Freistehende Hauser
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Freistehende Hauser
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Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF '
Printed in Germany
ISBN 978-3-0346-0072-9
987654321 www.birkhauser.ch
Günter Pfeifer und Per Brauneck
Freistehende Häuser
Eine Wohnbautypologie
Birkhäuser
Basel · Boston · Berlin
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 6
Grundrisstypen 18
Doppelhaus
Parvilla I, Tham & Videgård Hansson 20
Haus W, Bayer & Strobel Architekten 22
Patchwork-Haus, Pfeifer Roser Kuhn Architekten 24
Haus der Gegenwart, Allmann Sattler Wappner Architekten 26
Haus C, Per Brauneck 28
Bauernhaus Vogelsang, AmreinHerzig Architekten 30
Dreifamilienhaus „In der Hub“, Morger & Degelo Architekten 32
Mustersiedlung Hadersdorf, Haus 3, Hans Kollhoff Architekten 34
Mustersiedlung Hadersdorf, Haus 4, Steidle Architekten 36
Villa Overgooi, Next Architects 38
KBWW Haus, MVRDV 42
Zwei Wohnhäuser in Zürich, Gigon/Guyer Architekten 44
Architekten- und Künstlerhaus, Fuhrimann Hächler Architekten 46
Studienarbeit, Christian Weyell 48
Spänner
3 Wohnhäuser, Susenbergstrasse, Gigon/Guyer Architekten 50
Haus Rottmannsboden, Morger & Degelo Architekten 52
Siedlung Hagenbuchrain, Bünzli & Courvoisier Architekten 54
Wohnbau am Hegianwandweg, EM2N Architekten 56
Wohnanlage Lohbach, Baumschlager & Eberle 58
Wohnsiedlung BDZ, pool Architekten 60
„Malzturm“, Hürlimann Areal, Thomas Schregenberger 62
Studienarbeit, Björn Schmidt 66
Studienarbeit, Angèle Tersluisen 68
Studienarbeit, Björn Schmidt 70
Studienarbeit, Sebastian Schaal 72
Hofspänner
Wohnbauten Java-Insel, Diener & Diener Architekten 74
Wohnsiedlung Werdwies, Adrian Streich Architekten 76
Studienarbeit, Philippa Glaser 78
Studienarbeit, Johannes Lahme 80
Hybrid
Esplanade, Steidle Architekten 82
Studienarbeit, Sebastian Schaal 86
Studienarbeit, Daniel Dolder 88
Diplomarbeit, Tobias Katz 90
Hochhaus
Chassé Park Apartments, Xaveer de Geyter 92
Silverline Tower, Claus en Kaan Architecten 94
Drittes Sternhaus, Steidle Architekten 98
Wohnhochhaus „De Rokade“, Arons en Gelauff Architecten 100
Wohnturm „PopMoma“, Baumschlager & Eberle 102
Wohnturm „Moma“, Baumschlager & Eberle 104
KNSM Apartment Tower, Wiel Arets Architects 106
Kanchanjunga Apartments, Charles Correa Associates 108
Wienerberg Apartments, Delugan Meissl Architekten 112
Torre Cuajimalpa, Meir Lobaton und Kristjan Donaldson 114
Bibliografie 118
Bildnachweis 120
Vorwort
Die Betrachtung des freistehenden Hauses verweist also weniger auf grund-
risstypologische Charakteristiken als vielmehr auf die städtebauliche Frage
der strukturellen Integration. Spätestens an dieser Stelle sieht man sich einem
scheinbar unlösbaren Konflikt gegenüber: Allein mit freistehenden Häusern
lässt sich kein Stadtraum bilden. Das freistehende Haus soll möglichst indivi-
duell erscheinen, es will sich nicht einordnen und keinen typologischen Ka-
tegorien folgen. Vielleicht erklärt gerade dies, warum das freistehende Haus
so sehr dem Wunschbild des Wohnens entspricht. Alleinstehend verkörpert
es die Sehnsucht nach größtmöglicher Freiheit und Unabhängigkeit.
Längst wissen wir, dass dieses Trugbild der Autarkie nicht mehr der Wirklich-
keit entspricht, aber psychologisch betrachtet ist das Gefühl von Individua-
lität vielleicht der entscheidende Faktor für die Beliebtheit des Typs „freiste-
hendes Haus“.
