Neuebauphysik
Neuebauphysik
Neuebauphysik
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ........................................................................................5
Was ist eigentlich Bauphysik? .........................................................6
Der Mensch...................................................................................8
Das Raumklima ........................................................................... 12
Globale Randbedingungen ........................................................... 14
Die Sonne ................................................................................... 15
Luftmassen ................................................................................. 15
Sonneneinstrahlung ..................................................................... 15
Das Strahlungsgesetz von Stefan-Boltzmann ................................. 16
Zur These über eine Gegenstrahlung ............................................ 18
Einstrahlung aus der Umgebung ................................................... 18
Klimakatastrophe und Treibhausthese .......................................... 19
Cui bono? ................................................................................... 21
Was ist nun aber dran an der Treibhausthese? .............................. 22
Physikalische Grundlagen der energetischen Vorgänge .................. 25
Energie ....................................................................................... 25
„Genutzte Energie“ und „ungenutzte Energie“ ............................... 26
Strahlungsenergie (Wärmestrahlung)............................................ 26
Kinetische Wärmeenergie (Bewegungsenergie) ............................. 27
Energieverlagerungen .................................................................. 29
Energieübergang von Strahlung in feste Stoffe (Absorption)........... 29
Abstrahlung von Wärmeenergie.................................................... 30
Austausch von Strahlungsenergie zwischen Flächen ...................... 31
Gleichartige Flächen .................................................................... 32
Flächen mit ungleichen Strahlungskoeffizienten (ε) ........................ 32
Mathematische Behandlung von im Strahlungsaustausch stehenden Flächen
.................................................................................................. 33
Wärmestrahlung und menschlicher Körper .................................... 35
Wärmeleitung, Ursachen und Einflüsse ......................................... 36
Wärmeleitung in mineralischen Baustoffen .................................... 38
Dämmstoffe ................................................................................ 39
Was kann ein Dämmstoff eigentlich leisten? .................................. 40
Bauphysikalische Vorgänge in und an Dämmstoffen ...................... 44
Das Absaufen von Dämmstoffen ................................................... 45
Tauwasser .................................................................................. 46
Nützliche Wirkungen der Kondensation ......................................... 47
Schädliche Wirkungen der Kondensation ....................................... 47
Tauwasser und Massivwände ....................................................... 48
Tauwasser auf Außenwänden mit dünnen Dämmschichten ............ 49
Dicke Dämmschichten auf Außenwänden ...................................... 50
Veralgung von gedämmten Fassadenoberflächen .......................... 51
Das Absaufen dicker Dämmstoffe ................................................. 53
Tauwasserbildung im Sommer ...................................................... 57
Die Energiebilanz ......................................................................... 58
Energieabtrag ............................................................................. 58
Abstrahlung ................................................................................ 59
3
Vorwort
Diese Schrift wendet sich an Fachkollegen aus der Architektenzunft und an Bau-
herren, die genauer wissen wollen, warum ihr Architekt bestimmte Konstruktio-
nen plant und bauen lässt. Architekten sollen angeregt werden, die Bearbeitung
bauphysikalischer Fragen als normale Alltagsarbeit zu begreifen und nicht als
Geheimwissenschaft, die man den Experten überlässt. Der anspruchsvolle Titel
„Eine neue Bauphysik“ wurde gewählt, weil die Normen, die bestimmte
Techniken empfehlen und die irrtümlich für Bauvorschriften1 gehalten werden,
im Verlaufe der Bauentwicklung seit Ende des II. Weltkrieges mehr und mehr
unter den Einfluss der Industrie geraten sind und unübersehbar geworden ist,
dass naturwissenschaftliche Erkenntnis dann geopfert wird, wenn sie den
wirtschaftlichen Interessen der Industrie im Wege steht. Ein schlagendes
Beispiel für diese unheilvolle Entwicklung ist die im Februar 2002 in Kraft
getretene Energieeinsparverordnung (EnEV).2 Im Grunde ist bei meinen
Darlegungen kaum etwas neu, auch wenn das manches Mal so erscheinen
sollte. Neu ist allerdings, dass ich mir die Freiheit nehme, die offizielle „alte“
Bauphysik kritisch zu beleuchten und Erkenntnisse zu vermitteln suche, die
manchem, der in alten Gleisen gefahren ist und den Normen vertraut hat,
neuartig und sogar suspekt vorkommen müssen.
Ich werde die übliche Wissenschaftssprache3 vermeiden. Ich halte sie für eine
Fehlentwicklung der deutschen Sprache. Die weitergehende Forschung mag
den hier behandelten Gegenstand im Einzelnen auszuarbeiten. Ich hoffe, dass
die bisher auf diesem Gebiet tätigen Forschungseinrichtungen sich einer gewis-
sen Zurückhaltung befleißigen, da auch ihnen zu verdanken ist, dass seit mehr
als dreißig Jahren Irrtümer verbreitet werden, die hätten vermieden werden
können, wenn nicht sachfremde Einflüsse4 aus Industrie und Politik ein Überge-
wicht gewonnen hätten5. Der hierdurch angerichtete Schaden kann kaum mehr
wieder gut gemacht werden. Großer Schaden ist auch dadurch entstanden, da
die aus dem Ruder gelaufene Forschung sinnvolle Entwicklungen der Baukunst
verhindert hat.
Mit dieser Schrift verbinde ich die Hoffnung, dass Architekten dazu angeregt
werden, selbstverantwortlich nachzudenken und dass Normen nicht mehr als
Kochbuchrezept angewendet werden.
1
Soweit sie nicht ausdrücklich zum Gegenstand der Bauordnungen gemacht worden sind.
2
Die EnEV ist, berücksichtigt man, dass sie schon in ihren Grundansätzen falsch ist, letztlich nur eine
Verkaufshilfe der Dämmstoffindustrie.
3
Fachausdrücke werden kursiv gedruckt und im Glossar erklärt.
4
Die sog. „Drittmittel“, die heute Grundbedingung der universitären Forschung sind und von der In-
dustrie kommen, haben im Bauwesen zu einer Abkehr von zweckfreier Forschung geführt.
5
Leider hat es auch die medizinisch – physiologische Forschung bisher versäumt, ihren Beitrag zum Bau-
wesen zu leisten, obwohl die Qualität unserer Behausungen von großer Wirkung auf den Gesundheitszu-
stand des Menschen ist.
6
Das sind:
Energetische Vorgänge an und im Gebäude, der Einfluss des Wassers in allen
Aggregatzuständen, die Ein- und Auswirkungen des Wetters, und hier, als Neu-
igkeit eingeführt, die Wärmestrahlung, die bisher kaum Gegenstand bauphysi-
kalischer Betrachtungen war. Dass Gebäude fast immer dem Aufenthalt von
Menschen dienen, wurde in der „offiziellen Bauphysik„ eher als störend empfun-
den und daher kaum berücksichtigt. Ich behandle daher auch die Physiologie
des Menschen.
Da ich selbst seit 1967 den Beruf des Architekten ausübe, kenne ich die Schwie-
rigkeiten meiner Kollegen bei der Behandlung bauphysikalischer Fragen. Da
spielen Zeitmangel, Stress und Verunsicherung durch unterschiedlichste Mei-
nungen, die Industriewerbung, die nur selten sachlich, häufig von den Metho-
den der Waschmittelwerbung geprägt ist, eine verhängnisvolle Rolle. Die Misere
beginnt bereits beim Studium der Architektur, wo Vorlesungen über Bauphysik
eine stiefmütterlich behandelte Randerscheinung sind6. Mir scheint außerdem,
dass die Architekturlehrer sich auf die Erklärung der geltenden Normen be-
schränken. Wie ich von meinen Praktikanten höre, rücken die technischen Fä-
cher der Baukunst in den Hintergrund, Bauphysik und Baukonstruktion also das
„Gewusst – Wie“, das handwerkliche Fundament der Baukunst, verkümmern zu
Nebenfächern, die in den Entwurfssemestern nicht mehr behandelt werden.7
Der Architekt, der sich in den vergangenen Jahrzehnten vom Allroundfachmann
zum Verteiler von Spezialaufgaben entwickelt hat, übergibt – seine eigenen
Wissenslücken richtig einschätzend - die bauphysikalischen Probleme dem Spe-
zialisten, dem hauptamtlichen Bauphysiker. Der wiederum arbeitet streng nach
Norm, denn auch er hat es nicht besser gelernt. Schon zur Vermeidung von
Haftungsrisiken sind die Normen8 für den hauptberuflichen Bauphysiker die we-
sentliche Richtschnur.
6
Daran hat sich auch nach vierzig Jahren offenkundig nichts zum Besseren verändert. In einem mir
vorliegenden Skript der Gesamthochschule Kassel aus dem Jahr 2001 wird das Thema ebenso dilato-
risch behandelt, wie ich es als Student in den späten 50er Jahren erlebt habe. Auch meine Praktikanten
wissen nichts Besseres zu berichten.
7
Daher fallen vom neugebauten Hauptbahnhof in Berlin tonnenschwere Stahlträger, wenn sie vom
Wind angeblasen werden.
8
Allerdings ist auch das eine Fehleinschätzung, da Normen ja nur Empfehlungscharakter haben und
keineswegs den Planer aus der eigenen Verantwortung befreien können. Im „Meersburger Urteil“ hat
dies das Bundesverwaltungsgericht auch ausdrücklich festgestellt und darüber hinaus im Normenwerk
einen übermäßigen Einfluss der betroffenen Industrie erkannt.
7
Ganz schlimm wird es, wenn ein Architekt seine Spezialprobleme einem sog.
„Energieberater“ anvertraut. Diese sind in der Regel Amateure, denen fundierte
physikalische und mathematische Kenntnisse völlig fehlen. Ihre Funktion
besteht nicht etwa darin, einen sinnvollen Rat zu erteilen sondern darin, die
Energieeinsparungsverordnung (EnEV) zu vollstrecken. Verfolgt man die
Karrieren der Energieberater, bietet sich ein ziemlich einheitliches Bild: In der
Regel sind das gescheiterte Existenzen, die entweder ganz oder teilweise von
der „Energieberatung“ leben. Sie absolvieren obskure Kurse, bei denen sie
darauf getrimmt werden, die EnEV umzusetzen. Eine schöpferische
Ingenieurleistung findet da nicht statt. Statt dessen werden vorgefertigte
Programme in den Computer geschoben, der dann nach wenigen Sekunden
zwanzig Seiten bedrucktes Papier ausspuckt und eine Empfehlung, am Gebäude
Aussendämmungen anzubringen.
„Eine neue Bauphysik“ ist von einem Architekten für Architekten geschrieben.
Daher ist sie kein wissenschaftliches Werk, auch wenn sie sich auf wissen-
schaftlicher Grundlage bewegt. Die Erfahrungen aus der Praxis, die in vielen
Fällen erheblich von den normenmässigen Berechnungsergebnissen abweichen,
sind wesentlicher Bestandteil dieser Schrift. Bauphysik ist keine Geheimwissen-
schaft. Ein Architekt kann und soll die bauphysikalischen Bedingungen selbst
beherrschen. Der rechnerische Aufwand ist überschaubar und kann auch von
schlechten Mathematikern beherrscht werden. Der Architekt soll auch wieder
Vertrauen in sein eigens und vom Berufsleben geprägtes bauphysikalisches
Gefühl entwickeln. Dann kann er bereits in der Entwurfsarbeit die
bauphysikalischen Forderungen sinnvoll umzusetzen.
Eine der wichtigsten Einsichten, die ich vermitteln will, ist, dass die energeti-
schen Vorgänge am Gebäude ganz überwiegend vom Wetter und von Strah-
lungsvorgängen an und außerhalb der Gebäudeoberfläche bestimmt sind. Hier-
zu gehört auch die Erkenntnis, dass Gebäude – wetter- und jahreszeitlich be-
dingt – sich in einem Umfeld befinden, das ständigen und manchmal sehr er-
heblichen Veränderungen unterworfen ist. Den in den Normen vorausgesetzten
„stationären Zustand“ gibt es nicht. Über diesen leicht einsehbaren Sachverhalt
setzen sich die Normen hinweg, im wesentlichen deshalb, weil bauphysikali-
sche Vorausberechnungen unter der Annahme eines instationären Zustandes,
der zudem – weil vom Wetter bestimmt – chaotisch ist, nur schwer möglich
sind. Eine Norm, bei der nichts gerechnet werden kann, wäre ein Widerspruch
9
So Prof. Rahmsdorf vom Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam.
