010 - Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion
010 - Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion
010 - Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion
Vorlesungsskript Grundkurs
4 Torsion
4.1 Einführung
4.2 Grundlagen
4.2.1 Vorbemerkung
Leider werden zum Thema Torsion in der Literatur für ein und dieselbe Größe zahlreiche
verschiedene Symbole und teilweise auch Bezeichnungen verwendet. Die folgende Tabelle
soll die Zuordnung erleichtern, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
C Wölbfedersteifigkeit c
C Drehfedersteifigkeit
Abklingfaktor
Unter Torsionsbeanspruchung tritt eine Verdrehung des Stabes um seine Längsachse (bzw.
um eine dem Stab aufgezwungene, zur Längsachse parallele Drillachse A) mit dem Verdre-
hungswinkel auf. Wird die Verdrehung d auf die Längeneinheit dx bezogen spricht man
von der Verdrillung d /dx = ‘.
Mit der Verdrillung geht bei nicht wölbfreien Querschnitten eine Verwölbung u einher: die
einzelnen Querschnittspunkte („Fasern“) verformen sich in Stablängsrichtung unterschied-
lich stark, wobei der Stabquerschnitt nicht eben bleibt, er verwölbt sich.
Rotationssymmetrische Querschnitte
Diese Forderung wird von jedem Dreieck mit beliebigen Blechdicken erfüllt.
Ferner erfüllen auch alle polygonal begrenzten Querschnitte mit konstanter Blechdicke diese
Forderung, wenn in sie ein Kreis einbeschrieben werden kann. Der Mittelpunkt dieses Krei-
ses liegt auf den Winkelhalbierenden je zweier benachbarter Bleche und ist zugleich der
Schubmittelpunkt.
Bild 4-8: Dreieckshohlprofil Bild 4-9: Hohlprofil mit t=.const und einbe-
schriebenem Kreis
Alle Polygone mit konstanter Blechdicke t, die einen Kreis umschließen, sind wölbfrei.
Achtung: Die Eigenschaft der Wölbfreiheit geht verloren, wenn es eine Zwangsdrillachse gibt
und sich der Querschnitt nicht um seinen Schubmittelpunkt verdrillen kann.
Beispiele:
Als näherungsweise wölbfrei gelten z.B. rechteckige Hohlprofile, deren Seitenlängen a und b
sich nicht zu sehr voneinander unterscheiden.
Man unterscheidet zwei Arten von Torsion: St. Venantsche Torsion und Wölbkrafttorsion.
Die St. Venantsche Torsion wird auch zwangsfreie Drillung genannt. Alle Querschnitte des
Stabes können sich ungehindert verwölben. Durch die Querschnittsverwölbung erfahren die
Querschnittsfasern unterschiedliche Dehnungen x. Da sich diese Dehnungen ungehindert
einstellen können, entstehen nur Schubspannungen, aber keine Normalspannungen. Die
Schubspannungen infolge St. Venantscher Torsion werden als „primäre Schubspannungen
p“ bezeichnet.
Die Wölbkrafttorsion wird auch als Zwangs- oder Zwängungsdrillung bezeichnet. Wird die
freie Verwölbung eines nicht wölbfreien Querschnittes behindert (z.B. einbetoniertes Träger-
ende), so entstehen neben primären Schubspannungen p auch „sekundäre Normalspan-
nungen “ und „sekundäre Schubspannungen “.
Für wölbfreie Querschnitte gilt im Allgemeinen die St. Venantsche Torsion. Für nicht wölb-
freie Querschnitte muss in der Regel die Wölbkrafttorsion berücksichtigt werden.
Für wölbarme Querschnitte kann die St. Venantsche Torsion oft als brauchbare Näherung
verwendet werden.
Wenn die Wölbkrafttorsion zu berücksichtigen ist, kann das Torsionsmoment Mx in zwei An-
teile zerlegt werden, welche zu primären und sekundären Spannungen führen:
Mx M x, p M x ,s
Infolge des Torsionsmomentes Mx verdreht sich der Querschnitt um seine Längsachse. Wä-
ren die Flansche nicht mit dem Steg verbunden, so würden sich die drei Einzelbleche jeweils
um den Winkel verdrehen, wobei die Schwerpunkte der Einzelbleche auf der z-Achse ver-
bleiben würden.
Die Endpunkte des Steges würden sich relativ zu den Flanschmitten um das Maß voben bzw.
vunten verschieben. Die zu diesem Zustand gehörenden primären Schubspannungen p laufen
um jeden Querschnittsteil im gleichen Drehsinn herum. Dieser Zustand entspricht dem Anteil
aus Saint-Venantscher Torsion.
Natürlich tritt in der Realität zwischen den Flanschen und dem Steg keine Klaffung auf, so
dass die Flansche zusätzlich zur Rotation (x) auch eine Translation voben bzw. vunten erfah-
ren, da die Querschnittsform erhalten bleibt (Verträglichkeit der Verformungen der Quer-
schnittsteile). Damit sich diese Verformung der Flansche einstellt, müssen in den Flanschen
zwangsläufig sekundäre Schubspannungen und auch (hier nicht dargestellte) Wölbnor-
malspannungen auftreten. Dieser Zustand entspricht dem Anteil aus Wölbkrafttorsion.
Die Theorie zu den beiden Torsionsarten wird in den folgenden Abschnitten ausführlich er-
klärt.
4.3.1 Voraussetzungen
Es müssen folgende Voraussetzungen eingehalten sein, damit reine St. Venantsche Torsion
vorliegt:
Der Werkstoff verhält sich linear-elastisch (Verfahren Elastisch-Elastisch).
Unter diesen Voraussetzungen entstehen nur Schubspannungen p. Sie werden als St. Ve-
nantsche oder primäre Schubspannungen bezeichnet.
Die Forderungen, dass Torsionsmomente nur an den Stabenden angreifen und Verwölbun-
gen nicht behindert werden dürfen, gelten nur für nicht wölbfreie Querschnitte.
Die Erhaltung der Querschnittsform ist von großer Bedeutung. Deshalb werden insbesonde-
re an Krafteinleitungsstellen (Angriffspunkte von Einzellasten, Lager) Rippen, Schotte oder
steife Querverbände angeordnet. Zu beachten ist jedoch, dass Maßnahmen zur Erhaltung
der Querschnittsform abhängig von deren individueller Ausführung dazu führen können, dass
die freie Verwölbung des Querschnittes nicht mehr möglich ist und somit keine reine St. Ve-
nantsche Torsion mehr vorliegt (Beispiel: dicke Stirnplatten oder Rippen).
Anhand eines Kreisquerschnitts wird die Differentialgleichung der St. Venantschen Torsion
hergeleitet.
Der infinitesimal kleine Stababschnitt der Länge dx wird durch das Torsionsmoment Mx,p be-
ansprucht.
Für die Verformung eines Punktes im Abstand r von der Stabachse gilt
r d ( x) dx ,
Durch Integration der Schubspannungen über die Querschnittsfläche erhält man das Torsi-
onsmoment Mx,p als Resultierende der Schubspannungen.
d ( x)
M x, p p r dA G r 2 dA
A
dx A
Ein wichtiger Querschnittswert ist das Torsionsflächenmomentes 2. Grades I T, das mit der
Einheit [cm4] angegeben wird.
r4 IT [r 4 (r t ) 4 ]
IT
2 2
t t
r4 1 4 r4 für 1
2 r r
IT 2 r3 t
Umstellen der Bestimmungsgleichung für Mx,p und Einsetzen der Beziehung für IT liefert die
Differentialgleichung (DGL) der St. Venantschen Torsion.
d ( x) M x, p
( x) DGL der St. Venantschen Torsion
dx G IT
Damit vereinfacht sich nach Auflösen und Einsetzten auch die Gleichung zur Berechnung
der Schubspannungen:
d ( x) M x, p
p G G r r
dx IT
4.3.3 Vollquerschnitte
Die Schubspannungen infolge St. Venantscher Torsion können für beliebige Vollquerschnitte
mit Hilfe der Prandtlschen Membrananalogie (Analogie zur Poissonschen DGL) exakt be-
stimmt werden.
M x, p p ( x) r dA
A
Dabei entspricht die Torsionsbeanspruchung dem Druck auf die Membran. Das Torsions-
moment aus St. Venantscher Torsion entspricht dem Zweifachen des Volumens, das von der
Querschnittsoberfläche und der Membranoberfläche begrenzt wird. Die Schubspannungen
verlaufen tangential zur Membran, wobei ihr Betrag der jeweiligen Neigung der Membran
entspricht. Die Membrananalogie lässt sich aus dem Vergleich der Auslenkung der Membran
mit der DGL der Torsion dickwandiger Stäbe herleiten.
A4
IT Näherung nach St. Venant für Vollquerschnitte
40 ( I y I z )
Weitere Ausführungen sind der einschlägigen Literatur zur Technischen Mechanik zu ent-
nehmen (z.B. E. Pestel / J. Wittenburg: Technische Mechanik Band 2, Wissenschaftsverlag
1986, ISBN 3-411-01608-6).
4.3.3.2 Rechteckquerschnitte
Für einen Rechteckquerschnitt mit den Abmessungen t·h beträgt der Maximalwert der
Schubspannungen
M x, p
p , max ,
h t2
IT h t3.
und sind Beiwerte, die vom Verhältnis h/t der Querschnittshöhe h zur Querschnittsdicke t
abhängen.
h
Tabelle 4-2 ist zu entnehmen, dass für und einen Grenzwert von 1/3 besitzen.
t
h
Für 10 ist 0,313 , also schon recht nahe am Grenzwert 1/3, d.h. als Kriterium für
t
h
das Vorliegen eines dünnwandigen Querschnitts kann in etwa ein Verhältnis 10 gelten.
t
1
IT h t3 .
3
Jene Schubanteile, die parallel zur kleinen Abmessung t verlaufen, erscheinen im Vergleich
zu den Anteilen entlang der großen Abmessung b vernachlässigbar.
Integriert man die Schubspannungen über die Breite b und die Blechdicke t, so erhält man
als Resultierende ein Kräftepaar, das einem Torsionsmoment Mx*entspricht.
1 t 2 t2 t t3 1 1 IT
M x* max b t max b max b max
2 2 3 6 t 6 t 2 t
Dieses Torsionsmoment ist nur halb so groß wie das Torsionsmoment Mx,p, das sich nach
der Formel
max
M x, p I T ergibt.
t
Dieser Widerspruch kann dadurch erklärt werden, dass an den Blechenden Schubspannun-
gen in Dickenrichtungen wirken, die in obiger Betrachtungsweise nicht berücksichtigt wur-
den. Diese Schubspannungen sind den übrigen Schubspannungen im Blech gleichwertig,
klingen mit zunehmender Entfernung vom Blechrand rasch ab, besitzen aber einen relativ
großen Hebelarm und tragen so zur Aufnahme des Torsionsmomentes bei. Das richtige Tor-
sionsmoment ergibt sich aus der Lösung der sogenannten Spannungsfunktion (hier nicht
behandelt, siehe Fachliteratur).
M x, p
p , max t.
IT
Zum Vergleich:
Für einen allgemeinen Vollquerschnitt beträgt die maximale Schubspannung
M x, p
p , max
WT
WT [cm³] wird Torsionswiderstandsmoment genannt und ist für die gebräuchlichsten Quer-
schnittsformen in den einschlägigen Tabellenwerken (z.B. Schneider Bautabellen) enthalten.
Da Vollquerschnitte für die Metallbaupraxis eher von untergeordneter Bedeutung sind, wird
bezüglich ausführlicherer Hintergrundinformationen auf die Literatur verwiesen.
M x, p
p , max t
IT
1
IT b t3
3
Weil die Querschnittsform voraussetzungsgemäß erhalten bleibt, muss die Verdrillung ', die
sich infolge des Torsionsmomentes Mx,p ergibt, für den Gesamtquerschnitt und für jeden
Teilquerschnitt (Einzelblech) gleich groß sein.
d 1 d 2 d i d
...
dx dx dx dx
d 1 d 2 d d
M x, p M x, p ,i G I T ,1 G I T , 2 ... i G I T ,i G IT
i dx dx dx dx
d d
G I T ,i G IT
dx i dx
1 3
IT I T ,i bi t i
i 3 i
Diese Formel gilt für nicht geschlossene Profile, die aus Blechen zusammengeschweißt oder
–geschraubt sind.
Für Walzprofile wird ein Korrekturwert eingeführt, um den Einfluss der beim Walzen ent-
stehenden Rundungen zu erfassen:
1 3
IT bi ti
3 i
Profil L T, C, U, Z I
1,0 1,10 bis 1,15 1,3
Für Lamellenpakete, wie sie insbesondere in den Anfangsjahren des Stahlbaus verwendet
wurden, kann IT wie folgt berechnet werden:
1 3 1 3
genietet: IT b0 t o ci t i
3 3
1 3
geschweißt: IT bs t o
3
Einzellige Querschnitte
Bei dünnwandigen offenen Querschnitten stellt sich unter Torsionsbeanspruchung ein über
die Blechdicke linear veränderlicher Schubspannungsverlauf ein. Im Gegensatz dazu besit-
zen die Schubspannungen bei geschlossenen dünnwandigen Querschnitten über die Blech-
dicke einen konstanten Verlauf.
Schneidet man aus einem geschlossenen Querschnitt einen Teil heraus (vgl. Ausschnitt C,
Bilder 4-25 und 4-26), so kann mit Hilfe des Satzes von der Gleichheit einander zugeordne-
ter Schubspannungen gezeigt werden, dass der Schubfluss T über den Querschnittsumfang
konstant ist:
Fx 0: 1 t1 dx 2 t 2 dx
1 t1 2 t2 i ti T const.
Das Torsionsmoment Mx,p ist die Resultierende dieses konstanten, umlaufenden Schubflus-
ses T.
Die folgenden Gleichungen beziehen sich auf einen (beliebigen) Drehpunkt A. Der Index A
macht den Bezug zum Drehpunkt A kenntlich.
Es wird eine lokale Koordinate s mit Ursprung im Punkt P0 eingeführt, die der Profilkontur
tangential folgt. Jeder Querschnittspunkt P kann durch diese lokale Koordinate s als P(s)
ausgedrückt werden.
Dann legt man im Punkt P(s) gedanklich eine Tangente an die Querschnittskontur. Zum
Drehpunkt A besitzt diese Tangente den Abstand rt,A.
Die Schubspannungen p werden durch Multiplikation mit der Blechdicke t zum Schubfluss T
zusammengefasst:
T ( s) p ( s) t ( s) T const.
Innerhalb eines infinitesimal kleinen Abschnitts der Querschnittskontur mit der Länge ds be-
trägt die resultierende Kraft des Schubflusses T·ds.
Diese Kraft erzeugt mit dem Hebelarm rt,A ein Torsionsmoment bezüglich der Drillachse A:
dM x , p rt , A T ds
Durch Integration von dMx,p über den gesamten Umfang des geschlossenen Querschnitts
ergibt sich das Torsionsmoment
M x, p rt , A T ds T rt , A ds
Wegen Integration über den gesamten Umfang wird das Zeichen für das Ringintegral ver-
wendet.
Das Ringintegral entspricht demnach dem zweifachen Wert der Fläche Am, die von der Mitte-
llinie des Bleches umschlossen wird.
rt , A ds 2 Am
M x, p T rt , A ds T 2 Am
M x, p
T const. 1. Bredtsche Formel
2 Am
Die maximale (primäre) Schubspannung tritt an der Stelle mit der geringsten Blechdicke auf.
T
max p
t min
Ein Punkt P auf der Mantelfläche des Stabes erfährt infolge einer Verdrehung d die Ver-
schiebung dv tangential zur Querschnittsoberfläche.
Bild 4-29: Tangentiale Verschiebung dv eines Punktes auf der Staboberfläche infolge d
dv rA d cos rt , A d
Bei einem allgemeinen, nicht wölbfreien Querschnitt führt die Schubverzerrung auch zu
Verwölbungen (=Längsverformungen) du (vgl. Element aus der Profilwandung mit den Ab-
messungen dx·ds).
Bild 4-30: Infinitesimales Element dx·ds aus Bild 4-31: Schubverzerrung am Element
der Profilwandung dx·ds
dv du
dx ds G
T
Mit ( s) und dv rt , A d folgt:
t ( s)
T d du
rt, A
G t ( s) dx ds
T d
du rt , A ds
G t (s) dx
T d
u rt, A ds
s
G t ( s) dx
Bei Integration über den gesamten Querschnittsumfang ist der Startpunkt PA mit dem End-
punkt PE der Integration identisch, und man erhält als Ergebnis die Differenzverwölbung u
zwischen diesen beiden Punkten:
PE
T d T d
u rt , A ds rt , A ds u ( PE ) u ( PA )
PA
G t (s) dx s
G t ( s) dx
Da es sich um ein geschlossenes Profil handelt, sind Startpunkt PA und Endpunkt PE iden-
tisch, und weil zwischen zwei benachbarten „Fasern“ keine Verformungsdifferenz u auftre-
ten kann gilt:
T d
u rt , A ds 0
s
G t ( s) dx
T d
ds rt , A ds
s
G t ( s) s
dx
T und G sind konstant und können vor das Integral gezogen werden, ebenso d /dx, weil
über s und nicht über x integriert wird.
T ds d
rt , A ds ( x) 2 Am
G s
t ( s) dx s
M x,P ds
( x) 2 Am ,
2 Am G s t (s)
die analog aufgebaut ist wie die Differentialgleichung der St. Venantschen Torsion:
M x, p
( x)
G IT
2
4 Am
IT
ds
s
t (s)
Das Hohlprofil kragt von der Einspannung frei aus und wird am Stabende durch ein Einzel-
torsionsmoment belastet. Das Profil ist wölbfrei, da es eine konstante Wanddicke t besitzt
und weil in das Profil ein Kreis einbeschrieben werden kann.
Mx,p = MT = 30 kNm
l = 1500 mm
M x, p 30 100
p 9,77 kN / cm²
2 Am t 2 384 0,4
2
4 Am 4 384 2
IT 3009 cm4
1 1
ds 4 (20,0 0,4)
t ( s) 0,4
x l
M x ( x) M x ( x) Mx
( x) ( x) dx l
G IT x 0
G I T G IT
Mx 30 100
(l 1500 mm ) l 150 0,0185 rad 1,058
G IT 8100 3009
Zum Vergleich wird ein über die Länge geschlitztes Rohr (offener Querschnitt) mit denselben
Abmessungen betrachtet. Es wird angenommen, dass die Verwölbungen nicht behindert
werden.
