Kingdom Come: Deliverance, großartige Doch-Nicht-Mittelaltersimulation
Kingdom Come: Deliverance ist keineswegs die Mittelaltersimulation, als die es teilweise beschrieben wurde. Davon hat es nur ein paar Ansätze. Stattdessen ist es eine konzeptionell großartige Mischung aus Gothic und The Elder Scrolls – vielleicht mehr Oblivion als Skyrim? – mit ein paar letztendlich harmlosen Schwachpunkten bei der Umsetzung.
Böhmen, 1403
Du spielst Henry, Sohn eines Schmiedes. Zu Spielbeginn wird sein Dorf von einer großen Armee gestürmt, nur haarscharf entkommt er dem Massaker. Zuerst gestrandet nicht weitab, folgt die in Quests aufgeteilte Handlung seiner neuen Existenz in der ihm nun offenen Mittelalterwelt.
Diese Welt ist voller Bezüge zu echten historischen Ereignissen, Charakteren und Eigenheiten. Dabei ist die Darstellung der damaligen Gesellschaft wohl nicht perfekt akkurat, aber sie vermittelt doch ein viel geerdeteres Gefühl als die Fantasywelten anderer Rollenspiele. Hier wird man keine Magier, keine Geister finden – außer als Teil der wiedergegebenen Sagenwelt. Stattdessen knurrt nach einer Weile der Magen und sinkt das Energielevel, sodass man Essen und ein Bett suchen sollte. Und wirkt es passender, das Spiel angesichts des Handlungsortes auf Deutsch zu spielen (zumindest eher als Englisch).
Henry kann am Anfang fast nichts. Ganz am Anfang darf man ein paar Punkte verteilen, doch stehen die Regler überall auf fast null. Und das schlägt voll durch: Fast jeder ist stärker als man selbst, eine brauchbare Ausrüstung bekommt man auch nicht einfach gestellt. Die muss man sich ergattern. Und mit ihr langsam die Fähigkeiten Henrys steigern. Also insbesondere die Kampffähigkeit, zusätzlich der Umgang mit den vier Waffengattungen Schwert, Axt, Bogen und Streitkolben. Aber auch die körperlichen Attribute, wie Agilität und Stärke, wobei man ohne entsprechende Werte mit besseren Waffen nichts ausrichten kann.
Skyrim, Gothic…
Gesteigert werden die Fähigkeiten durch Benutzung. Wer also mit einem Schwert auf Banditen einschlägt, wird in Kampf, Schwert und Stärke Fortschritte erzielen. Das ist eine der Anleihen an The Elder Scrolls. Die andere ist die Egoperspektive und wie in ihr die Waffen gehalten werden, auch das Inventar mit in wenige Kategorien unterteilte Listen ist gar nicht so unähnlich – der gemoddeten brauchbaren Variante natürlich, nicht dem schrottigen Originalinventar. Am gravierendsten ist aber die Ähnlichkeit in der Spielweise: Henry kann verschiedenes, neben Kämpfen natürlich auch Sprechen, aber auch Diebesfähigkeiten wie Taschendiebstahl und Schlösserknacken. Und das alles kann dann relativ frei benutzt werden, um die Aufgaben zu erledigen. Das ähnelt bei der Questausgestaltung teils sogar mehr noch den freieren 3D-Fallouts als dem oft sehr kampflastigen Skyrim, wobei auch KCD absolut nicht ohne Kämpfe bestreitbar ist.
Es ähnelt sogar Gothic bzw der moderneren Inkarnation Elex, wenn verschiedene Lösungen angeboten werden und in den Gesprächen wählbar sind oder Entscheidungen anstehen, wie wenn verschiedene Auftraggeber um die Gunst des Spielers buhlen. Der klarere Gothiceinfluss ist aber der Start als Waschlappen, bei später erreichbarem hohem Stärkegrad, was ein toller Kontrast ist. Befördert dadurch, dass keinerlei Autoskalierung bei der Gegnerstärke spürbar ist, schwache Gegner bleiben also erhalten und viele sind anfangs unbesiegbar. Gothic atmet aber auch die Weltausgestaltung, die Tagesabläufe der Charakter mit ihren vielen Aktivitäten (wie einem abendlichen Gang zur Gaststätte mancher Bürger), und die interaktiven Objekte; wie die Bänke, auf die Henry sich setzen kann oder den Schleifstein, mit dem er in Schmieden sein Schwert schärft.
Wie bei Gothic geschickt gelöst ist auch die Verteilung der Nebenmissionen. Die werden nämlich erst nach und nach im Handlungsverlauf freigeschaltet, Questgeber findet man meist auch nur entweder zufällig oder indem man in den Orten den Wirt fragt, ob etwas ansteht. Dadurch beschränkt sich die Handlung selbst dann nicht irgendwann auf die Hauptstory, wenn man jeden anderen Quest vorher lösen will.
…und Eigenes
Teil der Mischung sind eigene Elemente, die ich nicht einem klaren Vorbild zuordnen konnte.
So lässt das Spiel kein freies Speichern zu. Gespeichert wird optional beim Beenden des Spiels, nach dem Schlafen in Betten, manchmal automatisch im Spielverlauf wie bei erledigten Quests – oder durch Trinken eines Retterschnaps. Dieser Schnaps wird gekauft und manchmal gefunden, oder kann an einem Alchemietisch (mit nicht ganz häufigen Zutaten) gebraut werden.
Speziell ist auch das Kampfsystem: Schläge werden je nach Mausausrichtung von verschiedenen Winkeln aus angebracht, hält der Gegner die Waffe im gleichen Winkel wird er blocken. Das macht Kämpfe sehr viel langwieriger, wobei Henry auch noch wichtige Fähigkeiten wie das effektive Blocken zu Beginn nicht beherrscht.
Auch das Ausrüstungssystem habe ich so noch nicht gesehen. Es ähnelt etwas dem von Cyberpunk 2077, da auch dort Kleidung übereinander getragen werden kann. Hier aber, bei einem vorher erschienenen Spiel, ist das viel ausführlicher umgesetzt, wenn z.B. alleine am Kopf vier Slots im Ausrüstungsbildschirm sind. Natürlich wird das dann auch noch ordentlich an Henrys Körper gezeigt, beispielsweise wenn die Kettenglieder einer Kopfhaube unter einem Hut zu sehen sind. Die Rüstung und Kleidung hat nicht nur Verteidigungswerte, sondern beeinflusst auch die Sichtbarkeit und wie auffällig Henry anderen erscheint, außerdem als wie charmant oder gefährlich er wahrgenommen wird. Das wiederum hat Einfluss auf Gespräche, nicht nur auf Überzeugungsversuche, sondern angenehmerweise auch auf die Art der Begrüßung – erst mit entsprechender hochwertiger Kleidung wird man ein "Seid gegrüßt, edler Ritter" hören.
Und natürlich: Die Verortung im Mittelalter statt einer Fantasywelt ist etwas seltenes, sich auch noch auf einen konkreten Zeitpunkt und historischen Ort zu beziehen (statt ihn nur als grobe Inspiration zu nehmen) ist meines Wissen einzigartig. Mindestens für diese Art Spiele.
Schwächen
Klingt soweit gut, oder? Das ist es auch. Aber KCD war das Erstlingswerk seines Studios und muss bei Release arge Macken gehabt haben. Manche davon sind immer noch da.
So sind einzelne Questreihen schlicht unfertig. Beispielsweise bekommt man in einer Nebenmission den Auftrag, eine Verkleidung als Kumane zu organisieren. Nur, um dann nie die vorab besprochenen Überfälle zu starten, für die die Verkleidung gedacht war. Oder ich erbeutete Geld für Freunde, traf die beiden danach aber nie wieder, am vermuteten Treffpunkt waren sie nicht.
Es gibt auch immer noch eindeutige Bugs. Gerade am Ende stolperte ich über sich widersprechende Gesprächsaussagen von Hauptpersonen und über einen Priester, der entgegen dem vorherigen Handlungsverlauf plötzlich mit mir verärgert war. Aber auch vorher schon passten manche Gesprächsoptionen nicht zur Realität im Spiel, wurde z.B. nicht berücksichtigt dass eine Aufgabe schon längst erledigt wurde.
Andere Schwachstellen sind nicht Bugs, sondern hängen an der Umsetzung. Ein solches Rollenspiel sollte beispielsweise eigentlich ohne Questmarker spielbar sein. Manchmal ginge das auch, sind die Beschreibungen ausreichend. Aber zu oft sind die Marker im Kompass bzw auf der Karte notwendig, ist völlig unklar wie Heinrich auf den richtigen Ort hätte kommen können. Das machte Morrowind vor über zwanzig Jahren besser.
Auch die immer wieder neu erscheinenden Gegner hätten so nicht umgesetzt werden sollen. Es ist das eine, wenn die Begegnungen mit Banditen etc beim Reisen sich wiederholen. Aber gar nicht gehen die neu erscheinenden Gegner in den Camps, nachdem man diese ausgehoben hat. Ist das doch sogar eine kleine Questreihe, bei der das Erledigen von Anführern in den Lagern der Befriedung des Gebietes dienen soll, was danach aber frustrierenderweise in der Spielwelt einfach keinen Effekt hat.
Das begrenzte Speichern kann auch frustrieren. Klar, es soll zum Hinnehmen von Fehlschlägen führen und zum Vermeiden von übertriebenem Risiko. Aber das kollidiert zu sehr mit dem häufigen Sterben, gerade anfangs. Umginge man die Begrenzung nicht (z.B. durch Speichern und Beenden samt sofortigem Neustart) müsste man viel zu viel Spielzeit wiederholen. Der Retterschnaps gibt dem Spiel zwar etwas eigenen Charakter, reguläres Schnellspeichern und Schnellladen würde KCD aber verbessern. Eine verwunderliche Entscheidung.
Angesichts der versuchten Authentizität bei der Weltdarstellung verwundert ebenfalls, dass der Spieler schnell zu sehr viel Geld kommen kann. Die Ausrüstung der Gegner ist einfach sehr viel wert, wer da etwas aufmerksam sammelt wird schnell reich. Die eigenen Bedürfnisse zu stillen kostet kaum Geld, ein Bett in der Herberge beispielsweise nur zwei Groschen, viel weniger als Beute selbst der schwächsten Gegner. Ansonsten frisst nur das Reparieren der eigenen Ausrüstung regelmäßig am Geldbeutel, was nur anfangs ein Problem ist. Eine Lösung hätte ich da auch nicht parat, aber beim Geldüberfluss bald wie die anderen Rollenspiele zu sein wirkt für die Welt nicht passend.
Die Kämpfe aber sind das größte Manko. Es ist viel zu schwer, in das Kampfsystem reinzukommen, und als Spieler hat man zu wenig Einflussmöglichkeiten. So gibt es eigentlich Kombos, aber die sind sehr schwer anzubringen, das notwendige Timing kaum zu treffen. Und wie soll man sie auch ausführen, wenn Gegner parieren und kontern können? Also wartet man lieber selbst auf Angriffe und pariert die, in der Hoffnung gleichzeitig einen Gegenangriff auszuführen, manuell oder automatisch nach der Parade – was man auch nur an einer einzigen Stelle im Spiel lernen kann, leicht verpassbar.
Das ist nicht gerade flott. Immerhin hat das ganze den Effekt, dass die Ausrüstung einen großen Einfluss hat, was bei Ritterrüstungen passend erscheint. Aber trotzdem ist das Kampfsystem so insgesamt nicht gelungen.
Kingdom Come: Deliverance ist eines dieser Spiele, bei dem ich hier beim Aufschreiben viel zu kritisieren habe, was aber völlig den Eindruck verfälscht. Denn allen Mankos zum Trotz fand ich es großartig. Die Mischung aus Gothic und Skyrim funktioniert sehr gut, die Konzeptmischung ist für Rollenspielfans glatt Traumerfüllung, unkitschiger kann ich es nicht ausdrücken. Dass die Kämpfe etwas sperrig sind, Questmarker und -verläufe manchmal etwas verbuggt wirken, Gegner unglaubwürdigerweise neu erscheinen usw. – das ist zwar alles nicht super, aber es macht das Spiel letztendlich nicht kaputt, es bleibt toll. Denn die Schwachstellen ändern nichts daran, wie gut die Welt gebaut ist und die Rollenspielsysteme funktionieren. Wie hervorragend insbesondere das Fortschrittsgefühl ist überwiegt, wenn ich später auf einem Schlachtross die Strecke entlangfliege, der ich bei Spielbeginn überladen zu Fuß folgte und bei der mich eine Begegnung mit aufgebrachten Bauern das Leben kostete, die ich jetzt wegfegen würde. Und dann sieht das ganze auch noch gut aus, ist KCD eines der seltenen Spiele der CryEngine und entsprechend hübsch.
Ich kann mir daher gut vorstellen, dass die positiven Reviews des kürzlich erschienenen zweiten Teils berechtigt sind. Wenn bei diesem Konzept nun die Schwachstellen etwas ausgebessert wurden, muss das Ergebnis überzeugen. Wobei für mich auch der erste Teil schon sehr gut funktionierte.
Mass Effects Scheitern als Vorzeichen des Scheiterns von Bioware
Ein letzter Gedanke zu Mass Effect bzw der Legendary Edition von Mass Effect 3, damit ich das Thema endgültig abhaken kann. Ich glaube, dass man eine rote Linie vom verhunzten Trilogieende zu Biowares derzeitigem Zustand ziehen kann. Wobei diese Linie zeigen würde, dass man die Firma damals völlig falsch wahrnahm.
Wahrnehmung damals und heute
Mit dem ersten Mass Effect hatte Bioware einen Geniestreich gelandet. Ihr Rollenspielkonzept (für damals) filmreif zu inszenieren, es mit einem Shooter zu kombinieren, Entscheidungen und Konsequenzen noch weiter zu betonen und dabei eine einzigartige SciFi-Welt zu zeichnen, in der dann auch noch toll geschriebene Begleiter auftauchten – es war eine allzu verlockende Kombination. Und sie kam von Bioware, was damals als der beste Rollenspielhersteller galt, durch Baldur's Gate 2 und angesichts des gelungenen Sprungs zu 3D mit KotOR. Wenn diese Firma von tiefgreifenden Konsequenzen und einer epischen Trilogie redete, dann glaubte man ihr das. Vor allem, wenn man all die Stärken dieser Spiele sah, die unbestreitbar vorhanden sind. Und genau deswegen war die Enttäuschung so stark, als Mass Effect 3 (und in der Retrospektive auf der Ebene auch Mass Effect 2) diese Versprechungen nicht erfüllen konnte.
Heute schaut man sich diese Spiele an und merkt: Sie müssen von einem völlig überforderten Studio gekommen sein. Denn überall merkt man die Arbeitsvermeidungsmaßnahmen. Besonders in Mass Effect 1 ist das überdeutlich, dem dadurch schwächsten der Spiele, mit all den Recyclinginhalten in den sich dadurch sehr ziehenden Nebenmissionen. Aber auch in den beiden Folgespielen ist es teils erdrückend sichtbar, z.B. bei Kaidan und Ashley: Eine Schlüsselstelle in ME1, als nur einer der beiden überleben kann; in ME2 gibt es dann aber nur eine einzige Rolle für beide – soll heißen, wer überlebt ändert gar nichts. Übel auch, denn der originale Charakter des Überlebenden passt dann eventuell null zum neuen Charakter der Person. Und dann sieht man zusätzlich, wie kurz die Entwicklungszeit dieser Spiele war, liest vom Crunch als Biowares Entwicklungsmethode und plötzlich wird alles klar: Da war kein böser Wille. Es war Unfähigkeit, mit den arg begrenzten vorhandenen Ressourcen etwas wirklich großartiges abzuliefern, obwohl die Grundlage da gewesen wäre.
Ein kaputtes Studio…
Und auch das passt dann: Bei der Diskussion um die Spiele und ihre Linearität wurde in der Spielepresse immer wieder behauptet, Studios könnten keine echten Konsequenzen entwerfen; Inhalte zu bauen die dann nicht alle Spieler sehen sei viel zu aufwändig. Das war in dieser Allgemeinheit erzürnend da kompletter Unsinn – hatte doch mit Baldur's Gate 2 sogar ein Spiel von Bioware viele solcher optionalen Inhalte; zeitgenössisch brillierte Alpha Protocol dank ihnen; die Witcherreihe zeigte ihre Möglichkeit vor, während und nach der Mass-Effect-Trilogie; Baldur's Gate 3 (nicht mehr von Bioware stammend) wäre ein modernes Beispiel für ihre Machbarkeit. Aber offensichtlich konnte das Bioware dieser Zeit es nicht. Von ihnen wird diese Behauptung kommen, für das Studio wird sie wahr gewesen sein. Bioware konnte nicht mehr als absolute Linearität (und immerhin Unterschiede bei initial wichtig wirkenden Details), alles andere war für die Firma nicht zu stemmen.
Denn ein Studio, das trotz höchsten Erwartungen sich nur zwei Jahre für ein riesiges Trilogieende nimmt, ist wahnsinnig, in furchtbarer Not oder unter der Fuchtel des Publishers. Und ein solches Studio hat dann nicht die Fähigkeit und Willensstärke, eine große Trilogie sauber zu Ende zu bringen und wirkliche Konsequenzen in sein Spiel einzubauen. Dazu passt dann auch die Heuchelei, einerseits eine Geschichte um den größten vorstellbaren Genozid zu stricken und davon viel zu zeigen, andererseits (nach Teil 1) vor jeglicher Nacktheit zurückzuschrecken. Auch der Umgang mit den DLCs passt dann: Damals wirkte es wie die absolute Verkommenheit einer doch so gesunden Firma, wichtige Inhalte offensichtlich aus dem Spiel zu nehmen und nur separat gegen Geld abzuliefern. Bioware wie man es damals sah konnte sowas nicht nötig haben. Heute wirkt das anders, muss Bioware so schwach und kaputt gewesen sein und die sich um Spieler kehrenden Entwickler so entmündigt, dass für die Firma ihre Fans dergestalt auszunehmen alternativlos war. Am deutlichsten wird die beispiellose Durchsetzungsschwäche beim enorm selbstschädigenden Verhalten, nur aufgrund einer Vorgabe von Electronics Arts dem kostenlosen DLC für ein besseres Ende offiziell ein Ablaufsdatum zu geben (ohne das je einhalten zu wollen).
