Lener

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Leopold-Franzens-Universitt Innsbruck

Institut fr Konstruktion und Materialwissenschaften


Arbeitsbereich Stahlbau und Mischbautechnologie
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Gerhard Lener
Technikerstrae 13 | A-6020 Innsbruck
Telefon +43 (0) 512 / 507 - 6881 | Fax +43 (0) 512 / 507 - 36901
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Gesamtlebensdauer von Stahltragwerken unter Einbeziehung bruchmechanischer Konzepte


Lener G., Reiterer D., Hauser A.

Einleitung
Die Beurteilung der Nutzungsdauer bestehender Stahltragwerke wird durch die zunehmende Bedeutung der Bauwerkserhaltung und Bauwerksmodernisierung immer mehr in den Vordergrund
rcken. Die Hauptursache der Schden an bestehenden Stahlkonstruktionen unter zyklischer Beanspruchung ist in den meisten Fllen Materialermdung. Dabei erstreckt sich die mgliche Nutzungsdauer von Bauteilen nicht nur auf die Lebensdauer bis zum technischen Anriss, sondern es
kann aus wirtschaftlichen Grnden anschlieend auch eine Rissfortschrittsphase mit bercksichtigt werden. Somit ergibt sich die Gesamtlebensdauer einer Konstruktion unter den Gesichtspunkten der Materialermdung als Summe der Lebensdauer bis zum technischen Anriss und der Restlebensdauer, siehe Bild 1.

Mit Hilfe der klassischen Konzepte der Betriebsfestigkeit ist es mglich, Aussagen ber die Lebensdauer bis zum technischen Anriss zu erhalten. Fr die anschlieende Restlebensdauer gelten die Gesetzmigkeiten des Makrorisswachstums, wofr zustzlich bruchmechanische Konzepte angewendet werden.
Ziel der Durchfhrung einer Simulation der Gesamtlebensdauer ist es, einen Beitrag zur Beantwortung einiger baupraktischer Fragestellungen zu leisten, wie z.B. Optimierung von Inspektionsintervallen oder Festlegung der erforderlichen Instandhaltungs- und Instandsetzungsmanahmen.
Ein mglicher Ablauf zur Beurteilung bestehender Stahltragwerke, vor allem bezogen auf Brckentragwerke, ist . in [3] beschrieben.

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Inbetriebnahme
(Neuzustandohne
Fehler)

Inbetriebnahme
(Neuzustandmit
Fehler)

Anrissfreie
Phase

Technischer
Anriss

Rissbildungsphase
Rissentstehung

Bruchoder
Ausmusterung

Rissfortschrittsphase

Mikroriss
wachstum

Makrorisswachstum

Lebensdauerbiszumtechn.Anriss

Restlebensdauer

GesamtlebensdauereinesBauteils

KlassischeBetriebsfestigkeit

KlassischeBruchmechanik

Bild 1: Gesamtlebensdauer eines Tragwerkes [1], [2]

Im vorliegenden Beitrag wird die Simulation mit Hilfe der FE.Methode vorgestellt, fr welche Routinen erstellt wurden, die es ermglichen:

an der gesamten Struktur eine Betriebsfestigkeitsberechnung durchzufhren

beliebig viele Risse in ein bestehendes globales FE-Modell einzufgen und deren Rissfortschritt zu simulieren

die Betriebsfestigkeitsberechnung parallel mit der Rissfortschrittssimulation durchzufhren.

Die Erfassung der gesamten globalen Struktur mit dem FE-Modell ermglicht es:

Spannungen in komplexen Bereichen, wie z.B. in Knotenpunkten, besser abzubilden als


mit Stabmodellen

eine gegenseitige Beeinflussung und Spannungsumlagerung durch das Fortschreiten der


Risse zu bercksichtigen

eine parallele Rissfortschrittsberechnung und Betriebsfestigkeitsberechnung durchzufhren (Gesamtlebensdauer).

Stahltragwerke bestehen sehr hufig aus dnnwandigen Blechkonstruktionen, und die Spannungen in solchen Konstruktionen lassen sich sehr gut ber rumliche Schalenmodelle berechnen.
Die erstellten Routinen zur Berechnung der Gesamtlebensdauer beschrnken sich daher auf
rumliche Schalenmodelle und isotrope Werkstoffe.