1 3 1
IT I T ,i bi ti (2 20,0 0,43 2 19,2 0,43 ) 1,673 cm4
i 3 i 3
M x, p 30 100
p , max t 0,4 717 kN / cm 2
IT 1,673
x l
M x ( x) M x ( x) Mx
( x) ( x) dx l
G IT x 0
G IT G IT
Mx 30 100
(l 1500 mm ) l 150 33,21 rad 1903
G IT 8100 1,673
Hinweis: Der Stab würde damit mehr als fünfmal um seine Längsachse verdreht werden. Es handelt sich nur um
ein Demonstrationsbeispiel, da eine so große Verdrehung natürlich nicht mehr von einer Theorie erfasst wird, die
„kleine Verformungen“ voraussetzt.
An diesem einfachen Beispiel wird deutlich, wie stark sich geschlossene und offene Quer-
schnitte im Hinblick auf Torsionssteifigkeit und –widerstand unterscheiden.
Tabelle 4-4: Gegenüberstellung der Ergebnisse für ein offenes und ein geschlossenes Profil
Hinweis: Streng genommen müsste zu IT,geschlossen eines jeden geschlossenen Profils ein zusätzlicher Anteil IT,offen
eines offenen Profils mit gleichen Abmessungen hinzuaddiert werden. Da der geschlossene Anteil aber stark
überwiegt, wird dieser Anteil praktisch immer vernachlässigt. Hier z.B. wäre I T,geschlossen streng genommen 3009 +
4 4
1,7 = 3011 cm , was aber praktisch 3009 cm entspricht.
Mehrzellige Querschnitte
Bei mehrzelligen, dünnwandigen Querschnitten ist im Regelfall nicht von vorneherein er-
kennbar, wie sich der Schubfluss auf die einzelnen Zellen des Querschnitts verteilt.
Gemäß dem Prinzip der Wasserleitung gilt, dass an einem Knotenpunkt der zufließende
Schubfluss so groß ist wie der abfließende.
TSteg T2 T1
Derselbe Zusammenhang ergibt sich alternativ aus dem Satz von der Gleichheit einander
zugeordneter Schubspannungen, wenn für Ausschnitt B die Gleichgewichtsbedingung
Fx = 0 angetragen wird.
Aufgrund der Voraussetzung, dass die Querschnittsform erhalten bleibt, ist die Verdrillung ‘i
aller einzelnen Zellen gleich groß und auch gleich groß wie die Verdrillung ‘ des Gesamt-
querschnitts.
d 1 d 2 d i d
...
dx dx dx dx
d i M x ,i
dx G I T ,i
Unter Anwendung der Bredtschen Formeln kann für die Einzelzellen das Torsionsträgheits-
moment IT,i und der Anteil Mx,i am gesamten Torsionsmoment Mx ermittelt werden.
2
4 Am,i
I T ,i
ds
t
M x,i
Ti M x,i 2 Am Ti
2 Am,i
Setzt man diese beiden Beziehungen in die Formel für die Verdrillung ein, so erhält man die
Verdrillung der Einzelzelle i in Abhängigkeit vom Schubfluss Ti.
ds ds
2 Am ,i Ti Ti
d i M x ,i t (s) t (s)
2
dx G I T ,i 4 G Am ,i 2 G Am ,i
Es ist zu beachten, dass der Schubfluss Ti anders als beim einzelligen Querschnitt nicht
über den gesamten Umfang der Einzelzelle konstant ist.
Der Schubfluss Ti-1 und Ti+1 der Nachbarzellen wirkt in den gemeinsamen Wänden dem
Schubfluss Ti entgegen, so dass Ti in diesen Blechen um den Betrag Ti-1 bzw. Ti+1 verringert
wird (gleicher Drehsinn der einzelnen Momente Mx,i vorausgesetzt).
Unter Beachtung der gegenläufigen Schubflüsse der Nachbarzellen ergibt sich beispielswei-
se für die mittlere Zelle 2 des dargestellten Querschnittes folgende Verdrillung:
b d
d 2 1 ds ds ds
T2 T1 T3
dx 2 G Am, 2 Zelle 2
t ( s) a
t ( s ) c
t ( s)
b
ds ds
0 2 G Am,1
Zelle1
t (s) a
t ( s) T1
b d
0
ds ds ds T2
2 G Am, 2 0
a
t (s) Zelle2
t ( s) c
t ( s) T3
d
0
ds ds
0 2 G Am,3
c
t ( s) Zelle3
t (s)
Das Gleichungssystem ist nicht lösbar, weil für vier Unbekannte nur drei Gleichungen vor-
handen sind. Die benötigte vierte Gleichung kann aus der Tatsache gewonnen werden, dass
die Summe der Momentenanteile, die von den einzelnen Zellen abgetragen werden, dem
Moment Mx,p entspricht.
M x, p M x , p ,i 2 Am,i Ti
i i
b
ds ds
0 2 G Am ,1
t ( s) t (s)
Zelle1
b
a
d
T1 0
ds ds ds
2 G Am , 2 T2 0
a
t ( s) Zelle2
t (s) c
t (s)
d
T3 0
ds ds
0 2 G Am ,3 M x, p
c
t (s) Zelle3
t (s)
2 Am ,1 2 Am, 2 2 Am,3 0
Für den dargestellten zweizelligen Hohlkasten sollen der Verlauf der primären Schubspan-
nungen p und das Torsionsträgheitsmoment IT ermittelt werden.
Zelle 1
Zelle 2
Gemeinsame Zellenwand
ds 100
100
W and
t 1,0
1 2
Gleichungssystem
ds ds
2 G Am ,1
Zelle1
t ( s) W and
t ( s)
1 2 T1 0
ds ds
2 G Am , 2 T2 0
W and
t ( s) Zelle2
t (s)
1 2 M x, p
2 Am ,1 2 Am , 2 0
Lösung
T1 1,412 kN / cm
T2 1,794 kN / cm
5
0,187 10 rad / cm
M x, p 1000 100
IT 5
660 ,2 10 4 cm 4
G 8100 0,187 10
Zur Überprüfung der Plausibilität der Berechnungsergebnisse wird der Querschnitt ohne Be-
rücksichtigung des Bleches zwischen den Zellen berechnet:
2
4 Am 4 (300 100 ) 2
I T ,einzellig 644 ,8 10 4 cm 4
ds 100 100 300 300
t 0,8 1,2 1,5 2,0
M x, p 1000 100
Teinzellig 1,67 kN / cm²
2 Am 2 100 300
Die Berechnung unter Vernachlässigung der Trennwand zwischen den Einzelzellen liefert
eine brauchbare Abschätzung der Größenordnung des Schubflusses und bestätigt die Rich-
tigkeit der exakten Berechnung.
Bestehen Querschnitte sowohl aus offenen als auch aus geschlossenen Teilen, dann sind
zur Bestimmung des Torsionsträgheitsmomentes IT die Anteile der geschlossenen Quer-
schnittteile und die Anteile der offenen Querschnittsteile zu addieren.
M x , p , geschlosse n G I T , geschlosse n
M x , p ,offen G I T ,offen
M x, p G ( I T , geschlosse n I T ,offen )
IT I T , geschlosse n I T ,offen
Klassisches Beispiel ist ein Hohlkastenquerschnitt einer Brücke. Der eigentliche Hohlkasten
ist ein geschlossener Querschnitt, die auskragenden Fahrbahnplatten sind offene Quer-
schnitte.
In vielen Fällen ist der Anteil IT,geschlossen am gesamten Torsionsträgheitsmoment IT sehr viel
größer als der Anteil IT,offen, so dass der Anteil IT,offen oft vernachlässigt werden kann. Je nach
Größe der offenen und geschlossenen Teile ist die Vernachlässigbarkeit von Fall zu Fall zu
überprüfen.
h, b t I T , geschlosse n I T ,offen
Im Gegensatz dazu sind beim Querschnitt aus Bild 4-41 die offenen und die geschlossenen
Anteile zu berücksichtigen.
M x, p ,offen M x , p , geschlossen
p p ,offen p , geschlosse
n t
I T ,offen 2 Am t
Formal korrekt müsste auch bei rein geschlossenen Querschnitten, die keine abstehenden
offenen Querschnittsteile besitzen, der Anteil IT,offen der einzelnen Bleche des geschlossenen
Querschnitts berücksichtigt werden (also praktisch der Anteil eines identischen, aber aufge-
schlitzten Querschnitts). Aufgrund des geringen Anteils von IT,offen an IT,gesamt wird IT,offen aller-
dings in der Praxis fast immer vernachlässigt.
Insbesondere im Brückenbau ist die Anordnung von Hohlsteifen von Bedeutung. Diese Hohl-
steifen bestehen aus Trapezprofilen, die mit dem eigentlichen Blech verschweißt werden und
zusammen mit diesem als sogenannte Orthotrope Platte wirken und auch für die Aussteifung
des Deckbleches sorgen (vgl. Vertiefung Metallbau).
Die folgenden Betrachtungen beschränken sich auf die im Brückenbau üblichen geschlosse-
nen Querschnitte, bei denen ein konstanter Schubfluss T vorliegt.
Hinweis: Die Nebenzellen müssen nicht unbedingt immer im gleichen Abstand angeordnet sein. Bei variablem
Abstand ergeben sich abschnittsweise unterschiedliche ideelle Blechdicken tid.
Das Deckblech besitzt die einheitliche Dicke t0, die Trapezsteife die einheitliche Dicke t1.
Unter Schubbeanspruchung teilt sich der Schubfluss T im Bereich der Nebenzelle nach dem
Prinzip der Wasserleitung auf die Wandung der Hohlzelle und auf das Deckblech auf:
T T0 T1
Der Schubfluss T1 führt im Blech der Hohlzelle zu einer Schubverzerrung 1. Infolge dieser
Verzerrung erfährt die freigeschnittene Kante der Trapezsteife im Vergleich zur nicht freige-
schnittenen Kante eine Relativverschiebung u1:
s b1 T1 s b1 T1 b1
u1 1 ds ds
s 0 G t1 s 0 G t1
Analog dazu führt der Schubfluss T0 im Deckblech zu einer Schubverzerrung 0. Infolge die-
ser Verzerrung erfährt das Deckblech an der Stelle der Schnittkante im Vergleich zur nicht
freigeschnittenen Kante der Trapezsteife die Relativverschiebung u0:
Da es in Wirklichkeit keine Schnittkante gibt und die Nebenzelle geschlossen ist, darf es im
gedachten Schnitt keine Klaffung geben, es muss gelten:
u1 u0
T1 b1 T0 b02
G t1 G t0
Nun ist die Verteilung des Schubflusses bekannt und man kann die Verwölbung u (d.h.
Längsverschiebung), die der Querschnitt innerhalb der Breite b0 erleidet, berechnen:
Für die Berechnung der Querschnittswerte des Gesamtquerschnittes sollen die tatsächliche
Blechdicke t0 und die Nebenzellen des Querschnitts mit den Nebenzellen durch ein Blech mit
der ideellen Blechdicke tid gleichwertig ersetzt werden. Dieses Blech muss somit dieselbe
Schubsteifigkeit besitzen wie das reale Blech mit den Nebenzellen, d.h. unter demselben
Schubfluss T muss sich in beiden Konstruktionen dieselbe Verzerrung einstellen, was in-
nerhalb der Breite b0 (= Achsabstand der Nebenzellen) auch zur selben Verwölbung u führen
muss.
Bild 4-49: Verwölbung u eines gleich steifen Bleches mit der Blechdicke tid
Gleichsetzen mit der Verwölbung des realen Bauteils ergibt nach Auflösen die ideelle Blech-
dicke tid:
T T T0 T b02
(b01 b02 b03 ) (b01 b03 ) b02 b01 b03
t id G t0 G t1 G t0 G t b
1 1 02
t 0 b1
Bei großen Hohlquerschnitten, insbesondere des Brückenbaus, werden Bleche häufig durch
Verbände ersetzt. Die Verbände stellen oftmals eine gewichtsparende und kostengünstige
Alternative zu vollwandigen Blechen dar. Es ist zu beachten, dass die Verbände nur Schub-
beanspruchungen abtragen können, die durch Querkräfte oder Torsion entstehen. Hinsich-
tlich einer Normalkraft- oder Biegebeanspruchung des Gesamtquerschnitts sind die Verbän-
de wirkungslos.
Um nicht für Querschnitte, die mit Verbänden ausgesteift sind, eigene Formeln für die Torsi-
onstheorie herleiten zu müssen, bildet man die Verbände rechnerisch durch eine sogenannte
ideelle Blechdicke tid ab. Damit sind die üblichen Formeln der Torsionstheorie in gewohnter
Weise anwendbar.
Zu beachten ist, dass die ideelle Blechdicke tid nur ein Hilfswert zur Untersuchung des Ge-
samtquerschnitts ist. Sie ist kein real vorhandener Querschnittsteil. Da tid real gar nicht exis-
tiert, darf tid auch niemals in Formeln berücksichtigt werden, in die eine „echte“ Fläche A ein-
zusetzen ist.
... dA
A
bestimmt werden, denn dA t (s) ds , aber tid ist real nicht vorhanden, weshalb dA 0 ist.
Die Berechnung der ideellen Wanddicke erfolgt mit Hilfe des Arbeitssatzes. Die Vorgehens-
weise wird anhand eines Beispiels erläutert.
Bild 4-50: Blech mit ideeller Dicke tid als gleichwertiger Ersatz für einen Verband
Der Verband soll rechnerisch durch ein Blech mit der Dicke tid ersetzt werden, das einer Ver-
formung dieselbe Steifigkeit entgegensetzt wie der Verband.
Es genügt, ein Feld des Verbandes zu betrachten.
Das Verbandsfeld wird an den Berandungen durch den Schubfluss T belastet. Die allgemei-
nen Abmessungen sind Bild 4-51 zu entnehmen. AG, AD und AV bezeichnen die Quer-
schnittsflächen von Gurten, Diagonalen und Pfosten.
Unter der Schubbeanspruchung erleidet der Verband die Verformung w. w wird mit Hilfe des
Arbeitssatzes durch Aufbringen eines virtuellen Schubflusses der Größe 1 berechnet, der zur
Resultierenden 1·h zusammengefasst wird.
Die Stabkräfte werden jeweils infolge des realen Schubflusses T und des virtuellen Schub-
flusses der Größe 1 berechnet. Der vertikal gerichtete Schubfluss wird zu einer resultieren-
den Kraft T·h bzw. 1·h zusammengefasst, da die Lasteinleitung des vertikalen Schubflusses
punktuell im Schnittpunkt der Diagonalen erfolgt. Die horizontal gerichteten Schubflüsse
werden als Schubfluss T bzw. 1 [kN/cm] belassen, da in den Gurtstäben die Einleitung des
horizontalen Schubflusses kontinuierlich erfolgt. Das geht auch aus dem Verlauf der Gurt-
kräfte hervor, denn aus Gleichgewichtsgründen muss die Gurtkraft einen Vorzeichenwechsel
aufweisen, der sich aufgrund fehlender punktueller Lasteinleitung innerhalb der freien Gurt-
stablänge nur durch eine kontinuierliche Schubflusseinleitung einstellen kann.
1 T b3 T d3 1 T h3
h w 2
6 E AG E AD 4 E AV
Die Verformung w eines gleich steifen Bleches mit der ideellen Dicke tid unter realer Belas-
tung durch den Schubfluss T ergibt sich direkt aus der Schubverzerrung :
T
w b b
t id G
Unter der Voraussetzung, dass die Verformungen von realem Verband und ideellem Blech
gleich groß sind, kann w in die Arbeitsgleichung eingesetzt und die Gleichung nach t id aufge-
löst werden.
E h b
t id 3
G b 2 d3 h3
6 AG AD 4 AV
Für andere Verbandsformen erfolgt die Berechnung analog. Die Formeln für die wichtigsten
Verbandformen sind in Bild 4-56 zusammengestellt, wobei zusätzlich in Obergurtfläche AO
und Untergurtfläche AU unterschieden ist.
E h b
t id
G d3 b 3
1 1
AD 3 AO AU
E h b
t id
G 2 d3 h 3
b3 1 1
AD 4 AV 12 AO AU
E h b
t id 3 3
G d b 1 1
2 AD 12 AO AU
E h b
t id
G d3 h3
b3 1 1
AD AV 12 AO AU
Bild 4-56: Zusammenstellung der wichtigsten Verbandsarten und deren ideellen Blechdicken
Für große Hohlkastenquerschnitte des Brückenbaus werden Gabellager in Form von Quer-
schotten angeordnet.
Für im Hochbau übliche Doppel-T-Querschnitte kann ein Gabellager z.B. dadurch realisiert
werden, dass in den Querschnitt vertikale Rippen eingeschweißt werden und der untere
Flansch mit der Unterkonstruktion verschraubt wird, wobei der Schraubanschluss in Richtung
der Stabachse keine Kräfte aufnehmen sollte (Langlöcher).
Kein Gabellager stellt dagegen die bloße Verschraubung des unteren Flansches dar. Ohne
vertikale Rippen ist nämlich der obere Flansch quer zur Stabachse nicht gehalten.
Ein Stab mit zwei Gabellagern ist statisch unbestimmt gelagert. Dies entspricht einer Vier-
punktlagerung. Jedes der beiden Gabellager kann ein Moment abtragen. Zerlegt man die
Auflagermomente jeweils in ein Kräftepaar, dann erhält man vier Auflagerkräfte, die den bei-
den Auflagerkräften entsprechen.
Trotz der statischen Unbestimmtheit gelingt die Schnittgrößenermittlung infolge Torsion ver-
gleichsweise einfach, sofern es sich um einen wölbfreien Querschnitt handelt. Man bedient
sich dabei der sogenannten Querkraftanalogie.
Prinzip:
Die Schnittgröße Mx,p (reine St. Venantsche Torsion) verteilt sich innerhalb eines Stabab-
schnitts, der beidseitig durch ein Gabellager begrenzt ist, genauso wie sich die Querkraft
innerhalb eines Stababschnitts verteilt, der durch zwei gelenkige Lager begrenzt ist. Ist ein
Stabende frei und das andere gabelgelagert, so entspricht der Verlauf des Torsionsmomen-
tes Mx,p dem Verlauf der Querkraft in einem auskragenden Stab.
Achtung!