…das entsprechend scheiterte
Genau solch ein überfordertes Studio zerbricht dann so, wie wir es später gesehen haben. Und schafft es, mit ihren drei letzten Spielen auf jeweils eigene Art grandios zu scheitern: Bei Mass Effect Andromeda an gravierenden Qualitätsproblemen, die auszumerzen nicht die Zeit gegeben wurde. Bei Anthem an einem völlig falschen Konzept eines Lootershooters plus Crunch als Entwicklungsmethode, ohne auch nur den Hauch früherer Stärken einzubringen, also dem Bilderbuchbeispiel von Publisherdruck. Und bei Dragon Age: Veilguard ist das Scheitern kulturell, beim überzogenen Einbau politischer Korrektheit und der Bioware früher atypischen Verweigerung, in einem Rollenspiel auch mal härter auftreten zu dürfen.
Für mich ändert diese Einschätzung die Dinge. Es ist etwas anderes, ob ein Studio aus Arroganz und Gier ihre Kunden verarscht oder ob überforderte Entwickler schlicht nicht liefern können, was sie versprochen hatten. Dementsprechend werde ich Bioware als Konsequenz der Verbesserungen der Legendary Edition trotz des immer noch ungenügenden Trilogieabschlusses von meiner schwarzen Liste entfernen. Wobei das nicht heißt, dass ich derzeit weitere Spiele des Studios in Zukunft spielen will.
Rettet Mass Effect 3 als Legendary Edition das misslungene Trilogieende?
Während im ersten Teil der Serie die Bedrohung durch die Reaper entdeckt, im zweiten verzögert wurde, sind die Reaper nun da. Und knöpfen sich direkt die Erde vor. Shepard, der zwischen den Spielen aufs Abstellgleis gesetzt wurde, entkommt dem Massaker und ist für die Verbliebenen wieder die letzte Hoffnung.
Mass Effect 3 wurde 2012 veröffentlicht, nur zwei Jahre nach Mass Effect 2. Eine unfassbar kurze Entwicklungszeit, gerade angesichts der hohen Ziele und Versprechungen von wichtigen Auswirkungen aller Entscheidungen der Vorgängerspiele. Prompt ging das schief, das originale Ende war eine riesige Enttäuschung und beschädigte Bioware nachhaltig. In der Legendary Edition sind nun alle DLCs enthalten, die zum einen das Ende verbessern sollen, zum anderen vorher offensichtlich rausgeschnittene Inhalte wieder einbauen. Ist das Ergebnis gelungen?
Spiel und Grafik, wie in Teil 2?
Doch zuerst zum Spiel selbst. Das beginnt wieder mit einem Import des Shepards aus dem Vorgänger, wobei wieder Aussehen wie Klasse angepasst werden kann. Bei diesem Import werden vor allem die vielen Entscheidungen aus Teil 1 und 2 übernommen. Nach einem kurzen Intro auf der Erde, das während der Reaperankunft spielt und dabei als Tutorial fungiert, steht man bald wieder auf der Normandy mit einer kleinen Crew. Die wird wieder erweitert werden, doch anders als im zweiten Teil ist nicht mehr jeder Begleiter seine eigene Mission, sondern werden die während der packenden Hauptstory praktisch nebenbei aufgesammelt.
Wieder gibt es die Galaxiekarte mit den unterschiedlichen Sternensystemen. Aber das Scannen von Planeten für Ressourcen ist entfallen (ebenso alle anderen Minispiele, wie das Hacken von Schlössern). Stattdessen werden nur noch Anomalien erscannt, die wiederum meist Ziele kleiner Nebenquests sind. Auf der Citadel finden sich dann die zugehörigen Zielpersonen, die mit dem Anomalieprodukt zusammenzubringen erhöht den Kampfscore.
Dieser Score wird prominent auf der Normandy angezeigt. Er entspricht einer Auflistung aller Kräfte, die bei der Endschlacht gegen die Reaper ins Feld geführt werden können. Beispielsweise ganze Armeen, oder einzelne Begleiter aus den vorherigen Spielen. Diesen Wert zu erhöhen ist praktisch das Ziel des Spiels. Und bei ihm wirken sich auch sehr viele Entscheidungen aus. Wer beispielsweise in ME1 die Menschenflotte nicht geschont hat, sieht jetzt bei ihr verringerte Werte – und profitiert dafür durch das so gerettete Alienschiff. Es ist möglich dabei schlecht abzuschneiden, aber wenn man die Spiele ernsthaft gespielt hat (statt durchzusprinten) laufen viele der Entscheidungen bei diesem Score auf Nullsummenspiele hinaus.
In den Missionen steuert man wieder Shepard und hat (fast immer) zwei Begleiter. Wie zuvor sind die Missionen dabei Abfolgen von Kämpfen, auch das Deckungsshootersystem wurde wieder gewählt. Es gibt aber Änderungen. Zum einen ist Shepard beweglicher geworden, kann sich beispielsweise zur Seite rollen – auch wenn die Animationen diesmal (beim Sprinten insbesondere) komplett vermurkst sind. Zum anderen gibt es mehr und teils wirklich unterschiedliche Waffen, wobei die LE mit den DLCs diese Auswahl nochmal erweitert. So gibt es zum Beispiel eine Pistole, die im Grunde Haftgranaten verschießt. Außerdem gibt es einige neue Gegnertypen, die auch vermehrt Rüstung, reguläre und bionische Schilde einsetzen. Die Kämpfe sind dadurch nochmal verbessert worden.
Story samt Konsequenzen minus Rollenspiel
Das ist auch gut so, denn der dritte Teil der Reihe ist wieder absolut kampffixiert. Alternative Spielinhalte oder auch nur alternative Wege kann man in den Missionen nicht finden. Bezeichnend dafür sind die stumpfen Sequenzen, bei denen man im Stile eines Call of Duty hinter einem übermächtigen Geschützturm sitzt. Selbst bei den Entscheidungen lässt sich eine weitere Minimierung feststellen: Es gibt nochmal öfter genau zwei Antwortmöglichkeiten, das Rollenspiel beschränkt sich auf die Wahl zwischen Paragon und Renegade.
Dafür spielt dieses Trilogiefinale (zumindest vor dem Ende) diese seine Rolle gut und zeigt sehr viele Konsequenzen und Rückbezüge. Die dann teils auch noch ineinandergreifen. Sowohl im Kleinen gelingt das, wenn z.B. Shepards Stalker wieder eine Rolle spielt und beim Ausgang seiner Geschichte eine Nebenmission von ME1 mit reinspielt; als auch im Großen, z.B. wenn die Entscheidungen zur Heilung der Kroganer von zuvor Auswirkungen hat. Vor allem aber wird viel bei den Gefährten gezeigt, die Entscheidungen gerade der Loyalitätsmissionen aus Teil 2 werden immer wieder gespiegelt.
In die Geschichte des Spiels, die ansonsten dem bekannten Schema folgt und diesmal zur Gründung einer großen Allianz von Planet zu Planet springt, mischen sich ganz neue Untertöne. So wird Shepard zwischen den Missionen immer wieder in Traumsequenzen gepackt, bei denen ein Kind durch einen Wald läuft und am Ende verbrennt. Ein Rückbezug auf das Tutorial auf der Erde, bei dem ein Kind erst in einem Lüftungsschacht steckt, sich nicht raustraut, später in einen Transporter rennt der abgeschossen wird. Aber es ist nie klar, ob das Kind wirklich existierte, oder ob Shepard einfach durchdreht. Doch genausowenig klar ist was das soll, warum diese neue Verwirrung plötzlich da ist, was das Spiel damit bezwecken will. Konsequent eingebaut in eine Charakterentwicklung ist es auf jeden Fall nicht.
Ansonsten ist die Geschichte einfach sehr düster. Die Verheerungen durch die Reaper sind enorm. Schon im zweiten Teil gab es Leichenberge, sowas ist nun noch viel häufiger und generell wird das Ende aller Zivilisationen thematisiert, was natürlich schwerwiegend ist. Gleichzeitig traut sich Bioware keine Nacktheit bei den Romanzen, da werden noch Duschszenen durch nicht ausgezogene Unterwäsche lächerlich gemacht. Auf der einen Seite also klar an Erwachsene adressiert, auf der anderen für Kleinkinder – eine schwer verdauliche Mischung.
Merkwürdigkeiten und Macken
Womit wir beim nächsten Thema wären: Ein paar Auffälligkeiten stechen heraus, die schlecht gelöst sind und beim ansonsten bemüht polierten Gesamtbild überraschen.
Das seltsame Sprinten von Shepard fällt dabei direkt auf der Erde auf. Shepard wackelt dabei merkwürdig auf gestelzten Beinen umher, dabei schwebt der Charakter vorwärts. Das war noch im Vorgänger besser umgesetzt und sieht keinen Moment realistisch aus. Auch gibt es da einen Bug, das Sprinten verhält sich nicht immer gleich, manchmal ist es mehr ein Schweben.
An mehreren Stellen stolpert man als Spieler übelst über die Linearität des Spiels, das Entscheidungen von zuvor zugunsten einer Arbeitsminimierung minimiert. Drei Beispiele: Die Quarianer greifen immer die Geth an, egal ob man das in ME2 anfacht oder vermeintlich verhindert. Es gibt immer eine Mission um Kroganer und Rachni, egal ob man die Rachni-Königin in ME1 befreit oder vernichtet hat. Und die Entscheidung in Teil 1, welches Crewmitglied stirbt, ist bedeutungslos: In beiden Fällen wird der oder die Überlebende als zweiter menschlicher Spectre eine Rolle ausfüllen können – obwohl beide sehr unterschiedliche Profile haben, sich daher ganz unterschiedlichen verhalten und an anderen Orten in der Story enden müssten.
Arbeitsminimierung ist auch an anderen Stellen sichtbar. Während in ME2 auf der Normandy noch einige Crewmitglieder miteinander redeten, gibt es davon jetzt nur noch eine Stelle, die man auch unbedingt passieren muss. Und an der gleichen Stelle ist (zusätzlich zum Aufzug) eine Ebene der Normandy mit einem als Sicherheitscheck getarnten Ladebildschirm unterteilt worden. Die Citadel besteht aus mehreren gut gefüllten, aber sehr kleinen Bereichen, kein Vergleich zu ME1. Also überall zu spüren: Das Spiel ist insgesamt leerer, der Atmosphäre dienende Details wurden viel weniger eingebaut, und technische Limitierungen beherrschten Designentscheidungen.
Gerade angesichts der Bedeutung der Loyalitätsmissionen aus ME2 verwundert die limitierte Zusammenstellung des Teams. Denn kein originärer Begleiter aus ME2 hat es in den dritten Teil geschafft, nur Konstanten aus ME1 wie Garrus, Tali und Liara überdauern. Die ME2-spezifischen Figuren tauchen zwar auf und haben teils tolle Auftritte, aber keiner landet als Gefährte auf der Normandie. Schlägt hier etwa wieder Biowares Arbeitsminimierung durch, immerhin können diese Teammitglieder im Finale von ME2 sterben? Alternative Gefährten anzubieten bzw das Team so breit aufzustellen, dass jemand getrost wegfallen kann, war also keine Option? Stattdessen gibt es dann mit James einen neuen Charakter, der aus dem nichts kommt und gegen ausgebaute Hintergründe wie insbesondere Talis nun so gar nicht anstinken kann – besonders nicht mit seiner Gears of War entlehnten Charakterzeichnung.
Die Änderungen der Legendary Edition
Ein großer Nervfaktor im Original war der Einbezug von Multiplayer und einer mobilen App in den finalen Flottenstärkewert. Diese Gängelung wurde in der Legendary Edition entfernt, sodass nur noch die drei Spiele selbst Auswirkungen haben.
Die LE verändert das Original sonst vor allem durch die Einbindung aller DLCs. Wie oben erwähnt gibt es dadurch eine vergrößerte Waffenauswahl. Aber das ist noch das kleinste. Mit Javik gibt es einen neuen Begleiter (original ein Abzock-DLC, veröffentlicht zeitgleich mit dem Grundspiel), den letzten Überlebenden der Protheaner. Der füllt einige Lücken aus, wird in den Hauptmissionen viel genutzt und hat auch generell viele Kommentare (teils lustige, weil absurd böse).Der Ausflug nach Omega ist sehr kampflastig und allzu linear, hier ärgert man sich darüber, später die Station nicht besuchen zu können. Das ist bei den Missionen um Leviathan anders, die sind teils nett da keine reinen Kämpfe, zudem erklärt der DLC eine vorherige Leerstelle um die Herkunft der Reaper.
Gelungen ist dann der Citadel-DLC, der auf der Raumstation ein Appartement und ein neues Gebiet hinzufügt, das dann mit vielen Begegnungen mit den Teammitgliedern (alten wie neuen) füllt sowie einen etwas durchgedrehten Missionsstrang einbaut. Das passt zwar teils so gar nicht zu Ton und Story des Hauptspiels, aber füllt mit der tieferen Ausarbeitung der Teammitglieder und ihrer Weiterentwicklung eine wichtige Lücke.
Die wichtigste Lücke aber ließ das Ende, und auch dafür gab es einen DLC. Dafür werde ich im folgenden spoilern, bevor es zum Fazit geht.
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Mass Effect 2 in der Legendary Edition ist immer noch eine schwer bewertbare Mischung
Kurz nach dem Finalkampf des Vorgängers stirbt Shepard im Intro des 2010 erschienen Mass Effect 2, als die Normandy von einem Riesenschiff dramatisch zerlegt wird. So beginnt die eigentliche Handlung des zweiten Teils mit der Wiederauferstehung des Spielercharakters, der diese ausgerechnet der Terrororganisation Cerberus verdankt. Aber da erscheint auch schon die nächste Bedrohung.
Ein Genrewechsel?
Mass Effect 2 ist auf dem Papier im gleichen Genre wie das erste Mass Effect, aber es spielt sich anders. Es ist wieder ein Third-Person-Shooter mit Rollenspielelementen. Doch die sind reduziert, so gibt es jetzt weniger Fähigkeiten pro Charakter, keine Inventarverwaltung mehr und auch in den Missionen weniger Spielereinfluss. Die wenigen Waffen werden in diesen Missionen gefunden, Rüstungen gekauft, wobei letztere nur Shepard angelegt werden können und die Gefährten automatisch verfügbare bessere Waffen ausrüsten. Von den Begleitern gibt es diesmal mehr (und die in der Legendary Edition enthaltenen DLCs fügen nochmal zwei dazu), außerhalb des Schiffs begleiten aber wieder nur zwei den Spieler, der Rest bleibt stumm.
Flüssiger ist es auch abseits der Vereinfachungen geworden, die Bewegungen des Spielers sind deutlich direkter. Man merkt dem Spiel da wohl Biowares gewonnene Erfahrung in der Unreal Engine 3 an. Wichtig, denn die Kämpfe erscheinen mir deutlich schwerer: Während im ersten Spiel Deckung mehr oder weniger optional war – es reichte überlegtes Positionieren, man musste nicht an den Barrikaden kleben – ist diesmal der Bildschirmtod häufig, weil Shepard wenig aushält. Wobei da teilweise die gewählte Klasse hineinspielt, mit einem Soldat statt einem Ingenieur beispielweise ist der Lebensbalken etwas zäher.
Bei der Spielgestaltung ändert sich auch sonst so einiges. So gibt es nach Missionen nun eine Missionszusammenfassung, die gesammelte Ressourcen und Upgrades listet und das Missionsergebnis aus Cerberussicht zusammenfasst. Eine seltsame Perspektive für ein Rollenspiel, durchbricht es doch die Darstellung als Shepard zu spielen. Die Planetenerkundungen per Mako entfallen, stattdessen dürfen Planeten mit einem Scanner nach Ressourcen durchsucht werden. Weg ist auch das absurde Hacken von Ressourcen, sowas wird nun einfach aufgenommen, zum Hacken bzw Türöffnen gibt es stattdessen nun zwei neue Minispiele.
Zur Umgehung der Minispiele wird auch keine Omnigelnutzung mehr angeboten. Gel – als Medigel – dient nun nur noch dem Heilen von am Boden liegenden Gefährten, die entsprechende Fähigkeit kann Shepard von Spielbeginn an, ist aber eben durch Ressourcen (statt durch einen längeren Cooldown) begrenzt.
Fortführung der Trilogie
Shepards Klasse, Hintergrund und Aussehen kann ME2 zu Spielbeginn von einem Finalspeicherstand aus ME1 übernehmen. Trotzdem kann der Spieler dann noch den Charakter anpassen. So kann man das Aussehen mal ändern, oder zu einer anderen Klasse wechseln. Die Klassenauswahl ist in diesem Spiel sowieso eine andere, darauf reagieren zu können ist also wichtig.
Bei diesem Import werden dann natürlich auch die Entscheidungen übernommen. ME2 ist voller Rückbezüge: Alte NPCs tauchen wieder auf und zeigen so die Konsequenzen der vorherigen Begegnung, Mails erreichen Shepard an seinem Terminal und haben den gleichen Effekt. Leider ist nichts davon spielverändernd. Wer beispielsweise den Rat der Citadel gerettet hat bekommt zwar die Aliens wieder zu sehen und ein paar freundliche Worte, aber keine Unterstützung bei der neuen Mission. Er verleiht dann zwar den Spectre-Status wieder, was erstmal so klingt als würde es Shepard befähigen – tatsächlich beeinflusst es nur ein paar wenige Gespräche. Es gibt keine Zusatzmissionen, keine relevanten alternativen Lösungen, die durch Entscheidungen in ME1 freigeschaltet werden. Hier zeigen sich die ersten Risse in der Trilogie, das Versprechen von wichtigen Konsequenzen wird im zweiten Teil nicht erfüllt.
Unabhängig aller Entscheidungen ist der Ton in diesem Spiel deutlich dunkler. Der Handlungsort ist entsprechend, so beginnt man mit Omega im Terminusgebiet außerhalb des Einflussgebiets der Citadel. Und auf Omega ist dann immer Nacht, dreckig und ist Kriminalität überall. Auch bei den Gefährten ist dieser Tonwechsel deutlich, man muss sich Jack nur anschauen um festzustellen, dass sie in das vorherige Team so gar nicht gepasst hätte – und ihre Hintergrundgeschichte tut dann ihr übriges. Auch Sexualität wird offensichtlich wieder dargestellt, insbesondere durch die relative Nacktheit Jacks und die übertriebenen Formen bei der Cerberusbegletzerin Miranda (die immerhin in der Story erklärt werden, aber ja trotzdem absichtlich da sind). Wobei sich das Spiel nicht traut, die angebliche Verrücktheit und Verruchtheit solcher Charaktere auch ins eigentliche Spielgeschehen zu bringen, sogar bei den Kommentaren kommt da wenig. Und es passt auch zu dieser Verzagtheit, dass manche Sexszenen – denn natürlich gibt es wieder Romanzen – noch prüder sind als im Vorgängerspiel.