8
in sich. Daher ist auch nicht zu erwarten, dass es jemals Normen geben wird,
die die wirklichen Randbedingungen berücksichtigen. Insofern haben wir uns
mit der Fehlerhaftigkeit der Normen auch in fernerer Zukunft abzufinden10. Dies
ist Grund genug, bei der Anwendung von Normen sich stets zu vergegenwärti-
gen, dass sie fehlerhaft sein können. Weil dies so ist, haben die Gerichte auch
entschieden, dass die Einhaltung von Normen den Planer nicht von der eigenen
Verantwortung freistellt.11 Ebenso sieht das der Deutsche Normenausschuss,
der seine Normen als unverbindliche Handlungsanweisungen bezeichnet, die
den Anwender nicht von der eigenen Verantwortung freistellen. Das erinnert an
die Sprüche der pharmazeutischen Industrie: „wegen Risiken und
Nebenwirkungen......“
Ganz absichtlich handelt es sich hier um kein trockenes Fachbuch. Aus eigener
Erfahrung weiß ich, dass man nach einem anstrengenden Arbeitstag keine Lust
mehr hat, sich mit Berechnungsformeln und hochwissenschaftlichen Texten
abzuplagen. Nach längstens fünf Minuten ist da der Leser sanft entschlummert.
Daher habe ich versucht, das Thema unterhaltsam aufzubereiten. Gelegentliche
Abschweifungen in die Politik halte ich für zulässig und auch für erforderlich.
Bauphysik hat auch mit dem Menschen zu tun. Darin unterscheidet sie sich von
der „klassischen Physik“ grundlegend. Wir müssen uns also von vorneherein
darüber einig sein, dass Gebäude dem Menschen dienen, somit auch bauphysi-
kalische Überlegungen und die daraus entstehenden Lösungen immer daran
überprüft werden müssen, ob sie dem Menschen nützen oder schaden. Daher
beschäftige ich mich zunächst mit dem Menschen.
Der Mensch
Der Mensch ist das Ergebnis einer millionenjährigen Evolutionsgeschichte, die,
soweit hier von Belang, damit begonnen hat, dass ein Lebewesen aus dem
Wasser gekrochen ist und beschlossen hat, fürderhin sein Dasein auf dem Land
zu fristen. Damit trat ein grundlegender Wandel in den Umweltbedingungen
ein. Von der Kiemenatmung stellte es sich auf Lungenatmung um. Die bis dahin
gleichmäßige Umgebungstemperatur war nun einem ständigen Wechsel unter-
worfen. Die Temperatur der Luft wechselte in Abhängigkeit von Tag und Nacht,
10
Immer wieder findet man Versuche von Physikern und aus nicht nachvollziehbaren Gründen auch von
Maschinenbauern, bauphysikalische Berechnungen durchzuführen, die von dem Willen durchdrungen
sind, die Problematik mathematisch in den Griff zu bekommen. Betrachtet man die Ergebnisse genau-
er, stellt man fest, dass mit stationären Randbedingungen und unzulässigen Vereinfachungen gerech-
net wird, die der Wirklichkeit nicht entsprechen. Ohne die Spur eines Beweises, der eigentlich zu der-
artigen Berechnungen – wenn man sie schon macht – gehört, wird lediglich behauptet, dass auch unter
den falschen Annahmen das Ergebnis richtig und verallgemeinerungsfähig sei. Die etwas ehrlicheren
dieser Rechenkünstler weisen darauf auch hin, wiegeln aber im gleichen Atemzuge damit ab, dass die
Genauigkeit der Rechenergebnisse hinreichend sei.
11
Allerdings sollten die Richter in Bauschadensprozessen endlich auch davon abrücken, dass immer
dann, wenn ein Sachverständiger einen Verstoß gegen Normen feststellt, sie einen Anscheinsbeweis
für das Fehlverhalten des Planers oder Handwerkers für gegeben sehen. Das wäre die konsequente
Schlussfolgerung aus der normenkritischen Rechtsprechung der Bundesgerichte.
9
An Land teilten sich die Wege der Evolution. Die konservativeren Wirbeltiere
blieben bei der Gewohnheit, ihre Körpertemperatur den Umgebungsbedingun-
gen anzupassen. Hieraus entstanden die wechselwarmen Tiere, also Lurche und
Reptilien. Dies hatte zur Folge, dass sie in Zeiten hoher Lufttemperaturen und
vor allem der erheblich energiehaltigeren Sonneneinstrahlungen die erforderli-
che Aktivitätswärme hatten. Blieb diese Energiezufuhr jedoch aus, verfielen sie
in eine Kältestarre, bei der sie inaktiv waren. Einige entwickelten hierbei die Ge-
wohnheit, sich rechtzeitig einzugraben, andere lagen starr und unbeweglich in
der Gegend herum, gleichsam als tiefgekühlter Fleischvorrat für auch schon
vorhandene Warmblüter. Damit war eine ökologische Nische gebildet, die
natürlich von Mitbewerbern sofort ausgefüllt wurde.
12
Ausgenommen sind hiervon die ins Wasser zurückgekehrten Warmblüter.
13
Bei der Anpassung an die Wassertemperatur ist die Natur rigoros. So haben Forscher an der Universi-
tät Regensburg herausgefunden, dass es Bakterien gibt, die in kochend heißem Wasser leben.
14
Wenn Sie genügend Zeit haben, legen Sie mal ein Rindersteak in die Pfanne, die nie wärmer als 40 °C
wird. Nach etwa sechs Stunden haben Sie ein zartes, rosa gefärbtes Steak, wie Sie es in einer Gaststät-
10
temperatur von etwa 37 °C, die nicht mehr verändert wurde. Die Regelungsim-
pulse führten zu einer Verstärkung oder Verminderung der körpereigenen Ver-
brennungsprozesse, mit denen Schwankungen der Umgebungsenergien ausge-
glichen wurden.
Was wirkte nun aber auf die Sensoren15 der Regelung ein? Da war die Tempe-
ratur der Umgebungsluft, mal wärmer, mal kälter als der Tierkörper, wobei die
kühlende oder wärmende Wirkung sehr erheblich durch die Windgeschwindig-
keiten bestimmt wurde. Die Schwankungen in der Energiezufuhr oder dem
Energieabtrag waren groß. Da war aber vor allem die Einstrahlung aus der Son-
ne, deren Energiebetrag bei weitem überwog und die stetig und mit geringfügi-
gen Schwankungen stattfand. Der Energieumsatz aus der Einstrahlung war im
tages- und jahreszeitlichen Verlauf verlässlich und somit eine Umweltbedin-
gung, mit der die Evolution etwas anfangen konnte. Das tat sie dann auch. Das
endogene Regelungssystem, das ja zuverlässig und wirtschaftlich sein musste,
wurde prinzipiell auf Strahlungsvorgänge eingestellt, es übernahm also das, was
die Reptilien und Lurche auch betrieben, allerdings im Hinblick auf die sehr vor-
teilhafte Daueraktivität gepaart mit einer geregelten Verbrennung zur Aufrecht-
erhaltung der günstigsten Körpertemperatur. In dieser Phase bildete sich auch
die innere Uhr der Lebewesen aus, die bis heute ein sehr verlässlicher Teil des
Regelungsmechanismus ist. Sie ist genau an den Zeittakt angepasst, der auch
die klimatischen Randbedingungen bestimmt. Der Verbrennungsmechanismus
war jedoch verhältnismäßig träge und daher ungeeignet, plötzliche Änderungen
der Lufttemperatur abzufangen. Daher entwickelten die Warmblüter noch eine
weitere Technik der Temperaturerhaltung mit einfachen mechanischen Verfah-
ren.
Sie entwickelten ein Haar- oder Federkleid, das sie geometrisch verändern
konnten. Wenn sie es sträubten, vergrößerte sich das vom Fell eingeschlossene
Luftpolster, das eine wärmedämmende Wirkung hatte. Wie bei den heutigen
Dämmstoffen auch, führte diese Technik zur Erhaltung des Energieniveaus im
von Auskühlung bedrohten Körper. Die energetische Körperoberfläche, die
Haut, wurde von der schnell strömenden Luft nicht erreicht. Somit verminderte
sich auch der konvektive Energieabtrag an der Hautoberfläche.
Ganz raffiniert und ausgeklügelt ist hierbei das Fell der Eisbären. Es besteht aus
röhrenförmigen Haaren, die das einfallende Sonnenlicht auf die Haut leiten. Die
Haut wiederum ist schwarz und damit ein guter Absorber.
Bei größerem Energieverlust, der Auskühlung bewirkt hätte, erhöhten die Tiere
die körperliche Aktivität, z.B. durch das Kältezittern.
beweglich waren, suchten sie schattige und kühle Plätze auf, flüchteten sich ins
Wasser oder in Höhlen, andere gruben sich kurzerhand ein. Da sich das Leben
auf dem Land – wie wir heute wohl richtig vermuten – in den äquatornahen
Breiten entwickelt hat, ist auch erklärlich, dass auch heute noch die Techniken,
die vor Überhitzung schützen sollten, bei weitem besser ausgebildet sind als die
Techniken zur zusätzlichen Energiegewinnung in kalten Zonen.
Durch ihre stets mögliche Aktivität waren die Warmblüter den wechselwarmen
Tieren überlegen. Offensichtlich waren sie auch intelligenter. So führten sie die
Brutpflege ein16, entwickelten hierbei soziales Verhalten, das eine höchst nützli-
che Gruppenbildung ermöglichte. Die endogene Temperaturregelung befähigte
sie außerdem, für wechselwarme Tiere unwirtliche Zonen zu besiedeln. Als ent-
scheidender Vorteil stellte sich heraus, dass sie gegenüber Klimaveränderungen
widerstandsfähig waren.
Nur die Vögel, eine Seitenlinie der Dinosaurier, haben überlebt. Das zunächst
nur dem Fliegen dienende Federkleid erwies sich wegen seiner
wärmerückhaltenden Wirkung auch sonst als nützlich.17 Die Vögel nutzten diese
Gelegenheit sinnvoll dadurch, dass auch sie sich zu Warmblütern entwickelten.
Die Lurche zogen sich wieder ins Wasser zurück. Von den Reptilien blieben
wenige, die wärmere Rückzugsgebiete fanden, übrig. Die Dinosaurier erwiesen
sich letztlich als energetische Fehlkonstruktion. Befanden sie sich in
16
Die höchste Stufe dieser Entwicklung erreichten die Säugetiere und der Mensch. Siehe auch: Prof.
Sarah Blaffer Hrdy, Mutter Natur, die weibliche Seite der Evolution, Berliner Taschenbuch Verlag
2002.
17
Das ist meine eigene Hypothese. Die Frage nämlich ob – wie ich vermute – erst das Federkleid da
war, und sich sodann die Warmblütigkeit entwickelt hat, oder ob es umgekehrt war, hat mir die
Fachliteratur noch nicht beantworten können. Wenn es zutrifft, dass sich die Federn aus dem Schup-
penkleid der Reptilien entwickelt haben, dürfte meine These stimmen. Zumindest die Frage, ob näm-
lich erst die Henne und dann das Ei da waren, ist zugunsten des Eis gelöst. Denn die Dinosaurier wa-
ren Eierleger oder seltener sogar Lebendgebärer.
12
Aus den Warmblütern entwickelte sich schließlich auch der Mensch, dessen
früheste Reste in heute wie damals heißen Gebieten Afrikas gefunden werden.
Er verbesserte die Energieregelung durch zwei Neuerungen. Durch den
aufrechten Gang verkleinerte er die Einstrahlungsfläche und er verlor sein
Haarkleid, als er sah, dass das Schwitzen eine sehr wirksame Methode der
Abkühlung war. Nur das Kopfhaar behielt er bei, weil dieses die Einstrahlung
auf den Schädel verminderte. Aber auch der Mensch behielt die einmal
vorgefundene Energieregelung bei. Auch er richtete sich auf Wärmestrahlung
ein und ebenso glich er Temperaturschwankungen der Umgebungsluft durch
mechanische und zusätzliche Techniken aus. Diese verbesserte er im Laufe der
weiteren zivilisatorischen Entwicklung bis zum heutigen Tage, wo er sich selbst
in seinen Behausungen ein künstliches Raumklima schafft und seine
Bekleidungstechniken dem Wetter anpasst.
Für unser Thema ist bedeutend, dass bauphysikalische Betrachtungen, die den
Menschen nicht mit einbeziehen, weitgehend sinnlos sind. Daran scheitern auch
letztlich alle Versuche, Bauphysik berechenbar zu machen.
Das Raumklima
Die Evolution hat also dazu geführt, dass der Mensch ein bestimmtes
Strahlungsklima benötigt. Empirisch kann gesagt werden, dass dieses
Strahlungsklima dem eines angenehmen Sommertages gleichen soll. Ein
derartiges Klima wird als behaglich und angenehm empfunden, weil es einem
evolutionär entstandenen Grundbedürfnis des Menschen entspricht. Um es
banal auszudrücken: Ein richtiges Strahlungsklima ist gesund. Abweichungen
nach oben und unten empfindet der Mensch als unangenehm bis
lebensbedrohend. Ein solches Klima macht krank. Die Schaffung eines in
diesem Sinne „gesunden“ Raumklimas ist daher von großer Wichtigkeit.