Eine Durchlaufwirkung für St. Venantsche Torsion gibt es nicht. Äußere Torsionsmomente
MT (Einzeltorsionsmomente) bzw. mT (Streckentorsionsmomente) können nicht über ein Ga-
bellager hinaus in einem benachbarten Stababschnitt eine Torsionsschnittgröße Mx,p erzeu-
gen (100%-ige Verdrehsteifigkeit des Gabellagers vorausgesetzt). Die Zustandslinie des
Torsionsmomentes endet am Gabellager.
Analogie: mT q
MT F
M x, p Vz
Stab 1: Stab 1:
M x , p ( A) 0 Vz (A) 0
M x , p ( Blinks ) mT l1 Vz ( Blinks) q l1
Stab 2: Stab 2:
2 l2 2 l2
M x , p ( Brechts) MT mT Vz ( Brechts) F q
3 2 3 2
1 l2 1 l2
M x , p (C ) MT mT Vz (C ) F q
3 2 3 2
Nochmals zur Erinnerung: die hier gezeigte Querkraftanalogie gilt nur für Stäbe mit
wölbfreiem Querschnitt (reine St. Venansche Torsion)!
Für den anderen Grenzfall „Reine Wölbkrafttorsion“ gibt es ebenfalls eine Querkraftanalogie,
die in Abschnitt 4.4.7 dargestellt wird.
4.4.1 Einführung
Wird ein Stab infolge einer Torsionsbeanspruchung um seine Stabachse verdrillt, so gehen
mit der Verdrillung ‘ auch Verwölbungen u des Querschnitts einher, sofern es sich nicht um
einen wölbfreien Querschnitt handelt oder die Voraussetzungen für reine Saint-Venantsche
Torsion erfüllt sind. Als Verwölbung bezeichnet man in diesem Zusammenhang die Ver-
schiebung u eines Querschnittspunktes (einer Querschnitts-„Faser“) in Stablängsrichtung.
Da die einzelnen „Fasern“ unterschiedliche Verformungen u erfahren verwölbt eine ehemals
ebene Schnittfläche wie am Beispiel eines Doppel-T-Trägers dargestellt.
Das Ebenbleiben des Querschnitts, wie es nach der Bernoulli-Hypothese im Rahmen der
Biegetheorie postuliert wird, ist nicht mehr gegeben, wobei davon nur der Gesamtquerschnitt
betroffen ist und die einzelnen Querschnittsteile (Flansche, Stege, einzelne Bleche) weiterhin
eben bleiben.
Beispiel: Rohrquerschnitt
Ein Stab mit Rohrquerschnitt ist an einem Ende eingespannt und am anderen Ende durch
ein Torsionsmoment MT belastet.
Wie in Abschnitt 4.2.2 dargestellt sind Stäbe mit geschlossenem, rotationssymmetrischem
Querschnitt wölbfrei. Unter Torsionsbeanspruchung stellen sich keine Verwölbungen ein, der
Querschnitt bleibt eben und die Abtragung des Torsionsmomentes MT erfolgt ausschließlich
durch Saint-Venantsche Torsion (primäre Torsion Mx,p).
Wenn das Rohr über die gesamte Stablänge geschlitzt wird, so dass ein offener Querschnitt
entsteht, dann ist der Querschnitt nicht mehr wölbfrei. Unter Torsionsbeanspruchung verfor-
men sich die Fasern des Stabes in Längsrichtung (vgl. z.B. Punkt A beim Übergang nach A‘)
und der Querschnitt verwölbt sich, was anhand eines gerollten Blattes Papier oder einer ge-
schlitzten Papprolle leicht nachvollzogen werden kann.
Es ist offensichtlich, dass durch die Einspannung am linken Stabende eine Behinderung der
Verwölbungen entsteht, die zu Normalspannungen im Stab führt ( = E· ).
Das Torsionsmoment MT wird anteilig durch Saint-Venantsche Torsion (Mx,p) und Wölbkraft-
torsion (Mx,s) abgetragen, wobei die Anteile der beiden Torsionsarten am gesamten Torsi-
onsmoment Mx = Mx,p + Mx,s vom Abklingfaktor und der Stablänge l abhängen. ist ein
Querschnittswert, der im Abschnitt 4.4.6.2 ausführlich erläutert wird.
Im weiteren Verlauf des Kapitels wird das notwendige Hintergrundwissen vermittelt, das
überwiegend stark von der Technischen Mechanik und der Mathematik geprägt ist. Für ein
gutes Verständnis sind solide Kenntnisse in Technischer Mechanik und Mathematik deshalb
von Vorteil. Die Wölbkrafttorsion erweckt möglicherweise den Eindruck, besonders schwierig
oder theoretisch zu sein. Das liegt vor allem daran, dass die Wirkungsweise nicht so einfach
auf den ersten Blick ersichtlich ist wie das z.B. bei der Biegetheorie der Fall ist.
Die allgemeine Darstellung der Theorie mit vielen Formeln bringt andererseits aber den Vor-
teil mit sich, dass sich viele Berechnungen sehr gut systematisieren lassen, z.B. mit Hilfe
einer Tabellenkalkulation.
Zur besseren Verdeutlichung wurden in die einzelnen Abschnitte viele Bilder aufgenommen,
verhältnismäßig umfangreiche Beschreibungen vorgenommen und wo möglich konkrete
Zahlenbeispiele angeführt. Im Nachgang an den theoretischen Teil folgt ein Abschnitt „Wölb-
krafttorsion anschaulich“, der anhand eines Doppel-T-Profils die Wirkungsweise der Wölb-
krafttorsion auf einfache Weise verdeutlicht.
Leider besteht in der Literatur große Uneinigkeit bezüglich der Benennung und formelmäßi-
gen Bezeichnung der einzelnen Größen und Rechenwerte (Schnittgrößen, Querschnitts-
werte, etc.). Das geht sogar soweit, dass ein und dieselbe Größe teilweise mit negativem
und teilweise mit positivem Vorzeichen definiert ist. Aus diesem Grund ist es besonders
wichtig, die theoretischen Grundlagen zu kennen und zu verstehen, denn weder die eine
noch die andere Darstellung ist richtig oder falsch, man versteht die Ausführungen in der
Literatur aber wesentlich einfacher, wenn man die theoretischen Hintergründe kennt.
In diesem Skript wird eine möglichst einheitliche Darstellung angestrebt. Wo es in der Litera-
tur große Diskrepanzen gibt, wird darauf hingewiesen.
Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die im Stahlbau üblichen dünnwandigen
Querschnitte. Für Vollquerschnitte sind die Zusammenhänge komplizierter.
Unter Torsionsbeanspruchung erfährt ein nicht wölbfreier Querschnitt nicht nur eine Verdre-
hung um die Stablängsachse ( ), sondern auch eine Verwölbung seiner Querschnittsfläche.
Bei der Verwölbung handelt es sich um Verschiebungen der einzelnen Querschnittspunkte in
Stablängsrichtung u, es kommt in den einzelnen Querschnittsfasern also zu unterschiedlich
großen Dehnungen x.
Im Folgenden werden die Zusammenhänge dargestellt, die der Berechnung der Verwölbung
zugrunde liegen.
Es wird ein Stab mit dünnwandigem und offenem, aber ansonsten beliebigem Querschnitt
betrachtet. Der frei verdrehbare Stab wird um die (gedachte) Drillachse durch den Punkt A
verdrillt. Diese Drillachse verläuft parallel zur Längsachse (Schwerachse S), der Punkt A
besitzt im Koordinatensystem des Querschnitts die Koordinaten yA und zA.
Das Koordinatensystem des Stabes ist ein Rechtssystem. Bei positiver Verdrehung um die
x-Achse bewegt sich z.B. ein Punkt im ersten Quadranten des Systems von der y-Achse weg
und zur z-Achse hin („Rechte Hand-Regel“: Daumen in Richtung der positiven x-Achse, posi-
tive Verdrehung in Richtung der gekrümmten Finger). Dabei spielt es keine Rolle, ob man
das positive oder das negative Schnittufer betrachtet.
Ferner wird eine lokale Koordinate s eingeführt, die entlang der Querschnittskontur verläuft.
Der Ursprung von s liegt auf der Kontur im Punkt P0 mit den Koordinaten y0 und z0.
Die Lage eines Punktes P auf der Querschnittskontur kann durch die lokale Koordinate s
angegeben werden: P(s).
Schließlich wird im Punkt P(s) noch eine Tangente an die Querschnittskontur gelegt.
Bezeichnet man den Radiusvektor zwischen der Drillachse A und dem Punkt P mit rA, dann
beträgt die Verschiebung A des Punktes P
A rA .
vA rt , A ,
wobei rt,A der Normalabstand zwischen dem Punkt A und der Tangente ist.
Aus der durch ihre Mittelfläche idealisierten Profilwandung wird jetzt gedanklich ein infinite-
simal kleines Element mit den Abmessungen dx in Stablängsrichtung und ds in Richtung der
lokalen Koordinate s herausgeschnitten.
du dv
u v
ds dx
(Ableitungen nach ds werden mit einem Punkt, Ableitungen nach dx mit einem Strich gekennzeichnet).
Berücksichtigt man nun die Tatsache, dass es sich um einen offenen und dünnwandigen
Querschnitt handelt, so kann man feststellen, dass aufgrund der nach der St. Venantschen
Torsionstheorie über die Wanddicke linear verteilten Schubspannungen in der Mittelfläche
der Wandung die Schubspannung gleich null ist.
du dv !
u v 0
ds dx
u v
Graphisch dargestellt entspricht dieser Zusammenhang für das Element dx∙ds einer verzer-
rungsfreien Verformung, bei der die rechteckige Form des Elements erhalten bleibt.
Für die Verformungen, die aus einer Verdrehung des Querschnitts um die Achse A resultie-
ren, gilt diese Beziehung analog. Um kenntlich zu machen, dass sich der Stab um die Achse
A dreht, wird die Gleichung um den Index A ergänzt.
u A vA
vA wurde bereits mit Bezug auf die Verdrillung des Stabes zu v A rt , A angeschrieben.
Für Stäbe mit über die Länge unveränderlichem Querschnitt ist auch rt,A konstant, so dass
vA rt , A gilt.
Damit ist
u A vA rt , A .
Da in der Regel jeder Querschnittspunkt eine andere Verformung uA aufweist, verwölbt sich
der Querschnitt gegenüber seiner Ausgangslage. Deshalb wird die Verformung uA in Längs-
richtung in diesem Zusammenhang Verwölbung genannt.
uA A
A heißt Einheitsverwölbung und entspricht der Verwölbung uA, die der Querschnitt unter der
Verdrillung ‘ = -1 [rad/m] erfährt.
A kann durch Integration entlang der lokalen Koordinate s, beginnend im Ursprung P0 von s,
berechnet werden.
u A A rt , A
A rt , A ds A0
s
Hinweis: In der Literatur wird die Einheitsverwölbung teilweise wie beschrieben definiert, teilweise aber auch als
jene Verwölbung, die sich bei Verdrillung um ‘ = +1 [rad/m] ergibt. In letzterem Fall ist das Minuszeichen in A
enthalten und es gilt uA = A∙ ‘.
Die Einheitsverwölbung wird auch Wölbordinate oder sektorielle normierte Koordinate genannt.
A A A0
Man beginnt mit der Integration über die lokale Koordinate s im Ursprung P0, wo die Grund-
verwölbung A 0 ist.
Je nach Querschnittsform ändert sich rt,A entlang der Koordinate s kontinuierlich oder bleibt
für gerade Querschnittsbereiche abschnittsweise konstant.
Das Vorzeichen von rt,A (und damit auch das Vorzeichen der Änderung d A rt , A ds ) ergibt
sich wie folgt:
rt,A und d A sind positiv (d.h. A wird mit zunehmendem s größer) wenn die positive
s-Richtung mit der Verschiebung vA des Punktes P(s) entlang der Tangente an die
Querschnittskontur übereinstimmt, die sich bei positiver Verdrillung ‘ des Quer-
schnitts ergibt (der Vektor rA besitzt denselben Drehsinn wie + wenn seine Spitze
die Querschnittskontur in +s-Richtung „abfährt“).
rt,A und d A sind negativ (d.h. A wird mit zunehmendem s kleiner, wenn die positive
s-Richtung entgegengesetzt zur Verschiebung vA des Punktes P(s) entlang der Tan-
gente an die Querschnittskontur verläuft, die sich bei positiver Verdrillung ‘ des
Querschnitts ergibt (der Vektor rA besitzt einen zu + entgegengesetzten Drehsinn
wenn seine Spitze die Querschnittskontur in +s-Richtung „abfährt“).
Bild 4-74: Positiver Normalabstand rt,A Bild 4-75: Negativer Normalabstand rt,A
Die Tangente an die Querschnittskontur im Punkt P3 verläuft durch den Drehpunkt A, der
Normalabstand rt,A zwischen Tangente und Drehpunkt A ist für P3 gleich null und A besitzt
dort ein (relatives) Minimum.
Beim weiteren Abfahren der Kontur entlang -s in Richtung P4 wechselt der Drehsinn von rA
wieder das Vorzeichen. Die Grundverwölbung A nimmt ab dem Punkt P3, wo sie das Mini-
mum erreicht hat, in Richtung des Punktes P4 wieder zu.
Eine alternative Vorgehensweise besteht darin, sich den Ursprung P0 der Koordinate s wie
eine Quelle vorzustellen: s „fließt“ vom Ursprung P0 weg wie Wasser von einer Quelle und
verteilt sich im gesamten Querschnitt, immer in Richtung der freien Ränder der Kontur (falls
die Querschnittsform Verzweigungen aufweist, verzweigt sich dort auch s unter Beibehaltung
der ursprünglichen Fließrichtung).
Bei dieser Betrachtungsweise gibt es keine positive oder negative s-Richtung, es ist nur die
„Fließrichtung“ von Bedeutung.
Bild 4-79: Vorzeichenfreie Definition der lokalen Koordinate s – Deutung als „Quelle“
rt,A und d A sind positiv (d.h. A nimmt in Richtung von s zu), wenn die Richtung
von s („Fließrichtung des Wassers“) mit der Richtung der Verschiebung vA des Punk-
tes P(s) entlang der Tangente an die Querschnittskontur übereinstimmt, die sich bei
positiver Verdrillung ‘ des Querschnitts ergibt.
rt,A und d A sind negativ (d.h. A nimmt in Richtung von s ab), wenn die s-Richtung
entgegengesetzt zur Verschiebung vA des Punktes P(s) entlang der Tangente an die
Querschnittskontur verläuft, die sich bei positiver Verdrillung ‘ des Querschnitts er-
gibt.
Bild 4-80: Positiver Normalabstand rt,A Bild 4-81: Negativer Normalabstand rt,A
Bild 4-82: Negativer Normalabstand rt,A Bild 4-83: Positiver Normalabstand rt,A
Die Grundverwölbung A hat die Bedeutung eines Querschnittswertes, wobei es sich dabei
aber nicht um einen einzigen Zahlenwert handelt (wie z.B. im Fall des Flächenträgheitsmo-
mentes Iy). Es handelt sich vielmehr um eine über den Querschnitt veränderliche Größe, die
in jedem Querschnittspunkt einen anderen Wert und unterschiedliche Vorzeichen annehmen
kann (vergleichbar etwa mit dem statischen Moment Sy, das über den Querschnitt auch ei-
nen veränderlichen Verlauf besitzt).
Verlauf, Vorzeichen und Betrag hängen dabei sowohl von der gewählten Drillachse ab als
auch vom Ursprung und der Orientierung der lokalen Koordinate s.
Graphisch kann man die Grundverwölbung A als die doppelte Fläche A* deuten, die vom
Radiusstrahl rA (nicht rt,A !) bei der Integration von P0 entlang s nach P(s) überstrichen wird.
Ein infinitesimale Fläche dA* entspricht der Fläche eines Dreiecks mit der Basis ds und der
Höhe rt,A.
Um die Einheitsverwölbung A bestimmen zu können, muss schließlich noch die Größe der
Integrationskonstante A0 bekannt sein.
kann aus der Tatsache gewonnen werden, dass die Verwölbung des Querschnitts im
A0
Mittel gleich null sein muss. Wäre die mittlere Verwölbung nicht null, so wäre das gleichbe-
deutend mit einer Längsverschiebung u des Querschnitts und damit gleichbedeutend mit
einer Dehnung x des Stabes. Da aber bei alleiniger Torsionsbeanspruchung MT im Stab
keine Normalkraft N als resultierende Schnittgröße der Normalspannungen x auftritt, müs-
sen die Normalspannungen x im Mittel null sein, und aufgrund des Elastizitätsgesetzes x =
E∙ x sind auch die Längsdehnungen im Mittel null und damit auch die mittlere Verwölbung.
Wenn die Verwölbung im Mittel null ist, dann heben sich positive und negative Wölbanteile
gegenseitig auf, das Integral der Verwölbung über die gesamte Querschnittsfläche muss
deshalb null sein:
A dA 0
A
( A A0 ) dA A dA A0 dA A dA A0 A 0
A A A A
und damit
1
A0 A dA .
AA
Das folgende Bild gibt qualitativ den Verlauf der Einheitsverwölbung A wieder. Man kann
erkennen, dass die Flächen mit positivem und negativem Vorzeichen nach Durchführung der
Normierung gleich groß sind, d.h. die Verwölbung ist wie postuliert im Mittel gleich null.
Wenn bei symmetrischen Querschnitten der Drehpunkt auf der Symmetrieachse liegt ist es
zweckmäßig, den Ursprung P0 der lokalen Koordinate s (= Anfangspunkt der Integration) in
den Schnittpunkt der Symmetrieachse mit der Profilmittellinie zu legen, denn damit sind die
Verwölbungen im Mittel null, und man spart sich den Rechenschritt der 1. Normierung, weil
die Grundverwölbung A der Einheitsverwölbung A entspricht. Es ist zu beachten, dass
der Punkt P0 im Allgemeinen weder mit dem Schwerpunkt S noch mit dem Schubmittelpunkt
M identisch ist.
Beispiel: Sigmaprofil
Diese allgemeinen Herleitungen werden anhand eines konkreten Beispiels verdeutlicht.
Für das dargestellte Sigma-Profil soll die Einheitsverwölbung mit Bezug auf die beliebig ge-
wählte Drillachse A bestimmt werden. A ist weder der Schwerpunkt noch der Schubmittel-
punkt. Der Querschnitt ist durch seine Mittelfläche idealisiert.
Querschnittsfläche:
Schwerpunktlage:
6,5 2 2,65
0,2 2,0 6,5 0,2 0,2 3,0 0,2 5,0 2,65
ys 2 2 2,55 cm
8,04 / 2
Zuerst werden die relevanten Querschnittspunkte nummeriert und es wird die lokale Koordi-
nate s eingeführt. Der Ursprung von s liegt im Punkt 0.