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Betriebsfestigkeit - Lebensdauer bis zum technischen Anriss


Mit Hilfe einer Betriebsfestigkeitsberechnung kann die ertragbare Lastwechselzahl bis zum Auftreten eines technischen Anrisses ermittelt oder die vorhandene Sicherheit unter Vorgabe einer definierten Betriebszeit berechnet werden. Letztere Methode wird vor allem beim Ermdungsnachweis eines Neubaues verwendet, whrend in Hinblick auf die Simulation der Gesamtlebensdauer
bei bestehenden Bauteilen die restlichen Lastwechsel bis zum Auftreten des technischen Anrisses
von Interesse sind. Zudem knnen kritische Punkte der Struktur, in denen das Auftreten eines
Ermdungsschadens zu erwarten ist, identifiziert werden. Auch ermglicht die Betriebsfestigkeitsberechnung eine Interpretation der Ursachen fr vorhandene oder zu erwartende Ermdungsschden und kann z.B. bei der Ausarbeitung von Sanierungsmanahmen hilfreich sein.

Nach EC3 [5] beruht die Beurteilung der Ermdungsfestigkeit auf der Auswertung der Spannungsschwingbreiten unter Vernachlssigung des Mittelspannungseinflusses.

Zur Ermittlung der maximalen Spannungsschwingbreiten wurden auf der Methode der kritischen
Schnittebene basierende Auswerteroutinen programmiert, welche eine rumliche Betrachtung
zulassen. Die Ermittlung der ertragbaren Belastungszyklen erfolgt nach linearer Schadensakkumulation (Plamgren - Miner). Mit Kenntnis der magebenden Spannungsschwingbreiten und Zuordnung der Konstruktionsdetails zu Kerbfllen in jedem finite Element werden die ertragbaren
Spannungsschwingspiele oder die vorhandenen Sicherheiten gegen Ermdung berechnet.

Bild 2 zeigt beispielhaft die Verteilung der berechneten Sicherheiten einer spannungsarm geglhten Seilbahnseilscheibe, in Bild 3 wird die Simulation der Betriebsfestigkeit eines Brckenquertrgers mit den tatschlich aufgetretenen Schden verglichen.

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Bild 2: Verteilung der Sicherheiten gegen das Auftreten des technischen Anrisses fr 5 x 106
Lastwechsel

Bild 3: Berechneter Ausnutzungsgrad und festgestellte Schden am einem Brckenquertrger

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Rissfortschrittssimulation - Restlebensdauer
In der Regel ist mit dem Auftreten eines Anrisses die Grenztragfhigkeit eines Stahltragwerkes
noch nicht erreicht. Zur Ermittlung der Restlebensdauer bedarf es einer Simulation des Rissfortschrittes mit den auf das Bauteil einwirkenden Lasten. Dabei stellt die Ermittlung der Rissfortschrittsrate und der Rissrichtung einen zentralen Punkt dar und wird mit Hilfe bruchmechanischer
Konzepte durchgefhrt. Zudem muss die Rissverlngerung mit dem entsprechenden Rissablenkungswinkel in die bestehende Struktur bzw. in das bestehende FE-Modell integriert werden. Es
wurden Routinen programmiert, die einen automatischen Ablauf der einzelnen Simulationsschritte
ermglichen. Grundlage fr die bruchmechanische Rissfortschrittsrechnung bilden dabei die
Spannungsintensittsfaktoren an der Rissspitze bzw. deren Schwingbreiten. In Abhngigkeit von
den vorhandenen Materialparametern kann zwischen verschiedenen Rissfortschrittskonzepten
gewhlt werden. Mit den entwickelten Routinen lassen sich Effekte wie Rissschlieen oder die
Mittelspannungsabhngigkeit bei der Rissfortschrittsrate bercksichtigen. Eine nhere Beschreibung kann aus [4], [6] entnommen werden.

Anrisse

Bild 4: FE-Netz der globalen Struktur sowie der Rissflchenbereich mit Anriss

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Betrachtet wird bei der Restlebensdauerermittlung die Phase stabilen Risswachstums bis zum
Erreichen eines vorgegebenen Grenzzustandes. Als Grenzzustand kann das Erreichen der Risszhigkeit KIC oder die berschreitung der plastischen Grenzlast des rissebehafteten Tragwerkes
definiert werden. Fr die Simulation der Restlebensdauer knnen die im Zuge von Inspektionen
tatschlich festgestellten oder fiktive Risse in die Struktur eingefgt werden und anschlieend die
Lebensdauer bis zum Erreichen des Grenzzustandes ermittelt werden. Es kann auch der Rissfortschritt fr ein bestimmtes Zeitintervall, z.B. fr die Dauer zwischen zwei Bauwerksinspektionen,
berechnet werden, um damit Aussagen ber ein sicheres Betriebszeitintervall zu treffen. Ist whrend der Rissfortschrittsphase das Auftreten zustzlicher Risse zu erwarten, kann dies durch eine
parallele Berechnung der Betriebsfestigkeit und des Rissfortschrittes abgebildet werden.