Auch der Mensch hat eine Energiebilanz. Er verliert somit Wärmeenergie an die
Umgebung, wie er auch Energie aus der Umgebung aufnimmt. Im Ruhezustand
verliert der Mensch etwa 120 W/h. Bei körperlicher Aktivität steigt diese
Energieabgabe auf ein Mehrfaches. Die Energieabgabe verteilt sich
folgendermaßen18:
Die Energieaufnahme verhält sich bei einem guten Raumklima so, dass der
Energieeintrag durch Strahlung den Wert 90% annimmt, der Rest von 10 %
18
Quelle: Friedrich Eichler, Bauphysikalische Entwurfslehre, VEB Verlag für Bauwesen, Berlin, 1968
13
Die „neue Bauphysik“ wird dies berücksichtigen. Dies bedeutet auch eine
vollkommene Veränderung der in den Normen enthaltenen Betrachtungsweise.
Die Norm kennt den Begriff „Raumklima“ nicht. Sie betrachtet ausschließlich die
Temperatur der Raumluft. Das alles entscheidende Strahlungsklima, das, wie
noch gezeigt werden wird, eine richtige Lufttemperatur und Luftfeuchte
selbsttätig bewirkt, ist nicht Gegenstand der Norm. Die DIN 4108 betrachtet ein
Gebäude nur als Warmluftbehälter23. Da dies so ist, ist die Norm auch kaum
verbesserungsfähig. Sie muss daher, soweit sie die Raumbeheizung behandelt,
abgeschafft werden. Die Anwendung der DIN 4108 ist nach meiner Auffassung
19
Dies gilt für Wände mit einem Strahlungskoeffizienten von ca. 95%, wie dies bei normalen verputzten
Innenwänden mit hellen Anstrichen der Fall ist.
20
Hierzu gehört die Temperiermethode, die der Verfasser selbst anwendet und die in seiner Schrift „Die
Temperierung“, Eigenverlag Berlin, 2001 ausführlich beschrieben und begründet ist.
21
So unappetitlich dies auch klingen mag: Denken sie bei dieser Gelegenheit einfach mal an den
Nasenrotz.
22
Daher sind diese Erkältungskrankheiten in Wirklichkeit Beheizungskrankheiten.
23
Besonders extrem wird dies bei der sog. „Passivhausbauweise“ sogar absichtlich zum
Konstruktionsprinzip erhoben.
14
ein Verstoß gegen die Regeln der Baukunst und birgt somit ein Haftungsrisiko
für den Planer in sich. Dies ist auch keineswegs neu. Spätestens seit Friedrich
Eichler in den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts die
„Bauphysikalische Entwurfslehre“ veröffentlicht hat, ist dies bekannt. Am Ende
dieses Kapitels soll er daher zitiert werden:
„Der Mensch strahlt nicht nur Wärme ab, er empfängt auch Wärmestrahlung aus der
Umgebung. Sein Körper nimmt Strahlungswärme gern auf. Es entsteht ein ausgesprochenes
Wohlbefinden, wenn die nötige Wärme dem Körper durch Strahlung zugeführt wird und die Luft
kühl genug ist, um einen Wärmestau zu verhüten. (Winterliche Besonnung im Hochgebirge).
Beim „Tanken“ von Sonnenwärme kann die Wärmeabstrahlung des Körpers bis auf Null
sinken24.
Ist die zugeführte Wärme dagegen an Luft gebunden, so wird sie weniger vertragen.
Warmfeuchte Luft, die eine Abkühlung des Körpers durch Verdunstung von Schweiß behindert,
wird als ermüdend und unbehaglich empfunden. Ein physiologisch günstiges Raumklima wird
dem Menschen dann geboten, wenn die Raumflächen hohe Oberflächentemperaturen
aufweisen. (Etwa um 17 °C), die Luft selbst kühl ist und ein optimales Strahlungsgleichgewicht
mit Hilfe zusätzlicher Strahlungswärme 25 erzielt wird. Unter diesen Bedingungen kann auch der
geschlossene Raum reichlich gelüftet werden, ohne dass unerwünschte Abkühlungen eintreten.
Ist die Wärme an die Luft selbst gebunden, die ihrerseits erst die Raumflächen langsam
erwärmen muss, so bedeutet jedes Lüften einen fühlbaren Wärmeverlust und ein
Strahlungsgleichgewicht ist nicht erreichbar. Unsere Heizungssysteme, insbesondere die
üblichen Luftkonvektoren, sind weit davon entfernt, physiologisch optimale Bedingungen für
den Menschen im geschlossenen Raum herzustellen.“
Globale Randbedingungen
Der Planet Erde ist Teil des Sonnensystems. Er umkreist die Sonne auf einer
elliptischen Bahn und dreht sich hierbei um eine gedachte und schräg zur
Umlaufbahn stehenden Achse. Die Schrägstellung der Erdachse ist Ursache des
jahreszeitlichen Klimawechsels. Die Rotation ist Ursache der
Temperaturschwankungen im Tag-Nacht-Rhythmus.
24
Hier irrt Eichler, da Wärmeabstrahlung erst dann aufhört, wenn die Strahlungsoberfläche beim abso-
luten Nullpunkt angekommen ist.
25
Wandheizungstechniken waren Eichler offensichtlich noch nicht bekannt.
26
Normen sind keine Bauvorschriften. Sie haben nach den Veröffentlichungen des Deutschen Instituts
für Normung nur Empfehlungscharakter. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind Nor-
men von der Interessenlage der Wirtschaft und Industrie beeinflusst. Der Hinweis, man hätte normge-
mäß gebaut, ist kein Entlastungsbeweis gegen den Vorwurf einer Fehlplanung.
27
Bei dieser Auseinandersetzung geht es schon längst nicht mehr um die Sache sondern darum, die wis-
senschaftliche Reputation zu retten, die bei den Befürwortern der EnEV aufs höchste gefährdet ist.
15
Die Sonne
Die Erde bewegt sich innerhalb der Sonnenwirkung und ist somit den
Einflüssen aus der Sonne unmittelbar ausgesetzt. Der enge Kontakt zur Sonne
wird an verschiedenen Naturerscheinungen sichtbar, so durch das Nordlicht,
elektromagnetische Störungen, die zum Zusammenbruch von
Kommunikationseinrichtungen und der Stromverteilungsnetze führen können,
insbesondere jedoch durch den fortwährenden Empfang von Strahlungsenergie.
Wie entscheidend dieser Einfluss ist, zeigt sich am Temperatursturz bei totalen
Sonnenfinsternissen. Ebenso sind die grundlegenden breitengradabhängigen
Klimaunterschiede ausschließlich eine Folge unterschiedlicher
Einstrahlungsmengen. Mit Ausnahme der durch Kernenergie und Fusionsenergie
bestimmten Prozesse ist der gesamte auf der Erde stattfindende Energieumsatz
auf die eingestrahlte Sonnenenergie zurückzuführen.
Luftmassen
Eine weitere große Rolle für das Wettergeschehen spielen die ständig in
Bewegung befindlichen Luftmassen, die von Zonen hohen in Zonen niedrigen
Luftdrucks fließen. Hierbei wirkt sich die Erdrotation auf die Zugbahn aus. Die
Corioliskraft führt zu gekrümmten Bahnen28. Insgesamt bewirkt die ständig in
Bewegung begriffene Luft einen globalen Ausgleichseffekt, der in unseren
Breiten zum „gemäßigten Klima“ führt.
Sonneneinstrahlung
Von ganz außerordentlicher Wirkung bei bauphysikalischen Prozessen ist die
Sonneneinstrahlung. Hierbei haben wir zu unterscheiden zwischen
unmittelbarer Sonneneinstrahlung bei wolkenlosem Himmel, der diffusen
Einstrahlung bei bedecktem Himmel, die an allen Gebäudewänden gleich stark
ankommt und der mittelbaren Strahlung aus der Gebäudeumgebung. Die
Globalstrahlung, die als Durchschnitt aus diffuser und unmittelbarer
Sonnenstrahlung definiert ist, hat folgende Werte, gemessen in W/m²
(Mittelwerte)29 über einen ganzen Tagesverlauf30:
Ja. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez.
40 70 90 110 130 190 220 175 110 80 60 40
28
Wenn Sie auf einem Plattenteller ein Stück Papier auflegen, ihn in Betrieb setzen und sodann einen
Bleistiftstrich in eine gleich bleibende Richtung ziehen, entsteht eine gekrümmte Linie. So etwa
funktioniert die Corioliskraft.
29
Quelle: www.wetterzentrale.de
30
Für die Betrachtung der energetischen Vorgänge am Gebäude muss jedoch der Tag-Nachtrythmus be-
rücksichtigt werden. Mit Durchschnittswerten kann man daher wenig anfangen.
31
Diese Tabellen aus der DIN 4108 – 6 unterscheiden nach Himmelsrichtung und Neigungswinkel der
bestrahlten Flächen und sind somit eine sehr gute Planungshilfe, wenn es darum geht, ein Gebäude so
16
Wie noch ausführlich dargestellt werden wird, findet der ganz überwiegende
Teil der energetischen Prozesse an einem Gebäude an der Gebäudeoberfläche
statt, so auch die Wärmeeinstrahlungen. Diese sind je nach Himmelsrichtung
der Oberflächen und nach Dachneigung unterschiedlich, so dass sie auch
getrennt ermittelt werden müssen.
Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass nicht nur aus dem Weltraum, sondern
auch aus der unmittelbaren Umgebung eines Gebäudes Einstrahlungen
herkommen. Auch hier müssen wir uns klar machen, dass jede Oberfläche,
deren Temperatur über dem absoluten Nullpunkt liegt, Wärmeenergie abstrahlt.
Architekten werden daher künftig die Umgebung eines Gebäudes zu
untersuchen haben, um die Einstrahlungsmengen einigermaßen richtig
einzuschätzen. Dass Umgebungsstrahlung von beachtlicher Bedeutung ist, weiß
ein aufmerksamer Autobesitzer. Stellt er im Winter sein Fahrzeug vor einem
Gebäude ab, sind die dem Gebäude zugewandten Scheiben und Blechflächen
eisfrei, die abgewandten Seiten sind mit Reif beschlagen. Die vom Gebäude
abgestrahlte Energie hat also ausgereicht, das Fahrzeug soweit zu erwärmen,
dass Eisbildung unterdrückt wurde.
Hierbei bedeuten:
Φs Strahlungsenergiestrom
ε Spezifischer Strahlungskoeffizient
T Absolute Temperatur in Kelvin (K)
5,67 Stefan-Boltzmann-Konstante
Multipliziert man das gewonnene Ergebnis mit der Größe der Strahlungsfläche
(A), erhält man die Strahlungsleistung der gesamten Wandoberfläche.
Zur Berechnung benötigt man also die Oberflächentemperatur, die man messen
kann, und den Strahlungskoeffizienten, der aus Tabellen entnommen werden
kann35. Der Strahlungskoeffizient ist ein spezifischer Wert, dessen Basis die
Stefan – Boltzmann – Konstante ist. Dieser Wert ist der Strahlungskoeffizient
des „schwarzen Strahlers“, einem theoretischen Gebilde mit der
höchstmöglichen Strahlungsleistung. Diese Konstante wird mit dem Wert 5,671
angegeben36. Alle anderen Strahlungsflächen haben einen geringeren
Strahlungskoeffizienten. Das Diagramm der Strahlungsleistungen im
baupraktischen Bereich zeigt eine mit der Temperaturzunahme flach
ansteigende Kurve.
Will man letztlich den Betrag der abgestrahlten Energie über einen Zeitraum
errechnen und für eine Fläche (A), wird das Ergebnis mit der Zeit (t)
multipliziert. Die Formel für die emittierte Energie lautet sodann
4
Φs = 5,67 x ε * A * t * (T/100)
Das Ergebnis hat dann den Wert in (Ws). Eine Beispielsrechnung sieht so aus:
Damit haben Sie, weil es sich um eine baupraktische Annahme handelt, sogleich
auch eine grössenmässige Vorstellung, um welch erhebliche Energiebeträge es
hier geht. Wenn Sie dieses Ergebnis auf die gesamte Wandoberfläche eines
Gebäudes ausdehnen, werden Sie feststellen, dass die abgestrahlte
Energiemenge weit über der Leistungskraft Ihrer Heizanlage liegt. Bereits hier
kündigt sich an, dass die energetischen Vorgänge an Gebäuden anderen
Voraussetzungen unterworfen sind, als diese in der DIN 4108 und der
gleichartigen europäischen Norm EN 832 festgelegt sind.
35
Ich entnehme die Werte für die Strahlungskoeffizienten dem Buderus-Handbuch für Heizungstechnik,
Beuth-Verlag, Berlin, die auf dem Strahlungskoeffizienten des Schwarzen Strahlers von 5,774 aufge-
baut sind. Im Anhang finden Sie eine Reihe von Werten für Baustoffe.
36
Der Mensch neigt dazu – vor allem wenn es ihm zu gut geht- an
37
Hierfür gilt das Lambert`sche Richtungsgesetz, das vorsieht, dass bei schräg eintreffender und schräg
emittierter Strahlung der Cosinus des Strahlungswinkels als Faktor einzusetzen ist.
19
So lohnt immer, will man diesen Dingen auf den Grund gehen, die berühmte
Frage „cui bono?“39 zu stellen. Sie führt zielsicher zu den Hintergründen, die
von Hysterie, Intoleranz, Meinungsunterdrückung und Irrationalismus
gekennzeichnet sind. Wenn wir ergründen, wer hierbei profitiert, haben wir
auch die Urheber des Wahns dingfest gemacht.