Als letzter Typ der Wohnbautypologie-Reihe, nach Hof-, Reihen- und Stadt-
häusern, ist das freistehende Haus der komplexeste Wohnbautyp. In der
Argumentationsfolge der bereits erschienenen Bände, die eine kyberne-
tische Vernetzung von Einzelelementen in komplexen Strukturen propagie-
ren, nimmt der vorliegende Band eine Sonderstellung ein. Der dem Thema
immanente Konflikt zwischen „einzeln“, „freistehend“ und „unabhängig“
und „vernetzt“, „strukturell“ und „kybernetisch“ erscheint zunächst unü-
berbrückbar. Da die Nachfrage nach diesem Wohnungstyp jedoch ungebro-
chen ist, auch angesichts der ökonomischen und ökologischen Probleme, ist
die Auflösung dieses Widerspruchs unausweichlich.
Dieser Band zeigt eine Auswahl an gebauten und ungebauten Projekten, die
den Autoren zufolge in der grundrisstypologischen Organisation besonders
6
stringent sind und darüber hinaus zukünftige Anforderungen antizipieren.
Da dieses Buch im Rahmen der Forschungstätigkeit an der Architekturfa-
kultät der Universität Darmstadt entstanden ist, stehen den Arbeiten von
arrivierten Kollegen studentische Entwürfe gegenüber, die im Sinne von For-
schungsarbeiten den Stand der Lehre repräsentieren, welche sich einer ganz-
heitlichen und zukunftsorientierten Betrachtung des Wohnens verschrieben
hat.
Es ist uns ein besonderes Anliegen, mit dem vorliegenden letzten Band der
Wohnbautypologie-Reihe die Vorteile und die Faszination räumlicher Vielfalt
und struktureller Vernetzung aufzuzeigen. Wir möchten all diejenigen, die
das Wohnungsangebot aktiv gestalten, motivieren, neue Wege zu gehen
und die vorliegenden Beispiele als Ausgangspunkt für eigene Weiterentwick-
lungen zu verstehen.
7
Die Typologie des freistehenden Hauses
Es gibt kaum ein eindrücklicheres Bild des freistehenden Hauses als das des
Schwarzwaldhauses.1 Es verkörpert zuallererst Heimat und Autarkie, Hand-
werk und Solidität, es ist ein hybrides Gebäude mit unterschiedlichen Nut-
zungen, mit einer ökologischen und kybernetischen Grundstruktur, über die
im Einzelnen eine Menge geschrieben werden könnte. Das Schwarzwald-
haus steht im wahrsten Sinne frei, als einzelnes Haus in der unbebauten
Landschaft. Es passt sich seiner Umgebung an und bezieht seine räumliche
Struktur sowie sein Baumaterial aus dem direkten räumlichen Umfeld. Da-
mit wären die Qualitäten einer ökologischen und nachhaltigen architek-
tonischen Grundstruktur für ein freistehendes Gebäude umrissen und be-
schrieben.
Das andere Bild, das man unmittelbar mit dem Begriff „Freistehendes
Haus“ assoziiert, sind die Einfamilienhaus-Siedlungen in den ausufernden
städtischen Agglomerationen2 – noch drastischer die Bilder amerikanischer
Vorstädte um Los Angeles – mit dem pervertierten Typ des freistehenden
Hauses, in dem man vergeblich nach ähnlichen Qualitäten des vorgenannten
Haustyps sucht.
Während das erste Bild beispielhaft für die Qualitäten des freistehenden
Hauses steht, zeigt das zweite ganz unmittelbar die mit dieser Typologie
verbundene Problematik. Mit beiden Bildern ist das architekturtheoretische
Spannungsfeld der Typologie des freistehenden Hauses bereits abgesteckt.
8
Die Qualitäten dieser Typologie sind sofort augenscheinlich. Die Alleinstel-
lung erlaubt die Orientierung des Baukörpers in alle Himmelrichtungen. Der
Lauf der Sonne ist im gesamten Haus nachvollziehbar: Morgenlicht beim
Frühstück, Sonnendeck im Süden, Wohnbereiche der untergehenden Sonne
im Westen zugeordnet und Atelier- und Arbeitsräume mit diffuser Beleuch-
tung von Norden. Die Ausrichtung – sofern nicht von Nachbargebäuden
eingeschränkt – erlaubt es, Ausblicke einzufangen oder durch die Vielzahl
der Belichtungsoptionen eventuell unerwünschte Blickbeziehungen auszu-
blenden.
