turmalin 1,6425 1,6220 −0,0205 prismen konstruiert, die diese Aufgabe erfül-
Quarz 1,5442 1,5533 +0,0091 positiv len. W. Nicol (1768 bis 1851) entwickelte 1828
Rutil 2,6158 2,9029 +0,2871 das erste brauchbare Prisma. Am häufigsten
wird heute das in Abb. 6.120 gezeigte Prisma
von P. Glan (1877) und S. P. Thompson (1883)
Abbildung 6.119 zeigt das Zustandekommen benutzt. Bei diesem Kalkspatprisma steht die
der verschiedenen Laufrichtungen im Kris- optische Achse senkrecht zur Zeichenebene.
tall. An den Auftreffstellen der einfallenden Das Prisma wird diagonal durchgeschnitten
Strahlen werden Huygens’sche Elementarwel- und anschließend wieder z. B. mit Kanadabal-
len ausgesandt (Abschn. 5.2.4.3). Als Einhül- sam verkittet. Treffen die einfallenden Strahlen
lende der Kugeln bzw. Ellipsoide ergeben sich an die verkittete Grenzfläche, dann wird der
zwei verschiedene Wellenfronten und damit ordentliche Strahl total reflektiert, denn der
ein Auseinanderlaufen der ordentlichen und Brechungsindex n = 1,542 von Kanadabalsam
außerordentlichen Strahlen. ist kleiner als der Brechungsindex von Kalk-
Die Tatsache, dass natürliches Licht in einem spat für den ordentlichen Strahl. An der ge-
doppelbrechenden Kristall in zwei zueinan- schwärzten Seitenwand des Prismas wird der
ordentliche Strahl absorbiert, während der au-
ßerordentliche das Prisma verlässt.
Bei einem Kalkspat, in den das Licht senkrecht
zur optischen Achse eintritt (wie beim Glan-
Thompson-Prisma), findet keine Aufspaltung
der beiden Teilstrahlen statt, wie man sich
leicht anhand von Abb. 6.121 überzeugt.
Da aber die außerordentliche Wellenfront e
schneller fortschreitet als die ordentliche
o, besteht nach Verlassen des Kristalls zwi-
schen den beiden senkrecht zueinander
polarisierten Teilwellen ein Gangunterschied
Δ = d(no − ne ). Dieser Effekt wird ausgenutzt
zur Herstellung von elliptisch oder zirkular
Dichroismus
Einige doppelbrechende Kristalle absorbie-
ren sichtbares Licht (sie sind farbig) in der
Weise, dass das Absorptionsmaximum für
den ordentlichen Strahl bei einer anderen
Wellenlänge liegt als jenes für den außer-
ordentlichen. Beleuchtet man sie mit linear
polarisiertem Licht, so erscheinen sie je
nach Schwingungsrichtung in verschiedenen
Farben (Dichroismus). Ein klassischer Ver-
treter dieser Gruppe ist der grüne Turmalin.
Bestrahlt man eine etwa 1 mm dicke Turma-
linplatte mit natürlichem Licht, dann wird der
Abb. 6.121 Senkrechter Lichteinfall auf einen Kalk-
ordentliche Strahl praktisch vollständig ab-
spat, der parallel zur optischen Achse geschnitten ist sorbiert und nur der außerordentliche verlässt
(geschwächt) den Kristall.
Moderne Polarisationsfolien bestehen aus
polarisiertem Licht. Dazu lässt man linear Kunststoffen, die mit dichroitischen Farb-
polarisiertes Licht, dessen Schwingungsrich- stoffen eingefärbt sind. Eine einheitliche
tung unter 45◦ zur optischen Achse geneigt Ausrichtung der Farbstoffmoleküle wird
ist, auf den Kristall fallen. Der E-Vektor wird erreicht durch mechanische Reckung der
dann im Kristall in zwei gleich große, aufein- Kunststoffe oder durch Ausrichtung in elek-
ander senkrecht stehende Anteile zerlegt. Die trischen oder magnetischen Feldern. Solche
Zusammensetzung der Teilwellen hinter dem Polaroid-Filter sind sehr großflächig herstell-
Kristall ergibt zirkular polarisiertes Licht, bar. Abbildung 6.122 zeigt die Wirkungsweise
falls der Gangunterschied ein ungeradzahliges von zwei Polarisationsfolien. Der erreichbare
Vielfaches von λ/ 4 beträgt, d. h., wenn die Polarisationsgrad liegt meist unter 99%. Für
Beziehung
λ
d (no − ne ) = (2k + 1) (6.133)
4
exakte Messungen verwendet man deshalb im Bild dunkle Linien, die Isoklinen, die
auch heute noch Polarisationsprismen. Punkte gleicher Hauptspannungsrichtung
verbinden. Bei Verwendung von weißem
6.4.2.3 Technische Anwendungen Licht entstehen als Isochromaten bezeichnete
der Doppelbrechung farbige Linien. Sie kennzeichnen Orte mit glei-
Substanzen, die von Natur aus nicht doppel- cher Hauptspannungsdifferenz σ1 − σ2 oder
brechend sind, können unter der Wirkung äu- Hauptschubspannung τmax . Abbildung 6.123
ßerer Felder (mechanische Spannungen, elek- zeigt Isochromaten, die an einem Modell
trische und magnetische Felder) akzidentelle aus einem Verbundwerkstoff (GFK, glas-
Doppelbrechung zeigen. faserverstärkter Kunststoff) aufgenommen
wurden.
Spannungsdoppelbrechung Rasch abgekühlte Gläser stehen unter perma-
nenten inneren Spannungen, die man span-
Gläser und Kunststoffe werden infolge me-
nungsoptisch sichtbar machen kann. Linsen
chanischer Spannungen doppelbrechend. So
und Prismen müssen absolut spannungsfrei
vergrößert sich z. B. in einem auf Zug bean-
sein. (Der Brechungsindex darf nicht von der
spruchten Glasstab der Abstand der Atome in
Richtung abhängen.) Sie dürfen daher zwi-
Längsrichtung, wodurch sich der Brechungs-
schen gekreuzten Polarisatoren keine Aufhel-
index vermindert. Quer zur Zugrichtung wird
lung bewirken.
infolge der Querkontraktion der Atomab-
stand reduziert und dementsprechend der
Brechungsindex vergrößert. Der Stab wird Elektromagnetische Lichtschalter
also doppelbrechend wie ein positiv einach- Elektrische und magnetische Felder können
siger Kristall mit der optischen Achse in der in isotropen Substanzen Doppelbrechung her-
Beanspruchungsrichtung. vorrufen. Tabelle 6.13 zeigt eine Zusammen-
Zur experimentellen Untersuchung des ebe- stellung der wichtigsten Effekte. Lichtmodu-
nen Spannungszustands in mechanisch be- latoren oder Lichtschalter, die einen dieser Ef-
lasteten Bauteilen stellt man ein Modell fekte ausnutzen, haben im Prinzip den Aufbau,
des Bauteils aus Kunststoff her. Bringt man
dieses Modell zwischen gekreuzte Polarisa-
tionsfolien, dann wird das an sich schwarze
Gesichtsfeld infolge der Spannungsdoppelbre-
chung aufgehellt. (Das Licht wird elliptisch
polarisiert.) Dabei schwingen ordentlicher
und außerordentlicher Strahl in den Haupt-
spannungsrichtungen. Nach Durchlaufen
des Modells besteht ein Gangunterschied zwi-
schen den Teilstrahlen, der proportional ist zur
Differenz der Hauptspannungen: Δ ∼ σ1 − σ2 .
Abb. 6.123 Isochromaten an einem Modell eines
Alle Orte, bei denen die Hauptspannungsrich-
glasfaserverstärkten Kunststoffs, das senkrecht zu den
tungen mit den Schwingungsrichtungen von Faserachsen auf Zug beansprucht wird. a) Bohrungen
Polarisator und Analysator übereinstimmen, ohne Einlagerungen, b) Einlagerungen mit guter
erscheinen schwarz, da hier kein elliptisches Haftung zur Matrix. Fotos: S. Roth, G. Grüninger,
Licht entsteht. Auf diese Weise entstehen DFVLR Stuttgart
6.4 Wellenoptik 585
der in Abb. 6.124 für eine Pockels-Zelle (W. Po- recht aufeinander stehen, laufen mit verschie-
ckels, 1865 bis 1913) dargestellt ist. Zwischen denen Geschwindigkeiten durch den Kristall,
gekreuzten Polarisatoren P und A ist ein Kris- sodass an dessen Ende zwei Wellen mit einem
tall K angebracht, bei dem z. B. die Stirnsei- Gangunterschied Δ ankommen. Die Überlage-
ten mit einem transparenten Metallfilm über- rung ergibt elliptisch polarisiertes Licht, das
zogen sind. Legt man eine Spannung U und vom Analysator nicht zurückgehalten werden
damit ein elektrisches Feld in longitudinaler kann. Besteht zwischen der ordentlichen und
Richtung an, dann wird der Kristall doppel- der außerordentlichen Welle ein Gangunter-
brechend. Die ordentliche und außerordentli- schied von einer halben Wellenlänge, dann er-
che Welle, deren Schwingungsrichtung senk- gibt die Überlagerung wieder linear polarisier-
586 6 Optik
bestimmen. So wird mit einem Saccharime- ist das Verhältnis I3 :I0 , wenn I3 die Intensität hinter
ter beispielsweise die Zuckerkonzentration im dem dritten Polarisator ist?
Harn bestimmt. Auch der Zuckergehalt des
Ü 6.4-25 Welche elektrische Feldstärke ist erforder-
Traubenmostes (Öchslegrade) wird über die
lich, damit in einer mit Nitrobenzol gefüllten l = 4 cm
Drehung der Polarisationsebene gemessen. langen Kerr-Zelle die zwei Teilstrahlen einen Gangun-
Bringt man durchsichtige isotrope Körper in terschied von Δ = λ/ 2 erhalten?
ein Magnetfeld und durchstrahlt sie in Rich-
tung der Feldlinien, dann wird auch in diesem Ü 6.4-26 Zeigen Sie, dass bei einer longitudina-
Fall die Schwingungsebene von linear polari- len Pockels-Zelle die Halbwellenspannung unabhän-
siertem Licht gedreht. Diese Magnetorotation gig ist von der Länge der Zelle. Wie groß ist sie für
λ = 589,3 nm, wenn KD∗ P verwendet wird?
ist als Faraday-Effekt bekannt und wurde 1846
von M. Faraday (1791 bis 1867) entdeckt. Der Ü 6.4-27 Das längenbezogene Drehvermögen [α] von
Drehwinkel α hängt außer von der Dicke d Quarz hängt von der Wellenlänge ab. Folgende Mess-
der Substanz auch von der Magnetfeldstärke H werte liegen vor:
und einer Materialkonstanten V ab:
λ = 656,3 nm: [α] = 17,314 ◦ /mm ,
λ = 486,1 nm: [α] = 32,766 ◦ /mm .
α = V dH . (6.135)
Nach Biot lässt sich die Rotationsdispersion durch die
Gleichung [α] = A/λ2 + B/λ4 beschreiben. Bestimmen
V nennt man die Verdet’sche Konstante. Auch Sie die Konstanten A und B. Wie groß ist das Drehver-
mithilfe des Faraday-Effekts lässt sich Licht mögen für λ = 589,3 nm?
schnell modulieren. Es gibt Modulatoren für
Frequenzen von mehr als 200 MHz. Als ak-
tive Materialien verwendet man ferromagne- 6.5 Quantenoptik
tische Granate seltener Erden, beispielsweise
Ga-dotiertes Yttrium-Eisen-Granat (YIG). Der 6.5.1 Lichtquanten
Drehwinkel hängt nicht linear vom Magnet-
feld ab, sondern zeigt wie die Magnetisierung 6.5.1.1 Lichtelektrischer Effekt
selbst eine starke Feldabhängigkeit mit Sätti- Beleuchtet man eine negativ geladene Metall-
gungsverhalten. Im Bereich der Sättigung ist platte mit kurzwelligem Licht, so entlädt sie
der Drehwinkel typisch 100 ◦ /cm bis 200 ◦ /cm; sich. Dieser lichtelektrische Effekt oder äußere
er zeigt starke Dispersion. YIG ist im sicht- Fotoeffekt wurde 1887 erstmals von W. Hall-
baren Spektralbereich undurchsichtig, jedoch wachs (1859 bis 1922) studiert. Genauere Un-
zwischen λ = 1,2 μm und λ = 5 μm völlig tersuchungen von P. Lenard (1862 bis 1947)
transparent. zeigten, dass infolge der Bestrahlung Elektro-
nen aus dem Metall herausgeschlagen werden.
Zur Übung Die kinetische Energie der wegfliegenden
Ü 6.4-23 Natürliches Licht fällt mit der Intensität I0 auf Elektronen kann mit einer Vorrichtung ge-
einen Polarisator. Wie groß ist die Intensität I des li- mäß Abb. 6.127a gemessen werden. In einer
near polarisierten Lichtes hinter dem Polarisator, wenn
Vakuumfotozelle befindet sich eine Fotoka-
Absorptionsverluste vernachlässigt werden?
thode K gegenüber einer Anode A. Die vom
Ü 6.4-24 Natürliches Licht fällt mit der Intensität I0 Licht ausgelösten Fotoelektronen werden
auf drei hintereinander stehende Polarisatoren, die je- von der Anode abgesaugt, wenn diese auf
weils um 30◦ gegeneinander verdreht sind. Wie groß positivem Potential gegenüber der Kathode
6.5 Quantenoptik 589
Abb. 6.127 Lichtelektrischer Effekt, a) Vakuumfotozelle, b) Fotostrom in Abhängigkeit von der Bremsspannung
für monochromatisches Licht verschiedener Intensität (I2 > I1 ), c) Fotostrom in Abhängigkeit von der
Bremsspannung für verschiedene Wellenlängen (λ2 > λ1 ) und d) kinetische Energie Ekin der Fotoelektronen in
Abhängigkeit von der Lichtfrequenz f
liegt. Der Fotostrom kann am Amperemeter zusammenhängt. Hierbei ist m die Masse und
abgelesen werden. Er verringert sich, wenn die Geschwindigkeit der Elektronen sowie e
die Spannung umgepolt wird, d. h., wenn die Elementarladung. Die kinetische Energie
eine Bremsspannung zwischen Anode und der emittierten Fotoelektronen ist also pro-
Kathode anliegt. Abbildung 6.127b und c portional zur Grenzspannung Ugr .
zeigen den Zusammenhang zwischen Foto- Abbildung 6.127b bis d sagen aus:
strom und Bremsspannung. Der Fotostrom
verschwindet, wenn die Bremsspannung
– Die kinetische Energie der Fotoelektronen
den Grenzwert Ugr erreicht hat, der mit der
hängt nicht von der Intensität, sondern nur
kinetischen Energie der Elektronen gemäß
von der Frequenz des eingestrahlten Lichtes
ab (Abb. 6.127d). Die Fotoemission kommt
1 zum Erliegen, wenn die Frequenz einen un-
Ekin = m2 = eUgr
2 teren Grenzwert fgr erreicht.
590 6 Optik
– Erhöht man die Intensität des Lichtes, dann h ist die Geradensteigung, −WA die Nullpunkt-
nimmt auch der Strom der emittierten Fo- verschiebung. Physikalisch können die Glieder
toelektronen zu, nicht aber deren kinetische auf der rechten Seite mithilfe des Energiesatzes
Energie. interpretiert werden: Die Energie des Photons
beträgt
Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu
den Erwartungen, die man aufgrund der Wel-
lentheorie des Lichtes an ein solches Experi- Eph = hf . (6.136)
ment stellt. In Anwesenheit eines oszillieren-
den elektrischen Feldes der Form E = Ê cos ωt
erwartet man, dass die Elektronen des Metalls Um ein Elektron vom Metall abzulösen, ist eine
zu erzwungenen Schwingungen angeregt wer- Austrittsarbeit WA aufzubringen, sodass für
den, und zwar mit der Amplitude das Elektron als kinetische Energie die Diffe-
renz von Photonenenergie und Austrittsarbeit
eÊ
ŷ = . zur Verfügung steht:
m ω20 − ω2
Ekin = Eph − WA .
Elektronen, die an der Metalloberfläche sit-
zen, sollten daher das Metall verlassen, wenn Damit ist auch die Existenz einer Grenzfre-
ihre Amplitude ŷ einen bestimmten kritischen quenz fgr verständlich. Der Auslöseprozess
Wert überschreitet. Daraus folgt: kann überhaupt nur ablaufen, wenn die Pho-
tonenenergie größer ist als die erforderliche
– Die kinetische Energie der Elektronen sollte Austrittsarbeit. Im Grenzfall gilt hfgr = WA .
2
mit steigender Lichtintensität (∼ Ê ) an- Die Konstante h ist das bereits von Planck
wachsen. im Jahr 1900 eingeführte und nach ihm be-
– Die Fotoemission sollte bei jeder Frequenz nannte Planck’sche Wirkungsquantum. Planck
stattfinden, vorausgesetzt, die Lichtintensi- nahm bei der Ableitung des Strahlungsge-
tät ist ausreichend. setzes der Wärmestrahler (6.88) an, dass die
Strahlung von einzelnen Oszillatoren ausgeht,
Die Schwierigkeiten bei der Interpretation
deren Energie gemäß En = nhf von der Fre-
des lichtelektrischen Effekts wurden durch
quenz abhängt. Die Planck’sche Konstante be-
A. Einstein (1879 bis 1955) überwunden,
trägt
der 1905 seine revolutionäre Lichtquantenhy-
pothese formulierte. Nach Einstein wird die h = 6,626 · 10−34 J s = 4,136 · 10−15 eV s .
Energie einer Lichtquelle in einzelnen Paketen
(Lichtquanten oder Photonen) transportiert.
Sie kann als Geradensteigung aus Abb. 6.117d
Jedes emittierte Elektron wird durch ein
experimentell bestimmt werden. Dies gelang
Photon ausgelöst, das seine Energie dabei
Millikan im Jahr 1916.
an das Elektron abgibt. Die Energie eines
Da die Photonenenergie Eph der Frequenz f
Lichtquants kann aus Abb. 6.127d abgelesen
des Lichtes proportional ist, muss sie der Wel-
werden. Die Abhängigkeit der kinetischen
lenlänge λ umgekehrt proportional sein:
Energie der Fotoelektronen von der Licht-
frequenz hat die mathematische Form einer
hc
Geradengleichung: Eph = . (6.137)
λ
Ekin = hf − WA ;
6.5 Quantenoptik 591
h
Eph = (6.138)
λ
Lösung
Fotoelektronen werden emittiert, wenn die Photonen-
energie größer ist als die Austrittsarbeit. Im Grenzfall
gilt WA = Eph, gr . Mit (6.138) ergibt sich
1,24 μm eV 1,24 μm eV
WA = = = 2,75 eV .
λgr 0,451 μm
6.5.1.2 Compton-Effekt
Eine besondere Unterstützung der Einstein’-
schen Lichtquantenhypothese wurde von
A. H. Compton (1892 bis 1962) geliefert, der Abb. 6.128 Compton-Streuung: a) Messanordnung,
1923 die Streuung von Röntgenstrahlen an b) Intensität der gestreuten Röntgenstrahlung in
freien und schwach gebundenen Elektronen Abhängigkeit von der Wellenlänge für verschiedene
untersuchte. Compton ließ nach Abb. 6.128a Streuwinkel ϑ
einen Röntgenstrahl der Wellenlänge λ auf
einen Grafitblock S fallen. Mithilfe eines verschobene Komponente enthält, deren
Röntgendetektors D maß er die Intensität und Wellenlänge λ vom Winkel ϑ abhängt.
Wellenlänge λ der gestreuten Röntgenstrah- Im Rahmen der Wellenlehre ist Comptons Er-
lung in Abhängigkeit vom Streuwinkel ϑ. gebnis nicht interpretierbar, denn man er-
Die Ergebnisse sind in Abb. 6.128b qualita- wartet, dass die Elektronen des Streukörpers
tiv dargestellt. Compton beobachtete, dass von der elektromagnetischen Welle zu erzwun-
die gestreute Röntgenstrahlung zusätzlich genen Schwingungen angeregt werden. Die
zur primären Wellenlänge λ eine spektral schwingenden Elektronen können dann ihrer-
592 6 Optik
seits elektromagnetische Wellen aussenden, Der Gesamtimpuls muss beim Stoß erhalten
die aber dieselbe Frequenz haben wie die ein- bleiben. Es gelten in x-Richtung
fallende Welle. Eine Frequenz- bzw. Wellenlän-
hf hf
genverschiebung ist nicht möglich. = cos ϑ + mv cos ϕ . (2)
Compton und unabhängig von ihm Debye er- c c
klärten den Streuvorgang als elastischen Stoß und in y-Richtung
eines Photons mit einem ruhenden Elektron
entsprechend Abb. 6.129. hf
0= sin ϑ − mv sin ϕ . (3)
Der Energieerhaltungssatz lautet für diesen c
Vorgang Aus (1), (2) und (3) folgt für die Verschiebung
hf + m0 c2 = hf + m c2 . (1) der Wellenlänge
f ist die Lichtfrequenz vor, f die nach dem
Stoß; m0 c2 ist die Ruheenergie des Elektrons h
Δλ = λ − λ = (1 − cos ϑ) . (6.140)
(Kapitel 10) und m c2 ist die Energie des be- m0 c
wegten Elektrons. Es gilt hierbei
m0
m= √ . λc = h/ (m0 c) nennt man die Compton-Wel-
1 − v2 / c2 lenlänge; sie beträgt λc = 2,426 · 10−12 m. In
Der Impuls eines Photons ist das Produkt aus bester Übereinstimmung mit dem Experi-
seiner Masse und seiner Geschwindigkeit. Die ment hängt die Wellenlängenverschiebung
Geschwindigkeit des Photons ist die Lichtge- Δλ nicht vom Streumaterial und der Primär-
schwindigkeit c. Ein Photon hat keine Ruhe- wellenlänge λ ab.
masse (es gibt kein ruhendes Photon), man
kann ihm aber nach Einsteins Äquivalenzprin- 6.5.2 Dualismus Teilchen–Welle
zip von Masse und Energie (E = m c2 ) eine
Masse zuordnen, nämlich Die in Abschn. 6.4 beschriebenen Interferenz-
E hf und Beugungsexperimente zeigen, dass Licht
mph = 2 = 2 .
c c Welleneigenschaften hat. Den lichtelektrischen
Damit ist der Impuls eines Photons p = mph c Effekt und den Compton-Effekt kann man da-
oder gegen nur verstehen, wenn man annimmt,
dass Licht mit Materie seine Energie in ganzen
hf h Quanten des Betrags Eph = h f austauscht und
p= = . (6.139) dass diese Lichtquanten den Impuls p = h/λ
c λ
haben. Licht hat demnach sowohl Teilchen-
als auch Welleneigenschaften. Je nach Expe-
riment kommt der Wellen- oder Teilchencha-
rakter zum Vorschein (Abb. 6.130). Eine Theo-
rie, die beide Aspekte vereinigt, ist die Quan-
tenelektrodynamik, die in diesem Buch nicht
beschrieben werden soll.
Zur Klärung des Zusammenhangs zwischen
Abb. 6.129 Compton-Streuung eines Photons an Wellen- und Teilchenbild sei das in Abb. 6.130
einem Elektron a) vor und b) nach dem Stoß skizzierte Experiment betrachtet: Paralleles
6.5 Quantenoptik 593
Der Einstein-Koeffizient B21 ist analog zu B12 Mit der Reihenentwicklung ehf / kT =
definiert. Im thermodynamischen Gleichge- 1 + h f / kT + · · · gilt nach Einstein für h f << kT
wicht müssen die Übergangsraten in beiden
A21 kT
Richtungen gleich sein: uf (f ) = .
B12 hf
dN dN dN
= + Ein Vergleich mit (6.142) führt zu
dt Abs. dt sp. Em. dt ind. Em.
A21 8πhf 3
Diese Bedingung liefert für die Besetzungszah- = . (6.143)
len B12 c3
N2 B12 uf (f )
= .
N1 A21 + B21 uf (f ) Demnach beträgt die spektrale Energiedichte
Im thermodynamischen Gleichgewicht kann des Strahlungsfelds
das Verhältnis der Besetzungszahlen aber auch
aus der Boltzmann-Verteilung berechnet wer- 8πh f 3 1
uf ( f , T) = · hf . (6.144)
den ((3.31) in Abschn. 3.2.3): c 3
e kT − 1
N2 E2 −E1
= e− kT . (6.141) Aus der spektralen Energiedichte uf ( f , T) lässt
N1
sich die spektrale Strahldichte Le,f ( f , T) eines
Hohlraumstrahlers berechnen:
k = 1,38 · 10−23 J/K ist die Boltzmann-Kon-
c 1
stante. Ein Vergleich liefert mit hf = E2 − E1 Le, f = uf .
4π Ω0
A21
uf (f ) = hf
. Damit ergibt sich die Planck’sche Strahlungs-
B12 e kT − B21 gleichung
Die Einstein-Koeffizienten können durch
folgende Betrachtung bestimmt werden: Im
2hf3 1
Grenzfall T → ∞ muss die spektrale Ener- Le,f (f , T) df = · df
c2 Ω0 e hkTf − 1
giedichte uf (f ) ebenfalls gegen unendlich
gehen. Diese Bedingung wird nur erfüllt, (6.145)
wenn B12 = B21 ist. Somit beträgt die spektrale
Energiedichte des Strahlungsfelds oder, wenn man die Frequenz f durch die Wel-
uf (f ) =
A21
hf . lenlänge λ ersetzt, die bereits aus Abschn. 6.3.1
B12 e kT − 1 bekannte Form
8πf 2
uf (f ) = kT . (6.142) Abbildung 6.133 zeigt Strahlungsisothermen
c3
der Planck’schen Strahlungsformel (s. dazu
596 6 Optik
Ungleichungen erfüllen. Die gestrichelten zur Längsachse nehmen, sehr schnell das ak-
Bereiche bezeichnen Übergänge, die meist tive Material verlassen und nicht weiter ver-
strahlungslos sind. stärkt werden. Der Spiegel S1 hat eine Reflexion
Die Funktion des Lasers beruht auf folgen- von 100%, während der Auskoppelspiegel S2
dem Prinzip: Hat man beispielsweise durch eine geringe Transmission aufweist. Dadurch
einen Lichtblitz im aktiven Material eine Be- wird ständig ein Bruchteil der nach rechts lau-
setzungsinversion erreicht, dann werden zu- fenden Photonen ausgekoppelt.
nächst durch spontane Emission Photonen der Es gibt Laser, z. B. Rubin, die praktisch nur
Energie h f = E2 − E1 erzeugt. Durch Wech- im Pulsbetrieb arbeiten, um die große Wär-
selwirkung eines Photons mit einem ange- meleistung abführen zu können. Viele Laser
regten Atom kann dessen Elektron zu einem lassen sich auch fortdauernd betreiben. Für
Übergang stimuliert werden. Das dabei aus- viele praktische Anwendungen muss das La-
gesandte Photon verstärkt dabei die primäre serlicht gepulst werden. Dies wird durch das
Welle phasengerecht. Die verstärkte Welle sti- Q-switching bewirkt, erläutert in Abb. 6.136:
muliert weitere Elektronen zu Übergängen, so- Während des Pumpvorgangs wird die Reso-
dass sich eine Photonenlawine ausbildet. Diese natorgüte Q künstlich niedrig gehalten, so-
Lawine kommt zum Erliegen, wenn die Beset- dass der Laser nicht anschwingt und eine
zungsinversion abgebaut ist. Wird durch den hohe Besetzungsinversion aufgebaut wird. Er-
Pumpvorgang ständig Energie nachgeliefert, höht man nun zu einem bestimmten Zeit-
kann sich ein stationärer Zustand einstellen. punkt die Güte, so entlädt sich die ganze im
Im Gegensatz zum Glühlicht, bei dem die Pho- Resonator gespeicherte Energie in einem kur-
tonen bzw. die einzelnen Wellenzüge völlig zen, leistungsstarken Lichtpuls. Mit Güteschal-
unkorreliert ausgestrahlt werden, hat man es tern lassen sich Pulsdauern von etwa 1 ns und
beim Laser mit einem kollektiven Phänomen Leistungen von 1010 W erzielen. Als Q-switch
zu tun: Alle Photonen koppeln phasengerecht
an die vorhandene Welle an, sodass eine Licht-
welle mit sehr großer Kohärenzlänge entsteht
(Abschn. 6.4.1.1 und Tabelle 6.9).
Nach Abb. 6.135 wird das aktive Material in
einen Resonator, bestehend aus den Spiegeln
S1 und S2 , eingesetzt. Zwischen den Spiegeln
baut sich eine stehende Welle auf. In der Teil-
chenvorstellung: Photonen, die sich in longi-
tudinaler Richtung bewegen, durchqueren im-
mer wieder das aktive Material und werden
verstärkt, während solche, die den Weg schräg
können beispielsweise die in Abschn. 6.4.2.3 inversion herbei geführt werden muss. Je nach
und 6.4.2.4 beschriebenen elektro- und ma- Art dieses Mediums werden verschiedene La-
gnetooptischen Zellen in den Resonator ein- sertypen unterschieden (Abb. 6.137). Diese
gebaut werden. werden im Folgenden beschrieben.
Die hervorstechendsten Eigenschaften des La-
serlichts sind die hohe Monochromasie und Gaslaser
die damit zusammenhängende räumliche und Je nach verwendeter Art des Gases unterschei-
zeitliche Kohärenz. Von der Vielzahl der An- det man zwischen folgenden Lasertypen:
wendungen des Lasers zeigt Tabelle 6.14 eine – Molekül-Laser: Der CO2 -Laser wird in der
Auswahl. Fertigungstechnik am häufigsten einge-
Jeder Laser benötigt ein aktives Medium, in setzt. Dem Gas CO2 sind noch N2 und He
dem, wie bereits beschrieben, eine Besetzungs- zugesetzt. Die Laserenergie bei CO2 sind
6.5 Quantenoptik 599
Festkörperlaser Flüssigkeitslaser
Sie bestehen aus organischen Farbstoffen in
Festkörperlaser bestehen aus Kristallen oder
stark verdünnter Lösung und werden optisch
Gläsern, die mit optisch aktiven Ionen dotiert
mit Blitzlampen oder Lasern gepumpt. Sie fin-
sind. Sie werden optisch, mit Anregungslam-
den Einsatz in der Spektroskopie, weil sie von
pen oder mit einem Diodenlaser gepumpt.
300 nm bis 1,2 μm einstellbar sind.
– Rubin-Laser: dieser Laser wurde als ers- Ein nahezu paralleler Laserstrahl lässt sich mit
ter entwickelt. Er hat eine Wellenlänge von einer Sammellinse ideal fokussieren und kann
694 nm. so der Materialbearbeitung dienen. Aufgrund
– Nd:YAG-Laser: Dies ist der am meisten der Beugung an der Linse erzeugt man aller-
verbreitete Festkörperlaser. Das laser- dings keinen punktförmigen Fokus, sondern
aktive Medium besteht aus einem Yttrium- der Strahl mit dem Durchmesser D schnürt
600 6 Optik
6.5.5.1 De-Broglie-Beziehung
Stimuliert durch die Erfolge der Einstein’- Beschleunigungsspannungen um 1 kV rufen
schen Lichtquantenhypothese, in der den Wellenlängen hervor, die in der Größenord-
6.5 Quantenoptik 601
Δpx h
= oder Δx Δpx =h.
p p Δx
Abb. 6.139 Zur Ableitung der Heisenberg’schen Da für die höheren Beugungsordnungen noch
Unschärferelation: Beugung von Elektronen an einem größere Winkel α und damit größere Impuls-
Spalt
komponenten Δpx auftreten, gilt allgemein
Ü 6.5-7 Ein Geschoss mit der Masse m = 40 g fliegt geometrische Optik versagt, wenn die Dimen-
mit der Geschwindigkeit = 1000 m/s. Wie groß ist sionen der Gegenstände in die Größenord-
die zugehörige Materiewellenlänge? Wieso beobachtet nung der Lichtwellenlänge kommen. Infolge
man keine Beugungseffekte? der Beugung an Linsenfassungen, Apertur-
blenden und an den zu untersuchenden Ob-
Ü 6.5-8 Thermische Neutronen haben die Energie jekten selbst, ist das Auflösungsvermögen be-
E = 25 meV. Wie groß ist die De-Broglie-Wellenlänge?
grenzt.
Die Neutronenmasse ist mn = 1,675 · 10−27 kg. Verglei-
chen Sie das Ergebnis mit typischen Gitterkonstanten Die Abbe’sche Theorie der Bildentstehung in
von Kristallen. einem Mikroskop geht davon aus, dass ein
Objekt mit feiner Strukturierung durchstrahlt
wird (Abb. 6.140). Denkt man sich als Objekt
6.6 Abbildung mikroskopischer ein Strichgitter mit dem Strichabstand g, so
Objekte wird das Licht an den Spalten gebeugt und
tritt dann ins Objektiv des Mikroskops ein. In
6.6.1 Beugungsbegrenzte Abbildung Abb. 6.140 sind der Übersichtlichkeit halber
nur die Beugungsordnungen m = 0 und ± 1,
Instrumente, die zur Vergrößerung kleinster ausgehend von zwei Spalten, gezeichnet. Die
Objekte gebaut werden, stoßen irgendwann an parallelen Strahlen werden in der Brennebene
die Grenzen ihre Auflösungsvermögens (Ab- des Objektivs vereinigt und erzeugen dort das
schn. 6.4.1.5). Dies kommt daher, dass die primäre Bild (hier die drei Punkte mit m =
604 6 Optik
−1, 0, +1). In der Zwischenbildebene (s. auch Öffnungswinkel α ebenso groß, dann ist der
Abb. 6.54) entsteht dann als sekundäres Bild kleinste aufzulösende Abstand in der Objekt-
das vergrößerte Abbild des Objektes. Die In- ebene
tensitätsverteilung in der Bildebene kommt λ
durch die Interferenz der drei von den Beu- ymin = .
sin α
gungspunkten ausgesandten Wellen zustande.
Sie entspricht also hier der Gitterfunktion ei- Enthält der Raum zwischen Objekt und Objek-
nes Dreifachspaltes ((6.120), Abb. 6.93). tiv eine Immersionsflüssigkeit mit Brechungs-
Die in Abb 6.140 gezeigte Intensitätsverteilung index n, dann wird die Wellenlänge um n re-
am Ort des Zwischenbilds hat nur eine sehr duziert und es gilt
grobe Ähnlichkeit mit dem Objekt. Das Bild λ
wird dem Objekt immer ähnlicher, je mehr ymin = .
n sin α
Beugungspunkte in der Brennebene entste-
hen, also je mehr höhere Beugungsordnungen Das Produkt aus Brechzahl und Sinus des Öff-
ins Objektiv eintreten und an der Abbildung nungswinkels wird als numerische Apertur be-
mitwirken (Vielstrahlinterferenz, Abb. 6.93). zeichnet (6.15):
Im Idealfall ergibt sich schließlich die gestri-
AN = n sin α .
chelte Intensitätsverteilung. Blendet man an-
dererseits alle Beugungsordnungen |m| ≥ 1 Damit gilt für den kleinsten aufzulösenden
aus, sodass nur noch die nullte Ordnung an Objektabstand
der Abbildung teilnimmt, dann ergibt sich ein
gleichmäßig hell ausgeleuchtetes Gesichtsfeld,
λ
das keinerlei Informationen mehr über das ab- ymin = . (6.152)
AN
zubildende Objekt enthält. Die Voraussetzung
dafür, dass überhaupt eine Struktur mit einer
gewissen Ähnlichkeit zum Objekt in der Bild- Werden bei schiefer Durchleuchtung des Ob-
ebene entsteht, ist, dass außer der nullten we- jekts zur Abbildung lediglich die Beugungs-
nigstens eine erste Beugungsordnung ins Ob- ordnungen m = 0 und +1 verwendet, dann
jektiv eintritt. wird die Auflösungsgrenze noch ungefähr um
Für den in Abb. 6.140 dargestellten Fall gilt, den Faktor 2 reduziert.
dass das Objektiv so groß ist, dass die Ord- Trockensysteme haben eine numerische Aper-
nungen m = ±1 mitwirken. Nach (6.121) tre- tur von AN < 0,95. Mit Immersionsflüssigkeit
ten die Hauptmaxima erster Ordnung auf un- kommt man auf Werte von AN < 1,6 (Abb. 6.55,
ter dem Winkel sin α1 = λ/ g. Ist der maximale AN = 1,4).
6.6 Abbildung mikroskopischer Objekte 605
Grob gesprochen ist nach (6.152) das Auf- Röntgenlinsen aus Fresnel’schen Zonenplat-
lösungsvermögen eines Mikroskops begrenzt ten (Abb. 6.108) hergestellt werden. Beim
auf Objektdetails von der Größe der Wellen- Transmissions-Röntgenmikroskop (TXM)
länge. Durch Verwendung von kürzeren Wel- wird monochromatische Strahlung einer star-
lenlängen bei UV-, Röntgen- und Elektronen- ken Röntgenquelle (z. B. Synchrotronstrah-
mikroskopen konnte die Auflösungsgrenze bis lung) mithilfe einer Zonenplatte (Kondensor)
in atomare Dimensionen vorangetrieben wer- auf das Objekt fokussiert. Die durchgehen-
den (Abb. 6.141). den Strahlen erzeugen dann mittels einer
Das Lichtmikroskop arbeitet mit sichtbarem weiteren Zonenplatte (Objektiv) ein stark
Licht (VIS), das mittels Glaslinsen die Ab- vergrößertes Bild, das mit einer CCD-Kamera
bildung und Vergrößerung des Gegenstandes aufgenommen wird. Die numerische Aper-
bewirkt (Abschn. 6.2.7.3). Für eine Bildent- tur ist typischerweise AN ≈ 0,05, sodass
stehung sind gefärbte oder geätzte Präparate nach (6.152) eine Auflösung vom Zwanzig-
erforderlich, die das Licht amplitudenmodu- fachen der Wellenlänge erwartet wird. Die
lieren. Optische Kontrastierungsverfahren er- tatsächliche Auflösung entspricht etwa der
lauben auch Untersuchungen an unveränder- Breite des äußersten Rings der Zonenplatte.
ten Präparaten. Durchlichtpräparate müssen Praktisch erreicht man mit weicher Röntgen-
dünn geschnitten, Auflichtpräparate geschlif- strahlung eine Auflösung von etwa 20 nm.
fen und poliert sein. Das Lichtmikroskop er- Besonders interessant sind die Wellenlän-
reicht die theoretische Auflösung nach (6.152). gen zwischen 2,4 nm und 4,4 nm, dem so
In der Praxis wird eine minimale Auflösung genannten „Wasserfenster“. Dort absorbieren
von etwa 200 nm erreicht. organische Substanzen wesentlich stärker als
Das UV-Mikroskop arbeitet mit UV-Strahlung Wasser, sodass ein guter Kontrast entsteht.
im Bereich von 340 nm bis 193 nm. Zur Es lassen sich somit biologische Präparate in
Abbildung sind Quarzlinsen erforderlich. wässriger Lösung untersuchen. Harte Rönt-
Die Präparate müssen UV-Strahlung absor- genstrahlung (Eph > 10 keV) lässt sich mit
bieren, reflektieren oder in längerwelliges brechenden konkaven Metall-Linsen (Al) fo-
Lumineszenzlicht umwandeln. Auch beim kussieren. Damit wurden Auflösungen von
UV-Mikroskop wird die theoretische Auf- etwa 300 nm erzielt.
lösungsgrenze nach (6.152) erreicht. In der Das Elektronenmikroskop, hier das Transmis-
Halbleiter-Fotolithografie mit λ = 193 nm sions-Elektronenmikroskop (TEM) arbeitet
(ArF-Excimerlaser) werden standardmäßig mit Elektronen, die beschleunigt werden
Strukturen mit 65 nm Abstand hergestellt, die mit Spannungen zwischen 50 kV und 3 MV.
im Labor bereits auf 30 nm reduziert wurden. Nach (6.150) ergeben sich dadurch Materie-
Lange Zeit galt es unmöglich, ein Röntgen- wellenlängen von 5,4 pm bis 360 fm. Die Elek-
mikroskop zu bauen, weil der Brechungsin- tronenstrahlen werden mit elektrostatischen
dex von Gläsern für Röntgenstrahlen nahe bzw. elektromagnetischen Linsen fokussiert.
bei 1 liegt (n = 1 − δ, mit δ ≈ 10−3 ), Der Aufbau entspricht dem klassischen Licht-
Röntgenstrahlen also praktisch nicht ge- mikroskop. Wegen der großen Öffnungsfehler
brochen werden. Möglich ist eine Reflexion der Elektronenlinsen muss die Apertur sehr
an Kristallgittern bei streifendem Einfall klein gemacht werden (AN ≈ 0,04). Dadurch
(Abschn. 6.4.1.8, Abb. 6.105). Heute können ist die Auflösungsgrenze deutlich größer als
606 6 Optik
Rastertunnelmikroskop
Beim Rastertunnelmikroskop (Scanning Tun-
neling Microscope, STM), das 1981 von G. Bin-
nig (geb. 1943) und H. Rohrer (geb. 1933)
entwickelt wurde (Nobelpreis 1986), dient als
Sonde eine extrem dünn ausgezogene Wolf-
ramnadel, deren Spitze im Idealfall durch ein
Atom gebildet wird. Befindet sich die Spitze in
einem Abstand von ungefähr 1 nm von der zu
untersuchenden Oberfläche, dann überlappen
sich die elektronischen Wellenfunktionen und
es fließt zwischen Spitze und Probe ein Tunnel-
strom, der extrem empfindlich (exponentiell)
vom Abstand zwischen Probe und Spitze ab-
hängt (Abschn. 8.2.6).
Abb. 6.142 Hochauflösende TEM-Aufnahme einer Um eine Abbildung der Probenoberfläche
Σ3 (111)-Korngrenze in Strontiumtitanat. Das zu erhalten, wird die Spitze mittels Piezo-
eingesetzte Strukturmodell zeigt die Positionen
Stellgliedern zeilenförmig über die Probe
von Atomsäulen in der Korngrenze, die mittels
quantitativer Bildauswertung bestimmt wurden.
bewegt (Abb. 6.143). Wird die Spitze in z-
Aufnahme: O.Kienzle, MPI für Metallforschung, Richtung so gesteuert, dass der Tunnelstrom
Stuttgart konstant bleibt, dann folgt die Spitze allen Er-
hebungen und Vertiefungen der abgerasterten
Oberfläche. Die Spannung Uz am Piezokristall,
die Wellenlänge. Praktisch erreicht ein 500 kV- der die z-Bewegung bewirkt, beinhaltet somit
Mikroskop eine Auflösung von etwa 100 pm. sämtliche Informationen über die Topogra-
Man kann damit also Atome in Kristallgittern phie der Probenoberfläche, so dass damit
abbilden (Abb. 6.142). Weil Elektronen in auf elektronischem Weg ein Rasterbild der
Materie stark absorbiert werden, können nur Oberfläche erzeugt werden kann.
ultradünn geschnittene, vakuumbeständige
Präparate untersucht werden.
Rasterelektronenmikroskop
Beim Rasterelektronenmikroskop (REM, engl.
Scanning Electron Microscope, SEM) wird als
Sonde ein mithilfe von magnetischen Linsen
S [Δx + (2 − 1 ) dt] − SΔx Gleichung (7.7) hat die Form der d’Alem-
=
dt bert’schen Wellengleichung (5.194) (Ab-
SΔx + S 1 + d
dx Δx − 1 dt − SΔx schn. 5.2.2.3). Wie dort gezeigt, erfüllen alle
= Druckfunktionen der Form p(x, t) = p(x ± c t)
dt
diese partielle Differentialgleichung zweiter
und somit Ordnung, c ist dabei die konstante Phasen-
geschwindigkeit, mit der sich die Störung
dV d
=V . (7.4) im kompressiblen Medium ausbreitet. Im
dt dx Fall der Ausbreitung von Druckstörungen
wird die Phasengeschwindigkeit c als Schall-
Die Volumenänderung eines komprimierba- geschwindigkeit bezeichnet. Der Vergleich
ren Mediums ist über den Kompressionsmo- von (7.7) mit (5.194) ergibt, dass die Schall-
dul K mit der Druckänderung im Medium ver- geschwindigkeit c durch die Dichte ρ und den
knüpft; nach (2.158) und Abb. 2.80 gilt für ein Kompressionsmodul K bestimmt ist:
Volumen V
K
dV
=−
V c= . (7.8)
dp K
oder ρ
Durch Differentiation folgt aus (3.66) pV { = m
cL ≈ 331,5 1+
1 ϑ
s 2 273,15 ◦ C
konstant für isentrope Zustandsänderungen
ϑ m
dV
= 331,5 + 0,6 ◦ .
V C s
=−
dp κp
Die Abweichungen der Werte der Näherungsgleichung
und durch Vergleich mit (7.5) für den isentro- sind im obigen Temperaturbereich kleiner als 0,2%.
pen Kompressionsmodul K idealer Gase
Die Schallgeschwindigkeit einiger Festkörper,
cp p Flüssigkeiten und Gase enthält Tabelle 7.1.
K = κp = . (7.10) Die Lösungsfunktion der Wellenglei-
cV
chung (7.7) hängt entscheidend von den
Rand- und Anfangsbedingungen ab. Im ein-
κ ist der Isentropenexponent nach (3.60) (Ab- fachsten Fall der sinusförmigen Erregung
schn. 3.3.3), der vom Verhältnis der spezifi- durch einen eindimensionalen harmonischen
schen Wärmekapazitäten der Gase abhängt. Schallgeber mit der Erregerfrequenz f lautet
Wird (7.10) mit Hilfe der Zustandsgleichung die Lösung der Wellengleichung
idealer Gase p = ρRi T umgeformt und in (7.8)
eingesetzt, so ergibt sich die Schallgeschwin-
digkeit in Gasen zu p(x, t) = p0 + pw
/ 0
x
= p0 + p̂ cos 2πf t − .
cp Ri c
cGas = κ Ri T = T. (7.11) (7.12)
cV
Tabelle 7.1 Dichte, Schallgeschwindigkeit und Schallkennimpedanz einiger Stoffe beim Normdruck
pn = 1 013 hPa
/ 0 p̂
1 1 x peff =√ . (7.19)
y(x, t) = p̂ sin 2πf t − 2
2πf ρc c
(7.16) Solange die Schallwechselamplituden im
und Vergleich zum statischen Gasdruck klein
sind (Schalldruckpegel L < 130 dB, Ab-
618 7 Akustik
schn. 7.2.2), überlagern sich an einem Ort Oberfläche um die Schallquelle, z. B. einer
des Schallfeldes die Schalldrücke additiv Kugeloberfläche, aufsummiert wird, aus
(Superpositionsprinzip):
p(x0 , t) = p1 (x0 , t) + p2 (x0 , t) + · · · P= I dS . (7.23)
Der am Ort x0 gemessene resultierende Effek- S
peff
Schalldruckpegel Lp = 20 lg dB peff, 0 = 2 · 10−5 Pa
peff, 0
peff = Z eff
eff m
Schallschnellepegel L = 20 lg dB eff, 0 = 5 · 10−8
eff, 0 s
p2eff
I = = 2eff Z
I W Z
Schallintensitätspegel LI = 10 lg dB I0 = 10−12
I0 m2 p2eff
P=S
P Z
Schallleistungspegel LW = 10 lg dB P0 = 10−12 W
P0
Tabelle 7.4 Terz und Oktavfilter (fu , fo untere bzw. obere Frequenzgrenze, Δ∗A Schallpegelabschwächung bei
A-Bewertung)
Oktave Terz
fu fo fm Δ∗A fu fo fm Δ∗A
Hz Hz Hz dB Hz Hz Hz dB
p̂t jωt
jωm cos δ e = 2(p̂e − p̂t )e jωt
Z
oder
pt (x1 ) 1
= . (7.45)
pe (x1 ) m
ω cos δ
1+j
2Z
In komplexer Schreibweise gelten für die In diesem Fall ist also der Transmissions-
Schallwellen an der Grenzfläche x = x1 mit grad einer Trennwand umso größer, je kleiner
der Kreisfrequenz ω = 2πf die flächenbezogene Masse und je niedriger
pe (x1 ) = p̂e e jωt und 1 (x1 ) = ˆ1 e jωt die Schallfrequenz ist. Für Schallschutztrenn-
wände gilt meistens πm f / Z >> 1, sodass für
sowie δ < 90◦ (7.46) in
pt (x1 ) = p̂t ejωt und t (x1 ) = ˆt e jωt .
2
Z
Damit ergibt sich aus (7.43), wenn (7.44) τS (δ) ≈ (7.48)
πm f cos δ
und (7.42) eingesetzt werden,
dt
m cos δ = m cos δ(jω)ˆt e jωt übergeht. Vielfachreflexionen bewirken in
dt
Räumen, dass die Schalleinstrahlung gleich-
= 2(p̂e − p̂t )e jωt .
mäßig über alle Einfallswinkel δ, d. h. diffus
Wird die Schnelle ˆt nach (7.14) mit Hilfe der verteilt ist. Wegen cos2 δ = 0,5 ist daher der
Schallkennimpedanz Z = ρc der Luft in den Transmissionsgrad τS (δ) einer Trennwand im
Wechseldruck p̂t umgewandelt, ergibt sich diffusen Schallfeld
628 7 Akustik
√ 2
2Z
τS (δ) = = 2 τS (0◦ ) . (7.49)
πm f
1
R = 10 lg dB (7.50)
τS (δ)
welle übereinstimmt (Koinzidenzeffekt oder Wird der Einfluss von μ(0 μ 0,5) vernach-
Spuranpassung): lässigt, so beträgt bei Luftschall (cL = 340 m/s)
die Luftschall-Grenzfrequenz fg L homogener
Platten
2π B
λS = λB = 4
. (7.53)
f m m 2 1 ρ
fg L, hom = 6,4 · 10
4
. (7.57)
s s E
im jeweiligen Oktavband und wie groß sind die daraus der Pegel mindestens gemindert werden, dass der Ge-
in den einzelnen Oktavbändern ermittelten Oktavpe- samtpegel am Gebäude höchstens 60 dB beträgt?
gel? c) Zum oben beschriebenen Klang wird zusätzlich
ein weiteres Geräusch dazugeschaltet, sodass sich für
Ü 7.2-6 Eine s = 10 mm dicke einscheibige Glaswand
beide Signale gemeinsam ein Gesamtpegel von 95 dB
(Dichte ρ = 2 500 kg/m3 ; Querdehnungszahl μ = 0,17;
ergibt. Wie groß ist der Pegel des zweiten Geräusches?
Elastizitätsmodul E = 76 GN/m2 ) ist schalltechnisch
zu analysieren. a) Welches Luftschalldämmmaß hat
Ü 7.2-3 Ein Lautsprecher mit kugelförmiger Abstrah- die Glaswand bei 250 Hz und 1 000 Hz? b) Wo liegt
lung befindet sich frei im Raum und wird mit einer die Grenzfrequenz dieser Glaswand? c) Welche Aus-
elektrischen Leistung von P = 100 W gespeist. Der wirkung hat der Koinzidenzeffekt auf das Luftschall-
akustische Wirkungsgrad des Lautsprechers betrage dämmmaß der Glaswand? (Schätzwert für R bei 250 Hz
η = 5%. a) Wie groß sind die Schallintensität und und 1 000 Hz).
der Schallpegel in 10 m Entfernung vom Lautsprecher?
b) Wie groß ist die Intensität in 10 m Entfernung vom
Lautsprecher, wenn sich derselbe unmittelbar vor einer
schallharten Wand befindet? c) In welcher Entfernung
7.3 Schallempfindung
vom Lautsprecher beträgt die Intensität ein Viertel des
Wertes, der sich in 10 m Entfernung vom Lautsprecher 7.3.1 Physiologische Akustik
ergibt? Wie hoch ist der Schallpegel?
Das menschliche Ohr ist nach statistischen Rei-
Ü 7.2-4 Bei einer ebenen, sinusförmigen Schallwelle henuntersuchungen erst dann in der Lage,
wird in Luft bei 20 ◦ C und Normdruck eine Schall- Schallwellen zu registrieren und eine Schall-
druckamplitude von 0,2 Pa gemessen. a) Wie groß ist empfindung im Bewusstsein auszulösen, wenn
die maximale Schallschnelle? b) Welchen Effektivwert
die Schallfrequenz im Bereich f = 16 Hz bis
hat die Schallschnelle? c) Wie groß sind Schallinten-
sität sowie Schallpegel der Welle? d) Wie ändern sich
20 kHz und der Effektivwert des Schallwech-
Schallintensität und Schallpegel beim Übergang von seldrucks über ca. peff = 2 · 10−5 Pa liegt. Die
Luft in Argon bei 20 ◦ C und Normdruck? Die beiden obere Frequenzgrenze des Hörbereichs verrin-
Gase sind voneinander getrennt durch eine dünne ver- gert sich mit zunehmendem Alter erheblich.
nachlässigbare Membran. Argon hat am Normzustand Bei Schalldrücken oberhalb p = 20 Pa oder
die Dichte ρn = 1,784 kg/m3 und die Schallgeschwin- Schallpegeln höher als L = 120 dB registriert
digkeit 308 m/s (Tabelle 3.6).
der Mensch nahezu keine Frequenz- und Am-
plitudenabhängigkeit des Schalls mehr, son-
Ü 7.2-5 Auf einem Betriebsgelände befinden sich drei dern er empfindet nur noch Schmerz (akusti-
Schallquellen, die als Punktquellen betrachtet werden sche Schmerzgrenze). Einen Überblick über die
können. Neben dem Betriebsgelände steht ein Wohn-
Abgrenzung des Hörbereichs von den übrigen
gebäude; für dieses soll die Wirkung der Schallimmis-
sion bestimmt werden. In jeweils 2 m Abstand von Schallfrequenzbereichen gibt Tabelle 7.5.
den Quellen werden folgende Schallpegel gemessen: Das menschliche Gehörorgan besteht, wie
L1,2 m = 93 dB, L2,2 m = 97 dB und L3,2 m = 98 dB. Die Abb. 7.11 schematisch wiedergibt, aus drei
Abstände zum Wohnhaus sind r1 = 160 m, r2 = 100 m Bereichen, dem äußeren Ohr, dem Mittelohr
und r3 = 252 m. a) Wie groß ist der Schallpegel je- und dem Innenohr. Der äußere Gehörgang
der einzelnen Quelle am Wohngebäude? b) Wie groß
wirkt als offene Pfeife (Abschn. 5.2.4.2), die Ei-
ist der resultierende Gesamt-Schallpegel am Wohnge-
genfrequenz der Luftsäule bewirkt im Bereich
bäude, wenn alle drei Quellen gleichzeitig einwirken?
c) An welcher der drei Schallquellen ist eine Lärmmin- 2 kHz < f < 4 kHz eine Resonanzverstärkung
derungsmaßnahme am sinnvollsten, um den Gesamt- der Schallamplituden. Hammer, Amboss und
pegel am Wohngebäude zu senken? Um wie viel muss Steigbügel wirken als mechanische Über-
7.3 Schallempfindung 631
setzung; sie übertragen und verstärken die Das Innenohr ist sehr kompliziert aufge-
Auslenkungen des Trommelfells auf das ovale baut. Grob vereinfachend besteht es aus zwei
Fenster. miteinander verbundenen Räumen (Skalae
vestibuli und tympani) und ist mit einer na-
triumionenreichen Flüssigkeit (Perilymphe)
gefüllt. Beim ovalen und runden Fenster
ist das Flüssigkeitsvolumen jeweils durch
bewegliche Membranen abgeschlossen, so
dass die vom Schall verursachte Steigbü-
gelfußbewegung in eine Schwingung der
inkompressiblen Perilymphflüssigkeit umge-
wandelt wird. Diese Flüssigkeitsschwingung
erzeugt mechanische Deformationen der Ba-
silarmembran der Schneckenspindel, die die
beiden Perilymphteilräume trennt. Die Schne-
Abb. 7.11 Menschliches Gehörorgan, schematisch ckenspindel ist mit kaliumionenreicher Flüs-
632 7 Akustik
sigkeit (Endolymphe) gefüllt, zwischen Endo- Die Lautstärke wird in der Maßeinheit phon
und Perilymphe besteht also ein elektrisches gemessen. Der Verlauf der Lautstärkepegel in
Gleichspannungspotential. Die Haarzellen des Abb. 7.12 gibt an, welcher Schalldruckpegel
Cortischen Organs auf der Basilarmembran Lp (f ) einer Schallwelle die gleiche Schall-
erleiden durch die Basilarmembranbewe- empfindung auslöst wie der Schalldruckpe-
gung elektrische Potentialänderungen und gel Lp (1 000 Hz) einer 1 kHz-Schallwelle.
die dadurch im Hörnerv erzeugten Reiz- Anhand von Abb. 7.12 kann für Schall
ströme lösen im Gehirn die Schallempfindung mit einem schmalbandigen Frequenzspek-
aus. trum von maximal Terzbreite durch eine
Gleiche Schallpegel unterschiedlicher Fre- Schallpegel- und Mittenfrequenzmessung die
quenz führen zu einer unterschiedlichen Lautstärke bestimmt werden. Das mensch-
Schallempfindung. In Abb. 7.12 ist als untere liche Gehör nimmt Lautstärkeunterschiede
Grenzkurve in Abhängigkeit von der Schallfre- von ΔLS = 1 phon gerade noch wahr. Bei
quenz der Schalldruckpegel Lp eingezeichnet, LS = 120 phon liegt die Schmerzgrenze des
der eben noch einen Höreindruck hervorruft, Gehörs.
die Hörschwelle. Die Hörschwelle entspricht nicht dem Laut-
Der Maßstab für das Lautheitsempfinden des stärkepegel von LS = 0 phon, sondern dem
Gehörorgans ist die Lautstärke LS . Er ist so von LS = 4 phon. Der Grund dafür ist, dass
gewählt, dass bei einer Schallfrequenz f = international als Bezugsschalldruck der runde
1 000 Hz der Wert der Lautstärke gleich dem Wert peff, 0 = 2 · 10−5 Pa vereinbart ist, die tat-
Wert des Schalldruckpegels ist: sächliche Hörschwelle aber bei einem etwas
höherem Schalldruck liegt.