Nicht anders verhält es sich bei dem neuesten Horrorszenario, welches mit den
Begriffen „Treibhausklima“ und „Klimakatastrophe“ verbunden ist. Die These,
die dahinter steckt, ist falsch.40 Ihre Urheber sind Zyniker41, die ersichtlich
davon ausgehen, dass man der Menschheit ungestraft baren Unfug auftischen
kann42. Was wird also behauptet?
Das Spurengas CO2 bilde in der Atmosphäre – wo, wird schon nicht mehr
erklärt – eine Schicht aus, durch die Sonnenstrahlung ungehindert zur
Erdoberfläche hindurchgelange, dort absorbiert würde, sodass dort
Wärmestrahlung emittiert wird, vom Kohlendioxid in der Atmosphäre
wiederum absorbiert und remittiert würde, sodass es im Ergebnis zur
Erwärmung der Atmosphäre und damit zu weltweiten Klimakatastrophen
käme.
Die spätmittelalterlichen Judenpogrome in Regensburg dienten z.B. der Entschuldung. Die jüdischen
Grabsteine dienten als Baustoff für die Errichtung einer Kirche am Neupfarrplatz, die – für protestan-
tische Kirchen ungewöhnlich, der Jungfrau Maria gewidmet war.
39
Wer diese Thesen nicht stützt oder gar sich gegen sie wendet, wird als
„Klimaleugner“ diffamiert.44
Cui bono?
Da gibt es das Fachgebiet der „Globalklimaforschung“45, das sich zum
pseudowissenschaftlichen Helfershelfer gemausert hat, nachdem es jahrelang
ein Randgebiet der Forschung war. Inzwischen wird diesem Gebiet eine saftige
Förderung aus Steuer – und Industriemitteln gewährt, es wird also reichlich
Geld verdient. Nebenher werden feudale Weltreisen unternommen, bei denen
die Forscher ein zehnminütiges Statement abgeben dürfen. Da kostet den
Steuerzahler dann eine Redeminute schlappe € 20.000,--. Wann sonst schon
kann ein Angestellter im öffentlichen Dienst sich derartige Reisen in so
interessante Länder wie Südamerika, Japan oder Afrika leisten?
Da gibt es die politischen Parteien, die schon seit eh und je wissen, dass man
das Wahlvieh am Besten mit Horrorvisionen vor den Karren spannen kann.
Selbst Parteien wie die Liberalen können sich dem nicht mehr entziehen. Die
politische Auseinandersetzung dreht sich daher schon lange nicht mehr um das
„Ob“, sondern darum, wer das eindrucksvollste Szenario bietet.
Da gibt es die universitäre „Bauphysik“, von der sich ein ordentlicher Physiker
mit Grausen abwendet, die inzwischen zum Kostgänger der Politik und der
Industrie geworden ist, ohne deren Drittmittel die Institute geschlossen werden
müssten. Das läuft nach dem Motto: „Wes Brot ich esse, des Lied ich singe.“
Ein einheitliches Merkmal dieser Pseudoforschung besteht darin, dass sie es
ängstlich vermeidet, sich der wissenschaftlichen Disputation zu stellen.
Stattdessen wurde sie zum bestellten Handlanger der Politik, in deren Diensten
sie bereitwillig Verrat am Geist echter wissenschaftlicher Arbeit übt und
mittlerweile so unverfroren geworden ist, dass sie nicht im Traum daran denkt,
43
Dieser Begriff steht im Widerspruch zum Energieerhaltungssatz.
44
So Prof. Stefan Rahmstorf in Bild der Wissenschaft 1/2003. In diesem Artikel finden sich
bemerkenswerte Widersprüche wie z.B. „Vor rund 100 Millionen Jahren betrug der CO 2-Gehalt der
Atmosphäre ein Vielfaches des heutigen“. Wenig später wird uns folgendes mitgeteilt: „Die
Klimageschichte zeigt auch, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre niemals auch nur annähernd so
hoch gewesen ist wie jetzt.“ Was soll jetzt nun gelten? (der.Verf.)
45
Der Forschungsgegenstand „Globalklima“ existiert jedoch nicht. Er ist lediglich ein statistisch ge-
wonnenes Konstrukt, das aus einer willkürlichen Sammlung von Wetterdaten besteht, aus denen sinn-
lose Mittelwerte gewonnen werden.
21
ordentliche wissenschaftliche Arbeit zu leisten, die dann aber auch zum eigenen
Untergang führen würde.46 Inzwischen bemühen sich die Beteiligten nicht
einmal mehr, diese unappetitliche Verquickung von Politik und
Industrieinteressen zu verbergen. Da wurde vor einiger Zeit die DENA GmbH
gegründet, deren einziges Ziel darin besteht, Druck auf den Bürger auszuüben.
Er soll ungeprüft bei der energetischen Gebäudesanierung die Produkte
einkaufen, die nach den Verordnungen vorgeschrieben sind. Tut er das nicht,
verliert er jeden Anspruch auf Förderung durch Zuschüsse und verbilligte
Kredite der KfW. Die Gesellschafter der DENA sind die Bundesregierung und die
KfW.
Da gibt es endlich als Profiteur die Industrie, die auf der Grundlage von
Bauvorschriften, die Umsatz erzwingen, gewaltige Gewinne einfährt, wohl
wissend, dass sie nutzloses Zeug verscherbelt.47
46
Rühmliche Ausnahmen gibt es auch hier, die jedoch einen schweren Stand haben.
47
Auf der BAUTEC 2001 hatte ich ein Gespräch am Stand des bedeutendsten deutschen Dämmstoffher-
stellers. Meine Frage, was man von der Aussage von Prof. Gertis (Fraunhoferinstitut Holzkirchen)
hielte, wonach die beste Dämmstärke 40 cm sei, erfuhr die Antwort: „Das ist natürlich Unsinn“. Mei-
ne weitere Frage, warum dann nicht die Industrie im Sinne einer ordentlichen Verbraucherberatung
ihre Meinung hierzu veröffentlichte, wurde damit beantwortet, dass man sich gegen derartige Ver-
kaufshilfen angesichts der Notwendigkeit zum maximalen Umsatz nicht wehren würde.
48
Einer dieser sich selbstregelnden Prozesse besteht darin, dass bei erhöhter CO 2-Gabe Pflanzen mit
verstärktem Wachstum reagieren und hierdurch CO 2 in fester Substanz gebunden wird. Der Preisver-
fall bei Bauholz wird von der Holzwirtschaft auch darauf zurückgeführt, dass der mit etwa 20% höhe-
re Holzzuwachs nicht mehr verkauft werden könne.
49
In Abhängigkeit von der Sonnenfleckentätigkeit wechselt allerdings der solare Energieeintrag. Dies ist
eine Ursache für Klimaschwankungen.
22
Die Folge sei das Abschmelzen des Polareises. Verschämt mussten sie
einräumen, dass selbst dann, wenn das Nordpoleis schmelzen würde, der
Meeresspiegel nicht um ein Millimeterchen steigen würde. Auch hier gilt nämlich
das Gesetz des Archimedes. Auch bleiben sie die Antwort darauf schuldig,
warum am Südpol entgegen den physikalischen Eigenschaften von Wasser das
Eis schmelzen soll, wenn sich die Polarluft um 5,7 K erhöht, dennoch aber die
Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt von Wasser bleiben werden.
50
Die Angehörigen dieses Wissenschaftszweiges sind auch für die Wettervorhersagen zuständig. Mit
Mühe schaffen sie es, das Wetter für etwa 3 Tage vorauszusagen. Da muss man sich schon fragen, ob
bei diesen mageren Künsten es nicht eine Frechheit ist, Prognosen für die kommenden hundert Jahre
mit Zehntelgrad Genauigkeit zu veröffentlichen.
51
Veröffentlichung in Science-Online-Ausgabe GRL.Bd.26, S. 759
23
Noch beunruhigender ist jedoch der Gedanke, dass wir uns daran gewöhnen
sollen, dass Regierungen das Volk nach Strich und Faden belügen dürfen. Der
Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag des Jahres 2003 musste sich
damit beschäftigen. Dabei ging es um Aussagen von Regierungsmitgliedern zur
Haushaltslage der Bundesrepublik Deutschland vor der Wahl im September
2002. Seitens der Regierung wurde erklärt, dass dieser
Untersuchungsausschuss überflüssig war, da man ja gar nicht bestritte, das
Wahlvolk belogen zu haben. Weit haben wir es gebracht. Wir stehen somit am
Ende der demokratischen Staatsverfassung und am Anfang eines
Staatsterrorismus´, der sich nur noch im Vierjahresrythmus eine
Scheinlegitimation besorgt.
52
Veröffentlichung in Science, Bd.310, S. 1313 und 1317.
24
Energie
Energie ist die Fähigkeit, Arbeit zu leisten.
Energie zeigt sich in vielen Spielarten. Als Axiom gilt, dass in einem
geschlossenen System Energie weder erzeugt noch vernichtet werden kann. Im
allgemeinen Sinne gilt dies für die durch das Universum verkörperte Energie.
Wir sprechen daher auch vom Energieerhaltungssatz. Energie kann jedoch von
einer Form in eine andere verwandelt werden. Auch hierbei geht prinzipiell
keine Energie verloren. Wenn wir dennoch Begriffe wie Energieerzeugung,
Energieverbrauch oder Energieverlust54 verwenden, verstoßen wir gegen den
Energieerhaltungssatz. Gemeint sind mit diesen Begriffen die vielfältigen
Vorgänge bei der Energieverwandlung und Energieverlagerung, die zum
Heizenergieverbrauch führen.
Im Bauwesen hat sich die Größe (Ws) und hiervon abgeleitet die Kilowattstunde
(kWh) eingebürgert.
53
Zur Erklärung: Wenn ein Auto beschleunigt wird, haben wir den nicht stationären Zustand. Fährt da-
nach das Auto gleichmäßig weiter, ist der Zustand stationär.
54
Diese Begriffe sind anthropozentrisch. Die anthropozentrische Betrachtung der Natur war schon seit
jeher eine Quelle von Irrtümern.
25
Strahlungsenergie (Wärmestrahlung)
Strahlungsenergie ist die Energie elektromagnetischer Wellen, wobei wir hier
den Spektralbereich des gesamten Wellenspektrums meinen, der für die
energetischen Vorgänge an Gebäuden von Bedeutung ist. Dieses Spektrum
erstreckt sich vom langwelligen Infrarot bis hin zum Ultraviolett. Hierbei sind die
kurzwelligen Bereiche energiehaltiger als die langwelligen. Wenn wir mit
Wärmestrahlung rechnen, verwenden wir daher Durchschnittswerte mit
ausreichender Genauigkeit. Jedoch sollten wir bedenken, dass die
Sonneneinstrahlung den gesamten Bereich der Wärmestrahlung erfasst,
während die Abstrahlung von Baustoffen immer nur das langwellige infrarote
Spektrum betrifft. Die Arbeit, die diese Energieart leisten kann, besteht im
Wesentlichen darin, dass sie dann, wenn sie von Stoffen absorbiert wird, zur
Temperaturerhöhung führt.
55
Der Begriff „Energie“ für sich gesehen ist abstrakt. Die Spielarten, bei denen sich Energie
manifestiert, sind unzählig groß. Mathematisch orientierte Physiker neigen dazu, mit Energie als einer
abstrakten Größe rechnerisch umzugehen und verfallen hierbei häufig in den Fehler, unterschiedliche
Energieformen mathematisch als Einheit zu behandeln und hierbei aber zu übersehen, dass sie in der
Praxis getrennt zu behandeln sind. Zum Beispiel führt eine Gleichbehandlung der Energie, die in Luft
vorhanden ist mit Strahlungsenergie zu fehlerhaften Empfehlungen.
56
Da diese Wellenlängen gemessen werden können, ist es den Astrophysikern möglich, die stoffliche
Zusammensetzung von Sternen zu ermitteln.
26
Ek = ½ * m * v²
Hierbei ist (m) die Masse des schwingenden Teilchens, (v) dessen
Geschwindigkeit im Schwingungsvorgang60. Die Formel ist auch aus sonstigen
57
Jedes System neigt dazu, den geringstmöglichen Energiezustand einzunehmen.
58
Hierdurch ist die Lichtgeschwindigkeit definiert. Da es etwas Geringeres als Masselosigkeit nicht
gibt, kann die Lichtgeschwindigkeit als nicht weiter erklärbare Naturkonstante auch nicht übertroffen
werden. Die Idee einer Hyperlichtgeschwindigkeit wäre nur dann tragfähig, wenn Naturkonstanten in-
konstant werden könnten. Ein Universum ohne Naturkonstanten ist aber offenbar nicht möglich.
59
Die damaligen Naturforscher und Philosophen glaubten, dass es einen Wärmestoff gäbe, den sie
„Phlogiston“ oder „Caloricum“ nannten.