0 -39,5 -80,0
1 -39,5 -100,0
2 25,5 -100,0
3 25,5 -64,0
4 -1,0 -50,0
5 -1,0 0
6 -1,0 50,0
7 25,5 64,0
8 25,5 100,0
9 -39,5 100,0
10 -39,5 80,0
Tabelle 4-5: Koordinaten
Hinweis: Der Schwerpunkt liegt nicht auf dem Steg,
sondern 1,0 mm daneben auf der linken Seite. Die
Lage ist im gewählten Maßstab nur nicht genau er-
kennbar.
Dann werden für die einzelnen Querschnittsabschnitte die Normalabstände rt,A zwischen
dem Punkt A und der jeweiligen Tangente an den Abschnitt bestimmt.
Bild 4-88: rt,A (Abschnitt 0-1) Bild 4-89: rt,A (Abschnitt 1-2) Bild 4-90: rt,A (Abschnitt 2-3)
rt , A rt , A rt , A
65 25,5 50 100 50,0 (50 25,5)
89,5 mm 150 mm 24,5 mm
(negativ, weil rA beim Abfahren
der Kontur einen anderen Dreh-
sinn hat als + )
Hinweis: rA (4) und rt,A (3 4) sind nicht identisch, sondern liegen nur sehr dicht beisammen.
Der Normalabstand rt,A zwischen Punkt A und dem Querschnittsbereich 3-4 ist nicht direkt
ersichtlich und muss berechnet werden. Empfehlenswert ist die Anwendung der Vektorrech-
nung („Abstand eines Punktes von einer Geraden“).
Der Abstand eines Punktes Q mit dem Ortsvektor rQ von einer Geraden g mit der Gleichung
r rP a lautet:
| a (rQ rP ) |
d
|a|
Im vorliegenden Fall entspricht der Querschnittspunkt 3 dem Punkt P, der Drehpunkt A dem
Punkt Q und die Differenz der Ortsvektoren der Querschnittspunkte 3 und 4 dem Vektor a .
Hinweis: Es liegt ein zweidimensionales Problem vor. Um die üblichen Formeln der Vektorrechnung direkt an-
wenden zu können wird bei den Vektoren jeweils eine dritte Komponente ergänzt (gleich null).
1 25,5 26,5
a 50 ( 64) 14
0 0
26,5 24,5 0
a (rQ rP ) 14 114 0
0 0 3364
0
0
| a (rQ rP ) | 3364 3364
d 112 ,2 mm
|a| 26,5 29,971
14
0
Da der Drehsinn des Radiusvektors rA beim Abfahren der Kontur in Richtung s einer positi-
ven Verdrehung entgegen gerichtet ist, besitzt rt,A ein negatives Vorzeichen.
rt , A (3 4) 112 ,2 mm
Die Berechnung der Normalanstände erfolgt für die übrigen Abschnitte analog und wird an
dieser Stelle nicht vorgeführt. Die folgende Tabelle enthält alle Normalabstände rt,A.
Abschnitt rt,A [mm] Abschnitt rt,A [mm]
01 89,5 56 -51
12 150 67 -23,8
23 -24,5 78 -24,5
34 -112,2 89 50
45 -51 9 10 89,5
A, i , i 1 rt , A ds
si 1
A, i , i 1 rt , A ds rt , A ds rt , A s
si 1 si 1
rt,A ist mit Vorzeichen einzusetzen, die Abstände s entlang der Querschnittsmittellinie sind
positiv.
Beim Abfahren der Strecke zwischen den Punkten 0 und 1 dreht der Radiusstrahl rA in die-
selbe Richtung wie eine positive Verdrehung , rt,A ist positiv (vgl. Bild 4-88).
Punkt 0: A (0) 0
Auch zwischen den Punkten 1 und 2 dreht der Radiusstrahl rA in dieselbe Richtung wie eine
positive Verdrehung , rt,A ist auch hier positiv (vgl. Bild 4-89).
Beim „Abfahren“ der Strecke zwischen Punkt 2 und 3 wechselt nun der Drehsinn des Ra-
diusstrahls, so dass rt,A für diesen Abschnitt negativ ist (vgl. Bild 4-90).
In analoger Weise wird der noch verbleibende Querschnitt mit dem Radiusstrahl r A Punkt für
Punkt „abgefahren“ und man erhält für den Querschnitt die Grundverwölbung A .
Eine systematisierte tabellarische Berechnung, wie im Folgenden dargestellt, hat sich be-
währt.
Die Grundverwölbung A ist nun bekannt und kann graphisch angetragen werden. Es sei
nochmals darauf hingewiesen, dass diese Grundverwölbung zur Drillachse A gehört. Für
eine andere Drillachse ergibt sich ein anderer Verlauf der Grundverwölbung über den Quer-
schnitt.
Betrachtet man den Verlauf der Grundverwölbung, so ist festzustellen, dass alle Werte posi-
tiv sind, die Grundverwölbung ist im Mittel also nicht null. Da bei alleiniger Torsionsbeans-
pruchung der Mittelwert der Verwölbung null sein muss, kann es sich bei der Grundverwöl-
bung A nur um ein Zwischenergebnis handeln, aus dem nach Durchführung der 1. Normie-
rung die Einheitsverwölbung A gewonnen wird, die im Gegensatz zur Grundverwölbung A
im Mittel null ist.
1 1
A0 t A ds 0,2 1925 ,8 47,9 cm²
A A
8,04
Durch Addition von 1. Normierung A0 und Grundverwölbung A erhält man die Einheits-
verwölbung A . Am übersichtlichsten erfolgt auch diese Berechnung in Tabellenform.
Punkt A + A0 = A
[-] [cm²] [cm] [cm²]
0 0 + -47,9 = -47,9
1 17,9 + -47,9 = -30,0
2 115,4 + -47,9 = 67,5
3 106,6 + -47,9 = 58,7
4 72,9 + -47,9 = 25,0
5 47,4 + -47,9 = -0,5
6 21,9 + -47,9 = -26,0
7 14,8 + -47,9 = -33,1
8 5,96 + -47,9 = -41,9
9 38,5 + -47,9 = -9,4
10 56,4 + -47,9 = 8,5
Wie erläutert werden Verwölbungen stets mit Bezug auf eine definierte Drillachse berechnet.
Im vorhergehenden Abschnitt war dies die Achse durch den (willkürlich gewählten) Punkt A.
Mit Bezug auf eine andere Drillachse ergeben sich andere Verwölbungen.
Im Folgenden wird dargestellt, wie die Einheitsverwölbung A für die Drillachse A in die Ein-
heitsverwölbung B für die Drillachse B überführt werden kann. A ist bekannt, das y-z-
Koordinatensystem verläuft durch den Schwerpunkt des Querschnitts und die lokale Koordi-
nate s ist genauso definiert wie bei der Ermittlung von A.
Im Punkt P(s) wird eine Tangente an die Querschnittskontur gelegt, welche die y-Achse un-
ter dem Winkel schneidet. Die Drehpunkte A und B besitzen im Schwerachsensystem die
Koordinaten yA und zA bzw. yB und zB.
Die Einheitsverwölbung B mit Bezug auf die Drillachse B setzt sich aus der Grundverwöl-
bung B und der 1. Normierung B 0 zusammen.
B B B0
Zur Berechnung von B wird der Normalabstand rt,B zur Tangente durch den Punkt P(s)
benötigt.
rt,B kann gemäß Bild 4-96 in Abhängigkeit von rt,A und den Koordinaten der Drehpunkte aus-
gedrückt werden:
Die Winkel lassen sich durch die lokale Koordinate s und die Schwerpunktkoordinaten y und
z ausdrücken:
dy dz
cos ; sin
ds ds
Damit ist
dz dy
rt , B rt , A ( y B yA ) (zB zA)
ds ds
und
s s
dz dy
B B B0 rt , B ds B0 [rt , A ( yB yA ) (zB zA) ] ds B0
s0 s0
ds ds
s s s
rt , A ds ( yB y A ) dz (zB z A ) dy B0
s0 s0 s0
A ( yB y A ) ( z z0 ) ( z B zA) (y y0 ) B0
A ( yB y A ) ( z z0 ) ( z B zA) (y y0 ) B0 A0
y und z sind die Koordinaten des Querschnittspunktes, für den die Verwölbung bestimmt
werden soll. y0 und z0 sind die Koordinaten des Punktes P0 (Ursprung der lokalen Koordinate
s). Nach Ausklammern und Zusammenfassen aller konstanten (nicht von y und z abhängi-
gen) Terme wird die Gleichung umgestellt:
B A ( yB yA ) z (zB z A ) y ( yB y A ) z0 (zB z A ) y0 B0 A0
Der Unterschied zwischen den Verwölbungen B und A äußert sich offensichtlich durch eine
Schrägstellung der Querschnittsebene, was durch die von y und z linear abhängigen Glieder
( yB y A ) z (zB zA ) y
scheint auf den ersten Blick einer Längsverschiebung der Querschnittsebene zu entspre-
chen. Durch die folgenden Überlegungen kann aber gezeigt werden, dass dieser Anteil
gleich null ist. Nach Integration über die Querschnittsfläche A stellt sich die Formel für die
Einheitsverwölbung B folgendermaßen dar:
B dA
A dA [( y B y A ) z ] dA [( z B z A ) y] dA [( y B y A ) z0 ( z B z A ) y0 B0 A0 ] dA
Der letzte Term ist das Integral über eine Summe konstanter Werte, die zur Konstanten C*
zusammengefasst werden. C* kann vor das Integral geschrieben werden.
Die Differenzen (yB-yA) und (zB-zA) sind ebenfalls konstant und können auch vor das jeweilige
Integral geschrieben werden.
B dA A dA ( y B yA ) z dA ( z B zA) y dA C * dA
Laut Definition muss die mittlere Verwölbung bei alleiniger Torsionsbeanspruchung gleich
null sein, die Integrale über A und B sind somit gleich null. Weil sich alle Koordinatenanga-
ben auf das y-z-Koordinatensystem beziehen, das seinen Ursprung im Schwerpunkt des
Querschnitts hat, sind auch die statischen Momente gleich null.
y dA z dA 0
Es verbleibt
C* 0 ist.
Die Formel zur Umrechnung der Einheitsverwölbung A mit Bezug auf die Drillachse A in die
Einheitsverwölbung B mit Bezug auf die Drillachse B lautet:
B A ( yB yA ) z (zB zA ) y
B A ( yB yA ) z (zB zA ) y
yA 5,00 cm
zA 5,00 cm
yB 2,50 cm
zB 0,00 cm
Punkt y z A B
[-] [cm] [cm] [cm²] [cm²]
0 -3,95 -8,0 -47,9 -48,15
1 -3,95 -10,0 -30,0 -35,25
2 2,55 -10,0 67,5 29,75
3 2,55 -6,4 58,7 29,95
4 -0,1 -5,0 25,0 13,0
5 -0,1 0 -0,5 0
6 -0,1 5,0 -26,0 -13,0
7 2,55 6,4 -33,1 -29,85
8 2,55 10,0 -41,9 -29,65
9 -3,95 10,0 -9,4 35,35
10 -3,95 8,0 8,5 48,25
Hinweis: Die Symmetrieeigenschaften des Querschnitts wurden bei der Wahl des Ursprungs von s nicht ausge-
nutzt, da an diesem Beispiel die prinzipielle Vorgehensweise gezeigt werden sollte. Zweckmäßig würde man zur
Bestimmung der Einheitsverwölbung bezüglich der Drillachse B natürlich die Symmetrieeigenschaften ausnutzen,
den Ursprung in den Schnittpunkt der y-Achse mit der Querschnittsmittelfläche legen und die Einheitsverwölbung
direkt berechnen. Ferner ist zu beachten, dass der Verlauf der Einheitsverwölbung bei Bezug auf die Drillachse B
bezüglich der y-Achse antimetrisch sein muss. Die Tabellenwerte sind nicht exakt antimetrisch, da sich Run-
dungsfehler über mehrere Rechenschritte hinweg fortpflanzen.
Bild 4-98: Verlauf der Einheitsverwölbung B mit Bezug auf die Drillachse B
Einzellige Querschnitte
Die Formeln zur Berechnung der Verwölbungen konnten für offene dünnwandige Querschnit-
te vergleichsweise einfach hergeleitet werden, weil die Schubspannungen und Verzerrungen
in der Wandungsmittellinie unter Torsionsbeanspruchung null sind, weshalb ein direkter Zu-
sammenhang zwischen Verwölbung und Verdrillung besteht.
Bild 4-99: Über die Wanddicke konstante Bild 4-100: Schubverzerrung des Elementes
Schubspannung dx·ds in der Wandungsmittelfläche
Zuerst trennt man den geschlossenen Querschnitt gedanklich auf, so dass ein offener Quer-
schnitt vorliegt.
Dann schreibt man für diesen offenen Querschnitt die Gleichung für die Schubverzerrung an:
du dv
u v
ds dx
Mit Bezug auf eine beliebige Drillachse A kann die Verformung v tangential zur Querschnitts-
kontur und in Richtung der lokalen Koordinate s wie bereits bekannt in Abhängigkeit des
Normalabstandes rt,A zwischen Drillachse A und der Tangente an die Querschnittskontur
ausgedrückt werden:
v vA rt , A
Da es sich nur gedanklich um einen offenen Querschnitt handelt, sind die Verzerrungen in
der Wandungsmitte des in Wirklichkeit geschlossenen Querschnitts ungleich null.
Der Schubfluss T ist entlang der lokalen Koordinate s konstant und in jedem Querschnitts-
punkt gleich groß und kann durch die Verzerrung ausgedrückt werden.
du A d
T ( s) ( s) t ( s) G ( s) t ( s) G t ( s) rt , A const. T
ds dx
Durch Umstellen, Auflösen und Integrieren kann die Verwölbung uA(s) in Abhängigkeit vom
Schubfluss T ausgedrückt werden.
T d
du A rt , A ds
G t (s) dx
T ds d
u A (s) rt , A ds u A0
G s
t (s) dx s
Aus Gründen der Kontinuität bzw. Verträglichkeit muss die Verwölbung stetig über den rea-
len, geschlossenen Querschnitt verlaufen, uA(s) darf sich zwischen zwei benachbarten Quer-
schnittspunkten nicht sprunghaft ändern. Die beiden Schnittkanten des gedanklich aufge-
trennten Querschnitts dürfen keine Relativverwölbung uA aufweisen.
Da nur die Differenzverwölbung uA zwischen den beiden Schnittkanten und nicht die abso-
lute Verwölbung uA von Interesse ist, muss lediglich von einer Schnittkante zur anderen ent-
lang der lokalen Koordinate s integriert werden, die Bestimmung der Integrationskonstante
uA0 entfällt. Für diese Berechnung wird der Ursprung der lokalen Koordinate s zweckmäßig in
der Schnittstelle angenommen.
Da über den gesamten Querschnittsumfang integriert wird, wird die Formel mit dem Zeichen
für das Ringintegral dargestellt.
T ds d !
uA rt , A ds 0
G s
t (s) dx s
A rt , A ds
s0
der doppelten vom Radiusstrahl rA überstrichenen Fläche A*. Wird wie hier die Integration als
Ringintegral über den gesamten Querschnittsumfang durchgeführt, dann entspricht das In-
tegral der doppelten Fläche Am, die von der Blechmittellinie umschlossen wird.
rt , A ds 2 Am
s
Nach Einsetzen dieser Beziehung in die Formel für u kann nach T aufgelöst werden.
d 2 Am G
T
dx ds
s
t (s)
Diese Beziehung kann man nun wiederum in die Gleichung zur Berechnung der (absoluten)
Verwölbung (an beliebiger Stelle s) einsetzten, und man erhält
T ds d d 2 Am G ds d
u A ( s) rt , A ds u A0 rt , A ds u A0 .
G t ( s) dx dx ds t ( s) dx
s s G s s
s
t ( s)
Zu beachten ist der Unterschied zwischen „normalem“ Integral und Ringintegral, es darf also
nicht einfach gekürzt werden.
Zur Vereinfachung wird der erste Term in Zähler und Nenner mit 2·Am erweitert und der
Schubmodul G gekürzt:
2
d 4 Am ds d
u A (s) rt , A ds u A0
dx ds t ( s) dx
2 Am s s
s
t (s)
Der Ausdruck
2
4 Am
IT
ds
s
t (s)
d IT ds u A0
u A ( s) rt , A ds
dx s
2 Am s
t (s) d / dx
Da die Integration über ds erfolgt und nicht über d bzw. dx, kann auch der Ausdruck
u A0
d / dx
Analog der Vorgehensweise bei den offenen Querschnitten entspricht der Ausdruck in den
eckigen Klammern der Einheitsverwölbung A, also jener Verwölbung uA, die der Querschnitt
unter der Verdrillung ‘ = -1 [rad/m] erfährt.
Die Einheitsverwölbung A setzt sich auch für geschlossene Querschnitte aus der Grund-
verwölbung A und der 1. Normierung A0 zusammen.
IT ds
A A A0 rt , A ds A0
s
2 Am s
t (s)
Der erste Anteil ist identisch mit der Grundverwölbung eines offenen Querschnitts mit glei-
chen Abmessungen.
A,offen rt , A ds
s
Der zweite Anteil kann als eine Art Korrekturwert interpretiert werden, der der Tatsache
Rechnung trägt, dass der Querschnitt geschlossen ist und es deshalb zwischen zwei be-
nachbarten Querschnittspunkten keinen Verwölbungssprung geben kann.
IT ds ds
A, geschlosse
n
2 Am s
t ( s) s
t (s)
IT 2 Am
2 Am ds
s
t ( s)
Die Grundverwölbung des geschlossenen Querschnitts kann in Kurzform wie folgt geschrie-
ben werden
A A,offen A, geschlosse n ,
A A,offen A, geschlosse n A0 .
Achtung Vorzeichen!
Den Vorzeichen der einzelnen Anteile ist besondere Beachtung zu schenken:
Das Vorzeichen von A, offen ergibt sich aus dem Drehsinn des Radiusvektors rA beim „Abfah-
ren“ der Querschnittskontur entlang s (völlig analog einem real offenen Querschnitt).
Bei der Berechnung von A, geschlosse n ist zu beachten, dass in der Formel für die Torsionsfunk-
tion die von der Blechmittellinie umfasste Fläche Am enthalten ist.