Dies sind die wesentlichen Elemente, die typologieprägend sind und die
Beliebtheit dieser Wohnform ausmachen. Grundrisstypologisch ist das frei-
stehende Haus kaum verifizierbar. Es können zwar verschiedene Kategorien
der Erschließung, Orientierung und Raumorganisation ausgemacht werden;
da sich diese Kategorien in den meisten Fällen aber überlagern und in ver-
schiedenen Konstellationen erscheinen, können sie nicht als typologische
Wesensmerkmale zur Charakterisierung eines bestimmten wiederkehrenden
Typs dienen. In den Grundrissen der freistehenden Häuser sind wenige wie-
derkehrende Muster erkennbar. Sie unterscheiden sich vielmehr im Grad der
Offenheit von Raumbereichen und Zonen bzw. der Abgeschlossenheit der
Räume untereinander. Da dieses Wesensmerkmal jedoch stufenlos in unter-
schiedlichsten Ausprägungen vorkommt, ist es zu wenig prägnant, um als
Unterscheidungsmerkmal zu dienen.
9
Beziehung treten und Synergien erzeugen. Die letzte und kleinste Unter-
kategorie des freistehenden Hauses, das Einzelhaus, welches nur eine Wohn-
einheit enthält, kann diese Synergien in seiner Alleinstellung nicht erzeugen.
Diese kleinste Kategorie wird in der Betrachtung ausgeblendet, da sie an-
gesichts der Entwicklung der Stadt als wenig zukunftsfähig gelten muss.
Analytisch betrachtet hält das oben gezeichnete Bild des autarken Hauses in
dieser Kategorie der Wirklichkeit nicht stand, das Wunschbild der autarken
Einheit erweist sich hier als Illusion.
Städtebauliche Einbindung
Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind die Grundstücke wegen der Bodenver-
knappung und der Kosten für die Erschließungen immer teurer geworden;
die Folge sind immer kleiner werdende Fleckchen Erde für den Traum vom
eigenen Haus. Dabei heben die Nachteile des freistehenden Einzelhauses die
Vorteile längst auf.
Durch die kleinen Grundstücke stehen die Häuser so nah beieinander, dass
kein intimer Freibereich bleibt, sondern meist nur ein von allen Seiten ein-
sehbares Abstandsgrün. Die Vorgabe einer wirtschaftlich effizienten öffent-
lichen Erschließung ergibt sich je nach Erschließungsseite nachteilige Aus-
richtungen zu Straßenlärm und Besonnung. Das schlechte Verhältnis von
Hüllfläche zu Grundfläche ist grundsätzlich problematisch bei Einzelhäusern
und bietet schlechte Voraussetzungen für eine gute Energiebilanz. Darüber
hinaus ist der Einzelhaustyp räumlich unflexibel; während Anbauen und Er-
weitern meist möglich ist, wird das Verkleinern nahezu unmöglich.
10
Die aufgelisteten Probleme des Einzelhaustyps und der durch diesen bewirk-
ten städtebaulichen Strukturen sind durchaus kategorischer Natur. Umso
mehr verwundert das Verharren dieses Typs in der Wohnlandschaft. Dies
lässt darauf schließen, dass die oben beschriebenen Vorteile aus der Sicht
des einzelnen Bauherren die städtebaulichen Nachteile mehr als aufwiegen.
Theoretische Ansätze zur Versöhnung dieser kategorischen Diskrepanzen
gibt es nur vereinzelt.
Die radikalste Idee dürfte Frank Lloyd Wright mit dem Projekt der „Broad-
acre City“3 geliefert haben. Dort verbindet sich die großzügige Landschaft
mit weitläufigen Erschließungssystemen und einer nach unseren Maßstäben
überdimensionierten Infrastruktur. Dieses Idealbild hat sich noch nicht ein-
mal ansatzweise realisieren lassen, vielmehr ist die Durchgrünung der Stadt
längst zu einer Durchwegung geworden – eine Entwicklung, die letztlich zur
Auflösung der kompakten historischen Stadt führt und die Verstädterung
der Landschaft einleitet.