Bei der Angabe als Lautstärke LS entspricht
LS (1 kHz) Lp (1 kHz)
= (7.58) eine Verdopplung der Schallempfindung ei-
phon dB ner Zunahme der Lautstärke um 10 phon. Ein
proportional zur Schallempfindung steigendes
Maß ist die Lautheit
LS
S=2
0,1 phon −40
sone . (7.59)
Abb. 7.15 Charakteristische Schallspektren: Schnelleverlauf (Abszisse: t, Ordinate: ): a) Ton a, b) Klang
a-cis -e, c) Geräusch (Wasserauslauf), d) Knall (Handklatschen). Frequenzspektrum (Abszisse: f , Ordinate: I):
e) Ton a, f) Dreiklang a-cis -e , g) Geräusch (Wassereinlauf in Becken), h) Knall (Handklatschen)
636 7 Akustik
Zur Zeit J. S. Bachs wurde die chromatisch Direktschall, und dem über Reflexionen an
wohltemperierte Stimmung eingeführt, bei der den Wänden und Flächen im Raum an den
die Oktave in zwölf gleiche Halbtonschritte Empfangsort gestreuten Schall, dem indirek-
unterteilt ist (Tabelle 7.7). Das Frequenzver- ten Schall, bestimmt. Ist die Laufzeitdifferenz
hältnis zweier aufeinander
√ folgender Halbtöne zwischen dem direkten und dem indirekten
12
beträgt dabei 2. Mit dieser chromatischen Schall, besonders dem Anteil mit nur einem
Tonleiter wurden die diatonischen Probleme einzigen Rückwurf, kleiner als die absolute
gelöst, nach ihr sind die Instrumente mit fes- Wahrnehmbarkeitsschwelle von etwa 0,05 s,
ter Stimmung (z. B. Klavier) gestimmt. dann sind die Reflexionen unschädlich für die
Hörsamkeit und wirken sich vorteilhaft auf die
Zur Übung Verständlichkeit und die Klangfärbung, be-
Ü 7.3-1 An einem Arbeitsplatz werden folgende Ok-
sonders bei Musik, aus.
tavpegel gemessen:
Die nützlichen Rückwürfe kompensieren die
fm /Hz 16 31,5 63 125 250 500 1 000 2 000 geometrisch bedingte Schallpegelabnahme
L/dB 43 48 49 60 52 53 50 38 des Direktschalls bei wachsendem Abstand
zwischen Schallgeber und -empfänger. Grö-
a) Welcher Gesamt-Schallpegel wird gemessen? b) Wel-
ßere Laufzeitunterschiede sind schädlich,
chen A-bewerteten Schallpegel hat das gemessene Fre-
besonders wenn periodische Rückwurffolgen,
quenzspektrum? c) Wie hoch ist der äquivalente Dau-
erschallpegel an diesem Arbeitsplatz, wenn wegen ei- sogenannte Flatterechos, auftreten. Diese
nes zusätzlichen Maschinengeräusches während eines entstehen durch Schallrückwürfe zwischen
10-stündigen Arbeitstages zwei Stunden lang der Ok- parallelen, gut reflektierenden Raumum-
tavpegel bei 250 Hz auf 80 dB ansteigt? schließungsflächen. Sie lassen sich durch
konstruktive Maßnahmen wie schiefwinklige
Ü 7.3-2 Einem Menschen wird ein Sinuston niedri- Flächenanordnungen, im Extremfall in einer
ger Frequenz vorgespielt. Der Ton erzeugt beim Hörer Fünfeckgeometrie, oder durch schallabsor-
einen Schalldruckpegel von 92 dB. Der Hörer empfin- bierende Wand- und Deckenverkleidungen
det den Ton als gleich laut wie einen Sinuston der Fre-
unterdrücken.
quenz 1 kHz mit einem Schalldruckpegel von 70 dB.
a) Was war die Frequenz des tiefen Tones? b) Wie groß Häufige Reflexionen bewirken, dass der indi-
ist die Lautstärke des Tones? c) Welche Lautheit besitzt rekte Schall am Empfangsort gleichmäßig aus
der Ton? d) Wie groß müsste die Lautstärke sein, damit allen Ausbreitungsrichtungen einfällt und die
der Ton vom Hörer doppelt so laut empfunden würde? Schallenergiedichte überall im Raum gleich
groß ist. Ein solches Schallfeld wird als diffuses
Schallfeld bezeichnet.
Eine Wandfläche Si mit dem Schallabsorpti-
7.4 Technische Akustik
onsgrad αi – schematisch in Abb. 7.18 wieder-
gegeben – absorbiert unter dem Einfallswin-
7.4.1 Raumakustik
kel δ aus einem Raumwinkelbereich dΩ die
Schallleistung
Bei der Schallausbreitung in Räumen, bei-
spielsweise in Wohnräumen, Büros, Veranstal-
tungssälen und Hallen wird die Schallemp- dPδ = αi Iδ (Si cos δ) dΩ . (7.62)
findung und die Hörsamkeit im Raum von
den Intensität- und Laufzeitverhältnissen zwi- Iδ ist die Schallintensität der unter dem Win-
schen dem gradlinig einfallenden Schall, dem kel δ einfallenden Schallwelle. Im diffusen
7.4 Technische Akustik 639
1
Pges = Pi = Idiffus Si αi
i
4 i
1
= Idiffus A . (7.65)
4
π/ 2 A
1 = Lw − 10 lg
Pi = Idiffus Si αi cos δ sin δ dδ . Ldiffus
4S0
dB . (7.67)
2
0
(7.63)
Lw ist der Schallleistungspegel der Schall-
quelle, S0 = 1 m2 die Bezugsfläche. Die äqui-
Im Allgemeinen hängt der Schallabsorptions- valente Absorptionsfläche A eines Raumes
grad αi einer schallabsorbierenden Fläche vom bestimmt also den Schallpegel des diffusen
Schalleinfallswinkel δ ab; deshalb definiert Schallfeldes und darüber hinaus den akusti-
man einen mittleren Absorptionsgrad schen Raumeindruck. Ist A groß, hat der Raum
eine geringe Halligkeit, seine Akustik wird
π/
2 als trockene Akustik gekennzeichnet. Sehr
αi cos δ sin δ dδ hallige Räume dagegen haben eine geringe
αi = 0
π/
äquivalente Absorptionsfläche.
2
cos δ sin δ dδ Diese für den raumakustischen Eindruck cha-
0 rakteristische Größe A kann messtechnisch
π/ 2 einfach durch eine Nachhallmessung bestimmt
=2 αi cos δ sin δ dδ . (7.64) werden. Dazu wird entsprechend Abb. 7.19 der
0 zeitliche Abfall des Schallpegels Ldiffus im dif-
fusen Schallfeld untersucht, wenn die Schall-
640 7 Akustik
24 ln 10 V
T = . (7.70)
c A
0,163 V
T = . (7.71)
m/s A
Abb. 7.19 Bestimmung der Nachhallzeit aus
dem Schallpegelabfall eines diffusen Schallfeldes.
Nachhallzeit T / 2 = 0,55 s oder T = 1,1 s Die Nachhallzeit T hängt vom Raumvolumen
und – über den Zusammenhang mit der äqui-
valenten Absorptionsfläche A – wie der Schall-
quelle abgeschaltet wird. Die im Zeitinter- absorptionsgrad αS (Abb. 7.7) von der Schall-
vall dt dem Raumvolumen V durch Absorp- frequenz ab. Um eine optimale Hörsamkeit
tion verloren gehende Schallenergie − dE/ dt in Vortragsräumen, einen vollen Klangein-
ist gleich der absorbierten Schallleistung Pges druck in Musiksälen oder eine ausreichende
nach (7.65). Die Schallintensität des diffusen Schallpegelreduktion in Sporthallen zu errei-
Schallfeldes ist Idiffus = c und hängt damit chen, sind frequenz- und raumvolumenabhän-
von der Schallenergiedichte = E/ V ab; es gige Anforderungen an die Nachhallzeit fest-
gilt die Bestimmungsgleichung gelegt. So sollen nach DIN 18 032 in Sport-
hallen die Nachhallzeiten möglichst kurz oder
dE 1 cA oberhalb f = 500 Hz im unbesetzten Zustand
− = Pges = E . (7.68) nicht größer als T = 1,8 s sein. Eine optimale
dt 4 V
Sprachverständlichkeit wird nach DIN 18 041
erreicht, wenn im Frequenzbereich 500 Hz <
Die Integration von (7.68) ergibt, dass die f < 1 000 Hz die Nachhallzeit T = 1,0 s bis
Schallenergie in einem Raum exponentiell ab- T = 1,2 s beträgt.
nimmt, wenn die Schallquelle ausgeschaltet Eine raumakustische Optimierung erstreckt
wird: sich nicht nur auf die Anpassung der äquiva-
lenten Absorptionsfläche an die zur Nutzung
E(t) = E(0)e−cAt/ (4V) . (7.69) erforderlichen Nachhallzeiten. Ein weiterer
wesentlicher Planungsteil befasst sich mit der
geometrischen Ausbreitung des Direktschalls
Als charakteristische Zeitkonstante für den und der nützlichen ersten Schallrückwürfe.
Abfall der Schallenergie ist die Nachhallzeit T Mit Reflektoren, speziellen Deckenformen,
festgelegt. Es ist die Zeitspanne, in der die ausgeklügelten Schallabsorberanordnungen
Schallenergie auf E(T) = 10−6 E(0) oder der sowie akustisch wirksamen Verkleidungen
Schallpegel Ldiffus des diffusen Schallfelds um von Wänden und Decke wird im konkre-
ΔL = 60 dB abgenommen hat. Aus (7.69) er- ten Fall der Raum nach den akustischen
gibt sich Erfordernissen optimiert.
7.4 Technische Akustik 641
7.4.2 Luftschalldämmung
S
R = L1 − L2 + 10 lg dB . (7.76)
A
Körperschallisolierung hochempfindlicher
Empfangsräume, beispielsweise von Aufnah-
Abb. 7.22 Elastische Lagerungen: a) Stahlfederband,
mestudios, kann man über die elastische
b) gelochte Gummiplatte, c) Gummimetallelement
Lagerung des Raumes auf Federisolatoren
erreichen.
In der Praxis werden die verschiedenen Mög- Die Verminderung der Krafteinleitung und da-
lichkeiten miteinander kombiniert. Eine be- mit der Körperschallanregung wird durch den
sonders wirkungsvolle Körperschallisolation Isolierwirkungsgrad η beschrieben:
ist die elastische Lagerung des Schallgebers,
wie in Abb. 7.21 dargestellt. Hierbei steht der F̂L
Erreger mit seiner Fundamentplatte auf einer
η=1− . (7.78)
F̂E
federnden Zwischenschicht gemäß Abb. 7.22
(z. B. Metall- oder Gummifederkörper, weiche
Die Größe F̂L ist die Amplitude der eingeleite-
Gummi-, Kork- oder Schaumstoffplatten, Fa-
ten, F̂E der erregenden Kraft. – Häufig domi-
sermatten) und bildet so ein schwingungsfä-
niert die Kraftkomponente der Erregung senk-
higes Masse-Feder-System.
recht zum Fundament; diese eindimensionale
Liegt die erregende Körperschallfrequenz f
Schwingung kann mit Hilfe der Lösungen für
weit oberhalb der Resonanz- oder Abstimm-
die gedämpfte erzwungene Schwingung in Ab-
frequenz des Masse-Feder-Systems
schn. 5.1.3 beschrieben werden.
Die eingeleitete Kraft in Abb. 7.23, die Lager-
1 k kraft FL , ist FL = kx + dẋ. Ihre Amplitude F̂L
f0 = (7.77)
2π m ist
2
Ω
mit m als der schwingenden Masse und k F̂E 1 + 4 ϑ2
ω0
als der Federkonstante der Federschicht, F̂L =
+
.
2 ,2 2
dann ist nach der Theorie der erzwungenen
1− Ω Ω
Schwingungen (Abschn. 5.1.3) die Schwin- + 4ϑ2
ω0 ω0
gungsamplitude des Bauteils, in das der
Körperschall eingeleitet wird, kleiner als die (7.79)
Erregeramplitude. Die Einleitung des Körper-
schalls, beispielsweise eines Ventilators in die Ω = 2πf ist die Erreger-Kreisfrequenz, ω0 =
Rohdecke, wird dadurch vermindert. Auch die 2πf0 die Eigenfrequenz des Schwingungssys-
644 7 Akustik
Abb. 7.29 Wechseldruck erzeugende Wirbel um Abb. 7.30 Entstehung und Implosion von
turbulenten Freistrahl einer Düse Kavitationsblasen ( Strömungsgeschwindigkeit)
7.4 Technische Akustik 647
chend tief ins Körperinnere eindringen zu Schallwellen findet sich der Großteil der
können, verwendet man Ultraschallfrequen- Schallanwendungen. Sprach- und Musik-
zen im Bereich von 3 MHz bis 15 MHz. Mit- übertragungen, aber auch Schall- und Lärm-
tels Ultraschalldiagnostik kann der Medizi- schutz sind die Hauptanwendungsgebiete.
ner ohne Strahlenbelastung Organverände- Der Schallfrequenzbereich unterhalb der
rungen analysieren und Schwangerschaftsent- Tiefton-Hörschwelle wird als Infraschall be-
wicklungen verfolgen. zeichnet. Der Schallfrequenzbereich oberhalb
Bei Ultraschallfrequenzen von etwa der Hörakustikfrequenzen wird in Ultraschall
f = 20 kHz bis f = 40 kHz lassen sich so und Hyperschall unterteilt. Während es im Ul-
hohe Schallintensitäten und Schallschnellen traschallbereich viele interessante technische
erreichen, dass an festen Grenzflächen Ka- Schallanwendungen in allen Aggregatzu-
vitation auftritt. Durch die Implosion der ständen gibt, ist die Hyperschallausbreitung
Kavitationsblasen können z. B. Emulsions- ausschließlich ein Festkörperphänomen.
vorgänge eingeleitet, Metallschmelzen und Tabelle 7.8 weist, aufgeschlüsselt nach den ver-
Flüssigkeiten entgast sowie Schmutzteil- schiedenen Schallarten, die Einsatzbereiche
chen von Oberflächen losgerissen werden und Anwendungsgebiete von Schall aus.
(Ultraschall-Reinigung). Zur Übung
Die große Ultraschallenergie wird auch zum Ü 7.4-1 Eine Werkhalle (Länge 25 m, Breite 15 m,
Ultraschallbohren eingesetzt. In harten und Höhe 7 m) soll für kulturelle Veranstaltungen als Saal
spröden Materialien, wie z. B. Glas und Quarz, für Musik- und Sprechdarbietungen genutzt werden.
lassen sich bei geeigneter Schleifmittelzugabe Bei den Veranstaltungen wird von einer durchschnitt-
lichen Zuhörerzahl von 300 Personen (äquivalente
durch resonantes mechanisches Absprengen
Schallabsorptionsfläche pro Person A = 0,5 m2 ) ausge-
feinste Profilformen herstellen. gangen. Die Schallabsorptionsgrade der Raumoberflä-
chen im mittleren Frequenzbereich von 500 Hz betra-
7.4.6 Schalleinsatz
gen für die Wände αW = 0,02, für den Boden αB = 0,04
und für die Decke αD = 0,15. a) Wie groß ist im vor-
Als Luftschall wird die Schallausbreitung in
gefundenen Raumzustand die Nachhallzeit bei 500 Hz
Luft und Gasen bezeichnet; als Flüssigkeits- mit und ohne Publikum? b) Bestimmen Sie unter Be-
schall das Schallfeld in Wasser und anderen rücksichtigung von Publikum die erforderliche raum-
Fluiden. Die Ausbreitung wird in beiden Fäl- akustische Maßnahme an der Decke, wenn für die
len durch das hydrodynamische Grundgesetz vorgesehene Nutzung bei 500 Hz die optimale Nach-
nach (7.3) beschrieben, die daraus folgende hallzeit 1,3 s beträgt. Welche Fläche SAbs der Decke
muss mit Absorbermaterial abgedeckt werden, wenn
Wellenausbreitung als longitudinale Kom-
αAbs = 0,8 beträgt?
pressionswelle bestimmt die Anwendung. Die
Schallausbreitung in Festkörpern wird Körper- Ü 7.4-2 Die Schalldämmung eines Fensters soll un-
schall genannt und führt wegen der möglichen ter folgenden Voraussetzungen abgeschätzt werden:
Schubspannungen und Schubdeformation zu Fensterfläche 2,2 m2 , Raumvolumen 45 m3 , Nachhall-
komplexen, von der Isotropie des elastischen zeit des Raumes 0,4 s. Der diffuse Schallpegel außer-
Kontinuums abhängigen Schallfeldern aus halb des Fensters wird gemessen zu L1 = 75 dB. Im
Innern ergibt sich ein Pegel von L2 = 38 dB. a) Das
Longitudinal- und Transversalwellen; an der
Schalldämmaß R des Fensters ist zu berechnen unter
Oberfläche der Festkörper kommt es zu Ober-
der Annahme, dass die Schallübertragung durch die
flächenwellen, die Biegewelle auf plattenförmi- Mauern vernachlässigbar ist. b) Wie groß wird der dif-
gen Bauteilen (Abb. 7.10) ist ein Beispiel dafür. fuse Pegel im Raum, wenn das Fenster halb bzw. ganz
Im hörakustischen Frequenzbereich der geöffnet wird?
Kapitel 8
Atom- und Kernphysik 8
teles (384 bis 322) zur Erklärung von Stoffei- 8.1 Bohr’sches Atommodell
genschaften eingeführt. Der moderne Atom-
begriff bezeichnet den kleinsten Bestandteil J. J. Thomson (1856 bis 1940) entwickelte 1904
eines chemischen Elements, der noch die Ei- folgende Atomvorstellung: Die Elektronen be-
genschaften des Elements hat. Eine Zerle- finden sich in einer homogen positiv gelade-
gung des Atoms in seine Bestandteile Pro- nen Kugel mit einem Durchmesser der Grö-
tonen, Neutronen und Elektronen hat den ßenordnung von 10−10 m. Führen die Elektro-
Verlust der Elementeigenschaften (z. B. Spek- nen in der homogenen positiven Ladungsver-
trum) zur Folge. Der atomare Aufbau der Ma- teilung Schwingungen aus, so findet eine Emis-
terie (Abb. 8.2) zeigt sich u. a. darin, dass sion von elektromagnetischer Strahlung statt
es bestimmte ganzzahlige Massenverhältnisse (Hertz’scher Dipol). Die nach diesem Modell
gibt, in denen die Elemente chemische Re- errechneten Schwingungsfrequenzen konnten
aktionen eingehen (Dalton’sches Gesetz). Für experimentell nicht bestätigt werden. Streuex-
Gase stellte Gay-Lussac fest, dass sie nur in perimente von E. Rutherford (1871 bis 1937)
bestimmten ganzzahligen Volumenverhältnis- mit α-Teilchen an Atomen führten zu folgen-
sen miteinander reagieren. Avogadro zog dar- dem Atommodell: Die positive Ladung und
aus den Schluss, dass gleiche Volumina gleich fast die gesamte Masse des Atoms ist in einem
viele Teilchen enthalten (Avogadro-Konstante Atomkern (Durchmesser etwa 10−14 m) kon-
NA = 6,022 · 1023 mol−1 , Abschn. 3.1.5). Die zentriert, der von einer Elektronenhülle um-
Atomistik der Elektrizität zeigen die Faraday’- geben ist (Durchmesser etwa 10−10 m). Auch
schen Gesetze (Abschn. 4.2.1.2), da die ab- mit diesem Atommodell konnten die diskre-
geschiedene Stoffmenge proportional zur La- ten Frequenzen der emittierten elektromagne-
dungsmenge ist. Das Auftreten von Energie in tischen Strahlung nicht berechnet werden.
unteilbaren Portionen (Quanten) wurde von
Planck zur Erklärung des Energieaustausches 8.1.1 Optisches Spektrum des Wasserstoffatoms
zwischen Materie und Strahlung (Planck’sches
Strahlungsgesetz, Abschn. 6.5.3) eingeführt. Unter einem Spektrum versteht man in der Op-
Dies ist der Ausgangspunkt der Quantentheo- tik die Abhängigkeit der Strahlungsintensität
rie, ohne die eine quantitative Beschreibung von der Frequenz bzw. der Wellenlänge der
molekularer, atomarer und subatomarer Vor- Strahlung. Die Auswertung und die Interpre-
gänge nicht möglich wäre. tation von Spektren geschieht in der Spektro-
8.1 Bohr’sches Atommodell 655
skopie. Zur Messung von Spektren, beispiels- schwächt (Abb. 8.3, Spektrum von Schwefel-
weise von Festkörpern, Molekülen und Ato- dioxid). Bei der Resonanzspektroskopie wird
men, werden die in Abb. 8.3 zusammengestell- im Gegensatz zur Emissions- und Absorpti-
ten Spektroskopie-Verfahren eingesetzt. onsspektroskopie die Probe mit einer konstan-
Bei der Emissionsspektroskopie wird die Probe ten Frequenz bestrahlt und eine äußere Größe
beispielsweise durch Hochfrequenzfelder io- (z. B. Magnetfeld, Druck oder Temperatur)
nisiert und zur Lichtemission angeregt. Nach verändert. Bei bestimmten Werten wird die
der spektralen Zerlegung des Lichts durch eingestrahlte Strahlung absorbiert. Zur Mes-
einen Monochromator (Prisma, Gitter, s. Ab- sung kann die von der Probe aufgenommene
schn. 6.4.1.7) kann man aus den Wellenlän- Intensität (durchgezogene Linie in Abb. 8.3)
gen der Emissionslinien auf das Element und oder die abgestrahlte Intensität (gestrichelte
aus der Intensität der Linien auf die Konzen- Linie) gemessen werden (Protonenresonanz-
tration des Elements in der Probe schließen spektrum von Dichlorbenzol in Abb. 8.3).
(Abb. 8.3, Ausschnitt des Spektrums von Ei- Die Spektroskopie ist ein unentbehrliches
sen). Bei der Absorptionsspektroskopie werden Hilfsmittel in der analytischen Chemie, bei-
beispielsweise die in die Gasphase überführ- spielsweise zur Bestimmung der Elemente
ten Atome oder Moleküle mit Licht bestimm- (z. B. Cadmium, Blei, Quecksilber, Selen) in
ter Wellenlänge bestrahlt. Durch Absorption einer Probe (z. B. des Bodens, der Luft, des
wird die eingestrahlte Intensität proportional Wassers oder eines Nahrungsmittels). Mit
der Teilchenkonzentration in der Probe ge- Spektroskopieverfahren ist es heute möglich,
Elementmengen in der Größenordnung von ν = 27 419,4 cm−1 ). Balmer stellte eine em-
:
10−12 g (1 pg) zu bestimmen. Solche Mess- pirische Beziehung zur Berechnung der
methoden dienen der Kontrolle der Umwelt gemessenen Wellenlängen auf:
bezüglich Kontamination durch Schwerme-
talle. n2
Im Folgenden wird das optische Emissi- λ= G (8.1)
n2 − 4
onsspektrum des einfachsten Atoms, des
Wasserstoffs, betrachtet. In Abb. 8.4 ist ein
Teil des Emissionsspektrums (4 050 nm bis Hierin ist G eine Proportionalitätskonstante
50 nm) dargestellt. Da die Wellenlänge umge- und n eine ganze Zahl (n = 3, 4, …). Diese
kehrt proportional zur Strahlungsenergie ist Beziehung kann auch ausgedrückt werden als
(E = hf = h c/λ), wird meist nicht die Wellen-
länge, sondern die der Energie proportionale 1 1 1
ν=
: = RH 2 − 2 , n < n
Wellenzahl :ν = 1/λ = E/ (h c) angegeben. Das λ n n
Spektrum setzt sich aus mehreren Serien von c 1 1
f = = c RH 2 − 2 . (8.2)
Linien zusammen, deren Abstand bis zur Seri- λ n n
engrenze immer kleiner wird. Die Balmerserie
(J. J. Balmer, 1825 bis 1898) ist in Abb. 8.4
Es bedeuten:
vergrößert wiedergegeben. Die Serie be-
ginnt im sichtbaren Bereich mit der Hα -Linie n = 2,
(λ = 656,460 nm, :ν = 15 233,21 cm−1 ) und en- :
Wellenzahl der Spektrallinie,
det mit der Seriengrenze H∞ (λ = 364,71 nm, f Frequenz der Spektrallinie,
ergibt einen Unterschied von etwa 60 cm−1 . bahn muss sich infolge des Drehimpulserhal-
Dieser Unterschied ist auf die Mitbewegung tungssatzes (Flächensatz, Abschn. 2.10) das
des Kerns zurückzuführen, dessen Masse Elektron in Kernnähe schneller bewegen als in
bisher unendlich groß angenommen wurde. großer Entfernung. Nach der Relativitätstheo-
Die Bohr’schen Postulate gestatten die Berech- rie nimmt die Masse des Elektrons mit zuneh-
nung des Wasserstoffspektrums und der was- mender Geschwindigkeit zu (Abschn. 10.2),
serstoffähnlichen Spektren (Systeme mit ei- sodass das Elektron in Kernnähe schwerer ist.
nem Z-fach geladenen Kern und einem einzi- Wegen En ∼ m0 kommt es zu einer Energieab-
gen Hüllenelektron, z. B. He+ , Li2+ ). Mit höher senkung des Zustandes, die umso größer ist,
auflösenden Spektralapparaten wird eine Auf- je kleiner die Halbachse bn, k und damit die
spaltung der Spektrallinien beobachtet. So er- Nebenquantenzahl k ist. Das rechnerische Er-
scheint beispielsweise die Hα -Linie als Dublett gebnis von Sommerfeld ist in Abb. 8.5 angege-
(Aufspaltung in zwei Linien) mit einem Wel- ben (8.6). Die relativistische Energieänderung
lenzahlabstand von 0,33 cm−1 . Da diese Auf- ist abhängig von dem Quadrat einer Konstan-
spaltung durch die Bohr’schen Postulate nicht ten α, die Sommerfeld’sche Feinstrukturkon-
erklärbar ist, mussten sie korrigiert werden. stante genannt wird:
Dies gelang A. Sommerfeld (1868 bis 1951). Geschwindigkeit des Elektrons auf der 1. Bohr-Bahn
α=
Lichtgeschwindigkeit
und beträgt
8.1.3 Quantenbedingungen
α = μ0 c0 e2 / 2h = 7,297352568 · 10−3 ≈ 1/ 137.
nach Bohr/Sommerfeld
Eine genaue Bestimmung von α kann durch
Abbildung 8.5 zeigt die Erweiterung durch den von K. von Klitzing (geb. 1943) entdeck-
Sommerfeld. In Analogie zu den Planeten- ten Quanten-Hall-Effekt vorgenommen wer-
bahnen (Abschn. 2.10) sind außer den Bohr’- den (Abschn. 8.2.5). Infolge der relativisti-
schen Kreisbahnen auch Ellipsenbahnen mit schen Massenänderung des Elektrons wird die
gleicher Energie möglich. Die große Halbachse Entartung aufgehoben und führt zu einer Auf-
der Ellipse an bestimmt die Energie und wird spaltung der Spektrallinien (Abb. 8.5).
durch die Hauptquantenzahl n beschrieben. Trotz dieser großen Erfolge der Bohr-
Zur Charakterisierung der kleinen Halbachse Sommerfeld’schen Theorie zur Deutung
bn, k wird analog zu n eine neue Quanten- der Spektren von Einelektronensystemen
zahl, die Nebenquantenzahl k, eingeführt. Für ergaben sich unüberwindliche Schwierigkei-
sie gilt 1 k n. Das Verhältnis der bei- ten bei der Berechnung der Spektren von
den Halbachsen wird durch bn, k / an = k/ n Mehrelektronensystemen.
bestimmt. Dies bedeutet, dass zu einer Ener-
gie En n Energiezustände gleicher Energie ge- 8.2 Quantentheorie
hören (n-fache Entartung), die sich durch die
Die klassische Physik umfasst die Mechanik
Nebenquantenzahl (k = 1 bis n) unterscheiden
(Newton) und die Elektrodynamik (Maxwell).
(Abb. 8.5). So ist beispielsweise der Energie-
Eine Konsequenz der Maxwellgleichungen ist
zustand für n = 3 dreifach entartet, d. h., es
das Auftreten elektromagnetischer Wellen.
handelt sich um drei Energiezustände gleicher
Das klassische Weltbild umfasst somit
Energie mit k = 1, 2, 3.
Bei einer klassischen Betrachtungsweise der – Materie: punktförmige Teilchen mit der
Bewegung des Elektrons auf einer Ellipsen- Masse m und der Ladung Q,
660 8 Atom- und Kernphysik
– Strahlung: elektromagnetische Wellen, schen Materie und Strahlung, die nach der
– Kräfte: Gravitationskraft und Lorentz-Kraft. klassischen Theorie kontinuierlich erfolgt, so-
(Die Lorentz-Kraft ist das Kopplungsglied zwi- dass die Energie im Lauf der Zeit vollständig
schen Mechanik und Elektrodynamik.) aus der Materie in die Strahlung übergeht.
Mit der klassischen Physik konnten aber nicht Dies ist dann nicht mehr möglich, wenn die
alle experimentellen Befunde erklärt und be- Energie in bestimmten Portionen (Quan-
rechnet werden. In Abb. 8.6 sind einige grund- ten) beieinander bleibt. Die Strahlung ist
legende Experimente zusammengestellt, de- somit ein Teilchenstrom aus Energie-Quanten
ren Ergebnisse einen Widerspruch zur klas- (Photonen) mit der Energie E = h f = ω
sischen Physik darstellen. (Planck’sches Wirkungsquantum h, ω = 2 πf )
Plancks Einführung der Quantenhypothese und dem Impuls p = h/λ = k (Wellen-
zur Beschreibung der schwarzen Strahlung zahl k = 2 π/λ). Dieser Teilchencharakter
(Hohlraumstrahlung, Abschn. 6.5.3) führte der Strahlung zeigt sich deutlich bei der
zu einer völligen Revision des physikali- Beschreibung des lichtelektrischen Effekts
schen Weltbildes. Hierbei geht es um die und der Compton-Streuung (Abb. 8.6, s. Ab-
Beschreibung des Energieaustausches zwi- schn. 6.5.1.1 und Abschn. 6.5.1.2).
De Broglie stellte 1925 die Hypothese auf, dass lenlänge der Elektronen entspricht der De-
jedem freien Teilchen eine Welle zugeordnet Broglie-Wellenlänge (8.7).
werden kann, dessen Wellenlänge durch Anhand der in Abb. 8.6 zusammengestell-
ten Experimente wird deutlich, dass Mate-
rie und Strahlung eine Doppelnatur aufwei-
λ = h /p ; (8.7)
sen, indem sie sich je nach Experiment ein-
p = m (Impuls des Teilchens) mal als Welle, ein anderes Mal als Teilchen
verhalten (Dualismus Welle–Teilchen). Es ist
gegeben ist (Abschn. 6.5.5). Diese Umkehrung offensichtlich, dass Materie nicht gleichzei-
der Planck’schen Vorstellung, dass die Teil- tig aus Wellen und Partikeln bestehen kann.
chen ebenso Wellencharakter haben, wurde Dieser Dualismus ist somit nichts anderes als
1927 eindrucksvoll durch die Experimente von der Ausdruck unserer Unzulänglichkeit, das
C. J. Davisson (1881 bis 1958) und L. H. Ger- Verhalten der uns umgebenden Objekte wi-
mer (1896 bis 1971) bestätigt. Die aus dem derspruchsfrei zu beschreiben. Die Beschrei-
Interferenzmuster der Beugung von Elektro- bung von Vorgängen und die Begriffsbildung
nen an einer Kristalloberfläche ermittelte Wel- stammen aus unserer Erfahrung des täglichen
662 8 Atom- und Kernphysik
Lebens. Begriffe wie Ort, Impuls oder Ener- beschrieben. Für die Bewegung eines Teil-
gie verbinden wir mit Körpern, die sich für chens kann dies beispielsweise durch die
uns sichtbar bewegen; die Begriffe Wellen- Bewegungsgleichungen x(t), y(t) und z(t)
länge und Frequenz bringen wir in Zusam- erfolgen. In vielen Fällen sind die Bewegungs-
menhang mit Wasserwellen oder der Farbe möglichkeiten der Systembestandteile durch
des Lichts. Objekte unserer Anschauung beste- Zwangsbedingungen oder Bindungen einge-
hen aus vielen Teilchen (Moleküle, Atome). Be- schränkt. Wenn beispielsweise die Bewegung
trachten wir dagegen einzelne Atome oder ato- eines Teilchens nur in einer Ebene stattfindet,
mare Prozesse, so sind diese unserer Anschau- ist z konstant, sodass z(t) entfällt. Durch
ung nicht direkt zugänglich, sodass eine Be- derartige Bindungen wird die Anzahl der
schreibung mit makroskopisch gewonnenen Freiheitsgrade des Systems verringert. Für ein
Begriffen widersprüchlich sein muss. Durch System aus n Teilchen ergibt sich die Anzahl
die mathematische Beschreibung in der Quan- der Freiheitsgrade zu f = 3 n − r mit r als der
tentheorie wird der Widerspruch beseitigt, Anzahl der Bindungen.
und der Dualismus tritt nicht auf, da man Für jedes dieser n Teilchen gilt die Newton’-
sich von der Anschauung löst. Die Grenze sche Bewegungsgleichung, beispielsweise für
der Anwendbarkeit des Partikel- oder Wel- das i-te Teilchen in x-Richtung Fxi = mi ẍi .
lenbildes ergibt sich aus der Unschärferela- Die r Bindungen verknüpfen die Koordinaten
tion und damit durch die Größe des Planck’- der n Teilchen untereinander. Deshalb sind
schen Wirkungsquantums (vgl. Abb. 1.2 in Ab- die Newton’schen Bewegungsgleichungen der
schn. 1.2). einzelnen Teilchen voneinander abhängig
(gekoppelt). Die Lösungen solcher gekoppelter
Bewegungsgleichungen sind, wenn überhaupt,
8.2.1 Hamilton-Operator
nur mit sehr großem mathematischem Auf-
Extremalprinzipien (d. h., bestimmte physika- wand zu finden. Um dieses Problem generell
lische Größen werden zu Extremwerten) spie- und einfacher zu lösen, werden für ein Sys-
len in der Physik eine bedeutende Rolle zur Er- tem mit f Freiheitsgraden f voneinander
klärung von Zustandsänderungen bzw. Bewe- unabhängige (generalisierte) Koordinaten
gungsabläufen. In der Thermodynamik laufen qk = qk (t) (k = 1, 2, …, f ) gesucht. Solche
beispielsweise Prozesse so ab, dass die Gesamt- generalisierte Koordinaten müssen nicht nur
entropie ein Maximum annimmt. In der Op- Raumkoordinaten, sondern können auch
tik muss nach dem Fermat’schen Prinzip (Ab- zusammengesetzte Größen sein.
schn. 6.1) der optische Weg (Produkt aus Bre- Zur Beschreibung des Zustands eines Teilchen-
chungsindex und geometrischem Weg) einen systems genügt nicht allein die Kenntnis der
Extremwert annehmen (i. Allg. ein Minimum). Lagen xi der Teilchen, sondern es müssen auch
Für Bewegungen der Mechanik existiert eben- deren Geschwindigkeiten ẋi bekannt sein. Dies
falls ein Extremalprinzip, das Hamilton’sche ergibt sich aus der Newton’schen Formulie-
Prinzip (W. R. Hamilton, 1805 bis 1865), nach rung der Mechanik (F = mẍ). Ist die Kraft F
dem die Wirkung (Energie mal Zeit) extremal als Funktion der Zeit bekannt, so kann die Zu-
wird. kunft des Systems (Entwicklung) nur berech-
Ein mechanisches System wird durch den net werden, wenn die zur Lösung der Diffe-
zeitlichen Verlauf der Ortskoordinaten der rentialgleichung zweiter Ordnung notwendi-
Systembestandteile (Bewegungsgleichung) gen zwei Integrationskonstanten (ẋi , xi ) zu ei-
8.2 Quantentheorie 663
nem bestimmten Zeitpunkt t bekannt sind. Für kinetische Energie. Eine andere Formulierung
eine Beschreibung des Systems durch generali- von (8.8) mit Hilfe der Variationsrechnung er-
sierte Koordinaten muss entsprechend qk und gibt
q̇k = dqk / dt (k = 1, 2, …, f ) zu einem be-
stimmten Zeitpunkt bekannt sein. d ∂L ∂L
− = 0 ; k = 1, 2, …, f .
Für ein System mit einem Freiheitsgrad ( f = 1) dt ∂q̇k ∂qk
kann der Zustand eines Systems zu einem be- (8.9)
stimmten Zeitpunkt t als Punkt in einem Ko-
ordinatensystem mit den Koordinaten q und q̇ Durch Einführung des generalisierten Impul-
dargestellt werden (Phasenraum). In Abb. 8.7 ses
sind die Zustände des Systems zum Zeitpunkt
∂L(q1 , …, qf , q̇1 , …, q̇f , t)
t1 (q1 , q̇1 ) und t2 (q2 , q̇2 ) dargestellt. Die zeit- pk = ; (8.10)
liche Entwicklung des Systems von t1 nach t2 ∂q̇k
kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Aus k = 1, 2, …, f
der Vielzahl möglicher Wege bestimmt das Ha-
milton’sche Prinzip den Weg, für den gilt: ergibt sich aus der Lagrange-Funktion (8.8)
eine neue Funktion, die Hamilton-Funktion H
Die Wirkung W (Einheit: Energie mal (pk , gk , t). Sie stellt i. Allg. die Gesamtenergie
Zeit) entlang des Wegs im Phasenraum des Systems dar:
muss einen Extremwert annehmen.
t2 H = Ekin + V . (8.11)
W = L(q1 , …, qf , q̇1 , …, q̇f , t) dt
t1 Für ein Teilchen in einem Potential V(x) ergibt
→ Extremwert . (8.8)
sich die Hamilton-Funktion für den eindimen-
sionalen Fall zu
Die Funktion L = Ekin − V wird als Lagrange-
Funktion bezeichnet. Sie hat die Dimension p2x
H = + V(x) = Egesamt . (8.12)
einer Energie. V ist die potentielle und Ekin die 2m
∂H ∂H
= q̇k ; = −ṗk ; (8.13)
∂pk ∂qk
k = 1, 2, …, f .
Beispiel
8.2-1 Man bestimme die Bewegungsgleichung eines
mathematischen Pendels (Abschn. 5.1.2.3, Abb. 5.7)
Abb. 8.7 Phasenraum mit Hilfe des Hamilton’schen Prinzips.
664 8 Atom- und Kernphysik
2
∂ 2
− Δ + V(r) Ψ (r, t) = i Ψ (r, t) − Δ + V(r) ψ(r) = Eψ(r) . (8.18)
2m ∂t 2m
(8.17)
l̂x = ~i y ∂∂z − z ∂∂y
y; ẑ = z
i pr
l̂ = i (r̂× ∇ )
i
quantenmechanische Beschreibung
x̂ = x; ŷ =
~
Aus (8.19) und (8.20) ergibt sich, dass der
p̂x
r̂
t
klassische Impuls p in der Quantentheorie
durch den Impulsoperator p̂ = ( / i)∇ ∇ er-
Drehimpulsoperator:
setzt wird. Tabelle 8.1 zeigt eine Gegenüber-
Impulsoperator:
stellung der klassischen und quantenmechani-
Ortsoperator:
Operatoren
schen Beschreibung von Systemen. Daraus ist
Energie:
ersichtlich, dass die mathematische Abbildung
Zeit:
des Systems im klassischen Fall durch Skalare
und Vektoren geschieht, die in der Quantenme-
chanik durch Operatoren ersetzt werden. Ope-
ratoren sind Rechenvorschriften (z. B. Diffe-
E = Ekin + V(r)
t
Klassische Beschreibung
Drehimpulsvektor:
entsprechenden Operator
Tabelle 8.1 Klassisches und quantenmechanisches System
Impulsvektor:
Ortsvektor:
∂2 ∂2 ∂2
p̂2 = −2 + 2 + 2 = −2 Δ .
Energie:
∂x ∂y ∂z
2
Zeit:
(8.21)
p̂2
+ V(x̂ ŷ, ẑ) ψ(x, y, z)
2m
! "# $
Ĥ
= E ψ(x, y, z) .
(8.22)
Tabelle 8.1 (Fortsetzung)
darin, dass der quantenmechanisch niedrigste Tunneleffekt genannt und spielt beispiels-
Energiezustand von null verschieden ist, weise beim α-Zerfall (Abschn. 8.8.1.2) und
sodass dem Teilchen auch am absoluten Null- dem Tunnelmikroskop (Abschn. 8.2.6) eine
punkt eine Energie (Nullpunktsenergie) zu- entscheidende Rolle.
kommt. Weil das Planck’sche Wirkungsquan-
tum h sehr klein ist (h = 6,6261 · 10−34 J s), 8.2.3 Unschärferelation
wird die Energiequantelung erst bei atomaren
Dimensionen und Teilchen geringer Masse Wie in Abschn. 8.2.2 ausgeführt, ist es ein
(z. B. Elektronen) erkennbar. Für makroskopi- Grundpostulat der Quantentheorie, dass die
sche Systeme liegt die Energiequantelung weit Eigenwerte der Messgröße (dargestellt durch
unterhalb jeder Messgenauigkeit ihren Operator) identisch mit den Messwer-
Für einen Potentialtopf mit der Länge l = 1 cm ten sind. Wendet man dieses Postulat auf ein
und ein Teilchen mit der Masse m = 1 g ergibt freies Teilchen an, das durch eine ebene Welle
sich für die Energieniveaus beschrieben wird, so ergibt sich
2 π2 2
En = n = 3,4 · 10−44 n2 eV . p̂x eikx x = px eikx x ,
2 m l2
∂ ikx x
Für den harmonischen Oszillator mit der e = kx eikx x ; kx = px .
i ∂x
Energie E (klassisch z. B. eine an einer Feder (8.27)
schwingende Masse m) bewegt sich klassisch
das Teilchen zwischen den Umkehrpunkten x0 ,
wie Abb. 8.9 zeigt. Das quantenmechanische Der Ausdruck eikx x ist die Eigenfunktion zum
Ergebnis zeigt, dass sich ψn (x) über diese Um- Impulsoperator p̂x (analog y und z). Ein ent-
kehrpunkte hinaus erstreckt. Da |ψn (x)|2 dV sprechendes Experiment würde als Resultat
die Aufenthaltswahrscheinlichkeit angibt, einer Impulsmessung pn ergeben. Befindet
bedeutet dies, dass sich das Teilchen auch sich das Teilchen in einem allgemeinen Zu-
außerhalb der klassischen Umkehrpunkte stand, so kann dieser durch die Superposition
aufhalten kann. von ebenen Wellen (8.28) innerhalb eines Be-
Der Widerspruch zum klassischen Verhalten reichs Δk um k0 (Wellenpaket) dargestellt wer-
eines Teilchens wird noch deutlicher beim den (Abb. 8.10):
Anlaufen eines Teilchens gegen eine Potenti-
alschwelle. Bei einer Energie E des Teilchens k
0 +Δk
kleiner als die Potentialschwelle kann das ψ(x) = c(k)eikx x dk . (8.28)
Teilchen klassisch die Schwelle nicht über-
k0 −Δk
winden, sodass es vollständig reflektiert wird
(Abb. 8.9). In der Quantenmechanik besteht
dagegen eine Wahrscheinlichkeit, das Teilchen Führt man eine Impulsmessung an einem Teil-
hinter der Potentialschwelle anzutreffen. Diese chen, dargestellt durch ein Wellenpaket, durch,
Wahrscheinlichkeit wird durch den Transmis- so erhält man einen beliebigen Messwert pn /
sionskoeffizienten T ausgedrückt. Je dünner im Bereich k0 −Δk < pn / < k0 +Δk. Die Wie-
die Potentialschwelle ist, umso größer wird T. derholung der Impulsmessung in einem neu-
Dieses Durchdringen einer Potentialschwelle, präparierten Wellenpaket ψ(x) liefert einen
obwohl es klassisch nicht möglich wäre, wird anderen Messwert für pn . Eine mehrmalige
670 8 Atom- und Kernphysik
8.2
Wird nach einer Messung (z. B. Impulsmes- Wenn die Messung zweier Messgrößen (Obser-
sung) eine weitere Messung (z. B. Ortsmes- vablen) von der Reihenfolge der Messung ab-
8.2 Quantentheorie 673
hängig ist, können beide Messgrößen gleich- zeitigen) Kenntnis der verschiedenen Größen.
zeitig nicht beliebig genau gemessen werden, Diese Relationen beschränken nicht die Ge-
da die erste Messung den Zustand des Systems nauigkeit beispielsweise einer Ortsmessung al-
unkontrolliert verändert (es befindet sich nach lein oder einer Geschwindigkeitsmessung al-
der Messung in einem beliebigen Eigenzu- lein, sondern lediglich die Kenntnis beispiels-
stand). Dies ist genau die Aussage der Heisen- weise der Geschwindigkeit bei einer Ortsmes-
berg’schen Unschärferelation (Abschn. 6.5.5.2). sung.
Durch den Formalismus der Quantentheorie
kann die Gültigkeit folgender Relation gezeigt
werden: 8.2.4 Quantenmechanik des Wasserstoffatoms
Der zweite Term von (8.36) ist die Rotations- genzustand Fl, m (ϑ, ϕ) die Drehimpulskom-
energie eines auf der Kreisbahn mit Radius r ponenten in x- und y-Richtung.
umlaufenden Teilchens mit der reduzierten
Um diese beiden Aussagen zu erfüllen, muss
Masse mred :
angenommen werden, dass der Bahndrehim-
pulsvektor l um die z-Achse präzediert. Dies
1 (J ω)2 ist in Abb. 8.12b veranschaulicht.
Erot = J ω2 = Der Bahndrehimpulsvektor l verändert zeitlich
2 2J
l2 l2 seine Richtung, obwohl kein äußeres Drehmo-
= = (8.37) ment vorhanden ist. Die Präzession ist letz-
2J 2mred r2
l2 = 2 l(l + 1); |l| = l(l + 1) (8.38)
ten Endes eine alleinige Folge der Unschärfe- – Die Entartung bezüglich der Nebenquan-
relation (nicht gleichzeitige Messbarkeit von tenzahl l wird aufgehoben (die Energie der
lx , ly , lz ). Zustände für unterschiedliche l-Werte bei
Als Lösung des Radialanteils der Wellenfunk- gleichem n-Wert wird verschieden), wenn
tion (Abb. 8.11) ergibt sich Rn, l (r), der nur das Potential kugelsymmetrisch ist, aber
von den beiden Quantenzahlen n (Hauptquan- nicht mehr proportional zu 1/ r ist. Dies ist
tenzahl) und l (Bahndrehimpulsquantenzahl, bei allen Mehrelektronensystemen der Fall.
Nebenquantenzahl) abhängig ist. Die gesam- Die Entartung bezüglich der Nebenquan-
ten Lösungen der Schrödinger-Gleichung des tenzahl l wird auch bei relativistischer Rech-
Wasserstoffproblems werden als Atomorbitale nung aufgehoben (Bohr-Sommerfeld’sche
bezeichnet. In Abb. 8.13 ist lediglich der Dre- Quantenzahl k = l + 1).
himpulsanteil dargestellt. – Die Entartung bezüglich m wird aufgeho-
Für das Wasserstoffatom sind die Energieei- ben, wenn dem Coulomb-Potential eine
genwerte En nur von der Hauptquantenzahl n nicht kugelsymmetrische Störung (z. B.
abhängig (Abb. 8.11). Zu jedem Energiezu- elektrisches oder magnetisches Feld) über-
stand En gibt es n2 Zustände gleicher Energie lagert wird (Abschn. 8.3).
(l = 0, 1, 2, …, n − 1; −l < m < l, zu jedem l
Zur Ermittlung des Absorptionsspektrums ei-
gehören 2 l + 1 Zustände). Die Energie En ist
nes Atoms wird dieses mit Licht unterschied-
somit n2 -fach entartet.
licher Frequenz bestrahlt. Stimmt die Pho-
tonenenergie ω mit einer Energiedifferenz
von Zuständen (En, l, m − En , l , m ) überein, so
wird dieses Photon absorbiert und ein Elek-
tron geht vom Zustand n, l, m in den Zustand
n , l , m über. Ein derartiger Übergang kann
nicht zwischen beliebigen Zuständen erfolgen.
Es gibt bestimmte Auswahlregeln, nach de-
nen eine Zustandsänderung von n, l, m nach
n , l , m möglich ist. Diese Auswahlregeln er-
geben sich durch die Symmetrie der Wellen-
funktionen der Zustände, zwischen denen der
Elektronenübergang stattfinden soll, und der
Wechselwirkung mit der Lichtwelle.
Eine wichtige Auswahlregel für optische Über-
gänge ist Δl = ±1.
8.2.5 Quanten-Hall-Effekt
senkrecht zum magnetischen Feldvektor B be- Analog kann die magnetische Induktion B
wegen können. Abbildung 8.14 vermittelt eine aus dem Vektorpotential A durch Rotations-
Übersicht. bildung erhalten werden:
Die elektrische Feldstärke E ergibt sich durch ∂ ∂
Ableitung des elektrischen Potentials ϕ(x, y, z) B = rot A = A − A ,
∂y z ∂z y
nach den Ortskoordinaten x, y und z:
∂ ∂ ∂ ∂
A − A , A − A .
∂ ∂ ∂ ∂z x ∂x z ∂x y ∂y x
E = −grad ϕ = − ϕ, ϕ, ϕ
∂x ∂y ∂z Damit lautet die Hamilton-Funktion H eines
= −∇
∇ϕ . Elektrons mit der Ladung – e
Abb. 8.14 Klassische und quantenmechanische Beschreibung des freien Elektrons in einem Magnetfeld
8.2 Quantentheorie 679
1 Ex
Eν = ν+ ωc + − ky .
2 Bz
(8.42)
y = −(Ex / Bz ) . (8.43)
Umgekehrt ist mit dem Widerstandstensor Der Entartungsgrad D = Nmax / Lx Ly ist somit
0 ρxy Bz
ρ= und ρxy = ,
ρyx 0 ns e eBz
D= . (8.48)
E = ρj . h
Ferner gilt
Wenn nun die Dichte ns der Elektronen erhöht
wird, dann wird zuerst das tiefste Landau-
Bz
RH = = ρxy = ρH . (8.46) Niveau mit D Elektronen gefüllt, dann das
ns e
nächsthöhere und so fort.
In realen Systemen entsteht der Widerstand
Das bedeutet, dass der spezifische Widerstand infolge von Streuung der Elektronen. Dabei
ρxx in Längsrichtung verschwindet, zugleich muss ein Elektron von seinem Ausgangszu-
mit der Leitfähigkeit σxx . In realen Systemen stand in einen freien Endzustand gestreut wer-
sorgt die Streuung der Elektronen am Gitter den. Sind nun alle Landau-Niveaus voll belegt,
und an Verunreinigungen dafür, dass ρxx und dann liegt der nächste freie Zustand um ωc
σxx nicht null werden. höher. Bei tiefen Temperaturen und hohen Ma-
Quantenmechanisch werden die Elektronen- gnetfeldern ist diese Energie so groß, dass sie
wellenfunktionen beschrieben durch eine nicht aufgebracht werden kann. Mit anderen
ebene Welle in y-Richtung und Wellen- Worten: der Streuprozess kann nicht stattfin-
funktionen des harmonischen Oszillators in den. Also führt eine komplette Besetzung der
x-Richtung um den Punkt x0 = (/ eBz )ky Landau-Niveaus zu einem Verschwinden des
(Abschn. 8.2.5.1). Energetisch tritt eine Quan- Widerstandes ρxx .
telung der Energieniveaus in die Landau- Für das Verschwinden des Widerstandes ist so-
Niveaus ein, deren Energie gegeben ist durch mit erforderlich, dass die Elektronendichte ein
ganzzahliges Vielfaches des Entartungsgrades
ist: ns = i D. Mit (8.46) ergibt sich damit für
Eν = (ν + 1) ωc , ν = 0, 1, 2, … (8.47) den Hall-Widerstand RH = Bz / ns e = Bz / iDe
und mit (8.48)
Jedes Landau-Niveau kann nur eine begrenzte
Zahl von Elektronen aufnehmen. Dieser h
sog. Entartungsgrad kann folgendermaßen
RH = ρH = , i = 1, 2, 3… (8.49)
i e2
bestimmt werden:
Werden für die Wellenfunktionen in y-
Richtung periodische Randbedingungen Eine weitere Betrachtungsweise ergibt sich,
vorausgesetzt, ψ(x, y + Ly ) = ψ(x, y) (Ab- wenn der magnetische Fluss Φ durch die Probe
schn. 9.2.2), dann sind mögliche ky -Werte berechnet wird: Φ = BA = BLx Ly . Der magne-
ganzzahlige Vielfache von 2π/ Ly . Die maxi- tische Fluss ist quantisiert in Vielfachen des
male Wellenzahl ky, max folgt aus der Forde- Flussquants (Abschn. 9.2.4)
rung, dass x0 maximal so groß sein kann
wie Lx . Damit wird ky, max = (eBz / )Lx und h
die maximale Zahl von Zuständen auf einem Φ0 = . (8.50)
e
Landau-Niveau Nmax = eB~z · 2xπy .