Am selbst ist jedoch nur eine Hilfsgröße, um das Ringintegral in einem „handlichen“ Formel-
zeichen ausdrücken zu können:
1
Am rt , A ds
2 s
Weil der Normalabstand rt,A zwischen Drehpunkt A und der Tangente an den jeweiligen
Punkt P(s) der Querschnittskontur abhängig vom Drehsinn des Radiusvektors rA mit einem
Vorzeichen behaftet ist, muss auch Am ein Vorzeichen haben.
ds ds
Die Integrale und sind dagegen stets positiv.
s
t ( s) s
t ( s)
Um die Problematik des Vorzeichens von Am zu umgehen wählt man zweckmäßig die lokale
Koordinate gleich so, dass rA überwiegend denselben Drehsinn besitzt wie eine positive Ver-
drehung + .
Bei Bezug auf eine Drillachse, die innerhalb der Querschnittskontur liegt, kann s problemlos
und zweifelsfrei festgelegt werden.
Liegt die Drillachse außerhalb der Querschnittskontur, so ist s zweckmäßig so zu definieren,
dass die Radiusvektoren rA bei positivem Drehsinn größere Flächen überstreichen als bei
negativem Drehsinn. Die in Bild 4-106 gezeigte Fläche Am kann beispielweise aus drei Teil-
flächen gebildet werden (jeweils mit Vorzeichen!). Die beiden hellblauen Teilflächen resultie-
ren aus Radiusvektoren rA mit positivem Drehsinn und sind positiv. Sie überwiegen die hell-
rote, negative Teilfläche, die aus Radiusvektoren mit negativem Drehsinn resultiert. Am ist
deshalb positiv.
Bild 4-106: Am setzt sich aus positiven und negativen Anteilen zusammen
Für den in Bild 4-107 dargestellten Querschnitt soll die Einheitsverwölbung A bezüglich der
Drillachse A ermittelt werden. A liegt auf dem Mittelpunkt des halbkreisförmigen Quer-
schnittsteils. Es ist zu beachten, dass der Querschnitt zwei unterschiedliche Blechdicken
besitzt.
Zuerst trennt man den Querschnitt gedanklich auf, nummeriert die Querschnittspunkte und
definiert die lokale Koordinate s.
Die vom Radiusstrahl rA bei einer vollständigen Umfahrung der Querschnittskontur überstri-
chene Fläche Am entspricht der von der Kontur eingeschlossenen Fläche.
s wurde so definiert, dass rA denselben Drehsinn besitzt wie + . Deshalb ist Am positiv.
1 1
Am 10,0 2 20,0 15,0 10,0 20,0 557 ,1 cm2
2 2
Da die Blechdicke abschnittsweise konstant ist kann das Ringintegral auch als Summe aus-
gedrückt werden:
2 Am 2 557 ,1
11,10 cm²
ds 100 ,3
s
t ( s)
Nun kann für jeden Punkt die Grundverwölbung A bestimmt werden. Wegen der abschnitt-
weise konstanten Blechdicken gilt wiederum
ds si
A rt , A ds rt , A,i si .
s s
t (s) i i ti
Der Radiusstrahl rA dreht stets in dieselbe Richtung wie eine positive Verdrehung + , rt,A ist
deshalb für jeden Abschnitt positiv.
Punkt 0: A (0) 0
Punkt 1:
Punkt 2:
s 15,0
A (2) A (1) rt , A s 119,1 15,0 10,0 11,10 60,94 cm²
t 0,8
Punkt 3:
10,0
s
A (3) A (2) rt , A s 60,64 10,0 10,0 11,10 2 0,00 cm²
t 2 0,8
Für die übrigen Abschnitte erfolgt die Berechnung analog, in Tabelle 4-10 sind die Berech-
nungsschritte zusammengestellt.
Punkt
A (i 1) + rt,A · s - · s / t = A (i)
i
[-] [cm²] [cm] [cm] [cm²] [cm] [cm] [cm²]
0 0
1 0 + 17,68 · 14,14 - 11,10 · 14,14 / 1,2 = 119,1
2 119,1 + 10,0 · 15,0 - 11,10 · 15,0 / 0,8 = 60,94
3 60,94 + 10,0 · 15,71 - 11,10 · 15,71 / 0,8 = 0,00
4 0,00 + 10,0 · 15,71 - 11,10 · 15,71 / 0,8 = -60,64
5 -60,64 + 10,0 · 15,0 - 11,10 · 15,0 / 0,8 = -119,14
6 -119,14 + 17,68 · 14,14 - 11,10 · 14,14 / 1,2 = 0,00
Da sowohl der Ursprung von s als auch der Drehpunkt auf der Symmetrieachse liegen ist die
Verwölbung im Mittel gleich null. Eine Normierung ist nicht erforderlich, die Grundverwölbung
A und die Einheitsverwölbung A sind identisch.
Der Bezug auf eine andere Drillachse kann analog der Vorgehensweise für offene Quer-
schnitte hergestellt werden.
Mehrzellige Querschnitte
Die Berechnung der Einheitsverwölbung von mehrzelligen Querschnitten wird im Rahmen
des Umdrucks nicht behandelt. Die Vorgehensweise ergibt sich in Erweiterung der Ausfüh-
rungen für den einzelligen Querschnitt. Für die einzelnen Zelle wird die Einheitsverwölbung
zuerst getrennt berechnet, anschließend wird die Berechnung unter Berücksichtigung der
Verträglichkeitsbedingung angepasst: an den Verzweigungspunkten darf die Wölbordinate
keinen Sprung aufweisen. Bezüglich weiterer Ausführungen wird auf die Fachliteratur ver-
wiesen.
4.4.4 Wölbspannungen
4.4.4.1 Einführung
Bei der Herleitung der Formeln für die Einheitsverwölbung wurde vorausgesetzt, dass sich
die Verwölbungen zwängungsfrei einstellen können. In der Realität werden die Verwölbun-
gen in den meisten Fällen aber mehr oder weniger stark behindert, sei es durch konstruktive
Rand- oder Übergangsbedingungen (z.B. Stirnplatten, Einspannung des Trägerendes, etc.)
oder durch sprunghafte Änderung des Torsionsmomentes (z.B. angreifendes Einzelmoment,
Gabellager, etc.).
Normalspannungen und Schubspannungen , die aus der Behinderung der freien Verwöl-
bung resultieren, werden mit dem Index gekennzeichnet.
Wölbnormalspannung
Wölbschubspannung
Man findet in der Literatur aber gleichbedeutend die Kennzeichnung mit den Indices 2 oder s
(für „sekundär“), also 2 und 2 bzw. s bzw. s.
Die Zusammenhänge werden für den Fall eines offenen Querschnitts aufgezeigt (Dünnwan-
digkeit wird weiterhin vorausgesetzt). In einem späteren Abschnitt wird kurz auf die Beson-
derheiten bei dünnwandigen geschlossenen Querschnitten eingegangen.
Grundlage der Theorie ist ein linear-elastisches Materialverhalten. Innerhalb des linear-
elastischen Bereiches gilt das Hookesche Gesetz:
E
Die Dehnung ist bekanntlich als Längenänderung l mit Bezug auf die Ausgangslänge l
definiert. Bei Betrachtung eines infinitesimal kleinen Elementes der Länge dx entspricht die
Längenänderung l der Änderung der Verwölbung du innerhalb der Länge dx.
du
u
dx
Mit Hilfe der Einheitsverwölbung kann für jeden Punkt des Querschnitts die Verwölbung,
d.h. die Verschiebung in Stablängsrichtung berechnet werden.
Zur Wiederholung: Die Einheitsverwölbung ist kein einzelner, über den gesamten Quer-
schnitt konstanter Querschnittswert. Vielmehr ist über den Querschnitt veränderlich, so
dass für die einzelnen Querschnittspunkte („Fasern“) unterschiedliche Werte annimmt (
wird deshalb auch „Wölbordinate“ genannt). Zur Lagebestimmung eines Querschnittspunktes
P(s) wurde die lokale Koordinate s eingeführt. Da auch von s abhängig ist, kann man
exakter auch (s) schreiben. Schließlich sei daran erinnert, dass (s) stets mit Bezug auf
eine definierte Drillachse berechnet wird. Für eine beliebige Drillachse A wird die Einheits-
verwölbung korrekt und eindeutig mit A(s) bezeichnet.
Gemäß Definition ist die Einheitsverwölbung A(s) jene Verwölbung, die ein Punkt P(s) des
Querschnitts infolge einer Verdrillung ‘ = -1 [rad / m] um die Drillachse A erfährt.
Die tatsächliche Verwölbung uA(s) infolge einer beliebigen Verdrillung ‘(x) entspricht dem-
nach dem negativen Wert des Produktes aus Verdrillung ‘ und Einheitsverwölbung A(s).
Da ‘ im Normalfall entlang der Stablänge veränderlich ist, ist auch die Verwölbung uA(s) des
Querschnittspunktes P(s) in Stablängsrichtung veränderlich.
u A ( s, x ) A ( s) ( x)
A ( s, x ) u A A ( s) ( x) ,
,A ( s, x ) E A ( s, x ) E A ( s) ( x)
ist von x abhängig und ändert sich von Schnitt zu Schnitt. Dass diese Änderung mit
Längsschubspannungen einhergehen muss wird deutlich, wenn man an einem infinitesi-
mal kleinen Element der dünnwandigen Mantelfläche mit den Abmessungen dx·ds die aus
den Spannungen resultierenden Kräfte anträgt und die Gleichgewichtsbedingung formuliert.
Hinweis: Der Index A zur Kennzeichnung der Drillachse wird an dieser Stelle aus Gründen der Übersichtlichkeit
nicht mit notiert.
Fx = 0:
dx t ( s ) ds ( t ( s ) ) ds dx 0
t (s) ( t (s) ) 0
Hinweis: Im Allgemeinen ist t(s) nicht konstant über den Querschnitt. Deshalb kann t(s) nicht ausgeklammert und
gekürzt werden.
( t ( s ) ) ist die Ableitung des Schubflusses in Richtung der lokalen Koordinate s, also tan-
gential zur Kontur des Querschnitts. Durch Integration über s erhält man den Schubfluss
T (s,x):
s s s
T ( s, x ) ( t ( s) ) ds t ( s) ds E ( x) ( s) t ( s) ds T 0
0 0 0
Sofern die lokale Koordinate s ihren Ursprung an einem Profilrand hat (es handelt sich um
ein offenes Profil), ist wegen des Satzes von der Zuordnung der SchubspannungenT 0 = 0.
Dann gilt
s
T ( s, x ) E ( x) ( s) t ( s) ds
0
und
T ( s, x )
( s, x )
t ( s)
Anmerkung: Bei der Herleitung der Formeln für die Einheitsverwölbung wurde vorausgesetzt, dass in der Profil-
mittellinie die Torsionsschubspannungen gleich null sind. Streng genommen stellen die Wölbschubspannungen
einen Widerspruch zu dieser Annahme dar. Allerdings sind die zu den Wölbschubspannungen gehörenden
Gleitungen normalerweise so klein, dass sie im Rahmen der Theorie vernachlässigt werden und die Voraus-
setzung = 0 in Mitte der Blechdicke als Grundlage der Berechnung der Einheitsverwölbung unverändert bei-
behalten wird.
Mx M x, p M x ,s
Zur Erinnerung: Das primäre Torsionsmoment Mx,p resultiert aus Schubspannungen p, die
über die Blechdicke des offenen dünnwandigen Querschnitts linear verteilt sind (in Blechmit-
te: p = 0) und wird nach der St. Venantschen Torsionstheorie berechnet.
M x, p G IT ( x)
s
M x ,s ( s, x) t ( s) rt , A ( s) ds
0
Allgemeine Formel: f ( x) g ( x) dx f ( x) g ( x) f ( x) g ( x) dx
g ( x) ˆ rt , A ( s ) ,
f ( x) ˆ ( ( s, x) t ( s )) und
g ( x) ˆ rt , A ( s) ds .
s
Man erhält
M x ,s ( s, x ) t ( s ) rt , A ds [( ( s, x) t ( s)) rt , A ( s) ds] ds
s s s
Da alle Integrationen über die gesamte Querschnittskontur erfolgen (von freiem Rand zu
freiem Rand) ist ( s, x) t ( s) der Schubfluss am Ende des Integrationsweges, also am frei-
en Rand. Weil an freien Rändern stets T = 0 gilt, entfällt der erste Teil der Formel vollständig,
es verbleibt
M x ,s [( ( s, x) t ( s)) rt , A ( s) ds] ds
s s
A rt , A ( s) ds
s
und
( s, x ) t ( s ) ( ( s, x ) t ( s ) ) 0
M x ,s [ ( s, x ) t ( s ) A ] ds ,
s
und mit
,A ( s, x ) E A (s) ( x)
folgt
M x ,s E ( x) A ( s) t ( s) A ds
s
Weiter gilt:
t (s) ds dA
und
1
A A A0 A A dA
A
Nach Einsetzen in die Gleichung zur Bestimmung des sekundären Torsionsmomentes folgt:
1
M x ,s E ( x) A ( s) t ( s) A ds E ( x) A A dA A dA
s A
A A
2 1
E ( x) A dA A A dA dA
A A
A A
Was die Verschachtelung der beiden Integrale betrifft, ist zu bedenken, dass die Grundver-
wölbung A eine (zwar über den Querschnitt veränderliche) Querschnittsgröße ist. Bei Integ-
ration über die gesamte Querschnittsfläche (mit festen Integrationsgrenzen) erhält man einen
konstanten Wert, der aus dem Integral herausgezogen werden kann:
2 1 2 1
A dA A A dA dA A dA A dA A dA
A A
A A A
A A A
2 1
M x ,s E ( x) A dA A dA A dA
A
A A A
Der Ausdruck in Klammern wird als Wölbwiderstand CA bezeichnet. Der Index A macht den
Bezug auf die Drillachse A kenntlich.
2
2 1
CA A dA A dA
A
A A
In der Literatur werden auch die Bezeichnungen „Wölbflächenmoment 2. Grades“ und „sek-
torielles Trägheitsmoment“ verwendet, alternative Formelzeichen sind I , Iw und A , wobei
sich I , Iw bzw. A ohne weiteren Index auf die Achse durch den Schubmittelpunkt beziehen.
Man sollte deshalb den Bezug auf eine beliebige Drillachse A durch einen weiteren Index
kenntlich machen, also z.B. I ,A.
Bei Bezug auf die Drillachse durch den Schubmittelpunkt wird meist kein Index ergänzt, al-
lerdings schreibt man praktisch nicht C, sondern CM.
Fortan werden auch in diesem Skript die Bezeichnungen I und CM als gleichwertige Alterna-
tiven verwendet. I bietet sich besonders dann an, wenn man Analogiebetrachtungen be-
treibt und einen Vergleich mit den Querschnittsgrößen Iy oder Iz anstrebt (vgl. Abschnitt
4.4.4.3).
2
CA A dA
A
Beweis:
Nach Einsetzen von A A A0 in die Gleichung für CA und unter Berücksichtigung der
Tatsache, dass A0 eine Konstante ist, die aus dem jeweiligen Integral herausgezogen wer-
den kann, ergibt sich nach mehreren Rechenschritten:
2
2 1
CA ( A A0 ) dA ( A A0 ) dA
A
A A
2 2
2 2 1
A dA 2 A A0 dA A0 dA A dA 2 A dA A0 dA A0 dA
A A A
A A A A A
2 2
2 2 1 1 1 2
A dA 2 A0 A dA A0 dA A dA 2 A0 A dA dA A0 dA
A A A
A A
A A A
A A
2
2 2 1 2
A dA 2 A0 A dA A0 A A dA 2 A0 A dA A0 A
A A
A A A
2
2 1
A dA A dA
A
A A
Weil bei Beanspruchung allein durch Torsion die Verwölbung A im Mittel gleich null sein
muss, ist A dA 0 , und es verbleibt
A
2
CA A dA q.e.d.
A
Das sekundäre Torsionsmoment Mx,s kann jetzt in übersichtlicher Form notiert werden:
M x ,s E CA
Im Rahmen der Theorie zur Wölbkrafttorsion wird eine neue Schnittgröße eingeführt – das
Wölbbimoment M .
My
My z dA und z
A
Iy
M ,A ( x) ,A ( s, x ) A ( s) dA
A
2
M ,A ( x) ,A ( s, x ) A (s) dA E ( x) A ( s) dA E ( x) C A
A A
M ,A ( x)
,A ( s, x ) A (s)
CA
Noch deutlicher wird die Analogie der Gleichungen, wenn statt CA das alternative Formelzei-
chen I ,A verwendet wird:
M ,A ( x)
,A ( s, x ) A ( s)
I ,A
Dabei ist stets der Bezug auf eine bestimmte Drillachse zu beachten (hier: Index A).
Das Wölbbimoment M besitzt die Einheit [kNm²] oder [kNcm²]. Leider entzieht sich M im
Fall eines allgemeinen Querschnitts der konkreten Vorstellbarkeit. Im konkreten Fall eines
Doppel-T-Profils kann man sich dagegen die Wirkungsweise von M gut verdeutlichen (vgl.
Abschnitt 4.4.10 „Wölbkrafttorsion anschaulich“), es wird in diesem Zusammenhang auch
das „Moment der Momente“ genannt.
Bei Betrachtung der Formel für das sekundäre Torsionsmoment Mx,s kann festgestellt wer-
den, dass das sekundäre Torsionsmoment Mx,s die Ableitung des Wölbbimomentes M ist,
ebenso wie bei der Balkenbiegung die Querkraft die Ableitung des Biegemomentes ist.
M x ,s ( x) E CA ( x) M ( x)
Analogie Biegetheorie: Vz ( x) M y ( x)
s
T ( s, x ) E ( x) ( s) t ( s) ds
0
Das Integral erhält die Bezeichnung S ,A und wird sektorielles statisches Moment oder Wölb-
flächenmoment 1. Grades genannt. In der Literatur wird teilweise das Formelzeichen A ver-
wendet.
s
S ,A ( s) ( s) t ( s) ds
0
S ,A(s) ist eine über den Querschnitt veränderliche Querschnittsgröße mit der Einheit [cm4].