11
Auch Le Corbusiers „plan voisin“4 beschäftigt sich mit dem Einzelhaustyp,
wenn auch auf einer ganz anderen Basis. Sein Konzept ist ideologisch be-
trachtet das genaue Gegenteil von Wrights flächigem Entwurf, denn es sieht
Einzelhaus-Bebauungen in Form von punktförmigen Hochhäusern vor, durch
die die Landschaft „hindurchfließt“. Am Ende führt auch dieses Konzept zur
Auflösung der Stadt und scheitert an der kategorischen Unvereinbarkeit der
Psychologie des Individuellen mit Zwängen des Kollektiven.
12
Die Chance
An dieser Stelle wird klar, dass in der Vervielfachung der Einheiten der Schlüs-
sel zur Zukunftsfähigkeit liegt. Wenn es gelingt, das Einzelhaus in die dritte Di-
mension zu stapeln, mehrere Elemente miteinander zu verbinden und gleich-
zeitig die Psychologie des Einzelhauses zu bedienen, dann entstehen vielfache
Optionen. Im Grunde ist die Zielstellung einfach: Jede Einheit braucht einen
eigenen Eingang – keine kollektiven Treppenhäuser! Jede Einheit braucht ei-
nen Vorgarten, vielleicht auch eine eigene Garage und einen Gartenzaun.
Jede Einheit braucht Licht von allen Seiten und natürlich eine großzügige,
vom Nachbarn aus nicht einsehbare Freifläche mit Gartencharakter.
Herausforderung „Erschließung“
Erschließungsstrukturen spielen bei der Entwicklung neuer kollektiver Wohn-
typen eine zentrale Rolle. Bisher sind wir bei dem Thema Erschließung immer
auf die räumliche Minimierung fixiert. Die im Projektteil dargestellten Bei-
spiele zeigen aber, dass eine Mehrfacherschließung von Räumen eine räum-
liche Flexibilität bringen kann, die über die Lebensdauer des Gebäudes be-
trachtet zu einer viel besseren Ökonomie führt. Darüber hinaus können die
zusätzlichen Volumen der Mehrfacherschließungen gleichzeitig auch Ener-
giegewinne realisieren, wodurch sich tatsächlich wiederum andere Mög-
lichkeiten ergeben. Es können Interaktionsräume entstehen, die zu zusätz-
lichen Erschließungsräumen werden, um dann diese Raumverknüpfungen
als mehrfach codierte Gebäudeelemente zu betrachten.
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Man muss zu einer neuen Sichtweise der Einzeltypologie gelangen: einer
Strategie, die das Einzelelement nicht als finite Einheit in einer Insellage, das
heißt in Alleinstellung begreift, sondern als Element innerhalb einer Struktur,
die die Elemente gezielt in Beziehung zueinander setzt und dadurch den
Freiheitsgrad jedes Einzelelements erhöht.
Herausforderung „Gebäudehülle“
Die Gebäudehülle muss überdacht werden, weil die althergebrachten Vor-
stellungen von Ökonomie und Ökologie bisher eine andere Definition von
Effektivität zugrunde legen. Gerade die Kategorie des verdichteten Einzel-
hauses, zum Beispiel in der Form des Hochhauses, bietet ein großes Po-
tential im oben genannten Sinn. Wohnhochhäuser waren in den 1980er
Jahren verpönt und wurden als städtebauliche Fehlleistungen verurteilt.
Angesichts des Bedarfs an Energieeffizienz in städtebaulichen Strukturen
stellt sich von Neuem die Frage, wie effizient denn Hochhäuser sind.
14
„Untersuchungen haben gezeigt, dass es zwischen der urbanen Dichte und
dem Energieverbrauch durch den Verkehr einen direkten Zusammenhang
gibt“, so Brian Cody.6 Und weiter: „Wenn wir akzeptieren und anerkennen,
dass wir urbane Dichte als zentrale Komponente einer nachhaltigen Stadt-
entwicklung erhöhen müssen, dann müssen wir uns mit Hochhäusern aus-
einandersetzen und ermitteln, ob sie für eine nachhaltige und annehmbare
Erhöhung der urbanen Dichte geeignet sind.“
Schauen wir uns in der Architekturgeschichte um, so finden wir eine Menge
guter Beispiele, angefangen bei dem Hochhaus von Bakema und van den
Broek (Berlin 1960) bis zum legendären strukturalistisch virtuosen Kanchan-
junga-Hochhaus von Charles Correa in Bombay (1970–1983) mit hochkom-
plexen, großzügigen Maisonette-Wohnungen.