27
Wie auch bei der Strahlungsenergie sind die Messgrößen für kinetische Energie
Die Formel für (Ek) zeigt, dass nur Masse und Geschwindigkeit behandelt
werden. Da die Masse stets gleich bleibt, können wir unmittelbar aus der
Formel ablesen, dass nur die Schwingungsgeschwindigkeit eine Veränderung
des Energiebetrags bewirkt.61 Je größer die Schwingungsgeschwindigkeit ist,
umso größer ist daher auch die Energie.
Energieverlagerungen
Das entropische Prinzip, das darin besteht, dass in einem geschlossenen
energiehaltigen System sich der niedrigste und gleichmäßigste Energiezustand
einstellt, führt zu Energieverlagerungen, die stets vom höheren zum niedrigeren
Energiezustand gerichtet sind. Volkstümlich: Wärme strömt zur Kälte. Daher
kann „Kälte“ nicht in eine warme Wand einströmen, auch wenn dies so
empfunden wird. Den Dualismus „Wärme – Kälte“ gibt es in der Physik nicht.
Der Begriff „Kälte“ beschreibt daher nur die Empfindung für einen niedrigen
Energiezustand. Die Physik kennt nur unterschiedliche Energiezustände 63. Das
Phänomen der Energieverlagerung vom höheren zum niedrigen Energiezustand
ist eine der Ursachen für die energetische Problematik an Gebäuden.
Am Bau haben wir es mit einem sehr geringen Temperaturspektrum der nach
60
Hierbei ist zu beachten, dass Schwingungsvorgänge sich aus gleichmäßig beschleunigten und
verzögerten Bewegungszuständen zusammensetzen, woraus folgt, dass die bei Schwingungszuständen
vorhandene kinetische Energie oszilliert.
61
Bei sehr hohen Energiezuständen sind die Schwingungsgeschwindigkeiten so groß, dass auch relati-
vistische Effekte zu berücksichtigen sind. In der Bauphysik ist dies jedoch ohne Belang.
62
Wir sehen also, dass der Begriff „Wärmeenergie“ am Bauwerk sich aus der Strahlungsenergie im Be-
reich der Wärmestrahlung und aus der Bewegungsenergie schwingender Teilchen zusammensetzt.
63
Die Vorstellung, wonach Kälte das Gegenteil von Wärme sei, setzt das Vorhandensein einer negati-
ven Energie voraus. Stephen Hawkins beschäftigt sich derzeit mit dieser Hypothese.
28
oben offenen Kelvinskala zu tun. Empirisch wissen wir, dass die geringste
Temperatur der Außenluft etwa – 20 °C beträgt. Die baupraktisch relevante
maximale Temperatur der Sommerluft beträgt etwa 30 °C. Absolut ist dies eine
Temperaturspreizung von 50 K die 16,5% der am absoluten Nullpunkt
beginnenden und bei +30 °C endenden Temperaturspanne beträgt64. Das ist im
Grunde wenig65.
Weil wir es am Bau nur mit Strahlungsenergie und kinetischer Energie zu tun
haben, können wir die Betrachtung der Energieverlagerung hiernach ordnen.
Hierbei werden wir sehen, dass die Strahlungsvorgänge verhältnismäßig präzise
erfasst werden können, während die Verlagerung von kinetischer Energie
kompliziert und vielschichtig ist. Berechnungen der kinetisch bestimmten
Energieverlagerungen sind daher mit Fehlern behaftet, die sich jedoch nicht
gravierend auswirken, weil ihr Anteil an den energetischen Vorgängen
insgesamt gering ist.
Da jedoch alle Stoffe ein Reflexionsvermögen haben, wird nicht die gesamte
einstrahlende Energie im Stoff aufgenommen. Ein Teil dieser Energie wird
reflektiert, ohne dass sie energetisch irgendetwas im Stoff bewirkt. Wenn wir
etwas sehen, ist dies eine Folge reflektierter elektromagnetischer Wellen. Der
hypothetische Schwarze Strahler, der ja die gesamte Strahlungsenergie
verschluckt (absorbiert), wäre daher für uns unsichtbar.66
64
Allerdings können sonnenbestrahlte Oberflächen erheblich wärmer, abstrahlende Flächen erheblich
kälter werden.
65
Diese Schrift behandelt folglich nur die Bauphysik für gemäßigte Breiten. In tropischen oder arkti-
schen Regionen gelten zwar die physikalischen Grundsätze ebenso, im Hinblick auf die Bedürfnisse
des Menschen führen sie jedoch zu teils gravierend anderen Empfehlungen.
66
Nach diesem Prinzip waren wohl die sagenhaften Tarnkappen gebaut.
29
Von großer Bedeutung ist, dass Abstrahlung völlig unbeeinflusst von sonstigen
äußeren Zuständen in der näheren oder weiteren Umgebung stattfindet. Eine
Wandoberfläche strahlt daher ständig und unaufhaltsam, vollkommen
unbeeindruckt etwa auch von der Zusammensetzung hinter der strahlenden
Oberfläche.
Es wird noch gezeigt werden, dass die Summe aus Einstrahlungs- und
Abstrahlungsvorgängen am Gebäude den Energieumsatz im Wesentlichen
bestimmt. Der Einfluss aus konvektiven Vorgängen und
Lüftungswärmeverlusten ist beim Gesamtenergieumsatz gering. Ebenso
geringfügig ist der Anteil von Beheizungsanlagen. Bei der großen Bedeutung,
die der Einsparung von Heizenergie zugemessen wird, muss dies in der neuen
Bauphysik berücksichtigt werden. Die Norm DIN 4108 betrachtet hingegen
Strahlungsprozesse überhaupt nicht. Sie betrachtet lediglich die energetischen
Vorgänge, die dadurch ausgelöst werden, dass zwischen der Raumluft und der
Außenluft ein Temperaturunterschied besteht, der Wärmeleitungsvorgänge
innerhalb des Baustoffs auslöst. Daher verfehlt diese Norm jeglichen
30
Gleichartige Flächen
Parallel gegenüberliegende Flächen mit gleichem Strahlungskoeffizienten, also
z.B. zwei weiß gestrichene verputzte Wände bestrahlen sich gegenseitig
unaufhörlich. Sollte zunächst eine der Wände wärmer sein, wird sie, dem
Gesetz von Stefan-Boltzmann folgend, auch eine höhere Strahlungsenergie
emittieren. Die kältere Wand absorbiert einen Teil der eingestrahlten Energie,
sodass sie ein höheres Energieniveau einnehmen wird. Je nach Wärmekapazität
der beiden Wände wird sich früher oder später das Energieniveau der beiden
Wände angleichen. Der freie Raum zwischen den Wänden ist sodann von
gleicher Strahlungsenergie erfüllt, die sich gegenseitig durchdringt und nicht –
wie in mancher Fachliteratur angegeben ist – sich gegenseitig aufhebt. Dieser
Energiezustand kennzeichnet sodann das Strahlungsklima im Raum.
67
In Wirklichkeit geht von jedem Flächenpunkt Strahlung so aus, dass eine über diesem Punkt gedachte
halbkugelige Schale gleichmäßig von den Photonen getroffen würde.
68
Die nachfolgenden Erörterungen des Strahlungsausgleiches zwischen parallelen Flächen gehen davon
aus, dass links die beheizte, rechts die unbeheizte Außenwandoberfläche ist.
69
Der Begriff „Wärmestrom“ ist metaphorisch und entstammt noch der Vorstellung, dass es einen
Wärmestoff gäbe.
31
trifft auf die stärker absorbierende Wand, wo sie zum größeren Teil in
kinetische Energie umgewandelt wird. Ein Teil dieser Energie wird durch
Wärmeleitungsprozesse abgeführt, der andere Teil wird zur reflektierenden
Schicht zurückgestrahlt, dort wiederum reflektiert und so fort. Da ein Teil dieser
Energie jeweils von der rechten Schicht absorbiert und abgeleitet wird, pendelt
sich im Verlaufe des Prozesses ein nach rechts gerichteter Energiestrom ein,
vorausgesetzt, dass die Energiezufuhr von links aufrecht erhalten bleibt. Diese
schwankt bei instationären Zuständen, wie sie am Bauwerk bestehen,
beträchtlich. Stellen wir uns diese Situation z.B. für eine zweischalige
Außenwandkonstruktion mit innen liegender Luftschicht vor, weiterhin, dass
durch Sonneneinstrahlung die rechte Schicht erwärmt wird und wärmer als die
linke Schicht ist, würde dies dazu führen, dass die von außen kommende
Energie an der linken Reflexionsschicht nach außen zurück gespiegelt würde.
Nachteilig wäre dies für die Energiekosten in der Heizperiode, vorteilhaft jedoch
im Sommer, da die linke Wand kühl bliebe.
70
In anderen Bereichen des täglichen Lebens wird dieser Effekt schon sehr lange und auch erfolgreich
genutzt. Denken Sie an die Thermoskanne, an reflektierende Folien im Rettungswesen und auch an
das in Alufolie eingewickelte Wienerwaldhendl.
71
Die konstruktive Umsetzung dieser Technologie wird im anwendungstechnischen Teil unter dem
Begriff „Termosfassade“ behandelt.
32
Φs = Φli - Φre
Wird das Ergebnis für (Φs) negativ, findet von rechts ein überschießender
Energieeintrag statt. Die Heizanlage kann, falls sich diese physikalischen
Vorgänge in einer zweischaligen Außenwandkonstruktion abspielen,
abgeschaltet werden.
Hierbei sind (Tli) und (Tre) die absoluten Temperaturen in (K) der im
Strahlungsaustausch stehenden Flächen. (Cli-re) ist der
Strahlungsaustauschkoeffizient, der nach folgender Formel errechnet wird:
72
Der hier vorgestellte Rechengang folgt Cerbe/Hoffmann, Einführung in die Thermodynamik, Hanser
– Verlag, 1994.
33
Ganz ist das Gleichnis vom Billardtisch nämlich nicht richtig. In Wirklichkeit
schwingen natürlich alle Teilchen, während die angestoßenen Billardkugeln ja
still liegen. Nur Teilchen im Energiezustand des absoluten Nullpunkts schwingen
nicht. Sie sind – unter den Einschränkungen des Mößbauereffekts allerdings –
zur Ruhe gekommen.
Ich selbst postuliere außerdem eine „thermische Resonanz“ (T.R.), was besagt,
dass ein Teilchensystem dazu neigt, sozusagen im Gleichschritt zu schwingen.
Der Vergleich mit dem Vorgang in einem Ballsaal, bei dem die Tänzer sich im
gleichen Takt bewegen, vermag zu verdeutlichen, dass hier wie da die
Häufigkeit von Kollisionen mit zunehmender Resonanz abnimmt76. Somit
verlangsamt sich bei zunehmender Resonanz die Wärmeleitung ganz erheblich.
Die Resonanz nimmt mit steigendem Temperaturgefälle ab, die
Kollisionshäufigkeit nimmt entsprechend zu. Somit wird auch erklärbar, dass
das Maß der Wärmeleitung progressiv zum Temperaturgefälle zunimmt. Dies
wird allerdings in den Tabellen zu den Wärmeleitzahlen nach DIN 4108 nicht
76
In der Fachliteratur habe ich bis heute nichts über „thermische Resonanz“ gefunden. Zu vermuten ist,
dass die Fähigkeit zur thermischen Resonanz eine spezifische Eigenschaft von Stoffen ist. Damit wäre
auch erklärbar, dass Stoffe mit gleicher Masse unterschiedliche Wärmeleitfähigkeit haben. (z.B. Ver-
gleich von Glas mit Aluminium) Gelänge es den Festkörperphysikern, Einfluss auf die spezifische
T.R. zu nehmen, könnte sodann ein Verfahren zur Veränderung der Wärmeleitfähigkeit von Stoffen
entwickelt werden.
35
berücksichtigt. Dort finden wir nur Durchschnittswerte. Dies wäre nun bei den
verhältnismäßig geringen Temperaturstufungen in homogenen Baustoffen recht
unbedeutend.
Von weiterem Einfluss auf die Wärmeleitfähigkeit ist die stoffliche Struktur.
Besonders gut erkennbar wird dies beim Vergleich von Aluminium mit Glas.
Die Stoffdichten sind mit 2,56 kg/dm³ bzw. mit 2,40 – 3,00 kg/dm³ angegeben.
Die Stoffdichten – also das spezifische Gewicht – sind also fast gleich groß.
Gewaltig unterschiedlich sind aber die jeweiligen Wärmeleitzahlen (λ) in
(W/mK). Aluminium hat den Wert 229,00, Glas hat den Wert 0,75. Demzufolge
leitet eine Schicht aus Aluminium den 305 – fachen Energiebetrag einer gleich
dicken Glasschicht77. Die oft gehörte Ansicht, dass die Stoffdichte die
Wärmeleitzahl bestimmen würde, ist somit falsch. Da sich Aluminium von Glas
strukturell dadurch unterscheidet, dass es ein kristallines wohl geordnetes
Gefüge hat und ausserdem elektrisch leitfähig ist, während Glas ein amorphes
Gemenge von zusammengeschmolzenen Mineralien ist, ist erkennbar, dass
Stoffe mit kristallinem Gefüge die besseren Wärmeleiter sind. Verdeutlicht wird
dies damit, dass Quarzglas, das bereits ein kristallines Gefüge hat, ansonsten
stofflich fast die gleiche Zusammensetzung wie Fensterglas hat, bereits eine
Wärmeleitzahl von 1,36, also immerhin schon doppelt so groß, aufweist.