L L
8.2 Quantentheorie 683
Damit ist die Zahl der Flussquanten, wel- (geb. 1939) zusammen mit R. B. Laughlin
che die Probe durchdringen NΦ = Φ/Φ0 = (geb. 1950) für die theoretische Interpre-
Bz Lx Ly e/ h. Die Dichte der Flussquanten ist tation im Jahre 1998 mit dem Nobelpreis
nΦ = NΦ / Lx Ly = eBz / h. Das Verhältnis von ausgezeichnet.
Elektronendichte ns zu Flussquantendichte nΦ Nach der Theorie von Laughlin wird das Elek-
wird als Füllfaktor i bezeichnet und beträgt tronengas bei Temperaturen nahe dem abso-
luten Nullpunkt und hohen Magnetfeldern
ns ns h ns in eine neue Form von Quantenflüssigkeit
i= = = . (8.51) gezwungen. Für Elektronen ist wegen des
nΦ eBz D
Pauli-Prinzips (Abschn. 8.4.2) die Konden-
sation in einen gemeinsamen Grundzustand
Ganzzahlige Füllfaktoren i = 1, 2, 3… bedeu- verboten. Deshalb bilden die Elektronen mit
ten, dass die Landau-Niveaus ν = 0, 1, 2… den Flussquanten zusammengesetzte Teilchen
vollständig besetzt sind, was zu den Plateaus (Abb. 8.19). Diese so entstandenen Bosonen
im Hallwiderstand und zum Verschwinden des können in einen gemeinsamen Grundzustand
Längswiderstands führt. kondensieren, analog zum Mechanismus der
Nach der Entdeckung des Quanten-Hall- Supraleitung (Abschn. 9.2.4).
Effektes durch K. v. Klitzing 1980 wurden 1982 Der Quanten-Hall-Effekt (QHE) hat nicht nur
von H. Störmer und D. Tsui an hochreinen die Theorie der Festkörperphysik befruch-
AlGaAs/GaAs-Heterostrukturen zweidimen- tet (Abb. 8.20), sondern hat auch weit rei-
sionale Elektronengase untersucht. Bei tiefer chende Auswirkungen auf dem Gebiet der Me-
Temperatur (einige mK) und hohen Fluss- trologie. So ist die Genauigkeit der Wider-
dichten fanden sie Strukturen wie in Abb. 8.17, standsmessung durch den QHE um den Fak-
jedoch zusätzlich solche bei gebrochen ratio- tor 1 000 gesteigert worden. Seit 1990 wird
nalen Quantenzahlen i = 1/ 3, 2/ 5, 2/ 3… von der PTB das Widerstandsnormal auf der
(Abb. 8.18). Für die Entdeckung dieses Grundlage der international festgelegten von-
fraktionalen Quanten-Hall-Effekts wurden Klitzing-Konstante RK = 25 812,8074434 Ω mit
H. L. Störmer (geb. 1949) und D. C. Tsui einer relativen Unsicherheit von 3,2 · 10−10
weitergegeben.
κ0 e2
jTunnel = U e−2{0 d (eU << Φ)
π2 d
2κ0 = 10,25 Φ(eV) nm−1 . (8.52)
Abb. 8.21 Energiediagramm zweier Metalle mir sehr Hierin ist d die Dicke der Potentialschwelle in
geringem Abstand d nm, U die angelegte Spannung in V und Φ die
8.2 Quantentheorie 685
Φ = (Φ1 + Φ2 )/ 2 .
Josephson Effekt
Brian D. Josephson (geb. 1940) entdeckte
1962 den nach ihm benannten quantenmecha-
nischen Effekt, den Josephson-Effekt. Dieser
tritt auf, wenn zwei Supraleiter durch eine
dünne (wenige nm) Isolierschicht (SIS: Supra-
leiter – Isolator – Supraleiter) von einander
getrennt sind (SIS-Josephson-Element nach
Abb. 8.23 Stromstärke-Spannungs-Kennlinie einer
Abb. 8.22). In einem solchen Josephson-
SIS-1V-Schaltung ohne Mikrowelleneinstrahlung
Kontakt können Cooper-Paare (Abschn. 9.2.4)
über die Isolierschicht von einem Supra-
leiter zum anderen tunneln; es fließt also
ein Tunnelstrom. Legt man eine Spannung Spannungsstufen etwa 150 μV. Der Faktor 2e/ h
an eine Josephson-Tunnelstrecke und strahlt wird als Josephsonkonstante KJ bezeichnet.
gleichzeitig eine elektromagnetische Welle mit Die Unsicherheiten der Spannungen sind sehr
Mikrowellenfrequenz (z. B. 70 GHz) ein, dann gering (1:1010 , z. B. 1 nV bei 10 V). Die Joseph-
treten in der Strom-Spannungs-Kennlinie sonkonstante K J−90 wurde am 1.1.1990 weltweit
diskrete Spannungsstufen Un (Abb. 8.23 und verbindlich festgelegt und beträgt:
Abb. 8.24) auf vom Betrag:
μ = IA (8.55)
Analog zur von-Klitzing-Konstanten (RK =
25 812,807 Ω) für den Widerstand (Ab-
schn. 8.2.5.2) wird die Josephsonkonstante mit A als dem Vektor senkrecht auf der vom
als Spannungsnormal festgelegt. Kreisstrom aufgespannten Fläche (A = |A|).
Werden viele tausende Josephson-Elemente In einem homogenen Magnetfeld mit der ma-
in Serie geschaltet ( Josephson-Array), dann gnetischen Induktion B erfährt der magneti-
sind üblicherweise Spannungsreferenzen von sche Dipol nach (4.209) ein Drehmoment M =
−10 V bis +10 V bei einer Toleranz von ±5 nV μ ×B. Das Drehmoment ist null, wenn μ paral-
möglich. Abbildung 8.25 zeigt ein 10 V- lel zu B ausgerichtet ist, d. h., wenn der Kreiss-
SIS-Josephson-Array. Die 14 000 Josephson- trom senkrecht zu B fließt. Eine Verdrehung
Kontakte sind in den Mikrowellenbahnen des Dipolmoments um den Winkel α gegen
angeordnet. Zur Messung wird das Array α
mit Bond-Drähten an einen Probenträger B erfordert die Arbeit W = μB sin ϕ dϕ =
0
angeschlossen. Abbildung 8.26 zeigt zwei μB(1 − cos α). Damit lässt sich eine (potenti-
Josephson-Apparaturen der PTB (Physikalisch elle) magnetische Energie definieren:
Technischen Bundesanstalt) in Braunschweig.
Eine Apparatur wird zur Reproduzierung der
Einheit „Volt“ und für Kalibrierungen benutzt. Emag = −μ B cos α = −μ B . (8.56)
Die zweite Apparatur kann für Forschungs-
zwecke eingesetzt werden. Die Apparaturen
haben eine Unsicherheit von besser als 1 nV Abbildung 8.27 zeigt die Analogie zwischen
bei 10 V. Bahn-, Spin- und Kernmagnetismus. Das um
den Kern mit der Geschwindigkeit und dem
Radius r kreisende Elektron kann als kreis-
förmiger elektrischer Strom I betrachtet wer-
den. Die Stromstärke I ergibt sich als Quotient
aus der Ladung des Elektrons und der Zeit für
einen Umlauf T:
e e
I =− =− ω. (8.57)
T 2π
Abb. 8.26 Apparatur zur Reproduzierung der Einheit Für das magnetische Dipolmoment ergibt sich
„Volt“. Werkfoto: PTB Braunschweig daraus
8.3 Bahn- und Spinmagnetismus 687
Abb. 8.27 Bahn- und Spinmagnetismus des Elektrons; Kernmagnetismus durch Protonen und Neutronen
8.3 Bahn- und Spinmagnetismus 689
690 8 Atom- und Kernphysik
8.3.1 Zeeman- und Stark-Effekt derungen, die zu einer Aufspaltung der Spek-
trallinien führen. (Stark-Effekt; J. Stark, 1874
Aus Abb. 8.27 geht hervor, dass sich in ei- bis 1957).
nem äußeren Magnetfeld B0 in z-Richtung das
magnetische Dipolmoment des Spins μs bzw.
8.3.2 Elektronen- und Kernspinresonanz
das magnetische Dipolmoment der Bahn μl
nur diskret einstellen kann: μs, z = −gs ms μB
In Abb. 8.27 ist dem Bahn- und Spinmagne-
bzw. μl, z = −gl ml μB . (m ist die magneti-
tismus der Elektronen Kernmagnetismus ge-
sche Quantenzahl.) Für ein Mehrelektronen-
genübergestellt. Der Atomkern hat einen Ei-
system addieren sich die Drehimpulse l und
gendrehimpuls I, der gequantelt ist und des-
s zu einem Gesamtdrehimpuls J. Da die ma-
halb nur diskrete Werte annehmen kann. Die
gnetischen Dipolmomente mit den entspre-
Kernspinquantenzahl I hat je nach Atomkern
chenden Drehimpulsen gekoppelt sind, addie-
halb- oder ganzzahlige Werte zwischen 0 und
ren sich die magnetischen Dipolmomente zu
15/2. Das magnetische Moment des Kerns μI
einem Gesamtdipolmoment μJ . Die Kompo-
ist über den gI -Faktor mit dem Drehimpuls I
nente von μJ in z-Richtung (μJ, z ) kann die
verknüpft. Analog dem Bohr’schen Magneton
Werte mJ (mJ = J, J − 1, …, −J) annehmen.
(μB ) der Elektronenhülle führt man das Kern-
Die Energie des magnetischen Dipols in ei-
magneton μK = μB / 1 836 = e/ (2mp ) ein. Je
nem Magnetfeld B0 in z-Richtung ergibt sich
nach Kern ist der gI -Faktor größer oder klei-
nach (8.56) zu Emag = −μJ, z B0 . Für den Ener-
ner als null und somit das magnetische Mo-
gieunterschied ΔE zweier Zustände (ΔmJ = 1)
ment μI parallel oder antiparallel dem Eigen-
gilt
drehimpuls I. Abbildung 8.28 zeigt die Niveau-
aufspaltung für ein Elektron und ein Proton in
ΔEmJ ,mJ−1 = gJ μB B0 . (8.66) einem äußeren Magnetfeld B0 . Wird senkrecht
zum B0 -Feld ein Wechselfeld B⊥ mit der Reso-
Die Aufspaltung von Energiezuständen im Ma- nanzfrequenz f = gs μB B0 / h bzw. f = gl μK B0 / h
gnetfeld wird als Zeeman-Effekt bezeichnet eingestrahlt, so wird ein Übergang zwischen
(P. Zeeman, 1865 bis 1943). Die Auswahlregel den Niveaus erfolgen (Umklappen des magne-
für optische Übergänge lautet ΔmJ = 0, ±1. tischen Moments). Je nach Feldstärke B0 sind
Übergänge mit ΔmJ = 0 heißen π-Übergänge, hierfür bei der Elektronenspinresonanz Mi-
die mit ΔmJ = ±1 heißen σ -Übergänge. Die krowellen (GHz), bei der Protonenkernspin-
σ- und π-Strahlung ist unterschiedlich polari- resonanz Radiowellen (60 MHz bis 300 MHz)
siert. Wird das Atom in ein elektrisches Feld E erforderlich.
gebracht, so wird ein elektrisches Dipolmo- Abbildung 8.29 zeigt den prinzipiellen Aufbau
ment p induziert, das proportional zu E ist einer Spinresonanzanordnung. Zwischen den
(p = αE) (Abschn. 4.3.7). α wird als Polari- Polschuhen des Magneten (B0 muss homogen
sierbarkeit bezeichnet. Die Energie Eel eines und sehr konstant sein) befindet sich die Probe
elektrischen Dipols p im elektrischen Feld E (fest oder flüssig). Der Frequenzgenerator
beträgt Eel = 12 pE = 12 αE2 . Die Größe des indu- erzeugt die erforderliche Resonanzfrequenz.
zierten elektrischen Dipolmoments hängt von Zur Aufnahme eines Resonanzspektrums wird
der Elektronenverteilung (gegeben durch n, l, entweder die Frequenz oder das Magnetfeld
m) ab. Dadurch erfahren die Atomorbitale im variiert. Abbildung 8.30 zeigt das Protonen-
elektrischen Feld unterschiedliche Energieän- resonanzspektrum einer Probe mit Ethanol
8.3 Bahn- und Spinmagnetismus 691
CH3 −CH2 −OH, Methylenchlorid CH2 Cl2 und (Abschirmungseffekte u. a.). Ferner können
Chloroform CHCl3 . Es ist zu erkennen, dass benachbarte Protonen miteinander wechsel-
die Lage der Resonanzsignale von der che- wirken, sodass es zu einer typischen Signal-
mischen Umgebung des Protons abhängig ist aufspaltung kommt (Wechselwirkung von
CH3 -Protonen und CH2 -Protonen). Für die
Strukturaufklärung organischer Verbindun-
gen ist die Kernspinresonanz-Spektroskopie
ein wichtiges Hilfsmittel.
Die Protonenresonanz wird in abgewandelter
Form in der Medizin eingesetzt (Kernspinto-
mografie). Dabei befindet sich der Patient in
einem homogenen Magnetfeld, das durch ein
Gradientenfeld überlagert wird (Abb. 8.29, rote
Linien). Dieser Feldgradient ermöglicht eine
Zuordnung des Resonanzsignals zum Entste-
hungsort. Abbildung 8.31 zeigt das Schnittbild
Abb. 8.29 Aufbau eines Resonanzspektrometers eines Kopfes, aufgenommen mit einem Kern-
(schematisch). Werkbild: Siemens spintomografen.
692 8 Atom- und Kernphysik
– Hauptquantenzahl n,
– Bahndrehimpulsquantenzahl
l = 0, 1, 2, …, n − 1,
– magnetische Quantenzahl
ml = 0, 1, 2, …, l.
Abb. 8.32 Energiediagramm der besetzten
Zu diesen Quantenzahlen muss die magneti- Atomorbitale
sche Quantenzahl des Elektronenspins hinzu-
gefügt werden: ms = ±1/ 2. des Bahndrehimpulses l aufgehoben. Es ergibt
Beim Mehrelektronensystem wird durch die sich das in Abb. 8.32 dargestellte Energiedia-
zusätzliche elektrostatische Wechselwirkung gramm. Dieses gilt nur, wenn die Zustände mit
zwischen den Elektronen die Entartung der Elektronen besetzt sind. Die Auffüllung der
Energiezustände (Abschn. 8.2.4) bezüglich Energiezustände mit Elektronen erfolgt nach
n l ml ms Bezeichnung Elektronen
Anzahl
1 0 0 ±1/ 2 1 s2 2 2
2 0 0 ±1/ 2 2 s2 2
1 1, 0, −1 ±1/ 2 2 p6 6 8
3 0 0 ±1/ 2 3 s2 2
1 1, 0, −1 ±1/ 2 3 p6 6 18
2 2, 1, 0, −1, −2 ±1/ 2 3 d10 10
4 0 0 ±1/ 2 4 s2 2
1 1, 0, −1 ±1/ 2 4 p6 6 32
2 2, 1, 0, −1, −2 ±1/ 2 4 d10 10
3 3, 2, 1, 0, −1, −2, −3 ±1/ 2 4 f14 14
694 8 Atom- und Kernphysik
Das mittlere Feld soll sich durch einen verhält- zugeordnet, so entsteht eine Abbildung des
nismäßig großen Absorptionskoeffizienten inneren Aufbaus der Probe, also z. B. eines
(μ22 ) von der Umgebung unterscheiden. In Körperteils. Will man Einzelheiten in der Grö-
drei Messserien wird die Probe durchstrahlt ßenordnung Millimeter auflösen, so muss das
und die Intensität I ermittelt. Aus den so 3 × 3-Raster auf 200 × 200 erweitert werden.
erhaltenen neun Gleichungen können μ11 bis Dies erfordert die Lösung eines Gleichungs-
μ33 berechnet werden. Wird dem Absorpti- systems mit 200 × 200 = 40 000 Unbekannten.
onskoeffizienten ein Grauwert oder eine Farbe Hierfür ist eine sehr lange Rechenzeit erforder-
698 8 Atom- und Kernphysik
8.6.1 Potentialkurve
Abb. 8.44 Harmonischer Oszillator mit den Wellenfunktionen ψ(r) und den Aufenthaltswahrscheinlichkeiten
|ψ(r)|2 im Vergleich zum anharmonischen Oszillator
8.6 Molekülspektren 701
l̂2
ψrot (ϑ, ϕ) = Erot ψrot (ϑ, ϕ) . (8.70)
2J
in ϑ-Richtung gibt die Wahrscheinlichkeit an, Die Stärke der Absorption hängt von der An-
dass die Molekülachse in dieser Richtung liegt. zahl der Moleküle ab, die sich im Energie-
Mit zunehmender Rotationsenergie werden zustand (, l) befinden. Ist dieser Energiezu-
die Fliehkräfte größer und führen zu einer stand von vielen Molekülen besetzt, so kann
Vergrößerung des Abstands und damit des mehr Strahlung absorbiert werden, als wenn
Trägheitsmoments J (unstarrer Rotator). Dies sich nur wenige Moleküle in diesem Zustand
führt zu einer Absenkung der Rotationsener- befinden. Die Besetzung der Zustände wird
gie (8.71). durch die Temperatur T bestimmt und durch
Wird ein Molekül, beispielsweise HCl, die Boltzmann-Verteilung beschrieben (Ab-
mit Infrarotstrahlung bestrahlt, so finden schn. 3.2.3).
Schwingungs- und Rotationsübergänge Die Rotationsstruktur im Absorptionsspek-
gleichzeitig statt (Rotationsschwingungs- trum tritt nur bei Gasen unter geringem Druck
spektrum). Abbildung 8.46 zeigt die beiden auf. Bei Druckerhöhung finden zunehmend
Schwingungsniveaus = 0 und = 1 mit den mehr Stöße zwischen den Molekülen statt,
zu jedem Schwingungszustand gehörenden die eine Linienverbreiterung zur Folge ha-
Rotationszuständen l bzw. l . Mit den Aus- ben (Druckverbreiterung). Bei Flüssigkeiten ist
wahlregeln Δ = 0, ±1, ±2, … und Δl = ±1 die Rotation sehr stark behindert. Infolgedes-
ergeben sich zwei Zweige im Absorptions- sen beobachtet man keine einzelnen Rotati-
spektrum, ein R-Zweig mit Δl = +1 und ein onslinien mehr, sondern eine verhältnismäßig
P-Zweig mit Δl = −1. Der Übergang mit breite unstrukturierte Absorptionsbande. Im
Δl = 0 ist in einem zweiatomigen Molekül festen Zustand ist die Rotationsbewegung na-
nicht erlaubt und erscheint als Lücke im Spek- hezu völlig unterdrückt, sodass die Absorpti-
trum. Bei mehratomigen Molekülen gelten die onsbanden schmaler werden.
Auswahlregeln nicht in voller Strenge, und der Abbildung 8.47 zeigt das Infrarot-Absorptions-
Übergang mit Δl = 0 tritt auf. spektrum einer Kunststofffolie aus Polystyrol.
Ein solches Infrarotspektrum zeigt deutliche
Absorptionen bei bestimmten Wellenzahlen
8.6.3 Raman-Effekt
Tabelle 8.4 Teilchen- und Nuklidmassen Hierin ist ma (n) die Masse des Neutrons,
ma (1 H) die des neutralen Wasserstoffatoms
Teilchen bzw. Nuklid Masse in u
und ma (N+Z K) die Atommasse des K-Atoms.
Elektron 5,48580 · 10−4 Die Größe EB / c2 = Δm wird auch als Mas-
Proton 1,00727647 sendefekt bezeichnet. Die Berücksichtigung
Neutron 1,008664915 der Bindungsenergie der Elektronen Ee kann
1H 1,007825037 durch die Näherung
2H 2,014101787
4 He 4,00260325
9 Be 9,0121825 Ee = 15,73Z7/3 eV (8.79)
12 C 12,00000000
14 N 14,003074008
17 O 16,9991306
in eV erfolgen. In Abb. 8.53 ist der Verlauf der
27 Al 26,9815413 Bindungsenergie je Nukleon EB / A in Abhän-
30 Si 29,9737717 gigkeit von der Massenzahl für die stabilen
30 P 29,9783098 Kerne dargestellt. Die Bindungsenergie je Nu-
164 Dy 163,929183
165 Dy
kleon ist negativ abgetragen. Das Minimum
164,931712
der Kurve befindet sich im Bereich der Mas-
senzahl A = 60.
Es sind grundsätzlich zwei Kernprozesse denk-
Ein Beispiel hierfür ist die Bestimmung der bar, durch die Energie erzeugt werden kann:
Masse des Neutrons aus der Reaktion der Spal- – Kernspaltung
tung des Deuteriums durch γ -Quanten: Durch Spaltung eines Kerns mit der Mas-
+ γ → 10 n + 11 H + ΔE . 92 U, EB / A = 7,6 MeV) in zwei
senzahl 235 (235
2
1H
gleich große Bruchstücke (EB / A = 8,5 MeV)
Der Betrag ΔE = −2,226 MeV ergibt sich aus
wird eine Energie von etwa 200 MeV frei.
der Energie der γ -Quanten, die zur Spaltung
– Kernfusion
von 21 H erforderlich ist (endoergische Reak-
Die Verschmelzung leichter Kerne, bei-
tion). Aufgrund der Energieerhaltung gilt
spielsweise Wasserstoff zu Helium, führt zu
ma (2 H)c2 = ma (n)c2 + ma (1 H)c2 + ΔE . einem Energiegewinn von etwa 24 MeV.
Mit den Tabellenwerten für ma (2 H) und Näherungsweise ist die Bindungsenergie je
ma (1 H) ergibt sich für ma (n) = 939,573 MeV/ c2. Nukleon (7,5 MeV bis 8,8 MeV) konstant.
In analoger Weise kann anhand der genau
bestimmten Atommassen der ΔE-Wert der
allgemeinen Reaktion
N 10 n + Z 11 H → N+Z
ZK + ΔE
berechnet werden. Der ΔE-Wert dieser Reak-
tion ergibt die Bindungsenergie EB des Kerns:
EB = (N ma (n) + Z ma (1 H) −
− ma (N+Z K))c2 . (8.78) Abb. 8.53 Bindungsenergie je Nukleon in
Abhängigkeit von der Massenzahl
8.7 Aufbau der Atomkerne 709
Dies hat zur Folge, dass ein Nukleon nicht somit „Sättigungscharakter“ wie die kovalente
mit jedem anderen Nukleon eine Wech- Bindung zwischen zwei Wasserstoffatomen.
selwirkung durch Kernkräfte eingeht. In
einem solchen Fall müssten A(A − 1)/ 2 8.7.2.1 Tröpfchenmodell
„Bindungen“ gebildet werden, sodass EB / A Bei diesem Kernmodell betrachtet man die
proportional A wäre. Die Kernkräfte haben Nukleonen als Moleküle eines inkompressiblen
Abb. 8.54 Linien konstanter Bindungsenergie je Nukleon nach der Weizsäcker-Formel ohne Paarungsterm
(stabile Nuklide eingezeichnet)
Mithilfe der Bindungsenergieformel (8.80) bestimmten Werten von N oder Z (den magi-
kann auch die Stabilität der Kerne gegenüber schen Zahlen) treten Extremwerte von En und
α-Zerfall und Spontanspaltung (f: fission) an- Ep auf (Abschn. 8.7.2.2, Abb. 8.56).
gegeben werden. Eine solche Zerfallsreaktion Die Differenz der Separationsenergien En Ep
kann dann ablaufen, wenn diese mit einem von benachbarten Isotopen bzw. Isotonen
Energiegewinn verbunden ist:
; < δn = En (Z, N) − En (Z, N − 1) ,
Eα = ma N+ZZ K − ma N+Z−4 Z−2 K − ma (α) c
2
δp = Ep (Z, N) − Ep (Z − 1, N)
0, weist darauf hin, dass bei geraden N- bzw.
; <
Ef = ma N+ZZ K − 2 ma N / 2+Z/ 2 K c2 0 . Z-Werten stets eine größere Separationsener-
gie erforderlich ist. Zwei Nukleonen (Protonen
In Abb. 8.54 sind Linien für Eα = 0 und Ef = 0 oder Neutronen) bilden ein energetisch güns-
eingezeichnet. Rechts von diesen Linien ist der tiges Paar. Deshalb bezeichnet man δn bzw. δp
α-Zerfall oder die Kernspaltung mit einem als Paarungsenergie (∼ 2 MeV). Auch im Ver-
Energiegewinn verbunden. Man erkennt dar- lauf der Paarungsenergie treten bei den magi-
aus, dass α-Strahler nur bei Ordnungszahlen schen Zahlen Extremwerte auf. Diese Effekte
größer als 60 zu erwarten sind. weisen auf eine Schalenstruktur des Kerns hin.
Alle Nuklide mit Z > 84 sind instabil. Sie ha-
ben zum Teil große Halbwertszeiten (232 90 Th: 8.7.2.2 Schalenmodell
1,4 · 1010 a) und kommen deshalb noch natür- Im Tröpfchenmodell werden die Nukleonen
lich auf unserer Erde vor. Durch Kernreaktio- wie die Moleküle eines Tropfens behandelt.
nen sind Elemente bis Z = 111 (Roentgenium) Beim Schalenmodell geht man davon aus, dass
hergestellt worden. ein Nukleon in einem mittleren Kernpotential,
Betrachtet man die stabilen Nuklide im Z-N- hervorgerufen durch die andern Nukleonen,
Diagramm genauer, so stellt man fest, dass einen bestimmten Eigenzustand einnimmt,
bei den Neutronen- bzw. Protonenzahlen 2, der durch die Eigenwerte Energie und Bahn-
8, 20, 50, 82, 126 (magische Zahlen) beson- drehimpuls charakterisiert ist. Im Grundzu-
ders viele stabile Isotope (Nuklide mit gleicher stand des Kerns werden die Zustände nach-
Protonenzahl) bzw Isotone (Nuklide mit glei- einander nach dem Pauli-Prinzip mit der ent-
cher Neutronenzahl) auftreten. Von den 267 sprechenden Anzahl Nukleonen besetzt.
bekannten stabilen Nukliden sind Trotz der starken Wechselwirkung zwischen
158 g, g-Kerne Z gerade N gerade, den Nukleonen gibt es keine Möglichkeit für
53 g, u-Kerne Z gerade N ungerade, ein Teilchen, seinen Zustand, d. h. seine Quan-
50 u, g-Kerne Z ungerade N gerade, tenzahlen, ohne eine äußere Energiezufuhr zu
6 u, u-Kerne Z ungerade N ungerade. ändern. Sie verhalten sich deshalb wie wech-
Die Betrachtung der Separationsenergie für selwirkungsfreie Teilchen. Aus diesem Grund
Neutronen En bzw. Protonen Ep liefert können die Nukleonen des Kerns wie die Lei-
; < tungselektronen des Metalls beschrieben wer-
En (Z, N) = ma AZ K − ma A−1Z K − ma (n) c2 , den. Dies ist in Abb. 8.55 dargestellt. Alle
; < Teilchen mit dem Spin 1/2 (Elektronen, Pro-
Ep (Z, N) = ma AZ K − ma A−1
Z−1 K − m a (p) c2 .
tonen, Neutronen) befinden sich in einem
Dies führt zu einem ähnlichen Verlauf wie das rechteckigen Potentialtopf unterschiedlicher
Ionisierungspotential der Elektronenhülle. Bei Höhe mit der Kantenlänge a. Die Lösung der
712 8 Atom- und Kernphysik
Schrödinger-Gleichung, die für jede Koordi- der Topf bis zu einer bestimmten Energie EF
nate getrennt durchgeführt werden kann, er- (Fermi-Energie) lückenlos aufgefüllt werden.
gibt die Energieniveaus mit den Quantenzah- Der Kern oder das Elektronensystem befin-
len λi . In einem Koordinatensystem mit den det sich dann im Grundzustand (thermodyna-
Achsen λx , λy , λz stellen die Gitterpunkte die misch T = 0). Anhand der bekannten Teilchen-
erlaubten Zustände dar. In
1/8 der Kugelschale anzahldichte n = N / V kann mit der Beziehung
mit dem Radius ρ = λ2x + λ2y + λ2z befin- EF
dn
den sich dann dN = πρ2 dρ Zustände. Mit
1 n= 2 dE
2 √ dE
ρ = ap/ (π) und p2 dp = 2m3 E dE er- 0
gibt sich die angegebene Zustandsdichte als die Fermi-Energie berechnet werden.
Funktion der Energie. Da in diesem Potential- Bei der bisherigen Betrachtung des Kerns nach
topf N Teilchen untergebracht werden sollen, dem Fermi-Gas-Modell wurde die Ladung der
und nach dem Pauli-Prinzip bei Spin 1/2 Teil- Protonen und damit die Coulomb-Abstoßung
chen 2 Teilchen je Zustand Platz haben, muss nicht berücksichtigt, sodass sich für Protonen
8.7 Aufbau der Atomkerne 713
und Neutronen der gleiche Potentialtopf mit Neutronen um, sodass EFp = EFn ist. Die
den gleichen Eigenzuständen ergibt. Durch die Energieverschiebung ΔE des Protonentopfes
Berücksichtigung der Coulomb-Abstoßung gegenüber dem Neutronentopf lässt sich aus
verschiebt sich der Potentialtopf der Proto- der Differenz der Gesamtenergie
nen zu geringeren Bindungsenergien. Die EF
dn 3
Folge ist, dass die Fermi-Energien EFp des EG = E dE = C0 EF5/ 2 = N EF
dE 5
Protonentopfes höher liegen als die des Neu- 0
tronentopfes EFn . Dies ist vergleichbar mit dem für eine gleichmäßige Verteilung (N = Z)
Kontakt zweier Metalle mit unterschiedlicher und eine Verteilung Z, N abschätzen. Dieser
Fermi-Energie, bei denen es im Gleichgewicht Energieunterschied ΔE ∼ (1/ 4)(N − Z)2 / A ist
durch Elektronenfluss zum Ausgleich der proportional dem Neutronenüberschuss und
beiden Fermi-Energien kommt. Es entsteht entspricht dem Asymmetrie- bzw. Symmetrie-
ein Kontaktpotential (s. auch Abb. 9.68 in term der Weizsäcker-Gleichung.
Abschn. 9.3.2.2). Der gleiche Vorgang erfolgt Mit Hilfe des Fermi-Gas-Modells hat man
auch im Kern. Es wandeln sich Protonen in ungefähre Daten über die Tiefe des Potentials
γ-Strahlung
Diese Strahlung wird durch ein Magnetfeld
nicht abgelenkt. Es handelt sich um eine elek-
tromagnetische Strahlung vergleichbar der
Röntgenstrahlung, jedoch mit größerer Ener-
gie (> 100 keV). Da die γ-Strahlung in vielen
Wechselwirkungsprozessen Teilchencharakter Abb. 8.58 Energiediagramm des radioaktiven Zerfalls
hat, spricht man auch von γ-Quanten. von 131 I
716 8 Atom- und Kernphysik
0 νe + 11 p → 10 n + 01 e .
0
ein Elektron aus dem Kern emittiert. Es ent- zwischen den Niveaus gelten die Auswahlre-
steht ein Nuklid mit gleicher Massenzahl, aber geln analog zur Elektronenhülle. Das emit-
mit einer um eins größeren Ordnungszahl. β− - tierte γ-Quant nimmt einen Drehimpuls L
Strahler liegen deshalb unterhalb der Linie der mit (Ia + Ie L |Ia − Ie |; Ia ist die Kernspin-
β-Stabilität (Abb. 8.54). quantenzahl des Ausgangszustandes, Ie die des
Der β+ -Zerfall führt zu einem Abbau eines Endzustandes). 2L bezeichnet die Ordnung der
Protonenüberschusses im Kern. Es entsteht ein Strahlung (21 = 2: Dipolstrahlung; 22 = 4:
Nuklid mit gleicher Massenzahl, aber mit einer Quadrupolstrahlung; 23 = 8: Oktupolstrah-
um eins geringeren Ordnungszahl (deshalb lung). Je höher die Ordnung der Strahlung,
Zerfallsrichtung im Energiediagramm nach desto geringer ist die Übergangswahrschein-
links). β+ -Strahler liegen oberhalb der Linie lichkeit zwischen den entsprechenden Kernni-
der β-Stabilität (Abb. 8.54). veaus. Außer der Drehimpulserhaltung muss
noch die Erhaltung der Parität (Abschn. 8.9)
Elektroneneinfang berücksichtigt werden.
Beim Elektroneneinfang wird vom Kern ein Ist der Unterschied im Kernspin zwischen Aus-
Hüllenelektron (meist K-Elektron) eingefan- gangszustand Ia und Endzustand Ie (Grundzu-
gen. Betrachtet man die Aufenthaltswahr- stand) besonders groß, so ist die Übergangs-
scheinlichkeit des K-Elektrons, so besteht eine wahrscheinlichkeit sehr gering (Lebensdauer
Wahrscheinlichkeit, dieses Elektron auch im besonders groß). In diesem Fall spricht man
Kern anzutreffen. von einem mesomeren Zustand, der mit dem
Beim β+ -Zerfall treten im Gegensatz zum β− - Zusatz m bezeichnet wird (z. B. 137 m Ba).
Zerfall im ΔE-Wert zwei Elektronenmassen Das γ-Quant (Photon) hat einen Eigendrehim-
auf. Dies bedeutet, dass die Atommasse von K puls mit der Spinquantenzahl s = 1. Über-
um mindestens zwei Elektronenmassen grö- gänge zwischen Ia = 0 und Ie = 0 kön-
ßer sein muss als die Atommasse von K . Der nen deshalb nicht unter Aussendung eines γ-
Elektroneneinfang kann dagegen immer statt- Quants erfolgen. Wenn sich bei einem sol-
finden, wenn ma (K) > ma (K ) ist; er tritt so- chen Übergang die Parität nicht ändert, so
mit bevorzugt bei geringen ΔE-Werten auf. kann ein Konversionselektron ausgesandt wer-
Bei höheren ΔE-Werten tritt dagegen der β+ - den oder bei genügend hoher Zerfallsenergie
Zerfall in den Vordergrund. Es gibt viele Nuk- (E > 1,02 MeV) ein Elektron-Positron-Paar.
lide, die sowohl β+ -Zerfall als auch den Elek- Bei der inneren Konversion gibt der Kern
troneneinfang ausführen. Durch Auffüllung seine Anregungsenergie nicht in Form von
der Elektronenlücke in der K-Schale wird cha- γ-Quanten, sondern durch direkte Wechsel-
rakteristische Röntgenstrahlung frei. wirkung mit der Elektronenhülle (meist 1 s-
Elektron) an das Hüllenelektron ab. Dabei
γ-Emission entstehen monoenergetische Elektronen. Die
Elektronenlücke wird unter Aussendung cha-
Nach einer Kernumwandlung (α-, β− -, β+ -
rakteristischer Röntgenstrahlung aufgefüllt.
Zerfall) befindet sich der Kern K häufig in ei-
nem angeregten Zustand (Lebensdauer 10−16
s bis 10−13 s). Beim Übergang zwischen Ener- p-Emission, n-Emission
gieniveaus des Kerns wird γ-Strahlung frei. Das Befindet sich nach einem Kernzerfall der Fol-
diskontinuierliche γ-Spektrum ist für jedes Ra- gekern in einem hoch angeregten Zustand, so
dionuklid charakteristisch. Für die Übergänge ist ein Zerfall unter Aussendung eines Protons
8.8 Kernumwandlung 719
oder Neutrons möglich (verzögerte Protonen, Aus (8.81) ergibt sich durch Integration das
verzögerte Neutronen). Die Emission verzöger- Zerfallsgesetz:
ter Neutronen spielt bei der Regelung eines
Kernreaktors eine entscheidende Rolle.
N = N0 e−λt . (8.83)
Spontanspaltung
Im Jahre 1940 entdeckte man die Spontan- Die Größe N ist die Anzahl der noch vorhan-
spaltung (ohne äußere Beeinflussung) von denen und N0 die zum Zeitpunkt t = 0 vor-
Uran-238-Kernen. Die zugehörige Halb- handene Anzahl zerfallsfähiger Kerne. In der
wertszeit (Abschn. 8.8.1.3) beträgt 9 · 1015 a Praxis wird die weniger anschauliche Größe λ
(Halbwertszeit für α-Zerfall 4,47 · 109 a). Die durch die Halbwertszeit T ersetzt. Sie gibt an,
Spontanspaltung überwiegt bei schweren, in welcher Zeit eine ursprünglich vorhandene
neutronenreichen Kernen. Cf-254 spaltet Anzahl Kerne N0 durch Zerfall auf die Hälfte
sich mit einer Halbwertszeit von 60 d un- N0 / 2 abgenommen hat. Aus (8.83) ergibt sich
ter Aussendung von durchschnittlich 3,88 damit für die Halbwertszeit
Neutronen und eignet sich deshalb gut als
Laborneutronenquelle. ln 2 0,69315
T = = . (8.84)
λ λ
8.8.1.3 Radioaktives Zerfallsgesetz
Zu welchem Zeitpunkt ein bestimmter instabi- Ist die Zerfallswahrscheinlichkeit λ groß, so
ler Kern zerfällt, lässt sich nicht vorhersagen. werden in kürzerer Zeit T die Hälfte der Kerne
Es sind nur Aussagen über die Wahrschein- zerfallen als bei kleiner Zerfallswahrschein-
lichkeit des Zerfalls möglich. Diese Zerfalls- lichkeit. Mit (8.84) kann das Zerfallsgesetz für
wahrscheinlichkeit λ ergibt sich aus dem Ver- die Kernanzahl N bzw. Aktivität A geschrieben
hältnis von im Moment zerfallenden Kernen werden als
(−dN / dt) zur Gesamtanzahl vorhandener in-
stabiler Kerne N:
= N0 e−λt = N0 e− = N0 · 2− T ,
ln 2 t t
N T
−dN / dt A = A0 e−λt = A0 e− = A0 · 2− T .
ln 2 t t
T
λ= . (8.81)
N (8.85)
Die Zerfallswahrscheinlichkeit λ ist für je- Hierbei ist A die Aktivität zum Zeitpunkt t und
den radioaktiven Zerfall eine charakteristische A0 die zum Zeitpunkt t = 0. Abbildung 8.61
Größe und wird Zerfallskonstante genannt. zeigt den zeitlichen Verlauf der Aktivität.
Die Dimension von λ ist eine reziproke Zeit Wird der Logarithmus der Aktivität aufgetra-
(1/s). Die Anzahl der Zerfälle je Zeiteinheit gen, so entsteht eine Gerade. In Tabelle 8.6
(−dN / dt) wird als Aktivität A bezeichnet. sind Angaben über die natürliche Radioaktivi-
tät von Wasser und einigen Nahrungsmitteln
dN
A=− =λN . (8.82) zusammengestellt.
dt Die Beziehung zwischen Aktivität A und Teil-
chenzahl N (A = λN) ist die Grundlage vieler
Die Einheit der Aktivität ist das Becquerel Anwendungen radioaktiver Stoffe in der Che-
(Bq). 1 Bq entspricht einem Zerfall je Sekunde. mie und Technik (z. B. klinische Chemie, Kor-
720 8 Atom- und Kernphysik
Ist die Halbwertszeit Tb größer als Ta , so ist die b bestimmt, die dann mit der Halbwertszeit
Zerfallsgeschwindigkeit von a größer als von b. von b abnimmt (Abb. 8.62).
Es findet somit eine Anhäufung von b statt. Wenn Ta > Tb ist, so lässt sich aus (8.89)
Wenn a zerfallen ist, wird die Aktivität nur von ersehen, dass nach einer bestimmten Zeit der
8.8 Kernumwandlung 723
Faktor e−λb t gegenüber e−λa t vernachlässigt infolge des angelegten elektrischen Feldes zu
werden kann. Dies führt zu (8.90). Das Ver- den Elektroden. Dies ist der Ionisationskam-
hältnis der Aktivitäten von a und b ist nach merbereich. Die Anzahl der gebildeten Ionen
einer bestimmten Zeit konstant. Es stellt sich hängt von der Strahlungsart und -energie ab.
ein Gleichgewichtszustand ein (radioaktives α-Teilchen erzeugen längs ihres Wegs mehr
Gleichgewicht). Die Größe des Aktivitätsver- Ionen als β-Teilchen (Abschn. 8.10). Deshalb
hältnisses wird durch die Halbwertszeiten liegt die Kurve für α-Teilchen in Abb. 8.64
bestimmt. höher als die für β-Teilchen. Durch Erhöhung
Für den häufigen Fall, dass die Halbwerts- der angelegten Spannung werden die primär
zeit von a wesentlich größer als die von b erzeugten Elektronen zwischen zwei Stößen
ist, sind die beiden Aktivitäten im Gleichge- mit Gasatomen so stark beschleunigt, dass sie
wicht gleich (Aa = Ab ). Wird aus einem ra- ihrerseits ionisieren können (Sekundärioni-
dioaktiven Geichgewicht b entfernt, so bil- sation). Die sekundär erzeugten Elektronen
det sich b durch Zerfall von a wieder nach können wieder Gasatome oder Gasmoleküle
(Abb. 8.62). Nach zehn Halbwertszeiten von ionisieren. Dieser Prozess wird noch durch
b (8.91) hat sich b bis auf 0,1% nachgebildet. das zur Anode zunehmende elektrische Feld
Für Uran-238, das von seinen Folgeproduk- (Zylinderkondensator) begünstigt. Es ent-
ten abgetrennt wurde, sind nach zehn Halb- stehen örtlich begrenzte Elektronenlawinen
wertszeiten von Thorium-234 folgende Radio- (Bereich 1 mm). Aus einem primär erzeug-
nuklide im Gleichgewicht: 238 U, 234 Th, 234 m Pa; ten Elektron entstehen somit Ag -Elektronen
AU-238 = ATh-234 = APa-234 m . Aufgrund des (Gasverstärkungsfaktor Ag ). Die von an-
radioaktiven Gleichgewichts kommen kurzle- geregten Atomen oder Molekülen (durch
bige Radionuklide noch natürlich vor. Stoßprozesse) ausgesandten Photonen kön-
nen aus dem Wandmaterial und Füllgas
8.8.1.4 Messung ionisierender Strahlung zusätzliche Elektronen erzeugen (Fotoeffekt).
Ionisierende Strahlung (α, β, γ-Strahlung) Im Proportionalbereich (Abb. 8.64) liegt die
kann nur über ihre Wechselwirkungspro- Gasverstärkung Ag zwischen 102 und 105 . Der
zesse mit Materie nachgewiesen werden Stromimpuls, den ein geladenes Teilchen im
(Abschn. 8.10, Abb. 8.91). Zur Messung der Proportionalzählrohr auslöst, ist proportio-
Aktivität oder Energie der Strahlung eines nal der primär erzeugten Elektronenanzahl.
radioaktiven Präparats wird hauptsächlich Deshalb ist eine Teilchenunterscheidung bzw.
die Ionisation und die Anregung von Materie Energiemessung möglich.
ausgenutzt. Die entsprechenden Strahlungs- Bei weiterer Erhöhung der Spannung ver-
detektoren werden als Ionisationsdetektoren größert sich die Gasverstärkung Ag auf 106
bzw. Anregungsdetektoren bezeichnet. Sie sind bis 108 . Die einzelnen Elektronenlawinen
in Abb. 8.64 mit ihrem Aufbau und ihren überlagern sich, und die Anzahl der durch
Eigenschaften zusammengestellt. Fotoeffekt erzeugten Elektronen erhöht sich.
Bei den Ionisationsdetektoren wird die durch Da die Elektronen wesentlich beweglicher sind
die Strahlung im Zählgas oder Halbleiter- als die Ionen (geringere Masse), wandern sie
kristall erzeugte Ladung (Primärionisation) schneller zur Anode als die Ionen zur Kathode.
gemessen. Die im Gasraum durch Primärio- Dadurch bildet sich eine positive Raumladung
nisation des Zählgases (Edelgase He, Ne, Ar) aus, die die Feldstärke so weit herabsetzt, dass
erzeugten Elektronen und Ionen wandern das Entstehen einer neuen Elektronenlawine
724 8 Atom- und Kernphysik
8.8
Abb. 8.64 Eigenschaften und Anwendung von Strahlungsdetektoren Werkfotos: Zinser und Canberra
Kernumwandlung 725
726 8 Atom- und Kernphysik
nicht mehr möglich ist. Das Zählrohr kann von der n-Seite in das p-Gebiet driften. Auf
eine bestimmte Zeit (Totzeit) keine Strah- diese Weise entsteht zwischen dem n- und
lung registrieren. Nach 10−4 s wandern die dem p-Gebiet eine hochohmige, eigenleitende
positiven Ionen zur Kathode und erzeugen Zone (i-Schicht, Abschn. 9.2.3). Diese i-Zone
bei ihrer Neutralisation aus der Kathode stellt das empfindliche Detektorvolumen dar
oder durch Fotoeffekt weitere Elektronen, die (pin-Fotodiode Abschn. 9.4.2.3). Um das Her-
eine erneute Lawine auslösen. Der Vorgang ausdiffundieren der Li-Atome zu verhindern,
muss deshalb durch Zusatz eines Löschgases muss der Ge- oder Si-Kristall mit flüssigem
(Methan, Ethanol, Brom, Chlor) gelöscht Stickstoff (77 K) gekühlt werden.
werden. Das Löschgas mindert zum einen Durch Herstellung von extrem reinen
das Entstehen von Fotoelektronen (durch Germanium-Einkristallen ist die Dotie-
Absorption der Photonen), zum andern über- rung mit Li-Atomen nicht mehr erforderlich.
geben die Ionen durch Stoß ihre Ladung Derartige Detektoren werden als Reinstger-
an das Löschgas. Beim Entladen der Lösch- maniumdetektoren bezeichnet.
gasmoleküle an der Kathode dissoziieren Bei den Anregungsdetektoren führt die Strah-
diese ohne Aussendung von Sekundärelek- lung zu einer Lichtemission in einem Szin-
tronen. Da die Erzeugung eines Ionenpaars tillator. Der Aufbau eines Szintillationsdetek-
zur Auslösung einer Elektronenlawine und tors ist in Abb. 8.64 dargestellt. Der Lichtblitz
damit eines Impulses ausreicht, bezeichnet wird mit einem Photosekundärelektronenver-
man diese Zählrohre als Auslösezählrohre vielfacher (PSEV) in ein elektrisches Signal
(Geiger-Müller-Zählrohr). umgewandelt und verstärkt (Abschn. 4.2.2.1).
Bei den Halbleiterdetektoren wird das emp- Als Szintillatoren werden anorganische oder
findliche Volumen durch die Raumladungs- organische Kristalle sowie Flüssigkeiten bzw.
zone eines pn-Übergangs gebildet (Abb. 8.64). feste Lösungen (Plastszintillatoren) eingesetzt.
An ihr fällt fast die gesamte, von außen Anorganische Stoffe lumineszieren im Gegen-
angelegte Spannung U ab. Erzeugt ein gela- satz zu organischen Stoffen nur im kristallinen
denes Teilchen oder ein γ-Quant entlang des Zustand. Die meisten Kristalle müssen durch
Weges durch Ionisation Elektron-Lochpaare, Einbau von Fremdatomen (Aktivatoren) lu-
so führt dies zu einem Spannungsimpuls am mineszenzfähig gemacht werden. Organische
Widerstand R. Außer den in unterschiedlichen Verbindungen können sowohl in Lösung als
Bauformen eingesetzten Oberflächensperr- auch im kristallinen Zustand eingesetzt wer-
schichtdetektoren werden zur Energiemes- den.
sung von γ-Quanten Ge(Li)-Detektoren wegen
ihrer großen Energieauflösung eingesetzt (Si 8.8.1.5 Anwendung radioaktiver Stoffe
(Li) für Röntgenstrahlung). Zur Vergrößerung Beim Einsatz radioaktiver Stoffe unterschei-
der Raumladungszone wird Li bei 400 ◦ C in det man gemäß Tabelle 8.8 zwischen offenen
einen p-leitenden Si- oder Ge-Einkristall ein- und umschlossenen radioaktiven Strahlenquel-
diffundiert. Da die auf Zwischengitterplätzen len. In umschlossenen radioaktiven Strahlen-
abgelagerten Li-Atome als Donatoren wir- quellen sind die radioaktiven Stoffe in einer
ken (bei Raumtemperatur bereits ionisiert), allseitig dichten, festen, inaktiven Hülle oder
bildet sich ein pn-Übergang aus. Unter dem in einem festen, inaktiven Stoff eingebettet.
Einfluss einer in Sperrichtung angelegten Unter betriebsmäßiger Beanspruchung wird
Spannung lässt man bei 100 ◦ C die Li-Ionen ein Austritt radioaktiver Stoffe mit Sicherheit
8.8 Kernumwandlung 727
Tabelle 8.8 Anwendung radioaktiver Nuklide reiche sind die Medizin und Chemie. Außer
der Funktions- und Lokalisationsdiagnostik
Bereiche Anwendungsfelder
werden radioaktive Stoffe zur Bestimmung
umschlossene Strahlungsquellen beispielsweise des Schilddrüsenhormons
Triiodthyronin (T3) im Konzentrations-
Medizin Strahlentherapie
bereich ng/ml (10−9 g/ml) routinemäßig
Strahlenchemie Sterilisierung medizinischer Pro-
dukte (z. B. Einwegspritzen);
eingesetzt. Ein immer wichtigeres Gebiet
Konservierung von Nahrungs- ist die Untersuchung des Verhaltens von
mitteln; Abwasserbehandlung Chemikalien in der Umwelt (Ökotoxikologie).
chemische Röntgenfluoreszenz-Analyse; Abbildung 8.65 zeigt einige wichtige Einsatz-
Analytik Elektroneneinfangdetektor gebiete umschlossener radioaktiver Strahlen-
zum Spurennachweis halogenier- quellen. Bei den Durchstrahlverfahren wird die
ter Kohlenwasserstoffe
Schwächung bzw. Absorption der Strahlung
Messtechnik Durchstrahl- und Rückstrahl- im Messobjekt zur Messung herangezogen.
Verfahren mit β- und γ-Quellen
Die durchdringende Strahlungsintensität ist
(z. B. Messung der Füllhöhe, der
Dichte und der Dicke) abhängig von der Dicke oder Füllhöhe des
Energie- Umwandlung der Zerfallsenergie Objekts. Die Rückstreuverfahren nützen den
umwandlung in Wärme; weitere Umwandlung Rückstreueffekt aus. Der Strahlendetektor
der Wärme (Seebeck-Effekt) in ist im Gegensatz zu dem Durchstrahlmess-
elektrische Energie; verfahren nicht gegenüber dem radioaktiven
Radionuklid-Batterien Strahler, sondern auf der gleichen Seite
offene Strahlungsquellen angeordnet. Von diesen beiden Verfahren
Medizin Organ-Funktionsdiagnostik unterscheiden sich die Radiografieverfah-
(Leber- und Nierendiagnostik); ren, bei denen das Untersuchungsobjekt
Lokalisationsdiagnostik durch β-, γ- oder n-Strahlen abgebildet
(Anreicherung im Gewebe); wird.
Szintigrafen
Radioaktive Strahlung (meist α-Teilchen) io-
chemische Bestimmung des Schilddrüsen- nisiert die Luft, deren Ionen die elektrische
Analytik hormons
Aufladung neutralisiert. Dies erfolgt durch fest
Öko- Bestimmung der Anreicherung
eingebaute Flächenstrahler (Statikeliminato-
toxikologie von Umweltchemikalien in Orga-
nen und Geweben von Tieren ren) oder durch Luftgebläse mit einem radio-
durch radioaktive Markierung aktiven Präparat in der Düse (Abb. 8.65). Eine
Prozess- quantitative Verfolgung des Stoff- Beseitigung statischer Elektrizität ist bei fol-
analyse Transports in verfahrenstech- genden Problemen erforderlich:
nischen Anlagen durch Zusatz
radioaktiver Indikatoren
– Klebeverhalten unterschiedlich geladener
Verschleiß- Abriebmessung bis 10−3 μm bis
messungen 10−4 μm Warenbahnen (Papier, Folien aller Art),
– Anziehen unerwünschter Teilchen aus der
Luft (z. B. Staubteilchen bei Lackierungsar-
verhindert. Offene radioaktive Strahlenquel- beiten),
len sind beispielsweise radioaktive Lösungen. – Funkenbildung (Gefahr bzw. Belästi-
Tabelle 8.8 gibt einen Überblick der Ein- gung für Bedienungspersonal, eventuell
satzgebiete radioaktiver Stoffe. Wichtige Be- Explosions- und Brandherde).
728 8 Atom- und Kernphysik
8.8
4 He 100 4,00260325 –
9 Be 100 9,0121825 – 0,0092 barn
10 B 20 10,0129380 – 0,5 barn
11 B 80 11,0093053 – 0,005 barn
12 C 98,89 12,00000000 – 0,0034 barn
17 N 17,008449 4,61 s
21 Mg 21,011715 122,5 ms
113 Cd 12,26 112,9044013 – 20 000 barn
115 Cd 114,905429 53,45 h
8.8 Kernumwandlung 731
ma (a)
ES = −ΔE 1 + . (8.92)
ma (A)
13 Al (α, n) 15 P mit ΔE =
Für die Reaktion 27 30
ter Zustand des Compoundkerns erreicht, von Die Einheit des Wirkungsquerschnitts ist das
dem aus verschiedene Zerfallsreaktionen ab- barn (1 b = 10−28 m2 ) und entspricht etwa der
laufen können. Bei (n, γ)-Reaktionen (1) geht Kernquerschnittsfläche. Der Wirkungsquer-
der angeregte Compoundkern unter Aussen- schnitt ist abhängig von dem Reaktionstyp,
dung von γ-Quanten in den Grundzustand der Energie des Projektils und dem Ziel-
über. Viele der so entstandenen Reaktionspro- kern (Target). Er kann ein Vielfaches der
dukte sind infolge des Neutronenüberschusses Kernquerschnittsfläche betragen. Dies ist nur
β− -Strahler. Der Compoundkern kann auch quantenmechanisch durch die Welleneigen-
über den Weg 2 oder 3 in B + b bzw. B + b schaften zu erklären. Jedem Reaktionstyp
zerfallen. In Tabelle 8.10 sind einige Kernreak- eines bestimmten Kerns A mit dem Projektil,
tionen zusammengestellt. Welche der mögli- beispielsweise Neutronen n, muss ein Wir-
chen Kernreaktionen ablaufen, wird durch die kungsquerschnitt zugeordnet werden (z. B.
Energie und Art des Projektils bestimmt. σ(n,
A
n) , σ(n, γ) , σ(n, p) , …; partielle Wirkungs-
A A
Zeit =
Trefferzahl Projektilteilchen a
Fläche·Zeit · Wahrscheinlichkeit
des Treffers
d N / dt = Φ · NA σ .
σΦNX
NY = (1 − e−λY tB ) . (8.96)
λY
Die Häufigkeit der Spaltprodukte von 235 U bei trische Spaltung auf. Die Maxima der Kurve
der Spaltung durch thermische Neutronen ist liegen im Bereich der Massenzahlen 90 bis
in Abb. 8.74 in Abhängigkeit von der Massen- 100 und 133 bis 143 mit einer Spaltausbeute
zahl gezeigt. Es tritt bevorzugt eine asymme- von etwa 6%. Für die symmetrische Spaltung
(A = 236/ 2) beträgt die Spaltausbeute le-
diglich 10−2 %. Die Häufigkeitsverteilung der
Spaltprodukte sieht für 233 U und 239 Pu ähnlich
aus.