Ausblick
Das eingangs skizzierte Bild des Schwarzwaldhauses zeigt, dass hochkom-
plexe kybernetische Strukturen realisierbar sind. Auch auf die heutigen
Anforderungen bezogen ist das möglich. Es bedarf jedoch neben einer
veränderten Wahrnehmung des Aufgabenfeldes auch eines anderen ar-
chitektonischen Arbeitsstils. Lässt man die zurzeit übliche Fixierung auf die
Wirtschaftlichkeit, die sich aus dem Verhältnis von Brutto-Grundfläche zu
Wohnfläche ergibt, außen vor, dann kann man zu einer neuen Definition
von Nachhaltigkeit (wie oben beschrieben) gelangen.
15
Kanchanjunga Apartments, 1983, Charles Correa
16
Das architektonische Arbeitsmittel könnte eine Entwurfsstrategie des Zwi-
schenraums sein. So wie wir den Städtebau von den Freiräumen, den Plätzen
und den Straßenprofilen und Wegeverknüpfungen her entwickeln und erst
in zweiter Linie die Volumina eine Rolle spielen, so sollten wir den Woh-
nungsbau aus den Räumen „dazwischen“ entwickeln. Der Zwischenraum ist
zum eigentlichen Raum geworden, weil er die Mehrfachcodierung der Funk-
tionen aufnehmen kann. In der Sprache des Strukturalismus heißt das: Nicht
das Element an sich, sondern die Art der Verknüpfung mit benachbarten Ele-
menten steht im Mittelpunkt dieser architektonischen Strategie. Die Art und
Weise, wie die Elemente miteinander verknüpft sind, ergibt den Städtebau,
genauso wie die Verknüpfung die Wohnoptionen innerhalb des Gesamt-
volumens schafft. Entscheidend sind die energetische Dimensionierung der
Volumen und die Vergrößerung der Berührungs- bzw. Außenflächen der ein-
zelnen Elemente, sodass sie ihren Beitrag zur energetischen Gesamtbilanz,
sowohl physisch als psychologisch, leisten können. Das Energiesammeln auf
allen Ebenen wird zum Leitmotiv dieser Architektur, genauso wie es auch bei
der Entstehung des Schwarzwaldhauses immer das Leitmotiv war.
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Grundrisstypen
Doppelhaus
Das klassische Doppelhaus besteht aus zwei Parteien. In dieser Kategorie
sind jedoch auch Projekte mit mehr als zwei Parteien aufgeführt, die jeweils
über einen eigenen Eingang im Erdgeschoss und keine gemeinsamen Trep-
pen, sondern eine private interne Erschließung in die Geschosse verfügen.
Die „autarken“ Einheiten bilden in ihrer Kombination und ihren räumlichen
Strukturen einen kompakten Baukörper.
Spänner
Erschließungsgrundlage der Spänner ist ein gemeinschaftliches Treppenhaus,
das jeweils eine oder mehrere Wohneinheiten pro Geschoss erschließt. Die
Grundrissorganisation ist unabhängig von der Orientierung bzw. Ausrich-
tung des Gebäudes. Je nach Lage der Wohnung in einem Geschoss erfor-
dern Belichtung und Orientierung besondere Lösungen. Bei einer höheren
Anzahl an Einheiten pro Geschoss können deren jeweilige Größen variieren.
Hofspänner
Ein zentraler Hof, der eine natürliche Belichtung für die Erschließungszone
der einzelnen Wohnungen schafft, bietet zugleich Raum für Kommunikation
und Begegnung. Die Anzahl der Wohnungen pro Geschoss kann bei diesem
Typ höher sein als bei einem Mehrspänner. Ein Hof, der durch eine Überda-
chung zum Atrium wird, kann auch energetisch für das Gebäude aktiviert
werden.
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Hybrid
Bei diesem Gebäudetyp vermischen sich unterschiedliche Erschließungssys-
teme, oder sie werden so miteinander kombiniert, dass neue räumliche
Optionen entstehen. Innerhalb eines Gebäudes wird auf die verschiedenen
möglichen Lebenssituationen der Bewohner mit differenzierten Wohntypen
reagiert. Dadurch entsteht eine vielfältige Bandbreite von Wohnungen.
Hochhaus
Dieses Gebäude ist gekennzeichnet durch die erhöhten Anforderungen an
das Erschließungssystem und den im Vergleich hohen Anteil an Konstrukti-
onsfläche. Bei diesem Typ muss mit einer speziellen Grundrissorganisation
die Belichtungsproblematik gelöst werden. Der privilegierte Ausblick spielt
bei diesem Typ eine besondere Rolle.