Das neue alte Karmasystem
Allerdings ist Shepard ebenfalls deutlich anders drauf, und das stört. Vor allem, wenn Shepard zuvor im Paragonpfad gespielt wurde, passt seine neue abgebrühte Amoralität so gar nicht. Er zuckt meist nichtmal, wenn um ihn herum Leute ermordet werden, was wirklich absolut nicht zu seinem vorherigen Verhalten passt. Ihn im Spiel wieder nach dem Paragonpfad zu spielen hilft da auch nur begrenzt, weil eben immer wieder keine entsprechenden Handlungsoptionen angeboten werden. Und selbst die Paragonoptionen oftmals überraschend aggressiv sind. Immerhin passt dadurch diesmal die harte Sprachausgabe von Jennifer Hale als Sprecherin der weiblichen Variante von Shephard sehr viel besser zum Spiel.
Waren moralische Handlungen vorher nur als Gesprächsoptionen möglich, und auch das nur falls die Skillpunkte in Charm oder Einschüchtern investiert wurden, gibt es nun ebenfalls handelnde Quicktime-Events. Für die und die Gesprächsoptionen braucht es nur noch genug Moralpunkte auf der Skala.
Auf der einen Seite macht diese Änderung das stumpfe Verhalten nach einem der zwei Pfade für die Skala nochmal wichtiger, sind die Quicktime-Handlungen doch oft wirkmächtig und will man sie daher auslösen können. Andererseits sind die Skalen diesmal so ausgelegt, dass man sie etwas mischen kann und trotzdem ein Maximum erreichbar ist. Vor allem aber fühlt sich das ganze Moralsystem mit den Entscheidungen zwischendurch weniger wichtig an, weil das Spiel in den Missionen so linear und kampflastig ist. Alternative Lösungsmöglichkeiten gibt es nicht, auch die Moralpunkte helfen nur seltenst mal einen Kampf zu vermeiden, und nie einen wichtigen.
Gefährten und ihre Missionen im Fokus
Doch werden die Karmapunkte an anderer Stelle nochmal besonders wichtig: Denn die von ihnen beeinflussten Gefährten sind diesmal im Zentrum der Missionsstruktur. Die ersten Missionen sind Rekrutierungsmissionen, für jeden eine. Dann hat jeder Gefährte nochmal eine Loyalitätsmission. Und das Spiel macht klar: Willst du einen guten Ausgang der Story, musst du die Loyalität der Begleiter erlangen (und das Schiff komplett aufrüsten). Hier spielen also die Moralpunkte nochmal eine Rolle, denn nur mit einer auf einer Seite gut gefüllten Moralskala lassen sich die auftretenden Streitereien so lösen, dass nicht eine Seite verärgert ist.
Zwischen den Begleitermissionen gibt es dann gelegentliche Storymissionen, die teils auch automatisch ausgelöst werden. Andere Nebenmissionen gibt es auch, aber sie sind optional, einige nur beim Planetenscannen findbar und alle nicht repetitiv. Das vermeidet geschickt das Problem des ersten Teils, mit langweiligen Nebenmissionen die Hauptstory blockiert zu haben. Aber gegenüber den Begleiter- und Nebenmissionen sind es sehr wenige Hauptmissionen, diese Struktur des Spiels ist daher sehr ungewöhnlich.
Obwohl es keine wahrnehmbaren Recyclinginhalte mehr gibt werden die Missionen nach einer Weile eintönig, weil sie oft so ähnlich sind und fast immer auf ein Kämpfen durch Gegnerhorden hinauslaufen. Und leider sind auch die Missionsorte entsprechend aufgebaut: Es sind viele Korridore mit Barrieren für die Deckung, und ein paar größere Flächen mit Barrieren, durch die sich das Squad schnetzeln muss. Das ist visuell wenig ansprechend, auch wenn die Grafik besser geworden ist; abseits einiger verunglückten Karten, kackbraun Gears of War entlehnt.
Übrigens sollte man auch wieder zwischendurch mit den Gefährten reden, um sie besser kennenzulernen. Nun aber weist die Schiffspsychologin darauf hin, wenn einer wirklich Gesprächsbedarf hat. Das ist eine tolle kleine Änderung, die das nervige regelmäßige Abklappern der möglichen Gesprächspartner des ersten Teils unnötig macht.
Auch bei den Gesprächen selbst wurde aus einer Schwäche des ersten Teils gelernt. Die Überzeugungsoptionen sind nun viel besser eingebaut. Shepards Worte sind bei ihrer Wahl viel treffender, die Gesprächsverläufe dadurch deutlich glaubwürdiger. Das ist durchaus überraschend, wirkt das Spiel mit seinem starken Fokus auf forderndere Kämpfe doch erstmal nicht so, als würde es in so etwas Mühe stecken. Aber der erste Eindruck täuscht da, und mit den besseren Animationen und der besseren Gestik erreicht ME2 bei den Gesprächen eine deutliche Verbesserung.
Leider eher schlechter geworden ist die Kommentierung des Geschehens durch die Begleiter. Gerade bei den Loyalitätsmissionen hat der zusätzliche Begleiter oft gar nichts zu sagen, ist oft bei den Zwischensequenzen sogar unsichtbar. In den Hauptmissionen ist das besser, Gespräche laufen dort aber auch oft über Funk mit der Normandie und daher mit dem Piloten Joker. Da merkt man eben doch die begrenzten Ressourcen, die Bioware in das Spiel stecken konnte oder wollte.
Änderungen der Legendary Edition
Die Legendary Edition bringt wieder Grafikverbesserungen. Sie sind nicht so weitgehend wie bei ME1, die Ausgangslage war aber auch besser. Ansonsten sind einige Spielelemente optimiert worden, so wurden DLC-Waffen sinnvoll im Hauptspiel platziert, angeblich sind auch DLC-Missionen nicht gar zu früh anwählbar. Gestolpert bin ich aber auch über einen Bug: Das Verhalten zum Stalker wird falsch gespeichert, er verhält sich beim Wiedersehen immer so, als habe Shepard ihn brutal behandelt (aber nicht getötet). Ärgerlich, dass die LE diesen alten Fehler nicht repariert hat.
Die Missionen aus den DLCs sind dabei gut. Sie werfen das Spiel nicht um, aber bringen doch etwas Abwechslung (gerade wenn die Missionen des Hauptspiels schonmal früher gespielt wurden) und sind stark inszeniert. Ausnahme sind da die beiden neuen Begleiter, die auf dem Schiff keine echten Gespräche haben, diese Schwäche in ihrer Inszenierung ist ärgerlich. Denn ansonsten sind das keine schlechten Figuren geworden, auch wenn sie der Handlung wenig beitragen.
Mass Effect 2 ist für sich genommen ein tolles Spiel. Es mischt flotte und fordernde Kämpfe mit einer spannenden Geschichte, die es toll inszeniert. Dabei präsentiert es auch noch genug Entscheidungen, sodass der Wegfall einiger Rollenspielmechaniken nicht wehtut. Zum einen, weil das Inventarmanagement im ersten Teil auch schlecht gemacht war und daher nicht vermissbar ist. Aber mehr noch, weil mit dem Einfluss auf den Ausgang des superspannenden Finales und mit dem starken Fokus auf die wunderbar geschriebenen Gefährten und ihre Entwicklung dem Spieler auf der Ebene viel gegeben wird. Dazu die vielen Rückbezüge zum ersten Teil, die den Einfluss von wichtigen Konsequenzen vormaliger Entscheidungen simulieren.
Testet man das aber mittels einem zweiten Durchgang aus merkt man leider, dass die Wirkmächtigkeit der Entscheidungen eine Illusion ist. In Wirklichkeit sind alle Entscheidungen im Vorgängerspiel für das Spielgeschehen völlig irrelevant. Sie sorgen nur für minimale Änderungen; ob man an einer Stelle nun Ashley oder Kaidan für ein kurzes Gespräch begegnet ist enttäuschenderweise die volle Auswirkung einer der schwierigsten Entscheidungen von Teil eins. ME2 macht keinerlei Versuche, mit alternativen Missionen oder auch nur Missionsstartpunkten Entscheidungen wichtige Konsequenzen zu geben. Selbst mittels Ausrüstung oder sonstiger Hilfe in den Missionen gibt es keine Dynamik. Merkt man dann noch, dass die Quests noch linearer geworden sind, die Level noch schlauchartiger, es außer dann irgendwann repetitiven Kämpfen zwischen den Gesprächen nahezu keinen Spielinhalt gibt, blättert jeglicher Rollenspiellack ab.
Fehlendes neues Rollenspiel und ausbleibende Konsequenzen durch das Vorgängerspiel zusammengenommen ist schwer zu verzeihen und drückt meine Bewertung des Spiels sehr. Wäre Mass Effect 2 hier besser, hätte es insgesamt durch die spielerischen Änderungen bei den Kämpfen und der starken Inszenierung seinen Vorgänger klar geschlagen. So radieren die Schwächen die klar existierenden Stärken nahezu aus. Die Legendary Edition ändert an diesem Problem auch nichts. Sie macht das Spiel durch neue gute Missionen durchaus besser, aber die Inhalte in den Missionen binden sich genausowenig in die Entscheidungsbäume ein.
Immerhin gibt dieser zweite Teil der Trilogie dem finalen Teil viele Vorlagen für Konsequenzen. Vom möglichen Tod der Gefährten über viele kleinere Entscheidungen im Handlungsverlauf bis zur Positionierung zu Cerberus nach dem Finale: Da ist viel Gelegenheit, es im dritten Spiel besser zu machen. Ob das der LE mit ihren Erweiterungen besser gelingt als damals dem berüchtigten Original alleine wird das nächste Review diskutieren.
Wie gut ist Mass Effect 1 heute noch, als Legendary Edition?
Es ist überraschend, wie dünn sich dieses Spiel inzwischen manchmal anfühlt. Als es rauskam war es wegweisend, in 3D mit dieser Grafik und tollen Sprechern ein Sci-Fi-Abenteuer zu erleben war 2009 noch wie ein spielbarer Film. Heute wundert man sich teils etwas über diese Bewertung.
Was Mass Effect war
Aber erstmal einen Schritt zurück. Mass Effect ist ein Computerrollenspiel mit einem Science-Fiction-Szenario und von der damals besten Rollenspielfirma Bioware. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Commander Shepard, der eine hohe Rolle im Militär innehat und bald mit Sonderrechten ausgestattet das ganze Universum retten soll. Dafür rekrutiert er – Bioware-typisch – eine Handvoll Gefährten, die dann als Begleiter mit auf die Missionen gehen und ansonsten im Hub (diesmal ein Raumschiff) auf ihn warten. Welchen Hintergrund Shepard hat kann der Spieler zu Spielbeginn bei der Charaktererschaffung auswählen, genauso seine Klasse (grob Soldat, Techniker oder Bioniker) wählen und – wichtig, denn man sieht das Gesicht oft – das Aussehen umfangreich anpassen. Das Geschlecht ist ebenfalls wählbar, damit wählt man auch zwischen zwei hervorragenden Sprechern und beeinflusst die Auswahl an Partnern für die Romanze.
Das Spiel ist also eine komplette Umsetzung der damals so genannten Bioware-Formel: Epische Story, der Spielercharakter ist ein auserwählter Retter, mechanische Rollenspielelemente wie Klassen und Erfahrungspunkte, Gefährten mit vielen Gesprächen, dazu Entscheidungen mit einem Moralsystem. Die Story war dabei erkennbar als Träger für mehrere Spiele angelegt, eine Trilogie sollte es werden.
Das besondere am ersten Mass Effect war die technische und visuell starke Umsetzung. Das Spiel kam 2007 heraus. Baldur's Gate 2, das damals (und in Teilen heute noch) als bestes Computerrollenspiel aller Zeiten galt, war von 2000. Nur sieben Jahre, in denen Bioware von einer hübsch gezeichneten, aber primitiven 2D-Grafik zu einer hübschen 3D-Engine wechselte, samt Kameraeinstellungen wie Close-Ups bei den Gesprächen. Klar, 3D-Rollenspiele gab es schon zuvor – man denke an Deus Ex – aber sie sahen nicht so gut aus. Und hübsche Spiele wie Doom 3 waren keine RPGs. Zudem spielte man ein Spiel wie BG2 ja nicht unbedingt bei Release, sondern manchmal auch Jahre später, was den Unterschied noch krasser machte. Bei Mass Effect stimmte dabei nicht nur die Technik, sondern die Designarbeit von allen Objekten und Figuren in der Spielwelt war auch abseits der konkreten technischen Umsetzung hervorragend.
Auch das Kampfsystem war etwas besonderes. Es spielte sich wie ein regulärer Shooter – passend zur Grafik – ließ sich aber pausieren, um die eigenen Fähigkeiten und die der zwei Begleiter einzusetzen. Eine direkte Umsetzung der pausierbaren Echtzeitschlachten der Vorgängerspiele, was vor Fallout 3s VATS-Modus noch innovativer war als es heute wirkt. Die dichte Spielwelt balancierte diesen Actionfokus zudem gut aus, mit vielen und konsistenten Hintergrundinformationen, die im Codex nachgelesen werden konnten oder auch sehr häufig in den Gesprächen platziert waren.
ME1 popularisierte zudem das Gesprächsrad, bei dem die Gesprächsoptionen nur zusammengefasst angezeigt werden und dann das Filmgespräch weiterlaufen ließen. Konventionen halfen dabei, die Übersicht zu behalten, so war oben rechts fast immer der blaue Paragon-Weg, unten rechts die Option für den roten Renegade, wobei das Gespräch anhaltende Nachfragen links in einem Untermenü platziert waren. Konsistent eine Moralseite zu wählen schaltete höhere Stufen bei den entsprechenden Gesprächsfähigkeiten frei, was wiederum in Gesprächen neue Antwortoptionen aktivierte.
Die 2021 erschienene Legendary Edition poliert die Grafik nun nochmal auf und lässt das Spiel auf modernen Systemen laufen. Versiegelt es allerdings auch mit EAs DRM, der EA App (vorher Origin), sodass es unter Linux lange unspielbar war und Windowsspieler in diverse technische Probleme liefen.
Was heute nicht mehr funktioniert
Damals war das Spiel also etwas ganz besonderes, mit vielen Stärken. Heute stechen viel mehr all die Dinge heraus, die eben nicht filmreif inszeniert sind.
Die sich wiederholenden Stationen in den Nebenmissionen insbesondere. Dabei stört das Innere der Gebäude besonders, die immer wieder kopiert werden, alle gleich hässlich aussehen und bei denen oft sogar die Gegner an den gleichen Stellen platziert wurden.
Die vorher zu durchreisenden Planetenoberflächen sind zudem oft auch nicht hübsch. Die Landschaften stammen offensichtlich aus einer führen Version eines Kartengenerators, wie sie damals populär waren, seltsamerweise mit hochgeregelten Höhenunterschieden. Bei den dann darauf platzierten Gebäuden und Einheiten wurden auch noch die Proportionen verkackt, sie sind viel zu klein für die Landschaft (und dem Mako, dem Spielergefährt). Wichtiger noch als das Aussehen, das Durchfahren dieser hügeligen Landschaften ist sehr nervig, vor allem wenn das Auto die Berge einfach nicht hochkommt.
Schmucklose Textdialogfenster erzählen in den Nebenmissionen Teile der Handlung, um sie nicht zeigen zu müssen. Das setzt dem ganzen Komplex um die Nebenmissionen die Krönung auf. Sind sie schon spielerisch repetitiv, störend als Ablenkung zur Hauptstory, wären sie wenigstens toll inszeniert wäre das verkraftbarer. Aber dem ist nicht so.
Nach diesen Missionen sind auch die Handlungsauflösungen unpassend direkt. Man verhaftet z.B. einen Sektenführer, steht gerade erst wieder auf dem eigenen Raumschiff, schon kommt ein Funkspruch rein und erzählt von dessen Reue, anklingender Therapie und dass die Sektenmitglieder verschwunden seien.
Die Taktung der Gespräche mit den Gruppenmitgliedern ist ähnlich verhunzt. Da erzählt mir beispielsweise Tali, eine der Begleiterinnen, dass wir uns wohl jetzt dem Ende nähern und den Oberbösen bald schnappen würden. Zu dem Zeitpunkt habe ich erst eine Hauptmission erledigt und bin weit weg vom Finale. Stattdessen zählen wohl die Nebenmissionen den Zähler hoch, welches Gespräch abgespult werden soll.
Genau, über den Mechanismus sind dann auch bei der später rekrutierbaren Begleiterin Liara Gespräche verpassbar, wenn man sie zu spät rekrutiert und nicht mehr genug Missionen hat, um sie in den Folgegesprächen kennenzulernen. Eine Stolperfalle.
Auch bei solchen Gesprächen stört die Wirkmächtigkeit der Überzeugungsoptionen. Hat man genug Charme oder Einschüchterung, kann man in ihnen Spezialoptionen wählen. Die dann folgende Ausgestaltung der Gespräche ist aber oft so schlecht, dass man den immer eintretenden sofortigen Gesprächsgewinn überhaupt nicht glauben kann.
Generell sind die Interaktionen zwischen den Charakteren merkwürdig und längst nicht so gut, wie ich sie in Erinnerung hatte. Warum z.B. irgendeiner der Gefährten in der kurzen Zeit und ohne eine Handlung, die das unterstützten würde, Shepard verfallen sollte, ist unerklärlich. Erst gegen Ende wirkt die Bindung der Crew erkauft, aber schon vorher wird sie behauptet.
Dabei hilft das Anbieten unklarer Alternativen im Gesprächsrad nicht. Was ist der Unterschied zwischen einem "Ja?" und "Erzähl weiter"? Dazu spricht Shepard manchmal auch genau die Worte, die als Zusammenfassung der alternativen, also der nicht gewählten Gesprächsoption angezeigt wurden. Da wirkt deutlich, dass nach all den Jahren mit Kopien des Konzepts (z.B. in Fallout 4) die Schwächen deutlicher herausstechen.
Und auch etwas verstärkt durch die verstrichenen Jahre: Das Inventarmanagement nervt. Es fehlen Komfortfunktionen wie das automatische Zuweisen der bestmöglichen Ausrüstung. Aber selbst wenn es die gäbe, man findet auch einfach zuviel Ausrüstung. Sogar so viel, dass selbst das Verkaufen sinnlos wird – kann doch die maximale Geldmenge erreicht werden, und gibt es sowieso fast nichts sinnvolles zu kaufen. Das ewige Herumkonfigurieren im wenig komfortablen Inventarmenü reißt daher unnötig aus dem Spielfluss.