Von weiterhin erheblichem Einfluss auf die Wärmeleitfähigkeit ist die elektrische
Leitfähigkeit von Stoffen. Bei elektrischen Leitern verlagert sich der
Wärmeenergietransport auf die freien Leitungselektronen, die ihrerseits ihre
Energie an die Stoffteilchen übergeben.
77
Quelle: Buderus, Handbuch der Heizungstechnik.
36
Wir sehen also, dass Wärmeleitung in Baustoffen ein äußerst vielschichtiger und
vielseitig beeinflusster Vorgang ist, der mit den in den Normen angegebenen
Wärmeleitzahlen nur unzureichend beschrieben ist. Die fourier´sche
Wärmeleitungsgleichung ist daher eine extreme Vereinfachung und nur
eingeschränkt verwendbar.79
78
Quelle: Messungen von Cammerer, zitiert in Eichler, bauphysikalische Entwurfslehre. Neuerdings
durch Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik bestätigt.
79
Gemeint ist hier die fourier´sche Wärmeleitungsgleichung in ihrer in der EnEV abgebildeten Form, die
in einer unzulässigen Weise von der Eindimensionalität der Energieverlagerung und davon ausgeht,
dass die Wärmekapazität eliminiert wird. Die fourier´sche Gleichung wurde daher gefälscht.
37
Dämmstoffe
Dämmstoffe sind Materialien mit geringer Wärmeleitfähigkeit. Die dämmende
Wirkung beruht jedoch nicht – wie vielfach geglaubt wird – in den
Eigenschaften des Materials, sondern im Gefüge, in welches das Material
gebracht worden ist80. Sowohl die Kunststoffe, aus denen Dämmstoffe
hergestellt werden, z.B. Polystyrol, wie auch die mineralischen Stoffe Glas und
Gestein, aus denen faserige Dämmstoffe hergestellt werden, sind – für sich
gesehen – gute Wärmeleiter. In kompakter Form wären sie daher als
Dämmstoff ungeeignet. Dämmstoffe simulieren stehende Luftschichten, die,
falls sie nicht strömen, die geringste Wärmeleitfähigkeit haben. Geringer
wärmeleitend wäre nur noch das Vakuum, in welchem gar keine Wärmeleitung
mehr möglich ist.
Eine energiehaltige Wand besteht nach der kinetischen Wärmetheorie aus einer
Ansammlung schwingender Teilchen. Gerät ein derartiges Teilchen in Kontakt
mit einem gasförmigen Teilchen, überträgt es durch einen elastischen Stoß
seine Bewegungsenergie an das Gasteilchen. Je häufiger dies geschieht, umso
intensiver ist der Energieübergang. Da Luft im Verhältnis zu festen Körpern
teilchenarm ist, geschieht die Kontaktnahme zwischen den Teilchen des festen
Stoffs mit den Gasteilchen selten. Hierbei wird auch verständlich, warum
stehende Luft besser dämmt als bewegte Luft, bei welcher – in Abhängigkeit
von der Strömungsgeschwindigkeit – mehr Zusammenstösse stattfinden. Zur
Veranschaulichung: Wenn Sie mit Ihrem Auto schnell durch Regen
hindurchfahren, sehen Sie, dass die Regentropfen sehr häufig gegen die
Windschutzscheibe treffen. Bringen Sie das Auto zum Stillstand, verringert sich
die Häufigkeit der Tropfenkollision.
Ein weiteres kommt hinzu: Steht die Luft, wird sie sich allmählich erwärmen.
Das Temperaturgefälle zwischen festem Stoff und Luft wird somit geringer.
Auch dies führt zur Verminderung der Wärmeenergieübertragung. Strömende
Luft hingegen ist nicht vorgewärmt, das Temperaturgefälle ist somit größer und
80
Der beste Wärmeleiter Gold wäre in schaumigem Zustand ein guter Dämmstoff.
38
Stehende Luftschichten können leider nicht beliebig dick gemacht werden. Die
Praxis hat gezeigt, dass Luftschichtdicken, die stärker als 50 mm sind, zu
zirkulieren beginnen. Ihre dämmende Wirkung nimmt daher ab. Daher werden
in den Normen Luftschichten, die zur „Hinterlüftung“ eingesetzt werden, nicht
als dämmend angesehen.
Der Begriff „Dämmstoff“ ist sehr gut gewählt, steckt in ihm nämlich das Wort
„Damm“. Wählt man die Analogie „Staudamm“, kann man sich recht gut die
Wirkungsweise von Dämmstoffen veranschaulichen. In diesem Zusammenhang
hilft uns auch der sonst physikalisch falsche Ausdruck „Wärmestrom“ weiter.
Wenn wir in einem strömenden Gewässer einen Damm errichten, führt dies
zum Aufstau des Wassers. Für den Begriff „Wasser“ müssen wir uns jetzt nur
noch den Begriff „Energie“ denken. Hierbei steigt der Wasserspiegel, womit die
Energie der Lage zunimmt. Dieser Zustand bleibt sodann erhalten. Erreicht das
Wasser die Dammkrone, fließt es über diese hinweg. Ein flussabwärts stehender
Beobachter würde hierbei feststellen, dass zeitweise der Fluss versiegt ist,
nämlich während der Aufstauzeit, danach aber genau soviel Wasser abfließt wie
81
Diese Fehlentwicklung wird a.a.O. noch ausführlich behandelt werden.
82
Z.B. Prof. Karl Gertis, Fraunhoferinstitut Holzkirchen
39
zuvor.
Diese Temperaturerhöhung der gedämmten Wand ist ein guter Erfolg, weil
hierdurch die Bildung von Tauwasser verhindert wird. Die Dämmung von
Bauteilen zur Verhinderung von Tauwasserbildung war der ursprüngliche
Gegenstand DIN 4108. Dies war sinnvoll, vernünftig und ist auch heute eine
richtige Anwendung von Dämmstoffen.
Der Zweck von außen angebrachten Dämmstoffen besteht also darin, im Bauteil
eine Temperaturerhöhung herbeizuführen, die der Bildung von Tauwasser
entgegenwirkt. Einen anderen Sinn haben Dämmstoffe nicht.
83
Eine gerade Linie stellt den Temperaturverlauf innerhalb einer Wandkonstruktion allerdings nur un-
genau dar. Im Bereich der Tauzone findet nämlich eine erhöhte Wärmeleitung statt, sodass dort die
Linie steiler abfällt.
84
Dieses Phänomen wird a.a.O noch erörtert werden.
40
Nun vermindern wir die Dämmstärken. Das Ergebnis ist immer das Gleiche. Der
hindurchgehende Energiebetrag bleibt gleich, weil sich geringer werdender
Dämmeffekt und sinkendes Temperaturgefälle stets die Waage halten 87. Der
letzte Schritt besteht darin, den Dämmstoff die Dimension Null annehmen zu
lassen. Und auch hier ist keine messbare Veränderung des Wärmedurchgangs
feststellbar. Möglicherweise bildet sich aber jetzt auf der Wandinnenseite
Schimmel, ein Zeichen für Tauwasserbildung. Also bringen wir wieder flugs
Dämmstoff an, denn an der Erhöhung der Stofftemperatur sind wir natürlich
85
Hier spielt die sog. „Hyperbeltragik“ eine ungute Rolle, die darin besteht, dass der Dämmeffekt mit
zunehmender Dämmstärke hyperbolisch abnimmt und sich in der Praxis gezeigt hat, dass bei einer
Dämmstärke von 80 mm das Optimum erreicht ist und darüber hinaus keine signifikanten Erhöhungen
der Dämmfähigkeit mehr eintreten.
86
Dass gedämmte Oberflächen sogar entschieden kälter als die Umgebungsluft werden können, wird
noch a.a.O. behandelt werden.
87
Dies ergibt sich aus der linearen Struktur der Fourier´schen Wärmeleitungsgleichung.
41
interessiert.
Wer mir bis hierhin gefolgt ist und es verkraftet hat, dass ich an der
bauphysikalischen Weltordnung gerüttelt habe, kann sich selbst letzte
Gewissheit hierüber mit einer Berechnung nach den Regeln der DIN 4108
verschaffen, wobei er hierbei die Grenzschichttemperaturen zwischen Wand
und Dämmstoff berechnen muss. Die Formeln hierfür stehen alle im
„Wendehorst“88. Hierbei wird er dann zu dem hier geschilderten Ergebnis
kommen. Das Temperaturgefälle, ausgedrückt in (Δ K) geht bei diesen
Berechnungen nämlich als Faktor in die Berechnung ein. Zwischen
Temperaturgefälle und Energiedurchgang besteht ein linearer – also
unmittelbarer – Zusammenhang.
Zum besseren Verständnis eine weitere aus dem Alltag bekannte Analogie:
Jeder kennt das Phänomen des Staus auf Autobahnen. Was nehmen wir hier
wahr? Nach bisher flotter Fahrt merken wir am Geblinke von Warnlichtern
vorausgefahrener Autos: Ein Stau! Wir treten also auf die Bremse. Von da ab
geht es im Kriechgang weiter. Je dichter der Verkehr bisher war, umso größer
ist der Stau. Nach den Verkehrslageberichten oft über 40 km. Irgendwann
kommen wir dann zu der Stelle, die den Stau ausgelöst hat. Meistens ist das
eine Baustelle, bei der nur noch eine Fahrspur freigegeben ist. Kaum sind wir
da vorbei, geht es schneller als zuvor weiter, weil nämlich der Verkehr vor uns
eine ganze Zeit lang sehr dünn ist. Wir können daher einen großen Teil des
eingetretenen Zeitverlustes wieder wettmachen.
Betrachten wird dieses Ereignis für alle betroffenen Autofahrer, stellen wir fest,
dass jeder letztlich sein Ziel erreichen wird. Nicht einer ist übrig geblieben. Bei
einigen ist das Abendessen inzwischen kalt geworden. Nun können wir die
Menge der Autofahrer mit der Energiemenge gleichsetzen, die wegen eines
Temperaturgefälles sich verlagert. Die Engstelle auf der Autobahn setzen wir
mit einer Dämmschicht gleich. Die Analogie stimmt bis ins Detail. Die
Anhäufung der Autos vor dem Stau entspricht dem erhöhten Energieniveau
hinter einem Dämmstoff. Das wichtigste, was uns nun klar wird: Am Ende ist
die Summe der durchgefahrenen Autos genau so hoch, als hätte es die
Engstelle gar nicht gegeben. Übertragen: Ob mit oder ohne Dämmstoff –
letztlich ist die durchgegangene Energiemenge gleich. Nur die Art und Weise,
wie sie sich verlagert hat, der zeitliche Ablauf, war unterschiedlich. Mit dieser
Analogie im Hinterkopf werden wir das weitere besser verstehen.
In den Hirnen der Verbraucher – auch der Architekten – hat sich festgesetzt,
dass Dämmung mit Energieeinsparung faktisch gleichgesetzt werden kann. In
88
Standardtabellensammlung für Architekten und Bauingenieure.
42
Wirklichkeit handelt es sich aber um zwei völlig verschiedene Dinge. Ich halte
es für eine grandiose Meisterleistung der Werbefachleute, dass es ihnen
gelungen ist, für den einfachen Begriff „Dämmung“ einen völligen
Bedeutungswandel hin zum Begriff „Energieeinsparung“ herbeigeführt zu
haben.
Gemeinsam ist allen Dämmstoffen die geringe auf das Volumen bezogene
Masse. Daher sind sie zur Speicherung absorbierter Energie nennenswert nicht
fähig. Allerdings können sie sich an der Oberfläche bei einstrahlender
Sonnenenergie erstaunlich schnell aufheizen, ebenfalls eine Folge der geringen
Masse.
Von Bedeutung ist weiterhin das schlechte kapillare Leitvermögen für in den
Dämmstoff eingedrungenes oder dort gebildetes tropfbares Wasser. Besonders
schlecht ist dies bei Polystyrolschäumen, die deshalb auch in WC-Spülkästen als
Material für die Schwimmer verwendet werden. Nicht viel besser verhält es sich
bei faserigen Dämmstoffen in Mattenform, die zwar kapillar leitfähig sind, leider
aber nur parallel zur Wand, was auf die Ausrichtung der Fasern zurückzuführen
ist.
89
Entscheidender dürfte hierbei sein, dass dünne Dämmschichten bei Sonneneinstrahlung vollständig
durchwärmt werden, sodass Tauwasser sich in Dampf umwandelt und in diesem Aggregatzustand aus-
diffundieren kann.