Der bei der Spaltung frei werdende Energie- die Energie je Spaltung um den Wert der Bin-
betrag ΔE kann aus der Bindungsenergiekurve dungsenergie der Neutronen. Im Mittel wird je
(Abb. 8.53) abgeschätzt werden. Für 235 U ergibt Kernspaltung des 235 U eine nutzbare Energie
sich ein Energiegewinn von 0,86 MeV je Nu- von 200 MeV frei.
kleon oder 200 MeV je Spaltung. Diese Ener- Für die Berechnung der Energie, die aus 1 kg
gie verteilt sich zu 85% auf die Spaltprodukte spaltbaren Materials 235 U in einem Kernreak-
als kinetische Energie. Abbildung 8.75 zeigt tor gewonnen werden kann, muss berücksich-
die Energieverteilung auf die Reaktionspro- tigt werden, dass ein Teil des spaltbaren Ma-
dukte. Durch Umwandlung dieser Spaltener- terials durch (n, γ)-Reaktion in weniger leicht
gie in Wärme kann mittels einer Dampfturbine spaltbares Material umgewandelt wird. Dieser
elektrische Energie erzeugt werden (Kernreak- Anteil ergibt sich aus dem Verhältnis der Wir-
toren). kungsquerschnitte für Spaltung und Absorp-
tion (σ(n,f) /σ(n,γ) = 0,839):
8.8.3.2 Kernreaktoren 1 000 g
Die kinetische Energie der Spaltprodukte und E = 200 · 106 eV · 0,839 ·
235 g/mol
die Energie des β-Zerfalls werden in unmittel- 1
· 6,022 · 1023 ,
barer Nähe des Zerfallsorts in Wärme umge- mol
wandelt. Die Energie der Neutronen und der E = 6,89 · 1013 Ws = 6,89 · 1010 kJ
γ-Strahlung steht nur dann als Wärme zur = 797 MWd .
Verfügung, wenn diese im betreffenden Me-
dium absorbiert wird. Die Energie der Neutri- Zum Vergleich: Bei der Verbrennung von 1 kg
nos geht infolge der geringen Wechselwirkung Kohlenstoff wird eine Energie von 34 · 103 kJ
verloren. Durch Neutroneneinfang erhöht sich frei (5 · 107 mal weniger als für 1 kg 235 U).
8.8 Kernumwandlung 737
Der Multiplikationsfaktor k∞ für einen idea- nach Größe von keff unterscheidet man drei
len Reaktor ist Fälle:
– keff < 1: Das System ist unterkritisch, die
k∞ = ν ε p f p∗ = η ε p f . (8.97) Kettenreaktion kann nicht ablau-
fen.
Der Vermehrungsfaktor η = νp∗ gibt die An- – keff = 1: Das System ist kritisch, die Ketten-
zahl der schnellen Neutronen an, die für je- reaktion ist möglich.
des im Spaltstoff absorbierte Neutron emittiert – keff > 1: Das System ist überkritisch.
werden. Abbildung 8.77 zeigt η für verschie- Durch den Verbrauch an Kernbrennstoff
dene Spaltstoffe in Abhängigkeit von der Neu- und das Entstehen neutronenabsorbierender
tronenenergie. Für 235 U ergibt sich für thermi- Spaltprodukte ist eine bestimmte Überschuss-
sche Neutronen (En ≈ 10−2 eV) mit ν = 2,43 reaktivität δ = keff − 1 erforderlich. Diese wird
der Wert η = 2,07. Es sind also nur 2,07 Neu- durch Kontrollstäbe aus stark neutronenab-
tronen weiterhin nutzbar, der Rest geht durch sorbierendem Material (z. B. Cadmium, Bor)
die (n, γ)-Reaktion mit 238 U verloren. gesteuert. Das Auftreten verzögerter Neutro-
Beim realen Reaktor muss der Neutronenver- nen spielt bei der Regelung des Reaktors eine
lust durch die endliche Ausdehnung des Reak- wichtige Rolle, da durch sie eine Verlängerung
torkerns berücksichtigt werden. Der effektive der Regelzeit hervorgerufen wird.
Multiplikationsfaktor ist
8.8.3.3 Reaktortypen
Die Einteilung der Reaktoren kann nach
keff = k∞ L . (8.98)
verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen,
beispielsweise nach dem
L ist die Leckage, d. h. die Wahrscheinlichkeit,
– Brennstoff (z. B. Uranoxid, Uran-Pluto-
dass ein Spaltneutron im Reaktor verbleibt. Je
niumoxid (MOX)),
– Moderator (z. B. leichtes Wasser, schweres
Wasser (D2 O), Graphit),
– Kühlmittel (z. B. gasgekühlte, wasserge-
kühlte, natriumgekühlte Reaktoren).
In Abb. 8.78 bis 8.80 sind einige Reaktortypen
mit ihren charakteristischen Daten beschrie-
ben.
Für den Betrieb eines Druckwasserreaktors
(Abb. 8.78) mit 235 U als Spaltstoff muss die-
ser etwa auf 5% angereichert werden (natür-
licher 235 U-Gehalt 0,72%). Die abgebrannten
Brennstoffelemente enthalten noch etwa 0,8%
235
U. Die gewonnene Energie stammt dabei zur
Hälfte aus der Spaltung von 239 Pu, das durch
Neutroneneinfang aus 238 U gebildet wird.
Abb. 8.77 Vermehrungsfaktor in Abhängigkeit von Das Verhältnis neu gebildeter spaltbarer
der Neutronenenergie für verschiedene Spaltstoffe Atome zur Anzahl der gespaltenen Atome
8.8 Kernumwandlung 739
wird als Konversionsfaktor bzw. Brutrate Zur Beurteilung der Möglichkeit eines Brut-
bezeichnet. Ist die Brutrate größer als 1, so reaktors ist der Vermehrungsfaktor η wichtig.
erzeugt der Reaktor mehr spaltbares Material Aus Abb. 8.77 ist zu erkennen, dass 239 Pu als
als er verbraucht (Brutreaktor s. Abb. 8.80). Spaltstoff mit thermischen Neutronen (En ≈
Folgende Kombinationen von Spalt- und 10−2 eV) lediglich den Wert 2,1 hat. Dieser
Brutstoff sind sinnvoll: Wert ist zur Aufrechterhaltung einer Ketten-
reaktion zu gering. Für schnelle Neutronen
(En ∼ MeV) steigt der η-Wert auf 2,93 an. Des-
halb ist ein Brutreaktor auf der Basis Uran-
238/Plutonium-239 nur mit schnellen Neu-
tronen durchführbar (schneller Brutreaktor).
8.8 Kernumwandlung 741
Abb. 8.80 Reaktortank und Brennelemente eines schnellen Brutreaktors. Werkfoto: Schnell-Brüter-
Kernkraftwerksgesellschaft
Abb. 8.83 Plasmaeinschluss-Verfahren zur Kernfusion. Fotos: Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Garching
Im Prinzip gibt es zwei voneinander unab- durch die Dichte und Temperatur. Bei den
hängige Wege, diese Bedingungen zu erfül- Zündbedingungen herrscht ein Plasmadruck
len: den Trägheitseinschluss und die Anwen- von etwa 1 bar, der Magnetfelder in der Grö-
dung von Magnetfeldern, wie Abb. 8.83 zeigt. ßenordnung 5 T bis 10 T erfordert. Bei einer li-
Beim Trägheitseinschluss werden kleine Men- nearen Anordnung treten Teilchenverluste an
gen aus festem Deuterium und Tritium (Pel- den Enden auf, da das Plasma längs der Feldli-
lets) durch Hochleistungslaser (oder auch mit nien ungehindert ausströmen kann. Diese Ver-
Elektronen- oder Ionenstrahlen) aufgeheizt. luste können durch „magnetische Spiegel“ mit
Das entstehende Plasma wird infolge seiner stark erhöhter Magnetfeldstärke an den Enden
eigenen Massenträgheit (ohne Magnetfelder) vermindert werden.
für eine bestimmte Zeit zusammen bleiben, Das Ausströmen des Plasmas wird durch Aus-
die ausreichen sollte, um durch Fusionsreak- bildung von toroidalen Anordnungen verhin-
tionen einen Energieüberschuss zu erreichen. dert. Hierbei sind die Magnetfeldlinien zu Rin-
Durch Anlegen von Magnetfeldern werden gen geschlossen und bilden einen magneti-
beim magnetischen Einschluss die geladenen schen Torus. Die Magnetfeldstärke nimmt mit
Teilchen auf Spiralbahnen um die Magnetfeld- kleiner werdendem Radius zu, sodass der ma-
linien gezwungen. Dadurch kann der gaskine- gnetische Druck auf der Innenseite des To-
tische Druck des Plasmas durch ein äußeres rus größer ist als auf der Außenseite. Dadurch
Magnetfeld aufgefangen werden. Der Druck würde das Plasma innerhalb kurzer Zeit ge-
des Magnetfelds ist durch das Quadrat der gen die Außenwand gedrückt. Durch geeig-
Feldstärke bestimmt, der Druck des Plasmas nete Zusatzfelder muss dies verhindert wer-
8.8 Kernumwandlung 745
den. Das resultierende Feld muss so beschaf- marand und von dort an die Wand des Plas-
fen sein, dass die Feldlinien schraubenförmig magefäßes gestreut werden können. Beim Auf-
um die Torusachse verlaufen und geschlossene treffen der Elektronen, Ionen, Neutralteilchen
magnetische Flussflächen aufspannen. und Neutronen auf die Gefäßwand oder durch
In Abb. 8.83 sind zwei Anordnungen zum Er- Strahleneinwirkung können Atome von der
reichen dieser Verdrillung gezeigt. Beim Toka- Wand gelöst werden und das Plasma verunrei-
mak bildet das Plasma die Sekundärwicklung nigen. Besonders problematisch sind Schwer-
eines Transformators. Es entsteht ein Plasma- metalle, da sie bei den Fusionstemperatu-
strom, der ein ringförmiges Magnetfeld er- ren erst teilweise ionisiert sind und deshalb
zeugt (poloidales Feld). Die Überlagerung von intensive Linien- und Rekombinationsstrah-
poloidalem und toroidalem Feld führt zu der lung aussenden, die zu einem Energieverlust
notwendigen Verdrillung der Feldlinien. Mit des Plasmas führt. Ein Wolframatom unter
dem Tokamak ASDEX (Axial Symmetrisches 10 000 Plasmateilchen würde die thermonu-
Divertor Experiment) will das Max-Planck- kleare Zündung verhindern.
Institut für Plasmaphysik unter reaktorähn- Der aus dem Plasma an der Gefäßwand an-
lichen Bedingungen vor allem die Plasma- gelagerte Wasserstoff wird durch die Bestrah-
reinhaltung mit einem magnetischen Divertor lung freigesetzt und wieder zurückgeführt.
studieren. Divertoren sind Nebenkammern, Der Rückfluss von kälteren, vorwiegend neu-
die durch besondere Führung des Magnetfel- tralen Wasserstoffatomen von der Gefäßwand
des ober- und unterhalb des Plasmaschlauches in das Plasma spielt bei der Teilchen- und Ener-
entstehen. giebilanz des Plasmas eine wichtige Rolle.
Das Transformatorprinzip funktioniert nur
während der Einschaltphase der zentralen Plasmainstabilitäten
Transformatorspule (zentrale OH-Spule in Eine stromdurchflossene Plasmasäule ist von
Abb. 8.83). Nur dann wird ein Plasmastrom einem zylindrischen Magnetfeld umgeben.
induziert, der das poloidale Feld zur Plasma- Schnürt sich der Plasmaschlauch zufällig
stabilisierung erzeugt. Im Tokamak ist daher an einer Stelle leicht ein, so vergrößert sich
nur Pulsbetrieb möglich. das Magnetfeld und damit der Druck des
Im Gegensatz zu den Tokamaks arbeiten Magnetfeldes auf das Plasma. Dieser Druck
die Stellaratoren nur mit externen Ma- verstärkt die Einschnürung der Plasmasäule,
gnetfeldern und können daher kontinuier- bis es u. U. zur Stromunterbrechung kommt.
lich betrieben werden. Zur Erzeugung der Ein zufälliger Knick in der Plasmasäule führt
schraubenförmigen Feldlinien sollen beim auf der Seite mit dem kleineren Radius zu
Stellarator-Experiment Wendelstein VII-AS einer Magnetfeldvergrößerung und damit zu
am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik 45 einer Druckerhöhung in Knickrichtung. Die
unterschiedlich geformte Einzelspulen einge- Instabilität nimmt von selbst zu.
setzt werden. Folgende Problemkreise sind
besonders kritisch: Plasmaheizung
Damit die Kernfusion mit Energiegewinn
Plasmaverunreinigungen abläuft, muss das Plasma auf 108 K aufge-
Im Plasma findet eine Vielzahl von Stößen heizt werden. Die Heizung des Plasmas kann
der Teilchen untereinander statt, durch die die durch Ohm’sche Heizung, Neutralteilchenin-
Teilchen aus dem Plasmainnern an den Plas- jektionsheizung oder Hochfrequenzheizung
746 8 Atom- und Kernphysik
erfolgen. Die Ohm’sche Heizung geschieht Tritium im Kreislauf geführt wird; lediglich
durch einen Plasmastrom (vgl. Tokamak). durch Neutronenaktivierung der Materialien
Durch den Plasmawiderstand wird dem entstehen radioaktive Stoffe.
Plasma Energie (Wärme) zugeführt. Da der
Widerstand des Plasmas mit zunehmender
Temperatur abnimmt, ist diese Methode 8.9 Elementarteilchen
nur zur Anfangsheizung geeignet. – Bei
der Neutralteilcheninjektionsheizung wer- Das Ziel der Elementarteilchenphysik ist die
den geladene Teilchen beschleunigt und vor Aufdeckung und Beschreibung der fundamen-
Einschuss in das Plasma neutralisiert. (Gela- talen Gesetze der Wechselwirkung von Materie.
dene Teilchen können das Magnetfeld nicht Unter Wechselwirkung wird dabei ganz allge-
durchdringen.) Die kinetische Energie der mein jede Kraft oder jeder Einfluss auf Mate-
eingeschossenen Neutralteilchen liegt weit rie verstanden, der zu einer Zustandsänderung
über der der Plasmaionen und wird durch führt.
Stöße an sie übertragen. Die Frage nach den Elementarteilchen ist
Die Ionen und Elektronen eines Plasmas grundlegend mit der Frage nach dem Zusam-
führen verschiedenartige Eigenschwingungen menhalt der Atomkerne (Kernkraft) verbun-
aus, die durch Einstrahlung einer elektroma- den. Um eine Auflösung Δx zu erreichen, ist
gnetischen Welle zur Resonanz angeregt wer- nach der Unschärferelation ΔpΔx / 2 ein
den können. Die spiralförmige Bewegung der Impuls p / (2 Δx) erforderlich. Nach
geladenen Teilchen um die Magnetfeldlinien der Relativitätstheorie kann gemäß E2 = p2 c2
erfolgt mit einer bestimmten Kreisfrequenz + m20 c4 (10.19) die entsprechende Energie be-
(Zyklotronfrequenz). Diese liegt bei Ionen rechnet werden. Zur Ermittlung der inneren
und den üblichen Magnetfeldstärken zwi- Struktur des Protons (Δx ≈ 10−16 m) sind
schen 10 MHz und 100 MHz, für Elektronen Energien in der Größenordnung GeV erfor-
zwischen 60 GHz und 150 GHz. Durch Ein- derlich. Experimente in der Elementarteil-
strahlung mit der entsprechenden Frequenz chenphysik sind deshalb nur mit äußerst leis-
nehmen die Teilchen aus dem elektromagne- tungsstarken Beschleunigeranlagen möglich.
tichen Feld Energie auf und geben sie durch Tabelle 8.12 zeigt die Bauelemente von moder-
Stöße an das Plasma ab. nen Beschleunigeranlagen. Seit den siebziger
Kernspaltung und Kernfusion unterschei- Jahren sind Kollisionsexperimente (Speicher-
den sich in folgenden wichtigen Punkten: ringexperimente) üblich, bei denen die zu-
Die Energiegewinnung aus 1 kg Deuterium sammenstoßenden Teilchen (z. B. e− , e+ , p, p− )
durch Fusion entspricht der Verbrennung von einen entgegengesetzten Impuls haben. Des-
8 · 106 kg Kohle, die aus 1 kg Uran-235 durch halb bleibt der Schwerpunkt des gesamten Sys-
Kernspaltung der von 2 · 106 kg Kohle. Die tems in Ruhe, sodass die doppelte Teilchen-
Kernspaltung kann leicht mit thermischen energie (z. B. für Protonen 2 Ep = 2·270 GeV =
Neutronen in Gang gesetzt werden. Für die 540 GeV) zur Erzeugung neuer Teilchen zur
Kernfusion müssen erst ungewöhnlich hohe Verfügung steht. Um den gleichen Energie-
Temperaturen (108 K) erzeugt werden. Bei betrag (540 GeV) beim Beschuss eines ruhen-
der Kernspaltung entstehen große Mengen den Protons zur Verfügung zu haben, muss
an hochradioaktivem Abfall, im Gegensatz das bewegte Proton eine Energie von 155 TeV
zur Fusionsreaktion, bei dem das radioaktive (1012 eV) haben.
8.9 Elementarteilchen 747
Abb. 8.84 a) Detektor TASSO am DESY, b) Querschnitt des Detektors TASSO. Foto: Deutsches Elektronen-
Synchrotron, Hamburg
748 8 Atom- und Kernphysik
Bauteil Funktion
Zum Nachweis der Reaktionsprodukte sind nur Art und Energie der Teilchen, sondern
aufwändige Detektoren erforderlich, die nicht auch ihre Richtung genau bestimmen. Abbil-
dung 8.84a zeigt den Detektor TASSO (Two
Arm Spektrometer Solenoid) und Abb. 8.84b
den Querschnitt schematisch. Die vom Com-
puter rekonstruierten Teilchenbahnen (z. B.
π+ , K+ , K− ) für eine Energie von 35 GeV
(e− , e+ ) sind in Abb. 8.85 dargestellt.
8.9.1 Einteilung
ein Antiteilchen mit entgegengesetzter Ladung Die gebildeten Myonen (Leptonen) zerfallen
und entgegengesetzten Werten aller ladungs- nach folgendem Schema:
artigen Quantenzahlen (z. B. B, S, C, I3 ). Alle
anderen Eigenschaften, beispielsweise Masse μ+ → νμ + e+ + νe
und Lebensdauer, stimmen bei Teilchen und μ− → νμ + e− + νe .
Antiteilchen überein. In Abb. 8.86 sind nur
Viele der neu entdeckten Hadronen konnten
für die Leptonen und Quarks die Antiteilchen
als angeregte Zustände anderer Teilchen inter-
mit angegeben (rot). Die grau unterlegten Teil-
pretiert werden. Diese angeregten Zustände
chen sind aus heutiger Sicht stabil. Dies gilt
sind in der Atomphysik mit dem angeregten
auch für die entsprechenden Antiteilchen (so-
Wasserstoffatom vergleichbar. Während die-
fern sie nicht mit anderen Teilchen zusam-
ses beim Übergang in den Grundzustand ein
menkommen). Das Neutron ist nur im ge-
oder mehrere Photonen emittiert, emittieren
bundenen Zustand (z. B. im Atomkern) sta-
die angeregten Hadronenteilchen Pionen. Dies
bil.
weist auf eine innere Struktur der Teilchen hin;
Man unterscheidet zwischen Teilchen mit
diese können deshalb nicht als elementar be-
schwacher (Leptonen) und Teilchen mit star-
trachtet werden.
ker Wechselwirkung, den Hadronen. Die
In Abb. 8.86 unten sind die nach heutiger
Hadronen bestehen aus den Baryonen (Spin J
Sicht elementaren Bausteine (Quarks und
halbzahlig) und den Mesonen (Spin J ganz-
Antiquarks) mit ihren Quantenzahlen zu-
zahlig). Baryonen zerfallen stets direkt oder
sammengestellt. Die Mesonen lassen sich
über einen Umweg in Nukleonen (Protonen
durch ein Quark-Antiquarkpaar und die Ba-
oder Neutronen):
ryonen durch eine Dreier-Quarkkombination
n
+
→ p + e− + νe (T = 918 s) aufbauen. Nach dem Pauli-Prinzip müssen
→ p + π◦ (T = 0,8 · 10−10 s) sich in einem System die Teilchen mit Spin
→ n + π+ s = 1/ 2 (Fermionen) in einer Quantenzahl
Ξ0 → Λ◦ + π◦ (T = 3 · 10−10 s) unterscheiden. Dies erfordert die Einführung
Λ◦ → p + π− einer zusätzlichen Quantenzahl der Farbla-
dung (rot, grün, blau), die weder mit einer
Δ+ (1232) → n + π+ (T = 6 · 10−24 s) . Farbe noch mit einer elektrischen Ladung
Baryonen können im Gegensatz zu Mesonen vergleichbar ist.
weder einzeln erzeugt werden, noch durch Zer- Die Quark-Antiquark-Systeme (Mesonen)
fall verschwinden. Die Mesonen zerfallen in kann man mit einem Positronium vergleichen.
Photonen, Elektronen und Neutrinos: Dieses ist eine wasserstoffähnliche Verbin-
dung aus einem Positron und einem Elektron.
π+ → μ+ + νμ (T = 2,6 · 10−8 s) Analog werden die Quark-Antiquark-Systeme
π− → μ− + νμ (T = 2,6 · 10−8 s) als Quarkonia (z. B. Charmonium cc oder
π◦ → γ + γ (T = 0,83 · 10−16 s) Bottonium bb) bezeichnet. Die Quantenzahlen
→ γ + e+ + e− der Teilchen ergeben sich durch entspre-
ω → π+ + π− + π◦ (T = 10−23 s) chende Addition aus den Quantenzahlen der
π◦ + γ
Quarks gemäß Tabelle 8.13. Die Kombina-
K → μ+ + νμ
+
(T = 1,24 · 10−8 s) tion zweier Quarks kann somit nur Teilchen
→ π+ + π◦ mit ganzzahligem Spin (Mesonen), die von
◦
D+ → K + π+ (T = 7 · 10−13 s) . drei Quarks nur Teilchen mit halbzahligem
750 8 Atom- und Kernphysik
8.9
Proton p Neutron n
Quarkkombination u +u +d u +d +d
Ladung Q 2/ 3 + 2/ 3 − 1/ 3 = +1 2/ 3 − 1/ 3 − 1/ 3 = 0
Baryonenzahl B 1/ 3 + 1/ 3 + 1/ 3 = +1 1/ 3 + 1/ 3 + 1/ 3 = 1
Isospin I3 1/ 2 + 1/ 2 − 1/ 2 = 1/ 2 1/ 2 − 1/ 2 − 1/ 2 = −1/ 2
Spin (Baryonen) liefern. Höhere Spins als Zwischenraum zwischen den Quarks muss ein
J = 1 ergeben sich durch einen zusätzlichen elektrisch neutrales Füllmaterial enthalten,
Bahndrehimpuls der Quarks, vergleichbar mit dem das Neutrino kaum wechselwirkt.
dem Wasserstoffatom. In Abb. 8.87 ist dies Dieses Füllmaterial wird im Wesentlichen mit
für das cc- System dargestellt. Die Übergänge Trägern der Quarkkräfte (Gluonen) identifi-
zwischen einzelnen Zuständen erfolgen unter ziert.
Aussendung von γ-Quanten.
Streuexperimente mit Elektronen bzw. Neutri- 8.9.2 Erhaltungssätze
nos (Abb. 8.49) zur Untersuchung der inneren
Elektrische Ladung Q
Struktur des Protons ergaben die Existenz von
Die elektrische Ladung eines abgeschlossenen
drei Streuzentren (Quarks) in den Nukleo-
Systems bleibt erhalten:
nen. Zwischen Neutrino und Quark treten
schwache Wechselwirkungskräfte auf, die nur
π− → μ− + νμ
eine Reichweite von etwa einem tausendstel Q : −1 = −1 + 0 .
Protonendurchmesser haben (10−17 m). Der Das Pion und das Muon müssen deshalb exakt
dieselbe Ladung haben. Neutrinos sind elek-
trisch neutral und können deshalb große Ma-
teriemengen ohne Energieverlust durch Ioni-
sationsprozesse durchdringen. Entsprechend
der Erhaltung elektrischer Ladung ergibt sich
für das leichteste geladene Teilchen, das Elek-
tron, dass dieses stabil sein muss.
Leptonenzahl L
Es gibt sechs Leptonen (Le , Lμ , Lτ ) in den Fa-
milien (e, νe ), (μ, νμ ) und (τ, ντ ) mit ihren An-
titeilchen (Abb. 8.86). Sie haben den Spin 1/2
und nur elektromagnetische schwache Wech-
selwirkung. Den Leptonen wird die Leptonen-
zahl L = 1 (Antiteilchen L = −1) zugeordnet.
Diese bleibt bei einer Reaktion erhalten:
μ+ → e+ + νμ + νe
−1 = (−1) + (−1) + (+1) .
L : !"#$
!"#$ !"#$ !"#$
Lμ Le Lμ Le
Abb. 8.87 Quarkoniumzustände
8.9 Elementarteilchen 753
e+ + e− → p + p
Spin J, Parität P
B : 0 + 0 = 1 + (−1) . Der Spin eines Teilchens ergibt sich durch
Die Erhaltung der Baryonenzahl führt zur Sta- Kombination der Quarkspins und des Bahn-
bilität des leichtesten Baryons, dem Proton drehimpulses. Die Teilchen lassen sich
(analog dem Elektron bei Ladungserhaltung), durch das Produkt aus einer Wellenfunk-
und gilt für alle Wechselwirkungen. tion ψ(x, y, z) und einer Spinfunktion ϕ(s)
beschreiben. Die Wahrscheinlichkeit, das
Teilchen an einem bestimmten Ort mit ei-
Seltsamkeit S
nem bestimmten Spin anzutreffen, ist durch
Diese Quantenzahl leitet sich von den
das Quadrat der Wellenfunktion |ψ(x, y, z)|2
„seltsamen Teilchen“, z. B. Λ und K◦ , ab. Solche
gegeben. Dieses Betragsquadrat ist prinzi-
Teilchen sollten theoretisch eine Lebensdauer
piell unabhängig von einer Spiegelung der
von 10−23 s haben. Seltsamerweise ist ihre tat-
Koordinaten an einer Ebene (Übergang ei-
sächliche Lebensdauer aber 1013 -mal länger.
nes rechtsdrehenden in ein linksdrehendes
Diese Seltsamkeit bleibt bei Reaktionen mit
Koordinatensystem). Diese Spiegelung an
starker und elektromagnetischer Wechselwir-
einer Ebene ist identisch mit einer Inver-
kung erhalten, nicht aber bei der schwachen
sion (Spiegelung am Koordinatenursprung
Wechselwirkung.
x, y, z, s → −x, −y, −z, s), verbunden mit einer
Drehung. Die Invarianz der Wellenfunktion
Charme C, Bottom B∗
gegenüber der Drehung ist durch die Drehim-
Außer der Seltsamkeit S können noch weitere
pulserhaltung gegeben. Bei der Inversion darf
Quantenzahlen, wie z. B. Charme C und Bot-
die Wellenfunktion somit nur ihr Vorzeichen
tom B∗ , eingeführt werden, die bei elektroma-
ändern:
gnetischer und starker Wechselwirkung erhal-
ten bleiben. Diese Quantenzahlen sind mit den ψ(−x, −y, −z) = ψ(x, y, z)
c- bzw. b-Quarks verknüpft. P = 1 (gerade Parität) ,
ψ(−x, −y, −z) = −ψ(x, y, z)
Isospin I
Das Proton und das Neutron (Abb. 8.86) kön- P = −1 (ungerade Parität) .
nen als zwei verschiedene Zustände ein und Die Parität kann sich bei der schwachen Wech-
desselben Teilchens aufgefasst werden. Der je- selwirkung ändern. Anschaulich bedeutet dies,
weilige Zustand des Teilchens wird durch den dass eine Reaktion in ihrer räumlich gespie-
Isospin I mit der Multiplizität (2I + 1) gekenn- gelten Form nicht genau in derselben Weise
zeichnet. Der Isospin ist ein Vektor mit drei (mit derselben Häufigkeit) abläuft. Es tritt bei
754 8 Atom- und Kernphysik
Schrödinger-Gleichung Klein-Gordon-Gleichung
Energie-
p2
Impuls- E= (nichtrelativistisch) E2 = p2 c02 + m20 c4 (relativistisch)
2m
Gleichung
∂ ∂ ∂ ~ ~ ∂
Operatoren p̂ =
, , ∇ =
; Ê = i~
i i ∂x ∂y ∂z ∂t
Wellen-
∂Ψ ~2 ∂2 ∂2 ∂2 ∂2 Ψ 2 ∂2 ∂2 ∂2 m20 c04
gleichung des i~ + + + Ψ = 0 − c + + Ψ + Ψ=0
freien Teil-
∂t 2 m ∂x2 ∂y2 ∂z2 ∂t2 0
∂x2 ∂y2 ∂z2 ~2
chens
p 1 mc
Lösung ψ = ψ0 e−i ~ r ψ = ψ0 e−kr k=
(stationär) r ~
1 ~
r0 ≈ = Reichweite der Wellenfunktion
k mc
MeV
mit r0 ≈ 10−15 m ⇒ m ≈ 200
c2
756 8 Atom- und Kernphysik
In vielen wissenschaftlichen und technischen Unter Kontamination versteht man eine un-
Bereichen (z. B. Röntgendiagnostik, Strahlen- erwünschte Verunreinigung durch radioaktive
8.10 Strahlenschutz 757
des Protons infolge seiner 1 836-mal grö- Der differentielle Energieverlust kann für
ßeren Masse etwa 43-mal geringer als die schwere geladene Teilchen (z. B. α, p, d) mit
des Elektrons. Dies führt zu einer größeren einer Energie E << m0 c2 (nichtrelativistische
Wechselwirkungszeit des Protons mit dem Teilchen) näherungsweise durch die Bethe-
Absorberatom und daher zu einem grö- Bloch-Gleichung (H. A. Bethe, 1906 bis 2005
ßeren differentiellen Ionisationsvermögen und F. Bloch, 1905 bis 1983) beschrieben
(Abb. 8.91). werden:
762 8 Atom- und Kernphysik
Tabelle 8.16 Mittlerer Energieverbrauch E zur Bildung mit f (β) als Funktion, die β = / c enthält.
eines Ionenpaars Das Bremsvermögen für Luft in Abhängigkeit
von der Elektronenenergie (Abb. 8.91) zeigt
Gas E in eV EI in eV
den Anstieg von S über 1 MeV, der durch den
Elek- α-Teil- Ionisie- logarithmischen Term in (8.102) verursacht
tronen, chen rungs-
wird. Das differentielle Ionisationsvermögen
β-Teil- energie
chen von Elektronen ist um den Faktor 1000 kleiner
als bei α-Teilchen. Gleichung (8.102) berück-
Helium 41,4 44,4 24,6 sichtigt lediglich den Energieverlust durch
Argon 26,1 26,4 15,8 Ionisation und Anregung, nicht dagegen den
Wasserstoff 36,3 36,7 15,4
Energieverlust durch Bremsstrahlung. Der
Stickstoff 34,7 36,5 15,6
Luft 34,0 35,1 – Energieverlust durch Bremsstrahlung wird
erst oberhalb der Ruheenergie des Teilchens
merklich, z. B. für Protonen oberhalb einer
Ruheenergie von etwa 103 MeV; hierbei laufen
ringer (Abb. 8.91). α-Teilchen zeigen im dif- dann zum großen Teil Kernreaktionen ab. Bei
ferentiellen Ionisationsvermögen in Luft ein Elektronen steigt das Massenbremsvermö-
Maximum bei ungefähr 1 MeV, das zu einem gen infolge der Bremsstrahlung (S/ρ)Strahlung
Maximum der Ionendichte am Ende der Teil- oberhalb 1 MeV stark an (Abb. 8.91). Die
chenbahn führt. Der Energieverbrauch zur Er- Elektronenbahn im Absorbermaterial ist im
zeugung eines Ionenpaars ist für α- und β- Gegensatz zu den schweren geladenen Teilchen
Teilchen in Tabelle 8.16 mit der Ionisierungs- nicht geradlinig, weil infolge der wesentlich
energie zusammengestellt. Die für α-Teilchen geringeren Masse des Elektrons Streuungen
angegebenen Daten gelten auch in guter Nä- auftreten. Die Integration über das rezi-
herung für Protonen und Deuteronen, da der proke Bremsvermögen (dE/ dx)−1 (Summe der
Energieverlust unabhängig von der Teilchen- Energieverluste durch Ionisation und Brems-
art ist. Aus diesen Daten ist ersichtlich, dass der strahlung) analog den schweren geladenen
Energieverbrauch etwa doppelt so groß ist wie Teilchen ergibt die mittlere Bahnlänge. Infolge
die Ionisierungsenergie. Die Hälfte der Ener- der Vielfachstreuung haben die Elektronen
gie wird somit zur Anregung von Atomen oder keine einheitliche Reichweite nach (8.101),
Molekülen verbraucht. sondern nur eine maximale Reichweite. Hier-
Für Elektronen muss das Bremsvermögen rela- unter versteht man die zur vollständigen
tivistisch berechnet werden, da die Ruheener- Absorption der Elektronenstrahlung erfor-
gie des Elektrons E = moe c2 = 0,511 MeV be- derliche Absorberdicke oder Flächenmasse.
trägt. Das Bremsvermögen für Elektronen er- Das exponentielle Absorptionsverhalten
gibt sich damit zu von β-Teilchen für radioaktive Strahlung
(Abb. 8.91) ist rein zufällig und durch die Mess-
geometrie (Anordnung von Strahlenquelle-
dE Ze4 n
S=− = · Absorber-Detektor) beeinflussbar. Da bei der
dx 8πε20 moe 2 Absorption – besonders bei hohen Elektro-
moe 2 Ekin nenenergien und großer Ordnungszahl des
· ln + f (β) . (8.102)
2I (1 − β2 )
2 Absorbermaterials – Bremsstrahlung auftritt,
führt dies in der Absorptionskurve zu einer
764 8 Atom- und Kernphysik
(μe /ρ)Material
D=f I. (8.106)
(μe /ρ)Luft
Abb. 8.94 Abhängigkeit des Strahlungs-Wichtungsfaktor von der linearen Energieübertragung und
Zusammenstellung von Gewebe-Wichtungsfaktoren
8.10 Strahlenschutz 769
770 8 Atom- und Kernphysik
Abb. 8.96 Strahlenexposition der Bevölkerung in Deutschland mit Wertebereich für exponierte Einzelpersonen in Klammern
8.10 Strahlenschutz 773
Tabelle 8.17 Somatische Strahlenwirkungen bei kurzzeitiger Ganzkörperbestrahlung mit γ-Strahlung angegeben
in effektiver Dosis
Abwasser aus kerntechnischen Anlagen der tragen für Edelgase 3 200 GBq/GWa, Tritium
Bundesrepublik Deutschland bezogen auf eine 10 360 GBq/GWa und 131 I 0,023 GBq/GWa.
erzeugte elektrische Energie von 1 GWa be- Anhand der Emissionswerte berechnet sich
die Strahlenexposition in der Umgebung
von Kernkraftwerken zu den in Tabelle 8.18
angegebenen Werten. Diese liegen deutlich
unterhalb des in der Strahlenschutzverord-
nung angegebenen Grenzwertes von 1 mSv/a.
8.10.4 Dosismessung
mische Reaktionen oder Wärmeerzeugung. In mit S als dem Bremsvermögen der Sekundär-
Abb. 8.98 sind einige Messverfahren mit der elektronen, so spricht man von luftäquivalen-
Energieabhängigkeit der Anzeige und dem tem Wandmaterial. Solche Dosimeter sind bis
Messbereich zusammengestellt. 3MeV einsetzbar. In Abb. 8.99 ist ein Stabdo-
Bei der in der Praxis wichtigen Messung simeter schematisch dargestellt. Die in die Io-
der Ionendosis unterscheidet man je nach nisationskammer eindringende Strahlung er-
Messbedingungen zwischen der Standard- zeugt durch primäre Ionisationsprozesse La-
Gleichgewichts-Ionendosis und der Hohlraum-
Ionendosis. Die Standard-Gleichgewichts-
Ionendosis ist die Ionendosis, die von einer
Photonenstrahlung an einem Punkt bei Se-
kundärelektronengleichgewicht frei in Luft
erzeugt wird. Man wählt ein entsprechend
großes Luftvolumen und misst die in einem
allseitig von Luft umgebenen Teilvolumen
erzeugte Ladung. Dadurch wird erreicht, dass
die Summe der Elektronenenergien, die in das
Messvolumen gelangen, gleich der Energie
der austretenden Elektronen ist (Sekundär-
elektronengleichgewicht). Dies kann nur bis
zu einer Energie von 500 keV verwirklicht
werden. Wird das Messvolumen mit einer
Wand umgeben, für die gilt
dungen, die zu einer Entladung des Konden- beruflich strahlenexponierten Personen. Jede
sators führen. Die Ladung des Kondensators Person, die beruflich mit Röngtenstrahlung,
wird durch das Quarzfadenelektrometer ange- radioaktiver Strahlung oder anderen ionisie-
zeigt und kann durch das Mikroskop (Okular- renden Strahlen zu tun hat, wird als beruflich
linse – Objektiv) abgelesen werden. Die Auf- strahlenexponierte Person bezeichnet und
ladung des Kondensators erfolgt mit einem unterliegt gesetzlichen Regelungen, die in
Ladegerät über den Ladestift. Diese Stabdo- der Strahlenschutzverordnung festgelegt sind.
simeter sind vorzugsweise zur Ermittlung der Die Strahlenschutzverordnung gilt für den
Personendosis bestimmt und werden hierzu Umgang mit radioaktiven Stoffen, ihre Be-
am Körper getragen. Außerdem können sie förderung, Einfuhr und Ausfuhr sowie die
auch als Ortsdosimeter verwendet werden. Bei Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung
höheren Energien und anderen Strahlenarten von radioaktiven Mineralien, den Umgang
wird die Ionendosis in einem kleinen gasge- mit Kernbrennstoffen und die Errichtung und
füllten Hohlraum mit „gewebeäquivalenten“ den Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ioni-
Wänden gemessen (Hohlraum-Ionendosis). sierender Strahlen mit einer Energie oberhalb
Die Messung der Neutronen-Ortsdosisleistung von 5 keV (§2 der Strahlenschutzverordnung).
ist infolge der unterschiedlichen Neutro- In den beiden Verordnungen (Strahlenschutz-
nenenergien (0,025 eV bis MeV) problema- und Röntgenverordnung) sind unter Be-
tisch. Dies zeigen die Absorptionskurven rücksichtigung genetischer Schäden Dosis-
für schnelle Neutronen (Abb. 8.91), je- grenzwerte gemäß Tabelle 8.19 festgelegt, die
weils gemessen mit einem Detektor, der kontrolliert und eingehalten werden müssen.
nur schnelle Neutronen bzw. thermische Außer den in Abb. 8.92 dargestellten Dosis-
Neutronen nachweist. Die Zunahme des Flus- größen sind im Strahlenschutz noch weitere
ses thermischer Neutronen erfolgt durch Dosisbegriffe, wie z. B. Personendosis, Körper-
die Abbremsung der schnellen Neutro- dosis und Ortsdosis, wichtig. Unter Personen-
nen im Absorbermaterial. Zur Messsung dosis versteht man die Dosis, die von einem
der Neutronen-Ortsdosisleistung dient ein Dosimeter an einer für die Strahlenexposition
LiI-Szintillationsdetektor, dessen Kristall repräsentativen Stelle der Körperoberfläche
(10 mm ∅ × 2 mm) auf einem Plexiglaslicht- (Brust → Ganzkörper, Finger → Hände) an-
leiter montiert ist und sich im Mittelpunkt gezeigt wird, angegeben als Äquivalentdosis H
eines kugelförmigen Polyethylenmoderators (Weichteilgewebe). Die effektive Äquivalentdo-
befindet. Durch den kombinierten Effekt von sis E (Körperdosis) ist die gewichtete Summe
Moderierung, Streuung und Absorption in der der Strahlenbelastung der Organe (8.109).
Kugel wird erreicht, dass der im Mittelpunkt Die Ortsdosis (Ortsdosisleistung) gibt die
herrschende Fluss thermischer Neutronen Äquivalentdosis für Weichteilgewebe an ei-
weitgehend der Äquivalentdosisleistung an nem bestimmen Ort des Strahlungsfeldes in
der Oberfläche der Kugel, unabhängig vom einem bestimmten Zeitintervall an. Durch die
Neutronenspektrum, entspricht. unterschiedliche Ortsdosisleistung werden
verschiedene Bereiche des Strahlungsfeldes
8.10.5 Strahlenschutzmaßnahmen abgetrennt. Wie aus Tabelle 8.19 hervorgeht,
unterscheidet man zwischen Sperrbereich,
Im Strahlenschutz unterscheidet man zwi- Kontrollbereich und Überwachungsbereich.
schen beruflich strahlenexponierten und nicht In diesen Bereichen sind unterschiedliche
8.10 Strahlenschutz 777
Tabelle 8.19 Strahlenschutzbereiche (§36, StrschV.) und Dosisgrenzwerte für beruflich Strahlenexponierte
Personen (§54–59, StrschV.)
∗ ) gemittelt über einen Zeitraum von 5 Jahren, maximal 50 mSv in einem einzigen Jahr
A
Ḣ = ΓH
r2 e−μx B(x, E)
. (8.113)
+
Aktivität erfolgt durch Tauchzählrohre, die Ü 8-3 Berechnen Sie mit Hilfe der Radiokarbonme-
in das Abwasser eintauchen. Nur wenn ent- thode das Alter eines in einer archäologischen Fund-
sprechende Grenzwerte unterschritten wer- stätte ausgegrabenen Knochens, der 80 g Kohlenstoff
enthält. Die 14 C-Zerfallsrate beträgt 6,4 Bq.
den, darf das Abwasser in die öffentliche Kana-
Hinweis: In organischen Substanzen befindet sich stets
lisation abgeleitet werden, andernfalls ist eine ein geringer Anteil an radioaktivem 14 C, das entspre-
ordnungsgemäße Beseitigung des radioakti- chend seiner Halbwertszeit zerfällt. In einem leben-
ven Wassers erforderlich. digen Organismus ist das Verhältnis von 14 C zu 12 C
etwa 1,3 · 10−12 . Damit ist die spezifische Aktivität
Zur Übung
0,25 Bq/g. Da nach dem Absterben des Organismus
Ü 8-1 Welche Photonenenergien und welche Wel-
kein Kohlenstoff mehr eingebaut wird, kann aus der
lenlängen werden bei der Balmer-Serie des Wasser-
heute noch messbaren Aktivität an 14 C-Zerfällen in ei-
stoffatoms emittiert? Welche dieser Spektrallinien lie-
nem solchen Objekt auf sein Alter geschlossen werden.
gen im sichtbaren Spektralbereich?
Ü 8-2 Charakteristische Röntgenstrahlung entsteht Ü 8-4 Natürliches Silicium enthält die Isotope 28 Si,
beim Übergang von Elektronen aus Schalen höhe- 29 Si und 30 Si. Beim Transmutation Doping wird es
rer in solche niedrigerer Energie, insbesondere in in- mit Neutronen bestrahlt. Dabei wandeln sich Kerne
nere Schalen mit kleiner Hauptquantenzahl n. a) Be- in 29 Si, 30 Si und 31 Si um. 31 Si ist instabil und geht
rechnen Sie die Quantenenergie und Wellenlänge der durch einen β-Zerfall mit einer Halbwertszeit von
Kupfer-Kα -Strahlung, die entsteht, wenn Elektronen 2,6 h in den stabilen Kern 31 P über. Damit ist Si-
von der L-Schale auf die K-Schale fallen. Benutzen Sie licium mit Phosphor dotiert. a) Ein Siliciumkristall
dazu näherungsweise das Bohr’sche Atommodell. b) der Masse 1 kg soll mit einer Phosphor-Konzentration
Das Bohr’sche Atommodell ist natürlich für ein Mehr- von np = 1017 cm−3 dotiert werden. Wie groß ist
elektronenproblem nicht anwendbar. Berechnen Sie dann die Zahl der benötigten 31 Si-Kerne? b) Wie
mit Hilfe der Tabelle 8.3 die exakte Wellenlänge der groß ist die Aktivität des Kristalls? c) Wie lange muss
Röntgen-Kα1 -Strahlung, die entsteht, wenn Elektronen man warten bis die Aktivität auf 1 Bq abgenommen
aus der LIII - in die K-Schale übergehen. hat?
Kapitel 9
Festkörperphysik 9
Die Festkörperphysik hat sich seit Mitte des 9.1 Struktur fester Körper
20. Jh. von der reinen Grundlagenforschung zu
dem wichtigsten anwendungsorientierten Ge- 9.1.1 Kristallbindungsarten
biet entwickelt. Abbildung 9.1 zeigt, dass die
Festkörperphysik ohne die Atom- und Quan- Zwischen den Atomen bzw. Molekülen fester
tenphysik nicht verstanden werden kann, so- Körper wirken ausschließlich elektrostatische
dass des Öfteren auf die entsprechenden Ab- Kräfte der Anziehung oder Abstoßung. Ma-
schnitte verwiesen werden muss. gnetische Kraftwirkungen können demgegen-
Wie Abb. 9.1 weiterhin zeigt, spielt die Fest- über völlig vernachlässigt werden. Je nach Wir-
körperphysik praktisch in jedem Bereich eine kungsweise der Kräfte unterscheidet man vier
Rolle, da sie die mechanischen, thermischen, Bindungstypen:
elektrischen, magnetischen und optischen Ei-
genschaften fester Körper beschreibt. So be- – van-der-Waals’sche Bindung,
trachtet haben alle Abschnitte dieses Buches – kovalente (homöopolare) Bindung,
zu ihr einen Bezug. Um die große Bedeutung – Ionenbindung (heteropolare Bindung) und
der Festkörperphysik zu zeigen, sei beispiels- – metallische Bindung.
weise auf die Anwendungen in der Nanotech- Abbildung 9.2 zeigt für die jeweilige Bindungs-
nologie, in der Mikroelektronik (vom Compu- art die Kraftwirkungen, die Bindungsenergie,
terchip bis zur Flüssigkristallanzeige), in der Beispiele und die typischen Werkstoffeigen-
Werkstofftechnik (z. B. metallische, magneti- schaften.
sche, amorphe und keramische Werkstoffe)
und in der Halbleitertechnik verwiesen. 9.1.1.1 Van-der-Waals’sche Bindung
Auch Atome und Moleküle, die keine Elek-
tronen austauschen können, weil ihre Elek-
tronenschalen abgeschlossen sind, üben
aufeinander schwache elektrische Bindungs-
kräfte aus und kristallisieren; so befinden
sich auch Edelgase bei entsprechend tiefen
Temperaturen im festen Aggregatzustand, bis
auf 3He, das bei diesen Temperaturen super-
fluid wird. Fällt aufgrund der Molekülstruktur
Abb. 9.1 Strukturbild Festkörperphysik oder der Beweglichkeit der Atomelektronen
der Schwerpunkt der positiven Ladung nicht dungsenergie EB sehr schnell mit zunehmen-
mit dem der negativen zusammen, so entsteht dem Abstand ab (Nahwirkung) und ist zu-
ein permanentes bzw. induziertes elektrisches dem ziemlich schwach (etwa 0,02 eV/Atom bis
Dipolmoment (Abschn. 4.3.7). Dieses influ- 0,1 eV/Atom). van-der-Waals-Kräfte treten bei
enziert im Nachbaratom oder benachbarten jeder Bindung auf, doch sind sie im Vergleich
Molekül ein entgegengesetztes Dipolmoment, zu den bei anderen Bindungsarten wirkenden
sodass eine schwach wirkende Anziehungs- Bindungskräften so klein, dass sie vernachläs-
kraft auftritt. Sie wird nach ihrem Entdecker sigt werden können.
van-der-Waals-Kraft genannt (J. D. van der
Waals, 1837 bis 1923). 9.1.1.2 Kovalente (homöopolare) Bindung
Je mehr benachbarte Atome vorhanden sind Für die homöopolare oder kovalente Bindung
und je dichter diese beieinander liegen, umso sind die Elektronenstrukturen der Elemente
fester ist die Bindung. Deshalb kristallisieren der dritten bis fünften Hauptgruppe des Pe-
die Edelgase in der kubisch-dichtesten Kugel- riodensystems (Abschn. 8.5.1) besonders ge-
packung. Die Bindungsenergie der van-der- eignet. Beispielsweise haben alle Elemente der
Waals-Bindung ist vierten Gruppe vier Valenzelektronen in der
äußersten Elektronenschale. Mit Hilfe je ei-
Konstante
EB = . (9.1) nes Elektrons von vier nächsten Nachbarn
r6 kann sich jedes Atom eine edelgasähnliche
Elektronenkonfiguration schaffen, die energe-
Die Konstante liegt in der Größenordnung von tisch sehr günstig ist. Jeweils zwei benach-
10−77 J m6 . Wie (9.1) zeigt, nimmt die Bin- barte Atome teilen sich ein Elektronenpaar,
9.1 Struktur fester Körper 787
Q2 α
EB = (9.2)
4 π ε0 r
mit
Abb. 9.3 Tetraederstruktur des Diamantgitters
α 1 1 1 1
=2 − + − + ···
r r 2r 3r 4r
wobei der Elektronenaustausch dann zu ei-
2 1 1
ner anziehenden Kraft führt, wenn die betei- = 1− + − ··· .
r 2 3
ligten Elektronen entgegengesetzte Spinrich-
tungen haben. Die Orbitale der Elektronen Der Faktor 2 vor der Klammer berücksichtigt,
(Abschn. 8.2.4) gehen eine Hybridisierung ein dass die Ionenkette nach beiden Seiten ver-
und dies bewirkt eine stark gerichtete Bin- läuft; r ist der Abstand benachbarter Ionen im
dung. So schließen beispielsweise die sp3 - Kristall. Daraus ergibt sich
Hybridorbitale des Kohlenstoffs einen Winkel
von 109,5◦ ein, sodass sich die in Abb. 9.3 skiz-
α 2 · ln 2 1,386
zierte tetraedrische Struktur des Diamantgit- = = . (9.3)
r r r
ters ergibt.
Die kovalente Bindung herrscht in Stoffen, die
Isolatoren oder Halbleiter sind. Sie sind außer- Im dreidimensionalen Fall ist die Berechnung
ordentlich hart und schwer verformbar und komplizierter. Der konstante Faktor α wird
weisen einen hohen Schmelzpunkt auf. als Madelung-Konstante bezeichnet (E. Made-
lung, 1881 bis 1972) und beträgt für das drei-
9.1.1.3 Ionenbindung dimensionale Kochsalzgitter (NaCl) α = 1,75.
Diese Bindung beruht auf der Coulomb- Die Ionenbindung ist typisch für Salze. Diese
Kraft (4.1.1) zweier Ionen, d. h. unterschied- Substanzen sind bei niedrigen Temperaturen
lich geladener Atome oder Moleküle. Das Isolatoren, weisen aber bei höheren Tempera-
Anion ist negativ, das Kation positiv geladen. turen aufgrund der Dissoziation der Ionen eine
Die Bindungsenergie zweier Ionen beträgt elektrolytische Ionenleitung auf. Diese Werk-
stoffe sind in der Regel hart und nur plastisch
Q2 1
EB = . verformbar.
4 π ε0 r
Im Gegensatz zur van-der-Waals’schen Bin-
dungsenergie, die proportional zu 1/ r6 ab-
nimmt, verringert sich die Bindungsenergie
der Ionenbindung nur mit 1/ r. Die Ionenbin-
dung hat daher eine große Reichweite und
macht die Einbeziehung auch der weiter ent-
fernten Nachbarn erforderlich. Abbildung 9.4 Abb. 9.4 Einfluss der Nachbarionen auf die
zeigt am Beispiel einer linearen Kette, wie dies Bindungsenergie bei einer Ionenbindung
788 9 Festkörperphysik
physikalischen Größen (z. B. Resistivität oder – die Atomabstände entlang der Koordi-
Zugfestigkeit) von der Kristallrichtung ab- natenachsen (z. B. Gitterkonstante a in
hängig (anisotropes Verhalten), während sie x-Richtung, b in y-Richtung und c in
bei homogenen amorphen Strukturen in allen z-Richtung) sowie
Richtungen gleich groß sind (isotropes Verhal- – die Winkel α, β und γ zwischen den Kristall-
ten). achsen.
Die meisten Festkörper kristallisieren aus
ihren Schmelzen polykristallin; die kristalli- Man unterscheidet sieben Kristallsysteme
nen Strukturen erstrecken sich nur über eine (Abb. 9.7) nach folgenden Kriterien:
Größe von einigen Mikrometern. Die makro-
– die Gitterkonstanten sind gleich oder un-
skopischen Eigenschaften dieser Festkörper
gleich und
sind isotrop. Durch Kristallziehverfahren
– die Winkel zwischen den Achsen sind 90◦
gelingt es heute, meterlange Einkristalle mit
oder haben einen anderen Betrag.
einheitlicher Gitterstruktur herzustellen, wie
Abb. 9.5 zeigt. Sie werden bevorzugt in der Innerhalb dieser Kristallsysteme sind je nach
Halbleiterfertigung benötigt. Belegung mit Atomen noch vier Varianten un-
terscheidbar:
9.1.2.1 Kristallsysteme – primitive Gitter
Bei einem Kristall befinden sich die Atome in Es sind nur die Eckpunkte der Elementar-
jeder Raumrichtung in gleichmäßigen Abstän- zelle mit Atomen belegt;
den an den Kreuzungspunkten eines räum-
lichen Gitters. Das Kristallgitter kann somit
durch ein räumliches Koordinatensystem be-
schrieben werden, dessen kleinstes Element
die Elementarzelle ist.
Wie Abb. 9.6 verdeutlicht, wird die Elementar-
zelle beschrieben durch
Tabelle 9.1 Atomare Konstanten einiger Metalle mit kubisch-flächenzentrierter und kubisch-raumzentrierter
Struktur
typen dichtester Kugelpackungen gegenüber- Die Koordinatensysteme sind deshalb für ku-
gestellt. bische, tetragonale, orthorhombische und he-
Um die Atomanzahl je Elementarzelle feststel- xagonale Kristallsysteme rechtwinklig. Weil
len zu können, muss bedacht werden, dass bei die Kristallebenen die Kristallachsen immer im
einer kubischen Elementarzelle die Eckatome Verhältnis ganzer Zahlen (bezogen auf die Git-
zu 8 Zellen, die flächenzentrierten Atome zu terkonstanten) schneiden, kann eine Ebene in
2 Zellen und die raumzentrierten Atome zu einem dreiachsigen Koordinatensystem durch
1 Zelle gehören. Es befinden sich also in der ein Zahlentripel h, k und l indiziert werden. Die
kubisch-flächenzentrierten Elementarzelle Ebenenkennzeichnung wird in runde Klam-
8 · 1/ 8 + 6 · 1/ 2 = 4 Atome. Entsprechende mern gesetzt (h, k, l). Als Bezugsgrößen die-
Berechnungen ergeben für die HdP- bzw. nen also die Gitterkonstanten in x-, y- und z-
Krz-Struktur 2 Atome je Elementarzelle.
Die Koordinationszahl gibt die Anzahl der
nächsten Nachbarn an. Sie beträgt bei der Kfz-
und der HdP-Struktur 12 und bei der Krz-
Struktur 8.