Aus M x ,s ( x) E CA ( x) M ( x) folgt:
M x ,s ( x)
E ( x)
CA
Setzt man diese Beziehung und S ,A in die Gleichung für die sekundären Schubspannungen
ein, so wird unmittelbar die Analogie zur Theorie der Balkenbiegung deutlich:
T ( s, x ) M x ,s ( x) S ,A (s) M x ,s ( x) S ,A (s)
( s, x )
t (s) C A t (s) I ,A t (s)
Vz S y
Analogie Biegetheorie:
Iy t
Das (gesamte / resultierende) Torsionsmoment im Stab setzt sich aus den beiden Anteilen
„Primäre Torsion“ Mx,p (Saint Venant) und „sekundäre Torsion“ Mx,s (Wölbkrafttorsion) zu-
sammen. Die Addition der beiden Anteile liefert das Elastizitätsgesetz der gemischten Torsi-
on:
Hinweis: In der Literatur wird meistens der Begriff der Wölbkrafttorsion auch dann verwendet, wenn es sich nicht
ausschließlich um Wölbkrafttorsion handelt. In diesem Umdruck wird der Begriff „gemischte Torsion“ eingeführt,
der den Sachverhalt, dass zwei Arten am Abtrag eines Torsionsmomentes beteiligt sein können, treffender be-
schreibt.
Mx M x, p M x ,s G IT E CA
Es wird ein infinitesimal kleines Stabelement mit der Länge dx betrachtet. Auf den Stab soll
ein über die Stablänge stetig veränderliches Streckentorsionsmoment mT (Einheit: kNm/m)
einwirken.
Mx mT
Einmaliges Ableiten des Elastizitätsgesetzes der gemischten Torsion und Einsetzen der
Gleichgewichtsbedingung ergibt die Differentialgleichung der gemischten Torsion:
(Hinweis: diese DGL wird in der Literatur häufig als DGL der Wölbkrafttorsion bezeichnet, auch wenn sie Anteile
aus St. Venantscher Torsion enthält).
4.4.6.1 Vorbemerkung
Vorsorglich sei noch einmal erwähnt, dass sich alle Berechnungen auf eine definierte Drill-
achse beziehen, um die sich der Querschnitt unter Torsion verdrillt. Bisher und im Folgenden
ist das die willkürlich gewählte Achse durch den Punkt A.
Wie im Abschnitt 4.4.8 noch beschrieben werden wird, gibt es eine natürliche Drillruheachse,
die der Stab, wenn er sich frei verdrillen kann, von sich aus wählt. Kann sich der Stab nicht
frei verdrillen, weil ihm durch entsprechende Randbedingungen (Lagerungen, Festhaltungen,
etc.) eine andere als die natürliche Drillachse aufgezwungen wird, spricht man von einer ge-
bundenen Drillachse bzw. von einer Zwangsdrillachse.
Auf die Herleitung der Berechnungsformeln hat dieser Umstand keinen Einfluss. Es ist aber
zu bedenken, dass die Berechnungsergebnisse für unterschiedliche Drillachsen im Allge-
meinen gänzlich verschieden sind. Deshalb sollte aus Gründen der Eindeutigkeit die der
Berechnung zugrunde liegende Drillachse bei den jeweiligen Formelzeichen stets in Form
eines Index angegeben werden.
Einschränkung:
Die folgenden Ausführungen und Herleitungen gelten für Stäbe mit über die Stablänge unve-
ränderlichem Querschnitt und konstanten Materialeigenschaften. Für andere Fälle sind die
Zusammenhänge komplizierter und die Formeln umfangreicher.
Die Differentialgleichung (DGL) der gemischten Torsion ist eine gewöhnliche DGL vierter
Ordnung.
Der homogene Teil der DGL lautet:
E CA G IT 0
mit
G IT
E CA
heißt Abklingfaktor und hat die Einheit [1/cm]. ist für die gängigen Walzprofile in Tabel-
lenwerken enthalten, wobei zu beachten ist, dass die Werte für eine Drillachse gelten, die
gleich der Schubmittelpunktsachse ist.
dient nicht nur der einfacheren Schreibweise der DGL, sondern ist in Verbindung mit der
Stablänge l außerdem ein Maß dafür, welche Art der Torsion bei einem Querschnitt über-
wiegt.
Grenzfälle:
In der Praxis wird sich ein Stab selten exakt einem der Grenzfälle zuordnen lassen.
Auch die Art der Belastung hat einen Einfluss auf die Art der Torsion. In Bild 4-118 ist die
Größe des tatsächlichen Wölbbimomentes M ( )im Verhältnis zum Wölbbimoment bei reiner
Wölbkrafttorsion M ( =0) in Abhängigkeit vom Produkt ·l (im Bild genannt) und in Abhän-
gigkeit von der Belastungsart (Einzeltorsionsmoment, Streckentorsionsmoment, Wölbbimo-
mente an den Stabenden) angetragen.
Als brauchbare Werte für die Praxis können folgende Grenzen des Produktes ·l dienen:
·l < 0,5 reine Wölbkrafttorsion
≤ ·l ≤ 10 gemischte Torsion
·l > 10 reine St. Venantsche Torsion
Beispiel: Torsionsstab mit Profil HEA 400 oder Profil RHP 200x120x6,3
Es wird ein Torsionsstab mit einer Länge von 10,0 m betrachtet. Als Querschnitt stehen ein
Walzprofil HEA 400 und ein Rechteckhohlprofil 200 x 120 x 6,3 zur Auswahl.
Als Drillachse wird die Achse durch den Schubmittelpunkt gewählt, die für diese Profile iden-
tisch mit der Schwerachse ist.
Bild 4-119: Abmessungen HEA 400 Bild 4-120: Mittellinienmodell mit Festlegung
der Koordinate s
Für den Steg ist rt,M = 0, für die Flansche jeweils +/- 18,55 cm
Bild 4-121: Verlauf von rt,M Bild 4-122: Verlauf der Einheitsverwölbung M
Bei numerischer Integration (mit Integraltafeln) beträgt der Integrationsfaktor für die Überla-
gerung des dreieckigen M-Verlaufs mit sich selbst 1/3, wobei dA t (s) ds ist.
1
CM 4 278,3 278,3 1,9 15,0 2.943 .134 cm6
3
Für dieses Standard-Walzprofil könnte der Wert auch aus einem Tabellenwerk entnommen
werden, z.B. aus den Schneider-Bautabellen. Hierzu ist die Kenntnis der alternativen Be-
zeichnung des Wölbwiderstandes notwendig:
CM wird in der Literatur auch mit I bezeichnet. Zu beachten ist die Bezugsachse. Das Bei-
spiel wird mit Bezug auf die Schubmittelpunktsachse berechnet, der Tabellenwert bezieht
sich ebenfalls darauf, kann also verwendet werden.
Querschnittswerte in Tabellenwerken werden häufig mit „genaueren“ Methoden ermittelt, etwa mit FEM. Deshalb
ergeben sich teilweise geringfügige Unterschiede.
In diesem Zusammenhang sei noch auf eine etwas unglückliche Formulierung in den Schneider Bautabellen
6 -3
hingewiesen: Als Einheit ist in der Tabelle cm ·10 angegeben. Das bedeutet, dass die tabellierten Werte mit
6
1000 zu multiplizieren sind, um sie in der Einheit cm zu erhalten.
IT 189 cm4
G IT 8100 189 1
0,00498 cm
E CM 21000 2.942 .000
Auch ist in den Bautabellen tabelliert und könnte direkt abgelesen werden.
Der Wert ist größer als 0,5 und kleiner als 10, es handelt sich um ein Problem der gemisch-
ten Torsion, bei dem sich sowohl Anteile aus St. Venantscher Torsion als auch Anteile aus
Wölbkrafttorsion an der Abtragung von Torsionsmomenten beteiligen.
2 Am 2 220 ,24
4,514 cm²
ds 19,37 11,37
2
s
t (s) 0,63 0,63
Punkt
M (i 1) + rt,M · s - · s / t = M (i)
i
[-] [cm²] [cm] [cm] [cm²] [cm] [cm] [cm²]
0 0
1 0 + 5,685 · 9,685 - 4,514 · 9,685 / 0,63 = -14,33
2 -14,33 + 9,685 · 11,37 - 4,514 · 11,37 / 0,63 = 14,33
3 14,33 + 5,685 · 19,37 - 4,514 · 19,37 / 0,63 = -14,33
4 -14,33 + 9,685 · 11,37 - 4,514 · 11,37 / 0,63 = 14,33
5 14,33 + 5,685 · 9,685 - 4,514 · 9,685 / 0,63 = 0,00
2
CM M dA
A
Bei numerischer Integration (mit Integraltafeln) beträgt der Integrationsfaktor für die Überla-
gerung des dreieckigen M-Verlaufs mit sich selbst 1/3, wobei dA t (s) ds ist.
1 1
CM 4 14,33 14,33 0,63 9,685 4 14,33 14,33 0,63 5,685 2651 cm6
3 3
G IT 8100 1988
0,538 cm 1
E CA 21000 2651
Der Wert ist viel größer als 10, es handelt sich eindeutig um ein Problem der St. Venant-
schen Torsion, der Anteil des sekundären Torsionsmomentes infolge Wölbkrafttorsion am
gesamten Torsionsmoment ist vernachlässigbar.
Aus diesem Grund sind in den meisten Tabellenwerken für Hohlprofile auch keine Werte für
CM bzw. I aufgeführt, sie werden in der Praxis fast nie benötigt.
4.4.6.3 Lösungsansatz
Die Lösung der Differentialgleichung der gemischten Torsion kann in einen homogenen An-
teil und in einen partikulären Anteil aufgespalten werden.
hom part
Unter Verwendung des Abklingfaktors setzt sich der homogene Anteil der Differentialglei-
chung der gemischten Torsion aus vier linear unabhängigen Teillösungen zusammen:
C1 C2
hom 2
sinh x 2
cosh x C3 x C 4
Die partikuläre Lösung ist vom Lastbild der äußeren Belastung abhängig.
Die folgenden Ausführungen gelten für ein in Stablängsrichtung x linear veränderliches Stre-
ckentorsionsmoment mT.
x
mT mT , 0 mT ,1
l
Damit können die relevanten Fälle eines konstanten (mT,1 = 0) und eines linear veränderli-
chen (mT,1 ≠ 0) Streckentorsionsmomentes behandelt werden. Im Fall einer Belastung durch
Einzeltorsionsmomente MT ist auch mT,0 = 0. Die Lösung der DGL ergibt sich dann aus den
Rand- und Übergangsbedingungen.
part A x3 B x 2 C x D
part 3A x 2 2B x C
part 6 A x 2B
part 6A
part 0
Einsetzen der 2. und 4. Ableitung sowie der Funktion für das Streckentorsionsmoment in die
DGL der gemischten Torsion ergibt:
E CA G IT mT
x
G I T (6 A x 2 B ) mT ,0 mT ,1
l
x mT ,1
G IT 6 A x mT ,1 A
l 6 G IT l
mT , 0
G IT 2 B mT , 0 B
2 G IT
Auf die Bestimmung der Koeffizienten C und D kann verzichtet werden, denn innerhalb der
Summe aus partikulärer und homogener Lösung kann C in C3 und D in C4 eingebaut werden.
Damit lautet der allgemeine Lösungsansatz:
C1 C2 mT ,1 mT ,0
2
sinh x 2
cosh x C3 x C 4 x3 x2
6 G IT l 2 G IT
C1 C2 1 1 x
2
sinh x 2
cosh x C3 x C 4 mT ,0 mT ,1 x2
2 G IT 3 l
Für die eigentliche Differentialgleichung werden auch die Ableitungen dieses Lösungsansat-
zes benötigt.
C1 C2 1 1 x
2
sinh x 2
cosh x C3 x C 4 mT , 0 mT ,1 x2
2 G IT 3 l
C1 C2 1 x
cosh x sinh x C3 2 mT ,0 mT ,1 x
2 G IT l
1 x
C1 sinh x C2 cosh x mT ,0 mT ,1
G IT l
mT ,1
C1 cosh x C2 sinh x
G IT l
Die Bestimmung der Koeffizienten C1 bis C4 erfolgt mit Hilfe der Rand- und Übergangsbedin-
gungen des Systems.
4.4.6.4 Randbedingungen
Gabellager
Ein Gabellager verhindert die Verdrehung des Stabes:
0
Die Verwölbungen u sind ungehindert möglich. Ohne Behinderung der Verwölbungen u ent-
stehen keine Wölbnormalspannungen :
,A E A 0 0
Einspannung
Wie ein Gabellager verhindert auch eine Einspannung die Verdrehung des Stabes:
0
uA A 0 0
,A E A 0 0
Die Gleichgewichtsbedingung am freien Ende lautet: Mx = MT, wobei MT ein evtl. angreifen-
des äußeres Torsionsmoment ist.
G IT E CA MT
uA A 0 0
und
Die Gleichgewichtsbedingung am freien Ende lautet: Mx = MT, wobei MT ein evtl. angreifen-
des äußeres Torsionsmoment ist.
G IT E CA MT
Drehfeder:
Einheit: kNcm / rad
Stabanfang (x = 0): M x (0) C (0) G IT E CA C
Stabende (x = l): M x (l ) C (l ) G IT E CA C
Wölbfeder:
Einheit: kNcm³ / rad
Stabanfang (x = 0): M (0) C (0) E CA C
Stabanfang (x = l): M (l ) C (l ) E CA C
4.4.6.5 Übergangsbedingungen
Übergangsbedingungen sind für alle Stellen des Stabes zu formulieren, an denen eine Zu-
standsgröße eine sprunghafte Änderung erfährt. Übergangsbedingungen gibt es bei
Auflagern,
Der letztgenannte Fall stellt unter der der Voraussetzung, dass zwischen den beiden ver-
schiedenen Querschnitten eine Stirnplatte eingeschweißt ist, eine Wölbfeder dar (an dieser
Stelle nicht weiter behandelt).
Geht man davon aus, dass es keine sprunghafte Änderung des Querschnitts gibt, dann kön-
nen folgende Übergangsbedingungen formuliert werden:
1.) Der Verlauf der Verdrehung ist stetig (kein Sprung):
links rechts
3.) Der Verlauf der Wölbnormalspannungen bzw. des Wölbbimomentes M ist stetig (kein
Sprung):
M x ,links M x ,rechts MT 0
(G I T E CA ) links (G I T E CA ) rechts MT 0
Unter Berücksichtigung der Bedingung 2.) links rechts vereinfacht sich die Bedingung 4.) zu
E CA ( links rechts ) MT 0.
Vorbemerkung: Es soll die Lösung der DGL demonstriert werden ohne Nachweis der Trag-
fähigkeit. Deshalb werden Einwirkung und Schnittgrößen ohne Index „Ed“ dargestellt. Die
Biegebeanspruchung ist hier nicht Gegenstand der Berechnungen.
Bezüglich der Drillruheachse, die durch den Schubmittelpunkt M verläuft, entsteht durch die
Belastung in Stegblechebene ein Streckentorsionsmoment mT.
mT ,1 0
Weil sich der Querschnitt bei freier Drillung um die Schubmittelpunktsachse verdreht, können
für die Querschnittswerte die tabellierten Werte verwendet werden.
IT 11,9 cm4
CM I 9070 cm6
Abklingfaktor:
G IT 8100 11,9
0,0225 cm 1
E CA 21000 9070
Für die Stablänge von 3,0 m ergibt sich l 0,0225 300 6,75 (gemischte Torsion).
Die Lösung der DGL erfolgt unter Verwendung der Randbedingungen, die an den Stellen der
Auflager x = 0 und x = l = 3,0 m bekannt sind.
Zur Erinnerung:
sinh 0 0
cosh 0 1
(x 0) 0
C1 C2 1 1 x
2
sinh x 2
cosh x C3 x C 4 mT ,0 mT ,1 x2 0
2 G IT 3 l
C1 C2 1 1 0
2
sinh ( 0) 2
cosh ( 0) C3 0 C 4 mT ,0 0 02 0
2 G IT 3 l
C2
2
C4 0
(x 0) 0
C1 C2 1 x
cosh x sinh x C3 2 mT , 0 mT ,1 x 0
2 G IT l
C1 C2 1 0
cosh 0 sinh 0 C3 2 mT ,0 0 0 0
2 G IT l
C1
C3 0
(x l) 0
C1 C2 1 1 x
2
sinh x 2
cosh x C3 x C 4 mT ,0 mT ,1 x2 0
2 G IT 3 l
C1 C2 1 1 l
2
sinh ( l) 2
cosh ( l ) C3 l C 4 mT ,0 0 l2 0
2 G IT 3 l
C1 C2 1
2
sinh ( l) 2
cosh ( l ) C3 l C 4 mT ,0 l 2 0
2 G IT
(x l) 0
1 x
C1 sinh x C2 cosh x mT , 0 mT ,1 0
G IT l
1 l
C1 sinh l C 2 cosh l mT ,0 0 0
G IT l
1
C1 sinh l C2 cosh l mT ,0 0
G IT
Damit stehen vier Gleichungen zur Bestimmung von vier Unbekannten zur Verfügung, die
zusammen ein lineares Gleichungssystem bilden.
1 0
0 2
0 1
C1 0
1 C2 mT , 0 l 2
0 1 0
sinh ( l) cosh ( l) C3 2 G IT
2 2
l 1 C4 mT ,0
sinh ( l) cosh ( l) 0 0 G IT
Eine allgemeine, analytische Lösung gestaltet sich schwierig, so dass vorzugsweise die
konkreten Zahlenwerte eingesetzt werden und die Lösung direkt bestimmt wird. das kann
z.B. mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms erfolgen.
Profil: U200
System: 1 Feld, l= 3m
Randbedingungen
links: Einspannung rechts: Gabellager
Querschnittswerte:
6
I = 9070 cm
4
IT = 11,9 cm
Belastung:
mT,links = 0,11775 kNm/m
mt,rechts = 0,11775 kNm/m
-1
= 0,022495865 cm
Lösung:
6
C1 4,62719 10
6
C2 4,63004 10
C3 0,000205691
C4 0,00914912
Diese Koeffizienten können nun in die Lösung der DGL bzw. deren Ableitungen eingesetzt
werden, und man erhält mit den entsprechenden Formeln Mx,p, Mx,s, Mx und M . Auch dieser
Berechnungsschritt kann vorteilhaft mit einer Tabellenkalkulation durchgeführt werden. Bei-
spielhaft wurden diese Schnittgrößen für Schnitte im Abstand von 15 cm berechnet, jeweils
in [kNcm] bzw. [kNcm²].
Verdrehung
[rad]
0,0090 An der Einspannstelle (x = 0) und am
0,0080 Gabellager (x = 3,0 m) ist die Verdre-
0,0070 hung = 0.