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Doppelhaus
2-geschossig
2 Wohneinheiten
Erdgeschoss
Parvilla I
Danderyd, 2005
Tham & Videgård Hansson
20
Querschnitt
21
Doppelhaus
2-geschossig
2 Wohneinheiten
Haus W
Homburg, 2004
Bayer & Strobel Architekten
22
23
Doppelhaus
2-geschossig
2 Wohneinheiten
Patchwork-Haus
Müllheim, 2005
Pfeifer Roser Kuhn Architekten
24
Querschnitt
25
Doppelhaus
2-geschossig
3 Wohneinheiten
26
Querschnitt
Obergeschoss
Erdgeschoss
27
Doppelhaus
3-geschossig
3 Wohneinheiten
Haus C
Groß-Umstadt, 2009
Per Brauneck
28
Längsschnitt Querschnitt
Dachaufsicht
29
Doppelhaus
3-geschossig
3 Wohneinheiten
Erdgeschoss
Bauernhaus Vogelsang
Ebikon, 2007
AmreinHerzig Architekten
30
Querschnitt
31
Doppelhaus
3-geschossig
3 Wohneinheiten
32
Längsschnitt
33
Doppelhaus
3-geschossig
4 Wohneinheiten
Erdgeschoss
34
Längsschnitt
35
Doppelhaus
3-geschossig
4 Wohneinheiten
36
37
Doppelhaus
3-geschossig
5 Wohneinheiten
Villa Overgooi
Almere, 2008
Next Architects Erdgeschoss
38
Schnitt 1
39
Schnitt 2
Dachgeschoss
40
41
Doppelhaus
4-geschossig
2 Wohneinheiten
KBWW Haus
Utrecht, 1997
MVRDV
Erdgeschoss
42
Längsschnitt
43
Doppelhaus
4-geschossig
3 Wohneinheiten
44
Schnitt
45
Doppelhaus
4-geschossig
4 Wohneinheiten
46
Querschnitt
47
Doppelhaus
3-geschossig
4 Wohneinheiten
Studienarbeit
Erdgeschoss
TU Darmstadt
Christian Weyell
48
Schnitt 1 Schnitt 2
49
Spänner
3-geschossig
3 Wohneinheiten pro Geschoss
Erdgeschoss
3 Wohnhäuser, Susenbergstrasse
Zürich, 2000
Gigon/Guyer Architekten
50
Längsschnitt
51
Spänner
3-geschossig
2 Wohneinheiten pro Geschoss
52
Längsschnitt
53
Spänner
4-geschossig
4 Wohneinheiten pro Geschoss
Siedlung Hagenbuchrain
Zürich, 2005
Bünzli & Courvoisier Architekten
54
Längsschnitt
Erdgeschoss
55
Spänner
4/5-geschossig
3 bis 4 Wohneinheiten pro Geschoss
Wohnbau am Hegianwandweg
Zürich, 2003
EM2N Architekten
Erdgeschoss
56
Querschnitt
57
Spänner
5/6-geschossig
8 bis 10 Wohneinheiten pro Geschoss
Wohnanlage Lohbach
Innsbruck, 2000
Baumschlager & Eberle
Regelgeschoss Typ 1
58
Längsschnitt Typ 1
59
Spänner
7-geschossig
3 Wohneinheiten pro Geschoss
Erdgeschoss
Wohnsiedlung BDZ
Zürich, Fertigstellung 2013
pool Architekten
60
Schnitt
61
Spänner
7-geschossig
3 Wohneinheiten pro Geschoss
62
3. Obergeschoss
1. Obergeschoss
63
Längsschnitt
64
7. Obergeschoss
65
Spänner
6-geschossig
1 Wohneinheit pro Geschoss
Studienarbeit
Erdgeschoss
TU Darmstadt
Björn Schmidt
66
Querschnitt
4. Obergeschoss
3. Obergeschoss
67
Spänner
6-geschossig
2 Wohneinheiten pro Geschoss
Studienarbeit
TU Darmstadt
2. Untergeschoss
Angèle Tersluisen
68
Längsschnitt
2. Obergeschoss
1. Obergeschoss
69
Spänner
6-geschossig
4 bis 6 Wohneinheiten pro Geschoss
Studienarbeit
4. Obergeschoss
TU Darmstadt
Björn Schmidt
70
Querschnitt
6. Obergeschoss
71
Spänner
9-geschossig
