Deus Ex ist mindestens eines der besten Computerspiele aller Zeiten, vielleicht sogar das beste. 2000 von Entwickler Ion Storm veröffentlicht, ist das Spiel von Warren Spector ein Meilenstein gewesen.
Es ist eine Genremischung (Shooter, RPG, Schleichspiel), wie sie damals absolut nicht üblich war und sich heute regelmäßig findet, hat eine dystopische Spielwelt in der alle Verschwörungstheorien wahr sind, und ein im großen lineares Leveldesign voller alternativer Lösungsmöglichkeiten im kleinen.
Die Version für 2020
Nachdem Revision ein Reinfall war probierte ich es diesmal mit GMDX und wurde positiv überrascht. GMDX ist das Grundspiel mit vielen kleinen Verbesserungen. Es beinhaltet insbesondere HDTP und New Vision um das Spiel aufzuhübschen, ähnlich wie Revision, deaktiviert ebenso die verhunzten Charaktermodelle von HDTP. Aber auch Spielelemente ändern sich, die KI ist angepasst, mit Augmentierungen können Fässer und Kisten weiter geworfen werden, es gibt neue Munitionstypen – und einiges mehr. Aber das Grundgefühl ändert sich nicht, das Leveldesign wird nicht verhunzt.
Man kann die KI-Anpassungen kritisch sehen (teil rasen die Gegner um Ecken und der Spieler ist chancenlos) und es gibt einen Konflikt mit den Augmentierungen, sodass ein neues Elektroschild den Slot fürs Synthethische Herz bzw die Energiezirkulation blockiert – Designfehler oder Bug – doch insgesamt ist GMDX empfehlenswert.
In der fernen Zukunft
Die USA liegt in Trümmern. Eine Seuche wütet durch das Land, der ungezügelte Kapitalismus hat die meisten Menschen verarmen lassen und eine wenige sehr reich gemacht. Direkt im Intro reden zwei Leute über ihre Verschwörung, der Virus ist wohl kein Gotteswerk.
Das Setting des Spiels ist hervorragend gar nicht gealtert, es ist aktueller als je zuvor, die Parallelen mit der aktuellen politischen Situation unübersehbar.
Nach dem Intro steht der Spieler als JC Denton auf Liberty Island und bekommt per Stimme in seinem Kopf seinen ersten Auftrag: Die Terroristen der NSF haben Kanister des Medikaments Ambrosia ergattert und sich in der Freiheitsstatue verschanzt. Einer der Mech-Agenten ist gefangengenommen worden. Befreie ihn wenn möglich und finde das Ambrosia sowie den Anführer der Terroristen, der sich in der Statue ganz oben aufhalten sollte.
Liberty Island ist eine der besten Missionen des Spiels und eine großartige Einführung, wenn sie auch für neue Spieler oft etwas überfordernd ist. Es ist im Grunde ein kleines Gebiet mit wenigen Gegnern. Aber es ist eben kein Schlauchlevel, sondern der Spieler kann frei herumlaufen. Und die Gegner sind immer noch deutlich stärker als der Spieleravatar (JC wird erst später mit mehr Fähigkeitspunkten in den Waffenfertigkeiten und Augmentierungen mächtig). Es gilt also, einen der möglichen Wege zu identifizieren und sich kämpfend und schleichend geschickt zum Ziel zu bewegen.
Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten:
1. Durch den Haupteingang walzen, das Schloss knacken
2. Sich vorher auf der anderen Seite der Insel mit einem Informanten treffen
3. Auf der Rückseite über Leiter und Container die Statue erreichen
Entscheidungen und Konsequenzen
Doch nur wer den Haupteingangsbereich erkundet kann Gunther, den Mech-Agenten, befreien. Und ihm dann entweder eine Waffe geben oder nicht. Es sind diese Entscheidungen, mit denen das Spiel einen Eindruck von viel größerer Spielerfreiheit simuliert: Gunther wird das ganze Spiel über verärgert sein, wenn der Spieler ihm keine Waffe gibt. Am Spielverlauf ändert es nichts, aber das weiß der Spieler ja nicht.
Andere Entscheidungen haben mehr Konsequenzen. Das Schicksal von JCs Bruder Paul insbesondere. Er wird getötet, wenn er alleine im Hotel zurückgelassen wird. Doch JC kann die anstürmenden Gegner besiegen (was durchaus nicht einfach ist) und wird dann mehrmals wieder auf Paul treffen.
Aber den Spielverlauf im Großen beeinflussen, das geht nicht. Auf welcher Seite der Spieler steht ist immer vorgegeben, genau wie die Abfolge der Missionen. Aber Deus Ex übertüncht das sehr geschickt, in vielen Fällen besser als der gute Nachfolger Human Revolution. Besonders deutlich wird das beim Ende. In HR sind da drei Buttons, es ist ähnlich peinlich wie in Mass Effect 3, nur die Klasse des Spiels bis direkt vor dem Ende machte das okay. In Deus Ex gilt es auch am Ende zwischen wenigen Enden direkt zu wählen, die vermeintlichen Entscheidungen im Spielverlauf haben keine Auswirkungen. Aber weil diese Entscheidung nicht eine einfache Wahl zwischen ein paar Knöpfen ist, sondern darauf basiert wie die finale Mission gelöst wird, wird kein Spieler über das Ende auch nur im mindesten pikiert sein.