Parallele Betriebsfestigkeits- und Rissfortschrittsberechnung


Fr das rissfreie Bauteil erfolgt eine Betriebsfestigkeitsberechnung nach linearer Schadensakkumulation. Dazu werden die ertragbaren Schwingspiele berechnet, fr die sich im Tragwerk an der
bezglich Betriebsfestigkeit hchst beanspruchten Stelle die Schdigung Dd = 1,0 ergibt. An dieser Stelle wird im FE-Modell ein Riss eingebaut und der Bereich um die Rissspitze neu vernetzt.
Im nchsten Schritt erfolgt eine Rissfortschrittsberechnung mit einem vorgegebenen Rissinkrement. Nach Bestimmung der kumulierten Lastwechsel erfolgt anschlieend eine neuerliche Betriebsfestigkeitsberechnung, in welcher berprft wird, ob eventuell an weiteren Stellen im Tragwerk die Schdigung Dd = 1,0 erreicht wurde. Trifft dies zu, wird an diesen Stellen ebenfalls ein
Riss eingebaut. Diese Schleife wird solange durchlaufen, bis die zuvor definierte Grenztragfhigkeit des Tragwerkes erreicht wird. Bild 5 zeigt die Vorgehensweise exemplarisch an einem Brckendeck zum Zeitpunkt nach dem Einbau eines zweiten Risses.

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Bild 5: Parallele Betriebsfestigkeits- und Rissfortschrittsberechnung

Ausblick
Bei der Berechnung der Gesamtlebensdauer haben die stochastisch verteilten Eingabegren
(Belastungsgren, Werkstoffkennwerte) und Vereinfachungen in der Modellbildung groen Einfluss auf die Ergebnisse der Simulation. Es ist daher geplant, die am Institut entwickelten Simulationsmethoden unter Einsatz probabilistischer Verfahren, Sensitivittsanalysen und Abgleich mit
experimentellen Versuchen in ihrer Genauigkeit zu erhhen.

Diese Untersuchungen liefern Kenndaten fr den optimalen Prfumfang bei Schweikonstruktionen bzw. fr die Festlegung von optimalen Inspektionsintervallen und geben Hinweise zur sinnvollen Einstufung der Konstruktionen in die Ausfhrungsklassen nach EN 1090.

Literatur
[1] . Sander M.: Sicherheit und Betriebsfestigkeit von Maschinen und Anlagen, Konzepte und Methoden zur Lebensdauervorhersage, Springer Verlag, Berlin 2008
[2] Gudehus H.; Zenner H.: Leitfaden fr eine Betriebsfestigkeitsrechnung, Stahleisen Verlag,
Dsseldorf, 2000.

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[3] Khn B., Lukic M., Nussbaumer A., Gnther H-P., Helmerich R., Herion S., Kolstein M.H.,
Walbridge S., Androic B., Dijkstra O., Bucak : Assesment of Existing Steel Structures: Recommendations for Estimation of Remaining Fatigue Life, JRC43401, JRC-ECCS, First Edition,
02.2008.
[4] FKM Richtlinie: Bruchmechanischer Festigkeitsnachweis fr Maschinenbauteile, VDMA Verlag GmbH, 2006.
[5] EN 1993-1-9: Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten Teil 9: Ermdung.
Europisches Komitee fr Normung (CEN), Brssel, Mai 2005.
[6] Qian J., Fatemi A., Mixed Mode fatigue crack growth: A literature survey, Engineering Fracture
Mechanics, Vol.55, No.6, S.969-990,1996.

Autoren dieses Beitrages


Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.Gerhard Lener
Dipl.-Ing. Daniel Reiterer
Dipl.-Ing. Andreas Hauser
alle Universitt Innsbruck, Institut fr Konstruktion und Materialwissenschaften
Arbeitsbereich Stahlbau und Mischbautechnologie
Technikerstrasse 13

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