Der wird auch durch die misslungene Taktung von Neben- und Hauptmissionen unterbrochen. Die fließen nämlich meist nicht natürlich ineinander, stattdessen werden früh sehr viele Nebenmissionen aktiviert, wodurch die Hauptstory in den Hintergrund rückt. Oder man macht erst die, dann bleiben aber die Nebenmissionen als abzuarbeitender Brocken über. Sie ganz zu ignorieren ist in meinen Augen keine Option, nicht in einem Spiel mit angedeuteten Beziehungen zwischen den Gefährten und angesichts der erwartbaren Auswirkungen auf die Welt.
Bei manchen dieser Nebenmissionen gibt es zudem Verbindungen zu Crewmitgliedern, aber es fehlt bei Gefährtenmissionen eine Warnung wenn die nicht im Team sind. Dadurch entgeht einem dann mindestens die Kommentare der Figur, möglicherweise auch die Chance die Loyalität des Gefährten zu gewinnen.
Teils ist auch auffällig, wie wenig bestimmte Gefährten kommentieren. Mir fiel das einmal bei Tali besonders auf, die eine ganze Mission lang praktisch stumm blieb, während der andere Begleiter immer wieder in die Gespräche eingriff. Dabei ist Tali eigentlich ein toll ausgearbeiteter Charakter. Aber in einigen Missionen scheint sehr ungleich verteilt zu sein, was die Gefährten zu sagen haben. Und meist ist diese Verteilung nicht vorhersehbar.
So wie es mich auch generell stört, dass die auf dem Schiff gebliebenen Leute sich nie über Funk einschalten oder selbständig unterwegs sind und so an kritischen Stellen auftauchen. Dadurch verpasst man durch die Auswahl der Begleiter am Anfang so viel. Dabei zeigt eine Mission des Spiels, die auf Virmire, wieviel besser das Spiel die Crew hätte einbinden können.
Bei einer solchen Liste an Schwachpunkten ist das Spiel also alles andere als perfekt.
Die Änderungen der Legendary Edition
Die Legendary Edition verpackt Mass Effect neu. Es sind alle drei Teile enthalten. Beim ersten Teil wurde die Grafik verbessert, teils dezent, teils sehr deutlich. Ich binde hier einen Vergleich ein:
Es ist einfach, diese Grafikverbesserung geringzuschätzen, nähert sie die Grafik doch nur der verklärten Erinnerung an. Das Video zeigt aber ein paar Szenen, wo der höhere Detailgrad und auch die Einfärbung viel besser ist.
Die LE entschärft daneben einige Nervfaktoren. So kann die Steuerung des Mako nun umgestellt werden, sodass sie nicht mehr von der Kamera abhängt, was das Steuern deutlich einfacher macht. Wobei – siehe oben – Planetenerkunden wegen der Hügeligkeit der Oberflächen immer noch nervig ist. Bei den die Ladezeit kaschierenden Aufzugsfahrten auf der Citadel gibt es nun die Option sie zu beschleunigen, wenn das Laden erledigt, aber die Radioansage noch nicht fertig ist. Die Durchsage wird dann abgebrochen. Mich nervten die Ladezeiten allerdings damals nicht, vielleicht war das am PC weniger ein Problem.
Zu ME1 gab es zwei DLCs, davon ist enttäuschenderweise nur einer enthalten. Er baut eine zusätzliche Nebenmission ein, die etwas besser inszeniert ist als viele andere. Toll ist sie aber nicht, und sie krankt an den gleichen Schwächen wie die anderen, nämlich dem schamlosen Recycling von Gebäuden. Der fehlende DLC wäre wohl nicht besser gewesen, vielleicht ist sein Fehlen daher nicht allzu schlimm.
Beim Spielen stolperte ich dafür über ein paar Bugs. Ob die schon im Original waren oder am Spielen unter Linux hingen kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall blieb der Mako manchmal im Boden stecken, wenn ich seinen Turbo benutzte, nur ein Neuladen half dann. Während der letzten Mission gibt es ein Energieschild als Barriere, da glitchte mein Mako einfach durch, was einen wichtigen Storypunkt verpassbar gemacht hätte (ich meine mich zu erinnern, dass mir das gleiche mit der Originalversion damals auch passierte). Nach dem zweiten Mindmeld mit Liara wurde unpassenderweise das gleiche Gespräch wie beim ersten mal abgespult – wobei ich hier vermute, dass da schon im Original geschlampt wurde.
Mass Effect hätte mehr verdient
Die Legendary Edition geht also viele Schwächen leider nicht an. Sie verbessert hauptsächlich die Grafik, aber auch nicht so sehr, dass die teils arg tristen Orte plötzlich gut aussehen. Was vorher gut aussah sieht nun besser aus, einige unschöne Orte werden deutlich aufgehübscht, aber die hässlichen Stellen werden keinesfalls alle weggebügelt.
Sie ändert also grafisch nicht genug, inhaltlich sogar viel zu wenig an diesem arg betagten Rollenspiel. Dabei sind die oben gelisteten Schwachpunkte alles welche, die man hätte überarbeiten können. Mit unterschiedlich viel Aufwand natürlich, das Neuaufnehmen von Gesprächen wäre ein viel größerer Aufwand als das Glätten der Planetenoberflächen, vor allem aber die Nebenmissionen hätten umfassend überarbeitet gehört.
Aber dieses frühe 3D-Rollenspiel hätte den Aufwand verdient gehabt, weil seine damals so faszinierenden Stärken auch heute immer wieder durchscheinen. Die Welt von Mass Effect ist immer noch eine besonders faszinierende, die originellen Alienarten sind klasse, die fantastische Citadel-Raumstation einfangend, die überepische Story schon in diesem ersten Teil der Trilogie mitreißend. Oder: Sie ist mitreißend, wird sie nicht durch die oft viel lahmeren Nebenmissionen und dem mühseligen Planetenerkunden unterbrochen, was die LE hätte verbessern können.
Auch heute noch sind die Sprecher gut! Das ist durchaus überraschend, ist doch in der Retrospektive die Inszenierung von Gesprächen in älteren Computerspielen oft nicht mehr zufriedenstellend. Und ja: Die steif inszenierten Gespräche ohne kaum eine Bewegung sind heute etwas langweilig anzusehen. Aber eben nicht langweilig anzuhören, denn die Sprecher sind gut gewählt und wohl gut angeleitet worden. Ausgerechnet bei Jennifer Hale allerdings, die Sprecherin des weiblichen Commander Shepard, wundere ich mich etwas über das später aufkommende allgemeine Lob zumindest in diesem Teil der Serie – FemShep spricht doch oft sehr neutral und kontrolliert, nur in speziellen Situationen scheint die Stärke der Sprecherin durch.
Und bei all dieser damals untypischen Inszenierung – trotz den Einschränkungen ja doch meilenweit über einem Baldur's Gate 2 – und dem tollen Universum sind da eben noch die Entscheidungsmöglichkeiten. Dieser Start ist in diesem Punkt vielleicht sogar zu gut gewesen. Man hat als Spieler wirklich das Gefühl, einen großen Einfluss auf die Geschichte nehmen zu können. Nun wissen wir heute, dass die Trilogie dieses Versprechen nicht erfüllte – der zweite und der dritte Teil werden unabhängig von allen Entscheidungen identisch ablaufen, nur ein paar Rollen werden ausgetauscht und Hintergrundszenen geändert (und inwiefern das für das missratene Ende noch gilt, um das zu bewerten spiele ich die Reihe nochmal). Aber das wussten wir damals noch nicht, und es ist auch heute nur zu leicht die Linearität beim Spielen zu vergessen, sind die im ersten Spiel gezeigten Auswirkungen doch erstmal überzeugend.
Diese Überzeugungsfähigkeit des ersten Teils gilt auch heute noch, die Wirkmächtigkeit der gebauten Welt. Bei aller Kritik: In vielerlei Hinsicht ist Mass Effect ein sehr gut geschriebenes Spiel gewesen. Bei dem die Inszenierung so tolle Ansätze zeigte, die Schwächen bei genau der aber heute nicht zu übersehen sind. Wie schade, dass bisher noch kein Versuch unternommen wurde, das Spiel tiefergehender zu überarbeiten. Wobei ich nicht behaupten kann, keinen Spaß mit dieser Nostalgiereise via der LE gehabt zu haben. Gerade die Hauptmissionen, die Story und die Begleiter sind immer noch toll. Und wenn man im Flow der Story steckt, wird die positive Erinnerung ganz leicht erklärbar. Vor allem in den letzten, besonders gelungenen Missionen. Dann ist es tatsächlich ein spielbarer Film mit teils tragischen Entscheidungen, dabei aber auch ein flotter Shooter mit Charakteren, die einem über die lange Spielzeit von etwa 40 Stunden unweigerlich ans Herz wachsen.
Aber abseits davon wirkt das erste Mass Effect auch in der Legendary Edition heute nicht mehr frisch, und dann auch oft nicht mehr überzeugend. Die Schwächen bei den so wichtigen Gesprächen, auch bei der Interaktion mit den Gefährten, tun weh. Und die oft lahmen Nebenmissionen, die so eindeutig aufwandsminimierend umgesetzt wurden, gehen heutzutage eigentlich gar nicht. Insgesamt schwächelt das Spiel dadurch sehr.
Dieses Fazit überrascht mich übrigens selbst. Weil ich das Spiel damals so mochte, war mir eine auf die Technik fokussierte dezente Überarbeitung vorab völlig ausreichend erschienen. Erst beim Neuspielen jetzt wurde mir klar, wie viel sich seitdem getan hat, wie stark die Macken dieses ersten Trilogieteils heute doch stören.
Deathloop verbessert Konzepte von Dishonored und ist richtig toll
Deathloop ist ein Shooter von den Arkane Studios, die auch Dishonored gemacht haben, was ich sehr mochte. Aber Deathloop macht nochmal ein paar Sachen besser und hat eine ganz andere, aber auch nette Rahmenhandlung.
And again, and again, and again…
Denn es geht um eine Zeitschleife. Man spielt Colt Vahn, der morgens am Strand aufwacht und sich an nichts erinnert. Doch erscheinende Nachrichten und Besuche von anderen Varianten seiner selbst erklären dann schnell, dass es eine Gruppe gibt, die sich Visionäre nennen und die diese Zeitschleifen beherrschen. Um sie zu brechen und sich so zu befreien müsse er die übrigens mit magischen Kräften bewehrten Visionäre alle töten. Was nicht so einfach ist, sind sie am nächsten Morgen doch wieder lebendig.
So oder so muss er zu vier Tageszeiten jeweils einen der vier Schauplätze besuchen, beim Verlassen schreitet die Zeit voran. Doch reicht die Zeit anfangs keinesfalls zur Erledigung der Aufgabe, bzw schließen sich die Missionen gegenseitig aus, und ist auch die Ausrüstung ziemlich schwach. Zum Glück bleiben Beobachtungen als Erinnerungen im Spielmenü und – nach einer kurzen Weile – auch (gegen eine Gebühr einer sammelbaren Ressource) Ausrüstungsgegenstände erhalten; darunter Waffen, magische Fähigkeiten und passive Upgrades. Diese Erinnerungen taugen dann dazu, langsam die Geschehnisse in der Zeitschleife zu manipulieren und die Visionäre irgendwann vielleicht doch alle erwischen zu können. Was auch die Wiederholungen minimiert, wozu auch das Kürzen von den wenigen immergleichen Sequenzen (wie der Aufwachsszene) beiträgt.
Es ähnelt Dishonored, ist aber nicht das gleiche
Das hat Ähnlichkeiten mit Dishonored, wo ja auch immer wieder Zielpersonen ausgeschaltet werden mussten und die eigene Figur übernatürliche Kräfte hatte. Und in beiden Spielen besteht die Möglichkeit des Schleichens, ist es meist sogar sinnvoll nicht zuviel Lärm zu verursachen.
Aber da ist auch ein großer Unterschied, wichtiger noch als die nur in Deathloop vorhandenen modernen Waffen: Dishonored hat über ein Karmasystem den Spieler für das Töten von Gegnern bestraft. Das machte einen großen Teil der Fähigkeiten und Waffen des Spiels nutzlos, konnte man sie doch praktisch nie einsetzen. Deathloop kennt keine solchen Einschränkungen. Töten ist okay, und auch lautes Vorgehen ist kein Problem, es führt nur zum Herbeirennen (und Teleportieren) von mehr Gegnern, was bei entsprechender Übermacht des Spielers (mit guter Ausrüstung und Ortskenntnis) die Missionen nicht blockiert.
Und so ein ausgelöster Alarm beeinflusst auch nicht die ganze Karte, sondern nur die nähere Umgebung.
Das entschärft ein weiteres Problem von Dishonored und Schleichspielen allgemein: Scheitert das lautlose Vorgehen einmal, ist der Übergang zum Schießen nun kein Scheitern mehr. In vielen anderen Spielen würde ich dann neu laden. Nicht so hier, wobei Deathloop auch gar kein freies Speichern unterstützt, sondern nur zwischen den Tagesabschnitten (und damit den Kartenwechseln) automatisch speichert. Das sorgt für einen gute Spielfluss, der beide Spielarten kombiniert, das leise und das laute Vorgehen.
Missionen in der Zeitschleife
Nun ist es so, dass anfangs sehr unklar bleibt wie Colts Zeitschleife und damit das Spiel gelöst werden kann. Doch gibt es von Anfang an im Menü auswählbare Missionen, die dann markieren an welchem der vier Orte zum jeweiligen Tagesabschnitt etwas erreicht werden kann. Diese Missionen setzen auch Markierungen in die Spielwelt, wodurch Zielorte schneller gefunden werden können. So kommt dann doch schnell etwas Fortschritt zustande, wobei die Missionen nicht immer alles kleinteilig führen – sondern manchmal auch nur das Zielhaus, nicht aber den dort liegenden Zielgegenstand markieren, was ich aber gut fand. Auch im großen gilt das, wenn am Ende eben nicht Zielmarker eine perfekte Tageskombination vorgeben, sondern das Spiel zumindest teilweise auf das Erinnerungsvermögen des Spielers vertraut.
Mir gefiel auch, dass es keine Minimap gibt. Die einzelnen Orte der Insel Blackreef, auf der die Handlung spielt, sind gar nicht groß. Aber anfangs wirken sie groß, denn sie sind wunderbar verwinkelt und ausgebaut, mit Höhenunterschieden und Außen- sowie Innenarealen. So braucht es immer etwas, bis man sich dort zurechtfindet. Und dann sind die Orte auch noch manchmal sehr anders, wenn man sie zu unterschiedlichen Tageszeiten besucht. Manchmal durch vorgegebenes, wie Schneefall. Anderes ist interaktiver, dazu ein Beispiel: In dem Stadtgebiet Udaam gibt es einen Laden mit einem Generator, der morgens mit vielen Stromleitungen das naheliegende Büchereigebäude versorgt. Mittags ist der Laden dann abgebrannt, der Generator wurde überlastet, wie man Gesprächen der herumlaufenden Gegner entnehmen kann. Aber das lässt sich verhindern: Zerstört Colt morgens die Stromkästen, mit denen der Generator verbunden ist, kann da nichts überlasten und der Laden brennt eben nicht ab, was bei einer Mission hilfreich ist.
Auf jeden Fall ist es angenehm, diese Orte und Handlungsmöglichkeiten zu entdecken. Und es ist genau richtig, nicht von einer Minimap da durchgeführt zu werden, denn sie würde das Kennenlernen der Orte verhindern, weil man als Spieler zu oft nur auf sie achtet. Übrigens etwas, was bei Cyberpunk 2077 in der Standardeinstellung schlechter gelöst wird; die dort vorhandene Minimap blendete ich aus genau der beobachteten fehlenden eigenen Orientierungsfähigkeit später aus.
Manchmal aber geht diese Freiheit schief. So gibt es auf allen Karten Händlerautomaten, mit denen Gegenstände transportiert werden können, sagt ihre Werbung. Nur wie man das machen kann erklärt das Spiel nicht, und habe ich tatsächlich nicht herausbekommen. Ich hätte es im Internet suchen können, klar, aber ich hatte mich bewusst gegen eine solche Beeinflussung entschieden. Das war am Ende nicht spielentscheidend, aber überraschend unzugänglich.
Von Waffen und Upgrades
Zu dem Entdecken passt, wie die Ausrüstung funktioniert. Denn sie lässt sich durch sammelbares stark an die eigenen Bedürfnisse anpassen.
Da gibt es zuerst einmal eine ganze Reihe von Waffen. Das meiste davon ist klassisch, Pistolen, Maschinengewehr, Schrotflinte usw, eine Laserkanone kommt dazu. Aber die unterscheiden sich untereinander dann doch angenehm, haben ihre Vor- und Nachteile und passen zu unterschiedlichen Spielstilen. Verstärkt wird das durch Bonuseffekte, die manche der farbig markierten besseren Varianten haben. Wobei die nicht perfekt ausbalanciert sind, so ist eine früh findbare lautlose Maschinenpistole meiner Meinung nach die praktischste Waffe im Spiel, obwohl sie keine der komplizierter zu findenden goldenen Arsenalwaffen ist (getoppt wird sie im offenen Kampf nur von späteren Varianten eines Jagdgewehrs mit explodierenden Kugeln, auch keine der goldenen Spezialwaffen). Zusätzlich können die Waffen jeweils drei Verbesserungen bekommen, von denen sehr viele im Spielverlauf gefunden werden, sodass sie dann beispielsweise sehr viel schneller nachladen oder mehr Munition im Magazin fassen. Sehr wirkungsvoll.
Dazu kommen die praktisch magischen Fähigkeiten, die Colt von den anderen Visionären erbeuten kann. Darunter der für Dishonored typische Teleport, aber auch Unsichtbarkeit oder ein Machtstoß. Nur zwei davon können ausgewählt werden, das ist nochmal eine Anpassung an den eigenen Spielstil. Und es sind diese Fähigkeiten, die Deathloop einen sehr eigenen Charakter geben, im Vergleich zu regulären Shootern.
Die passiven Upgrades machen das ganze dann noch individualisierbarer. Vier davon können ausgerüstet werden. So können dann beispielsweise die automatischen Geschütztürme schneller gehackt werden, oder heilen eigene Nahkamfpangriffe plötzlich Colt, oder hält er einfach mehr Schaden aus. Die Suche nach den besseren Upgrades ist auch nochmal wirklich motivierend.