0,0060 Man erkennt, dass im Bereich der Ein-
0,0050 spannung die Verdrehung weniger stark
0,0040
zunimmt als im Bereich des Gabella-
0,0030
gers. Das liegt an der Wölbbehinde-
0,0020
0,0010 rung, denn dadurch wird der Quer-
0,0000 schnitt hinsichtlich Torsion lokal steifer.
-0,0010 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 Man kann sich das auch als eine Art
Schnitt x [m]
ideelle Torsionssteifigkeit G·IT* vorstel-
len.
Verdrillung ‘
' [rad/cm]
0,00010 An der Einspannstelle (x = 0) ist ‘ = 0.
Das stimmt mit der Randbedingung
0,00005 einer Einspannung (u = ‘ = 0) überein.
Am Gabellager (x = 3,0 m) ist eine
0,00000 Verwölbung u und damit auch eine
0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 Verdrillung ‘ ungehindert möglich.
-0,00005 Weil ‘ die Ableitung von ist, wird
damit auch klar, dass im Bereich des
-0,00010
Gabellagers zur Stabmitte hin stärker
zunimmt als im Bereich der Einspan-
-0,00015
Schnitt x [m] nung. Das primäre Torsionsmoment
Mx,p ist direkt proportional zu ‘. An der
Einspannstelle ist ‘ = 0, weshalb dort
Bild 4-138: Verdrillung ' die Abtragung von Mx zu 100 % durch
Wölbkrafttorsion erfolgt.
Torsionsmoment Mx (insgesamt)
Mx [kNcm]
25,0 An der Einspannstelle beträgt Mx =
20,0
19,83 kNcm und am Gabellager Mx = -
15,50 kNcm. Das sind auch die Aufla-
15,0
gerreaktionen des Systems, die mit der
10,0
Belastung im Gleichgewicht stehen
5,0
müssen.
0,0
-5,0 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 Belastung: 0,11775 · 300 = 35,33 kNcm
-10,0 Reaktion: 19,83 + 15,50 = 35,55 kNcm
-15,0 OK
-20,0
Schnitt x [m]
Bemerkenswert ist, dass Mx an den
beiden Trägerenden unterschiedlich
Bild 4-141: Torsionsmoment M x (insgesamt) groß ist: bei reiner St. Venantscher
Torsion wäre Mx an beiden Trägeren-
den gleich groß. Die Auswirkung der
Wölbbehinderung an der Einspannstelle
kann man sich als Zunahme einer
(ideellen) Torsionssteifigkeit G·IT* vor-
stellen, und diese größere Steifigkeit
zieht einen größeren Anteil von Mx auf
sich als das Gabellager ohne Wölbbe-
hinderung.
-10,0
Schnitt x [m]
Wölbbimoment M
M [kNcm²]
300 Der Verlauf von M ist affin zum Verlauf
200 von ‘‘. An der Einspannstelle ist die
100 Verwölbung vollkommen behindert, dort
0 entstehen infolge von lokalem Zwang
-100 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 große Wölbnormalspannungen , und
-200 M als deren Resultierende ist entspre-
-300 chend groß. Am Gabellager wird die
-400 Verwölbung nicht behindert, dort sind
-500
die Spannungen und das Wölbbi-
-600
moment M null.
-700
Schnitt x [m]
So sind z.B. in den Schneider Bautabellen Lösungen für folgende Situationen zu finden:
Kragträger mit Wölbbehinderung an der Einspannstelle und Einzeltorsionsmoment
am Trägerende,
Wenn es sich bei einem torsionsbeanspruchten Stab um ein Problem der reinen Wölbkraft-
torsion handelt, bzw. wenn man aufgrund des Produktes l aus Abklingfaktor und Stab-
länge in guter Näherung von reiner Wölbkrafttorsion ausgehen kann (vgl. Abschnitt 4.4.6.2),
dann vereinfacht sich die DGL der gemischten Torsion zur DGL der reinen Wölbkrafttorsion.
Mx M x, p M x ,s G IT E I Mx M x ,s E I
Betrachtet man die DGL der reinen Wölbkrafttorsion, so fällt rein äußerlich eine starke Ähn-
lichkeit zur DGL der Biegelinie auf, die man für eine Analogiebetrachtung nutzen kann.
Wölbkrafttorsion Biegetheorie
M ( x) E I ( x) M y ( x) E I y w ( x)
M x , s ( x) M E I ( x) V z ( x) M y ( x) E I y w ( x)
mT ( x) M x , s ( x) E I ( x) q ( x) V z ( x) E Iy w ( x)
Das Aussehen der jeweiligen DGL ist identisch, die jeweiligen Entsprechungen sind Tabelle
4-14 zu entnehmen.
(reine) Wölbkrafttorsion Entsprechung in der Biegetheorie
sekundäres Torsions-
Mx,s kNm Vz bzw. Vy Querkraft kN
moment
mT Streckentorsionsmoment kNm/m q Streckenlast kN/m
Hinweis: Es sind die für die Größen üblichen Einheiten angegeben, bei der Berechnung sind die Einheiten wie
immer aufeinander abzustimmen (z.B. einheitlich [cm]).
Eine Einspannung bei der Wölbkrafttorsion entspricht auch einer Einspannung bei der
Biegetheorie.
An der Einspannstelle ist keine Verdrehung möglich, und infolge der Behinderung
der Verwölbungen u ist auch die Verdrillung ‘ wegen u gleich null. Ent-
sprechend sind beim Biegebalken an einer Einspannstelle die Durchbiegung w 0
und der Winkel w 0 , weil der Stab in der Einspannstelle lotrecht zur Einspann-
ebene eingespannt ist und aus der Einspannstelle ohne Winkel herausragt.
Die Lösung der Aufgabe besteht also in der Zuordnung der entsprechenden Größen und der
Berechnung der Schnittgrößen für einen Biegebalken (z.B. mit Hilfe von Tabellen).
Unter der Annahme reiner Wölbkrafttorsion kann die Berechnung mit Hilfe der Querkraftana-
logie und unter Verwendung tabellierter Lösungen oder unter Verwendung handelsüblicher
Stabwerksprogramme erfolgen, auch wenn diese eigentlich keine Aufgaben zur Wölbkraft-
torsion lösen können.
Wichtig: Im Gegensatz zur Querkraftanalogie bei reiner St. Venantscher Torsion gibt es im
Rahmen der Querkraftanalogie bei reiner Wölbkrafttorsion eine Durchlaufwirkung. Die Tor-
sionsschnittgrößen Mx,s und M enden nicht an einem Gabellager. Diese Schnittgrößen stel-
len sich nicht nur in dem belasteten Trägerfeld ein, sondern sie entstehen auch in den übri-
gen, unbelasteten Feldern des Stabzuges. Es können also durchaus auch unbelastete Be-
reiche eines Stabzuges Torsionsschnittgrößen aufweisen.
Bild 4-145 zeigt exemplarisch ein reales System und Bild 4-146 das entsprechende Analo-
gie-System. Im Rahmen der Übung zur Wölbkrafttorsion wird dieses Beispiel vollständig ge-
zeigt.
Bild 4-146 System bei Verwendung der Querkraftanalogie für reine Wölbkrafttorsion
M x ,s ˆ Vz
M My
Nochmals zur Erinnerung: Die Querkraftanalogie gilt nur bei Vorhandensein bzw. un-
ter der Annahme reiner Wölbkrafttorsion.
Für den allgemeinen Fall der gemischten Torsion steht mit der sogenannten Zugstabanalo-
gie ebenfalls ein auf Analogiebetrachtungen basierendes Berechnungsverfahren zur Verfü-
gung, das aus Zeitgründen nicht behandelt werden kann (vgl. Hinweise in Abschnitt 4.6.1).
Im Zuge der Herleitung der Einheitsverwölbung A (mit Bezug auf die willkürlich gewählte
Drillachse A) wurde postuliert, dass die Verwölbungen u des gesamten Querschnitts im Mit-
tel null sein müssen, wenn als Schnittgröße nur ein Torsionsmoment Mx und keine Normal-
kraft N vorhanden ist. Aus dieser Forderung konnte durch den Berechnungsschritt der 1.
Normierung aus der Grundverwölbung A die Einheitsverwölbung A gewonnen werden.
N( ,A ) ,A dA E ( x) A dA 0 , weil A dA 0 ist.
A A A
Üblicherweise werden Biegemomente auf die Schwerachsen des Querschnitts bezogen, und
man kann die aus den Wölbnormalspannungen ,A resultierenden Biegemomente in ge-
wohnter Weise notieren:
My ( ,A ) ,A z dA
A
Mz ( ,A ) ,A y dA
A
Mit dieser Biegebeanspruchung gehen eine Verkrümmung des Stabes und Auflagerreaktio-
nen einher, die man bei alleiniger Beanspruchung durch ein Torsionsmoment Mx nicht sofort
vermuten würde.
Dieses Verhalten des Stabes unter Torsionsbeanspruchung ist in der willkürlichen Wahl ei-
ner beliebigen Drillachse A begründet, denn im Regelfall ist diese Achse A nicht jene Drill-
achse, um die sich der Stab von sich aus verdrehen würde. Vielmehr handelt es sich bei der
Drillachse A um eine Zwangsdrillachse, die dem Stab aufgezwungen wird, und deshalb han-
delt es sich bei My ( ,A) und Mz ( ,A) streng genommen um Zwangsschnittgrößen.
Zwingt man dem Stab keine definierte Drillachse auf, so wird sich der Stab nach dem Prinzip
des Energieminimums um jene Achse verdrillen, für welche einer Verdrillung der geringste
Widerstand entgegengesetzt wird.
Auf den Beweis, dass die Drillruheachse der Schubmittelpunktsachse entspricht, wird an
dieser Stelle verzichtet (siehe Literatur).
Wichtig:
Wie erläutert ist stets der Bezug zur vorgegebenen Drillachse von Bedeutung, so dass in der
Regel die Formelzeichen durch einen Index, z.B. A, ergänzt werden, der den Bezug zur
Drillachse herstellt. Im Fall der Drillung um die Drillruheachse lautet der Index M. Es ist aber
üblich, im Fall der freien Drillung um die Schubmittelpunktsachse auf die Kennzeichnung der
Drillachse zu verzichten.
Grundsatz: Wenn kein Index angegeben ist, so bezieht sich die betreffende Größe in der
Regel auf Schubmittelpunktsachse (vgl. z.B. Schneider Bautabellen: Wölbwiderstand I , Ein-
heitsverwölbung , etc.)
Zur Erinnerung sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass sich Schnittgrößen, wenn
keine weiteren Angaben gemacht sind, auf zweierlei Bezugsachsen beziehen:
Normalkräfte N und Biegemomente My und Mz beziehen sich auf die Stabachse, also
die Achse durch den Schwerpunkt S.
Demnach setzt der Stab einer Verdrillung um die Drillruheachse im Vergleich zu jeder
anderen Drillachse den geringsten Widerstand entgegen. Der Wölbwiderstand CM
bzw. I (M kennzeichnet den Bezug auf die Schubmitelpunktsachse) ist der kleins-
tmögliche Wölbwiderstand.
Wölbfreie Querschnitte besitzen diese Eigenschaft nur, wenn die Verdrillung um die
natürliche Drillachse erfolgt.
Aus der Tatsache, dass der Wölbwiderstand CM (I ) bei Verdrillung um die Drillruhe-
achse minimal ist, folgt unmittelbar, dass auch das sekundäre Torsionsmoment Mx,s
und das Wölbbimoment M bei Verdrillung um die Drillruheachse minimal sind: Mx,s
und M sind direkt proportional zu CM bzw. I .
Mit Hilfe dieser Eigenschaften kann die Lage der Drillruheachse bestimmt werden.
Da die Drillruheachse gleichzeitig die Schubmittelpunktsachse ist, stellt die im Folgenden
beschriebene Vorgehensweise auch eine alternative Methode zur Bestimmung des Schub-
mittelpunktes eines Querschnitts dar. Man nennt dieses Vorgehen Schubmittelpunktsbe-
stimmung mit der Wölbmethode.
Eine Möglichkeit der Berechnung besteht darin, das Minimum des Wölbwiderstandes zu be-
stimmen: CM bzw. I ableiten und gleich null setzen (hier nicht vorgeführt, siehe Literatur).
Die hier gezeigte Methode nutzt die Eigenschaft aus, dass bei Verdrillung um die natürliche
Drillachse (freie Drillung) keine Biegemomente My und Mz entstehen.
Das verwendete Bezugssystem ist das Koordinatensystem, das durch den Schwerpunkt des
Querschnitts verläuft. In diesem Koordinatensystem besitzt der noch unbekannte Schubmit-
telpunkt M die Koordinaten yM und zM. Ferner sei die auf eine beliebige Drillachse A bezoge-
ne Einheitsverwölbung A bekannt.
Im Abschnitt 4.4.3.2 wurde gezeigt, wie man aus einer bekannten Einheitsverwölbung A
(mit Bezug auf Achse A) eine Einheitsverwölbung B (mit Bezug auf Achse B) berechnet:
B A ( yB yA ) z (zB zA ) y
M A ( yM y A ) z ( zM zA ) y
,M ( s, x ) E M ( s) ( x)
My ,M ( s, x) z dA E ( x) M ( s) z dA 0
A A
Mz ,M (s, x) y dA E ( x) M (s) y dA 0
A A
In die Bedingung My = 0 wird die Gleichung zur Bestimmung von M aus A eingesetzt:
M ( s) z dA ( A ( s) ( y M y A ) z (zM z A ) y ) z dA
A A
A ( s) z dA ( y M yA ) z 2 dA ( z M zA) y z dA 0
A A A
A ( s) z dA ( y M yA ) I y ( zM z A ) I yz 0
A
M ( s) y dA ( A (s) ( y M y A ) z (zM z A ) y ) y dA
A A
A ( s) y dA ( y M yA ) z y dA ( z M zA) y 2 dA 0
A A A
A ( s) y dA ( z M zA ) I z ( yM y A ) I yz 0
A
Die noch verbliebenen Integrale stellen jeweils eine neue Querschnittsgröße dar:
Ry, A A (s) z dA
A
Rz , A A ( s) y dA
A
Ry,A und Rz,A werden als Wölbmomente bezeichnet (nicht zu verwechseln mit dem Wölbbi-
moment M !) Der Index A trägt dem Bezug zur Drillachse A Rechnung, die Einheit ist [cm5].
Die Lage des Schubmittelpunktes M ergibt sich damit aus den beiden Gleichungen
Rz , A (zM zA) Iz ( yM y A ) I yz 0.
Diese beiden Gleichungen bilden zusammen ein lineares Gleichungssystem mit folgender
Lösung:
Ry, A I z I yz Rz , A
yM 2
yA
Iy Iz I yz
R y , A I yz I y Rz , A
zM 2
zA
Iy Iz I yz
Falls es sich bei y und z um die Hauptachsen des Querschnitts handelt vereinfacht sich die
Lösung wegen Iyz = 0 entsprechend:
Ry, A
yM yA
Iy
Rz , A
zM zA
Iz
Für ein Profil UPE 300 (parallele Flansche) soll die Lage des Schubmittelpunktes bestimmt
werden.
Nach Idealisierung des Querschnitts durch seine Blechmittellinien werden signifikante Quer-
schnittspunkte nummeriert und die lokale Koordinate s definiert. Dabei wird gezielt die Sym-
metrie des Querschnitts ausgenutzt, indem der Ursprung (Punkt 0) von s auf dem Schnitt-
punkt des Stegbleches mit der Symmetrieachse platziert wird. Als Drillachse wird die x-
Achse (durch S) gewählt ( A wird zu S, yA zu yS und zA zu zS, wobei yS = zS = 0).
Iy 7823 cm4
Iz 537 ,7 cm 4
Der Normalabstand rt,S beträgt für den Abschnitt 24,12 mm und für den Abschnitt
142,5 mm.
Da der Ursprung der lokalen Koordinate s auf der Symmetrieachse liegt ist keine Normierung
erforderlich, Einheitsverwölbung S und Grundverwölbung S sind identisch.
Punkt 0: S (0) 0
Wegen der Symmetrie des Querschnitts und der Wahl des Ursprungs von s gilt:
Punkt 4: S ( 4) S ( 2) 170 ,1 cm 2
Nun können Ry,S und Rz,s berechnet werden. Die Integration wird zweckmäßig numerisch,
d.h. mit Hilfe von Integraltafeln durchgeführt (siehe z.B. Schneider Bautabellen): z.B. Überla-
gerung zweier dreieckiger Verläufe Integrationsfaktor 1/3.
R y ,S S ( s) z dA S ( s) z t ( s) ds
A s
1 34,37 170,1
2 34,37 14,25 0,95 14,25 2 14,25 1,5 9,525 46050 cm5
3 2
Die Integration Rz ,S S ( s) y dA kann man sich ersparen: der s-Verlauf ist antimetrisch
A
und der y-Verlauf symmetrisch zur y-Achse. Die Flächen unter der s·y-Kurve sind für positi-
ve und negative y-Werte jeweils gleich groß, besitzen aber verschiedene Vorzeichen, wes-
halb der Wert des Integrals null ist.
Rz , S S (s) y dA 0
A
y- und z- Achse sind Hauptachsen, deshalb können die vereinfachten Formeln benutzt wer-
den:
R y ,S 46050
yM 5,886 cm
Iy 7823
Rz ,S
zM 0
Iz
Der Schubmittelpunkt liegt im Abstand yM = 5,886 cm links vom Schwerpunkt auf der y-
Achse.
Deshalb ist der Anteil des Torsionsmomentes Mx, der durch Wölbschubspannungen abge-
tragen wird, vernachlässigbar klein (das gilt für den Fall, dass der Stab um seine Schubmit-
telpunktsachse tordiert wird).
Wölbnormalspannungen treten an der Stelle der Wölbbehinderung lokal stark begrenzt
auf und klingen rasch ab (üblicherweise sehr großer Abklingfaktor ).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Wölbkrafttorsion bei dünnwandigen ge-
schlossenen Querschnitten eine untergeordnete Rolle spielt und deshalb in der Regel ver-
nachlässigbar ist.
Es ist aber auf jeden Fall vorteilhaft, über Kenntnisse zur Berechnung der Einheitsverwöl-
bung und der Wölbnormalspannungen zu verfügen, eröffnen einem diese Kenntnisse doch
die Möglichkeit, den Schubmittelpunkt eines Querschnittes nach der Wölbmethode zu be-
rechnen.