43
Sollte das Mauerwerk aber so konstruiert sein, dass es ohne Dämmstoff gar
nicht auskommt, ist guter Rat im wortwörtlichen Sinne teuer. Eine der besten
Lösungen dieses Problems besteht darin, eine 40 mm dicke Schaumglasschicht
anzukleben und diese sodann mit einer vorgehängten Fassadenkonstruktion zu
verhüllen. Schaumglas ist nämlich ein Dämmstoff aus geschlossenen
Glasblasen, der vollkommen dampfdicht ist, und sich daher nicht mit Tauwasser
anreichern kann. Es ist es ein hervorragendes Material – leider aber auch
kostspielig.90
90
Eine weitere sehr gute Möglichkeit ist der Bau einer TERMOSFASSADE, einer Erfindung des
Verfassers.
44
dort anreichert und sodann sowohl das Mauerwerk kapillar durchdringt als auch
sich im Dämmstoff selbst anreichert. Dass das ganz erhebliche Wassermengen
sind, können Sie am gleichen feuchtschwülen Sommertag an der aus dem
Kühlschrank geholten Bierflasche erkennen, die sich in Sekundenschnelle mit
einer Wasserschicht überzieht. Die geringe kapillare Leitfähigkeit der
Dämmstoffe hindert das Wasser daran, nach außen zu wandern. Es verbleibt im
Dämmstoff. Bemerkbar wird dieser Schaden dann, wenn die
Innnenwandoberflächen verschimmeln. Öffnet man sodann den Dämmstoff,
besteht das typische Schadensbild darin, dass in der Tiefe des Dämmstoffs
klatschnasse Feuchtigkeit vorgefunden wird, während die oberen
Dämmstoffschichten noch trocken sind. Während ich diesen Text schreibe,
bearbeite ich einen derartigen Bauschaden als Gutachter. Die hierauf von mir
angeschriebene Bauunternehmung reagierte inzwischen mit dem Einwand, dass
das nicht sein könne, weil die Beschichtung des Dämmstoffs doch wasserdicht
sei. Völlige Ahnungslosigkeit also über die bauphysikalischen Prozesse. Die
Schadensbeseitigung dürfte in diesem Fall etwa € 15.000,-- kosten. Das
Dumme ist nur, dass die bedauernswerte Bauunternehmung etwa einhundert
gleiche Gebäude in der gleichen Siedlung gebaut hat. Die Pleite ist somit
vorprogrammiert.
Tauwasser
Wasserdampf ist ein Gas und unsichtbar. Das, was wir in einer Waschküche
sehen, sind winzige Wassertröpfchen, aber kein Wasserdampf. Wasserdampf ist
stets Bestandteil der Luft. Das Wassergas, Dampf genannt, besteht somit aus
frei schwebenden einzelnen Wassermolekülen der Formel 2H2O.
Wassermoleküle kommen immer nur paarweise vor. Dampf ist dann vorhanden,
wenn die Schwingungen der Teilchen so energiehaltig sind, dass sie die
Adhäsionskräfte der Wasserteilchen überwinden. Diese Adhäsionskräfte sind
eine Folge dessen, dass Wassermoleküle Dipole sind, also prinzipiell sich wie
Magnete mit einem positiven und einem negativen Pol verhalten. Überwiegen
die Adhäsionskräfte, verbinden sich die einzelnen Moleküle zu einer Flüssigkeit.
Verliert diese Flüssigkeit weiter Energie, verfestigt sie sich sogar und wird zu
Eis. Bei Energiezufuhr beginnen die adhäsiv zur Flüssigkeit verbundenen
Teilchen so heftig zu schwingen, dass der Zusammenhalt überwunden wird, die
Moleküle lösen sich aus dem Verband und werden zu Dampf. Die Teilchen
schwingen auch als Dampf weiter. Im baupraktischen Bereich beträgt die
Schwingungsgeschwindigkeit etwa 2000 bis 3000 m/s und liegt somit erheblich
über der Schallgeschwindigkeit. Daher wird auch verständlich, dass die winzig
kleinen Teilchen mühelos in die üblichen Baustoffe eindringen, die aus der
Sichtweise der Teilchen ja mit riesigen Hohlräumen durchsetzt sind.
Geraten die Dampfteilchen in einen Bereich, der kalt ist, übertragen sie ihre
Energie in die kalten Stoffe, werden dadurch selbst energieärmer und ab einer
gewissen Energiearmut überwiegen sodann wieder die Adhäsionskräfte der
Teilchen untereinander. Es bildet sich wieder flüssiges Wasser, dem man die
Bezeichnung „Tauwasser“ verliehen hat. Der morgendliche Tau auf unseren
Wiesen entsteht auf die genau gleiche Art, da auch hier Wasserdampf auf die
während der Nacht ausgekühlten Pflanzen trifft. Der wissenschaftliche Begriff
45
Von bauphysikalischem Interesse ist weiterhin, dass bei der Bildung von
Tauwasser diejenige Energie wieder freigesetzt wird, die einst zur Verdampfung
des Wassers geführt hat. Diese Energie nennt man „Kondensationswärme“.
Hierbei handelt es sich um beachtliche Energiemengen. Man sollte hierbei auch
wissen, dass dieser Energieumsatz nicht mit Temperaturänderungen verbunden
ist sondern ausschließlich die Energie verkörpert, die zur Änderung des
Aggregatzustandes aufgewendet ist.91 Daher ist die Kondensationswärme von
Wasser eine konstante Größe, nämlich 2.558 kJ/kg Wasser.92
Korrosion,
Verrottung, insbesondere bei Holz und Gips,
Erhöhung der Wärmeleitfähigkeit, somit erhöhte Energieverluste,
91
Eine praktische Anwendung dieses Effektes finden wir in der Brennwerttechnik, die in der Rückge-
winnung von Kondensationswärme aus den kondensierenden Abgasen der Heizanlage besteht.
92
Dieser Wert gilt bei normalem Luftdruck.
93
Der gleiche Effekt verursacht bei Konvektionsheizungen ein Absinken der r.L. auf bis zu 25%, also
zu einem gesundheitsgefährdenden Zustand der Raumluft.
46
Wichtig ist nur noch, dass dem Wasser auf diesem Weg keinerlei Hindernisse
47
94
Die im Frühling stattfindende spontane Erwärmung der Maueroberfläche erreicht in dieser Phase
noch nicht die tiefer gelegenen Schichten.
95
Bei sichtbar belassenem Fachwerk scheidet diese Technik aus. Lösungsmöglichkeiten hierfür werden
unter dem Kapitel „Hypokaustentechnik“ behandelt.
48
96
Hierauf wird noch sehr ausführlich a.a.O. eingegangen werden. In diesem Kapitel geht es nur darum,
die bauphysikalischen Ereignisse in und am Dämmstoff zu schildern.
97
Von einem echten Nullenergiehaus wäre zu fordern, dass es ein Gebäude ist, dem keinerlei Energie
zugeführt wird. In Wirklichkeit ist das Nullenergiehaus natürlich eine Fiktion. Betrachtet man derarti-
ge Gebäude genauer, findet man Energieversorgungseinrichtungen in Form von Sonnenkollektoren,
photovoltaischen Anlagen, Wärmepumpen, die Umweltenergien ins Gebäude fördern und elektrische
Energie in beachtlicher Menge verbrauchen.
98
Das Fraunhoferinstitut für Bauphysik (IBP) bezeichnet je nach Erscheinungsform diesen Schaden als
Leoparden oder Tigereffekt.
49
Woher kommt die Durchnässung der Oberflächen, fragt sich die Fachwelt. Vor
einiger Zeit erhielt ich eine Einladung zu einer Fachtagung der WDVS-Industrie,
die dieses Problem zum Gegenstand haben sollte. Ich bekundete mein
Interesse an dieser Veranstaltung, teilte jedoch zugleich meinen Standpunkt
mit, dass die Veralgung ein Problem der WDVS sei und sehr einfach dadurch
lösbar sei, dass man derartige und ohnehin auch energetisch unwirksame
Bauweisen nicht ausführen sollte. Anscheinend kamen auch von anderen
Eingeladenen ähnliche Kommentare mit der Folge, dass die Veranstaltung sang-
und klanglos abgesagt wurde.
Wir haben bereits gesehen, dass von jedem Stoff Wärmestrahlung emittiert
wird. Das gilt auch für Dämmstoffe und die darüber befindlichen
Kunstharzputze. Nehmen wir einmal an, dass die Wandoberfläche in der
Ausgangsphase noch eine Oberflächentemperatur von 5 °C hat. Dies ist in
Kelvin umgerechnet eine Temperatur von 278 K. Nach dem Strahlungsgesetz
von Stefan – Boltzmann errechnet sich damit unter der Annahme eines
Strahlungskoeffizienten von 0,90 der Stefan – Boltzmann – Konstanten eine
Strahlungsleistung von etwa 300 W/m². Da eine Dämmschicht massearm ist,
hat sie in kürzester Zeit ihre gespeicherte Energie abgegeben und zwar so
lange, bis sich ein Strahlungsgleichgewicht mit der Umgebungsstrahlung und
50
der Strahlung aus dem Weltraum eingestellt hat. Die Temperatur der Außenluft
spielt ebenfalls eine, wenn auch kleine Rolle, da die konvektiv bestimmte
Energieübertragung nur zu einer sehr kleinen Energiezufuhr beiträgt. Geschieht
dies in einer frostklaren Winternacht, bei der die Einstrahlung aus der
Umgebung gering, die Einstrahlung aus dem Weltraum praktisch überhaupt
nicht mehr stattfindet, kann die Oberflächentemperatur weit unter die
Temperatur der Außenluft absinken. Von innen findet wegen der dicken
Dämmschicht die Energiezufuhr zur Oberfläche nur sehr verzögert statt. Obwohl
in dieser Nacht wegen der geringen Lufttemperatur auch der absolute
Wassergehalt der Luft klein ist, haben wir es dennoch mit sehr hohen relativen
Luftfeuchtigkeiten zu tun.
Diese Ereignisse finden nun nicht nur etwa nur im Kernwinter statt, wo sie
verhältnismäßig folgenlos bleiben, weil da der Anteil der Algensporen in der Luft
sehr klein ist, sondern schon ab Ende August, wie jedermann von seinem Auto
weiß, dessen Blechkleid bereits in dieser Jahreszeit mit einer Reifschicht
bedeckt sein kann. Dabei können wir auch sehen, dass die Blechoberfläche weit
unter die Aussenlufttemperatur auskühlen kann. In dieser Zeit ist aber bei Algen
noch volle Vegetationsphase. Wir haben also nun alles, was zur Algenbildung
benötigt wird, beisammen, vor allem eine ausreichend nasse Fläche. Bei der
Genügsamkeit der Algen reicht das für ein üppiges Wachstum aus.
Derzeit sind unsere fleißigen Chemiker dabei, „algizide“ Mittel zu erfinden, die
als Gift auf die Fassaden aufgesprüht werden sollen. Diesen Mitteln kann man
bereits jetzt vorhersagen, dass sie sich alsbald auch als gesundheitsschädlich
99
Ich habe schon eine Reihe derart schadensbetroffener Gebäude besichtigt, bei denen sichtbar ist, dass
im Bereich der wärmeleitenden Verankerungen, dort also, wo das WDV-System unterbrochen ist,
scharf abgegrenzte helle, nicht veralgte Flächen zu sehen sind. Dies ist ein klarer Beweis dafür, dass
die Dämmschicht schadensverursachend ist. Neuerdings heißt diese Erscheinung „Panthereffekt“ we-
gen der kreisrunden weißen Flächen auf veralgtem Untergrund.
100
Der BGH hat in einem solchen Schadensfall bereits entschieden, dass selbst dann, wenn strukturelle
Schäden an der Fassade noch nicht eingetreten sind, die Veralgung als schwerer Mangel anzusehen ist
und somit den Besteller berechtigt, Zahlung zu verweigern und Schadensersatzforderungen geltend zu
machen.
51
Die Erfindung der WDVS ist eigentlich nichts anderes, als dass eine am
Flachdach höchst schadensträchtige Konstruktion, die zu Recht vom Markt
verschwunden ist, an den Außenwandoberflächen wieder fröhliche Urständ
feiert. Und damit haben wir uns einen längst für überwunden geglaubten
Bauschaden wieder an den Hals gehängt.
101
Einer der Hersteller von WDVS, die Fa.KEIM, Diedorf, empfiehlt neuerdings, statt der bisher
üblichen Kunstharzbeschichtungen eine wasseraufnahmefähige und mindestens 7 mm dicke
mineralische Beschichtung aufzubringen, die das Tauwasser vorübergehend aufsaugt. Damit soll der
Veralgung entgegengewirkt werden. Interessant ist jedenfalls, dass ein bedeutendes Werk mit hohem
Ansehen in der Architektenschaft damit dem „klassischen“ WDVS bescheinigt, dass es
bauschadensträchtig ist.
102
Eines meiner Frühwerke ist ein 1967/68 errichtetes Mehrfamilienhaus in Regensburg. Damals propa-
gierte man das gefällelose Flachdach. Unerfahren, wie ich damals war, übernahm ich diese Anregung.
Ich ließ jedoch dieses Dach, das nur über Wasserspeier entwässert war, die damals nachgerade mein
Markenzeichen waren, mit einer 60 mm dicken, zweilagig verlegten Schaumglasschicht dämmen.