Die Invasionen als Mehrspielermodus
Es gibt für das spätere Spielen noch einen Mehrspielermodus, der das mit der Motivation auch nicht schlecht löst. Die Orte im Spiel werden im regulären Spiel manchmal von Colts Gegenspielerin besucht, mit der er sonst nur unterhaltsame Funksprüche austauscht, woraufhin er sie ausschalten muss. Im deaktivierbaren Multiplayermodus kann diese Julianna dann auch von einem Spieler gesteuert werde, was sonst eine KI übernimmt. Colt hat gegen Julianna allerdings den Vorteil, dass er drei Leben hat, sie nur eines. Dafür ist sie mit den regulären Gegnern verbündet, was den Vorteil etwas entschärft.
Es gibt abseits des Kampfes keine direkten Interaktionen mit dem Gegenspieler und mir gefällt diese Einbindung ins Spiel, die von Dark Souls vorgemacht wurde.
In meinem ersten Entwurf für diesen Abschnitt hatte ich den Mehrspielermodus nun heftigst kritisiert – meine ersten Spiele waren wenig spaßig, Colt zu überlegen, kamen Spiele nicht zustande oder laggte es ziemlich. Doch auch Niederlagen geben Belohnungen und ich spielte noch ein paar Spiele mehr. Mit der besseren Ausrüstung und wohl etwas mehr Würfelglück (oder auch besserem Matchmaking?) waren diese Folgespiele viel besser. Einerseits, weil ich nach der Erfahrung im Hauptspiel doch durchaus gewinnen konnte. Und andererseits, weil selbst Niederlagen verkraftbar waren, weil sie meist durch geschicktes Spiel der Colts zustandekamen. Zwischendurch hatte ich richtig Freude an dem Kräftemessen.
Ich wunderte mich allerdings darüber, dass Julianna keine Möglichkeit mitbringt Colts vage Position zu sehen, außer der macht Lärm. Die KI-Variante wusste nämlich auch so ziemlich genau, wo ich als Colt war. Spielt man sie selbst gibt es keine solche Ortung. Das macht die Invasionen gegen gut schleichende Gegner manchmal zäh. Aber gut, der Fokus liegt eben auf der Spielerfahrung der Colt-Spieler und belohnt ihr gutes Vorgehen, was okay ist. Aber richtig schlecht ist, dass offensichtlich keine wirksame Kontrolle der Verbindung durchgeführt wird. Dadurch werden manche Matches wegen der schlechten Verbindung mancher Colt-Spieler furchtbar von Lag geplagt.
Schlimmer noch, aber passend zu den Lags der wohl eingesetzten P2P-Architektur, es gibt auch Cheater – für mich tauchten sie an einem Tag gleich reihenweise auf. Vielleicht wurde da ein neues Cheattool veröffentlicht? Die Missgeburten machen sich komplett unverwundbar und haben unendlich Munition. Leider hat das Spiel nicht die nötigen Mechanismen, Cheater im Spiel zu melden oder auch nur für zukünftige Matches zu blocken. Und die Spielerzahl ist mittlerweile so niedrig, dass man jedem einzelnen Cheater mehrfach begegnet. Damit wird der Multiplayer während sie aktiv sind unspielbar.
Technik und Bugs
Grafisch sieht das alles toll aus. Und nicht nur wegen einer guten Technik, sondern weil der Grafikstil gelungen ist. Mit gelegentlich viel Farbe, erinnert das in Teilen an Designsprache der 60er oder 70er. Dieser Designfokus geht sogar über die Grafik hinaus, so sind die Visionäre entsprechend ausgestaltete Charaktere, mit jeweils klaren Eigenheiten. Das gilt auch für Colt, der ein überraschend schlichtes Gemüt präsentiert und am liebsten alles mit roher Waffengewalt lösen würde (ich fühlte mich glatt an den Duke erinnert).
Trotzdem ist es technisch nicht perfekt. Denn zumindest unter Proton dauert es erstaunlich lange, bis das Spiel wirklich startet. Und sind auch die Ladezeiten ziemlich lang. Einmal, gegen Ende der Kampagne, wollte das Spiel meinen Spielstand auch mal gar nicht laden – das behob aber ein Neustart des PCs. Zum Glück, denn da es nur einen Spielstand gibt wäre sein Kaputtgehen katastrophal gewesen.
Es gab gelegentliche andere Bugs, wie gegen Mauern laufende Gegner. Und manchmal flogen die Gegner von Kugeln getroffen sehr seltsam weg, als ob sie ein LKW umgehauen hätte. Aber nichts schlimmeres.
Deathloop hat mir sehr gefallen. Es ist einfach toll zu sehen, wie hier konsequent Macken im Spieldesign von Dishonored ausgebügelt wurden, um ein auf dieser Ebene klar besseres Spiel zu machen – selbst wenn zusätzlich das Genre in Richtung Shooter verschoben wurde, was nicht jedem gefallen muss. Doch trotzdem bleibt dieser Reiz erhalten, dass man das Gefühl hat, in der Spielwelt mit der eigenen Intelligenz Taktiken wählen zu können und die Fähigkeiten – die eigenen wie der Spielfigur – geschickt einsetzen zu können. Nichtmal meine sonst gesetzte Abneigung von Zeitreisegeschichten kam hier zum Tragen, zu gut und ohne störende Logiklücken war der Handlungsrahmen eingesetzt.
Deathloops Multiplayer aber ist auf der einen Seite gut ins Spiel eingebunden und motiviert durch die selbst beim Scheitern vergebenen Belohnungen (darunter Skins für Colt und Julianna, also auch für den Einzelspielermodus). Andererseits gelingen zu viele Matches nicht, hat vor allem die technische Umsetzung Probleme. Initial schien es mir eine nette Dreingabe, die ich noch einige male gespielt habe, was die Spielzeit nach dem Ende der Kampagne deutlich erhöht hat. Aber teils durch die Lagprobleme, vor allem aber durch die Cheaterproblematik, kann ich den Modus trotz seiner Spaßigkeit nicht wirklich empfehlen.
Meine Kritikpunkte am wichtigeren Einzelspielermodus beschränken sich auf diese zwei: Zum einen sind manche Aspekte des Spiels etwas arg versteckt, wird manchmal zu viel Entdeckungswillen vorausgesetzt, wie bei den oben erwähnten Transportautomaten. Zum anderen hätte ich mir mehr Abwechslung bei den vier Orten gewünscht. Zwei sich sehr ähnelnde Stadtorte, zwei offenere Landschaften mit Bunkern; da wäre mehr gegangen – auch wenn die Ausgestaltung im Detail auch jetzt schon unterschiedlich genug ist. Und, wenn man unbedingt will: Die Waffen hätten etwas mehr Abwechslung vom Genrestandard vertragen können (und etwas mehr Wumms).
Trotzdem insgesamt ein wirklich tolles Spiel. Flott, hübsch, spaßig, intelligent.
Divinity: Original Sin 2 - Larians Schritt in Richtung RPG-Olymp
Divinity: Original Sin 2 ähnelt dem Vorgänger sehr, macht aber vieles besser. Vom Genre her ist es wieder ein klassisches Rollenspiel mit Draufsichtperspektive, aber das Abschleifen der Kanten und die größere Dichte dieses Abenteuers rücken es viel stärker in die Nähe von Baldur's Gate 2 und anderen Genregrößen.
Als Quellenmagier gejagt
In Rivellon werden alle von der Quelle befähigten Magier zusammengetrieben. Einer davon ist der anfangs erstelle Charakter, wobei alternativ auch ein vorgefertigter Charakter ausgewählt und angepasst werden kann. Die verbliebenen Vorlagen sind dann als NPCs mit auf dem Schiff, das zu einer Gefängnisinsel reist, und können sehr schnell als Gruppenmitglieder rekrutiert werden.
Einerseits sind die Fähigkeiten dieser Charaktere stark anpassbar, ihre Startkonfiguration kann sogar im Gespräch gewählt werden. Andererseits sind ihre Hintergrundgeschichten detailliert ausgebaut. Dabei sind sie allesamt keine ganz klassischen Figuren. Diese Hintergründe werden im Spiel dann auch noch wunderbar mit der eigentlichen Geschichte verwoben. So wie bei Lohse, einer von einem Dämon besessenen Bardin, deren Freiheitskampf bis zum Finale eine Rolle spielen kann.
Aber erstmal landet die Gruppe auf der Gefängnisinsel, natürlich nicht ohne Zwischenfälle. Und dort öffnet sich dann direkt das Spiel. Es gibt ein klares Ziel, aber viele Wege dorthin zu kommen und entsprechend viele Verhaltensmöglichkeiten. Je nach erschaffenem Charakter (und je nachdem, welcher der Charaktere das Gespräch führt) stehen auch immer wieder andere Wege offen. So sieht nur ein Gelehrter Nutzungsmöglichkeiten in einem bestimmten Buch, oder kann nach ein paar entsprechenden Taten ein Ruf als Held gewonnen werden, was dann neue Antwortmöglichkeiten eröffnet. Natürlich ist auch ein Ruf als Bösewicht eine Möglichkeit, wobei ich nicht selbst getestet habe wieweit sich das Spiel in diese Richtung drehen lässt.
Auch die folgenden Gebiete funktionieren so – sie sind alle offene Karten, in denen die Gegnerschwierigkeit die Begrenzungen setzen und es (gerade für den Hauptquest) immer mehrere Optionen gibt. Und vorher getroffene Entscheidungen haben oft Folgeauswirkungen, auch über den jeweiligen Akt hinweg.
Überraschend harte Kämpfe
Bei aller Freiheit: Die Rundenkämpfe werden in jedem Fall einen großen Teil des Spiels ausmachen. In ihnen spielen wieder die Elemente durchaus eine Rolle, sodass Öllachen durch Feuer in Brand gesteckt werden können usw. Es gibt nun zudem eine physische und eine magische Rüstungsleiste, sodass die Konzentration der jeweiligen Schadensarten als Taktikkomponente hinzukommt. Die Charaktere (und Gegner) haben mehr Fähigkeiten als im Vorgänger, entsprechend lang ist die MMO-artige Fähigkeitenleiste unten.
Bei den Kämpfen überraschte mich ihr Schwierigkeitsgrad. Ziemlich früh waren viele der erreichbaren Gegner unbesiegbar und es brauchte einiges an Suchen, um gewinnbare Kämpfe zu finden und so langsam aufzuleveln. Das wurde auch im späteren Spielverlauf nicht besser, legten doch gerade im vierten Gebiet die Gegner (und ihr geschickter Einsatz von Fähigkeiten) nochmal eine Stufe zu. Vielleicht fand ich einfach nicht die beste Kombination, doch grundsätzlich erschien mir meine Gruppenzusammenstellung vernünftig und effizient. Und mit dem kürzlich durchgespielten Vorgänger war das Spielsystem eigentlich vertraut.
Aber wenigstens war das anders als im Vorgänger, bei dem einzelne Kämpfe ungewollt schwierig erschienen. Hier war das Niveau ziemlich konsistent, nur eben konsistent hoch.
Inszenierung und Humor
Wie das Spiel sich präsentiert, da allerdings hat sich ein bisschen was getan. So sieht alles etwas hübscher aus. Inklusive dem wichtigen Inventar, bei dem jetzt endlich die Charaktere in groß angezeigt werden. Aber auch in der Spielwelt selbst sind sie und ihre Ausrüstung jetzt noch mehr wahrnehmbar.
Wieder gibt es das Problem, dass Gespräche der NPCs sich wiederholen und endlos abgespult werden. Aber es ist etwas entschärft, es gibt wohl weniger davon und die Pausen zwischendrin sind länger. Das macht es erträglicher.
Einfacher zu folgen ist auch die Hauptstory. War im ersten Teil gerade anfangs überhaupt nicht klar, was passiert und wer da handelt, und wurde zudem mit einer Taschendimension die Story immer wieder aufgehalten, ist die Geschichte des zweiten Teils von Beginn an wesentlich klarer. Und trotzdem erweitert sie sich im Spielverlauf, wird die Rolle der Spielfigur immer wichtiger und die große Handlung epischer. Allerdings, da ist kein Jon Irenicus, einen Oberbösen nicht nur indirekt zu zeichnen vernachlässigt DOS2 sträflich. Immerhin gibt es aber genug Motivation, um sich dem Bösen in den Weg stellen und die Welt retten zu wollen, nur funktioniert das mehr über die generelle Situation als über eine klare persönliche Motivation wie in Baldur's Gate 2, Witcher 3 oder gar Cyberpunk 2077, das in dieser Hinsicht in einer ganz anderen Liga spielt.
Larians Spielen wird als ihr eigenes Ding dagegen oft ein eingebauter Humor attestiert, manchmal negativ bewertet, da er für manche nicht immersionsfördernd sei. Davon habe ich diesmal nicht viel mitgekriegt. Einige Gespräche sind immer noch etwas abseitig, das sind aber besonders die mit Tieren, was komplett optional ist. Und es gibt ein paar Witze, wie dass ein Heiltrank aus einem Gifttrank und rotem Färbemittel gebraut werden kann. Aber da war nichts, was mich auch nur ansatzweise aus dem Spiel gerissen hätte. Vielmehr überwiegt an der Stelle, dass dieses Craftingsystem keine Skillpunkte mehr braucht und daher viel einfacher genutzt werden kann (was noch mehr gälte, wenn die Rezepte im Craftingmenü die erschaffbaren Gegenstände beschreiben und ihre Werte anzeigen würden…).
Vom Ton her wirkte das Ganze sogar eher ziemlich erwachsen, nicht nur durch die Thematisierung von Tod und Genozid, sondern auch bezüglich Sex – wo der Vorgänger die eine mögliche Sexszene noch durch absurdistischen Humor verstellte, wird diesmal mindestens eine überraschend ausführlich beschrieben. Noch kein Mass Effect (und wohl BG3), weil es keine grafische Inszenierung gibt, aber eben auch kein störendes Kleinkindverhalten mehr.
Was macht es so viel besser?
Also, fordernde Kämpfe, ausgebautere Mechaniken auf allen Ebenen und eine verständlichere, packendere Story – deswegen also ist das Spiel so viel besser? Mehr noch ist es die Verdichtung, dem speziellen narrativen Design des Studios folgend, das mir Anna Guxens von Larian im Interview erklärt hatte und die in diesem Spiel deutlich zu bemerken ist. So gibt es eine Hauptmission, drei Trainer zu finden – aber dann sind direkt sechs oder mehr Trainer verfügbar, und jeder von denen hat seine eigenen Missionen um sich herumgestrickt, und dann gibt es wieder andere NPCs, die beispielsweise einem der Trainer nichts gutes wollen oder ist die mögliche Unterstützung der Trainer an ethische Entscheidungen geknüpft, während gleichzeitig für ihre Missionen auch immer wieder alternative Lösungsmöglichkeiten gibt. Und genau dadurch wird das Spiel toll, weil das Handeln in einer solchen Welt sich wirkmächtig anfühlt und das Spiel auf die getroffenen Entscheidungen (fast) immer angemessen reagiert. Dieses Design ermöglicht einfach gutes Rollenspiel, gerade zusammen mit den Auswirkungen des gebauten eigenen Charakters und seinen Eigenschaften.
Dazu kommt das Charakterbausystem, das einige Freiheiten bietet und mehrere validen Gruppenzusammenstellungen zulässt. So können die Fähigkeiten frei kombiniert werden, z.B. der Nahkämpfer auch Feuermagie wirken – wobei diese Kombination wegen dem Einfluss der Charakterattribute (Stärke + Konstitution vs Intelligenz + Gedächtnis zu brauchen) nicht unbedingt ideal ist. Aber es geht eben, und einiges passt auch sehr gut zusammen, wie Kriegsführung und Gestaltswandlung.
Schwächen
Wie immer von mir unter Linux gespielt, funktionierte Divinity: Original Sin 2 unter Proton technisch nicht perfekt. So stürzte das Spiel beim Neuladen gerne mal ab (war ansonsten aber stabil) und die Ladezeiten waren auch ziemlich lang. Andere Fehler im Spiel hingen nicht an Proton, so wie ein durch eine Mission ausgelöster Kampf, der einen ganz anderen nahestehenden Questgeber – wohl nachträglich in der Definitive Edition hinzugefügt – aggressiv schaltete und so dessen Geschichte blockiert, umgeht man das Problem nicht durch einen Trick.
Während das Fähigkeitensystem und die Perks einige verschiedene Rollen ermöglichen, überraschte mich die begrenzte Auswahl für einen defensiven Kämpfer. Es war zwar möglich, Konstitution zu erhöhen und ein Schild auszurüsten, aber viel mehr passende Fähigkeiten gab es nicht. Und ironischerweise wurde dieser Kämpfer dann zu meinem besten Schadensausteiler, unter anderem wegen einem mit dem Rüstungswert des Schildes skalierenden Schildwurf.
Überrascht haben mich auch manche Schwächen bei den Rätseln. Da waren wieder manche lösbar und interessant, andere blieben mir unverständlich. Insbesondere gegen Ende ein Raum voller Schalter, bei denen die Anfangsbuchstaben der zu ziehenden Schalter zusammen Power ergeben müssen, was aber kein Hinweis im Spiel auch nur andeutete. Ähnlich waren nicht immer alle Lösungsmöglichkeiten für Aufgaben umsetzbar; beispielsweise konnte einmal einer Zielperson eine präparierte Mahlzeit übergeben werden, sodass er zur Toilette rennen muss und man ihn dort im Kampf abseits der Wachen stellen kann, aber das naheliegendere direkte Vergiften der Mahlzeit war nicht möglich. Naja.
Erstaunt war ich auch von der geringen Verbindung zur Geschichte des Vorgängers. Es gibt ein paar willkommene, direkte Verweise, aber lange war mir nicht mal klar, ob die Handlung vor oder nach den Geschehnissen des vorherigen Teils spielt. Unklar blieb mir auch, gerade zu Beginn, ob es eine gute Wahl sein würde einen eigenen Charakter zu erschaffen oder einen der vorgefertigten zu spielen. Einerseits könnte man so dessen ausgebaute Geschichte direkter erleben, aber verpasst ihn eben auch als kommentierenden Gefährten. Und während das Internet zum Spielen ein vorgefertigten Charakters riet, und das auch tatsächlich durch die erlebbare Zusatzgeschichte nicht schlecht war, verweigerte das Outro dann die Auflösung dessen Schicksals.