Eine etwas andere Spielmechanik
Doch bevor das Ende erreicht wird muss der Spieler sich mit vielen Gegner auseinandersetzen. Deus Ex legt dem Spieler nahe, vorsichtig aber mit Waffengewalt vorzugehen. Wer schleichend durch die Level zieht und Gegner möglich ungehört ausschaltet hat es relativ einfach. Aber das besondere: Er kann es auch bleiben lassen. Es ist möglich, keinen einzigen Gegner auszuschalten und das Spiel komplett pazifistisch zu gewinnen (vor GMDX ist gegen Ende ein Kampf schwer zu vermeiden).
Unüblich sind dabei die Auswirkungen der Waffenfertigkeiten. Wer die Fähigkeitspunkte nicht in die investiert kämpft mit einem riesigen dynamischen Fadenkreuz, das nur sehr langsam bei völliger Bewegungslosigkeit etwas kleiner wird. Erst auf den höheren Stufen kann Denton Waffen ordentlich bedienen. Dabei sieht Deus Ex mit seiner Egoperspektive erstmal wie ein regulärer Shooter aus. Das war damals ungewohnt, es ist es heute noch, und erschwert gerade die ersten Spielstunden massiv. Zwingt den Spieler aber auch, andere Lösungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen, zum Beispiel Gegner zu umschleichen oder mit Nahkampfwaffen schleichend auszuschalten.
Neben den humanoiden Gegnern gibt es auch Roboter (schon im ersten Level), die nur mit schweren Waffen wie dem Raketenwerfer oder Granaten zerstört werden können. Oder es könnte ein Sicherheitsterminal gehackt werden und die Roboter dort deaktiviert werden. Die Terminal kontrollieren auch die häufigen Sicherheitskameras, die Alarm auslösen wenn der Spieler zu lange in ihrem Sichtfeld bleibt und die warnend piepsen. Wer nicht hacken will (ohne Investition in die Fähigkeit mühsam) findet die Logindaten normalerweise in Datenpads oder bekommt sie von Gesprächspartnern verraten.
Es ist wie oben beschrieben eben eine Genremischung. Die ist inzwischen sehr populär, aber sie war es damals nicht, sie war fast völlig unbekannt. Deus Ex ist umständlicher als moderne Spiele es sind – man sieht das sehr deutlich im Direktvergleich mit den Nachfolgern – aber es zeigt eben doch auch, warum diese Mischung so populär geworden ist. Die Rollenspielelemente ergänzen den Shooterpart toll, sie machen alles viel interessanter und bedeutungsvoller als wenn es nur darum ginge die Gegner möglichst schnell abzuschießen. Sie ermöglichen so das Erzählen einer ganz anderen Story, in einem anderen Tempo.
Fazit: Gut, auch jetzt noch
Es hat mich fast überrascht wie gut ich das Spiel auch jetzt wieder fand. GMDX half sicher dabei, das alte Spiel etwas weniger altbekannt wirken zu lassen. Aber es sind die Stärken von Deus Ex selbst, die das erneute Durchspielen tragen. Ich liebe diese Art der Geschichtenerzählung, wie durch die Gespräche und Zeitungsartikel eine Welt aufgebaut wird. Und was für eine, diese dystopische Zukunftsvision ist so viel besser als die kruden Rassismusparabeln, die die Nachfolger erzählen wollten. Nichts da mit unzähligen selbstverstümmelnden Idioten, auf die Spitze getrieben im ansonsten tollen Mankind Divided, die sich freiwillig von einer unbezahlbar teuren Droge abhängig machen – solche offensichtlichen Absurdheiten würde das original Deus Ex nicht mal in Erwägung ziehen (andererseits ist der Beginn in China unsinnig, wenn der Helikopter abgefangen wird aber dann keine Soldaten auf den Spieler warten, doch ist das ein anderes Niveau von Unstimmigkeit).
In diesem Spiel stecken dagegen viele tolle Ideen. Zum Beispiel ist der Effekt ziemlich stark, wenn der Spieler durch Infolinkgespräche weiß, dass die KI Ikarus ihn jagt und auf einmal in einem gewöhnlichen Informationsterminal diese Nachricht steht:
Auch viele der Gespräche sind toll geschrieben, z.B. wenn eine andere KI namens Morpheus mit Denton über Überwachungssysteme und ihre Alternative zum System Gott debattiert.
Klar, ein 20 Jahre altes Spiel hat auch Macken und Deus Ex hatte schon bei Release Macken. Es ist mit seiner grauen immerwährenden Nacht nicht besonders hübsch, es ist vielleicht ein bisschen zu lang (vielleicht sind auch nur die späteren Level etwas zu monoton und es fehlt ein weiteres Stadtgebiet wie China als Unterbrechung), das immer volle Inventar ist nervig und der Einstieg ist durch die extreme Ungenauigkeit der Waffen vor den Skillsteigerungen irritierend. Doch dafür stimmt alles andere: Die sich durch die Limitierungen ergebende Spielweise, der Sound (Effekte, Musik und Sprecher), die aufgebaute dystopische Welt, die vielen Lösungsmöglichkeiten und das fast unübertroffene Gefühl der Spielerfreiheit. Ich würde das erste Deus Ex auch heute noch neuen Spielern empfehlen.
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