Richtung (a, b und c). Abbildung 9.9 zeigt die 9.1.3 Gitterfehler
Vorgehensweise. Die Ebene durch die Punkte
A, B und C hat folgende Achsenabschnitte: Der periodisch regelmäßige Kristallaufbau
x = a/ 2, y = b und z = c/ 3. Die reziproken kann Fehler aufweisen (Gitterfehler), die zu
Werte sind h = 2, k = 1 und l = 3. Dies sind veränderten Materialeigenschaften führen
die Miller’schen Indizes der Ebene (213). Alle können. Durch den Einbau von Gitterfehlern
dazu parallelen Ebenen sind kristallografisch können deshalb gezielt Werkstoffeigenschaf-
gleichwertig, z. B. (213) und (426). ten eingestellt werden, z. B. eine hohe Zugfes-
Die Kristallrichtung steht immer senkrecht zur tigkeit oder ein bestimmter Verformungsgrad
Kristallebene. Die Indizierung der Richtung oder elektrische Eigenschaften (Halblei-
setzt man in eckige Klammern, also [213]. ter). Abbildung 9.11 zeigt die Einteilung der
Das Wertetripel ist die Gruppe kleinster gan- Gitterfehler. Die Modellvorstellungen von
zer Zahlen, die sich untereinander verhalten Kristallgitterfehlern werden durch elektro-
wie die Komponenten des Richtungsvektors nenmikroskopische Beobachtungen analoger
(Abb. 9.9). Abbildung 9.10 zeigt die Indizie- Fehler bei Flussliniengittern in Supraleitern
rung der wichtigsten Ebenen und Richtungen bestätigt (Abschn. 9.2.4). Die Fotos stammen
in kubischen Kristallen. von einer Pb/6,3%In-Folie der Dicke 1 μm bei
T = 2,1 K und Ba = 7 · 10−3 T. Außerdem zeigt
eine elektronenmikroskopische Aufnahme
Versetzungslinien in Kupfer-Einkristallen.
9.1.3.1 Punktfehler
Man unterscheidet folgende Punktfehler:
– Leerstellen
Es fehlen Atome auf den Gitterplätzen
(Schottky-Fehlordnung);
– Zwischengitteratome
Es befinden sich zusätzliche Atome im Git-
ter zwischen den Atomen (Anti-Schottky-
Fehlordnung);
– Frenkel-Paare
Es fehlen Atome auf den Gitterplätzen (Leer-
stellen) und es befinden sich zusätzliche
Atome auf Zwischengitterplätzen;
– Fremdstörstellen
Fremde Atome befinden sich im Atomgit-
ter entweder an einem regulären Atom-
platz (Substitutionsatome) oder zwischen
den Gitterplätzen (Einlagerungsatome oder
interstitielle Atome).
Punktfehler wirken sich auf die spezifische
Abb. 9.10 Miller’sche Indizes für Ebenen und Wärmekapazität und die elektrischen Eigen-
Richtungen in kubischen Kristallen schaften aus. Von besonderer Bedeutung sind
9.1
Struktur fester Körper 793
Abb. 9.11 Gitterfehler (Fotos: Flussliniengitter in Supraleitern nach Eßmann und Träuble)
794 9 Festkörperphysik
bei Halbleitern die Fremdstörstellen der Do- ler treten bei den dichtesten Kugelpackungen
tierung. (Abschn. 9.1.2.2) auf, wenn entweder zusätzli-
che Stapelebenen eingefügt oder entfernt wer-
9.1.3.2 Linienfehler den. Korngrenzen sind die Grenzflächen zwi-
Die Linienfehler werden Versetzungen ge- schen Kristalliten, d. h. verschieden orientier-
nannt. Bei Stufenversetzungen enden Gitter- ten Kristallbereichen. Sie sind etwa 10 μm bis
ebenen wie Keile im Kristall. Die Gleitrichtung 100 μm groß und vor allem bei Vielkristallen
ist senkrecht zur Versetzungslinie (Symbol ⊥). (Polykristallen) gut zu erkennen.
Bei Schraubenversetzungen ist das Kristall-
gitter parallel zur Versetzungslinie um eine 9.1.4 Amorphe Werkstoffe
Netzebene (Abstand des Burgers-Vektors b)
versetzt. Schraubenversetzungen lassen sich Im Gegensatz zu kristallinen Festkörpern
modellhaft so vorstellen, dass das Kristall- sind in amorphen Festkörpern die einzelnen
gitter zur Hälfte aufgeschnitten wird und die Atome weitgehend unregelmäßig angeordnet.
Schnittkanten z. B. um eine Gitterkonstante Daraus ergeben sich eine Vielzahl spezieller
verschoben werden. Im realen Kristall liegen Werkstoffeigenschaften. Im Folgenden ist die
die Versetzungen sowohl als Stufen- als auch technisch bedeutsame Werkstoffgruppe der
als Schraubenversetzungen vor (gemischte amorphen Legierungen beschrieben.
Versetzungen). Die Versetzungsdichte wird in Kühlt man eine Legierung mit einer Abkühl-
Länge je Volumen (cm/cm3 ) angegeben. Sie geschwindigkeit von mehr als 106 K/s ab, friert
liegt für weichgeglühte Metalle beispielsweise die weitgehend ungeordnete amorphe Struk-
zwischen 106 cm−2 und 108 cm−2 und kann tur der flüssigen Phase ein, und die Kristallisa-
durch Schmieden auf 1011 cm−2 bis 1012 cm−2 tion unterbleibt. Dies wird durch das Schmelz-
gesteigert werden. spinnverfahren erreicht, bei dem die flüssige
Durch Versetzungen können Kristallebenen Schmelze auf eine schnell rotierende (Um-
leichter gegeneinander verschoben werden. fangsgeschwindigkeit 10 m/s bis 50 m/s), sehr
Dies wird deutlich, wenn eine Stufenverset- gut wärmeleitende Trommel gespritzt wird
zung mit einer Falte im Teppich verglichen und dort zu einem dünnen Band erstarrt.
wird. Durch die Wanderung der Teppichfalte Dieses Verfahren erlaubt die kontinuierliche
(der Stufenversetzung) wird der Teppich ver- Herstellung von Bändern mit einer Dicke von
schoben (der Kristall verformt). Diese Ver- 20 μm bis 50 μm und Bandbreiten von 1 mm
schiebung des Teppichs (plastische Verfor- bis 50 mm.
mung des Kristalls) durch Wanderung der Die amorphen Legierungen werden auch me-
Falte (der Versetzung) ist mit viel geringerem tallische Gläser genannt. Sie haben nämlich ei-
Kraftaufwand möglich als die Verschiebung nerseits die Eigenschaften von Metallen (z. B.
des ganzen Teppichs (der ganzen Netzebene). elastisch bei hoher mechanischer Spannung,
Die äußere Spannung, die zur Verschiebung magnetisch weich, gut wärme- und stromlei-
einer Versetzung notwendig ist, liegt zwischen tend) und andererseits die Eigenschaften von
0,1 N/m2 und 1 N/m2 . Gläsern (z. B. mechanisch hart und sehr korro-
sionsbeständig). Während Metalle eine kubi-
9.1.3.3 Flächenfehler sche oder hexagonale Elementarzelle aufwei-
Hierbei handelt es sich um Fehler in den sen, ist bei Gläsern das in der Zellmitte be-
Grenzflächen der Kristallbereiche. Stapelfeh- findliche Atomvolumen etwas kleiner als bei
9.1 Struktur fester Körper 795
der hexagonalen Anordnung, sodass eine fünf- Blutgefäße aussehen und dem Bruchverhalten
zählige Symmetrie entsteht, die auch bei me- von Fetten ähnlich sind.
tallischen Gläsern beobachtet wird. Dadurch Die amorphen Legierungen sind wie die Gläser
ist die für Metalle typische dichteste Raum- extrem korrosionsbeständig. Dennoch ist eine
ausfüllung nicht möglich. In Tabelle 9.2 sind Behandlung der Oberfläche durch galvanische
einige amorphe Legierungen und ihre Eigen- Überzüge oder durch Elektropolieren wie bei
schaften wiedergegeben. Metallen möglich.
Amorphe Legierungen zeigen eine einzig- Die elektrischen und magnetischen Eigen-
artige Kombination von Festigkeit und schaften sind ebenfalls bemerkenswert. Die
Verformbarkeit. Es gibt metallische Glä- Resistivität metallischer Gläser auf Fe-Ni- oder
ser, deren Bruchgrenze dreimal größer ist Co-Ni-Fe-Basis liegt zwischen 1,2 (Ω mm2 )/m
als diejenige von rostfreiem Stahl; hierbei und 1,5 (Ω mm2 )/m und ist vergleichbar mit
ist die Ermüdungsfestigkeit vergleichbar mit Edelstahl (1,12 (Ω mm2 )/m). In der Regel ist
hochwertigen Stählen. Wegen der amorphen die Resistivität zwei- bis dreimal größer als
Struktur ist eine Verformbarkeit des Materials bei vergleichbaren kristallinen Metallen. Der
durch Wanderung von Versetzungen nicht Temperaturkoeffizient der Resistivität ist sehr
möglich. Bei Zugbeanspruchung bricht die klein und liegt im Bereich von −100 · 10−6 K−1
Probe so, dass die Bruchfläche unter 45◦ zur bis 500 · 10−6 K−1 . Es sind amorphe Legierun-
Zugrichtung verläuft. In der Bruchebene sind gen mit einem Temperaturkoeffizienten von
Risse erkennbar, die, wie Abb. 9.12 zeigt, ungefähr null herstellbar.
unter dem Elektronenmikroskop erhaben wie Ausgangsmetalle für magnetische Anwendun-
gen sind die klassischen magnetischen Me-
talle Fe, Co und Ni. Durch kristallisationshem-
Tabelle 9.2 Amorphe Werkstoffe und ihre mende Zusätze von Al, B, C, P und Si in der Grö-
Eigenschaften ßenordnung von 15 bis 25 Atomprozent wird
der amorphe Zustand erreicht (Tabelle 9.2).
Zusammensetzung Eigenschaften Die amorphen Legierungen zeigen eine ex-
(Atomprozent) trem hohe Permeabilitätszahl (μr ≥ 500 000),
Eisen-Legierungen Fe(80) hohe Permeabili-
mit C, Si, B (20) z. B. Fe82 B18 tätszahl μr > 5 · 105
Eisen-Nickel-Legierungen kleine Koerzitiv-
Fe(40) und Ni(40) mit feldstärke
Si oder B (20) Hc ≤ 1 A/m
z. B. Fe40 Ni40 B20
Kobalt-Nickel-Eisen-Legie-
rungen Co, Ni, Fe(75) mit Si
oder B(25)
z. B. Co50 Ni20 Fe6 Si12 B12
Fe32 Ni36 Cr14 P12 B6 sehr hart und kor-
rosionsbeständig
Ti50 Be40 Zr10 hohe Festigkeit bei
geringer Dichte
(4,13 g/cm3 ) Abb. 9.12 Bruchflächen von amorphem Band
(Vergrößerung 1800:1). Werkfoto: VAC
796 9 Festkörperphysik
– Transformatorenbleche,
– magnetische Abschirmungen,
– hartes Tonkopfmaterial, das zugleich
schnell ummagnetisierbar ist,
– magnetische Speicher aufgrund der schnel-
len und verlustfreien Ummagnetisierung
Abb. 9.13 Makromolekulare Festkörper
und als
– Federn und Spannbänder zur Verstärkung
von Kunststoff und Gummi (z. B. Autorei- Polymerwerkstoffe oder Kunststoffe bekannt
fen). sind.
Polymerwerkstoff
Thermoplaste Elastomere Duromere
Charakteristik
kettenförmig, verzweigt oder vernetzt sein bestimmten Temperatur ein plötzliches Auf-
(weitmaschig oder engmaschig); ihre Ord- schmelzverhalten; besteht er dagegen aus un-
nung kann statistisch (Knäuelstruktur) oder terschiedlich langen Makromolekülen, dann
parakristallin gerichtet sein. zeigt er einen weiten Erweichungsbereich.
Die Länge der Makromoleküle liegt zwischen Tabelle 9.3 zeigt die Einteilung der Polymer-
10−6 mm und 10−3 mm, und die Kettendicke werkstoffe in Thermoplaste, Elastomere und
beträgt etwa 2 · 10−7 mm bis 3 · 10−7 mm. Da Duromere (Duroplaste) sowie die wichtigsten
die Länge eines Makromoleküls nicht direkt Eigenschaften. Thermoplaste sind schmelzbar,
zugänglich ist, wird als Ersatzgröße die mitt- quellbar, löslich, schon mit geringem Ener-
lere relative Molekülmasse (Mr = mM / u) ver- gieeinsatz (ab 200 ◦ C) wiederverwendbar und
wendet. Sie beträgt bei den Polymerwerkstof- deshalb umweltfreundlich. Thermoplaste sind
fen einige Tausend bis zu 7 Millionen. Die mitt- die gebräuchlichsten Polymerwerkstoffe. Un-
lere Molekülmasse ist ein Maß für die Viskosi- ter den vielen Sorten bestreiten drei Werk-
tät des Werkstoffs. Eine große Molekülmasse stoffe zwei Drittel der Produktion aller Po-
bedingt eine große Viskosität und umgekehrt. lymerwerkstoffe: die Massenkunststoffe Poly-
Für das Werkstoffverhalten ist auch die Streu- ethylen (PE), Polyvinylchlorid (PVC) und Poly-
breite der Molekülmasse (Molekülmassenver- styrol (PS). Unter den Thermoplasten befinden
teilung) maßgebend. Besteht beispielsweise sich auch Kunststoff-Fasern, die z. B. unter den
ein Polymerwerkstoff nur aus Makromole- Markennamen Nylon, Trevira und Dralon be-
külen gleicher Länge, so zeigt er bei einer kannt sind.
798 9 Festkörperphysik
Zu den Elastomeren werden nicht schmelz- Zeit, der Höhe und der Art der Beanspru-
bare, nicht lösliche, aber quellbare Polymer- chung. Zudem werden diese Werkstoffe von
werkstoffe gerechnet. Sie sind weitmaschig der Umgebung beeinflusst, z. B. von Lösungs-
vernetzt und zeigen elastisches Verhalten. Die mitteln und der UV-Strahlung.
Vernetzung wird „Vulkanisieren“ genannt. Sie Aus der Vielzahl der Eigenschaften sei im
geschieht nach oder während der Formge- Folgenden das mechanische Verformungs-
bung. Zu den Elastomeren zählen die künstli- verhalten ausgewählt. Abbildung 9.15a zeigt
chen Gummiwerkstoffe (Kunstkautschuk, z. B. Spannungs-Dehnungs-Kurven von Poly-
Buna, Neopren) und Polyurethan (z. B. Bayflex, styrol in Abhängigkeit von der Beanspru-
Elastolan). chungsgeschwindigkeit und Abb. 9.15b in
Die Duromere sind im Gegensatz zu den Elas- Abhängigkeit von der Temperatur. Bei ho-
tomeren hart, nicht schmelzbar, nicht quellbar, her Belastungsgeschwindigkeit (500 mm/s)
unlöslich und wie die Elastomere nicht um- und tiefer Temperatur (−40 ◦ C) zeigt Poly-
weltfreundlich, da sie nicht wiederverwendbar styrol ein relativ sprödes Verhalten, weil die
sind. Man kann sie jedoch über die Verschwe- Umlagerung der Makromoleküle verhindert
lung (Pyrolyse) zur Energieerzeugung heran- wird. Bei geringer Belastungsgeschwindigkeit
ziehen. (0,1 mm/s) und hoher Temperatur (80 ◦ C)
Zu ihnen zählen beispielsweise die Bakelite, sind Umlagerungen möglich, sodass zähes
Formaldehydharze und Expoxidharze (EP). Verhalten auftritt. Abbildung 9.15 soll ver-
Epoxidharze werden auch faserverstärkt als deutlichen, dass für Polymerwerkstoffe die
spezielle Hochleistungswerkstoffe eingesetzt, alleinige Angabe von Werkstoffkennwerten
z. B. zur Herstellung der Rotorblätter für (z. B. Zugfestigkeit) nicht ausreicht. Es ist
Hubschrauber und von ähnlich hochbean- vielmehr notwendig, die entsprechende Tem-
spruchten Teilen. peratur und die Belastungsgeschwindigkeit
mit anzugeben.
9.1.5.2 Spezielle Eigenschaften Die Werkstoffkennwerte von Kunststoffen
der Polymerwerkstoffe (z. B. Zugfestigkeit) bleiben nicht konstant,
Die Eigenschaften der Polymerwerkstoffe sind sondern ändern sich mit der Belastungsdauer
sehr stark abhängig von der Temperatur, der (Kriechverhalten). Deshalb ist die Kenntnis
9.1 Struktur fester Körper 799
σ̇ σ
ε̇ = ε̇el + ε̇v = + . (9.4)
E0 η0
Eges = Em Vm + Ef Vf .
9.1.6.2 Formgedächtnis-Legierungen
Formgedächtnis-Legierungen (Memory-Leg-
ierungen) zeigen eine temperaturabhängige
Formänderung. Dieser Formgedächtnis-Effekt
beruht auf einer martensitischen Phasenum-
wandlung zwischen den geordneten Gitter-
strukturen der Hochtemperaturphase (Auste-
nit) und der Niedertemperaturphase (Marten-
sit). Wegen der geringen inneren Spannungen
ist diese Phasenumwandlung nahezu vollstän-
dig reversibel. Memory-Legierungen zeigen
außer dem Formgedächtnis-Effekt noch wei-
tere Sondereigenschaften, wie z. B. hohes
Abb. 9.24 Saphir (Al2 O3 )-Whiskers. Werkfoto: RAU Dämpfungsvermögen und superelastisches
9.1 Struktur fester Körper 805
Verhalten. In Abb. 9.26 sind die drei mög- gangsmaterial wird verformt und bei 400 ◦ C
lichen Arten des Formgedächtnis-Effektes bis 500 ◦ C getempert. Die Abkühlung und
zusammengestellt: die anschließende Erwärmung haben eine
– Einwegeffekt völlige Formumkehr zur Folge. Diese Um-
Martensitisches Ausgangsmaterial wird re- wandlung kann nahezu beliebig oft wieder-
versibel verformt, z. B. durch Verschieben holt werden.
von Zwillingsgrenzen. Nach der Erwärmung
Abbildung 9.27 zeigt eine Druckfeder und
über die austenitische Umwandlungstempe-
einen Biegestreifen mit Zweiwegeffekt aus
ratur stellt sich die unverformte Ausgangs-
einer Cu-Zn-Al-Legierung. In Tabelle 9.4 sind
lage wieder ein. Eine weitere Formänderung
nach der Abkühlung ist nicht möglich.
– Zweiwegeffekt
Martensitisches Ausgangsmaterial wird
über den reversiblen Anteil hinaus zu-
sätzlich durch Versetzungsbewegung, d. h.
irreversibel, verformt. Bei Erwärmung
über die austenitische Umwandlungstem-
peratur hinaus entsteht eine bestimmte
Hochtemperaturform und bei Abkühlung
eine entsprechende Niedertemperaturform.
Diese Umwandlung kann nahezu beliebig
oft wiederholt werden.
– All-Round-Effekt Abb. 9.27 Druckfeder und Biegestreifen mit
Diese Erscheinung tritt nur bei speziellen Zweiwegeffekt aus einer Cu-Zn-Al-Legierung.
NiTi-Legierungen auf. Martensitisches Aus- Werkfoto: RAU
806 9 Festkörperphysik
Legierung
NiTi Cu-Zn-Al Cu-Al-Ni
Eigenschaft
Dichte in g/cm3 6,4 bis 6,5 7,8 bis 8,0 7,1 bis 7,2
elektrische Leitfähigkeit in 106 S/m 1 bis 1,5 8 bis 13 7 bis 9
maximale As -Temperatur in ◦ C 120 120 170
maximaler Einwegeffekt in % 8 4 5
maximaler Zweiwegeffekt in % 5 1 1,2
Überhitzbarkeit in ◦ C bis 400 bis 160 bis 300
Zugfestigkeit in N/mm2 800 bis 1000 400 bis 700 700 bis 800
Bruchdehnung in % 40 bis 50 10 bis 15 5 bis 6
weisen verdrillte nematische Strukturen auf, tierungsrichtung ist sie gering und senkrecht
d. h., die Vorzugsrichtung der lang gestreck- dazu sehr groß. Eine weitere Besonderheit ist
ten Molekülachsen ändert sich von Ebene zu die Orientierungselastizität. Durch eine äu-
Ebene schraubenförmig. Es entsteht eine He- ßere Störung (z. B. durch ein elektrisches Feld)
lix mit konstanter Ganghöhe (teilweise in der können die Molekülachsen verschoben wer-
Größenordnung der Wellenlänge des sichtba- den; nach dem Aufheben dieser Störung stellt
ren Lichts). Smektische Flüssigkristalle zei- sich der frühere Zustand wieder ein.
gen noch einen Teil der Ordnung der Mole-
külschwerpunkte. Diese sind in bestimmten Optische Eigenschaften
Ebenen angeordnet; die Molekülachsen sind Besonders cholesterinische Flüssigkristalle
in der Regel parallel. zeigen eine Doppelbrechung, die bis 100-mal
größer ist als die von Quarz. Eine weitere
9.1.7.2 Eigenschaften Eigenschaft ist die Möglichkeit der selektiven
Die Flüssigkristalle weisen ein besonderes Ver- Totalreflexion, wenn die Ganghöhe der Helix
halten in ihren mechanischen, optischen und in der Größenordnung der Wellenlänge von
insbesondere elektrooptischen Eigenschaften Licht liegt. Für die reflektierte Wellenlänge
auf. gilt λr = p n mit p als Ganghöhe der He-
lix und n als mittlerer Brechungsindex des
Mechanische Eigenschaften Flüssigkristalls. Die Ganghöhe ist abhängig
Flüssigkristalle haben eine von der Substanz von Druck und Temperaturänderungen sowie
und der Temperatur abhängige Viskosität, die beeinflussbar durch elektrische und magneti-
wegen der Orientierung der Molekülachsen sche Felder. Somit ist eine elektrisch gesteuerte
stark anisotrop ist; bei Strömung in Orien- Farbumschaltung möglich.
808 9 Festkörperphysik
Abb. 9.29 Spezifischer elektrischer Widerstand und Bandstrukturen der Festkörper. Die mit Elektronen
besetzten Energiezustände sind rot gekennzeichnet. VB: Valenzband, LB: Leitungsband, VZ: Verbotene Zone
9.2.1 Energiebänder-Modell
9.2 Elektronen in Festkörpern
Modell gebundener Elektronen
Der spezifische Widerstand oder Resistivität ρ In Abschn. 8.1.2 ist dargelegt, dass sich Elek-
von Festkörpern variiert von 10−8 Ω m bis tronen, die an isolierte Atome gebunden sind,
1017 Ω m um 25 Zehnerpotenzen und ist da- nur auf diskreten Energieniveaus aufhalten
her die physikalische Größe mit dem größten können. Abbildung 9.30 zeigt ein sehr verein-
Wertebereich. Anhand der Resistivität erfolgt fachtes Schema der Energiezustände. Die Auf-
üblicherweise eine Einteilung der Stoffe nach enthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen um
Abb. 9.29 in die Kerne wird durch das Quadrat der Wel-
810 9 Festkörperphysik
h
p= = k . (9.6)
λ
Abb. 9.31 Anordnung der Elektronen im Kupferatom
9.2.2 Metalle
Durch Überlagerung der laufenden mit den re-
flektierten Wellen entstehen stehende Elektro- Die meisten Eigenschaften der Metalle lassen
nenwellen mit ortsfesten Knoten und Bäuchen. sich anhand des Modells des freien Elektro-
Abbildung 9.33 zeigt die Aufenthaltswahr- nengases verstehen. Dieses wurde von A. Som-
scheinlichkeit |Ψ |2 für zwei Elektronenwellen merfeld (1868 bis 1951) vorgeschlagen und
mit jeweils derselben Wellenlänge λ1 = 2a: von E. Fermi (1901 bis 1954) erweitert. Es be-
π schreibt die Leitungselektronen der Metalle so
Ψ1 ∼ cos k1 x = cos x , wie die frei beweglichen Moleküle eines Ga-
a
ses, vernachlässigt also die Wechselwirkung
π
Ψ2 ∼ sin k1 x = sin x . der Elektronen mit den ortsfesten Atomker-
a
nen und damit auch das Auftreten von Ener-
Bei der Welle Ψ1 besteht eine große Wahr- gielücken.
scheinlichkeit dafür, dass die Elektronen nahe Befinden sich die Elektronen in einem Wür-
den Atomrümpfen sind und durch die nied- fel der Kantenlänge L, dann ist ihre Aufent-
rige potentielle Energie eine Absenkung der haltswahrscheinlichkeit durch das Quadrat der
9.2 Elektronen in Festkörpern 813
N 1/ 3 Die Zustandsdichte D(E), d. h. die Anzahl der
F = 3 π2 . (9.11) Zustände je Volumeneinheit und Energiein-
m V
tervall, ist D(E) = (dN / dE) (1/ V) oder
Alle Parameter des Fermi-Niveaus hängen von
3/ 2
der Konzentration n = N / V der freien Elek- 1 2m
D(E) = E1/ 2 . (9.12)
tronen ab. Tabelle 9.5 zeigt die nach (9.9) 2 π2 2
bis (9.11) berechneten Werte für einige Me-
talle. Die Elektronenzahldichten werden expe-
rimentell mit Hilfe des Hall-Effekts bestimmt Die bisherigen Erläuterungen gelten streng
(Abschn. 4.4.3.2). genommen nur für T = 0. Nur am absolu-
Für bestimmte Fragestellungen ist die Kennt- ten Nullpunkt besetzen die Elektronen alle
nis der Anzahl dN von Zuständen im Energie- Energieniveaus von null bis EF . Bei endlicher
intervall zwischen E und E + dE wichtig. Im Temperatur nimmt die kinetische Energie
k-Raum liegen diese Zustände innerhalb ei- des Elektronengases zu, sodass einige Ener-
ner Kugelschale mit dem Radius k und der Di- gieniveaus oberhalb der Fermi-Kante besetzt
cke dk. Die Anzahl der möglichen Zustände ist werden und eine gleiche Anzahl unterhalb
leer bleibt. Die Wahrscheinlichkeit, mit der
4πk2 dk
dN =2 . ein bestimmter Energiezustand E mit Elek-
(2π)3 / V
√ tronen besetzt ist, wird beschrieben durch die
Mit k = 2mE/ und Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion
1 m
dk = dE
2E 1
f (E) = . (9.13)
e(E−EF )/ (kT) +1
Tabelle 9.5 Parameter des Fermi-Niveaus
verschiedener Metalle
ΔE ≈ 4,4kT . (9.14)
1 T
Cm, el = π2 Rm . (9.16) dd
=−
eE d
− . (9.17)
2 TF dt m τ
Der Beitrag der Elektronen zur molaren
Wärmekapazität der Metalle hängt linear Das Glied −eE/ m beschreibt die Geschwindig-
von der Temperatur ab. keitszunahme durch das angelegte elektrische
Feld; das Glied − d /τ berücksichtigt die Rei-
bungsvorgänge im Gitter. Dabei geht man wie
Diese Aussage stimmt mit den experimentel- bei der inneren Reibung laminar strömender
len Befunden überein. Da bei tiefen Tempera- Flüssigkeiten davon aus, dass die Reibungs-
turen der Beitrag der Gitterschwingungen zur kraft proportional zur Strömungsgeschwin-
Wärmekapazität nach dem Debye’schen Gesetz digkeit ist. Die Zeitkonstante τ heißt Relaxa-
Cm, Gitter = AT 3 (Abschn. 9.3.1.2) abfällt, über- tionszeit.
wiegt bei genügend tiefen Temperaturen der Im zeitlich konstanten Feld (Gleichstromver-
Beitrag der Elektronen zur spezifischen bzw. halten) E = E0 ergibt die Integration von (9.17)
molaren Wärmekapazität.
Elektrische Leitung
d = d, 0 (1 − e−t/τ ) , (9.18)
Die Elektronen eines Metalls bewegen sich in-
folge der Wärmebewegung statistisch verteilt dargestellt in Abb. 9.37. Im stationären Zu-
in alle Raumrichtungen, sodass ihr mittlerer stand (t → ∞, dd / dt = 0) nimmt die Drift-
Geschwindigkeitsvektor null ist: geschwindigkeit den konstanten Wert
1 1
N N e
m = i = ki =0. d, 0 = − τ E0 = −μ E0 (9.19)
N i=1 N m i=1 m
In einem elektrischen Feld der Feldstärke E an. Die stationäre Driftgeschwindigkeit ist
wirkt auf jedes Elektron die Kraft −eE, so- proportional zur Feldstärke E0 . Die Propor-
dass alle Elektronen beschleunigt werden. Der tionalitätskonstante
9.2 Elektronen in Festkörpern 817
κ = enμ . (9.23)
Beispiel
9.2-2 Wie groß ist die Beweglichkeit μ von Kupfer bei
Raumtemperatur?
Lösung
Die elektrische Leitfähigkeit von reinem Kupfer ist
{ = 5,9 · 105 Ω−1 cm−1 . Die Konzentration der freien
Abb. 9.37 Abhängigkeit der Driftgeschwindigkeit von Elektronen ist nach Tabelle 9.5 n ≈ 8,5 · 1022 cm−3 .
der Zeit im Fall des Gleichstroms Somit ist nach (9.23) die Beweglichkeit
{ cm2
μ= ≈ 43 .
en Vs
μ=
e
τ (9.20) Die Relaxationszeit τ kann aus (9.22) bestimmt
m werden:
κm
ist die Beweglichkeit. Die Driftgeschwindigkeit τ= . (9.24)
e2 n
d, 0 hängt mit der elektrischen Stromdichte j
zusammen gemäß
Da an den Streuprozessen nur die Elektronen
teilnehmen, die an der Oberfläche der Fermi-
j = −e n d, 0 (9.21) Kugel sitzen, ist deren Geschwindigkeit etwa
die Fermi-Geschwindigkeit F (9.11). Inner-
halb der Relaxationszeit τ legen die Elektronen
mit n = N / V als der Konzentration der freien die mittlere freie Weglänge l zurück:
Elektronen. Mit (9.19) resultiert hieraus
l = F τ . (9.25)
e2
j= n τ E0 = κ E0 . (9.22)
m
Beispiel
Dies ist das Ohm’sche Gesetz (Abschn. 4.1.5), 9.2-3 Wie groß ist die mittlere freie Weglänge der
Elektronen in Kupfer bei Raumtemperatur?
das besagt, dass die Stromdichte proportional
zur elektrischen Feldstärke ist; die Proportio- Lösung
nalitätskonstante κ ist die elektrische Leitfä- Mit { = 5,9 · 105 Ω−1 cm−1 und n ≈ 8,5 · 1022 cm−3
higkeit. Für einen Leiter mit konstantem Quer- ist die Relaxationszeit nach (9.24) τ = 2,5 · 10−14 s. Die
Fermi-Geschwindigkeit ist nach (9.11) bzw. Tabelle 9.5
schnitt ergibt sich hieraus die bekannte Form
F = 1,56 · 106 m/s. Demnach beträgt die mittlere freie
I = U / R.
Weglänge l = F τ = 3,9 · 10−8 m.
Aus (9.20) und (9.22) folgt die für die Praxis Im Vergleich hierzu ist der Abstand zwischen nächs-
wichtige Verknüpfung zwischen elektrischer ten Nachbarn im Kupfergitter nach Tabelle 9.1
Leitfähigkeit κ und Beweglichkeit μ: 2,55 · 10−10 m.
818 9 Festkörperphysik
Abb. 9.39 Fermi-Fläche von Zinn (nach Hering und Lück): a) Fläche in der dritten Brillouin-Zone des erweiterten
Zonenschemas, b) reduziertes Zonenschema
mantstruktur, bei der jedes Atom vier nächste tronen der Nachbaratome Elektronenpaarbin-
Nachbarn hat, die an den Ecken eines regel- dungen eingehen. Am absoluten Nullpunkt ist
mäßigen Tetraders angeordnet sind. Weitere keine elektrische Leitung möglich, da keine
Halbleiter mit tetraedrischem Gitter ergeben freien Ladungsträger zur Verfügung stehen.
sich nach H. J. Welker (1912 bis 1981), in- Im Bänderschema von Abb. 9.29 ist das oberste
dem Verbindungen zwischen Elementen aus Valenzband vollständig besetzt, das darüber-
verschiedenen Gruppen des Periodensystems liegende Leitungsband ist leer.
hergestellt werden, sodass die mittlere Anzahl Durch Energiezufuhr, z. B. durch Temperatur-
der Valenzelektronen (vier) erhalten bleibt erhöhung oder Lichteinfall, können einzelne
(Tabelle 9.6). Von besonderer Bedeutung für Bindungen gelöst werden. Dies hat zur Folge,
die Optoelektronik sind Mischkristalle auf der dass freie Elektronen im Kristall zur Verfü-
Basis der III-V-Halbleiter, bei denen die Breite gung stehen. Im Bändermodell von Abb. 9.40
der verbotenen Zone in bestimmten Grenzen entspricht diesem Vorgang das Anheben von
beliebig einstellbar ist. Beispiele hierfür sind Elektronen aus dem Valenzband (VB) ins Lei-
tungsband (LB). Die fehlenden Elektronen im
– ternäre Mischkristalle Gax Al1−x As und
Valenzband werden Defektelektronen oder Lö-
– quaternäre Mischkristalle InxGa1−x Asy P1−y .
cher genannt. Sie verhalten sich im See der
negativen Elektronen wie positive Teilchen. Da
9.2.3.1 Eigenleitung freie Elektronen und Löcher immer nur paar-
Die Elementhalbleiter der IV. Gruppe haben weise erzeugt werden können, gilt für die Dich-
jeweils vier Valenzelektronen, die mit Elek- ten der Elektronen n und der Löcher p
wandert das Loch in Richtung Kathode. Der Abbildung 9.41 zeigt die Zustandsdichte im
Gesamtstrom in einem Halbleiter lässt sich Leitungs- und Valenzband, die Fermi-Dirac-
daher als Summe aus einem Elektronenstrom Verteilungsfunktion und die Dichte der La-
und einem Löcherstrom bilden. Für die elek- dungsträger, die sich als Produkt aus Zu-
trische Leitfähigkeit eines Halbleiters gilt in standsdichte und Besetzungswahrscheinlich-
Erweiterung von (9.23)
κ = e (n μn + p μp ) . (9.28)
Tabelle 9.7 Eigenschaften der Halbleiter Ge, Si und GaAs. (Die Zahlenwerte gelten für T = 300 K)
Ge Si GaAs
Kristallstruktur Diamant Diamant Zinkblende
Trägerdichte ni bezeichnet. Es gilt ni =n=p Somit beträgt der spezifische Widerstand ρ(200 K) =
und mit obigen Beziehungen 2,72 · 104 Ω cm.
Eg Eg
Bei dieser Rechnung wurde vereinfachend vor-
ni (T) = NL NV e− 2kT = ni0 T 3/2 e− 2kT .
ausgesetzt, dass die Breite der verbotenen Zone
(9.30)
konstant ist. Tatsächlich hängt Eg von der Tem-
peratur ab.
Die mit Hilfe von (9.30) bestimmten Träger- Die große Temperaturabhängigkeit des elek-
dichten sind für die Halbleiter Ge, Si und GaAs trischen Widerstandes von Halbleitern liegt
in Tabelle 9.7 zusammengestellt. Aus diesen in der exponentiellen Abhängigkeit der Trä-
Daten folgt für den temperaturunabhängigen gerdichte von der Temperatur begründet. Mit
Faktor ni0 in (9.30) für Hilfe von (9.28) bis (9.30) folgt
Tabelle 9.8 Ionisationsenergie ED von Donatoren und ist, spricht man von Störstellenreserve. Die
EA von Akzeptoren in Silicium und Germanium Trägerdichte wird wie bei der Eigenleitung
mit Hilfe der Fermi-Dirac-Statistik berechnet.
Störstelle Ionisierungsenergie ED bzw. EA
in meV Abbildung 9.42 zeigt die Verteilungsfunktion
Silicium Germanium der Elektronen bei tiefen Temperaturen. Die
Fermi-Energie EF liegt dabei in der Mitte zwi-
Donatoren schen den Störstellenniveaus und den benach-
P 44 12,76 barten Bandkanten.
As 49 14,04
Sb 39 10,19
Ist bei n-Dotierung die Konzentration der Do-
natoratome nD , dann ergibt sich für die Kon-
Akzeptoren
B 45 10,4 zentration der freien Elektronen
Al 57 10,2
Ga 65 10,8
nD NL − ED
In 160 11 n(T) = e 2kT . (9.33)
2
n-Typ p-Typ
Majoritätsträger-
dichte n = nD p = nA
Minoritätsträger-
dichte p = n2i / nD n = n2i / nA
elektrische
Leitfähigkeit { = e μn nD { = e μp nA
Akzeptoren, die nicht mehr durch die entspre- entsteht im n-Gebiet durch die positiven Do-
chende Anzahl von Löchern kompensiert wer- natorrümpfe eine positive Raumladungszone.
den, eine negative Raumladungszone. Ebenso Abbildung 9.44d zeigt den Verlauf der Raum-
ladungsdichte ρ. Aufgrund der Ladungsneu-
tralität gilt für die Breiten dn und dp
dn nD = dp nA . (9.35)
kT nA nD
Ud = ln . (9.36)
e n2i
Abb. 9.44 pn-Übergang: a) p- und n-leitendes
Silicium in Kontakt, b) Störstellenkonzentration,
c) Dichteverlauf der beweglichen Ladungsträger, Die Größe kT / e = UT wird oft als Tempera-
d) Raumladungsgebiete, e) Potentialverlauf turspannung bezeichnet. Bei Raumtemperatur
(Ud Diffusionsspannung), f) elektrische Feldstärke (300 K) beträgt sie UT = 25,9 mV. Eine ge-
826 9 Festkörperphysik
2 εr ε0 Ud nA + nD
d = dn + dp = · .
e nA nD
(9.37)
Beispiel
9.2-5 Für einen pn-Übergang in Silicium mit nD =
2 · 1016 cm−3 und nA = 1 · 1016 cm−3 sollen die Diffusi-
onsspannung Ud und die Breite der Raumladungszone
berechnet werden.
Lösung
Nach (9.36) ist
2 · 1032 cm−6
Ud = 25,9 mV · ln = 0,73 V .
1,04 · 1020 cm−6
Abb. 9.45 Verteilung der Ladungsträger und
Die Breite der Raumladungszone ist nach (9.37) mit Bändermodell beim pn-Übergang a) ohne äußere
εr = 11,8 d = 0,38 μm. Auf die beiden Teilgebiete ent- Spannung, b) Spannung in Sperrrichtung (U < 0) und
fallen nach (9.35) dp = 0,25 μm und dn = 0,13 μm. c) Spannung in Flussrichtung (U > 0)
IS ∼ e−Eg / (kT) .
In Sperrrichtung kann es zu einem Durch- Beide Effekte weisen eine gegenläufige Tempe-
bruch kommen. Dies beruht zum einen auf raturabhängigkeit der Durchbruchspannung
dem Zener-Effekt (C. M. Zener, 1905 bis UZ (Z-Spannung) auf. Bei Si-Dioden mit
1993). Hierbei werden nach Abb. 9.47a in- UZ = 5,6 V lässt sich die beste Temperatur-
folge der großen Feldstärke im Innern des konstanz der Durchbruchspannung erzielen.
Übergangs Elektronen aus dem Valenzband In Abb. 9.48 sind die in der Technik wich-
des p-Materials waagrecht über die verbo- tigsten Diodentypen (Aufbau, Kennlinien,
tene Zone ins Leitungsband des n-Materials Funktionsweise und Anwendungen) zusam-
gezogen (tunneln). Der Zener-Effekt tritt mengestellt.
bevorzugt bei stark dotierten Dioden auf und
kann dort schon bei wenigen Volt Sperrspan- 9.2.3.4 Transistor
nung einsetzen. Der zweite Mechanismus, der Transistoren gehören zu den wichtigsten
zum Durchbruch führt, ist in Abb. 9.47b an- elektronischen Bauelementen. Sie werden
gedeutet. Ein Elektron bewegt sich bei großer zum Verstärken und Schalten elektrischer
elektrischer Feldstärke so schnell, dass es bei Signale verwendet. Man unterscheidet bi-
einem Zusammenstoß mit dem Gitter einen polare und unipolare Transistoren. Letztere
Teil seiner Energie abgeben und ein neues werden auch Feldeffekttransistoren genannt,
freies Elektron-Loch-Paar erzeugen kann. die wiederum in Sperrschicht- bzw. MOS-
Diese Ladungsträger werden in gleicher Weise Feldeffekttransistoren unterteilt werden. Eine
beschleunigt und können ihrerseits neue freie Übersicht über den Aufbau, die Kennlinien
Paare schaffen, sodass der Strom lawinenartig und die Anwendungsbereiche vermittelt
anwächst. Abb. 9.49.
828 9 Festkörperphysik
Bei der Basisschaltung (Abb. 9.50c und d) wird eine große Spannung UCB hervorruft. Der
an den Emitter-Basis-Übergang eine Spannung Transistor dient in diesem Fall zur Span-
UEB (kleiner 1 V) in Durchlassrichtung gelegt, nungsverstärkung (100- bis 1000-fach) und
am Basis-Kollektor-Übergang liegt die Sperr- zur Leistungsverstärkung (20 dB bis 30 dB).
spannung UCB . Die Elektronen fließen vom Die Transistorkennlinien in Abb. 9.51 zeigen
Emitter zur Basis. Dort teilt sich der Strom in für die Basisschaltung die Kollektorstrom-
einen geringen Basisstrom IB und einen hohen stärke IC in Abhängigkeit von der Kollektor-
Kollektorstrom IC auf. Die Basiszone ist sehr Basis-Spannung UCB für unterschiedliche
dünn, sodass der Kollektorstrom beinahe so Emitterströme IE . Der Verstärkungseffekt
groß ist wie der Emitterstrom. Der Stromver- wird daraus ersichtlich.
stärkungsfaktor Abbildung 9.51 zeigt auch die Kennlinien,
gleichungsmäßigen Zusammenhänge und
Anwendungsgebiete der anderen Transis-
IC
A = (9.39) torschaltungen. Die Kennlinien beschreiben
IE
die Abhängigkeiten der wichtigsten Kenn-
größen eines Transistors. Sie werden meist
der Basisschaltung ist annähernd eins, ge- in vier Quadranten dargestellt. Der erste
nauer 0,95 bis 0,995. Der Verstärkungseffekt Quadrant beschreibt die Ausgangskennlinie
beruht darauf, dass praktisch derselbe Strom (−UCB für die Basis-, −UCE für die Emitter-
am Eingang bei einem niedrigen Eingangs- und −UEC für die Kollektorschaltung). Der
widerstand (Durchlassrichtung) eine kleine zweite Quadrant zeigt den Verlauf der Strom-
Spannung UEB am Ausgang wegen des ho- verstärkungskennlinie und der dritte Qua-
hen Ausgangswiderstands (Sperrrichtung) drant die Eingangskennlinien. Im vierten
9.2 Elektronen in Festkörpern 831
Quadranten kann der Verlauf der Spannungs- breiter und verengen die Strombahn. Dies be-
Rückwirkungskennlinien dargestellt werden. deutet, dass die Spannung am Gate durch
Da diese jedoch aus den Kurven der übrigen die Änderung des elektrischen Feldes im pn-
Kennlinien ermittelt werden können, werden Übergang die Stromstärke zwischen Source
sie meist nicht gesondert aufgeführt. und Drain steuert.
Am häufigsten wird die Emitterschaltung ein- Ein besonders wichtiger Transistor ist der
gesetzt. Die Stromverstärkung in der Emit- MOS-FET (metal oxide semiconductor-FET).
terschaltung ist das Verhältnis von Kollektor- Die Steuerspannung beeinflusst die Leitfä-
strom zu Basisstrom: B = |IC / IB |. Mit IB = higkeit einer dünnen Oberflächenschicht
IE − IC und (9.42) folgt im Halbleiterkristall (Abb. 9.49). Beim An-
reicherungstyp fließt ohne Steuerspannung
kein Strom zwischen Quelle und Senke. Eine
A
B= . (9.40) negative Steuerspannung verdrängt die Elek-
1−A
tronen in das Kristallinnere, sodass eine
oberflächennahe schmale p-leitende Schicht
entsteht. Je nach Anwendungsfall gibt es p-
Für die genannten A-Werte von 0,95 bis 0,995
MOS oder n-MOS-Feldeffekttransistoren mit
ergeben sich B-Werte von 20 bis 200. Die
einem Aluminium- bzw. Silicium-Gate. In
Emitterschaltung liefert also sowohl eine
der C MOS-Technik (komplementäre MOS-
Spannungs- als auch eine Stromverstärkung
und damit auch eine Leistungsverstärkung. Sie
ist also eine universell einsetzbare Schaltung
zum Verstärken von Spannungen, Strömen
und Leistungen.
Die Kollektorschaltung hat einen hohen Ein-
und einen niedrigen Ausgangswiderstand.
Sie wird vor allem als Impedanzwandlerstufe
sowie in Gegentaktendstufen eingesetzt. Sie
erzeugt keine Spannungsverstärkung, jedoch
eine Stromverstärkung wie die Emitterschal-
tung.
Im Unterschied zum bipolaren Transistor
sind beim Feldeffekt-Transistor (FET) nur
Ladungsträger einer Sorte, also Elektronen
oder Löcher, beteiligt. Beim Sperrschicht-FET
(Abb. 9.49) liegt an einem n-leitenden Bereich
eine Gleichspannung, sodass die Elektronen
von der Quelle (source) zur Senke (drain)
fließen. Die Breite des Kanals wird von zwei
seitlichen p-Zonen und der anliegenden
sperrenden Steuerspannung (Gate-Spannung)
gesteuert. Wird die Steuerspannung erhöht,
dann werden die Raumladungszonen, gekenn- Abb. 9.52 Herstellungsgang für zwei nebeneinander
zeichnet durch gestrichelte Linien in Abb. 9.49, liegende Planar-Transistor-Systeme
832 9 Festkörperphysik
9.2.4 Supraleitung
2
T
Bc = B0 1 − (9.41)
Tc
h
Φ0 = = 2 · 10−15 V s . (9.42)
2e
Tabelle 9.10 Kritische Temperatur Tc und kritische Flussdichte Bc supraleitender Elemente und Verbindungen
spin bzw. -impuls null. Aus diesem Grund supraleiter) sowie künftig die keramischen Su-
sind sie nicht dem Pauli-Prinzip unterworfen, praleiter mit den kritischen Größen
sodass alle Cooper-Paare den tiefstmögli-
– kritische Temperatur Tc ,
chen quantenmechanischen Energiezustand
– kritische magnetische Flussdichte Bc2 und
einnehmen können. Die Cooper-Paare unter-
– kritische Stromdichte jc .
liegen nicht mehr der Fermi-Dirac-Statistik
(Abschn. 9.2.1), sondern der Bose-Einstein- Diese Größen sind voneinander abhängig und
Statistik wechselwirkungsfreier Teilchen. Die beschreiben in Abb. 9.58 einen Bereich, inner-
Cooper-Paare treten nicht mehr mit dem halb dessen Supraleitung möglich ist.
Atomgitter in störende Wechselwirkung, wes- Fließt durch einen Supraleiter zweiter Art ein
halb sie sich auch widerstandslos durch den Transportstrom IT , dann übt dieser auf die
Supraleiter bewegen können. Die Existenz von Flussschläuche eine Lorentz-Kraft IT B aus, die
Cooper-Paaren konnte bei der Bestimmung zu einer Wanderung der Schläuche und da-
des Wertes eines Flussquantes bestätigt wer- mit verbunden zu einer Wärmeentwicklung
den. Nach (9.42) wird das Flussquant durch führt, sodass die Supraleitfähigkeit verloren
Teilchen mit doppelter Elementarladung geht. Durch Anheften (Pinnen) dieser Fluss-
gebildet. schläuche in ihrer gegenwärtigen Lage kön-
Eine wichtige technische Bedeutung haben die nen supraleitende Materialien verhältnismä-
Supraleiter zweiter und dritter Art (Hochfeld- ßig hohe Stromdichten tragen (für NbTi zwi-
836 9 Festkörperphysik
Ü 9.2-2 Die Fermi-Energie von Na ist nach Tabelle 9.5 eine n-Zone erzeugt. a) Wie groß muss die Donatoren-
EF = 3,1 eV. Wie groß sind die Wahrscheinlichkeiten, konzentration nD sein, damit die Diffusionsspannung
dass die Energieniveaus E1 = 3,05 eV und E2 = 3,15 eV Ud = 0,3 V ist? b) Wie viel g Phosphor sind in 1 cm3
besetzt sind bei den Temperaturen T1 = 300 K und der n-Schicht verteilt?
T2 = 600 K?
Ü 9.2-10 Wie breit ist die Raumladungszone eines
Ü 9.2-3 Wie groß ist der Beitrag der Elektronen Cm, el pn-Übergangs in Silicium mit nD = 1017 cm−3 und
zur molaren Wärmekapazität Cm = 28 J/(mol K) von nA = 1015 cm−3 a) in spannungslosem Zustand, b) mit
Natrium bei 20 ◦ C? einer Sperrspannung UR = −10 V, c) mit einer Fluss-
spannung von UF = 0,5 V?
Ü 9.2-4 Wie groß ist die mittlere freie Weglänge der
Elektronen in Eisen bei Raumtemperatur, wenn der
spezifische Widerstand ρ = 10−5 Ω cm beträgt? (wei- 9.3 Thermodynamik fester Körper
tere Daten s. Ü 9.2-1).
9.3.1 Gitterschwingungen
Ü 9.2-5 Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, an
der Leitungsbandkante des Halbleiters Silicium bei 9.3.1.1 Schwingende Gitterbausteine
Raumtemperatur (300 K) Elektronen zu finden? und Phononen
Folgende Fälle sollen untersucht werden: a) Das
Im Kristallgitter eines Festkörpers befinden
Fermi-Niveau befinde sich in der Mitte der verbotenen
Zone (Eigenleitung), b) Das Fermi-Niveau befinde
sich regelmäßig angeordnete Gitterbausteine,
sich ΔE = 20 meV unterhalb der Leitungsbandkante die elastisch miteinander gekoppelt sind.
(n-Halbleiter). c) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit Diese führen thermische Schwingungen um
beim Halbleiter nach b), an der Valenzbandkante ihre Ruhelagen aus. Wird ein Gitterbaustein
Löcher zu finden? von außen angeregt, beispielsweise durch Stoß
eines Gasmoleküls, Wechselwirkung mit elek-
Ü 9.2-6 Wie groß ist der spezifische Widerstand von tromagnetischer Strahlung (Photonenstoß)
eigenleitendem Germanium bei T = 600 K?
oder Neutronenbestrahlung, dann wird sich
die damit verknüpfte Auslenkung über die
Ü 9.2-7 An einer Si-Probe der Länge l = 2 cm und
elastische Kopplung auf die Nachbarn über-
des Querschnitts A = 1 cm2 mit der Dotierungskon-
zentration nD = 1015 cm−3 (Sb) wird der Widerstand
tragen und als Welle durch das Kristallgitter
R = 10 Ω gemessen. Wie groß ist die Beweglichkeit der laufen. Abbildung 9.60 zeigt die Auslenkung
Majoritätsträger? der Teilchen bei einer transversalen Gitter-
welle.
Ü9.2-8 Ein mit P dotierter Si-Kristall soll als Tempera- Durch viele Experimente, z. B. durch Röntgen-
turfühler eingesetzt werden. Bei T1 = 77 K beträgt der und Neutronenstreuung an Kristallen, wurde
elektrische Widerstand des Bauelements R1 = 1 kΩ. festgestellt, dass die Energie in einer Gitter-
a) Wie groß ist der Widerstand R2 bei der Tempera-
schwingung gequantelt ist. Analog zum Pho-
tur T2 = 50 K, wenn die Beweglichkeit als konstant
angesehen werden kann? b) Wie groß ist der Tempera-
ton, dem Energiequant der elektromagneti-
turkoeffizient dR/ dT des Ohm’schen Widerstands bei schen Wellen, werden die Quanten der Gitter-
T1 = 77 K? wellen als Phononen bezeichnet. Die Energie
eines Phonons ist nach (6.135)
Ü 9.2-9 Zur Herstellung einer Ge-Diode wird eine
schwach p-dotierte Scheibe mit dem spezifischen Wi-
derstand ρ = 5 Ω cm als Ausgangsmaterial benutzt. In EPhonon = hf = ω (9.43)
diesem Kristall wird durch Eindiffusion von Phosphor
838 9 Festkörperphysik
2kF
ω= (1 − cos ka) . (9.45)
m
kF = aE . (9.52)
Die Phasengeschwindigkeit der Welle beträgt
nach (5.204) cph = λf = ω/ k und mit 9.45)
Wird (9.52) in (9.50) eingesetzt, dann ergibt
√ sich für den Grenzfall langer Wellen (tiefe Fre-
2kF 1 − cos ka quenzen) die maximale Schallgeschwindigkeit
cph = . (9.49)
m k cs,max der Longitudinalwellen
a3 E E
Die Funktionen (9.48) und (9.49) sind in cs, max = = . (9.53)
Abb. 9.62b dargestellt. Bei k = 0 ist die m ρ
Phasengeschwindigkeit gleich der Gruppen-
geschwindigkeit Diese Gleichung ist identisch mit (5.197) aus
der Kontinuumstheorie.
kF Die größte Eigenfrequenz ist nach (9.45) für
cph (k = 0) = cgr (k = 0) = a . (9.50) k = π/ a
m
k
ωmax = 2 F .
Für sehr lange Wellen (λ >> a) gibt es also keine m
Dispersion. Am Rand der Brillouin-Zone ist Mit (9.52) resultiert
840 9 Festkörperphysik
Lösung
N hf
U =3 hf
. (9.55)
a) Für die Phononenenergien gilt nach (9.43)
ekT − 1
EPhonon = h f . Man errechnet ETA = 7,85 meV,
ELA = 27,5 meV, ELO = 30,3 meV und
ETO = 35,9 meV. Für hohe Temperaturen (k T >> h f ) beträgt
b) Der Impuls ist nach (9.44) pPhonon = ~ k. Mit |k| =
√ die innere Energie
(π/ a) 3 erhält man pLA = 1,02 · 10−24 Ns.
c) Der Impuls eines Photons ist nach (6.118) pPhoton =
(h f )/ c. Mit h f = ELA = 27,5 meV ergibt sich
U ≈ 3N kT = 3 ν Rm T . (9.56)
pPhoton = 1,47 · 10−29 Ns << pPhonon .