Unsicher bin ich mir bei dem Balancing. So sind bei Händler kaufbare Ausrüstungsgegenstände an das eigene Level gekoppelt, auch was gefunden wird rangiert ums eigene Level (auch weil höherlevelige Gegner normalerweise nicht besiegbar sind), nur selten sind Gegenstände über dem eigenen Level findbar. Das funktioniert auf der einen Seite gut, weil es mit Levelaufstiegen eine klare Progressionsmöglichkeit zeigt. Aber wäre es nicht schöner gewesen, wenn Waffen und Rüstungen statt zum Level zum Gebiet passen, entsprechend der Spieler hier ein paar weitere Möglichkeiten zur innovativen Charakterstärkung hätte?
Schließlich ist die Inszenierung ohne Zweifel anzukreiden. Erstmal sieht die Grafik nicht schlecht aus, aber auch nicht umwerfend. Vor allem aber macht das Spiel mit der Grafik wenig, gibt es zum Beispiel nur selten mal eine Kamerafahrt, um etwas zu inszenieren, und schon gar nicht das Ausspielen von Gesprächen. Das grafische Highlight ist das im Inventar sichtbare Aussehen der Charaktere, einzelne große Bossgegner und manche Effekte. Das ist besser als im Vorgänger und als in Klassikern wie BG2, aber noch ein ganzes Stück hinter den späteren Rollenspielen von Bioware, gänzlich ohne den stärkeren Inszenierungsansätzen von beispielsweise Wasteland 3.
Insgesamt ist Divinity: Original Sin 2 trotz der aufgelisteten Schwächen ein hervorragendes Rollenspiel geworden. Es ist sogar auf einer Ebene mit den Genregrößen, schwächer in manchen Teilaspekten als die klassischen RPGs, aber stärker in anderen. Vor allem aber ist das Spiel so stark verbessert zum auch schon guten Vorgänger, dass ich die Steigerung im nächsten Teil nun unbedingt erleben will – nämlich Baldur's Gate 3, dessen tolle Bewertungen nach diesem Erlebnis kaum noch überraschen.
Danke an Thomas für das Spiel und den Reviewwunsch! Seine detailliertere Beschreibung des Spiels sei an dieser Stelle empfohlen.
Superhot, die effiziente Ausarbeitung einer guten Idee
Superhot war ein großer Hit und verdankt das einer tollen Idee: Die Zeit fließt nur, wenn die Spielfigur sich bewegt. Langsam, wenn der Spieler sich in der Egoperspektive umsieht, regulär schnell, wenn sich der Spieler mit der Tastatur bewegt.
Zeitkontrollierte Puzzlegefechte
Dieses Prinzip wird konstant durchgehalten. Mit ihm wird in jeweils kurzen Leveln ein Shooter umgesetzt: Rote Gegner müssen besiegt werden, ein Schuss reicht jeweils, aber auch ein einzelner Treffer führt zum Spielertod. Dann muss das Level von vorne probiert werden. Dabei kommt es natürlich weniger auf gute Reflexe an, sondern sind die verschiedenen Gefechte vielmehr Puzzle. Verstärkt wird das noch durch die nach der Storykampagne freigeschalteten Herausforderungen, in der ersten müssen beispielweise alle Level nochmal mit nur einem Katana bestritten werden.
Normalerweise umfasst das Waffensortiment Pistolen, Schrotflinten und Maschinengewehre. Weitere Besonderheit: Nachladen ist nicht, ist das Magazin leer dient die Waffe nur noch als Wurfgeschoss, das dann kurzfristig Gegner betäubt. Herumstehende Vasen und ähnliche farblich markierte Objekte haben den gleichen Effekt, halten aber natürlich auch nur einen Treffer aus. Selbst Nahkampfwaffen gehen nach wenigen Treffern kaputt, neben Katanas gibt es noch Knüppel. Ohne Waffe in der Hand können die Gegner immer noch geschlagen werden, drei Schläge tötet sie, vor allem aber lassen sie dabei ihre eigenen Waffen fallen, die dann noch in der Luft (die Zeit ist ja kontrollierbar, das Greifen also einfach) genommen werden können.
Die Gegner sind dabei sehr gute Schützen und rennen auch geschickt zu den herumliegenden Waffen, haben sie selbst keine parat. Aber die Kugeln bleiben durch die Zeitkontrolle in der Luft stehen, sind also sichtbar. So kann man den Schüssen effektiv ausweichen.
Wird das ganze ohne die Pausen abgespielt sieht das Vorgehen des Spielers dann natürlich großartig aus, so fähig war ich in noch keinem Shooter wie in den Replays von Superhot, die nach jedem Level abgespielt werden. Es gibt sogar ein Interface um die Replays zu bearbeiten und angeblich irgendwo hochzuladen, nur blieb dieses mir völlig unverständlich. Da ist es besonders schade, dass während des regulären Replays groß "Superhot" über das Bild geschrieben und laut gesprochen wird. Wobei das natürlich eine gewisse Atmosphäre schafft, eine verfremdende, wie sie zu der Story passt.
Eine Indiestory
Denn zusammengehalten werden die Level durchaus, durch eine knappe Story, deren Art sehr typisch für Indiespiele ist. Das Hauptmenü ist wie ein Textmenü eines alternativen Betriebssystems gehalten. Dort erscheint die Nachricht eines Kontaktes, doch die superhot.exe zu starten, das Spiel sei so innovativ. So beginnen die ersten tutorialartigen Levels, bis das Spiel einen hinauswirft, doch eine neue Nachricht schaltet es wieder frei. Doch natürlich ist nicht alles so simpel wie es scheint und Superhot spielt etwas mit der Metaebene, nicht ganz unähnlich zu The Beginner's Guide (zu dessen Erzählform ich auf GamersGlobal noch etwas mehr geschrieben habe) – das ist nicht die gleiche Geschichte und nicht der gleiche Kniff, aber Ähnlichkeiten sind da und sie betonen die Indieartigkeit des Spiels.
Dabei ist es ein bisschen schade, dass die Story ihr eigenes Potential nicht nutzt. Später im Spiel sind Anweisungen zu befolgen, die nicht gerade gutmütig wirken. Das Spiel bietet dem strikten Befolgen aber keine Alternative. Insbesondere bei der Übernahme eines Computerkerns ist der Gedanke naheliegend, diesen stattdessen zu zerstören; doch ist er unverwundbar und es spawnen nur immer wieder neue Gegner. Das wäre die Gelegenheit für ein alternatives Ende gewesen, doch dazu reichte es nicht.
Strikt linear, mit kurzen Leveln und dem prägendem Spielprinzip ist Superhot sehr auf dieses Prinzip fokussiert. Mehr noch, es ist nicht mehr als die notwendige Aufarbeitung desselben, um es in ein Spiel zu pressen. Das wird dann auch nach nur drei Stunden ausgespielt sein. Außer man hat sehr viel Spaß an den Herausforderungen und will die Levels noch mehrfach mit Zusatzregeln bestreiten. Der Umfang ist also sehr gering, die Spielzeit, aber auch die Waffenauswahl, die Variationen in den Levels. Der abstrakte Grafikstil passt dann auch mehr zu den begrenzten Mitteln des Spiels.
Trotzdem ist die Idee des Spiels super und die Umsetzung mag nicht ausufernd sein, aber sie ist ausreichend um das Spielprinzip wirken zu lassen. Viele Designentscheidungen drumherum sind auch richtig gut, wie z.B. dass jeder Treffer tödlich ist, so wird die Zeitkontrolle noch wichtiger. Superhot ist also wirklich spielenswert, nur zu teuer sollte es angesichts des geringen Umfangs nicht sein.
Saints Row, das so berechtigte wie unglückliche Remake
Selten war ein Serienneustart notwendiger als bei Saints Row. Denn was (für mich in Teil 2) als leicht abgehobener GTA-Konkurrent angefangen hatte, wurde über die Steigerung im dritten Teil schließlich in Saints Row 4 von Superheldenkräften ziemlich transformiert. Die eigenständige Erweiterung bzw fünfte Teil Gat out of Hell soll das Konzept dann ziemlich strapaziert haben. Man merkte aber auch schon beim vierten Hauptspiel, dass die Mischung keine weiteren Spiele tragen würde, zu absurd und unrund war Ton und Spielinhalt geworden. Es war ein Wunder, dass die Kombination ein Spiel lang so gut funktionierte.
2022 gab es dann also diesen Neustart mit dem unkreativ benannten Saints Row. Auf dem Papier stimmt das Konzept, aber als Spiel funktioniert es nicht richtig.
Eine Kriminellen-WG
Der zu Spielbeginn erstellte Charakter lebt mit drei Freunden in einer WG. Die sind in kriminellen Organisationen involviert, auch der Spielercharakter hat gerade bei der halbseidenen Söldnergruppe Marshall eine Stelle angefangen. Das geht bald schief, schnell findet sich ein neues Ziel: Den Aufbau der Saints, der eigenen Kriminellengruppe. Denn warum für andere arbeiten, wenn das Geld auch in die eigene Tasche fließen könnte? Immerhin ist der Spielercharakter eine unverwundbare Killermaschine, das kriminelle Potential der Freundesgruppe dadurch groß.
Klar, dass die etablierten Gangstergruppen mit diesem Vorhaben ein Problem haben. Die Hauptmissionen folgen diesem Konflikt mit ziemlich bombastischen Missionen, in denen immer sehr viele Gegner erledigt werden müssen. Die Inszenierung soll dabei kaschieren, dass spielerisch nicht viel Abwechslung bei dem Shooter-Spielinhalt geboten wird – was auch tatsächlich gelingt, die sind dadurch oft gut und unterhaltsam gemacht.
Bekannte Spielelemente
Ein Shooter mit der Kamera in der Rückenperspektive, zusätzlich wilde Autofahrten, das ist also der GTA-angelehnte Spielinhalt. Dazu kommen aber noch mehr alte Elemente der Spielreihe. So ist die Stadt mit Nebenaktivitäten gespickt. Manche davon sind neu, wie der Sprung mit Flügelanzug aus einem Helikopter auf Dächer, um Satellitenschüsseln zu zerstören. Andere sind von früher, wie das möglichst schnelle Zerstören via einem Raketenwerfer von möglichst vielen Objekten – wie Autos und was sonst so in Städten rumsteht –, um im Rampage-Minispiel den Schadenszähler über die Zielmarke zu bringen.
Manche dieser Aktivitäten sind dabei an die kriminellen Unternehmungen gebunden, die mithilfe einer Karte im Hauptquartier der Saints im Stadtgebiet verteilt werden können. Dadurch werden dann diese Minispiele freigeschaltet, was ihren automatischen Gewinn erhöht und auch andere Boni gibt, wie neue Kleidungsstücke oder neue Arten von Gang-Rekruten. Kleidung gibt es sonst auch in Shops in der Stadt zu kaufen, ebenso wie einige bessere Waffen – und das zu tun zählt als Aufgabe für den Sektorfortschritt, in den via den Unternehmungen von den Saints kontrollierten Gebieten. Wobei der keine Auswirkungen auf das Spiel hat, außer dem Einfärben der Karte.
Thema Farbe: Das Aussehen der Spielerfigur kann auch über die Kleidung hinaus später noch in einem Editor angepasst werden. Von monströsen Kreationen zu recht hübschen Menschen ist die erreichbare Skala groß. Und auch die Auswahl an Sprechern ist gut, die von mir gewählte Stimme 2 (Erica Lindbeck) spielte ihre Rolle einwandfrei. Nur wenn die hispanische Stimme (wohl Rebecca Sanabria) aus Teil 2 und 3 wiedergekommen wäre, hätte ich mich darüber mehr noch freuen können.
Ton- und Spieldesignverirrungen
Diese Spielereihe hat immer einen merkwürdigen Ton gehabt. Damit meine ich nicht die Sprecher, sondern die Erzählung, die eine seltsame Mischung aus GTA-Gangstergehabe und übertriebenem Witz war, dessen absurder Anteil dann immer weitergedreht wurde. Im Ergebnis wirkte es wie eine Parodie des GTA-Genres, gerade Teil 2. In der Neuauflage wird die Mischung wieder versucht, aber es wird zusätzlich vermischt mit einer anderen Art von Auftreten und einem steten Wechsel zwischen Humor und emotional anteilnehmenden Ernst. Da passiert es schonmal, dass nach einer absurden Autometzelsequenz die Mitbewohnerin zusammenklappt, weil das eben vom Feind zerstörte Gefährt ein Andenken an ihr altes Leben in Lateinamerika war, was dann völlig ungebrochen ausgespielt wird. Wenn dann die nächste Mission wieder belanglos absurd ist – das ist dann verstörend.
Auch, weil dieser versuchte Humor nicht mehr so zündet wie früher. Das ist kein krasses Zuspitzen von Genreklischees mehr, und eben auch nicht das sich selbst weiterdrehende absurde von Teil 3 und 4. Er hat mehr dieses aufgedrehte, pointenlose Präsentieren von harmlosen Absonderlichkeiten, was leider immer mal wieder an den Unhumor im bescheuerten Ghostbuster-Reboot erinnert. Ganz so schlimm ist es nicht, auch ist es kein FUBAR, aber als dann noch für eine weibliche Vampirfigur "they" als Pronomen gewählt wurde, hat es bei mir Klick gemacht – die dachten, sie erreichen mit dem komischen Getue junge Leute. Mich als Freund der alten Spiele aber stoß es immer wieder ziemlich ab.
Auch spielerisch geht das Design nicht ganz auf. Der größte Spielinhalt sind die Schießereien, aber die fühlen sich schlicht nicht aufregend an. Die Waffen haben keinen Wumms, weder die eigenen noch die der Gegner. Die Kämpfe sind meist auch belanglos einfach, wenn nicht gerade riesige Gegnermengen auf einen zustürmen. Dann ist es manchmal haarig, ob man noch rechtzeitig einen Finisher zum Heilen absetzen kann – lustigerweise funktioniert da bei der Heilung Saints Row wie das gerade von mir gespielte, aber ansonsten sehr unähnliche Space Marine. Es fehlen die interessanten Gegnerarten, die überlegten Gruppenzusammenstellungen und Positionierungen, aber auch die kreativen Waffen um die Kämpfe aufzulockern. Und gerade die Anfangsmission ist in ihrer spielerischen Belanglosigkeit abschreckend.
Unglücklich ist auch, dass so viele Spielinhalte an die optionalen kriminellen Unternehmungen geknüpft sind. Dadurch können sie leicht verpasst werden und fügen sie sich nicht natürlich in die Hauptstory ein. Die dann auch fertig sein kann, bevor alle Gebäude oder auch nur ein Großteil errichtet wurde. Noch dazu sind manche der direkt auffindbaren Aktivitäten in der Stadt dämlich – besonders übel stößt eine Kartenmarkierung auf, bei der immer fünf Tafeln in einem kleinen Umkreis gefunden werden müssen, die dann irgendwelche vermeintlichen Fakten über die Stadt vorlesen. Manchmal sind da ein paar okaye Witze und Anspielungen an frühere Spiele versteckt, aber eben nur manchmal, und das Suchen der Tafeln ist in jedem Fall unspaßig.
Wenn man bedenkt, dass dieses Saints Row zwei Jahre nach Cyberpunk 2077 rauskam, wirkt es grafisch, spielerisch und erzähltechnisch schon unheimlich angestaubt. Und das, obwohl die Release-Bugs mittlerweile wohl gefixt sind, zumindest hatte ich nur wenige Probleme. Gleichzeitig verstellt es durch seinen seltsamen Tonfall die Retrowertschätzung, fällt es schwer, die Zuneigung für gerade Saints Row 2 und 3 hierhin zu übertragen. Dabei zeigte Cyberpunk doch, dass solch ein Anbiedern an Twitter-Mentalitäten(?) überhaupt nicht nötig ist um eine Spielerschaft zu gewinnen. Und während die Figuren dort in meinem Kopf ewige Erinnerungen bleiben werden, waren mir selten NPCs mehr egal als die komplett blassen und im Spiel fast nie selbst handelnden WG-Mitbewohner.
Aber Saints Row ist kein Totalausfall. Denn manchmal gelingt der Spielreiz eben doch. Wenn die Missionen absurd bombastisch und völlig unernst inszeniert werden, wenn die einzelnen Minispiele funktionieren, wenn man sich beim Erkunden der Stadt wiederfindet oder einfach nur etwas Zeit investiert, dem eigenen Charakter schönere Kleidung zu suchen. Ganz falsch kann Saints Row also seine Sache nicht machen, mehr noch, wenn ich nach Abschluss der Hauptstory eben doch ein paar Abende mehr dieses Spiel starte, um die verpassten Spielelemente nachzuholen und die restlichen Gebäude zu errichten.
Daher registriere ich mit Bedauern, dass Entwickler Volition nach diesem Spiel geschlossen wurde. Weil damit kaum eine Chance besteht, dass diesem Neustart ein zweiter Teil folgt – der dann vielleicht auch mehr noch das alte Saints Row 2 aufgegriffen und eine ähnliche Verbesserung zum Vorgänger bedeutet hätte, wie Saints Row 2 es zum original Saints Row 1 gewesen sein muss.
Warhammer 40,000: Space Marine
In Warhammer 40.000: Space Marine spielt man, wenig überraschend, einen Space Marine. Das Spiel ist von 2011, ist ein Shooter mit der Kamera in der Rückenperspektive und erinnert mit seiner Ästhetik an Gears of War, spielt sich aber viel flotter als ein Deckungsshooter.
Eine Orkinvasion
Denn der kontrollierte Ultramarine Captain Titus kann auch gar nicht groß in Deckung gehen, landet er doch zu Spielbeginn als Vorhut im Zentrum eines Abwehrkampfs gegen eine Orkinvasion. In Warhammer 40K bekriegen sich die Rassen ja in einem immerwährenden Krieg, dass Orks da eine Welt des Imperiums überfallen ist erstmal nichts besonderes. Diese Fabrikwelt soll aber wegen ihrer Titanenproduktion unbedingt gehalten werden, weshalb die Ultramarines entsandt wurden. Im Intro bricht Titus mit zwei Gefährten daher durch die Front mit dem Ziel, eine Titanenproduktionsstätte zu erreichen und zu sichern.
Ohne weiter spoilern zu wollen, es wird nicht bei den Orks als Gegnern bleiben. Aber erstmal kommen die Gegnermassen aus deren Reihen. Kleine Orks, größere, explodierende kleine Monster und Fernkämpfer, später auch mit Raketenwerfern, und gelegentliche übergroße Gegner sind in großer Masse zu besiegen.