Nach Darstellung der Theorie der Wölbkrafttorsion in allgemeiner Form wird zum Abschluss
noch gezeigt, wie man sich die Wirkungsweise der Wölbkrafttorsion anschaulich vorstellen
kann. Das gelingt anhand eines Kragträgers mit Doppel-T-Querschnitt.
Das Torsionsmoment MT kann wie jedes Moment als Kräftepaar dargestellt werden. Die
Kräfte VFl greifen in Höhe der Flanschmittellinien an und besitzen den Hebelarm h – tFl.
MT M x ,s
VFl (Annahme reiner Wölbkrafttorsion, Mx,p = 0)
h tF l h t Fl
M x ,s
M z , Fl VFl l l
h t Fl
Zwischen den Flanschmomenten Mz,Fl und den Verformungen v in Flanschebene besteht der
aus der technischen Biegelehre bekannte Zusammenhang (Differentialgleichung der Biegeli-
nie):
M z , Fl v ( x) E I z , Fl
t Fl b 3
mit I z , Fl Flächenträgheitsmoment 2. Grades eines Flansches.
12
h t Fl
v
2
Damit können auch die Flanschschnittgrößen in Abhängigkeit von der Stabverdrehung aus-
gedrückt werden.
h t Fl
M z , Fl ( x) v ( x) E I z , Fl ( x) E I z , Fl (Flanschbiegemoment)
2
h t Fl
V y , Fl ( x) M z , Fl ( x) ( x) E I z , Fl (Flanschquerkraft)
2
(h t Fl ) 2
M x,s ( x) V y , Fl ( x) (h t Fl ) ( x) E I z ,Fl .
2
(h t Fl ) 2 (h t Fl ) 2 b 3 t Fl
I I z , Fl
2 2 12
Diese Formel für das Wölbflächenmoment 2. Grades I gilt für Doppel-T-Querschnitte und
stellt insofern eine Vereinfachung dar, weil die Walzausrundungen nicht berücksichtigt sind.
Zum Vergleich: Für das Profil HEA 400 aus Abschnitt 4.4.6.2 ist
Tabellenwert: I 2942 10 3 cm6 bzw. I 2.893 .600 cm 6 , je nach Tabelle und der zu
Grunde liegenden Berechnungsmethode.
Mit dem Wölbflächenmoment 2. Grades I erhält man die Differentialgleichung der (reinen)
Wölbkrafttorsion:
M x ,s ( x) ( x) E I
Als weitere Schnittgröße tritt im Rahmen der Wölbkrafttorsion das Wölbbimoment M (Einheit
[kNm²] oder [kNcm²] ) auf. Am Beispiel des Doppel-T-Profils kann man sich M als das
„Moment der Momente“ in den Flanschen vorstellen, d.h. als das Produkt aus Flanschmo-
ment und Flanschabstand:
M M z , Fl (h t Fl )
Unter Verwendung der Formeln für Mz,Fl und I kann M wie folgt geschrieben werden:
h t Fl
M ( x) E I z , Fl (h t Fl )
2
M ( x) E I
Da der Stab weder durch eine Normalkraft N noch durch Biegemomente My bzw. Mz beans-
prucht wird, müssen in jedem Schnitt die drei Gleichgewichtsbedingungen
N ( x) dA 0
A
M y ( x) z dA 0
A
M z ( x) y dA 0
A
erfüllt sein. Das bedeutet, dass das Integral der Wölbnormalspannungen über die Quer-
schnittsfläche A in jedem Querschnitt gleich null sein muss.
Die Wölbnormalspannungen bilden einen im inneren Gleichgewicht befindlichen Span-
nungszustand.
M
( y, z )
I
My
(Man beachte die Analogie zur Biegetheorie: z)
Iy
(y,z) ist die auf den Schubmittelpunkt bezogene, normierte Einheitsverwölbung und be-
schreibt den Verwölbungszustand für eine Verdrillung ‘(x) = -1,0 [rad/m].
Die Herleitung einer Formel zur Berechnung von für allgemeine Querschnitte erfolgte aus-
führlich im Abschnitt 4.4.3. Für den vorliegenden Sonderfall des Doppel-T-Querschnitts kann
(y,z) wie folgt berechnet werden (Walzrundungen vernachlässigt):
( y, z) y z
Hinweis: der Bezug auf eine lokale Koordinate s ist hier indirekt in y und z enthalten und nicht gesondert angetra-
gen, rt,M ist für den Steg null und für die Flansche jeweils die positive bzw. negative z-Koordinate der Flanschmit-
tellinie. s ist die y-Koordinate des betrachteten Flanschpunktes.
Punkt y z ( y, z) Punkt y z ( y, z)
b h t Fl b ( h t Fl ) b h t Fl b (h t Fl )
1 4
2 2 4 2 2 4
h t Fl h t Fl
2 0 0 5 0 0
2 2
b h t Fl b (h t Fl ) b h t Fl b ( h t Fl )
3 6
2 2 4 2 2 4
(h t Fl ) 2 b 3 t Fl
Mit I und M M z , Fl (h t Fl ) lassen sich die Wölbnormalspannungen
2 12
berechnen.
Punkt ( y, z) Punkt ( y, z)
b ( h t Fl ) 6 M z ,Fl b (h t Fl ) 6 M z ,Fl
1 2 4
4 b t Fl 4 b 2 t Fl
2 0 0 5 0 0
b (h t Fl ) 6 M z ,Fl b (h t Fl ) 6 M z , Fl
3 2 6
4 b t Fl 4 b 2 t Fl
Zum Vergleich werden die Spannungen in den Flanschen mit Hilfe der Flanschmomente Mz,Fl
berechnet. Die Flansche werden dabei als Rechteckquerschnitte betrachtet.
M z , Fl 6 M z , Fl
,max
Wz , Fl b 2 t Fl
Dem Vorzeichen wird im Rahmen dieses erläuternden Beispiels keine Beachtung geschenkt,
auf die Wirkungsrichtung der Schubspannungen kann anhand der Verformungsfigur der
Flansche direkt geschlossen werden.
Vz S y
(Man beachte die Analogie zur Biegetheorie: )
Iy t
Wie im Abschnitt 4.4.4.3 erläutert ist S das Wölbflächenmoment 1. Grades und entspricht
dem Integral der Einheitsverwölbung über die Querschnittsfläche, d.h. dem Flächeninhalt
unter der -Kurve.
S ( y, z ) dA
A
1 b (h t Fl ) b b 2 t Fl (h t Fl )
max S t Fl
2 4 2 16
M x ,s S Vy ,Fl (h t F l ) b 2 t Fl (h t Fl ) 2 12 Vy ,Fl
s ( ) 2 3
1,5
I t 16 (h t Fl ) b t Fl t Fl b t Fl
Hätte man jeden Flansch separat als Rechteckquerschnitt betrachtet, der durch die Flansch-
querkraft Vy,Fl beansprucht wird, so hätte man für s dasselbe Ergebnis erhalten.
Fazit:
Der Doppel-T-Querschnitt eignet sich gut, um die prinzipielle Wirkungsweise der Wölbkraft-
torsion zu verstehen. Da die Abtragung des Torsionsmomentes über die beiden rechteckigen
Flansche erfolgt, können die Ergebnisse mithilfe der Biegelehre, die auf die Einzelflansche
angewendet wird, nachvollzogen werden.
Nachweisformat:
TEd
1,0
TRd
Die Bemessungswerte Tt,Ed und Tw,Ed können mit den entsprechenden Querschnittswerten,
den Zwängungsbedingungen an den Auflagern und der Lastverteilung längs des Bauteils mit
einer elastischen Berechnung ermittelt werden (also so wie in den vorangegangenen Ab-
schnitten des Umdrucks beschrieben).
Beim elastischen Nachweis darf das Fließkriterium verwendet werden, wobei alle Span-
nungsanteile infolge St. Venantscher Torsion und Wölbkrafttorsion zu berücksichtigen sind.
Bei gleichzeitiger Beanspruchung durch Biegung und Torsion brauchen bei der Ermittlung
der plastischen Biegemomentenbeanspruchbarkeit eines Querschnitts als Torsionsschnitt-
größen BEd (d.h. M ) nur jene berücksichtigt zu werden, die sich aus der elastischen Berech-
nung ergeben.
Bei geschlossenen Hohlprofilen darf vereinfachend angenommen werden, dass der Einfluss
aus der Wölbkrafttorsion vernachlässigt werden kann. Umgekehrt darf bei offenen Quer-
schnitten wie etwa bei Doppel-T-Profilen der Einfluss der St. Venantschen Torsion vernach-
lässigt werden.
Bei kombinierter Beanspruchung aus Querkraft und Torsion ist in der Regel die plastische
Querkrafttragfähigkeit Vpl,Rd auf den Wert Vpl,T,Rd abzumindern.
Der Nachweis lautet in diesem Fall:
VEd
1,0
V pl,T , Rd
Doppel-T-Querschnitte
t , Ed
V pl,T , Rd 1 V pl, Rd
fy
1,25
3 M0
U-Querschnitte
t , Ed w, Ed
V pl,T , Rd 1 V pl, Rd
fy fy
1,25
3 M0 3 M0
Hohlprofile
t , Ed
V pl,T , Rd 1 V pl, Rd
fy
3 M0
Ein 6,0 m langer Einfeldträger HEA 200, Stahlgüte S235, ist an beiden Trägerenden biege-
und wölbsteif eingespannt. Die Linienlast qEd greift mit 20 mm Exzentrizität zur Stegebene
an. Der Stab kann sich frei verdrillen, Drillachse ist demnach die Schubmittelpunktsachse.
qEd 25,0 kN / m
Gemäß EN 1993-1-1, 6.2.7 (7) darf bei diesem dünnwandigen offenen Profil der Einfluss der
St- Venantschen Torsion vernachlässigt werden.
Unter dieser Annahme reduziert sich die DGL der gemischten Torsion auf die DGL der rei-
nen Wölbkrafttorsion.
E I mT
mit mT = const.
mT
x C1
E I
mT
x 2 C1 x C2
2 E I
mT 1
x3 C1 x 2 C2 x C3
6 E I 2
mT 1 1
x4 C1 x 3 C 2 x 2 C3 x C 4
24 E I 6 2
Die Koeffizienten C1 bis C4 ergeben sich aus den Randbedingungen (einzelne Rechenschrit-
te werden hier nicht vorgeführt):
x = 0:
Einspannung: = 0; ‘ = 0
C3 = C4 = 0
x = 6,00 m:
Einspannung: = 0; ‘ = 0
-8 -6
C1 = -6,61376·10 , C2 = -6,61376·10 (nach Lösung eines linearen Gleichungssystems)
Unter Verwendung einer Tabellenkalkulation können die Werte für und die entsprechenden
Ableitungen sowie die Schnittgrößen an diskreten Stellen berechnet werden.
Zur Information werden die Schnittgrößen, die unter Vernachlässigung der St. Venantschen
Torsion berechnet worden sind, in Diagrammform mit den exakten Werten verglichen.
Rote Linie: exakt (gemischte Torsion)
Blaue Linie: Näherung (nur Wölbkrafttorsion).
Mx,p [kNcm]
50,0
40,0
30,0
20,0
10,0
0,0 exakt
-10,0 0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 6,00 7,00 Näherung
-20,0
-30,0
-40,0
-50,0
Schnitt x [m]
Mx,s [kNcm]
200,0
150,0
100,0
50,0
0,0 exakt
-50,0 0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 6,00 7,00 Näherung
-100,0
-150,0
-200,0
Schnitt x [m]
M [kNcm²]
10000
5000
0
0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 6,00 7,00
-5000 exakt
Näherung
-10000
-15000
-20000
Schnitt x [m]
Wie man erkennt erfolgt die Lastabtragung an den Einspannstellen nur durch Wölbkrafttorsi-
on. Die Näherung nach EC 3 entspricht an dieser maßgebenden Stelle dem exakten Wert.
Ansonsten verläuft das sekundäre Torsionsmoment Mx,s linear. Das muss so sein, denn ohne
St. Venantsche Torsion kann nur das sekundäre Torsionsmoment Mx,s dem äußeren Stre-
ckentorsionsmoment mT das Gleichgewicht an einem infinitesimal kleinen Element halten. mT
ist konstant und deshalb ist Mx,s linear veränderlich.
Das Wölbbimoment M wird mit der Näherung auf der sicheren Seite liegend überschätzt.
Die Bemessung erfolgt mit den Näherungswerten, wie gemäß EC3 erlaubt. Maßgebend für
die Bemessung sind die Einspannstellen.
Biegung:
Querkraft:
Wölbkrafttorsion:
M , Ed 15000
M 15000 kNcm2 , Ed 90,0 12,5 kN / cm²
I 108000
Hinweis: maßgebend ist der Größtwert an den Flanschecken. Die Einheitsverwölbung und damit die Wölbnor-
malspannung besitzt an gegenüberliegenden Flanschecken ein unterschiedliches Vorzeichen. Für die Bemes-
sung ist nur der Betrag interessant, da auch die Biegenormalspannung an den beiden Flanschen ein unterschied-
liches Vorzeichen besitzt. An einer Stelle treffen also stets die größten Spannungen aufeinander, so dass hier nur
der Betrag interessiert. Die Werte I und wurden einem Tabellenwerk entnommen.
M x,s S
M x ,s 150 ,0 kNcm ( )
I t
S ist in den meisten Tabellenwerken nicht enthalten und muss berechnet werden:
Es ist nur der maximale Wert in der Mitte der Flansche von Interesse.
1
S , max dA t ds 90,0 1,0 10,0 450 cm4
A s
2
M x ,s S 150 ,0 450
, Ed ( ) 0,625 kN / cm²
I t 108000 1,0
Hinweis: Man sieht, dass die Wölbschubspannungen wirklich sehr klein sind, wie im Zuge der Herleitung der
Berechnungsformeln vorausgesetzt.
Spannungsnachweis:
Man erkennt sofort, dass der Nachweis für ein Profil in der Stahlgüte S235 nach dem Verfah-
ren Elastisch - Elastisch nicht erbracht werden kann (fyd =23,5 kN/cm²). Die Anwendung des
Fließkriteriums erübrigt sich damit.
Das Wölbbimoment ist im Fall eines Doppel-T-Profils das „Moment der Momente“ und lässt
sich durch Division durch den Flanschabstand h‘ in zwei gegenläufige Flanschmomente Mz,Fl
zerlegen.
M , Ed 15000
M z , Fl, Ed 833 kNcm
h' 18,0
!
M z , Fl, Ed t f a (b a) f yd 1,0 a (20,0 a) 23,5 833 kNcm
Kontrolle:
Zur Aufnahme des Biegemomentes My,Ed steht nun nicht mehr die gesamte Flanschbreite zur
Verfügung, sondern nur noch
b' 20,0 2 1,97 16,06 cm .
Nachweis Biegung:
M y , Ed 75,0
0,89 1,0
MM , y , Rd 84,4
Nachweis Querkraft:
Av f yd 18,05 23,5
V pl, z , Rd 245 kN
3 3
Vz ,Ed 75,0
0,31 1,0
V pl, z ,Rd 245
0,5
keine Interaktion gemäß EN 1993-1-1, 6.2.8 (2) erforderlich.
Damit ist der Nachweis der Tragfähigkeit nach dem Verfahren Elastisch – Plastisch erbracht.
Hilfreiche Literatur:
Petersen: Stahlbau, Verlag Vieweg & Sohn, 1990
Francke, Friemann: Schub und Torsion in geraden Stäben, Verlag Vieweg & Sohn,
2005
Zeitschrift „Stahlbau“, Verlag Ernst und Sohn; diverse Artikel in regelmäßigen Ab-
ständen
Abschließend wird noch kurz auf drei interessante und wichtige Themen eingegangen, die im
Rahmen der Vorlesung aus Zeitgründen nicht behandelt werden können.
4.6.1 Lösung von Aufgaben zur Wölbkrafttorsion mit Hilfe der Zugstab-
analogie
Ähnlich wie die Verteilung der primären Torsionsmomente eines Stabes mit wölbfreiem
Querschnitt mit Hilfe der Querkraftanalogie bestimmt werden kann, besteht hinsichtlich der
Form des Aussehens der DGL der gemischten Torsion eine Ähnlichkeit mit der DGL eines
Biegeträgers, der gleichzeitig durch eine Zugkraft beansprucht wird (kurz: Zugstabanalogie).
E Iy w N w qz
Eine Beschreibung der Vorgehensweise ist z.B. in der Fachzeitschrift „Stahlbau“, Jahrgang
2002, Heft 5, S. 367 ff. zu finden.
Ohne weitere Erläuterung werden ergänzend die betreffenden Seiten aus de ehemaligen
Stahlbauskript von Professor Albrecht an dieser Stelle zur Verfügung gestellt. Man beachte
ggf. die Unterschiede bei den Formelzeichen im Vergleich zum aktuellen Umdruck.
Viele Berechnungsmodelle und Theorien beruhen auf der Forderung, dass die Querschnitts-
form erhalten bleibt. Diesem Gesichtspunkt ist in der Praxis besondere Beachtung zu schen-
ken. Durch die regelmäßige Anordnung von Querverbänden und Schotten in nicht zu gro-
ßen Abständen kann sichergestellt werden, dass die Form des Querschnitts erhalten bleibt.
Diese Thematik ist wichtig und wird Gegenstand der Vertiefungsvorlesung sein. Im Grund-
kurs Metallbau kann sie aus Zeitgründen nicht ausführlich behandelt werden. Da sie dem
Wesen nach zum Themengebiet der Torsion gehört, werden die betreffenden Seiten aus
dem ehemaligen Stahlbauskript von Professor Albrecht als ergänzende Information zum
Selbststudium an dieser Stelle abgedruckt. Man beachte ggf. die Unterschiede bei den For-
melzeichen im Vergleich zum aktuellen Umdruck.
Wie erläutert ist jeder Stab bestrebt, sich nach dem Prinzip des Energieminimums um die
Achse durch den Schubmittelpunkt zu verdrillen. Das ist nur möglich, wenn angrenzende
Konstruktionen diesem Bestreben nicht entgegenstehen. Andernfalls gibt es eine sogenann-
te Zwangsdrillachse, um die sich der Stab verdreht. Diesbezüglich werden die betreffenden
Seiten aus dem ehemaligen Stahlbauskript von Professor Albrecht abgedruckt. Man beachte
ggf. die Unterschiede bei den Formelzeichen im Vergleich zum aktuellen Umdruck. Details
und Erläuterungen sind der Fachliteratur zu entnehmen. Desweiteren sind noch Seiten ab-
gedruckt, die Ausführungen zum Einfluss sekundärer Schubverformungen enthalten.