1 dU
Cm = 3 Rm e− k T . (9.58)
Cm = = 3Rm . kT
ν dT
Die tatsächlich gemessene molare Wärme- Die Grenze für den Übergang von (9.56)
kapazität weicht indessen von diesem Wert in (9.57) liegt bei der Einstein-Temperatur
stark ab und zwar umso mehr, je fester die
Gitterbindung, je leichter die Gitterbausteine
hf
und je tiefer die Temperatur ist. Einstein for- TE = . (9.59)
k
derte deshalb 1907, dass die Schwingungs-
energie der Gitterbausteine in ganzzahligen
Vielfachen von hf gequantelt sein muss. Un- Genaue Messungen des Temperaturverlaufs
ter der Annahme, dass N-Oszillatoren mit der spezifischen Wärmekapazität in Festkör-
drei Freiheitsgraden unabhängig voneinander pern haben ergeben, dass die Einstein’sche
mit derselben Frequenz schwingen, ergibt sich Formel zu geringe Wärmekapazitäten voraus-
für die Gesamtenergie unter Berücksichtigung sagt, weil sie auf der Annahme beruht, dass es
der Boltzmann’schen Verteilungsfunktion (Ab- nur eine einzige Frequenz der Gitterschwin-
schn. 3.2.3) gungen (die eines Gitterbausteins) gibt. Ein
842 9 Festkörperphysik
zD
T3 z3 dz
U = 9N kT 3 (9.60)
TD ez − 1
0
mit z = (h f )/ (k T) und zD = TD / T. TD ist die Abb. 9.64 Molare Wärmekapazität der Festkörper
Debye-Temperatur: nach den Theorien von Einstein, Debye und
Dulong-Petit
h fgr
TD = . (9.61)
k Für T → 0 geht die molare bzw. spezifische
Wärmekapazität mit T 3 gegen null. Die De-
Die Größe fgr ist die Debye’sche Grenzfre- bye’sche Beschreibung ist wesentlich genauer
quenz, die in der Nähe der Maximalfre- als die Einstein’sche. Noch vorhandene Unter-
quenz (9.54) der elastischen Schwingungen schiede zum Experiment rühren von der bei
des Kristalls liegt. Tabelle 9.11 zeigt die Debye nicht berücksichtigten Dispersion der
Debye-Temperaturen einiger Festkörper. Gitterwellen her. Abbildung 9.64 zeigt die mo-
Für den Fall T >> TD ergibt (9.60) wieder lare Wärmekapazität in Abhängigkeit von der
U ≈ 3 N k T und für die molare Wärmeka- Temperatur nach dem Einstein’schen bzw. dem
pazität Cm = 3 Rm (Dulong-Petit). Bei T << TD Debye’schen Ansatz.
resultiert
9.3.1.3 Wärmeleitfähigkeit
3 4 T3
U = π N kT 3 und (9.62)
5 TD Isolatoren
12 4 T 3 Zwar breiten sich die Phononen im Festkör-
Cm = π Rm 3 . (9.63)
5 TD per mit Schallgeschwindigkeit aus, jedoch ist
der durch sie bewirkte Wärmetransport deut-
lich langsamer. Dies rührt daher, dass die
Tabelle 9.11 Debye-Temperatur TD einiger Stoffe
Phononen untereinander und mit Verunrei-
Stoff TD in K Stoff TD in K nigungen zusammenstoßen und ihre Richtun-
gen dauernd ändern. Ihnen wird, ähnlich wie
Pb 88 Mg 405 den Gasmolekülen und Elektronen, eine mitt-
Na 172 Al 428 lere freie Phononenweglänge lph zugeordnet.
Ag 226 LiF 740
Abbildung 9.65 zeigt schematisch den Quer-
NaCl 281 Diamant 1 860
Cu 345 schnitt eines Festkörpers, an dem eine kon-
stante Temperaturdifferenz ΔT = T1 − T2 an-
9.3 Thermodynamik fester Körper 843
1 ΔT
Abb. 9.65 Temperaturverteilung in einem Festkörper jq = nph k cs lph . (9.65)
2 Δx
liegt. Die je Flächen und Zeiteinheit transpor-
tierte Wärme, die Wärmestromdichte jq beträgt Durch Vergleich mit (9.64) folgt für die Wär-
meleitfähigkeit
ΔT
jq =λ . (9.64) 1
Δx λ = nph k cs lph . (9.66)
2
1 T Rm ρ
lph so groß, dass sie in der Größenordnung der λel = π2 2F τ .
Kristalldimensionen liegt und demnach kon- 6 TF M
stant ist. Da entsprechend den vorgenannten
Mit EF = 12 m2F = k TF und
Ausführungen in diesem Bereich die spezifi-
sche Wärmekapazität c proportional zu T 3 ist, Rm ρ N
= k = nk
gilt auch für die Wärmeleitfähigkeit λ ∼ T 3 . M V
Bei hohen Temperaturen (T >> TD ) ist die
ergibt sich
spezifische Wärmekapazität c konstant. Die
Wärmeleitfähigkeit fällt mit steigender Tem-
1 n
peratur wegen der zunehmenden Phononen- λel = π2 k2 τ T . (9.69)
Stoßwahrscheinlichkeit gemäß λ ∼ 1/ T. 3 m
Beispiel
9.3-3 Wie groß ist die mittlere freie Weglänge lph
Die Größe n = N / V ist die Elektronenzahl-
der Phononen in Porzellan bei Raumtemperatur? Fol- dichte. In reinen Metallen ist die Wärmeleit-
gende Daten sind bekannt: Dichte ρ = 2,4 · 103 kg/m3 , fähigkeit durch die Elektronen stets ein bis
spezifische Wärmekapazität c = 840 J/(kg K), Schall- zwei Größenordnungen größer als durch Git-
geschwindigkeit cs = 4 880 m/s, Wärmeleitfähigkeit terschwingungen. Es gilt daher für die Wär-
λ = 1 W/(m K). meleitfähigkeit des Festkörpers λ ≈ λel . Für
Lösung die elektrische Leitfähigkeit gilt nach (9.24)
Nach (9.68) gilt für die mittlere freie Weglänge κ = n e2 τ/ m. Somit ist das Verhältnis von
lph = 3λ/ (ρ c cs ). Mit obigen Werten ergibt sich Wärme- zu elektrischer Leitfähigkeit
lph = 3,05 · 10−10 m. Diese Strecke entspricht etwa 2
dem Wert einer Gitterkonstanten. λ π2 k
= T.
κ 3 e
Metalle
In Metallen kann Wärme nicht nur durch Pho- Bei konstanter Temperatur ist für alle
nonen, sondern auch durch die freien Elektro- Metalle die Wärmeleitfähigkeit λ propor-
nen übertragen werden. Die Wärmeleitfähig- tional zur elektrischen Leitfähigkeit κ:
keit aufgrund des Energietransports der Elek-
λ = LT κ . (9.70)
tronen wird durch (9.68) beschrieben; hierbei
wird für c die spezifische Wärmekapazität der
Elektronen aus (9.16) eingesetzt. Mit der Mol- Dies ist das Wiedemann-Franz’sche Gesetz
masse M gilt (G. H. Wiedemann, 1826 bis 1899; R. Franz,
1827 bis 1902). Die Konstante
Cm, el 1 Rm T
cel = = π2 .
M 2 M TF 2
π2 k
Anstelle der Schallgeschwindigkeit cs steht L= (9.71)
3 e
die Fermi-Geschwindigkeit F und anstatt
der mittleren freien Weglänge der Phononen
die entsprechende Größe l = F τ nach (9.25) wird Lorenz’sche Zahl (L. Lorenz, 1829
für die Elektronen. Folglich resultiert für die bis 1891) genannt und beträgt L =
Wärmeleitfähigkeit der Elektronen 2,45 · 10−8 V2 /K2 . Aus der Proportionalität
9.3 Thermodynamik fester Körper 845
Tabelle 9.12 Werkstoffe für Thermopaare und ihre Eigenschaften nach DIN IEC 60 584/1
spezifischer
Widerstand ρ bei
20 ◦ C in Ω mm2 /m 0,72 bis 0,27 0,49 bis 0,11 0,49 bis 0,017 0,062 bis 0,034
Temperatur in ◦ C Thermospannungen in mV
−200 −5,89 −8,15 −5,70
−100 −3,55 −4,75 −3,40
0 0 0 0 0
100 4,10 5,37 4,25 0,645
200 8,14 10,95 9,20 1,44
300 12,21 16,56 14,90 2,32
400 16,40 22,16 21,00 3,26
500 20,64 27,85 27,41 4,23
600 24,90 33,67 34,31 5,24
700 29,13 39,72 6,27
800 33,28 46,22 7,35
900 37,33 53,14 8,45
1000 41,27 9,59
1100 45,11 10,75
1200 48,83 11,95
1300 52,40 13,16
1400 14,37
1500 15,58
1600 16,77
1700 17,94
Ü 9.3-3 Wie groß ist die spezifische Wärmekapazität zeigetechnik, Messtechnik, Elektronik, Daten-
von Diamant bei 20 ◦ C nach der Debye’schen Theorie? verarbeitung sowie Energietechnik eingesetzt.
Wie groß ist die relative Abweichung zum gemessenen
Wert c = 0,502 kJ/(kg K)?
9.4.1 Strahlungsquellen
Ü 9.3-4 Wie groß ist die mittlere freie Weglänge 9.4.1.1 Lumineszenzdioden
von Phononen in Quarzglas? (ρ = 2,2 kg/dm3 , Wär- Alle Lumineszenz- oder Leuchtdioden (Light
meleitfähigkeit λ = 1,36 W/(K m), Schallgeschwin-
Emitting Diode, LED) bestehen aus einem pn-
digkeit cs = 5 400 m/s, spezifische Wärmekapazität
c = 170 J/(kg K).)
Übergang (Abschn. 9.2.3.3). Abbildung 9.72
zeigt die Bandstruktur eines pn-Übergangs,
der in Flussrichtung betrieben wird. Bei der
Ü 9.3-5 Der spezifische elektrische Widerstand von
Flussspannung UF wird die Diffusionsspan-
Silber bei 20 ◦ C ist ρ = 1,6 · 10−8 Ω m. Wie groß ist
nung so weit abgebaut, dass die Elektronen
näherungsweise die Wärmeleitfähigkeit λ?
des n-Gebietes über die kleine Barriere leicht
ins p-Gebiet diffundieren können; umgekehrt
fließen Löcher aus dem p- ins n-Gebiet. In der
9.4 Optoelektronische
Halbleiter-Bauelemente
Die Optoelektronik ist ein Teilgebiet der Elek-
tronik, das sich mit Erscheinungen befasst, die
bei der Umwandlung von elektrischer Ener-
gie in optische und umgekehrt auftreten. Das
wichtigste Bauelement ist der Halbleiter-pn-
Übergang, der als Lichtsender und auch als
-empfänger eingesetzt werden kann. Opto- Abb. 9.72 Leuchtdiode, in Flussrichtung betrieben
elektronische Bauteile werden u. a. in der An- (schematisch)
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente 851
Nähe des Übergangs rekombinieren die Elek- Tabelle 9.13 Materialien für Lumineszenzdioden
tronen mit den Löchern und geben dabei Ener-
Material: Dotierstoff Farbe Wellenlänge
gie von der Größenordnung Eg ab. Bei der
λ in nm
strahlenden Rekombination wird diese Energie
in Form von Photonen der Energie h f ≈ Eg GaAs:Si IR 930
ausgesandt. Dies bedeutet, dass eine LED nä- GaAs0,6 P0,4 , AlGaInP rot 650
herungsweise monochromatisches Licht aus- GaAs0,15 P0,85 , AlGaInP gelb 590
sendet, dessen Wellenlänge λg nach (6.136) GaP:N, InGaN grün 570
GaN, InGaN/AlGaN blau 470
und (6.137) von der Breite der verbotenen
Zone Eg abhängt:
im GaAs-Substrat absorbiert, da nur dort die stände im Leitungsband mit Elektronen be-
setzt, tief liegende im Valenzband sind leer.
Energie der Lichtquanten ausreicht, um ein
Elektron vom Valenz- ins Leitungsband zu Es liegt also eine Besetzungsinversion vor, die
heben (Abschn. 9.4.2). Je nach Anwendungs- nach den Ausführungen in Abschn. 6.5.4 die
Grundvoraussetzung für die stimulierte Emis-
zweck setzt man die Chips in verschiedene Ge-
häuseformen; Abb. 9.75 zeigt einige Beispiele. sion des Lasers ist.
Lumineszenzdioden sind sehr zuverlässig. Im Die zweite Laserbedingung, die Rückkopplung
der Lichtwellen an Resonatorspiegeln, wird
normalen Betrieb sind Lebensdauern von etwa
106 h zu erwarten. Die Lebensdauer ist dabei bei den Laserdioden folgendermaßen erfüllt:
so definiert, dass bis zum Ende die Strahlungs- Nach Abb. 9.77 bildet man den Laserkristall als
leistung der LED auf die Hälfte des Neuwerts Quader aus (Länge etwa 200 μm bis 500 μm,
abgenommen hat. Breite etwa 100 μm bis 250 μm). Die spiegeln-
den Endflächen sind Spaltflächen des Kristalls,
9.4.1.2 Halbleiterlaser die völlig eben und planparallel sind. Infolge
Die Laserdiode ist ein pn-Übergang mit sehr der großen Brechungszahl von Halbleitern ist
großer Dotierungskonzentration, d. h. nD bzw.
nA beträgt etwa 1019 cm−3 . Derart hoch do-
tierte Halbleiter nennt man entartet. Das Bän-
derschema von Abb. 9.76 zeigt, dass die Elek-
tronen im n-Material das Leitungsband, die
Löcher im p-Material das Valenzband auf-
füllen. Wird die Diode in Flussrichtung be-
trieben, so stellt sich bei einer bestimmten
Flussspannung das Bänderschema so ein, wie
es in Abb. 9.76 gezeigt ist. Im Übergangsbe-
reich zwischen p- und n-Halbleiter, der akti-
ven Zone, sind energetisch hoch liegende Zu- Abb. 9.77 Aufbau einer Laserdiode
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente 853
US / UN
D∗ = A Δf . (9.78)
Φe
Für das fernere IR werden InAs, InSb und do- toren für Röntgenstrahlung (Si) und Gamma-
tiertes Germanium verwendet (Abb. 9.82). strahlung (Ge) verwendet.
Pin-Fotodiode Lawinen-Fotodiode
Lawinen-Fotodioden (Avalanche Foto Diode,
Pin-Dioden haben zwischen p- und n-Zone
APD) werden mit einer Sperrspannung knapp
eine verhältnismäßig dicke (im Bereich von
unterhalb der Durchbruchspannung betrie-
etwa 1 μm bis etwa 300 μm) eigenleitende (in-
ben. Infolge der großen Feldstärke werden
trinsic) Schicht, die sehr hochohmig ist. Die
freie Ladungsträger so schnell, dass sie durch
angelegte Sperrspannung fällt praktisch über
Stoßionisation weitere Elektron-Loch-Paare
der i-Zone ab, sodass in der i-Zone eine große
erzeugen können und ein lawinenartiger
Feldstärke vorliegt. Die Photonen werden vor-
Anstieg der Anzahl der Ladungsträger ein-
wiegend in der dicken i-Schicht absorbiert,
tritt (Abb. 9.47b). Die innere Verstärkung
erzeugen also dort Elektron-Loch-Paare, die
wird durch einen Multiplikationsfaktor M
sofort durch das elektrische Feld getrennt wer-
beschrieben. Typische Werte sind für
den. Dadurch fallen die langsamen Diffusions-
prozesse der einfachen pn-Dioden weg. Pin- – Si-APD: M = 100 bis maximal 104 ,
Dioden reagieren schnell und können bis in – Ge-APD: M = 40 bis maximal 200.
den GHz-Bereich eingesetzt werden. Durch
Ein großer Verstärkungsfaktor bedeutet, dass
das große Sammelvolumen wird ihre Empfind-
durch ein Photon eine große Ladungsträgerla-
lichkeit gegenüber normalen pn-Übergängen
wine ausgelöst wird. Je größer die Lawine ist,
weiter ins IR ausgedehnt.
umso länger dauert es aber, bis alle Ladungs-
Abbildung 9.87 zeigt einen Baustein mit einem
träger den Übergang überquert haben. Große
Pin-FET-Empfänger für die optische Nach-
Verstärkung und hohe Grenzfrequenz lassen
richtenübertragung. Das optische Signal fällt
sich daher nicht gleichzeitig realisieren. In
von der Glasfaser auf eine Pin-Diode und wird
der Praxis wird ein Verstärkungs-Bandbreite-
im nachgeschalteten Verstärker mit einem FET
Produkt angegeben, das typischerweise fol-
am Eingang verstärkt.
gende Werte aufweist:
Sehr großflächige Pin-Dioden mit i-Zonen von
einigen Millimetern Dicke werden als Detek- – Si-APD: MΔf ≈ 200 GHz,
– Ge-APD: MΔf ≈ 20 GHz.
Hat beispielsweise eine APD ein Verstärkungs-
Bandbreite-Produkt von 160 GHz, dann ist bei
einer Bandbreite von Δf = 2 GHz der Multipli-
kationsfaktor M = 80. Bei hohen Frequenzen
wird die APD der Pin-Diode häufig vorgezogen
wegen der internen Verstärkung.
9.4.2.4 Fototransistor
Der Fototransistor ist wie die APD ein Detek-
tor mit innerer Verstärkung. Abbildung 9.88a
zeigt den Aufbau eines Bipolartransistors. Der
Abb. 9.87 Pin-FET-Modul für die optische Basis-Kollektor-Übergang ist großflächig aus-
Nachrichtentechnik. Werkfoto: SEL Alcatel geführt und in Sperrrichtung gepolt. Durch
860 9 Festkörperphysik
Beispiel
9.4-3 Wie groß ist der Füllfaktor der Zelle in Abb. 9.90?
Lösung
Aus dem Diagramm wird entnommen: UL = 0,6 V,
Um = 0,49 V, IK = 7,6 A, Im = 6,7 A. Damit ist der
Abb. 9.90 Strom-Spannungs-Kennlinie einer Füllfaktor FF = 72%.
Si-Solarzelle bei Standard-Testbedingungen (STC).
Zellengröße 15 cm × 15 cm. Die Hyperbeln sind Der Wirkungsgrad einer Solarzelle ist defi-
Kurven konstanter Leistung P = U · I niert als Verhältnis der maximal entnehmba-
862 9 Festkörperphysik
Pm IK UL FF
η= = . (9.90)
Φe Ee A
Tabelle 9.17 Wirkungsgrade verschiedener Solarzellen Ü 9.4-3 Ab welcher Wellenlänge λg wird InSb (Band-
aus industrieller Fertigung gap Eg = 0,18 eV) transparent?
Die Relativitätstheorie, von A. Einstein (1879 chanik und relativistische Elektrodynamik be-
bis 1955) entwickelt, besteht aus der Spezi- trieben werden. Dies hat beispielsweise auch
ellen Relativitätstheorie (1905 veröffentlicht) für den Ingenieur beim Bau von Beschleuni-
und der Allgemeinen Relativitätstheorie (1916 gern Konsequenzen. Wichtig ist festzustellen,
veröffentlicht). Die Spezielle Relativitätstheo- dass die Relativitätstheorie in allen Bereichen
rie befasst sich mit Fragen der Definition von der Physik gültig ist, sodass relativistische Ef-
Raum und Zeit in Systemen, die sich gegen- fekte von den Elementarteilchen bis zum Uni-
einander mit konstanter Geschwindigkeit be- versum nachweisbar sind.
wegen. In der Allgemeinen Relativitätstheorie
werden relativ zueinander beschleunigte Sys-
teme sowie der Einfluss von Gravitationsfel- 10.1 Relativität
dern auf Maßstäbe und Uhren untersucht. So des Bezugssystems
betrachtet ist die Spezielle Relativitätstheorie
ein Spezialfall der Allgemeinen Relativitäts- In Abschn. 2.4.1 sind die als Galilei-
theorie. Transformation bezeichneten Gleichungen
Weil die Spezielle Relativitätstheorie mathe- (Abb. 2.21) für Inertialsysteme beschrieben.
matisch einfacher und ihre Ergebnisse für Inertialsysteme sind Bezugssysteme, in de-
die ingenieurmäßigen Anwendungen wichti- nen das Trägheitsgesetz gilt, nach dem sich
ger sind, wird auf eine ausführliche Erörte- Körper ohne Krafteinwirkung entweder in
rung der Allgemeinen Relativitätstheorie ver- Ruhe befinden oder geradlinig gleichförmig
zichtet. Relativistische Effekte treten nur bei bewegen. Die Galilei-Transformation erlaubt
Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwin- die Umrechnung der Bewegungsgleichungen
digkeit auf. Da man es im täglichen Umgang von einem Inertialsystem S in ein anderes
mit physikalischen Systemen nicht mit solchen Inertialsystem S , das sich relativ zu S mit
sehr schnell ablaufenden Vorgängen zu tun einer konstanten Geschwindigkeit bewegt.
hat, sind die relativistischen Korrekturen an Daraus resultiert das Relativitätsprinzip der
der klassischen Physik kaum wahrnehmbar. klassischen Mechanik:
Dies hat auch zur Folge, dass die relativisti-
schen Effekte den alltäglichen Erfahrungen zu Die Gesetze der klassischen Mechanik
widersprechen scheinen. In der Elementarteil- gelten unverändert in Inertialsystemen,
chenphysik (Abschn. 8.9) aber kann wegen der die sich relativ zueinander mit konstan-
sehr schnellen Abläufe nur relativistische Me-
1
γ= 2 . (10.5)
1−
c
x2 x1
Δt = t2 − t1 = γ t2 − − γ t1 − . im Raumschiff, das sich mit etwa 28 000 km/h
c2 c2 um die Erde bewegte, je Tag um etwa 25,5 μs
Daraus folgt langsamer lief als die Vergleichsuhr der Bo-
denstation. Wenn nach der Zeitdilatation die
Uhren im System S langsamer als im Sys-
Δt = γ Δt − (x2 − x1 ) . (10.7)
c2 tem S laufen, ist es denkbar, dass bei Zwillin-
gen, von denen einer sich bei einem Raumflug
sehr schnell relativ zur Erde bewegt, er seinen
Wenn für einen ruhenden Beobachter in S
Bruder bei der Rückkehr um Jahre gealtert vor-
die Ereignisse gleichzeitig stattfinden, so ist
findet (Zwillingsparadoxon).
Δt = 0. Nach (10.7) sind für den bewegten Be-
Die Längenkontraktion und die Zeitdilatation
obachter in S die Ereignisse nicht gleichzeitig.
wurden durch Experimente mit Elementarteil-
Welches der beiden Ereignisse der Beobach-
chen bestätigt. In etwa 30 km Höhe entste-
ter früher oder später sieht, hängt vom Wert
hen μ-Mesonen, die eine Zerfallsdauer von
der Koordinaten x2 und x1 ab, da die Differenz
etwa tZ = 2 · 10−6 s aufweisen. Sie haben eine
x2 − x1 das Vorzeichen bestimmt. Finden zwei
Geschwindigkeit in der Größenordnung der
Ereignisse am gleichen Ort statt (x2 = x1 , d. h.
Lichtgeschwindigkeit ( ≈ c). Ohne relativis-
x2 − x1 = 0), dann gilt für (10.7)
tische Effekte können die μ-Mesonen nur den
Weg c tZ = 3 · 108 · 2 · 10−6 m = 600 m zu-
Δt rücklegen. Dennoch werden die μ-Mesonen
Δt = γΔt = 2 . (10.8)
1− auf der Erdoberfläche nachgewiesen (30 km
c entfernt). Dies kann sowohl durch die Län-
Bewegen sich zwei Beobachter mit ei- genkontraktion, als auch durch die Zeitdilata-
ner konstanten Geschwindigkeit relativ tion erklärt werden. Wegen der Mesonenge-
zueinander, dann erscheint das Zeitin- schwindigkeit von = 0,9998 c0 beträgt der
tervall Δt des Systems S vom System S relativistische Faktor γ = 50. Aufgrund der
aus betrachtet größer zu sein und umge- Längenkontraktion erscheint dem bewegten
kehrt. Dieser Effekt wird Zeitdilatation μ-Meson der Weg von 30 km tatsächlich auf
genannt. l = 30 · 103 · 0,02 m = 600 m verkürzt. Ver-
wendet man (10.8) für die Zeitdilatation, so
erscheint die Zerfallszeit von der Erde aus
Die Zeitdilatation ist ebenfalls im Minkowski- auf Δt = 2 · 10−6 / 0,02 s = 10−4 s gedehnt, so-
Diagramm (Abb. 10.5) zu erkennen. Liegt bei- dass die μ-Mesonen im Koordinatensystem
spielsweise im System S zwischen zwei Ereig- der Erde den Weg c Δt = 3 · 108 · 10−4 km =
nissen die Zeitspanne Δt = 2 s, so erscheint 30 km zurücklegen können.
diese einem Beobachter in S als Δt = 3 s und
umgekehrt. Beispiel
Die Zeitdilatation hat zur Folge, dass für zwei 10.3-1 Ein Raumfahrer besteigt im Alter von dreißig
Jahren ein sehr schnelles Raumschiff. Während er nach
gegeneinander bewegte Beobachter jeder fest-
seiner Zeitmessung fünf Jahre später wieder heim-
stellt, dass die Uhr des anderen nachgeht (Uh- kehrt, ist sein Zwillingsbruder bereits sechzig Jahre alt.
renparadoxon). Dies wurde beim deutschen Wie schnell muss der Raumfahrer fliegen, um diesen
Spacelab-Flug D-1 im Experiment Navex be- Zeitunterschied zu erzeugen? Wie groß ist die Zeitdi-
stätigt. Es stellte sich heraus, dass die Borduhr latation bei der Geschwindigkeit = 3 000 m/s?
874 10 Spezielle Relativitätstheorie
m0 ay
Fy = 2 = m0 γ ay , (10.14)
1−
c
m0 az
Fz = 2 = m0 γ az . (10.15)
1−
c
⎛ ⎞
−1 Wird ein Körper im System S in x-Richtung
⎜ ⎟
E = E0 ⎝ −1 ⎠ beschleunigt, dann muss folgende Beschleu-
0
nigungsarbeit geleistet werden: Für die Ver-
mit E0 = 105 V/m beschleunigt. Wie lautet der Vektor a schiebung längs des Weges dx ist die Arbeit
der Beschleunigung, wenn das Teilchen im betrachte- dW = Fx dx erforderlich. Mit (10.13) ergibt
ten Zeitpunkt a) ruht und b) die Geschwindigkeit sich
⎛ ⎞ dx
1
c⎜ ⎟
dW = m0 γ 3 ax dx = m0 γ 3 x dt
= ⎝ 0 ⎠ hat? dt
2
0 = m0 γ 3 x dx .
Der Index „x“ wird im Folgenden weggelas-
Lösung sen, da ohnehin nur x-Komponenten betrach-
Die Kraft beträgt immer tet werden. Die Gesamtarbeit bei der Beschleu-
nigung von der Geschwindigkeit = 0 auf
⎛ ⎞
1 beträgt
−14 ⎝
F = −E e = 1,602 · 10 N 1 ⎠ .
0 m0
W = 2 3/ 2 d .
a) Der relativistische Faktor ist γ = 1 für 0 1−
c
= 0. Damit ist nach (10.13) bis (10.15)
ax = Fx / m0 = 1,759 · 1016 m/s2 und ay = Nach Ausführung der Integration ergibt sich
1,759 · 1016 m/s2 . Der Beschleunigungsvek- m0
W = 2 2
2 c − m0 c .
tor lautet
⎛ ⎞ 1−
1 c
a = a0 1 ⎠
⎝ Dieser Ausdruck wird wie in der klassischen
0 Mechanik als kinetische Energie des Körpers
interpretiert:
mit a0 = 1,759 · 1016 m/s2 ; er ist parallel zum
Kraftvektor.
b) Der relativistische Faktor ist Ekin = m c2 − m0 c2 . (10.16)
1
γ= = 1,155 .
1 Für kleine Geschwindigkeiten << c geht
1− (10.16) in den klassischen Ausdruck für die
4
kinetische Energie über:
Die Beschleunigungskomponenten sind da- ⎛ ⎞
her ax = Fx / (m0 γ 3 ) = a0 /γ 3 = a0 / 1,54; ay =
⎜ ⎟
Fy / (m0 γ ) = a0 / 1,155. Damit beträgt der Be- =⎜
1 ⎟
⎝
2
Ekin 2 − 1⎠ m0 c
schleunigungsvektor
1−
⎛ ⎞ c
0,650
1 2 1
a = a0 ⎝ 0,866 ⎠ ; ≈ 1 + 2 − 1 m0 c2 = m0 2 .
2c 2
0
Gleichung (10.16) zeigt, dass die von einer äu-
er ist also nicht parallel zum Kraftvektor. ßeren Kraft an einem Massenpunkt geleistete
878 10 Spezielle Relativitätstheorie
Arbeit zu einer Massenänderung führt. Allge- wendung der relativistischen Beziehungen än-
mein lässt sich zeigen, dass für alle Energie- dert.
formen gilt: Zwischen Energie und Impuls eines Teilchens
folgt durch Kombination von (10.11) und
Jede Energiezufuhr ist mit einer Massen- (10.17)
zunahme verknüpft.
E2
p2 = − m20 c2 . (10.19)
c2
Die einzelnen Glieder in (10.16) können fol-
gendermaßen definiert werden:
Für das Photon mit der Ruhemasse m0 = 0
ergibt sich hieraus p = E/ c, oder, mit E = hf
E = mc2 (10.17) nach (6.135), p = hf / c = h/λ. (6.138)
Beispiel
ist die Gesamtenergie des Körpers, 10.4-2 Bei der Annihilation eines Elektrons (−e) und
eines Positrons (+e) verschwinden die beiden Teilchen
und es entsteht γ -Strahlung. Aufgrund des Impulser-
E0 = m0 c2 (10.18)
haltungssatzes entstehen zwei Photonen, die in ent-
gegengesetzter Richtung ausgesandt werden. Zu be-
rechnen sind die Energie und die Wellenlänge jedes
Photons.
ist die Ruheenergie.
Die kinetische Energie ist die Differenz aus
Gesamtenergie E und Ruheenergie E0 : Ekin = Lösung
bewegten Ladungen erhalten eine Verknüp- tral. Aufgrund der Lorentz-Kraft wird die La-
fung durch die Relativitätstheorie. Es lässt sich dung Q durch das Magnetfeld des Stroms vom
zeigen, dass ein rein elektrisches Feld in ei- Draht abgestoßen.
nem System S von einem Beobachter in S , das Das System S soll sich mit der Geschwindig-
sich relativ zu S bewegt, als elektrisches und keit = u längs des Leiters nach rechts bewe-
magnetisches Feld gesehen wird. Ebenso er- gen. In S ruhen die Ladung Q und die Elek-
hält ein rein magnetisches Feld durch Wechsel tronen des Leiters. Die positiven Ionen lau-
in ein bewegtes Koordinatensystem zusätzlich fen dafür nach links mit der Geschwindigkeit
ein elektrisches Feld. Elektrische und magneti- u = −u. Im Gegensatz zum System S ist in
sche Kräfte sind damit nur verschiedene Spiel- S der Draht aber elektrisch nicht neutral. In-
formen desselben physikalischen Phänomens, folge der Längenkontraktion ist nämlich der
der elektromagnetischen Wechselwirkung. Je Abstand zwischen den positiven Ionen kleiner,
nach Wahl des Koordinatensystems ist die der Abstand zwischen den negativen Elektro-
Wechselwirkung rein elektrisch, rein magne- nen größer als im System S. Dadurch wird die
tisch oder gemischt. Ladungsdichte Š+ > Š− , der Draht ist posi-
Zur Illustration soll nach Abb. 10.7 die Kraft tiv geladen. Zusätzlich zum Magnetfeld ent-
zwischen der Ladung Q und einem Leiter be- steht ein radial nach außen gerichtetes elek-
rechnet werden. Im System S ruht der Draht, trisches Feld, das die ruhende Ladung Q ab-
die Elektronen fließen mit der Geschwindig- stößt.
keit u nach rechts, die konventionelle Strom- Vom Standpunkt der Relativitätstheorie ist
richtung geht nach links. Die Ladung Q bewege klar, dass zumindest bei kleinen Geschwindig-
sich mit der Geschwindigkeit u ebenfalls nach keiten ( << c, γ ≈ 1) die Wechselwirkungs-
rechts. Der Draht ist insgesamt elektrisch neu- kraft unabhängig von der Wahl des Koordina-
tensystems sein muss. Die beiden Ausdrücke
für die Kraft, die in Abb. 10.7 angegeben sind,
können also gleichgesetzt werden:
μ0 I u2 Š+ AQ
Qu = 2 .
2πr c 2πε0 r
Mit I = Š+ uA ergibt sich ein Zusammenhang
zwischen den elektrischen und magnetischen
Feldkonstanten und der Lichtgeschwindigkeit:
1
c2 = . (10.20)
ε0 μ0
10.5.2 Doppler-Effekt des Lichtes Wenn sich der Beobachter der Quelle nähert,
gilt
Beim Doppler-Effekt des Schalls (Ab-
schn. 5.2.3) müssen mehrere Fälle unter-
c+
schieden werden: Die Frequenzverschiebung f =f . (10.23)
ist jeweils anders für den Fall, dass der Beob- c−
achter im Übertragungsmedium Luft ruht und
die Quelle bewegt wird oder dass die Quelle
ruht und sich der Beobachter bewegt. Einstein Beispiel
folgerte aus dem Experiment von Michelson 10.5-1 Ein Flugzeug fliegt mit der Geschwindigkeit
und Morley, dass für Licht kein Übertragungs- = 300 m/s auf einen Radarsender der Frequenz f =
9 GHz zu. Wie groß ist die Frequenzänderung, die im
medium (Äther) existiert. Dies bedeutet, dass
Flugzeug gemessen wird?
man beim Doppler-Effekt des Lichts nicht die
oben erwähnten Fälle unterscheiden muss.
Die Frequenzänderung hängt lediglich von Lösung
der Relativgeschwindigkeit zwischen Quelle Da << c ist, kann (10.23) entwickelt werden:
und Beobachter ab. f ≈ f (1 + / c) = f (1 + 1 · 10−6 ). Die relative
Eine einfache Ableitung der Doppler-Formel Frequenzänderung beträgt Δf / f = (f − f )/ f =
ist möglich mit der Lichtquantenvorstellung. f / f − 1 = 10−6 . Die absolute Frequenzände-
Im System S werden Photonen der Energie rung ist Δf = 1 kHz.
E = hf emittiert. Im System S , das sich mit
Gleichungen (10.22) und (10.23) beschreiben
der Geschwindigkeit vom System S entfernt,
die Frequenzverschiebung beim longitudina-
sitzt ein Beobachter, der die Energie E = hf
len Doppler-Effekt, bei dem der Beobachter
der Photonen registriert. Werden die Photo-
sich längs der Lichtstrahlen bewegt. Bewegt
nen zunächst als materielle Teilchen angese-
sich der Beobachter mit der Geschwindigkeit
hen, dann ist ihre Energie bzw. ihr Impuls
senkrecht zu einem Lichtstrahl, dann wird der
in S: E = m(u)c2 , p = m(u)u , transversale Doppler-Effekt beobachtet. In die-
in S’: E = m(u )c2 , p = m(u )u . sem Fall beträgt die beobachtete Frequenz
Die Geschwindigkeiten transformieren sich
2
nach (10.9):
f
=f 1− . (10.24)
u + c
u= .
u
1+ 2
c Dieser Ausdruck entspricht der Zeitdilatation
Aus diesen Gleichungen folgt nach einigen von (10.8), nach der bewegte Uhren langsamer
Umformungen E = (E +p )γ . Wird jetzt spezi- laufen. In der klassischen Wellenlehre gibt es
ell für Photonen E = hf , E = hf und p = E / c keinen transversalen Doppler-Effekt.
eingesetzt, dann ergibt sich hf = hf (1 + / c)γ
oder für die Frequenz im System S Zur Übung
Ü 10-1 Ein Studierender der Ingenieurwissenschaften
hat diesen Abschnitt des Buches studiert und findet
c−
f
=f . (10.22) die Lorentz-Kontraktion für eine Schlankheitskur ge-
c+ eignet. Wie groß müsste seine Geschwindigkeit sein,
damit er ruhenden Betrachtern nur noch drei Viertel
10.5 Spezielle Relativitätstheorie in der Elektrodynamik 881
so dick erscheint? Kann er sich, was den Massenzu- weitere lichtgesteuerte Zugtür angebracht werden, da-
wachs betrifft, darüber freuen? mit der Beobachter B am Bahnsteig ein gleichzeitiges
Öffnen beider Türen feststellt?
Ü 10-2 Ein Proton der Ruhemasse mpo und der Ge-
schwindigkeit = 0,75 c stößt mit einem ruhenden Ü 10-4 Ein Autofahrer fährt mit = 100 km/h auf
Proton zusammen. Nach einem vollkommen unelas- ein Verkehrsradargerät zu. Der am Auto reflektierte
tischen Stoß entsteht ein neues Teilchen der Ruhe- Radarstrahl wird mit einem Detektor unmittelbar ne-
masse m0 . Wie groß ist m0 , und welche Geschwin- ben dem Sender nachgewiesen. Wie groß ist die Fre-
digkeit u hat das neue Teilchen (keine Energieabgabe quenz fE des Empfangssignals, wenn das Sendesignal
nach außen)? die Frequenz fS = 9 GHz hat? Wie groß ist die Schwe-
bungsfrequenz, wenn die beiden Signale überlagert
Ü 10-3 Ein Einstein-Zug der Länge l = 2 · 106 km werden?
und der Geschwindigkeit = 240 000 km/s hat Türen
im ersten und letzten Wagen, die sich bei Lichteinfall Ü 10-5 Um wie viel verringert sich die Masse eines
automatisch öffnen. In der Mitte des Zuges befindet Kernreaktors in einem Jahr, wenn ohne Unterbrechung
sich ein Fahrgast A. Sobald die Zugmitte den am die konstante Leistung P = 500 MW abgegeben wird?
Bahnsteig stehenden Beobachter B passiert, wird
im Zuginnern von A ein Lichtsignal ausgesandt. In Ü 10-6 Wie groß ist die Masse eines Elektrons, das
welchen zeitlichen Abständen öffnen sich für A und auf die kinetische Energie Ekin = 30 GeV beschleunigt
B die Zugtüren? Wie weit von A entfernt müsste eine wird und wie groß ist seine Geschwindigkeit?
Kapitel 11
Anhang 11
11
11 Anhang
1. Einführung
Ü 1.3-1: Die für die Aufgabe relevanten Glei- 2,08. Damit wird die Messunsicherheit
chungen sind in Tab. 1.6 zusammengestellt. uz = ΔT t0,95 = 0,0072 s. Das Endergebnis
lautet somit T0,95 = (1,2116 ± 0,0072)s.
a) Der wahrscheinlichste Wert der Schwin-
gungsdauer T ist der arithmetische Mittel- Ü 1.3-2:
wert a) Der wahrscheinlichste Wert der Wärme-
1
N leitfähigkeit λ berechnet sich aus den Mit-
T = Ti = 1,2116 s . telwerten der Messgrößen:
N i=1
Φs W
b) Die minimale Fehlersumme beträgt λ= = 0,575 .
a b T2 − T1 m·K
N
= = 0,007136 s2 .
2
FSmin Ti2 − N T b) Die Standardabweichung des Mittelwerts
i=1 der Wärmeleitfähigkeit beträgt
Daraus folgt für die Standardabweichung Δλ = sλ
des Messverfahrens
2
∂λ ∂λ 2
sT =
FSmin
= 0,0172 s .
ΔΦ + Δs
N−1
∂Φ 2 ∂s 2
∂λ ∂λ
c) Die Standardabweichung des arithmeti- =
+ Δa + Δb
∂a 2 ∂b 2
schen Mittelwerts beträgt
∂λ ∂λ
sT + ΔT 2 + ΔT 1
sT = ΔT = √ = 0,00345 s . ∂T2 ∂T1
N
Die Ableitungen sind:
d) Wenn eine statistische Sicherheit von 95%
∂λ s λ
verlangt wird, beträgt der t-Faktor nach = =
der Interpolationsformel von Tab 1.7 für ∂Φ a b (T2 − T1 ) Φ
nW = N − 1 = 24 Wiederholungen t0,95 = = 0,03592 m−1 K−1 ,
M. Stohrer, E. Hering, R. Martin, Physik für Ingenieure.
DOI 10.1007/978-3-642-22569-7_11 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
886 11 Anhang
∂b ∂T2 2 ∂T1 1
s +
∂y1 y
s +…+
∂y2 y
sa1 =
∂a1 2
Mit den bereits berechneten Ableitungen + s
ergibt sich
∂yN y
x4i
Δλmax = 0,0259
W oder sa1 = sy .
m·K
. Δ
In gleicher Weise folgt für die Standardabwei-
Der relative Größtfehler beträgt
chung von a2 :
Δλmax x2i
= 4,5% . sa2 = sy .
λ Δ
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 887
2. Mechanik
Ü 2.2-2:
a)
Ü 2.2-3: Die Wurfparabel für den waagrech- Daraus folgt für die Zeitspanne
ten Wurf entsteht durch Überlagerung einer 2 Δs
Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit in Δt = = 66,5 s .
1 + 2
x-Richtung und einer Fallbewegung mit kon-
stanter Beschleunigung in y-Richtung. Ent- b) Die Tangentialbeschleunigung ist
sprechend lautet der Vektor der Beschleuni- Δ 2 − 1 m
atan = = = 0,293 2 .
gung
Δt Δt s
0 0
a= , der Geschwindigkeit = c) Mit dem in Tab. 2.1 dargestellten Zusam-
−g −gt menhang zwischen Tangentialbeschleuni-
0 t gung und Winkelbeschleunigung ergibt
und der Ortsvektor r = .
h − 12 gt2 sich
Die Fallzeit tF bestimmt sich aus der Forde- a rad
rung, dass die y-Komponente des Ortsvektors α = tan = 1,46 · 10−4 2 .
r s
null wird: y(tF ) = 0 = h − 12 gtF2 . Daraus folgt
d) Die Zentripetalbeschleunigung ist
tF = 2hg = 0,391 s.
In dieser Zeit wurde in x-Richtung der Weg 2
azp = rω2 = .
s = 0,40 m = 0 tF zurück gelegt. Dies ergibt r
die Geschwindigkeit 0 = 1,02 m/s. Damit wird
Ü 2.2-4: Im Fall konstanter Winkelbeschleu- 21 m
nigung (-verzögerung, α < 0) gilt für die azp,1 = = 0,0347 und
r s2
Winkelgeschwindigkeit ω(t) = ω0 + α t und 22 m
für den Drehwinkel ϕ(t) = ω0 t + 12 α t2 . Am azp, 2 = = 0,386 2 .
r s
Ende des Bremsvorganges (Zeitpunkt tf ) gilt
ω(tf ) = 0 = ω0 + α tf und N · 2π = ω0 tf + Ü 2.2-6:
2 α tf . Die Auflösung der beiden Gleichun-
1 2
a) Die Winkelgeschwindigkeit folgt aus der
gen für die beiden Unbekannten α und tf lie- Periodendauer gemäß
fert
2π rad
ω2 π n2 rad ωE = = 7,29 · 10−5 .
a) α = − 0 = − 0 = −34,2 2 und TE s
4N π N s b) Der Vektor ωE verläuft parallel zur
ω0 2N Erdachse (Drehachse) von Süden nach
b) tf = − = = 4,29 s.
α n0 Norden.
890 11 Anhang
c) Die Umfangsgeschwindigkeit ist das Pro- eine Kreisbewegung, wenn eine in Rich-
dukt aus Winkelgeschwindigkeit und Ab- tung Zentrum wirkende Kraft vorhanden
stand r von der Drehachse: ist, die Zentripetalkraft.
= r ω = Rω cos ϕ .
c) Wenn die Kugeln wieder mit einem Zehn- oben. Die resultierende Kraft ist verant-
tel ihrer Geschwindigkeit abprallen, ist die wortlich für die Beschleunigung des Mit-
mittlere Beschleunigung größer als in a), fahrers. Also gilt nach Newton:
nämlich Fres= mM g − FBoden = mM a oder
+ 0,1 · FBoden = mM (g − a) = 681,5 N .
am = = 1,1 .
T T Nach actio = reactio drückt der Mitfahrer
Die mittlere Kraft wird jetzt auch um 10 % mit derselben Kraft auf den Boden. Wenn
größer als bei a), nämlich Fm = 132 N. er auf einer Waage stünde, würde diese die
FBoden
Ü 2.3-4: Wenn der Körper nach Süden be- Masse mscheinbar = = 69,5 kg anzei-
g
schleunigt wird, wirkt die resultierende Kraft gen.
F res = F 1 +F 2 +F 3 ebenfalls nach Süden, bzw. in c) Nach einer Fallhöhe von h = 15 m hat
einem kartesischen x, y-Koordinatensystem in die Kabine
√ die Geschwindigkeit (Abb. 2.6)
Richtung der negativen y-Achse. Ihr Betrag ist = 2 a h = 4,66 m/s. Um diese Ge-
Fres = m a = 2 N. In vektorieller Schreibweise schwindigkeit innerhalb des Bremsweges
gilt damit s = 20 cm auf null abzubremsen ist die
mittlere Beschleunigung
0 0 2N F3, x 2 m
= + + am = = 54,2 2
−2 N 3N 0 F3, y 2s s
nach oben erforderlich. Diese wird auf-
−2 N
oder F 3 = . gebracht von der resultierenden Kraft aus
−5 N
Gewichtskraft nach unten und Bodenkraft
Der Betrag der Kraft ist nach oben:
√ Fres = FBoden − mM g = mM am .
F3 = |F 3 | = 4 + 25 N = 5,39 N .
Die mittlere Kraft in den Beinen ist die Ge-
Sie weist in den dritten Quadranten des Koor- genkraft zur Bodenkraft. Also gilt
dinatensystems. Der Winkel zur positiven x-
h
Achse beträgt Fm = mM (g + am ) = mM g + a
s
5
ϕ = arctan = 68,2◦ + 180◦ = 248,2◦ . = 4 802 N .
2
Dies ist das 6,5-fache seiner Gewichtskraft.
Ü 2.4-1: Die Zentrifugalkraft zieht senkrecht der Erdachse und weist nach außen. Der Be-
zur Erdachse nach außen und beträgt un- trag ist wieder aC = 2ωE .
abhängig von der Geschwindigkeit des Kör- Ü 2.4-3:
pers (Ü 2.2-6) Fzf = m r ω2 = m R cos ε ω2E =
a) Das Lot hängt in Richtung g eff (Abb. 2.23).
0,218 N. Die Geschwindigkeit des fallenden
Für den Winkel β zwischen g eff und g gilt
Körpers weist näherungsweise in Richtung
nach dem Sinus-Satz
Erdmittelpunkt (s. Ü. 2.4-3). Die Winkelge-
schwindigkeit ωE liegt parallel zur Erdachse. sin β sin ε
= .
Damit weist die Coriolis-Kraft F C = 2m × ωE azf geff
nach Osten (in die Zeichenebene hinein). Damit ist
Sie beträgt FC = 2m ωE sin(90◦ + ε) =
azf rE ω2E
2m ωE cos ε = 0,0937 N. sin β = sin ε = cos ε sin ε
geff geff
und β = 0,0975 ◦ .
b) Die Kugel wird nach Osten abgelenkt, wie
in Ü 2.4-1 erläutert. Die Ablenkung kann
folgendermaßen bestimmt werden: Wäh-
rend des Falls wirkt die Coriolis-Kraft
in Richtung Osten (positive x-Richtung),
wenn man vernachlässigt, dass sie sich
ein klein wenig dreht. Ihr Betrag ist FC =
2m ωE cos ε. Für die Fallgeschwindigkeit
gilt = g t. Damit erfährt der Körper eine
Beschleunigung
FC
aC = = 2 g ωE cos ε · t
m
Ü 2.4-2: Die Coriolis-Beschleunigung ist aC = nach Osten, d. h. in x-Richtung. Die x-
2ωE × ; dabei ist ωE die Winkelgeschwindig- Ablenkung ergibt sich durch zweifache In-
keit der Erde und die Geschwindigkeit des tegration: x = g ωE cos ε t2 ,
Flugzeugs relativ zur Erde. 1
Flug nach Norden: hat die Richtung eines x = g ωE cos ε t3 .
3
Meridians. Die Coriolis-Beschleunigung aC
weist damit nach Westen. Der Betrag ist aC = Der Ortsvektor der Bahnkurve lautet somit
1
2ωE sin ε. Dieser Fall ist in Abb. 2.24 darge- g ωE cos ε t3
r(t) = 3 .
stellt. h − 12 g t2
Flug nach Süden: aC weist in Richtung Osten,
Am Ende des freien Falls ist die Ablenkung
der Betrag ist wieder aC = 2ωE sin ε.
Flug nach Osten: ωE und stehen senkrecht 1
x(tF ) = g ωE cos ε tF3 ≈ 5 mm
aufeinander. Der Vektor aC weist ins Erdin- 3
nere, er steht senkrecht auf der Erdachse. Der mit der Fallzeit
Betrag ist aC = 2ωE .
2h
Flug nach Westen: ωE und stehen senkrecht tF = = 3,19 s .
aufeinander. Der Vektor aC steht senkrecht auf g
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 893
stand 1). Wenn die Kugel ihre größte Höhe Mit dem Kraftgesetz F(x) = k x = k1 x + k2 x3
erreicht hat (Zustand 2), muss sie dieselbe po- wird das Integral
tenzielle Energie besitzen, also ist 12 k (Δy)2 =
s
m g h. Daraus folgt für die Steighöhe
Ekin = (k1 x + k2 x3 ) dx
k (Δy)2
h= = 2,87 m . 0
2m g 1 2 1 4 s 1 1
= k1 x + k2 x = k1 s2 + k2 s4 .
Bezüglich der ungespannten Feder ist die 2 4 0 2 4
Steighöhe h = h − Δy = 2,72 m. Durch Auflösen der biquadratischen Glei-
chung
1 4 1 2
k2 s + k1 s − Ekin = 0
4 2
folgt für den Federweg
k k1 2 4Ekin
s2 = − +
1
+
k2 k2 k2
= 2,606 · 10−4 m2 und s = 1,61 cm .
Ü 2.7-1: Wegen der Abwesenheit äußerer
Kräfte gilt der Impulserhaltungssatz:
m
m = .
2
Ü 2.6-3:
Damit wird die Geschwindigkeit der weiter
a) Nach Abb. 2.34 ist die erforderliche Arbeit fliegenden Rakete = 2.
W12 = 12 k (l22 −l12 ). Sie entspricht der grauen
Fläche im Kraft-Weg-Diagramm, die sich
als Trapezfläche sehr einfach aus der mitt-
leren Höhe F1 + ΔF / 2 und der Breite Δl
berechnen lässt:
Ihre kinetische Energie ist
ΔF
W12 = F1 + Δl = 13 J . 1 m 2
2 Ekin = = m 2 .
2 2
b) Die Gesamtenergie ist Eelast = 12 k l22 . Mit Die kinetische Energie zu Beginn der Bewe-
der Federsteifigkeit k = ΔΔFl = Fl22 folgt dar- gung ist
aus 1
1 F22 1 (F1 + ΔF)2
Ekin = m 2 .
2
Eelast = = Δl = 21,3 J .
2 k 2 ΔF Der Differenzbetrag ΔE = Ekin − Ekin = 12 m 2
Ü 2.6-4: Die gesamte kinetische Energie wird ist dem System zuzuführen (z. B. durch das
in potenzielle Energie der gespannten Feder Lösen gespannter Federn oder durch eine
umgesetzt: Sprengladung etc.).
896 11 Anhang
FC · 5,5 m − Fy · 3 m = 0
oder
F·3
FC = √ = 192,8 N .
5,5 · 2
Damit wird
F
FA, y = √ − FC = 160,7 N .
2
Die Kraft am Lager A beträgt somit
FA = FA,2
x + FA, y = 388,4 N .
2
Ü 2.9-2:
Ü 2.8-2: Das Massenträgheitsmoment einer a) Wenn die Kugeln als Massenpunkte ange-
Punktmasse ist J = m r2 . Bei mehreren Mas- nähert werden und die Stabmasse vernach-
senpunkten gilt J = mk rk2 . Für das Quadrat lässigt wird, gilt
von Abb. 2.48 ergibt sich: 2
l
√ 2 JS = 2 m = 1 kg m2 .
a) JA = 4m b2 2 = 2m b2 , 2
√ 2
b) JB = 2m b2 + m b 2 = 4m b2 ,
2
c) JC = 2m √b2 = m b2 ,
d) JD = 2m b2 .
898 11 Anhang
b) Das Massenträgheitsmoment des Stabes ist c) Die beiden ungleichen Fadenkräfte üben
nach (2.60) auf das Rad ein Drehmoment aus vom Be-
trag
1
JSt = 2
mSt lSt .
12
M = (FF,2 − FF,1 ) r = 1,097 N m .
Zur Berechnung der Stablänge lSt muss zu-
nächst der Kugelradius ermittelt werden. In Analogie zum Newton’schen Grundge-
Es gilt für die Kugelmasse m = 43 π rK3 ρ und setz F = ma gilt für Drehbewegungen
damit rK = 3 43πmρ = 39,3 mm. M = J α (Tab. 2.6). Das Massenträgheits-
moment des Rades ist folglich
Die Stablänge ist damit lSt = l − 2rK =
0,9213 m. M Mr
Mit der Stabmasse mSt = π4 dSt lSt ρ = J = = = 0,658 kg m2 .
2
α a
0,568 kg folgt für das Massenträgheitsmo-
ment des Stabes JSt = 0,04018 kg m2 .
Das Massenträgheitsmoment einer Kugel
bezüglich ihres Schwerpunkts ist nach
Abb. 2.60 JK = 25 m rK2 = 1,237 · 10−3 kg m2 .
Das Massenträgheitsmoment beider Ku-
geln bezüglich Schwerpunkt S ergibt sich
mithilfe des Steiner’schen Satzes (2.132),
zu
2
l
JK,S = 2 JK + m = 1,002 kg m2 .
2
Über dem Körper 2 ist die Fadenkraft Die Sinusfunktion des doppelten Winkels ist
null für die Winkel ϑ = 0 und 90◦ , sie ist ma-
FF,2 = m2 (g − a) = 13,97 N . ximal für ϑ = 45◦ .
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 899
|M| = m r2 ω2 sin 2ϑ .
900 11 Anhang
b) Am Stab greifen zwei Kräfte an: die Ge- Die kinetische Energie wurde hierbei als
wichtskraft im Schwerpunkt S und die La- reine Rotationsenergie bezüglich L ange-
gerkraft im Lager L. Nach dem Schwer- setzt. Für die Winkelgeschwindigkeit folgt
punktsatz (2.52), ist es unerheblich, wo die
3g rad
äußeren Kräfte Fa angreifen. Der Schwer- ω= = 4,04 .
l s
punkt wird auf jeden Fall beschleunigt ge-
mäß Ü 2.9-7:
Fa = FG + FL = m aS . a) Die Beschleunigung ist konstant, so dass
Für die Beträge gilt das Weg-Zeit-Gesetz s = 12 a t2 (Abb. 2.6)
3 gilt. Daraus folgt die Beschleunigung
m g − FL = m g und
4 2s m
1 a= 2
= 1,45 2 .
FL = m g = 3,43 N . t s
4 Die Winkelbeschleunigung des abrollen-
Lösungsvariante:
den Rades ist α = ar .
Das Grundgesetz der Drehbewegungen an-
Wendet man das Grundgesetz der Dreh-
gewandt auf den Schwerpunkt lautet MS =
bewegungen M = J α (Tab. 2.6) auf den
JS α. Nun ist MS = FL 2l und JS = 12 1
m l2 .
Momentanpol P an, so ergibt sich
Mit dem bereits bekannten Wert für die
Winkelbeschleunigung α = 32 gl ergibt sich MP = m g r sin β = JP α und damit
FL 2l = 121
m l2 · 32 gl oder FL = 14 m g. m g r sin β
JP = .
c) Die gesuchte Winkelgeschwindigkeit er- a/ r
gibt sich aus dem Energieerhaltungssatz.
Wird der Nullpunkt der potenziellen Ener-
gie willkürlich in den tiefsten Punkt des
Schwerpunktes gelegt (s. Skizze), dann gilt
Epot,1 = Ekin,2 oder
l 1 1 1
m g = JL ω2 = m l2 ω2 .
2 2 2 3
b) Die Winkelbeschleunigung des Rades wird Durch Umformung folgt mit (2)
verursacht durch ein Drehmoment, das ω0 r
die Haftreibungskraft am Umfang des Ra- tf = .
μ g 1 + mJSr
2
des erzeugt. Bezüglich Schwerpunkt S gilt
MS = FR r = JS α.