Nah- und Fernkampf
Wie die Gegner fallen, dafür gibt es in den Schlauchleveln doch etwas Abwechslung. Titus kann im Nahkampf zuschlagen, eine Dreierkombinationen aus Schlägen absetzen und optional die Kombo per Tastendruck (F) mit einem Betäubungsschlag enden. Betäubte Gegner daraufhin mit (E) zu erledigen ist die Haupt-Heilquelle, abgesehen von gelegentlichen Levelwechseln, wobei ein regenerierendes Schild erstmal den Lebensbalken schützt. Aber die Gegner schlagen heftig zu, Blocken geht nicht, eine Ausweichrolle hilft da.
Oder alternativ helfen die Fernkampfwaffen. Ein Bolter (in diesem Spiel ein simples Maschinengewehr), zwei Variationen von Scharfschützengewehren, zwei – oder je nach Zählweise drei – Variationen von Granatwerfern, eine Plasma-Schrotflinte und eine Pistole sind das durchaus ausreichende Sortiment. Nur vier davon können getragen werden, immer wieder finden sich Upgrades oder Alternativen in den Leveln.
Egal ob Fernkampf oder Nahkampf, erledigte Feinde laden einen Energiebalken auf, der wenn voll für einen Berserkermodus genutzt werden kann. Der erhöht Schaden im Nahkampf, heilt Titus und später ermöglicht er das Zielen in Zeitlupe. Bei den größeren Orks z.B. ist dieser Boost eigentlich Voraussetzung, um die im Nahkampf besiegen zu können.
Stärken bei der Story, Schwächen bei der Story
Im Fokus steht also klar das Gemetzel durch die Feindeshorden und damit die große Stärke der Story: Sie ist komplett irrelevant. Es geht nur um einen Vorwand, immer wieder neue Feindesgruppen besiegen zu müssen. Denn die Kämpfe machen Spaß, egal worum es geht.
Aber das zeichnet die Story vielleicht negativer, als sie ist. Ihre Schwäche ist die absolute Vorhersagbarkeit einer vermeintlichen Überraschung zur Mitte des Spiels. Ansonsten passt sie gut ins Warhammer-Universum und gibt mit ein paar NPCs Motivation fürs eigene Handeln. Dabei zeichnet sie angemessen grau und brutal diese Kriegswelt, aber auch die Überlegenheit der Space Marines.
Wobei diese Überlegenheit manchmal kaum zu spüren ist. Gerade gegen spätere Gegner kann die falsche Bewaffnung schnell zu kaum zu bewältigenden Situationen führen. Tückisch ist da besonders der Hammer, der zwar die Nahkampfangriffe deutlich effektiver macht, aber die beiden Waffenslots mit den stärkeren Waffen blockiert. Er erzwingt so das Stürmen in die Gegnerhorden, was manchmal aber nur zum schnellen eigenen Ableben führt, ein langsameres Ausschalten der Gegner mit dem Scharfschützengewehr ist dann viel einfacher. Aber ist das Gewehr eben blockiert oder gar nicht im Inventar, steht man dann teils doof da.
Neben diesen Balancingproblemen ist auch die Grafik kein Pluspunkt des Spiels. Nicht nur ist sie alt, sondern war sie auch bei Release nicht hübsch: Alle Landschaften sind grau oder braun und es gibt wenig visuelle Abwechslung. Immerhin ist entsprechend die Performance auch unter Linux immer einwandfrei gewesen und gab es weder Abstürze noch sonstige Bugs.
Die Kampagne von Warhammer 40.000: Space Marine unterhielt mich für etwa sieben Stunden ziemlich gut. Die Kämpfe sind flott und auch wenn ihre Spielmechanik simpel ist, bleiben sie durch die Massen an teils auch noch starken Gegnern fordernd. Darauf zu reagieren, entsprechend in Nah- oder Fernkampf zu gehen und dabei die richtigen Waffen zu wählen bleibt interessant. Einzelne Stellen sind frustrierend schwerer als andere, aber es kippt nie ins unschaffbare, dadurch wird jeweils der doch erreichte Sieg nur umso erfreulicher.
Wer an Shootern generell keinen Spaß hat würde dieses Spiel aber wirklich hassen. Für wen ein simpel, jedoch kompetent gestrickter Shooter ohne lähmende Deckungsmechanik dagegen interessant klingt, der ist hier gut bedient. Später im Jahr soll ein Nachfolger rauskommen, ob der ähnlich unkompliziert spaßig werden kann?
Ghostrunner
Ghostrunner ist kein einfaches Spiel, es ist kein erholsames Spiel. Es ist fordernd, schweißtreibend und mit unzähligen Bildschirmtoden gespickt. Aber wer eine Herausforderung sucht sollte sich diesen Titel näher ansehen.
Das Spiel als Ghostrunner
In der Introszene wird der Ghostrunner von einem Cyborgwesen mit Roboter-Oktopusarmen getötet, kurz darauf wacht er wieder auf. Der Ghostrunner, das ist ein mit einem Schwert und Spezialfähigkeiten bewaffneter Kämpfer, der an Wänden entlanglaufen, Abhänge herunterschlittern, gut springen und (in der Luft sogar kombiniert mit einem Zeitlupenmodus) ausweichen kann. Man steuert ihn in der Egoperspektive und versucht die Gegner auszuschalten, bevor sie einen selbst erwischen – und das ist leichter gesagt als getan. Denn schon die Anfangsfeinde zielen schnell und gut, mit einem Treffer ist der Ghostrunner tot. Aber genauso tötet auch er die Gegner mit einem Treffer.
Um Erfolg zu haben muss man geschickt durch die Level laufen. Meist geht es darum schnell zu sein, präzise zu springen, Schüssen mit Shift auszuweichen oder mit dem Schwert zu parieren und die Gegner zu erreichen. Die Kämpfe werden so mehr zu einer Art Puzzle. Andere Abschnitte sind reine Sprungpassagen, die kombinieren dann gerne Wandläufe mit Sprüngen. Bossgegner gibt es auch, sie sind alle tatsächlich besondere Herausforderungen.
Machbar ist das alles nur, weil ein Tod nicht schlimm ist. Stattdessen geht es zurück zum letzten Checkpunkt, der fast immer nur ein paar Sekunden vorher aktiviert wurde. So probiert man Abschnitte einfach immer wieder, bis entweder eine alternative Route oder das perfekte Timing die Stelle löst.
Manchmal ist die Lösung auch eine der Spezialfähigkeiten des Ghostrunners, die nach und nach im Spielverlauf dazukommen. So ist die erste ein Hastangriff, der mehrere Gegner auf einmal erledigen kann, sind sie hintereinander positioniert. An anderen Stellen gibt es Powerups, das erste davon beschleunigt den Ghostrunner so massiv, dass die Gegner in Zeitlupe weggefegt werden können. Sowas wird dann auch für manche der in den Leveln verteilten Rätseln benutzt. Dazu kommen Upgrades, die über ein Blocksystem kombiniert und problemlos umkonfiguriert werden können, sodass dann beispielweise zwei Ausweichbewegungen per Shift hintereinander möglich sind und Powerups länger halten.
Flow vs Schwierigkeit
Ich muss nochmal betonen wie schwer das Spiel ist. Ob Sprungpassagen, reguläre Gegner oder bei den Bossen, alle möglichen Situationen ließen mich zigfach ins Gras beißen. Pro Level dann gerne auch hundertfach, was eine Statistik am Ende auch noch anzeigt. Und gerade bei den Bossgegnern und einer Sprungpassage am Ende zweifelte ich mehrfach, ob ich das Spiel überhaupt würde beenden können. Das verlangte Timing ist härter als bei den schwierigeren Bossgegnern in Dark Souls, deutlich schwerer als bei dem bekannten Parkour-Spiel (und klarer Inspiration) Mirror's Edge. Mich aber packte dann der Ehrgeiz, das Spiel besiegen zu wollen, und schwierige Stellen irgendwann hinzukriegen ist ja auch belohnend. Und mit der tollen, treibenden Musik des Spiels im Ohr und den schnellen Sprüngen zum letzten Rücksetzpunkt entsteht schnell ein fesselnder Flow.
Mir half auch, dass die Story nicht daneben war. Sie erzählt von einem Machtkampf in einer dystopischen Welt und wird während dem Spiel durch drei mit dem Ghostrunner redenden Akteuren erzählt, jeweils gut vertont. Die Grafik ist noch dazu ansehnlich, auch wenn mein Magen mit den Cybervoid-Passagen mit ihren wabernden Texturen etwas zu kämpfen hatte.
Ghostrunner ist vom 11. bis zum 18. April kostenlos im Epic-Store zu haben. Es lief einwandfrei unter Wine 9.5, wie installiert und konfiguriert von Heroic.
Ich würde gerne behaupten, dass ich Spaß mit dem Spiel hatte, aber das trifft es nicht wirklich. Es hatte mich gepackt und ich konnte es respektieren, es ist insgesamt gut gemacht. Aber an einzelnen Stellen schlittert es nur haarscharf daran vorbei, durch einen zu hohen Schwierigkeitsgrad unspielbar zu werden – perfekt ausbalanciert ist es nicht, die Schwierigkeitsspitzen sind bei einem sowieso hohen Anspruch dann teils zu viel. Entsprechend muss ich dann auch die Empfehlung einschränken: Ich gebe eine, aber nur wenn man frustresistent an dieser Art von Spielen Spaß finden kann, an stark fordernden Reaktionstests, für mit Maus und Tastatur wirklich geübte Spieler.
Divinity: Original Sin (Enhanced Edition)
Divinity: Original Sin ist ein Prequel zu der Divinity-Serie, mit der sich die Larian-Studios vor ihrem Riesenhit Baldur's Gate 3 beschäftigten. 2014 veröffentlicht kam ein Jahr später die Enhanced Edition heraus, mit inhaltlichen Änderungen bei der Story, Verbesserungen bei der Sprachausgabe, einer Linuxversion usw. Wie spielt sich das heute?
Charaktererschaffung
Zu Beginn auf jeden Fall recht klassisch, denn zuerst steht die Charaktererschaffung. Die läuft wie in vielen RPGs, wobei zwei Charaktere gebaut werden. Jeweils gilt es das Aussehen der Figur zu wählen, mit einem gezeichnetem Porträt und Anpassungen an dem 3D-Modell; die Herausforderung da, das Modell durch Haarstil und Farbe dem Porträt anzugleichen. Zweitens die Sprachausgabe, wie der jeweilige Charakter klingen soll – das wählen zu können erinnert direkt sehr an Baldur's Gate 1. Drittens die Attribute, Fähigkeitenstufen und Eigenschaften des Charakters, die das Spiel direkter beeinflussen als das Aussehen, wie bei fast allen RPGs.
Die Attribute sind wenig überraschend Stärke und Konstitution für Nahkämpfer, Geschicklichkeit und Wahrnehmung für Fernkämpfer, Intelligenz für Magier. Für alle nicht unwichtig ist Geschwindigkeit, was die Aktionspunkte im Rundenkampfsystem beeinflusst. Attribute funktionieren dabei neben ihrem Einfluss auf Ausweichen und Schaden vor allem auch als Schranke für die Ausrüstungsgegenstände, ein besserer Bogen als Beispiel braucht eine gewisse Geschicklichkeitsstufe. Entsprechend verteilt man hier die Punkte.
Dann die Fähigkeitenstufen, und hier wird es etwas wirr. In der Liste oben stehen die Waffenfähigkeiten, die geben aber nur Schadensboni und sind zweitrangig. Viel wichtiger sind die Fähigkeitenstufen für die Rollen, z.B. Expert Marksman. Denn damit können die im Kampf auslösbaren Fähigkeiten gelernt werden, die bei Händlern als Gegenstand gekauft oder im Laufe des Spiels gefunden werden. So kann dann der Bogenschütze einen Mehrfachschuss abfeuern oder auch einen Charakter notdürftig verarzten. Auch für Nahkämpfer gibt es eine solche Rolle samt interessanten Fähigkeiten, Man in Arms, Magier lassen sich auf vier Elementarbereiche spezialisieren, dazu gibt es eine von mir wenig genutzte Diebesrolle.
Verteidigungsfähigkeiten gibt es obendrauf, z.B. der bessere Umgang mit Schilden. Dann gibt es einen Bereich zum Umgang mit NPCs – in dem auch eine für den Kampf nicht unwichtige Führerrolle ist, gibt die doch nette Boni für alle Charaktere wenn der Anführer in Sichtweite ist, vor allem aber erhöhen Punkte in diesem Bereich die Gewinnchancen im Überzeugungs-Minispiel. Ein weiterer Bereich dient dem Craften, Reparieren und dem Identifizieren magischer Gegenstände (wobei der dafür genutzte Loremaster-Skill ebenfalls auch im Kampf hilfreich ist, dazu unten mehr), und schließlich ist da der Fähigkeitenbereich für halbseidenes, wie Schlösser knacken und Taschendiebstahl.
Den Abschluss der Charaktererschaffung bilden die Perks. Und auch hier ist es etwas wirr: Da gesellt sich überflüssiges neben sehr praktisches. Ein Perk beispielsweise verringert nur etwas die Abnutzung von Gegenständen in Kampf, wobei ein Reparaturhammer auch unterwegs die Abnutzung direkt wieder zurücksetzt, das macht den Perk unnötig. Ein anderer dagegen ermöglicht das Sprechen mit Tieren, wovon es sehr viele im Spiel gibt die viele nützliche Hinweise geben. Viel wichtiger. Und auch für den Kampf gibt es sehr hilfreiches, wie die Möglichkeit die Reichweite von Zaubersprüchen zu erhöhen, oder in Blutlachen stehende Kämpfer sich heilen zu lassen.
So erstellte ich mir einen defensiven Nahkämpfer, den ich später mit Heilmagie zum Paladin weiterformen wollte, und eine Bogenschützin, die auch Erdmagie beherrschte.
Storybeginn und erste Wendung
Die zwei soeben erschaffenen Charaktere landen dann mit der Kamera in Draufsicht an einem Strand. Der Auftrag: Als Source-Hunter einen Mord untersuchen. Source sei die Quelle finsterer Magie, der eigene Orden dessen Ausrottung gewidmet, und bei dem Mord könnten Source-Magier eine Rolle gespielt haben. Gleichzeitig ist diese Kleinstadt unter Beschuss: Auf der einen Seite kriegslüsterne Orks, auf der anderen anstürmende Untote. Klar, es ist dann an uns, diese Quests aufzulösen – wobei viele kleinere Nebenquests dazukommen.
In diesem ersten Ort gibt es auch vier zusätzliche Begleiter, wovon jeweils zwei in die Gruppe aufgenommen werden können (die anderen warten dann erstmal in der Taverne). Von den vieren fand ich in meinem Durchlauf aber nur drei – ungewöhnlich, die nicht so prominent zu platzieren, dass sie unverpassbar sind. Und auch bei den gefundenen hätte die Gefahr bestanden, sie nicht mitzunehmen: So ist die die Bogenschützin Bairdotr wegen Gewalttätigkeit in einem Käfig gefangen und das Spiel gibt die Möglichkeit, das hinzunehmen. Und der Magier Jahan besticht nicht gerade durch ein freundliches Gemüt, aus Rollenspielgründen wäre er auch rechtfertigbarerweise nicht mitnehmbar gewesen. Dabei ist gerade Jahan sehr wichtig, mit seinem Teleport- und Heilzauber wären ohne ihn bzw. direkten Ersatz viele Bereiche des Spiels schwer oder gar nicht machbar gewesen. Außerdem hat er einen interessanten persönlichen Quest, alle Begleiter haben davon einen. Das erinnert an Baldur's Gate 2 und sie kommentieren dann auch das Geschehen, aber ansonsten sind ihre Interaktionen nicht auf dem Level des großen Vorbilds, zu selten und zu begrenzt sind die Gespräche.
Wobei Bairdotr mich auch direkt gekniffen hat: Da läuft mir als erste Begleiterin eine Bogeschützin mit laut Story Tiersprachhintergrund über den Weg, nachdem ich genau so einen Charakter gerade gebaut hatte. Hmpf.
Auch an BG2 erinnert ein Kniff, der je nach Vorgehen sehr früh oder nach ein paar Spielstunden die Story auf ein anderes Niveau hebt: Plötzlich wird die Gruppe in einen kleinen extradimensionalen Bereich teleportiert. Und dort wird dann eine große, existenzbedrohende Storywendung angelegt, die Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Spielcharaktere haben könnte. Anfangs ist das sehr vage und fühlte es sich unangenehm an: Die angelegte kleine Geschichte um den Mord, Bedrohung durch Untote und Orks wirkte so, als ob sie sich ganz natürlich hätte weiterentwickeln können. Ähnlich wie Pillars of Eternity noch am Ende wirkte, war dieser epische Überbau zu Beginn überzogen. Aber im Spielverlauf rechtfertigte das Spiel ihn diesmal für mich: Original Sin baut diese Hintergrundgeschichte schichtweise weiter auf und verwebt sie so dicht mit der Spielhandlung, dass sie mich am Ende durchaus gepackt hatte. Die Geschichte hat nach dem holprigen Einstieg immer gelungen die Überleitung zu ihren jeweiligen Ebenen geschafft.
Solide Kämpfe samt Elementen
Um die Handlung zu erleben müssen viele Kämpfe geschlagen werden. Original Sin bedient sich dafür eines Rundenkampfsystems. Bewegungen, reguläres Angreifen und das Benutzen der verschiedenen Fähigkeiten kostet Aktionspunkte, die sich jede Runde neu auffüllen. Wie sehr beeinflusst das Geschwindigkeitsattribut, die abgeleitete Initiative bestimmt wer wann zieht. Was natürlich sehr wichtig ist, um noch vor den Aktionen der Gegner direkt die ersten Feinde auszuschalten, die Gruppe geschickter zu positionieren oder (besonders effizient) Verstärkung beschwören zu können. Das funktioniert gut.
Was mir die Kämpfe noch am meisten störte war ein Bedienungsproblem: Der Mauszeiger wechselt manchmal unerwartet zwischen Angriff und Bewegung. Dann läuft der Bogenschütze schonmal neben den Gegner, statt ihn zu beschießen. Es fehlt also ein festeres Aufschalten auf einmal mit dem Mauszeiger berührte Gegner, aber mit der Zeit konnte ich mich daran gewöhnen.
Divinity zieht in den Kämpfen viele Möglichkeiten aus dem Elementsystem. Stehen die Gegner beispielsweise in einer Wasserfläche, elektrifiziert ein entsprechender Blitzangriff alle auf einmal und gibt so die Chance, sie für ein paar Runden zu betäuben – und den auch im Wasser stehenden eigenen Nahkämpfer versehentlich genauso auszuschalten. Viele Gegner, gerade später, haben Resistenzen – dem Feuerdämon tut ein Feuerangriff nicht weh, sondern würde ihn gar heilen. Um das vorher zu erkennen kann ein Charakter mit hohem Loremaster-Level (sonst zum Identifizieren magischer Gegenstände genutzt) die Gegner jederzeit untersuchen, das zeigt dann ihre Werte samt Resistenzen und Schwächen an. Gerade bei stärkeren Gegnern und großen Gruppen macht das überlegte Nutzen der Elemente desöfteren den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage aus.