4 Wohneinheiten pro Geschoss
Regelgeschoss 1
Studienarbeit
TU Darmstadt
Sebastian Schaal
72
Schnitt
Erdgeschoss
73
Hofspänner
7-geschossig
8 Wohneinheiten pro Geschoss
Wohnbauten Java-Insel
Amsterdam, 2001
Diener & Diener Architekten
74
Schnitt
Regelgeschoss
75
Hofspänner
8-geschossig
8 Wohneinheiten pro Geschoss
Wohnsiedlung Werdwies
Zürich, 2007
Adrian Streich Architekten
76
Schnitt
Regelgeschoss
77
Hofspänner
4-geschossig
4 Wohneinheiten pro Geschoss
Studienarbeit
TU Darmstadt 1. Obergeschoss
Philippa Glaser
78
Schnitt
3. Obergeschoss
79
Hofspänner
6-geschossig
3 bis 6 Wohneinheiten pro Geschoss
Erdgeschoss
Studienarbeit
TU Darmstadt
Johannes Lahme
80
Schnitt
2. Obergeschoss
81
Hybrid
8-geschossig
4 Wohneinheiten pro Geschoss
Esplanade
München, 2003
Steidle Architekten
82
1. Obergeschoss 6. Obergeschoss
Erdgeschoss 2. Obergeschoss
83
Schnitt
Dachgeschoss
84
85
Hybrid
4-geschossig
3 bis 4 Wohneinheiten pro Geschoss
Erdgeschoss
Studienarbeit
TU Darmstadt
Sebastian Schaal
86
3. Obergeschoss
2. Obergeschoss
1. Obergeschoss
87
Hybrid
5-geschossig
1 bis 2 Wohneinheiten pro Geschoss
Studienarbeit Erdgeschoss
TU Darmstadt
Daniel Dolder
88
Längsschnitt
4. Obergeschoss
3. Obergeschoss
89
Hybrid
10-geschossig
Variable Anzahl an Wohneinheiten
Diplomarbeit
TU Darmstadt
Tobias Katz
1. Obergeschoss
90
Längsschnitt
91
Hochhaus
14-geschossig
4 Wohneinheiten pro Geschoss
92
Regelgeschoss Typ 3
93
Hochhaus
18-geschossig
3 bis 5 Wohneinheiten pro Geschoss
Silverline Tower
Almere, 2001
Claus en Kaan Architecten
94
2. bis 6. Obergeschoss 7. Obergeschoss
95
Schnitt
96
11., 13., 15. Obergeschoss 12., 14., 16. Obergeschoss
97
Hochhaus
17-geschossig
3 Wohneinheiten pro Geschoss
Drittes Sternhaus
München, 2007
Steidle Architekten
98
Schnitt
99
Hochhaus
21-geschossig
3 bis 4 Wohneinheiten pro Geschoss
100
101
Hochhaus
22- bis 31-geschossig
6 Wohneinheiten pro Geschoss
Wohnturm „PopMoma“
Peking, 2007
Baumschlager & Eberle
102
103
Hochhaus
26-geschossig
4 Wohneinheiten pro Geschoss
Wohnturm „Moma“
Peking, 2007
Baumschlager & Eberle
104
Regelgeschoss
Erdgeschoss
105
Hochhaus
22-geschossig
5 Wohneinheiten pro Geschoss
106
Regelgeschoss
Erdgeschoss
107
Hochhaus
28-geschossig
2 Wohneinheiten pro Geschoss
Kanchanjunga Apartments
Bombay, 1983
Charles Correa Associates
108
Regelgeschoss 2 Regelgeschoss 4
Regelgeschoss 1 Regelgeschoss 3
109
Schnitt
110
111
Hochhaus
35-geschossig
6 Wohneinheiten pro Geschoss
Wienerberg Apartments
Wien, 2005
Delugan Meissl Architekten
112
29. Obergeschoss
Erdgeschoss
113
Hochhaus
36-geschossig
1 Wohneinheit pro Geschoss
Torre Cuajimalpa
Mexiko-Stadt, Fertigstellung 2011
Meir Lobaton und Kristjan Donaldson
114
Regelgeschoss Typ 2
Regelgeschoss Typ 1
115
Schnitt
116
Regelgeschoss Typ 3
117
Bibliografie
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