Mithilfe von (1) ergibt sich für die Endge-
Die Haftreibungskraft beträgt FR ≤
schwindigkeit
μH FN = μH m g cos β (Abb. 2.20). Damit ist
der erforderliche Haftreibungskoeffizient ω0 r 2π n0 r m
f = (tf ) = m r2
= m r2
= 17,6 .
s
JS α J a 1+ JS 1+ JS
μH ≥ = 2 S
r m g cos β r m g cos β b) Die Rutschphase dauert
a
= tan β − = 0,115 . 2π n0 r
g cos β tf = =
f
= 8,97 s .
μ g 1 + mJSr
2 μg
Ü 2.9-8:
a) Die beschleunigende Kraft ist die Rei-
bungskraft FR = μ m g zwischen Rad und
Fußboden. Sie bewirkt eine konstante Be-
schleunigung a = FmR = μ g. Damit steigt
die Geschwindigkeit des Rades linear mit
der Zeit an:
(t) = a t = μg · t . (1)
kann der Drehimpuls eines starren Kör- Ü 2.9-9: Bezüglich Aufhängepunkt A wirkt
pers zusammen gesetzt werden aus einem das Drehmoment der Gewichtskraft M =
Drehimpuls um seinen Schwerpunkt sowie m g l sin ϑ. Der Vektor M steht senkrecht auf
dem Bahndrehimpuls des Schwerpunkts, der Zeichenebene und weist in dieselbe hinein.
in dem die Gesamtmasse vereinigt ist: Aufgrund des Drehmomentes ändert sich die
L = LS + m r × S . Horizontalkomponente LH = L sin ϑ des Dreh-
impulses L in der Zeitspanne dt um dLH =
Vor dem Aufsetzen gilt L = LS = JS ω0 .
M dt.
Nach Ablauf des Rutschvorgangs gilt L =
Wie in Abb. 2.68c dargestellt ist, dreht sich da-
JS ωf + mr f .
durch der Vektor LH um den Winkel
Mit der Abrollbedingung = ω r folgt
f
JS ω0 = JS + m r f dϕ =
M dt
.
r L sin ϑ
und daraus
rω0
f = JS = 2 .
Die Winkelgeschwindigkeit der Präzession
1 + mJSr wird damit
dϕ m g l sin ϑ mg l
ωP = = = ,
dt L sin ϑ L
ist also nicht abhängig vom Winkel, den die
Drehachse mit der Vertikalen einnimmt.
Ü 2.10-2: Der neutrale Punkt P habe von der folgt für die Bahngeschwindigkeit
Erde aus den Abstand r0 . Die Anziehungskräfte
G mE m
FE und FM , die ein Körper der Masse m zur Erde = = 7,35 · 103 .
bzw. zum Mond erfährt, sollen gleich sein: rE + h s
m · mE m · mM b) Schreibt man die Gleichgewichtsbedin-
G =G .
r02 (rE,M − r0 )2 gung als
m · mE
Aus dieser Bedingung folgt eine quadratische G = m (rE + h) ω2
Gleichung für den gesuchten Abstand: (rE + h)2
4π2
mM = m (rE + h) 2 ,
2
r0 1 − 2
− 2rE,M r0 + rE,M =0. T
mE
so folgt für die Umlaufzeit
Die Lösung dieser Gleichung liefert
(rE + h)3
rE,M T = 2π = 6 299 s = 1 h 45 min .
r0 =
. G mE
1 ± mmME
Diese Gleichung entspricht dem dritten
Nur die positive Lösung der Wurzel liefert Kepler’schen Gesetz, (2.139).
einen Ort, der zwischen Erde und Mond liegt c) Der Satellit hat auf seiner Umlaufbahn die
und zwar im Abstand r0 = 346 000 km ≈ Energie
54,3 · rE . Die negative Lösung der Wurzel führt 1 m · mE
zu einem Punkt, der rechts vom Mond im Eh = m 2 − G .
2 rE + h
Abstand r0 = 432 000 km liegt. Die Gravitati-
Vor dem Start auf der Erdoberfläche hat
onskräfte sind in diesem Punkt auch gleich,
der Satellit die Energie
allerdings ziehen beide in Richtung Erde.
1 m · mE
E0 = m 20 − G .
2 rE
Ü 2.10-3:
Die aufzuwendende Arbeit, um den Satel-
a) Aus der Gleichgewichtsbedingung zwi- liten auf seine Bahn zu bringen ist damit
schen Gravitationskraft und Zentrifugal-
1
kraft W = Eh − E0 = m 2 − 20
2
m · mE m 2 1 1
G = − G m mE − .
(rE + h)2 rE + h rE + h rE
904 11 Anhang
c) Nach (2.68) ist die Formänderungsarbeit Durch Umformung ergibt sich für die gesuchte
W = 12 k s2 = 12 k (l ε)2 = 12,5 J. Dichte der Flüssigkeit
Lösungsvariante: 1 kg
Nach (2.167) gilt für die Arbeit W = ρ= = 0,8 .
1
ρW +
aA dm3
V σ dε. Im elastischen Bereich ist σ = E ε m
1 1 π d2 l 2 Ü 2.12-2:
und damit W = V E ε2 = Eε =
2 2 4
12,5 J. a) Die Ladung habe die Dichte ρL , das Wasser
d) Die relative Volumenänderung ist ρW und es gelte ρL > ρW . Dann muss für
nach (2.154) ΔVV = ε(1 − 2μ) = 2 · 10−3 = den Teil des Auftriebs, der auf die Ladung
0,2 %. Das Stabvolumen wird also gering- entfällt, gelten:
fügig vergrößert. FA = FG,L ,
Ü 2.12-1: Die Länge der Flüssigkeitssäule er- d. h. die Auftriebskraft muss gleich groß
gibt sich aus ihrer Masse m und der gesuchten sein wie die Gewichtskraft.
Dichte ρ zu Nun gilt für das Volumen Vverd der ver-
drängten Flüssigkeit nach dem Gesetz von
m Archimedes, (2.188)
l= .
Aρ ρW g Vverd = ρL g VL oder
ρL
Vverd = VL .
Unterhalb der gestrichelten Linie befindet sich ρW
lediglich Wasser im Gleichgewicht. Das be- Es wird also mehr Volumen verdrängt, als
deutet, dass der Druck im linken und im dem Volumen VL der Ladung entspricht.
rechten Schenkel auf Höhe der gestrichelten Konsequenterweise wird also der Wasser-
Linie gleich sein muss. Mithilfe von (2.179) spiegel – wenn auch geringfügig – nach
gilt für den Schweredruck ρW g(l − a) = ρ g l, dem Sinken fallen.
dabei ist ρW = 1 kg/dm3 die Dichte von Wasser. b) Für das ganze Schiff gilt dieselbe Argu-
mentation. Auch hier wird beim Schwim-
men mehr Volumen verdrängt, als dem tat-
sächlichen Schiffsvolumen entspricht.
Ü 2.12-3: Nach (2.181) gilt für die Seiten-
druckkraft auf den Schieber FS = ρ g yS AS .
Die Reibungskraft auf den bewegten Schieber
ist FR = μFS . Die Gesamtkraft, die zum Heben
erforderlich ist, beträgt somit
h
F1 = FG + FR = mg + ρ g b h μ
2
1
= g m + ρ b h2 μ = 11,1 kN .
2
Wenn der Schieber um 60 cm hoch gezogen
ist, wird in obiger Gleichung die Höhe h er-
setzt durch h − 60 cm = 90 cm. Die Zugkraft
beträgt dann F2 = 4,75 kN.
906 11 Anhang
Ü 2.12-4: Die Oberflächenenergie vergrößert Ü 2.12-6: Unter der Annahme, dass die Strö-
sich mit Vergrößerung der Oberfläche ge- mung ideal ist, gilt mit der Gleichung von Ber-
mäß (2.192) um noulli, (2.203),
ΔW = σ ΔA = σ(AT − AW ) . 1 2 1
p1 + ρ = p2 + ρ 22 oder
2 1 2
Die Oberfläche des Tropfens vor dem Zerstäu- 1
p2 = p1 + ρ 21 − 22 .
ben ist AW = 4π rW
2
. 2
Das Volumen V = 43 π rW 3
des Tropfens bleibt Dabei beziehen sich die Größen mit Index 1
beim Zerstäuben unverändert. auf den weiten und jene mit Index 2 auf den
Ist N die Zahl der erzeugten Tröpfchen, dann verengten Teil des Rohres.
gilt Mithilfe der Kontinuitätsgleichung, (2.202),
4 3 4 wird
πr = N · π rT3 oder 2
3 W A1 d
3
3 2 = 1 = 1 1 .
rW A2 d2
N= = 1012 . Damit ergibt sich der gesuchte Druck
rT + 4 ,
1 2 d1
Die Oberfläche von N Tröpfchen mit Radius rT p2 = p1 + ρ 1 1 − = 2,63 bar .
ist AT = N · 4π rT2 . 2 d2
Damit steigt die Oberflächenenergie um Ü 2.12-7:
ΔW = σ N · 4π rT2 − 4π rW
2
. a) Wenn die Reibung nicht berücksichtigt
wird, gilt das Ausflussgesetz von Torri-
Die relative Zunahme beträgt
celli, (2.211):
2
ΔW N · 4π rT2 − 4π rW
2
rT = 2g(h − h ) .
= =N −1
WW 4π rW2 rW
rW Der Volumenstrom ist damit
= − 1 = 104 .
rT π d2
Videal = A = 2g(h − h )
Die Oberflächenenergie steigt also um das 104 - 4
l m3
fache an. = 2,77 ≈ 10 .
s h
Ü 2.12-5: Nach (2.210) ist der Volumenstrom b) Im Realfall beträgt nach (2.213) die Aus-
beim Venturi-Rohr für αε = 1 flusszahl μ = ϕα = 0,795. Der Volumen-
2Δp
strom reduziert sich somit auf
V̇ = AV
2 . l m3
Vreal = μ Videal = 2,20 ≈ 8 .
ρ 1 − AAVR s h
c) Wenn zwischen Behälter und Außenwelt
Daraus folgt für den Druckunterschied ein Überdruck Δp vorliegt, dann folgt aus
(s. Abb. 2.110) der Bernoulli-Gleichung für die Ausström-
2 geschwindigkeit
V̇ ρ 1 − AAVR
2
Δp = Δp m
= 2 + g(h − h ) = 21,9
.
2A2V ρ s
2 2 + 4 ,
= 8ρ
V̇
1−
dV
= 70 Pa . Der Volumenstrom ist V = A = 6,87 sl ≈
π dV2 dR 3
25 mh .
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 907
Ü 2.12-12: Beim Segelflugzeug wird im Gleit- Bei Rohrströmungen gilt nach (2.248)
flug die Gewichtskraft F G kompensiert durch dρ
die Resultierende F 0 aus Auftriebskraft F A und Re = .
η
Widerstandskraft F W . Damit gilt für die Be-
träge: Mit der kritischen Reynoldszahl Rekr = 2320
nach Tab. 2.10 folgt daraus für die Strömungs-
F0 = FG = mg = 1,96 kN . geschwindigkeit = Redkrρ η = 1,93 ms .
Der Druckverlust in der Röhre ist nach Hagen-
Die Auftriebskraft beträgt FA = F0 cos β = Poiseuille (2.234)
1,94 kN.
8η l V̇ 8η l π R2 8η l
Der Auftriebsbeiwert ist nach (2.259) pV = = = = 21,5 kPa .
π R4 π R4 R2
2 FA
cA = = 0,622 .
ρ 2 A
Die Widerstandskraft beträgt FW = F0 sin β =
273 N.
Nach (2.244) ist damit der Widerstandsbeiwert
2 FW
cW = = 0,0874 .
ρ 2 A
Für die Gleitzahl gilt
cW 1
ε= = tan β = 0,14 = . Wendet man die modifizierte Bernoulli-
cA 7,1
Gleichung nach (2.240) auf die Punkte 1 und 2
Ü 2.12-13: Beim Umschlag von laminarer in an, so gilt
turbulente Strömung entspricht die Reynolds- 1 2 1
zahl gerade der kritischen Rekr . p1 + ρ + ρ g h1 = p2 + ρ 22 + ρ g h2 + pV .
2 1 2
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 909
3. Thermodynamik
Δl
Ü 3.1-1: Die Länge bei der höheren Tempera- = α ΔT .
tur ist nach (3.7) l
Da dies durch das Verschweißen verhindert
l2 = l1 [1 + α (ϑ2 − ϑ1 )]
wird, erfahren sie eine Dehnung von demsel-
und damit für Glas l2,Glas = 1 000,256 mm und ben Betrag:
für Messing l2,Ms = 1 001,52 mm.
Δl
Für das Verhältnis der Längen gilt ε= = α ΔT .
l
l2,Glas
= 0,9987 . Nach dem Hooke’schen Gesetz, (2.150), beträgt
l2,Ms
die Spannung
Damit liest man auf dem Messingmaßstab die
N
Länge des Glasstabes zu l = 998,7 mm ab. σ = Eε = Eα ΔT = 88,8 .
mm2
Ü 3.1-2: Die Fläche der Platte ist proportional
Ü 3.1-4: Nach (3.11) verhält sich die Dichte ge-
zum Quadrat des Durchmessers. Damit ändert
mäß
sich die Fläche mit dem doppelten linearen
Ausdehnungskoeffizienten. ρ2 1 − γ ϑ2
= .
Herleitung: ρ1 1 − γ ϑ1
π
Fläche: A = d2 ,
4 Daraus folgt für die gesuchte Temperatur
dA π
Änderung der Fläche: = 2d und damit 1 − ρ2 /ρ1
ΔA = π4 2d Δd.
dd 4 ϑ2 = ϑ1 + = 38,7 ◦ C .
γ
ΔA Δd
Die relative Flächenänderung ist =2 = Lösungsvariante:
A d
2α ΔT. Die relativen Änderungen von Dichte und Vo-
lumen betragen Δρ ΔV
ρ = − V = −γ ΔT.
Mit α = 11,1 · 10−6 K−1 aus Tab. 3.4 ergibt sich
Daraus folgt für die Temperaturdifferenz
ΔA = 2α A ΔT = 1 908 mm2 .
Δρ
Ü 3.1-3: Wenn die Schienen nicht verschweißt ΔT = − = 18,7 K .
ργ
wären, würden sie sich beim Abkühlen verkür-
zen. Die relative Längenänderung ist nach (3.6) Also beträgt die Endtemperatur 38,7 ◦ C.
910 11 Anhang
Ü 3.1-5: In Anlehnung an (3.18) beträgt die Ü 3.2-2: Die Schallgeschwindigkeit ist propor-
individuelle Gaskonstante am gegebenen Zu- tional zur
√Wurzel aus der absoluten Tempera-
stand tur: c ∼ T.
p p J Damit gilt cc21 = TT21 .
Ri = = = 457 .
Tρ T kg · K Wenn die Grundfrequenz der Pfeife pro-
portional ist zur Schallgeschwindigkeit (Ab-
Ü 3.1-6: Aus der allgemeinen Zustandsglei-
schn. 5.2.4.2), dann gilt auch für die Frequen-
chung idealer Gase, (3.19) folgt die Masse:
zen
m=
pV
.
Ri T f2 T2 T2
= oder f2 = f1 = 428,6 Hz .
Die individuelle Gaskonstante von Luft ist ge- f1 T1 T1
mäß Beispiel 3.1-3 Ri = 286,9 J/(kg K). Damit
Ü 3.2-3: Die Wahrscheinlichkeit für das Auf-
ergibt sich m ≈ 2,4 kg.
treten von Geschwindigkeiten zwischen 1 =
Ü 3.1-7: Die Stoff- oder Teilchenmenge be- 1 000 m/s und 2 = 1 100 m/s ist nach (3.34)
trägt nach (3.20)
2
pV
ν = = 120 mol . f () d mit
Rm T 1
Ü 3.2-1: m 3/ 2 mM 2
f () = 4π 2
M
e− 2kT .
a) Die mittlere Geschwindigkeit für ein be- 2π kT
stimmtes Gas hängt nur von der Tempera- Die Masse eines Stickstoffmoleküls (N2 ) be-
tur ab. Nach (3.26) gilt für Helium mit der trägt
Molmasse M = 4,0026 g/mol (s. Perioden-
M
system) mM = Mr u = .
NA
3Rm T m
m = = 1 305 . Mit der Molmasse M = 28,014 g/mol und der
M s
Avogadro-Konstante NA = 6,022 · 1023 mol−1
b) Die Anzahl der He-Atome beträgt nach ergibt sich mM = 4,652 · 10−26 kg.
der allgemeinen Zustandsgleichung idea- Durch numerische Integration mit einem
ler Gase (3.22), Rechner folgt für die gesuchte Wahrscheinlich-
2
N =
pn V
. keit f () d = 7,02 · 10−3 .
k Tn 1
Um die numerische Integration zu umgehen,
Die mittlere kinetische Energie eines He- kann mit guter Genauigkeit auch gerechnet
Atoms ist nach (3.28) werden
3 f () Δ mit = 1 −2
= 1 050 ms und Δ =
Ekin = k Tn . 2
2 2 − 1 = 100 s .
m
Damit ist die gesamte kinetische Energie Die gesuchte Wahrscheinlichkeit beträgt damit
aller Atome
f () Δ = 6,78 · 10−3 .
3 pn V 3
Ekin, ges = N Ekin = k Tn · = pn V
2 k Tn 2 Im Gefäß befinden sich N = pknTV = 2,45 · 1022
= 152 J . Moleküle. Damit wird die Zahl der Moleküle,
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 911
Die molare isobare Wärmekapazität von Alternativ kann auch die Formel aus
Luft ist nach Tab. 3.8 Abb. 3.22 verwendet werden:
J p2 V2 − p1 V1
Cmp = 28,76 W12 = = p2 V2 − p1 V1
mol · K n−1
Damit wird die aufgenommene Wärme V
= 4p1 1 − p1 V1 = p1 V1 .
Q23 = 1,65 MJ. 2
Im p, V-Diagramm haben die Zustandsände- d) Bei einer beliebigen Zustandsänderung
rungen folgenden Verlauf: sind die Prozessgrößen Q und W sowie die
Zustandsgröße U über den ersten Haupt-
satz, (3.48), verknüpft:
ΔU = U2 − U1 = Q12 + W12 .
Die Änderung der inneren Energie ge-
horcht bei beliebigen Zustandsänderun-
gen (3.47):
ΔU = U2 − U1 = ν CmV (T) dT
≈ ν CmV (T2 − T1 ) .
Ü 3.3-7:
a) Wenn die Zustandsänderung so verläuft, Die Stoffmenge folgt aus der allgemeinen
dass der Polytropenexponent n = 2 ist, gilt Zustandsgleichung idealer Gase, (3.20):
2
p1 V12 = p2 V22 oder p2 = p1 VV12 = 4p1 = p1 V1
ν = = 0,0408 mol .
4 bar. Rm T1
b) Die Endtemperatur folgt aus der all-
Die molare isochore Wärmekapazität ist
gemeinen Zustandsgleichung idealer
für ein Molekül mit f = 5 Freiheitsgraden
Gase (3.16):
nach (3.56)
p1 V1 p2 V2
= oder 5 J
T1 T2 Cmv = Rm = 20,8 .
p2 V2 2 mol · K
T2 = T1 = 2T1 = 590 K bzw.
p1 V1 Damit wird die Änderung der inneren
ϑ2 = 317 C . ◦ Energie
p1 V1 f
c) Die Volumenänderungsarbeit entspricht ΔU = U2 − U1 = Rm (T2 − T1 )
nach (3.50) der Fläche unter der Kurve der Rm T1 2
Zustandsänderung: f T2 f
= p1 V1 − 1 = p1 V1 = 250 J .
2 T1 2
V2 V2
dV
W12 =− p(V) dV = −p1 V12 Die gesuchte Wärme folgt nun aus dem
V2 ersten Hauptsatz zu
V1 V1
1 1 3
= p1 V12 − = p1 V1 = 100 J . Q12 = ΔU − W12 = p1 V1 = 150 J .
V2 V1 2
914 11 Anhang
p2 V2
Im p, V-Diagramm haben die Zustandsände- T2 = T1 = 3T1 = 879 K bzw.
rungen folgenden Verlauf: p1 V1
ϑ2 = 606 ◦ C .
c) Die abgegebene Arbeit entspricht
nach (3.50) betragsmäßig der Fläche unter
der Kurve der Zustandsänderung. Diese
Trapezfläche kann direkt berechnet wer-
den:
p1 + p2
W12 = −(V2 − V1 ) = −150 J .
2
Ü 3.3-8: Eine Zustandsänderung, die im p, V- d) Bei Erhöhung der Temperatur erhöht sich
Diagramm längs einer Geraden verläuft, lässt nach (3.47) auch die innere Energie:
sich beispielsweise realisieren durch eine An- ΔU = U2 − U1 = ν CmV (T2 − T1 ) .
ordnung, bei welcher der Gasdruck auf den
Die molare isochore Wärmekapazität ist
Kolben durch eine gespannte Feder kompen-
nach Tab. 3.8 CmV = 20,43 mol·K
J
. Rechnet
siert wird.
man idealisierend nach (3.56) CmV = 2f Rm ,
mit f = 5 Freiheitsgraden, so ergibt sich
ΔU = 1 000 J .
e) Die zugeführte Wärme folgt nun aus dem
ersten Hauptsatz, (3.48), zu
Q12 = ΔU − W12 = 1 150 J .
Ü 3.3-9:
a) Die Stoffmenge des Gases ist nach der
allgemeinen Zustandsgleichung idealer a) Die Temperaturen ergeben sich aus der
Gase, (3.20): allgemeinen Zustandsgleichung idealer
Gase, (3.20):
p1 V1
ν = = 0,08206 mol . p1 V1
Rm T1 T1 = = 301 K ,
ν Rm
p2 V2
T2 = = 401 K ,
ν Rm
p3 V3
T3 = = 601 K .
ν Rm
b) Die abgegebene Arbeit entspricht der um-
fahrenen Fläche des Kreisprozesses, also
hier einer Rechtecksfläche:
b) Die Endtemperatur ergibt sich aus (3.16): W = (V3 − V1 )(p2 − p1 ) = 125 J .
p1 V1
=
p2 V2
oder Gemäß Vorzeichenkonvention gilt W =
T1 T2 −125 J.
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 915
T3 − T1
ηth,C = = 50% .
T3
Ü 3.3-10:
a) Die Leistungszahl der Wärmepumpe ist
nach (3.81)
Q̇ab
εW = .
P
Damit ist die Leistung, die der Motor zu-
führen muss
Q̇ab
c) Wärme wird zugeführt bei der isochoren P= = 5 kW .
Erwärmung 1 → 2 sowie bei der iso- εW
baren Erwärmung (Expansion) 2 → 3. b) Bei einem Carnot-Prozess wäre die Leis-
Nach (3.63) und (3.64) gilt tungszahl nach (3.82)
Q12 = ν CmV (T2 − T1 ) und T3
εW, C = = 6,36
Q23 = ν Cmp (T3 − T2 ) . T3 − T1
und die erforderliche Motorleistung ledig-
Die molaren Wärmekapazitäten sind nach
lich P = 2,36 kW.
Tab. 3.7 für Moleküle mit f = 5 Freiheits-
graden Ü 3.3-11:
5 J a) Der Wirkungsgrad des idealen Stirling-
CmV = Rm = 20,79 und
2 mol · K Prozesses entspricht jenem des Carnot-
7 J Prozesses und ist nach (3.80)
Cmp = Rm = 29,1 .
2 mol · K
T1
Damit ergibt sich εK, C = = 0,345 .
T3 − T1
Q12 = 624 J und Q23 = 1 746 J .
Die gesamte zugeführte Wärme beträgt so-
mit
Qzu = Q12 + Q23 = 2 370 J .
d) Der thermische Wirkungsgrad ist
nach (3.75)
|W|
ηth = = 5,27% .
Qzu
e) Die Maximaltemperatur des Prozesses ist
T3 = 601 K, die Minimaltemperatur T1 =
301 K. Ein Carnot-Prozess zwischen diesen
916 11 Anhang
b) Vom Wärmebad der tiefen Temperatur T1 Ü 3.3-13: Die Entropieänderung ist nach
wird Wärme zugeführt während der iso- (3.85)
thermen Expansion 4 → 1. Nach (3.62) T1
δQrev
gilt ΔS = S1 − Sn = .
T
V1 Tn
Q41 = ν Rm T1 ln .
V4 Beide Wege sind im Prinzip reversibel führbar.
d) Nach dem Energieflussdiagramm von Die Stoffmenge ν folgt aus der allgemeinen
Abb. 3.26 wird die Summe der zugeführten Zustandsgleichung idealer Gase, (3.20):
Leistungen bei hoher Temperatur abgege- pn Vn
ben. Damit ist ν = = 0,0446 mol .
Rm Tn
Q̇ab = Q̇zu + P = 15,9 kW .
Die isobare molare Wärmekapazität von
Ü 3.3-12: Ein Perpetuum Mobile 2. Art könnte N2 ist nach Tab. 3.8
Wärme aus dem Meerwasser aufnehmen, ohne J
Cmp = 29,1 .
zugleich Wärme an ein kälteres Wärmebad ab- mol · K
zugeben. Wenn die Masse m an Meerwasser Damit ergibt sich die Entropieänderung
um die Temperatur ΔT abgekühlt würde, dann
wäre die frei werdende Energie ΔS = 0,785 J/K .
Q = c m ΔT . b) Im Falle der isochoren Zustandsänderung
ergibt sich (siehe (3.86))
Mit c = 4,17 kg·K
kJ
ergibt sich Q = 5,8 · 1024 J.
Diese Energie würde 4,5 · 1011 s oder etwa T1 J
ΔS = ν CmV ln = 0,560 .
14 000 Jahre reichen. Tn K
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 917
Ü 3.3-14: Der Stirling-Prozess verläuft zwi- den Rechteckflächen des Carnot-Prozesses von
schen Isothermen und Isochoren (Abb. 3.28). Abb. 3.37. Daraus folgt, dass der ideale Stirling-
Isothermen sind im T, S-Diagramm natürlich Prozess den gleichen Wirkungsgrad besitzt
waagrechte Geraden. Bei einer isochoren Zu- wie der Carnot-Prozess.
standsänderung gilt nach (3.86) für die Entro- Ü 3.3-15:
pie
a) Beim Kontakt entsteht eine Temperatur,
T die dem Mittelwert der beiden Tempera-
S(T) = S0 + ν CmV ln ,
T0 turen entspricht (Abschn. 3.3.1, Kalorie-
wobei S0 die Entropie bei der Temperatur T0 ist. metrie):
Umgeformt ergibt sich, dass eine Isochore im T1 + T2
Tm = = 293,15 K .
T, S-Diagramm durch eine Exponentialfunk- 2
tion beschrieben wird:
S − S0
T(S) = T0 exp
ν CmV
S0 S Zur Berechnung der Entropieänderung des
= T0 exp − · exp .
ν CmV ν CmV Systems muss ein reversibler Ersatzprozess
betrachtet werden. Hier kann z. B. ein Kör-
per reversibel um 10 K erwärmt werden,
während der andere um 10 K abgekühlt
wird. Dabei gilt:
δQrev = m c dT und
δQrev dT
dS = = mc .
T T
Beim Aufheizen ergibt sich die Entropie-
änderung
Tm
dT Tm
Beim gezeichneten T, S-Diagramm wurde ΔS1 = m c = m c ln ,
willkürlich die Entropie des Zustandes 2 auf T T1
T1
Null gesetzt: S2 = 0.
Die Flächen unter den beiden Exponential- beim Abkühlen
funktionen sind gleich, nämlich T
ΔS2 = m c ln m .
T2
T(S) dS = Q = ν CmV (T3 − T1 ) . Damit ist die komplette Entropieänderung
T T
Sie stellen die Wärme dar, die intern bei ΔS = m c ln m + ln m .
der isochoren Abkühlung gespeichert und an- T1 T2
schließend bei der isochoren Erwärmung wie- MitderWärmekapazitätc = 0,384 kJ/(kg K)
der zugeführt wird. Damit verbleiben für den für Kupfer ergibt sich ΔS = 0,447 J/K. Die
Wärmeaustausch mit der Umgebung nur noch Entropieänderung ist positiv. Der Vorgang
die schraffierten Flächen unter den Geraden- des Temperaturausgleichs ist daher irre-
stücken. Diese sind aber flächengleich mit versibel.
918 11 Anhang
b) Die Entropie ist mit der thermody- Nach (3.188) beträgt der Wärmeübergangsko-
namischen Wahrscheinlichkeit verknüpft effizient
nach (3.93): S = k ln W. Nu λ W
Also gilt S1 = k ln W1 und S2 = k ln W2 , α∗K = = 4,2 2 .
L m ·K
sowie ΔS = S2 − S1 = k(ln W2 − ln W1 ) = Damit ist der Wärmestrom vom Heizkörper in
k ln W2
W1 . die Raumluft
Das Wahrscheinlichkeitsverhältnis mit W
dem die beiden Zustände realisiert werden jq,K = α∗K (TO − TL ) = 84 2 .
m
ist damit
Bei einer Heizkörperfläche (Vorder- und Rück-
W2 seite des Heizkörpers) von
= eΔS/k = e3,24·10
22
oder
W1
A = 2 hb = 1,44 m2
W1
=e −3,24·1022
= 10−1,4·1022
.
wird der Wärmestrom infolge Konvektion
W2
Das bedeutet, dass die Einstellung des Ori- Q̇K = 121 W .
22
ginalzustands um den Faktor 10−1,4·10 un-
Ü 3.5-2: Die Wärmestromdichte infolge Wär-
wahrscheinlicher ist, als der Zustand des
meleitung beträgt nach (3.131), mit der Wär-
Temperaturausgleichs.
meleitfähigkeit λ = 0,026 W/(m · K) aus
Ü 3.5-1: Für den Wärmetransport ist die Nu- Tab. 3.12:
ßeltzahl entscheidend. Nach Tab. 3.14, (3.185) ΔT W
gilt näherungsweise jq, L =λ = 22 2 .
Δs m
Nu ≈ 0,129(Gr Pr)1/ 3 . Bei einer Scheibenfläche von A = 1 m2 ist der
Wärmestrom infolge Leitung
Die Grashofzahl ist nach Tab. 3.13, (3.172)
Q̇L = 22 W .
g γ ΔT L3
Gr = .
ν2 Der Wärmestrom infolge Konvektion wird
Die erforderlichen Stoffwerte sind in Tab. 3.15 analog zu Ü 3.5-1 berechnet. Hier ergibt sich:
zusammengestellt. Für Luft von 20 ◦ C gilt: Grashofzahl: Gr = 1,972 · 109 ,
γ = 3,421 · 10−3 K−1 und ν = 15,35 · 10−6 m2 /s. Prandtlzahl: Pr = 0,718,
Die Temperaturdifferenz ist ΔT = TO − TL = Nußeltzahl: Nu = 145,
20 K.
Die charakteristische Länge L entspricht der Wärmeübergangskoeffizient α∗K = 3,5 mW
2 ·K .
Höhe h = 0,6 m des Heizkörpers. Damit wird die Wärmestromdichte infolge
Mit diesen Daten ergibt sich für die Grashof- Konvektion
zahl W
jq, K = α∗K ΔT = 35
Gr = 6,153 · 10 8 m2
und der Wärmestrom Q̇K = 35 W.
Die Prandtlzahl ist nach (3.178) in Tab. 3.13
Der Wärmestrom infolge Strahlung ist
ν ρ cp
Pr = = 0,715 . nach (3.200)
λ
Damit wird die Nußeltzahl Nu = 98,1. Q̇S = C12 A T14 − T24 .
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 919
QS, bedampft = 4W .
Der gesamte Wärmestrom beträgt jetzt
Ü 4.1-1: Zur Lösung werden die Kirchhoff ’- Masche 1: 3Ω I1M − 5Ω I3M − U = 0 , (1)
schen Gesetze verwendet. Die Maschenre- Masche 2: 6Ω I1a + 4Ω I2M − 3Ω I1M = 0 , (2)
gel, (4.25), ergibt, angewandt auf Masche 3: 8Ω I2a + 5Ω I3M − 4Ω I2M = 0 . (3)
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 921
P = IU = 19,67 W .
Ü 4.1-2: Zur Auswahl eines geeigneten Ma-
terials wird der spezifische Widerstand be-
rechnet. Der Widerstand des Heizdrahtes ist
Eliminiert man beispielsweise mithilfe von (4) nach (4.13)
den Strom I1a in (2), so ergibt sich
l 4l
6 I2a + 10 I2M − 3 I1M =0 R=ρ =ρ .
A π d2
oder
Nach dem Ohm’schen Gesetz, (4.19), gilt
3 I1M − 10 I2M
I2a = . R = UI und somit
6
Dies eliminiert I2a in (3): π d2 U mm2
ρ= = 0,271 Ω
8 4lI m
(3 I1M − 10 I2M ) + 5 I3M − 4 I2M = 0 = 2,71 · 10−5 Ω cm .
6
oder
Ü 4.1-3: Der Winkel β, den der Faden rela-
80 tiv zum Lot einnimmt, wird bestimmt aus
4 I1M − 4 + I2M + 5 I3M = 0 .
6 sin β = 2ls = 0,167. Damit ist β = 9,59◦ .
Damit verbleiben drei Gleichungen für drei Im Gleichgewicht zeigt die Resultierende aus
Unbekannte elektrischer Abstoßungskraft F el und Ge-
U wichtskraft F G in Fadenrichtung. Damit gilt
3 I1M − 5 I3M = für den Winkel β:
Ω
52 tan β = FFelG oder Fel = mg tan β = 3,32 · 10−3 N.
4 I1M − I2M + 5 I3M = 0 Die Coulomb’sche Abstoßungskraft ist
3
I1M + I2M + I3M = 0 , nach (4.2)
Daraus folgt die gesuchte Ladung: Damit ist der erforderliche Strom
Q = Fel 4πε0 s2 = 1,52 · 10−7 C . I =
m
= 37,25 kA .
Ä t
Die 20 Öfen benötigen die Leistung
PO = 20 UO I = 3,427 MW .
PL = I 2 RL = 3,903 MW .
Ü 4.2-1: Nach (4.81) ist die Masse des abge- PGen = PO + PL = 7,33 MW .
schiedenen Metalls proportional zum Strom:
Ü 4.2-2: Der elektrische Strom ist nach den
M
m= It . Faraday’schen Gesetzen proportional zur ab-
z NA e geschiedenen Masse. Mit (4.81) bis (4.83) so-
Mit (4.82) und (4.83) gilt wie (4.9) gilt
M
= Ä . I = jA =
m
.
z NA e Ä t
m = V ρNi = A dρNi ,
m A dρNi d ρNi
t = = = = 15,9 h .
Ä j A Ä j A Ä j
Ü 4.3-1: Die Kapazität des Kondensators ist Die Kapazität des unteren Zweiges ist nach den
nach (4.136) Regeln für Parallel- und Reihenschaltung von
A π r2 Abb. 4.76
C = ε0 = ε0 = 4,45 · 10−11 F = 44,5 pF .
d d 1 1 1 1 0, 511
Die elektrische Feldstärke ist nach (4.94) = + + =
U V Cu 5 μF 9 μF 5 μF μF
E= = 2 500 .
d m oder Cu = 1,957 μF .
Für die Verschiebungsdichte gilt nach (4.129)
As
D = ε0 E = 2,21 · 10−8 2 . Damit ist die Gesamtkapazität Cges = 3 μF +
m 4 μF + 1,963 μF = 8,963 μF.
Damit wird die Ladung auf den Platten
nach (4.130) (s. auch Beispiel 4.3-4)
U Ü 4.3-4:
Q = D A = ε0 E A = ε0 π r2 = 4,45 · 10−10 As .
d
Zur Kontrolle: Nach der Definitionsglei- a) In diesem Fall handelt es sich um eine
chung (4.134) für die Kapazität gilt Parallelschaltung von zwei Kondensato-
ren mit jeweils der halben Plattenfläche A.
Q = CU = 44,5 pF · 10 V = 4,45 · 10−10 A s .
Jede Kapazität für sich ist nach (4.136)
Ü 4.3-2: Im statischen Gleichgewicht muss die
und (4.153)
Gewichtskraft mg kompensiert werden durch
die elektrische Feldkraft QE (der Auftrieb wird A A
C1 = εr1 ε0 und C2 = εr2 ε0 .
vernachlässigt): 2d 2d
mg = QE . Die Gesamtkapazität ist nach (4.147)
U
Mit E = folgt (s. (4.127) εr1 + εr2 A
d Cges = C1 + C2 = ε0 ;
mgd 2 d
U= = 368 V .
Q
es wird also das arithmetische Mittel
der beiden relativen Permittivitätszahlen
wirksam.
b) Dieser Fall entspricht der Hintereinander-
schaltung von Kondensatoren. Die Einzel-
kapazitäten sind jetzt
Ü 4.3-3: Abbildung 4.84 kann folgenderma-
ßen umgezeichnet werden: 2A 2A
C1 = εr1 ε0 und C2 = εr2 ε0 .
d d
Nach (4.148) ist die Gesamtkapazität
1 1 1 d d
= + = +
Cges C1 C2 2εr1 ε0 A 2εr2 ε0 A
d(εr1 + εr2 )
=
2εr1 εr2 ε0 A
und
2εr1 εr2 A
Cges = ε .
εr1 + εr2 0 d
924 11 Anhang
Ü 4.4-1: Das Proton verspürt die Lorentz- Bemerkung: Die Lösung setzt voraus, dass der
Kraft (4.203), Haftreibungskoeffizient zwischen Walze und
Unterlage genügend groß ist, so dass der Zy-
FL = Q × B . linder nicht abrutscht.
Die Kraft steht senkrecht auf der Ebene, die Ü 4.4-4: Die magnetische Flussdichte, die
durch die Vektoren und B aufgespannt wird. der linke Leiter erzeugt, ist nach (4.173)
Da senkrecht auf B steht, gilt für den Betrag und (4.191)
der Kraft FL = e B. I
B1 = μ0 d .
Die Geschwindigkeit ergibt sich aus der kine- 2π 2 + x
tischen Energie
Der rechte Leiter erzeugt
1 2 2Ekin m I
Ekin = m → = = 24 · 106 . B2 = μ0 d .
2 m s 2π 2 − x
Damit wird die Kraft FL = 9,6 · 10−12 N. Beide Flussdichten sind gleich gerichtet und
Ü 4.4-2: Die Hall-Feldstärke ist nach (4.206) addieren sich zur gesamten Flussdichte
und Abb. 4.104 EH = UbH = B x . μ0 I 1 1 μ I 2d
B(x) = + = 0 2 .
Die Feldstärke in Längsrichtung ist 2π d2 + x d2 − x π d − 4x2
nach (4.207) Ex = n { e x
.
Auf der Symmetrieachse, für x = 0, ergibt sich
Das Verhältnis der beiden Feldstärken wird da-
mit EEHx = Bn{e = nBeρ . 2μ0 I
B(0) = .
πd
Ü 4.4-3: Die Stromschleife besitzt nach (4.199)
das magnetische Moment
m = N I A = 2N I l r .
M = mB sin α = 2N I l rB sin α ,
das den Zylinder bergauf bewegen möchte.
Infolge der Hangabtriebskraft wirkt auf den
Zylinder das Drehmoment
1
R= 1 1
= 66,67 Ω ,
200 Ω + 100 Ω
1
C= 1
= 3,33 μF ,
10 μF + 5 1μF
P = U I cos ϕ = 81,6 W .
926 11 Anhang
lFe lL
Rm = + .
μr μ0 A μ0 A
Θ = Vm = Φ
lFe
+
lL
.
Aus dem Zeigerdiagramm folgt mit UR = 50 V
μr μ0 A μ0 A und U = 230 V:
Nimmt man näherungsweise an, dass die re- UL = U 2 − UR2 = 224,5 V .
lative Permeabilität μr des Eisens konstant ist,
so gilt bei konstanter Durchflutung Θ
Nun ist UL = IV XL = IV ω L und damit
lFe lL, 1 lFe lL, 2
Φ1 + = Φ2 + . UL
μr μ0 A μ0 A μr μ0 A μ0 A L= = 5,955 H .
IV 2π f
Bei Verdoppelung des Luftspalts wird die Der Ohm’sche Widerstand ist R = UIVR =
Flussdichte demnach auf 2/3 des ursprüngli- 416,7 Ω. Damit ergibt sich Z = 1 917 Ω und für
chen Wertes reduziert. den Strom durch den Verbraucher IV = U / Z =
Hinweis: Die Konstanz der relativen Permeabi- 0,12 A.
lität ist in der Realität eher nicht gegeben. Des- Für den Phasenverschiebungswinkel zwischen
halb muss man wie in Ü 4.4-5 durch Eintragen Strom und Spannung folgt aus dem Zeigerdia-
der Scherungsgerade in die Magnetisierungs- gramm
kurve den Arbeitspunkt bestimmen.
UR
cos ϕ = = 0,217 .
Ü 4.5-4: Eine Leuchtstoffröhre benötigt zum U
Betrieb eine Vorschaltdrossel (Abb. 4.46). Der
gesamte Verbraucher ist damit eine Reihen- Damit ist ϕ = 77,4◦
schaltung aus Ohm’schem Widerstand und Um den Blindstrom zu kompensieren, wird ein
Spule: Kondensator parallel geschaltet:
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 927
Alternative:
Nach (4.314) ist die benötigte Kapazität
Q
C= .
U2ω
Wie aus dem Zeigerdiagramm hervorgeht, Die Blindleistung des Verbrauchers ist Q =
wird dadurch der Gesamtstrom I in den Zu- S sin ϕ = U IV sin ϕ = 26,94 VA. Damit ergibt
führungsleitungen geringer. Bei vollständiger sich ebenfalls C = 1,62 μF.
Ü 5.1-1: Bei einer harmonischen Schwingung Zur Zeit t = 1,2 s ergibt sich (1,2 s) = 0,
der Form was zu erwarten war, da der Körper im
y(t) = 0,25 m · cos(4 π s−1 · t + π/ 5), ist Totpunkt momentan still steht.
Die Beschleunigung ist nach (5.10)
a) die Kreisfrequenz gegeben als Vorfaktor
der Zeit t:
a = ÿ = −ŷω20 cos(ω0 t + ϕ0 ) .
ω0 = 4πs−1 ,
die Schwingungsdauer
Zur Zeit t = 1,2 s ergibt sich a(1,2 s) =
2π 39,5 m/s2 .
T0 = = 0,5 s ,
ω0 Das ist die maximale Beschleunigung
der Nullphasenwinkel (Abb. 5.6).
ϕ0 = π/ 5 rad oder 36◦ , c) Die maximale Geschwindigkeit ist
die Amplitude
ŷ = 0,25 m. max = ˆ = ŷω0 = 3,14 m/s .
b) Die momentane Auslenkung zur Zeit t =
1,2 s beträgt y(1,2 s) = −0,25 m. Der Kör- Die maximale Beschleunigung ist
per befindet sich im unteren Totpunkt.
Für die Geschwindigkeit gilt allgemein
amax = â = ŷω20 = 39,5 m/s2 .
nach (5.9)
d) Die potenzielle Energie entspricht der Fe-
= ẏ = −ŷω0 sin(ω0 t + ϕ0 ) . derspannenergie
928 11 Anhang
Epot
1
= k y2 . b) Die „Federkonstante“ beträgt k = A ρ g =
2 π d2 ρ g = 1,109 N .
4 m
Die Federkonstante folgt aus der Eigen- Die Differentialgleichung der harmoni-
kreisfrequenz: schen Schwingung lautet:
1
Ekin = m 2 = 4,000 · 10−5 J .
2
Für die Gesamtenergie ergibt sich somit
C = aγ + b .
Das logarithmische Dekrement beträgt
Die Eigenfrequenz des Schwingkreises ist nach
(5.61) Λ = ln c = 0,04621 .
1
f0 = √ . b) Die Abklingkonstante ist nach (5.86)
2π LC
Daraus folgt für die Kapazität Λ
δ= = 0,0132 s−1 .
1 Td
C= .
f02 4π2 LC Die Kreisfrequenz beträgt
Für den Winkel γ1 = 0 ist f1 = 1 kHz und 2π
C1 = 2,533 μF, ωd = = 1,795 s−1 .
Td
für den Winkel γ2 = 180◦ ist f2 = 3 kHz und
C2 = 281,4 nF. c) Die Schwingungsgleichung lautet
Die Konstanten a und b der Eingangsgleichung
können damit aus folgenden Gleichungen be- y(t) = ŷ0 e−δ t cos(ωd t)
= 20 cm · e−0,0132 s
−1 t
stimmt werden: · cos(1,795 s−1 t) .
C1 = a · 0 + b liefert b = C1 und Ü 5.1-5: Die sechs parallelen Federn entspre-
C2 = a · 180◦ + b liefert a = C180
2 −C1
◦ . chen einer Feder mit der resultierenden Fe-
Also gilt allgemein derkonstante kres = 6 k. Die Eigenfrequenz der
Schwingung beträgt somit
C2 − C1
C(γ ) = γ + C1 .
180◦ 1 6k
f0 = = 1,743 Hz .
Die Eigenkreisfrequenz beträgt damit in Ab- 2π m
hängigkeit vom Drehwinkel Die erregende Drehzahl n1 = 500 min−1 =
1 1 8,33 s−1 liegt oberhalb von f0 . Wird die Dreh-
ω0 (γ ) = √ = . zahl erhöht, geht die Amplitude zurück.
LC
L C1 + C2 −C1
180◦ γ Nach (5.109) ist die Amplitude der erzwun-
genen Schwingung
Zur Kontrolle:
ω0 (0) = √LC1
= 6 828 s−1 und f0 (0) = 1 kHz F̂E Ω
ŷ =
2 2 mit η = .
ω0
1
und k 1 − η2 + 2ϑη
ω0 (180◦ ) = √LC1
2
= 18 851 s−1 und f0 (180◦ ) =
3 kHz. Nun gilt
Ü 5.1-4: F̂E
ŷ1 =
2 2 und
a) Nach (5.85) gilt für das Amplitudenver-
k 1 − η21 + 2ϑη1
hältnis
F̂E
ŷi ŷ2 =
2 2 .
=2=c . n
k 1 − η22 + 2ϑη2
ŷi+1
930 11 Anhang
Unter der Voraussetzung, dass die Kraftampli- c) Die Resonanzüberhöhung ist nach (5.115)
tude konstant bleibt, gilt für das Verhältnis bei schwacher Dämpfung, die hier gegeben
ist,
ŷ1
1 − η22 2 + 2ϑη2 2
= 10 = 2 2 ŷ(Res) 1
ŷ2 1 − η2 + 2ϑη1 ≈ = Q = 6,46 .
1 ŷ(stat) 2ϑ
mit η1 = 4,781.
Die 3-dB-Breite der Resonanzkurve ist
Diese Gleichung kann nach der gesuchten nor- nach (5.116)
mierten Frequenz η2 aufgelöst werden. Nach
1
Lösung einer biquadratischen Gleichung er- Δη = = 0,155 .
gibt sich Q
2û
Das Maximum in x-Richtung tritt auf zur bk =− .
Zeit t = 0: x(0) = x̂. Zur selben Zeit muss kπ
die y-Schwingung ihr Minimum aufwei- Damit lautet die Fourier-Reihe
sen:
2û 1
u(t) = − sin(ω t) + sin(2ω t)+
y(0) = −ŷ = ŷ cos ϕ .
π 2
1
+ sin(3ω t) + … .
Daraus folgt 3
Das Spektrum hat folgende Form:
ϕ = arccos(−1) = π oder 180◦ .
b) Bei der Überlagerung entsteht im Allge-
meinen eine Ellipse. Aus der Ellipsen-
gleichung (5.147) folgt für den Spezialfall
ϕ = π die Geradengleichung (5.152)
ŷ 1
y=− x=− x.
x̂ 3
T
2 2û
ak = −û + t cos(kω t) dt und
Ü 5.2-1: Nach (5.171) gilt
T T
0
c
T λ= .
2 2û f
bk = −û + t sin(kω t) dt .
T T
0 Damit sind die gesuchten Wellenlängen
λ(16 Hz) = 21,3 m und λ(20 kHz) = 17 mm.
Bereits aus Symmetriegründen (die Funktion
Ü 5.2-2: Eine Welle der Form
ist punktsymmetrisch zum Ursprung) folgt,
dass die Fourier-Koeffizienten ak verschwin- y(x, t) = 5 · 10−4 m ·
den:
sin(1 980 s−1 · t − 6 m−1 · x)
ak = 0.
Für die bk folgt nach Integration besitzt nach (5.172)
932 11 Anhang
a) die Kreisfrequenz ω = 1 980 s−1 und damit Die Geschwindigkeit (Schnelle) ist
die Frequenz f = 2ωπ = 315 Hz, ∂y
b) die Wellenzahl k = 6 m−1 und damit die = = −ŷω sin(ω t − k x + ϕ0 ) ;
∂t
Wellenlänge λ = 2kπ = 1,05 m, = (0, 0) = −ŷω sin(ϕ0 ) .
c) nach (5.171) oder (5.204) die Phasenge-
(0, 0) wird nur dann negativ, wenn ϕ0 = π
schwindigkeit 2
ist.
ω m
c = λf = = 330 . Damit lautet die komplette Lösung:
k s
y(x, t) = 20 cm ·
d) Die Geschwindigkeit oder Schnelle der π
schwingenden Teilchen ist mit · cos 31,4 s−1 · t − 1,08 m−1 · x + .
2
y(x, t) = ŷ cos(ω t − k x + ϕ0 ) : Ü 5.2-4: Nach (5.177) gilt für die Intensität
∂y 1
= = −ŷω sin(ω t − k x + ϕ0 ) . I = cρ ŷ2 ω2 .
∂t 2
Die Schnellenamplitude beträgt Mit der Dichte ρ = 1,293 kg/m3 (Tab. 7.1) folgt
daraus für die Schwingungsamplitude
ˆ = ŷω = 0,99 m/s .
2I
ŷ = = 1,07 · 10−11 m .
Ü 5.2-3: cρ ω2
a) Die Phasengeschwindigkeit der Welle ist Die Schwingungsamplitude ist kleiner als die
nach (5.193) Molekülgröße (einige 10−10 m).
F 4F m Ü 5.2-5: Wird die Fläche gleichmäßig be-
c= = = 29,1 . strahlt, dann ist die Intensität
Aρ πd ρ
2 s
P W
b) Nach (5.171) ist die Wellenlänge I = = 1 · 1017 2 .
A m
c Nach (5.180) gilt
λ= = 5,83 m .
f 1 εr ε0 2
I= Ê .
c) Die Gleichung der Welle lautet allgemein 2 μr μ0
nach (5.172) Für Luft gilt in guter Näherung εr = μr = 1. Da-
y(x, t) = ŷ cos(ω t − k x + ϕ0 ) , mit wird die Amplitude der elektrischen Feld-
stärke
mit ω = 2 π f = 31,4 s−1 , k = 2λπ = ωc = √
μ0
1,078 m−1 und ŷ = 20 cm. Ê = 2I 4
ε0
Der Nullphasenwinkel ϕ0 bestimmt sich
aus den Anfangsbedingungen: oder mit dem Wellenwiderstand des Vakuums
nach (5.187)
y(0, 0) = 0 = ŷ cos ϕ0 . V
Ê = 2I ZF,0 = 8,68 · 109 .
m
Die möglichen Werte für den Nullphasen- Die Amplitude der magnetischen Feldstärke
winkel sind wird mit (5.183)
π 3π
=
Ê
= 2,31 · 107
A
ϕ0 = und ϕ0 = . Ĥ
ZF,0 m
.
2 2
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 933
Ü 5.2-6: Die abgestrahlte Leistung verteilt sich zu erzwungenen Schwingungen erregt. Sie
gleichmäßig auf eine Kugeloberfläche. Damit strahlen ihrerseits Wellen mit eben die-
ist die Intensität ser Frequenz ab, die der Beobachter (De-
P P W tektor) nahe des Senders erneut dopp-
I= = = 7,96 · 10−7 2 .
A 4π r 2 m lerverschoben wahrnimmt mit der Fre-
Ü 5.2-7: Für den Fall des bewegten Beobach- quenz
ters gilt nach (5.205)
B c+
fB = fQ 1 + . fB = fE .
c c−
Daraus folgt für die gesuchte Geschwindigkeit
√ Damit ergibt sich
fB
B = −1 c=
12
2−1 c
fQ
c+ 1+
1+β
m
= 20,2 = 72,8
km fB = fQ = fQ c
= fQ
s h c− 1−
c 1−β
mit der Schallgeschwindigkeit c = 340 m/s.
mit β = c .
Ü 5.2-8:
Da β << 1, gilt in guter Näherung
a) Der ruhende Beobachter hört nach (5.208)
die Frequenz
fB = fQ (1 + β)2 = fQ (1 + 2β) .
fQ
fB = = 465,8 Hz .
1 + cQ Die relative Frequenzänderung ist
b) Vom Tunneleingang werden die Wel-
len reflektiert, die in Vorwärtsrichtung Δf fB − fQ fB
= = −1=2 .
abgestrahlt wurden, die also eine hö- fQ fQ fQ c
here Frequenz aufweisen (Abb. 5.53b).
Nach (5.207) gilt b) Die absolute Frequenzänderung ist
fQ
fT = = 539,7 Hz .
Δf = fQ · 2 = 1 kHz .
1 − cQ
c
c) Der Lokführer bewegt sich auf die Wel-
len zu, die vom Tunneleingang mit der Die relative Frequenzänderung beträgt
Frequenz fT reflektiert wurden. Damit gilt
nach (5.205) Δf
B = 1,11 · 10−7 .
fL = fT 1 + = 579,4 Hz . fQ
c
Ü 5.2-9: c) Aus = 2fΔQf c folgt nach dem Fehlerfort-
a) Die beweglichen Elektronen in den Metall- pflanzungsgesetz, (1.14), dass Δf eben-
teilen des Fahrzeugs werden nach (5.213) falls auf 10% genau sein muss. Dabei ist
mit der Frequenz vorausgesetzt, dass der Fehler der Quel-
lenfrequenz fQ vernachlässigbar ist. Der
c+ Absolutfehler der Differenzfrequenz muss
fE = fQ
c− also kleiner als 100 Hz sein.
934 11 Anhang
6. Optik
15,5◦
Das Bild liegt rechts vom Spiegel und ist virtu- y = f tan ε = 16,8 m · tan
ell. Der gesuchte Abstand beträgt somit 60
= 0,07575 m
9 9 befindet. Das Bild des Mondes hat damit den
l = a − a = f = − f .
20 20 Durchmesser
d = 2y = 15,15 cm .
Ü 6.2-6: Strahlen vom unteren Rand des Mon-
des fallen unter dem Winkel ε = 15,5 rela- Ü 6.2-7: Für die Bild- und Gegenstandsweite
tiv zur optischen Achse auf den Spiegel. Sie gilt
schneiden sich im Punkt P , der sich in der a = z + f und a = z + f .
Höhe
Setzt man diese Beziehungen in die Abbil-
dungsgleichung (6.2) ein, so ergibt sich
1 1 1
+ =
z + f z + f f
oder mit gemeinsamem Hauptnenner
z + f + z + f 1
= .
(z + f )(z + f ) f
f (z + 2f + z) = (z + f )(z + f )
z f + 2f + zf
2
= zz + zf + z f + f 2
938 11 Anhang
z z = f 2 . n
Für die Länge l innerhalb der Platte gilt
Ü 6.2-8: Für die erste Brechung gilt nach (6.11)
d d d
sin 60◦ = n sin ε1 . l= =√ =
.
cos ε 1− ε
sin2 1− 1
sin2 ε
n 2
Damit ist der Brechungswinkel
Der seitliche Versatz wird damit
1
sin ε1 = sin 60◦ = 0,577 oder ε1 = 35,26◦ . x = l sin(ε − ε )
n
d
Der Strahl trifft auf die obere Grenzfläche un- =
·
1 − n 2 · sin2 ε
1
ter dem Winkel ε2 = 90◦ − ε1 = 54,74◦ . Dieser
Winkel ist aber größer als der Grenzwinkel der 1
sin ε − arcsin sin ε .