Gerade stärkere Gegner lassen dann auch magische Gegenstände fallen. Die haben auch ihre Stufe, brauchen also ein gewisses Level um sie ohne höhere Aktionspunktekosten zu benutzen. Riesig ist die Auswahl an Waffen und Rüstungen an sich nicht, aber es gibt mit den magischen Varianten genug Ausrüstung zu verwalten, mit passenden Eigenschaften, um die Charaktere zu spezialisieren. So trug mein Nahkämpfer ewig lange einen Helm, der zwar wenig Rüstung bot, aber seine Führungsfähigkeit und seine Konstitution verbesserte. Und der Einhandknüppel vom Miniboss, der Gegner umwerfen konnte, wurde viele Spielstunden durch nichts besseres ersetzt, zu gut passte das zu seiner defensiven Rolle. Gegen Spielende gibt es dann einen Überschuss an mächtigen magischen Gegenständen für alle möglichen Rollenentwürfe. Unpassend ist das dann nicht mehr.
Quests, Rollenspiel und überraschende Macken
Passend auch, dass es bei Quest und Rollenspiel viele kleine Entscheidungen gibt, bei denen die Positionierung meiner Charaktere gewählt werden kann – beobachte ich einen hungrigen Dieb auf dem Markt, lasse ich ihn gnädig davoneilen, oder blockiere ich autoritär rechtschaffen seine Flucht? Sowas bestimmt dann meinen Charakter auf verschiedenen solcher Skalen, was dann auch im Charakterbogen einsehbar ist und im Kampf gewisse Vorteile verschafft.
Andererseits gibt es je nach Sichtweise gar keine oder kaum große Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Handlung haben. Entsprechend kann man in den Gesprächen auch kaum eine Rolle spielen, keinen Tonfall wählen. Das Rollenspiel beschränkt sich meist auf die Auswahl von zwei Optionen, kleinen Dilemmas, die noch dazu an dem allgemeinen Handlungsfortschritt nichts ändern. Kein Vergleich selbst mit weniger bekannten RPGs wie Torment: Tides of Numenera, und obwohl das Spiel selbst so linear ist fühlte sich BG2 mit seinen expliziten alternativen Routen da freier an.
Auf den großen Karten lässt Divinity die Spielergruppe dann immerhin sehr frei vorgehen. So kann man direkt zu Beginn den Strand mit den anstürmenden Orks betreten, wird aber gewarnt, dafür noch zu schwach zu sein. Stattdessen gibt es alternative Aufgaben. Das Spiel ist recht geschickt darin, diese Alternativen anzubieten und so eine Progression aufzubauen – die Gruppe wird langsam stärker, Kartenbereiche öffnen sich, die Story geht weiter. Es gibt lineare Storybereiche und Absicherungspunkte (so lässt eine Tür vor dem Endbereich uns erst rein, wenn von einer Ressource genug gesammelt wurde, was die Abdeckung der Hauptstory sicherstellt), aber einiges läuft parallel und ist frei angehbar. Wie bei den Orks setzt dann das Gegnerlevel die Grenzen. Komplett optionale Bereiche gibt es ebenfalls, wohl ein weiteres Vorzeichen der gepriesenen Flexibilität von Baldur's Gate 3.
Das Spielervorgehen ist dabei auch in den Einzelsituationen nicht streng vorgegeben und es gibt Alternativen. In einem besetzten Dorf gegen Ende beispielsweise kann man eine Feindesgruppe infiltrieren und einen Kampf mit einer zweiten anstacheln, oder direkt mit einem "Ihr seid alle Unholde" viele Nebenquests verpassen und das Dorf mit Gewalt gegen alle Feinde auf einmal erobern. Umso mehr fällt es dann aber auf, wenn in einem Gebiet offensichtliche Handlungsoptionen nicht umsetzbar sind, wie eine Gefangenenbefreiung in einem Gefängnis der Bösewichte.
Wäre es umgesetzt, funkt manchmal bei solchen Handlungsoptionen das Entscheidungssystem dazwischen. Schrieb ich oben, dass kleine Gespräche den Charakter in verschiedenen Bereichen formen, stimmt das nur halb: Denn die Antwort auswählen kann ich nur für den gerade markierten Source-Hunter. Der Begleiter kann das ganz anders sehen. Und wird dann sagen: "Nein, wir machen das anders." Für solche Meinungsverschiedenheiten gibt es Schere-Stein-Papier als Minispiel. Nur: Der gerade gewählte Charakter ändert sich ja durchaus mal. Einmal ist also mein charismatischer Kämpfer der, mit dem ich das Gruppenvorgehen beeinflussen will, dann ist es wieder die Bogenschützin. Das ist verwirrend und wirkt kaputt.
Schlimmer: Das gleiche Minispiel dient auch dem Überzeugen von NPCs. Das sind manchmal wichtig wirkende Entscheidungsmomente nach einem großen Kampf. Die NPCs sprechen aber den ihnen am nächsten stehenden Spielercharakter an. Und dann ist es manchmal eben wieder meine wenig überzeugende Bogenschützin gewesen, ohne dass ich dann meinen Kämpfer einwechseln könnte. Dadurch lief das Minispiel oft nicht in meinem Sinne. Und manchmal muss dann erst der Begleiter von einer Antwort überzeugt werden, woraufhin dann der NPC überzeugt werden muss, manchmal mehrfach hintereinander in einem Gespräch. Sowas ist mehrfach richtig ärgerlich gewesen, gerade auch ganz am Ende, vor dem letzten Bosskampf.
Während man das Gesprächsproblem noch als spielerentmündigende Designentscheidung halbwegs rechtfertigen kann, die immerhin dem Spielverlauf eine gewisse Eigendynamik gibt, ist eine andere Macke völlig unverständlich: Herumstehende NPCs spulen immer wieder die gleichen Gespräche ab, vertont. Verweilt man dann an einer Stelle, z.B. um mal ins Inventar zu schauen oder um zu Handeln, hört man immer wieder die gleichen Gesprächsfetzen. Das wird fast unerträglich nervig. Wie konnte sowas in einer Enhanced Edition nicht abgestellt werden?
Gegen Ende hatte mich Divinity: Original Sin gepackt. Anfangs betrachtete ich es noch als sehr limitiertes, oder zumindest als sehr grobkantiges Rollenspiel. Das zwar sehr klassisch wirkte – was ich ja mag – aber auch viele Macken nicht ansatzweise verstecken konnte. Darunter, dass da zwar ein Craftingsystem eingebaut ist, ich es aber kaum benutzte – das hätte Skillpunkte gebraucht, die woanders dann fehlen würden, und das Spiel tut nichts, um mir die durch das System möglicherweise erreichbaren Vorteile zu zeigen. Durch den eingebauten Humor wirkt das Spiel auch erst nicht so, als sei es überhaupt ein ernstzunehmendes Rollenspiel – und er kollidiert immer mehr mit der Story, je mehr sie versucht episch zu sein.
Die Interaktionen in der Gruppe bleiben leider die ganze Zeit über dünn. Die Source-Hunter reden nur manchmal miteinander, noch dazu sind die Ausrufezeichen über den Köpfen dafür nur eine kurze Weile sichtbar. Das sind dann auch noch sehr kurze Gespräche mit jeweils einer Charakterentscheidung, ironischerweise formt sich dadurch eben kein Charakter heraus. Ähnlich sieht es mit den Begleitern aus, ein paar Kommentare, dazu ein persönlicher Quest: Das ist mehr als BG1, aber wieder kein BG2.
Dass da mehr ginge heißt aber nicht, dass das Spiel in diesem Bereich schlecht ist. Die Begleiter mag ich nach einer Weile ja doch, eben wegen ihrer Quest, ihrem Hintergrund und ihren Kommentaren (und Witzen), aber auch weil ich sie im Laufe des Spieles über viele Stunden ausgestalte, in Fähigkeiten und Ausrüstung. Und in anderen Bereichen ist es ja klar besser als die Altmeister.
Das Kampfsystem beispielsweise funktioniert uneingeschränkt gut. Divinity: Original Sin ist weiterer Vertreter der Rundenkampfsysteme und zeigt wieder mal kompetent, warum diese pausierbaren Echtzeitkampfsystemen im Zweifel vorzuziehen sind. Es vermeidet dabei die Schwächen der alten D&D-Spiele, indem es auch Kämpfern aktive Fähigkeiten gibt, als Pendant zu den Zaubersprüchen der Magier. Frei vom D&D-Ballast sind dabei nicht alle Fähigkeiten originell und die Systeme nicht tief, aber völlig ausreichend, gerade mit den Elementen und eben doch vorhandenen Statuseffekten. Den Schwierigkeitsgrad der Kämpfe fand ich auch angemessen, doofe Entscheidungen führen durchaus zum Gruppentod, doch bessere Ausrüstung und einen Levelfortschritt spürt man sehr. So soll es sein.
Eine gewisse Tiefe ist dann auch im Spiel drumrum. Wenn im ersten Hafen auf dem ersten Pier eine Kiste durch ein Seil abgesperrt ist, ist das in Spielelogik normal und unerreichbar. Es gibt keinen Sprung, kein Klettern. Aber mit dem Teleportzauber kann dann ein Charakter doch die Kiste plündern. Ein ziemliches Aha-Erlebnis! So wie auch das Spiel mit den Elementen, dass eine Giftwolke weggebrannt werden kann, die Feuerfläche dann durch Wasser weggewischt wird. Sowas baut sich gut in die Dungeons, aber auch stark in die Kämpfe, und hatte ich so noch nicht gesehen. Thema Dungeons: Manche der Rätsel dadrin waren unlösbar und die Hinweise schlicht falsch, beispielsweise wenn alle Kerzen anzuzünden seien, aber in Wirklichkeit alle außer einer. Es gibt aber auch lösbare Rätsel, die machen dann Spaß.
Diese Macken bei den Rätseln beschreiben für mich gut das Spiel als ganzes: Es ist ein Rollenspiel mit einigen Problem, aber auch mit viel Potential und insgesamt bereits gut. Die Topwertungen, die es bei Release bekommen hat (z.B. die 9.0 bei GamersGlobal), waren arg überzogen, dafür funktioniert zu viel nicht. Aber wer Rollenspiele mag, dem sei dieses trotzdem empfohlen, ein beachtenswerter Genrevertreter ist es durchaus.
Nintendo Gamecube und HDMI: Nicht jede Lösung taugt (Erfahrungsbericht)
Meinen Gamecube hatte ich schon vor einer Weile mit meinem HDMI-Projektor verbunden, aber das Ergebnis war Mist. Jetzt probierte ich eine neue Lösung.
Mini AV2HDMI Upscaler
Der günstigste Weg ist ein analoger HDMI-Adapter, der daher damals auch mein erste Wahl war, wie er vor einer Weile typischerweise auf Ebay verkauft wurde:
Dieser Adapter nimmt das analoge Signal, das sonst zum Scart-Anschluss gehen würde, skaliert es auf 720p oder 1080p hoch und gibt es als digitales HDMI-Signal aus.
Das klingt super, hat aber ein großes Problem: Das Ergebnis ist Mist. Schau selbst:
Auf dem Foto sieht das Bild erstmal gar nicht so schlecht aus. Es wirkt, als habe ich einfach ein schlechtes Foto geschossen. Aber das ist es eben nicht, sondern die Details sind wirklich so unscharf. Achte mal auf den Golfball unten rechts: Der ist einfach nur eine weiße Fläche, der rote Punkt ist kaum zu erkennen. Und das hängt eben nicht am Foto, sondern ist mit eigenen Augen genauso. Das Bild ist unscharf und es wird beim Kontrast enorm verfälscht, sodass helle Flächen blendend weiß sind und viele Interfacelemente auf ihnen daher kaum zu erkennen sind.
Oder zumindest war das so mies für meine Gerätekombination von Gamecube und Projektor. Dazu kam dann noch, dass der Adapter nur mit dem Ausgabeformat PAL umgehen konnte, mein Gamecube aber ein NTSC-Spiel auch abspielen sollte. Das flackerte dann furchtbar. Und mit den vielen Kabeln und dem benötigten USB-Ladegerät für die Stromversorgung war das auch unabhängig vom Bild keine stabile Lösung.
Bitfunx Line-Doubler-Adapter
Die nun getestete alternative Lösung bewährte sich schnell: Bitfunx Line-Doubler-Adapter. Der wandelt statt dem analogen das digitale Bildsignal des Gamecube um. Versprochen wird hier kein 1080p, aber da die Umwandlung so viel besser funktionierte war das Bild viel besser, Spiele waren so tatsächlich angenehm spielbar. Das Vergleichsbild:
Vielleicht sieht das auf den ernsten flüchtigen Blick gar nicht arg besser aus, zuerst irritiert auch die Größe. Tatsächlich ist der Kontrast aber viel höher und die Details sehr viel klarer zu erkennen. Schau wieder auf den Golfball: Der hat plötzlich erkennbar die Golfballporen, ist nicht mehr nur eine weiße Fläche - genau wie auch die große Wolke im Hintergrund jetzt Konturen hat. Der rote Punkt auf dem Ball ist diesmal deutlich zu erkennen. Und auch bei Mario selbst, bei seiner Mütze zum Beispiel, sind die Formen viel klarer. Bei der Distanzanzeige (212y) kann man die Bedienelemente entziffern, dadurch erst erkennen, dass L und R etwas umschaltet.
Insgesamt ist das Bild in jedem Detail viel schärfer, und wieder liegt das eben nicht am Photo, sondern ist auch in echt so.
PAL oder NTSC ist für den Bitfunx-Adapter dann auch noch tatsächlich kein Problem, das wird ohne für mich merkbaren Unterschied umgewandelt. Dazu entfällt das Kabelchaos: Der Adapter kommt als Stick hinten in den Gamecube, verstärkt von einer mitgelieferten 3D-gedruckten Stütze, da kommt das HDMI-Kabel direkt rein, eine Stromversorgung braucht es nicht. Viel sauberer.
Ein paar Probleme hat das Gerät auch. Das erste: Es ist teurer, ich zahlte 38€ und gerade steht der Aliexpress-Preis bei 52€. Viel Geld für eine alte Konsole. Beim momentanen Preis hätte ich daher wohl zum etwas weniger schicken GC-Plug gegriffen, der wohl die Vorlage für den Bitfunx-Adapter war (aber mit Mini-HDMI-Ausgang und ohne mitgelieferte Fernbedienung etwas weniger komfortabel ist). Dann ist beim Gerät noch eine Fernbedienung dabei, mit der die Zeilenverdopplung und ein paar Röhrenmonitoremulationen aktiviert werden können. Gerade die Verdopplung soll dabei die Bildqualität verbessern, bei mir tat sie das aber nicht – vielleicht, weil bei mir ein Hochskalieren der Auflösung durch den Projektor so oder so passiert und das die Unterschiede minimiert. Könnte mit anderen Geräten und generell mit Fernsehern anders aussehen, aber ich würde mir da erstmal nicht zuviel versprechen.
Das größte Problem aber ist, dass nicht alle Gamecubes ein digitales Bildsignal ausgeben. Später produzierten fehlt der Anschluss, sie haben kein Digital AV Out links neben dem Analog AV Out. Für die gibt es keine Alternative zum Umwandeln des analogen Signals – und nur die Hoffnung, dass andere Adapter ein besseres Bild als der meine ausliefern. Der von Bitfunx vielleicht? Ich habe ihn nicht getestet, er muss nicht besser sein.
Ich verweise da ansonsten auf diesen ausführlichen Blogartikel von Retrostage, der hat noch einige Vorschläge auch für das analoge Signal.
Soviel dazu. Ein Beispiel dafür, dass zu billig zu kaufen manchmal eben wirklich einen zweiten Kauf erzwingt. Wobei das ein paar Jahre her ist und wer weiß, welche Optionen es damals schon gab. Heute jedoch kann man den AV2HDMI-Adapter bei diesem produzierten Bild eigentlich nur wegschmeißen. Andererseits: Ich meine, ihn anfangs mit meinem SNES getestet zu haben und dass das Bild da besser war. Das sollte ich mir vorher nochmal anschauen.
Mods für Cyberpunk 2077 und Phantom Liberty
Um Cyberpunk 2077 samt Phantom Liberty hat sich eine aktive Moddergemeinde versammelt. Sind es sonst vor allem Bethesda-Spiele gewesen, die Modder inspirierten, entpuppte sich inzwischen auch Night City als geeignete Vorlage, bei dessen Engine und Spielzustand zudem weniger Klagen zu hören sind als bei Skyrim & Co. Entsprechend gibt es mittlerweile einige Mods, die das Spiel in Details verbessern, erweitern oder auch nur abändern. Und manche davon wurden gar Vorlage für später ins Spiel integrierte Funktionen, wie die Hausbesuche eurer Liebschaft.
So beginnt drüben bei GamersGlobal ein Artikel von mir zu empfehlenswerten Cyberpunk-Mods. Er beschreibt auch die Installation und beschränkt sich auf meinen Modgeschmack: Sinnvolle Verbesserungen für das Spiel, keine krassen Verfälschungen.
Cyberpunk 2077 fand ich großartig. Mein Review zu Phantom Liberty zog dann ein durchwachsenes Fazit, weil mir neben all den Stärken der an sich tollen Erweiterung auch die unnötigen Schwächen auffielen. Denen zum Trotz hat mich das Spiel über die letzten Monate ziemlich eingefangen, sodass ich dann auch nochmal mehr mit Mods experimentierte. Dabei fanden sich einige, die das Spiel aufwerten, und so auch das Material für den Artikel.
Schaut gerne mal rein.
BIG-Nachträge: Interview und Messebericht
Als ich letzte Woche von meinem Besuch der Bilbao International Games Conference erzählte, standen zwei größere Artikel noch aus. Der erste ein Interview mit Anna Guxens, einer RPG-Designerin bei den Larian Studios, die mit mir über diese Rolle und ihre Arbeit an Baldur's Gate 3 redete. Der zweite mein Messebericht, der den vorherigen Blogartikel etwas ergänzt und die Konferenz bzw meine Erfahrung dort noch etwas näher beschreibt.
Gerade das Interview halte ich für wirklich lesenswert, soweit ich das aus meiner Perspektive bewerten kann.