Totalreflexion n
1
εg = arcsin = 41,8◦ .
n
Daher wird der Strahl total reflektiert und trifft
unter dem Winkel ε3 = 90◦ − ε2 = ε1 auf die
rechte Grenzfläche, die er mit ε4 = 60◦ verlässt.
Der Ablenkwinkel zwischen dem ein- und dem
ausfallenden Strahl ist δ = 120◦ .
Beispiel:
ε = 45◦ , d = 10 mm und n = 1,5 liefert
x = 3,29 mm.
Für ε → 90◦ folgt x → d, für ε = 0 ist x = 0.
Ü 6.2-10: Nach Abb. 6.16b beträgt bei einem
Winkel von ε = 30◦ im Plexiglas der Winkel
ε = 48,5◦ an Luft. Damit ist
n sin 30◦ = sin 48,5◦ oder n = 1,5.
Der Grenzwinkel der Totalreflexion ist
nach (6.14)
1
εg = arcsin = 41,9◦ .
1,5
Ü 6.2-9: Mit dem Brechungsgesetz (6.11), gilt
Wie Abb. 6.16c zeigt, wird der Strahl bei einem
sin ε = n sin ε . Einfallswinkel von 50◦ total reflektiert.
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 939
Ü 6.2-11: Der Ablenkwinkel ist nach (6.16) Mit n = 1, n = 1,333 (Tab. 6.1) und r = ∞
ergibt sich
δ = ε1 − α + arcsin sin α n2 − sin2 ε1 −
1 1 s
n − = − oder s = = −1,13 m .
s s n
− cos α sin ε
1 .
Ü 6.2-14: Sammellinse:
In F wird ein Lot errichtet. Der Punkt P in
der Brennebene kann als Gegenstandspunkt
aufgefasst werden. Sein Bildpunkt liegt im Un-
endlichen. Also muss ein Strahl, durch den
Mittelpunkt, der nicht gebrochen wird und
der gesuchte Strahl hinter der Linse, parallel
verlaufen.
fW =
nW
r1 = nW f = 13,33 cm . −a + a =l.
nL − 1
f =
l2 − t 2
. a = sO − sH = −13,18 cm .
4l
Die Bildweite folgt aus (6.32):
Ü 6.2-17: Aus der Abbildungsgleichung (6.31)
folgt die Brechkraft der Linse: af
a = = 10,1 cm .
1 1 1 a + f
D
= = − = 2,5 dpt .
f a a Der Abstand vom rechten Scheitel beträgt
Der Brechungsindex ergibt sich aus der Lin-
sO = a = 10,1 cm .
senmacherformel (6.29):
1 1 d) Der Abbildungsmaßstab ist nach (6.28)
D = = (nL − 1) oder
f r1 y a
nL = 1 + D r1 = 1,50 .
β = = = −0,77 .
y a
Ü 6.2-18: Ü 6.2-19: Die Brennweite bestimmt sich
a) Die Brennweite kann nach (6.36) berech- aus (6.36) mit den Krümmungsradien: r1 = +r,
net werden: r2 = −r:
2
1 1 1 1 nL − 1 2r
= D
= (nL − 1) − = 17,5 dpt 1
= D = nL − 1
+ −
f r2 f r r nL r2
und daraus f = 5,71 cm. 2 n −1
= · L .
b) Die gegenstandseitige Hauptebene H be- r nL
findet sich nach (6.39) im Abstand Die Brennweite wird damit
sH = −f nLn−1 d
L r2
= +1,18 cm von der Plan-
r nL
fläche. f = · .
2 nL − 1
Für die Lage der Hauptebenen gilt nach (6.39):
nL − 1 2r
sH = −f = −r und
nL r
n −1 2r
sH = −f =r.
L
nL −r
Beide Hauptebenen liegen also in der Linsen-
mitte.
Ü 6.2-20: Bei einer Plankonvex- oder Plan-
Die bildseitige Brennebene H hat den Ab-
konkavlinse ist r1 = ∞. Die Brechkraft ist da-
stand
her nach (6.36)
nL − 1 d
sH = −f =0 1 1
nL r1 = D
= nL − 1 − ,
f r2
Vom rechten Scheitel, d. h. sie verläuft
durch den Scheitel. hängt also nicht von der Dicke ab.
942 11 Anhang
Ü 6.2-21: Die Brennweite folgt aus (6.37): Der gesuchte Abstand beträgt somit
f1 f2
=
nL
·
r2
= 28,9 cm . e = f1 + f2 − = 21,3 cm .
f
nL − 1 nL − 1 d f
c) Der Brennpunkt F hat nach (6.40) den Ab-
Für die Lage der Hauptebenen liefert (6.39): stand sF von der Konkavlinse (Linse L2 ):
nL − 1 d r
1
s
= f1 + f 1−e = 0,167 cm−1 oder sF =
sH = −f = = −7,14 cm und F
6 cm.
2 1
nL r 1 − nL
Ebenso gilt für den Brennpunkt F relativ
nL−1 d
sH = −f = sH = −7,14 cm . zur Linse L1 :
nL r
1 1 1
Ü 6.2-22:
=− − = −0,231 cm−1
sF f1 f2 − e
a) Die Brennweite der plankonvexen Linse oder sF = −43,3 cm .
kann aus der Linsenmacherformel, (6.29), Die Lage der Hauptebene H relativ zur
berechnet werden: Linse L2 ergibt sich aus sF = sH + f oder
1
f1
= D1 = (nL,1 − 1) r11 = 3,75 dpt und sH = sF − f = −24 cm.
f1 = 26,7 cm. In gleicher Weise ergibt sich für den Ab-
Nach (6.43) addieren sich die Brechkräfte, stand der Hauptebene H von der Linse L1 :
wenn die Linsen eng zusammen stehen:
sH = sF − f = sF + f = −13,3 cm .
1 1 1
D = D1 + D2 oder = + .
f f1 f2
Nach (6.32) wird die Bildweite Die Brennpunkte F1 und F2 liegen an derselben
Stelle. Aus dem Strahlensatz folgt
af
a = = 71,5 cm . r2 r1 r2
a + f = oder f2 = −f1 = 50 cm .
f2 −f1 r1
Das Bild hat von der Zerstreuungslinse den Der Abstand der Linsen ist e = 40 cm.
Abstand
Ü 6.2-24: Die Referenzebene RE1 liege in L1 ,
sO =a +
sH = 47,5 cm . die Ebene RE2 in L3 . Damit besteht die Sy-
stemmatrix aus drei Linsenmatrizen und zwei
Der Abbildungsmaßstab beträgt Transfermatrizen:
y a M = L3 T 23 L2 T 12 L1
β = = = −1,38 .
y a 1 0 1 9 cm
=
−0,667 cm−1 1 0 1
Das Bild ist reell, Kopf stehend und vergrö-
ßert. 1 0 1 3 cm 1 0
0,133 cm−1 1 0 1 −0,333 cm−1 1
Ü 6.2-23: Um ein paralleles Strahlenbündel
−3 15,6 cm
wieder in ein paralleles Bündel abzubilden, =
muss das System afokal sein, d. h. die Brenn- 1,667 cm−1 −9
weite muss f = ∞ sein. Zur Kontrolle wird die Determinante berech-
net: det M = 1.
Die Brennweite des Systems ist nach (6.58)
f = − C1 = −0,6 cm. Das System ist also zer-
streuend.
Der objektseitige Brennpunkt F liegt
nach (6.53) am Ort
s1,F = DC = −5,4 cm links von Linse L1 .
Der bildseitige Brennpunkt F liegt nach (6.54)
Aus (6.41) folgt damit s2,F’ = − AC = 1,8 cm rechts von Linse L3 .
Die objektseitige Hauptebene H liegt nach
f1 + f2 − e = 0 oder e = f1 + f2 . (6.55)
944 11 Anhang
D − n1 / n2 der Abstand des bildseitigen Brennpunktes F
s1,H = = −6 cm links von L1 .
C von RE2 ist nach (6.54):
Die bildseitige Hauptebene H liegt nach (6.56) A
1−A s2, F’ = − = 4 cm ,
s2,H = = +2,4 cm rechts von L3 . C
C
der Abstand der objektseitigen Hauptebene H
Ü 6.2-25: Die Konvexfläche liegt links, die von RE1 ist nach (6.55):
Planfläche rechts. Die Referenzebene RE1 geht s1, H = D−1
C = 0, d. h. die Hauptebene verläuft
durch den Scheitel, RE2 liegt in der Planfläche. durch den Scheitel, der Abstand der bildseiti-
Nach (6.47) gilt für die Linsenmatrix: gen Hauptebene H von RE2 nach (6.56):
1−A
1 0 1 r1 1 0 s2, H’ = = −2 cm .
Ldick, Luft = 1−nL 1 . C
0 nL 0 1 nL r1 nL
Nach den Regeln der Matrizenmultiplikation Die Abbildung des Objekts kann mit der klas-
ergibt sich sischen Abbildungsgleichung behandelt wer-
den. In diesem Fall ist die Gegenstandsweite
a = sO = −10 cm. Gleichung (6.32) liefert für
1 r1
Ldick, Luft = nL
1−nL
nL
r1 1 die Bildweite
0,6667 2 cm af
= . a = = 15 cm .
−0,1667 cm−1 1 a + f
Zur Kontrolle wird die Determinante berech- Der Abstand vom rechten Scheitel ist damit
net: detLdick, Luft = 1.
Die Brennweite ist nach (6.58): sO = a + s2, H = 13 cm .
1 Wird die Berechnung mit der Matrixmethode
f = − = 6 cm ,
C durchgeführt, dann erweitert man zweckmä-
ßigerweise das System so, dass die Referen-
der Abstand des objektseitigen Brennpunk-
zebene RE1 im Objekt liegt und die Referen-
tes F von RE1 ist nach (6.53):
zebene RE2 im Bild. Die Systemmatrix besteht
D jetzt aus zwei Transfermatrizen und der bereits
s1, F = = −6 cm ,
C bekannten Linsenmatrix:
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 945
1 sO 0.6667 2 cm 1 −sO b) Die Brennweite der Linse folgt aus der Ab-
M= .
0 1 −0,1667 cm−1 1 0 1 bildungsgleichung (6.31):
Nach den Regeln der Matrizenmultiplikation 1 1 1
ergibt sich = − = 5 dpt oder
f aAP aEP
M=
0,6667 − 0,1667 cm−1 sO f = 20 cm .
−0,1667 cm−1
Ein Gegenstand der Gegenstandsweite a =
−0,6667sO + 2 cm + 0,1667 cm−1 sO sO + sO’ −50 cm wird nach (6.32) abgebildet am Ort
.
0,1667 cm−1 sO + 1
af
Nach Abb. 6.45 liegt eine Abbildung vor, wenn a = = 33,3 cm .
a + f
das Matrixelement B = 0 ist:
Der Abbildungsmaßstab beträgt nach
−0,6667sO + 2 cm + 0,1667 cm−1 sO sO + sO = 0. (6.33)
Daraus folgt sO = 13 cm. y a
β = = = −0,667 .
Ü 6.2-26: y a
a) Für den Abbildungsmaßstab gilt nach Damit ist die Bildgröße y = yβ =
Strahlensatz −6,67 mm.
a Zur Konstruktion des Bildes können Strah-
β = AP = 2 .
aEP len verwendet werden, die durch die Rand-
Damit ist der Durchmesser der Austritts- punkte der Pupillen gehen.
pupille doppelt so groß wie der Durchmes- c) Der notwendig Radius r der Linse folgt
ser der Eintrittspupille: dAP = 24 mm. aus geometrischen Überlegungen (Strah-
lensatz) zu 22,5 mm. Der erforderliche Lin-
sendurchmesser ist damit 2 r = 45 mm.
Ü 6.2-27: Das Auge habe die Brennweite fA ,
die Brennweite der Brille ist fB . Für beide Fälle
gilt die Abbildungsgleichung (6.31). Beim un-
bewaffneten Auge gilt:
1 1 1
− = . (1)
a aN fA
946 11 Anhang
z · z = −f 2 .
Für unseren Fall wird daraus mit z = t
(Abb. 6.54):
Der Abbildungsmaßstab des Okulars ist Ü 6.2-31: Der Feldstecher hat eine Vergröße-
nach (6.33) rung von |ΓF | = 8 und den Objektivdurchmes-
ser DOb = 30 mm.
fOk fOk
βOk = =− .
aOk + fOk ΔzOk a) Nach Abb. 6.56 gilt
Ü 6.2-32: Wenn die Feld- oder Kollektivlinse e) Wenn die Augenpupille einen Durchmes-
an der Stelle des Zwischenbildes angebracht ser von DAuge = 8 mm aufweist, könnte
ist, befindet sie sich in der vorderen Brenn- das Auge einen Lichtstrom empfangen, der
ebene des Okulars. Das System aus Feldlinse proportional zur Fläche der Augenpupille
und Okularlinse besitzt also den Linsenab- ist:
stand π
Φ0 ∼ AAuge = D2Auge .
4
e = fOk
. Da aber wegen der kleineren Austrittspu-
pille des Fernrohrs nur die Fläche
Nach (6.41) beträgt die Systembrennweite von π
zwei Linsen AAP = D2AP
4
beleuchtet wird, beträgt der Lichtstrom
fFeld fOk fFeld fOk
f = = = fOk
mit Instrument nur noch
fFeld + fOk − e fFeld
AAP DAP 2
und zwar unabhängig von der Brennweite der Φ = Γ F Φ0
2
= Γ F Φ0
2
AAuge DAuge
Brennweite der Feldlinse.
= 1 600 · Φ0 .
Ü 6.2-33: Ü 6.2-34: Die vordere Grenzentfernung einer
a) Die Fernrohrvergrößerung beträgt nach „scharfen“ Abbildung ist nach (6.69)
(6.64) a f 2
av = .
fOb f 2 − u k(a + f )
ΓF = − = −60 . Mit f = 45 mm, u = 0,0433 mm, a = −3 m
fOk
und Blende k = 2,8 ergibt sich av = −2,55 m.
b) Der Durchmesser der Austrittspupille ist Ebenso folgt für die hintere Grenzentfernung
nach (6.65) a f 2
ah = 2
= −3,64 m .
D f + u k(a + f )
DAP = EP
Γ
= 5,33 mm .
F Die Schärfentiefe ist damit
ε1 in ° 0 30 45 60 80 90
Φe in nW 62,0 53,3 43,8 31,7 10,8 0
Ie in mW/sr 15,5 13,3 10,9 7,9 2,7 0
Ie (0) in mW/sr 15,5 15,4 15,4 15,9 15,5 −
Le in kW/(m2 · sr) 15,5 15,4 15,4 15,9 15,5 −
A1 cos ε1 A2 cos ε2
Φe = Le Ω0 .
r2
d2 = f ε = 0,931 m . Ü 6.3-5:
a) Der Lichtstrom, der auf den Empfänger
fällt, ist nach (6.91)
λ/ nm x y z ϕλ ϕλ x ϕλ y ϕλ z
bestimmt werden, die in der Praxis durch Sum- folgt durch Ableiten
men berechnet werden:
dλ c c
=− oder dλ = − df .
X= ϕi xi , Y = ϕi yi und df f2 f2
Z= ϕi zi . Geht man zu den etwas größeren Intervallen
über, so gilt
Die nachfolgende Tabelle ist ein Ausschnitt ei-
c λ
ner Excel-Tabelle mit der die Berechnung vor- Δλ = Δf = Δf .
genommen wird. f2 f
Für die Farbwertanteile ergibt sich in guter Dies ist (6.102). Ersetzt man f durch c/λ, so
Übereinstimmung mit der obigen Näherungs- ergibt sich der unvorstellbar kleine Wert von
rechnung:
x = 0,7011 und y = 0,2988. λ2
Δλ = Δf = 1,2 · 10−21 m .
Ü 6.4-1: Aus der fundamentalen Wellenglei- c
chung Die Kohärenzlänge ist mit (6.100) und (6.101)
c c
c = λ f oder λ= l= = 3 · 108 m .
f Δf
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 953
Ü 6.4-2: Die Orte konstruktiver Interferenz Aus den beiden Gleichungen folgt für die Ord-
liegen in großem Abstand auf den Asympto- nungszahl der Interferenz m = 3 und für die
ten, deren Winkel durch (6.105) gegeben sind. Dicke der Schicht
So ist der Winkel des ersten Maximums
λ2
λ d=m = 800 nm .
sin α1 = . 2nF
d
Der Abstand von der Symmetrieachse, auf der Ü 6.4-5:
das Maximum nullter Ordnung auftritt, ist
a) Nach (6.109) ist die erforderliche Mindest-
D
Δx = D tan α1 ≈ D sin α1 = λ = 1,96 mm . dicke
d
Ü 6.4-3: Aus der Brennweite lässt sich mithilfe λ
d= = 119 nm .
der Linsenmachergleichung (6.29) der Krüm- 4n1
mungsradius der Linse berechnen:
Weitere mögliche Schichtdicken sind
1 1
= (n − 1) liefert (2m + 1)λ
f R dm = = 357 nm, 595 nm, …
R = (n − 1)f = 2,5 m . 4n1
Nach (6.112) sind die Radien der dunklen b) Der Gangunterschied zwischen den bei-
Ringe den reflektierten Strahlen ist (s. Herleitung
√ von (6.106)
rm = mλR .
Δ = 2d n21 − sin2 ε .
Damit wird die Wellenlänge des Lichts
2
rm
λ= = 640 nm .
mR
Ü 6.4-4: Der geometrische Wegunterschied
der beiden reflektierten Strahlen ist 2d. Der
optische Gangunterschied beträgt damit 2dnF .
Wenn keine Reflexion erfolgen soll, dann müs-
sen sich die beiden reflektierten Wellen aus-
löschen (destruktive Interferenz), also einen
Die Reflexion wird minimal, wenn gilt:
Gangunterschied von einer halben Wellen-
länge oder ungeradzahligen Vielfachen davon λ
aufweisen: Δ = (2m + 1) .
2
λ1
2d nF = (2m + 1) . (1) Daraus folgt für die gesuchte Wellenlänge
2
Soll starke Reflexion auftreten, dann müssen
die reflektierten Wellen konstruktiv interferie- 4d n21 − sin2 ε
ren, also einen Gangunterschied von ganzzah-
λ= .
2m + 1
ligen Vielfachen der Wellenlänge haben:
Für d = 119 nm und m = 0 folgt λ =
2d nF = mλ2 . (2) 536 nm.
954 11 Anhang
Ü 6.4-6: Der dritte dunkle Ring erscheint un- Ü 6.4-9: Der Grenzwinkel für das beu-
ter dem Winkel α3 relativ zur Symmetrieachse, gungsbegrenzte Auflösungsvermögen ist nach
der gegeben ist durch (6.118)
λ λ
sin α3 = 3,238 . δ = 1,22 .
d d
Mit tan α3 = d2s3 folgt Da im Auge die Wellenlänge des Lichts ver-
3,238 λ 3,238 λ 3,238 λ · 2s
d= ≈ = kürzt ist um den Betrag des Brechungsindex,
sin α3 tan α3 d3 gilt für den Grenzwinkel innerhalb des Auges
= 198 μm . λ
δi = 1,22 .
nd
Dies entspricht aber nach dem Snellius’-
schen Brechungsgesetz (mit sin δ ≈ δ) einem
Grenzwinkel außerhalb des Auges von wie-
derum
λ
δ = 1,22 ≈ 3,4 · 10−4 rad ≈ 1,2 .
d
Ü 6.4-7: Die Intensitätsverhältnisse werden Dieser Grenzwinkel stimmt etwa überein mit
durch (6.113) beschrieben: dem physiologischen Grenzwinkel von unge-
Iα sin x 2 b fähr einer Winkelminute (Abschn. 6.2.7.1).
= mit x = π sin α .
I0 x λ Ü 6.4-10: Nach den Ausführungen von Ü 6.4-9
Nebenmaxima treten nach (6.115) auf für beträgt der Grenzwinkel für λ = 550 nm
sin αm ≈ (m + 12 ) λb , d. h. für xm ≈ π(m + 12 ).
λ
Sucht man mithilfe eines Rechnerprogramms δ = 1,22 = 1,7 · 10−4 rad .
in der Gegend dieser Stellen die Maxima obiger d
Funktion, so erhält man folgende numerische Der Abstand Erde-Mond ist ungefähr rE,M ≈
Ergebnisse: 3,8 · 108 m. Damit ergibt sich auf dem Mond
I1 I eine Längendifferenz von
= 0,0472 , 2 = 0,0165 und
I0 I0 y = δ rE,M ≈ 64 km .
I3
= 0,00834 . Ü 6.4-11:
I0
Ü 6.4-8: Mathematisch ist die Halbwertsbreite a) Ein Fernrohr 8x30 hat einen Objektiv-
gegeben durch den Schnittpunkt der Funktion durchmesser von 30 mm. Der Grenzwin-
Iα sin x 2 Iα 1 kel des Auflösungsvermögens beträgt
= mit = ,
I0 x I0 2 nach (6.118)
oder vereinfacht λ
x δ = 1,22 = 2,24 · 10−5 rad
sin x = √ . d
2
für eine Wellenlänge von λ = 550 nm. An
Diese Gleichung hat die numerische Lösung
der Burgwand sollten damit Details im Ab-
x = 1,391557.
stand y = δ s ≈ 34 cm aufgelöst werden.
Damit ist der gesuchte Winkel gegeben durch
Die Fenster können also ohne weiteres ge-
λ
sin α1/ 2 = 0,4429 . sehen werden.
b
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 955
Ü 6.4-17: Das erforderliche Auflösungs- b) Die Winkel α, β und γ folgen aus (1) bis (3):
vermögen des Gitters ist nach Ü 6.4-16 α = 48,2◦ , β = 48,2◦ und γ = 70,5◦ .
λ
= 987 . Ü 6.4-19: Röntgenreflexe werden beobachtet,
dλ
wenn die Bragg-Bedingung, (6.130) erfüllt ist:
Aus (6.127) folgt die Basisbreite des Pris-
mas:
2d sin Θ = mλ .
λ/ dλ
B≥ = 11,6 mm .
dn/ dλ
Damit gilt
Ü 6.4-18:
λ
a) Die Laue-Gleichungen (6.129) bestimmen Θ = arcsin m .
2d
die Winkel, unter denen Interferenzma-
xima auftreten. Für einen Röntgenstrahl
Die ersten drei Glanzwinkel betragen:
in z-Richtung ist
α0 = β0 = 90◦ und γ0 = 0.
Θ1 = 7,28◦ , Θ2 = 14,69◦ und Θ3 = 22,36◦ .
Mit a = b = c und h = k = 1 sowie l = −1
werden die Laue-Gleichungen
Ü 6.4-20:
a cos α = λ (1)
a cos β = λ (2) a) Nach Abb. 6.106 ist der Winkel zwischen
dem Primärstrahl und dem gebeugten
a(cos γ − 1) = −λ . (3)
Strahl doppelt so groß wie der Glanzwin-
Für die Richtungskosinusse muss gelten: kel Θ, der die Bragg-Bedingung (6.130) er-
füllt:
cos2 α + cos2 β + cos2 γ =1. (4)
Setzt man (1) bis (3) in (4) ein, so folgt λ
2Θ = 2 arcsin m .
2 2 2d
λ λ λ 2
+ + 1− =1.
a a a Die ersten beiden Winkel betragen:
Die Lösung dieser Gleichung ist 2Θ1 = 31,92◦ und 2Θ2 = 66,73◦ .
λ 2 2 b) Das Argument der arcsin-Funktion muss
= oder λ = a = 0,2 nm . stets kleiner oder gleich 1 sein:
a 3 3
λ
m ≤1.
2d
2d
m≤ = 3,6 .
λ
Die größte mögliche Ordnungszahl ist da-
mit m = 3.
Die zugehörigen Winkel betragen Θ3 =
55,59◦ und 2Θ3 = 111,18◦ .
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 957
2π
1 1
I = I0 cos2 ϕ = I0 cos2 ϕ dϕ = I0 .
2π 2
0
Daraus folgt für die Brennweite der Zonenlinse Nach dem Gesetz von Malus, (6.131), ist die
Intensität hinter dem zweiten Polarisator
rk2 − k2 λ 2 rk2
f = ≈ .
2kλ 2kλ I2 = I1 cos2 30◦ =
1 3
· I0
Nun gilt nach Ü 6.4-21 2 4
◦
Ü 6.4-25: Nach Tab. 6.13 ist der Gangunter- A = 7,1116 · 106 · (nm)2 ,
mm
schied der beiden Teilstrahlen beim Kerr- ◦
Effekt B = 1,4904 · 1011 · (nm)4 .
mm
Δ = λlKE2 Für die Wellenlänge λ = 589,3 nm wird das
Drehvermögen
mit der Kerr-Konstanten [α] = 21,714 ◦ /mm.
K = 2,48 · 10−12 m/V2 .
Wenn der Gangunterschied eine halbe Wellen- Ü 6.5-1:
länge sein soll, gilt a) Die Energie der auftreffenden Photonen ist
1 V nach (6.136) bis (6.138)
E= √ = 2,25 · 106 .
2lK m 1,24 μm · eV
Eph = hf = = 4,89 eV .
λ
Ü 6.4-26: Nach Tab. 6.13 gilt für den Gang-
unterschied der beiden Teilstrahlen beim Von dieser Energie wird die Austrittsarbeit
Pockels-Effekt WA = 2,14 eV benötigt, um die Elektronen
auszulösen. Der verbleibende Rest steht als
Δ = l n30 r63 E . kinetische Energie zur Verfügung:
Damit ist die Wellenlänge der gestreuten Rönt- Ü 6.5-6: Nach (6.147) ist der Taillendurchmes-
genstrahlung ser bei einem Gauß’schen Strahl
λ = λ + Δλ = 75,79 · 10−12 m . 4λ f
d= = 6,045 · 10−5 m .
πD
Die Energie der ankommenden Quanten be-
Die mittlere Bestrahlungsstärke ist nach (6.83)
trägt
Φe 4Φe W W
=
hc Ee = = = 2,09 · 105 2 = 20,9 2 .
Eph
λ
, A π d2 m cm
die der gestreuten Quanten Ü 6.5-7: Die Wellenlänge der Materiewelle ist
nach (6.148)
hc
Eph = . h h
λ λ= = = 1,66 · 10−35 m .
p m
Damit wird der Energieverlust
Die Größe aller vorkommenden Gegenstände,
1 1
ΔE = Eph − Eph = h c − Spalte, Aperturblenden etc. ist viel größer als
λ λ diese Wellenlänge. Starke Beugungseffekte be-
= 1,79 · 10 −16
J = 1,119 keV . obachtet man aber, wenn Wellenlänge und Di-
mensionen der beugenden Objekte in dersel-
Der relative Energieverlust ist
ben Größenordnung liegen.
ΔE λ
=1− = 6,4% . Ü 6.5-8: Nach (6.148) ist die Materie-
Eph λ Wellenlänge
Ü 6.5-4: Die Photonenenergie beträgt nach h
(6.36) bzw. (6.37) λ= .
p
1,24 μm · eV
Eph = . = 12 m 2 und
λ Mit der kinetischen Energie E
dem Impuls p = m folgt
Für die Wellenlängen des sichtbaren Lichts
380 nm ≤ λ ≤ 780 nm (Abschn. 6.1) ergeben p2 √
sich die Energien 3,26 eV ≥ Eph ≥ 1,59 eV. E= oder p = 2E m .
2m
Ü 6.5-5: Wie bei Ü 6.5-2 erläutert, ist die Leis- Damit ist die Wellenlänge
tung eines monochromatischen Lichtstrahls
h
hc λ= √ = 1,81 · 10−10 m .
Φe = Eph Ṅ = N. 2E m
λ
Diese Wellenlänge entspricht etwa der Gitter-
Daraus folgt für den Photonenstrom
konstante typischer Kristalle. Neutronen kön-
Φe λ nen demnach an Kristallgittern gebeugt wer-
Ṅ = ≈ 5 s−1 .
hc den.
960 11 Anhang
7. Akustik
fm / Hz fu / Hz fo / Hz fn / Hz LOktav / dB
125 88 177 – 0
250 177 355 200 90
500 355 710 400, 600 89,4
1 000 710 1 420 800, 1 000, 1 200, 1 400 85,6
2 000 1 420 2 800 1 600, 1 800, 2 000 75,2
sowie (7.36) bzw. (7.37) gilt für den Trans- L(ri ) − L(r0 ) = 10 lg r02 − lg ri2 dB =
missionsgrad 20 lg rr0i dB (s. (7.27) in Abb. 7.3).
4Z1 Z2 Mit r0 = 2 m ergeben sich damit am Wohn-
τS = 1 − ρS = . haus folgende drei Pegel:
(Z1 + Z2 )2
2m
Der Wellenwiderstand von Argon ist Z2 = L1, Haus = L1,2 m + 20 lg dB
160 m
cAr ρAr .
Nach (7.11) ist die Schallgeschwindigkeit
= 93 dB − 38,06 dB = 54,94 dB ,
2m
proportional zur Wurzel aus der absoluten L2, Haus = L2,2 m + 20 lg dB
100 m
Temperatur. Damit ist = 97 dB − 33,98 dB = 63,02 dB
293,15 m und
cAr, 20 = cAr, 0 = 319 . 2m
273,15 s L3, Haus = L3,2 m + 20 lg dB
252 m
Aus der Zustandsgleichung idealer = 98 dB − 42,01 dB = 55,99 dB .
Gase (3.19), lässt sich die Dichte eines
Gases berechnen, wenn die Dichte am b) Die drei Einzelpegel werden nach (7.30) zu
Normzustand bekannt ist: einem Gesamt-Pegel addiert:
3
m p T
ρ(T) = = n = ρn n . Lges = 10 lg
Ln
10 10 dB dB
V Ri T T
n=1
Für Argon bei 20 ◦ C ergibt sich ρAr, 20 =
1,662 mkg3 .
= 10 lg 105,494 + 106,302 + 105,599 dB
Damit ist der Wellenwiderstand von Argon = 64,3 dB .
bei 20 ◦ C und Normdruck Z2 = 530 mkg2 s . c) Die dominierende Schallquelle ist die
Die Intensität der Welle, die in Argon ein- Quelle 2. Also sollte ihr Beitrag reduziert
dringt, wird damit werden. Wenn der Gesamtpegel am Haus
W
IAr = ILuft · τS = 4,73 · 10−5 2 . Lges = 60 dB betragen soll, dann gilt
m
Der Schallpegel ändert sich somit nur ge- Lges = 60 dB
ringfügig auf L2, Haus
IAr = 10 lg 10 + 10
5,494 10 dB + 105,599
dB .
LAr = 10 lg dB = 76,7 dB .
I0
Nach kurzer Umformung folgt der erfor-
Ü 7.2-5: derliche Pegel von Quelle 2 am Haus:
a) Die Schallintensität einer Punktquelle ist
L2, Haus = 10 lg 106 − 105,494 − 105,599 dB
nach (7.25)
= 54,64 dB .
P
I(r) = .
4π r2 In 2 m Abstand von der Quelle wird der
Damit ist der Pegel in Abhängigkeit vom erforderliche Pegel
2m
Abstand L2,2 m = L2, Haus − 20 lg dB
P 100 m
L(r) = 10 lg dB . = 88,6 dB .
4π r2 I0
Für die Pegeldifferenz zweier Orte mit den Der Pegel der Quelle 2 muss also um
Radien r0 und ri folgt ΔL2 = −8,4 dB gesenkt werden.
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 963
lg 16 Absorbermaterial abgedeckt wird. Damit
LS = 10 + 4 phon = 80 phon .
lg 2 gilt:
Eine Erhöhung der Lautstärke um 10 phon AD, vorher = αD SD ,
bzw. des Pegels um 10 dB führt zu einer
AD, nachher = αAbs SAbs + αD (SD − SAbs )
Verdoppelung der Schallempfindung.
= AD, vorher + ΔA .
Ü 7.4-1:
Aus diesen beiden Gleichungen folgt für
a) Die äquivalente Absorptionsfläche ist für
den Deckenanteil, der mit Absorbermate-
den leeren Raum nach (7.66)
rial versehen werden muss,
Aleer = αW SW + αB SB + αD SD ΔA
SAbs = = 81,23 m2 .
= 82,45 m2 . αAbs − αD
Ü 7.4-2:
Die Nachhallzeit beträgt nach der Sabine’-
schen Formel, (7.71): a) Die äquivalente Absorptionsfläche des
Raums ist nach der Sabine’schen For-
0,163 V
Tleer = = 5,19 s . mel, (7.71)
m/s A
0,163 V
Wenn 300 Personen anwesend sind, tragen A= = 18,3 m2 .
m/s T
diese noch zusätzlich 150 m2 zur Absorp-
tionsfläche bei. Damit beträgt die äquiva- Nun ist nach (7.76) das Schalldämmmaß
lente Absorptionsfläche des vollen Raums S
R = L1 − L2 + 10 lg dB = 28 dB .
Avoll = 232,45 m2 und die Nachhallzeit A
Tvoll = 1,84 s. b) Der Pegel L2 im Innenraum folgt wieder
b) Wenn die optimale Nachhallzeit erreicht aus (7.76), jetzt allerdings unter der Maß-
werden soll, muss die äquivalente Absorp- gabe, dass die Dämmung des offenen Fens-
tionsfläche erhöht werden auf ters null ist:
0,163 V S
Aopt = = 285,25 m2 . L2 = L1 + 10 lg dB .
m/s Topt A
Dies ist ein Anstieg um ΔA = Aopt − Avoll = Bei halb geöffnetem Fenster führt dies zum
52,8 m2 . Pegel L2, halb = 62,8 dB.
Die zusätzliche Absorptionsfläche wird da- Bei vollständiger Öffnung ist der Pegel um
durch erzeugt, dass ein Teil der Decke mit 3 dB höher: L2, voll = 65,8 dB.
Ü 8-1: Nach dem Bohr’schen Atommodell Die Balmer-Serie entsteht durch Übergänge
(Abb. 8.5) gilt für die Energie des Elektrons von den Energieniveaus mit n > 2 auf das
in Abhängigkeit von der Hauptquantenzahl n: Niveau n = 2. Damit ergeben sich folgende
e4 m0 1 1 Photonenenergien:
En = − · = −2,18 · 1018 J · 2
32π2 ε20 2 n2 n
1 1
1
= −13,6 eV · 2 . Eph = h f = 13,6 eV − 2 .
4 n
n
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 965
Die ersten Werte der Reihe sind: Eph, 3 = b) Nach Tab. 8.3 ist die frei werdende Ener-
1,89 eV, Eph, 4 = 2,55 eV, Eph, 5 = 2,86 eV usw. gie bei einem Übergang von LIII nach
Die zugehörigen Wellenlängen berechnen sich K EKα1 = 8,048 keV. Die Wellenlänge ist
nach λn = hEnc mit h c = 1,24 μm eV. λ = 154 pm.
λ3 = 656 nm (Hα ), λ4 = 486 nm (Hβ ), λ5 =
Ü 8-3: Die Aktivität von m = 80 g Kohlen-
434 nm (Hγ ) usw. Die kürzeste noch sichtbare
stoff einer lebenden Substanz beträgt A0 =
(oder eben nicht mehr sichtbare) Spektrallinie
ist λ10 = 380 nm. g · m = 20 Bq.
0,25 Bq
Aus (8.85) ergibt sich für das Alter
Ü 8-2: ln AA0 T
t= = 9 400 a .
a) Nach Bohr ist die Energie elektronischer ln 2
Energieniveaus
Ü 8-4:
Z 2 e4 m0 1
En =− · (8.3) .
32 π ε0
2 2 2 n2 a) Der Si-Kristall hat das Volumen V = mρ =
429 cm−3 . Die Zahl der gewünschten Phos-
Für Kupfer mit Z = 29 ergibt sich für die K-
phoratome und der damit benötigten 31Si-
Schale: E1 = −292 · 13,6 eV = −11,438 keV
Kerne ist N0 = V nP = 4,29 · 1019 .
und für die L-Schale: E2 = −292 · 13,6 eV ·
b) Die Aktivität zu Beginn ist A0 = lnT2 N0 =
4 = −2,859 keV.
1
3,18 · 1015 Bq.
Also ist die Quantenenergie der Röntgen-
K-Strahlung EK = E2 − E1 = 8,579 keV. folgt für die Wartezeit t =
c) Aus (8.85)
A0
Die zugehörige Wellenlänge beträgt λ = ln
A
T
EK = 145 pm.
hc = 154 h = 5,6 d.
ln 2
9. Festkörperphysik
Ü 9.2-1: Wenn jedes Fe-Atom ein freies Elek- Nach (9.10) beträgt die Fermi-Energie
tron liefert, dann ist die Dichte der Leitungs- 2
bandelektronen so groß wie die Atomdichte. EF = (3π2 n)2/ 3 .
2m
Für die Massendichte gilt Mit und m (Elektronenmasse) aus Tab. 1.4
ergibt sich
m νM
ρ= = , EF = 1,13 · 10−18 J = 7,03 eV .
V V
Ü 9.2-2: Die Wahrscheinlichkeit für die Beset-
ν ist die Stoffmenge, M die Molmasse.
zung eines Energieniveaus E mit Elektronen
Nun gilt für die Stoffmenge
ist nach (9.13)
ν = NNA , mit der Avogadro-Konstanten NA und 1
der Teilchenzahl N. f (E) = F .
1 + exp E−E
kT
Damit wird die Teilchenzahldichte
Für die Energie E1 = 3,05 eV, dicht unter
N NA ρ der Fermi-Energie, ergibt sich bei den bei-
n= = = 8,465 · 1028 m−3
V M den Temperaturen f (E1 , T1 ) = 0,874 und f (E1 ,
= 8,465 · 1022 cm-3 . T2 ) = 0,725.
966 11 Anhang
Für die Energie E2 = 3,15 eV, dicht oberhalb b) Für den Fall, dass das Fermi-Niveau ΔE =
der Fermi-Energie, folgt f (E2 , T1 ) = 0,126 und 20 meV unter der Leitungsbandkante liegt,
f (E2 , T2 ) = 0,275. gilt
Ü 9.2-3: Der Beitrag der Elektronen zur mola- 1
f (EL ) = = 0,316 .
ren Wärmekapazität ist nach (9.16) und (9.15) 1 + exp ΔkTE
1 T 1 kT c) Die Wahrscheinlichkeit, an der Valenz-
Cm, el = π2 Rm = π2 Rm .
2 TF 2 EF bandkante Löcher zu finden, ist
Mit EF = 3,1 eV nach Tab. 9.5 ergibt sich 1
fh (EV ) = 1 − f (EV ) = 1 − −EF .
J 1 + exp EVkT
Cm, el = 0,334 .
mol · K
Mit EV −EF = −(Eg − ΔE) = −1,09 eV ergibt
Das sind 1,2% der gesamten molaren Wärme- sich
kapazität.
fh (EV ) = 4,88 · 10−19 .
Ü 9.2-4: Die mittlere freie Weglänge der Elek-
tronen in Metallen ist nach (9.25) Ü 9.2-6: Der spezifische Widerstand eines Ei-
genleiters ist nach (9.28)
l = F τ .
1 1
ρ= = .
Die Fermi-Geschwindigkeit ist nach (9.11) κ e ni (μn + μp )
Ü 9.2-7: Bei dotiertem Silicium ist der spezifi- Bei 77 K ergibt sich
sche Widerstand nach Tab. 9.9
dR Ω
ρ=
1
=
1 = −43 .
κ e nD μn
. dT 77 K K
Ü 9.2-10: Ü 9.3-2:
a) Die Breite des p,n-Übergangs ist a) Die Energie eines Phonons ist nach (9.43)
nach (9.37)
EPhonon = hf = ω .
2εr ε0 Ud nA + nD
d= · . Daraus folgt für die Frequenz der elasti-
e nA · nD schen Wellen
Die Diffusionsspannung wird nach (9.36) EPhonon
f = .
berechnet: h
kT nA nD Für die TO- und TA-Phononen ergibt sich
Ud = ln = 0,713 V . fTO = ETOh = 14,1 THz und fTA = h =
ETA
e n2i
4,4 THz.
Mit εr = 11,8 (Tab. 9.7) ergibt sich d =
b) Der Impuls der Phononen ist nach (9.44)
0,969 μm.
b) Wenn eine Sperrspannung UR anliegt, wird h
pPhonon = = k .
in (9.37) Ud ersetzt durch λ
Ud − UR = Ud + |UR | . Der Betrag des Wellenzahlvektors ist k =
1,64 πa .
Damit vergrößert sich die Raumladungs-
zone auf
Mit der Gitterkonstanten a =
5,43 · 10−10 m aus Tab. 9.7 ergibt sich
Ud + |UR | k = 9,49 · 109 m−1 und damit pPhonon =
d = 0,969 μm = 3,76 μm .
Ud 1 · 10−24 N s.
c) Liegt eine Flussspannung UF an, so wird
Ü 9.3-3: Für Diamant ist die Debye-
die Dicke der Raumladungszone reduziert
Temperatur TD = 1 860 K (Tab. 9.11). Für
auf
T << TD gilt nach (9.63) für die molare Wär-
Ud − UF
d = 0,969 μm = 0,530 μm . mekapazität
Ud
3
Ü 9.3-1: 12 4 T J
Cm = π Rm = 7,61 .
5 TD mol · K
a) Nach (5.188) oder (9.53) ist die Phasenge-
schwindigkeit von Longitudinalwellen mit Mit der Molmasse M = 12,011 g/mol wird
großer Wellenlänge die spezifische Wärmekapazität nach (3.39)
und (3.40)
E
cs = .
ρ c=
Cm
= 633,6
J
.
M kg · K
Damit wird der Elastizitätsmodul
N Der Literaturwert ist cLit = 502 kg·K
J
. Die rela-
E = ρ cs2 = 2 · 1011 2 .
m tive Abweichung beträgt = 26%.
c−cLit
cLit
b) Die Federkonstante der „Federn“, mit
Ü 9.3-4: Aus (9.68) für die Wärmeleitfähigkeit
denen die Eisenatome gegeneinander
1
schwingen, ist nach (9.52) λ = ρ c cs lph
3
kF = aE .
folgt für die mittlere freie Weglänge
Nach Tab. 9.1 ist die Gitterkonstante von
Eisen a = 2,87 · 10−10 m. Damit ergibt sich 3λ
lph = = 2 nm .
kF = 57,4 N/m. ρ c cs
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 969
Ü 9.3-5: Nach dem Wiedemann-Franz’schen Ü 9.4-3: Ein Halbleiter ist transparent für
Gesetz, (9.70), gilt Photonen, deren Energie kleiner als die Band-
lücke ist, d. h. Eph < Eg .
λ = LT κ ,
Mit (6.115) und (6.116) ergibt sich für die Wel-
mit der Lorenz’schen Zahl lenlängen
π2 k 2 V2
L= = 2,45 · 10−8 2 . hc 1,24 μm · eV
3 e K λ > λg = = = 6,89 μm .
Eg Eg
Damit wird die Wärmeleitfähigkeit
LT W Ü 9.4-4:
λ= = 449
ρ K·m
a) Die Empfindlichkeit einer Fotodiode ist
Ü 9.4-1: nach (9.80)
a) Die Temperaturabhängigkeit des Schwell-
e
stroms wird durch (9.73) beschrieben: S= λ η(λ) .
hc
Ith = I0 eT/T0 .
Daraus folgt für die Quantenausbeute
Aus
Ith, 1 = I0 eT1 /T0 und η(λ) =
Shc
= 57% .
eλ
Ith, 2 = I0 eT2 / T0
folgt für die charakteristische Temperatur Das bedeutet, dass von je 100 auftreffenden
Photonen 57 nachgewiesen werden.
T1 − T2
T0 = I = 154 K . b) Der Fotostrom, der als Kurzschlussstrom
ln Ith, 1 messbar ist, beträgt nach (9.79)
th, 2
Ü 10-1: Nach (10.6) erscheinen einem ruhen- Ü 10-3: Der Einsteinzug hat im bewegten
den Beobachter die Längen in Bewegungsrich- System S die Länge l = 2 · 106 km =
3 Ls = 6,67 Ls (Lichtsekunden). Für die Licht-
20
tung verkürzt um den Faktor
2 1 geschwindigkeit wird der gerundete Wert
l c = 3 · 108 m/s benutzt.
= 1− = .
l c γ
Soll ll = 34 sein, dann ist die erforderliche Ge-
schwindigkeit
2 2
l 3
=c 1− =c 1− a) Der Mitfahrer A im System S löst zur Zeit
l 4
m t = 0 die beiden Lichtsignale aus, die sich
= 0,661 c = 1,98 · 108 . mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Sie
s
Für eine Schlankheitskur eignet sich die Me- erreichen gleichzeitig die Enden P und Q
nach Ablauf der Zeitspanne
thode nicht, da in der Richtung senkrecht zur
Bewegung keine Längenkontraktion stattfin- l
det.
töffnen = = 3,33 s .
2c
Der Massenzuwachs ist nach (10.10) Es gibt also für das Öffnen der Türen kei-
m() 1 4 nen Zeitunterschied: Δt = 0.
=
2 =γ= .
m0 3 b) Für den im System S ruhenden Beobachter
1− c erscheint der Zug verkürzt auf die Länge
Ü 10-2: Für den Stoß gilt der Impulserhal-
l
tungssatz und mit (10.11): l= .
γ
mp0 m0 u
2 =
2 , (1) Der relativistische Faktor ist
1 − c 1 − uc
1
dabei ist die Geschwindigkeit vor und u die γ=
2 = 1,667
1−
Geschwindigkeit nach dem Stoß. Der Energie- c
Damit entsteht eine Zeitdifferenz von Δt = Ü 10-4: Der Radarstrahl erregt die beweg-
8,889 s. lichen Elektronen in den Metallteilen der
Zweiter Lösungsweg: Karosserie zu erzwungenen Schwingungen
Analog zu (10.7) gilt für die Zeitdifferenz nach (10.23) mit der Frequenz
im System S
c+ 1+β
fPKW = fS = fS .
Δt = γ Δt + 2 x2 − x1 . c− 1−β
c
Die schwingenden Elektronen strahlen ih-
Nun ist Δt = 0 und x2 − x1 = l . Daraus rerseits eine Welle mit dieser Frequenz ab,
folgt die beim Empfänger noch einmal dopplerver-
schoben ankommt mit der Frequenz
Δt = γ 2 l = 8,889 s .
c
1+β 1+β
fE = fPKW = fS .
Die beiden Diagramme zeigen die Darstel- 1−β 1−β
lung im Minkowski-Raum.
Da β << 1, gilt
c) Die Tür befinde sich im Punkt R. Da die fE ≈ fS (1 + β)2 ≈ fS (1 + 2β)
hintere Tür nach tP = 1,111 s öffnet, muss
= fS (1 + 1,85 · 10−7 ) = 9,00000167 GHz .
sich R am Ort x = c·tP = 1,111 Ls befinden.
Mithilfe von (10.1) kann diese Koordinate Da diese Frequenz nicht mit der nötigen
in das System S transformiert werden: Genauigkeit messbar ist, werden die beiden
Schwingungen überlagert. Die resultierende
x = γ (x − t) = 0,37 Ls . Schwebung hat nach (5.134) die Schwebungs-
frequenz
Die Tür müsste also im Zug um 0,37 Ls ent-
fernt von A nach vorne angebracht werden. fSchweb = fE − fS = fS · 2β = 1,668 kHz .
972 11 Anhang
1993 USA Hülse, Russell A. Entdeckung eines neuen Typs von Pulsar
(∗ 1950)
Taylor, Joseph H. Jr.
(∗ 1941)
1994 CDN Brockhouse, Bertramin N. Technik der Neutronenstreuung zur
(1918 bis 2003) Untersuchung fester Körper
USA Shull, Clifford G. (Neutronenspektroskopie und
(1915 bis 2001) Neutronenbeugung)
1995 USA Perl, Martin L. Experimentelle Beiträge zur Leptonenphysik
(∗ 1927) (Entdeckung des Tau-Leptons und des
Reines, Frederick Neutrinos)
(1918 bis 1998)
1996 USA Lee, David M. Entdeckung der Suprafluidität in Helium-3
(∗ 1931)
Osheroff, Douglas M.
(∗ 1945)
Richardson, Robert C.
(∗ 1937)
1997 USA Chu, S. Entwicklung von Methoden zur Abkühlung
(∗ 1948) und zum Einfangen von Atomen mit Laserlicht
F Cohen-Tannoudji, C.
(∗ 1933)
USA Phillips, W. D.
(∗ 1948)
1998 USA Laughlin, Robert B. Entdeckung einer neuen Form von Quanten-
(∗ 1950) flüssigkeit mit gebrochen geladenen Anregungen
D Störmer, Horst L.
(∗ 1949)
USA Tsui, David C.
(∗ 1939)
1999 NL ’t Hooft, Gerardus Beiträge zur Theorie der elektroschwachen
(∗ 1946) Wechselwirkung
Veltman, Martinus J. G.
(∗ 1931)
2000 RUS Alferov, Zhores Entwicklung von Halbleiter-Heterostrukturen
(∗ 1930) für die Hochgeschwindigkeitselektronik
USA Krämer, Herbert und Optoelektronik
(∗ 1928)
USA Kilby, Jack Beiträge zur Entwicklung des integrierten
(1923 bis 2005) Schaltkreises
2001 USA Cornell, Eric A. Erzeugung der Bose-Einstein-Kondensation in
(∗ 1961) verdünnten Gasen aus Alkaliatomen und frühe
D Ketterle, Wolfgang grundsätzliche Studien über die Eigenschaften
(∗ 1957) der Kondensate
USA Wieman, Carl E.
(∗ 1951)
11.2 Nobelpreisträger der Physik 981
Halbleiter, 277, 534, 809, 818 Hörbereich, Schallfrequenz, 629 – Eigenfunktion, 669
– spezifischer elektrischer, 278 Höreindruck, 632 Impulssatz, 59
Halbleiter, Eigenschaften, 821 Hörschwelle, 632 – in der Hydrodynamik, 146
– Leitfähigkeit, 820 Hohlraumionendosis, 776 Impulsvektor, 666
– Leitungsmechanismen, 821 Hohlraumstrahler, 541 indifferentes Gleichgewicht, 86
Halbleiterlaser, 852, 853 Hohlspiegel, 496 indirekt ionisierende Strahluna, 759,
Halbwertszeit, 719 Hohlzylinder, Masseträgheitsmo- 763
– biologische, 780 mente, 90 indirekter Schall, 638
– physikalische, 719, 780 Hollraumstrahlung, 660 Induktionsgesetz, 383
Hall-Effekt, 363, 365, 814, 845 Holografie, 574 Induktionsmesswerk, 411
Hall-Generator, 365 holografische Korrelation, 577 Induktionsvorgang, 384, 385
Hall-Koeffizient, 365 holografisches Gitter, 568 induktive Zeitkonstante, 407
– einiger Werkstoffe, 366 Hologramm, 575 induktiver Blindwiderstand, 393
Hall-Spannung, 365, 680, 681 homöopolare Bindung, 787 induzierte Emission, 594
Hall-Widerstand, 680–682 Hooke’sches Gesetz, 48, 110, 112, 424 inelastische Streuung, 731, 759
Halogenlampe, 317 – bei Scherung, 112 inelastischer Stoß, 71, 731
Hamilton’sches Prinzip, 662 Hubarbeit, 64, 65, 104 Inertialsystem, 44, 867
Hamilton-Funktion, 663, 667 Huygens’sches Prinzip, 483 Influenz, 210
Hamilton-Funktion eines Elektrons, Huygens-Fresnel’sches Prinzip, 484, – elektrische, 331, 333
677 559 Infrarotspektrum, 702
Hamilton-Operator, 662 Hydratisierung, 293 Infraschall, 631
– kartesische Koordinaten, 673 – von Ionen, 293 innere Energie, 236
– Kugel-Koordinaten, 673 Hydraulik, 123 – Kräfte, 58
Hangabtriebskraft, 46 hydraulische Presse, 125 – Reibung, 49, 150
Harmonices mundi, 101 Hydrodynamik, 135 – Strahlenbelastung, Schutz, 779
harmonische Schwingungen, 422 – Impulssatz, 146 innerer Widerstand, 287
– und Kreisbewegung, Zusammen- hydrodynamische, Ähnlichkeit, 158 instationäre Felder, tromagnetische,
hang, 421 hydrodynamisches Grundgesetz, 614 383
harmonische Wellen, 468 – Paradoxon, 144 Instrumente, optische, 523
harmonischer Oszillator, 679, 700 Hydrostatik, 123 Intensität von Wellen, 469
Hartmagnet, 376 hydrostatischer Druck, 127 Intensitätsverteilung am Spalt, 664
Hauptachse, kristallografische, 581 hydrostatisches Paradoxon, 127 – bei der Beugung, 561
Hauptebene, 514 Hyperschall, 631 Interferenz, 477, 491, 549, 552
Hauptmaxima, Gitterbeugung, 566 Hysterese, magnetische, 373 – destruktive und konstruktive, 478
Hauptquantenzahl, 659, 677, 693 Hysterese, mechanische, 117 Interferenzen an dünnen Schichten,
Hauptsatz, dritter, 176, 231 Hysteresekurve, 117, 372 552
Hauptsatz, erster, 175, 231 – gleicher Dicke, 555
Hauptsatz, nullter, 179 I Interferenzfarbe, 553
Hauptsatz, zweiter, 175, 222 Interferenzfunktion, 566
Hauptschnitt, 581 ideale Gase, allgemeine, 211 Interferenzholografie, 577
Hauptspannung, 115 ideale Gase, allgemeine Zustands- Interferenzlinie, 553
Hauptstrahl, 523 gleichungen, 185 Interferenzmikroskop, 558
Hauptträgheitsachse, 92 – Kompressionsmodul, 615 Interferometer, 479, 557
Hauptträgheitsmoment, 92 – spezielle Zustandsänderungen, intermediäre Vektorbosonen, 754
Hebung, kapillare, 134 204 internationale Höhenformel, 129
Heidinger’sche Ringe, 553 ideale Strömungen,, 138 intrinsische Trägheitsdichte, 822
Heisenberg’sche, 601 ideales Gas, 185, 188 Invariante, Abbe’sche, 508
Heisenberg’sche Unschärferelation, Impatt-Diode, 828 inverser piezoelektrischer Effekt, 848
673, 748 Impedanz, 399 Inversionstemperatur, 236
Heißleiter, 275 Impuls, 56, 81 Ionen, Hydratisierung, 293
Hellempfindlichkeitsgrad, 543 – Drehimpuls, 76, 81 Ionenbindung, 787
Helligkeit, 532 – eines materiellen Punktes, 56 Ionendosis, 767
Helmholtz-Lagrange-Gleichung, 510, – eines Phonons, 837 Ionendosisleistung, 767
511, 540 – eines Photons, 592 Ionenpaare, Energieverbrauch, 763
Helmholtz-Resonator, 626 – eines Systems, 58 Ionisation, 758
heteropolare Bindung, 786 – freies Teilchen, 669 – spezifische, 761
Histogramm, 14 – generalisierter, 663 Ionisationsdetektor, 723, 724
Hitzdrahtmesswerk, 411 – relativistischer, 876 Ionisationsvermögen, 757, 762
Hochtemperatur-Reaktor, 740 Impulsänderung, 57 ionisierende Strahlung, direkte, 758
Höhenformel, barometrische, 129 – zeitliche, bei Strömung, 145 – indirekte, 759, 764
– internationale, 129 Impulserhaltungssatz, 59 – Messung, 723
Höppler-Kugelfallviskosimeter, 153 Impulsoperator, 666 Ionisierungsenergie, 761, 762
994 Namen- und Sachverzeichnis