Dieses nun schon 40 Jahre alte Dach funktioniert bis heute in jeder Hinsicht, obwohl ich das fehlende
Gefälle heute als Mangel betrachte. Kürzlich habe ich von einem Bewohner dieses Hauses, der einer
der noch wenigen übrig gebliebenen Erstbewohner ist, erfahren, dass noch niemals an diesem Dach ir-
gendetwas gemacht worden ist. Ich habe daher empfohlen, dass man wenigstens einmal die Dachhaut
mit Bitumen tränken sollte, da dieses leider durch UV-Bestrahlung allmählich spröde wird.
52
Als „dicke Dämmschichten“ bezeichne ich Dämmmaterialien, die eine Stärke von
100 mm übersteigen. Üblicherweise werden bei WDVS Dämmstoffe aus
Kunststoff, also Polystyrol oder Polyurethan verwendet, da auf diesen wegen
ihrer Festigkeit unmittelbar eine Beschichtung, meist aus kunstharzgebundenen
Dünnputzen aufgebracht wird. Da findet man in der Praxis bereits
Dämmstärken von 200 mm nach dem Motto „Viel hilft viel“. Dahinter steckt
allerdings profunde Unkenntnis über die Wirkungsweise von Dämmstoffen.
Trotz der abweichenden Meinung von Prof. Karl Gertis ist sich die Wissenschaft
darin einig, dass die Dämmwirkung von Dämmstoffen mit zunehmender
Schichtstärke nicht etwa linear zunimmt sondern zusätzliche Schichtdicken nur
einen Zuwachs an Dämmfähigkeit bringen, der wie ein Hyperbelast gegen Null
strebt. Man spricht daher von der „Hyperbeltragik“ bei Dämmstoffen. Daher gibt
es eine Wirtschaftlichkeitsgrenze, die nach allgemeiner Meinung bei einer
Dämmstärke von 80 mm erreicht ist. Bei faserigen Dämmstoffen, deren obere
Schicht durchblasen werden kann, wird die Wirtschaftlichkeitsgrenze bei 100
mm erreicht. Jedes darüber hinausgehende Maß ist baupraktisch unwirksam,
löst konstruktive Probleme aus und bedeutet Geldverschleuderung.
103
Aber auch beim IBP scheint ein Umdenken zu beginnen. Am 27.März 2007 habe ich mit Vergnügen
vernommen, dass man beim IBP darüber nachzudenken beginnt, die empfohlenen Dämmstärken
wieder zu verkleinern, da der Mindestwärmeschutz ja ausreichen würde. Damit landen wir dann
wieder bei den Früheren Dämmstärken von etwa 40 mm, gegen die nichts einzuwenden ist.
104
Deutsche Bauzeitschrift DBZ 3/1997, Analyse des Heizenergieverbrauchs von Mehrfamilienhäusern
auf der Basis der GEWOS-Erhebung.
105
Inzwischen emeritiert.
53
106
In Abhängigkeit von der Temperatur der Fassadenoberfläche und der eindringenden Wasserdampf-
mengen wandert die Tauzone hin und her, sodass wir uns die Tauzone als eine verhältnismäßig dicke
Schicht parallel zu Außenwandoberfläche vorstellen müssen, die jedoch an nach außen springenden
Ecken und Vorsprüngen sich beachtlich nach innen verlagert, da diese Bereiche besonders stark von
Auskühlung betroffen sind.
54
Dies ist ein wahres Horrorszenario, das jedoch aus der Praxis durchaus bekannt
ist. Natürlich muss es nicht in jedem Einzelfall zu diesem bitteren Ende
kommen. Wir Architekten leben auch von dem Phänomen, dass nicht jeder
Planungsfehler zum Bauschaden führt. Baukonstruktionen haben auch die
Eigenschaften von sich selbstregelnden Systemen, sie helfen sich daher
gelegentlich selbst. Beispiel: Jeder Gebäuderiss ist eigentlich nichts anderes als
eine vom Planer vergessene Bewegungsfuge, die sich das Bauwerk in seiner
Not selbst herstellt.
Tauwasserbildung im Sommer
Dass es auch im Sommer Tauwasserbildung gibt, die den Pfarrer Kneipp dazu
angeregt hat, den Gebrechlichen zu raten, früh morgens barfuss im taunassen
Gras herumzustapfen und wir in einem fröhlichen Wanderlied mitteilen, dass wir
im Frühtau zu Berge gehen, hat sich im Bauwesen noch nicht so richtig
55
Die Energiebilanz
Der Energieerhaltungssatz gebietet, dass bei der Betrachtung der energetischen
Ereignisse am Gebäude der Energieeintrag und der Abtrag von Energie gleich
groß sein müssen. Wäre dies nicht so, würde ein Gebäude entweder bis zum
absoluten Nullpunkt auskühlen oder es würde immer energiegeladener – also
heißer - werden. Beides tritt nicht ein, völlig unabhängig davon, ob ein Gebäude
beheizt wird oder nicht. Dass ein nicht beheiztes Gebäude dazu strebt, den
Energiezustand der Umgebung anzunehmen, ist eine Folge des entropischen
Prinzips. Solange ein Temperaturgefälle besteht, verlagert sich die Energie, bis
ein Gleichgewicht eingetreten ist.
Wir wissen, dass im Winter unbeheizte Gebäude im Innern fast immer wärmer
sind als die Umgebung. Das ist bereits ein erster Hinweis darauf, dass
Gebäuden von außen Energie zugeführt wird. Nun wollen wir aber in die
Energiebilanz etwas Ordnung bringen: Wie in jeder ordentlichen Bilanz müssen
Aktiva (Energieeintrag mit dem Vorzeichen „+“) und Passiva (Energieabtrag mit
dem Vorzeichen „-“) sauber getrennt aufgelistet werden.
Energieabtrag
Den Begriff „Energieverlust“ sollte man vermeiden, weil prinzipiell Energie nicht
verloren geht. Im schlechtesten Fall verlagert sie sich in Bereiche, wo sie
unserer Nutzung entzogen ist. Im baupraktischen Bereich haben wir es nur mit
drei Wegen der Energieverlagerung zu tun. Das sind:
Führt man diesen Gedanken konsequent zu Ende, stoßen wir auf die –
allerdings normwidrige – Tatsache108, dass der Energieverlust nur an der
Gebäudeoberfläche stattfindet. Sieht man einmal davon ab, dass an einem
Gebäude auch kaltes Wasser herablaufen kann, sodass dann auch
Wärmeleitungsprozesse stattfinden würden, kann Wärmeenergie nur konvektiv,
also durch strömende Luft und durch Abstrahlung dem Gebäude entzogen
werden109. Dieser Prozess wird aber in der DIN 4108 völlig unzureichend
behandelt.
Abstrahlung
Jeder Körper, der eine Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunktes bei -
273 °C oder 0 K hat, strahlt fortwährend Energie in Form von
elektromagnetischen Wellen ab. Das Prinzip ist bereits erklärt. Maßgebend für
die Berechnung der Abstrahlungsleistung sind folgende Faktoren:
Stefan-Boltzmann-Konstante (5,671)
Absolute Temperatur der strahlenden Oberfläche in (K)
Strahlungskoeffizient (ε) der strahlenden Fläche als Bruchteil der Stefan-
Boltzmann-Konstanten.
Mit Hilfe dieser Größen lässt sich die Abstrahlungsleistung recht genau
ausrechnen. Die Oberflächentemperatur ist messbar. Der Strahlungskoeffizient
kann ebenfalls über den Umweg der Messung des Reflexionsgrades gemessen
werden. Er ist unabhängig von der Temperatur und kann wie ein konstanter
Wert verwendet werden. Außerdem gibt es Tabellen, denen man für die
gebräuchlichsten Materialien die Strahlungskoeffizienten entnehmen kann. Die
einzige variable Größe bei der Ermittlung der Strahlungsleistung ist somit die
Temperatur der strahlenden Oberfläche. Das ist wörtlich zu nehmen. Die
Beschaffenheit des Materials hinter der Oberfläche ist ohne jeglichen Einfluss.
107
Da auch ich gerne den Begriff „Energieverlust“ verwende, rege ich zur Vermeidung physikalischer
Ungenauigkeit an, diesen Begriff immer – mindestens gedanklich – mit dem besitzanzeigenden Für-
wort „unser“ zu verbinden, womit dann ausgedrückt ist, dass wir zu Lasten unseres Geldbeutels etwas
eingebüsst haben.
108
Nach Norm beginnt der „Energieverlust“ an der Innenwandoberfläche.
109
Im Bereich der oberirdischen Bauteile.
57
110
Das ist ein Mittelwert den ich im Winter 2001/2 ermittelt habe.
58
Belüftungszone, also nicht etwa die Dachziegeloberfläche. Diese gilt bereits als
Quelle von Einstrahlung.
Trostreich ist auch, dass für die erdberührten Bauteile die Abstrahlungsleistung
ohne Interesse ist. Hier überwiegen die Wärmeleitungsprozesse ins
angrenzende Erdreich hinein, wobei wir nur noch zu überlegen haben, ob es
eigentlich sinnvoll ist, die Grenzschicht zwischen Außenwand und Erdreich als
Ort des Energieabtrags zu definieren. Hierzu anderswo mehr.
Außendämmungen können das nicht leisten. Fegt nämlich kalte Luft über das
WDVS, kühlt auch hier die Oberfläche sehr rasch aus. Hierdurch erhöht sich das
Temperaturgefälle im Dämmstoff, sodass auch hier ein erhöhter Energieabtrag
an der Außenwand stattfindet.
111
Zur Berechnung dienen Faustformeln.
112
Typische Wetterverhältnisse für einen begrenzten geografischen Bereich.
113
Bäume, die auffällig schräg stehen, weil sie dem Wind nachgegeben haben, ähnlich, wie ein Segel-
boot bei Seitenwind krängt.
59
Ist die Gebäudeoberfläche nass, erhöht sich der konvektive Energieabtrag, weil
der Oberfläche nun auch Kondensationswärme entzogen wird.
Der Wärmeübergang von festen Stoffen in die Luft und in Flüssigkeiten – und
auch der umgekehrte Vorgang – wurden schon von Newton überlegt. Zu einer
Lösung ganz praktischer Fragestellungen kam Newton aber nicht. Hierzu fehlte
es ihm an allem, so an Messgeräten und auch an der Mathematik. Heute weiß
man, dass derartiges nur mit sehr komplizierten Differentialgleichungen
behandelt werden kann und auch dann nur für genau messbare und
verhältnismäßig unkomplizierte Einzelfälle. Eine allgemeine Lösung für dieses
Problem gibt es bis heute noch nicht. Daher finden wir in Physikbüchern die
trostreiche Mitteilung, dass die Wärmeübergangszahl, die mit (α) bezeichnet
wird, eine Schwankungsbreite von 2 – 20 000 W/m²K hat. Die entscheidende
Größe an Fassadenaussenflächen ist hierbei die Windgeschwindigkeit (w), die in
m/s angegeben wird. Daher ist bei Windstille und in stehenden Luftschichten
die Wärmeübergangszahl mit etwa 2 W/m²K am geringsten. Es gibt
Faustformeln, bei denen die Windgeschwindigkeit in der Weise berücksichtigt
wird, dass der Wärmeübergangszahl stehender Luft der zwölffache Betrag der
Quadratwurzel aus (w) hinzuaddiert wird. Da wir die Windgeschwindigkeit
messen können haben wir also nun eine näherungsweise Berechnungsformel114
für den konvektiven Wärmeübergang:
½
Φ konvektiv = 2 + 12 * (w) * K in (W/m²K)
Hätten wir Windstille, bliebe es beim Wärmeabtrag von 2 W/m², woraus wir
auch erkennen können, dass hierbei die Lufttemperatur verhältnismäßig
uninteressant ist. Bestimmend für die Wärmeübergangszahl sind aber auch
noch weitere Einflüsse wie
114
Entnommen aus Horst Herr, Wärmelehre, Verlag Europa – Lehrmittel, Haan-Gruiten, 2.Aufl.1994
60
Wärmeübergang jedenfalls ist ein unbrauchbarer Unsinn. Das zeigt sich auch
daran, dass es nach der Norm niemals den Fall des konvektiven oder
strahlenden Energieeintrags gibt. So bleibt unberücksichtigt, dass Außenwände
in der Heizungsübergangszeit nächtens Oberflächentemperaturen unter dem
Gefrierpunkt annehmen können die Frühlingssonne jedoch zu rascher
Erwärmung der Umgebungsluft führt, die sodann an den kalten Wänden
entlangstreicht und somit konvektiver Energieeintrag – und nicht zu knapp –
stattfindet. Ebenso verhält es sich mit der Erwärmung von Außenwänden durch
Sonneneinstrahlung. Nach Norm jedoch findet in der gesamten Heizperiode
rund um die Uhr nur Energieabtrag statt – mit der stets gleichen Größe von 25
W/m². Übrigens auch dann, wenn offensichtlich die Luft am Gebäude wärmer
ist als die Aussenwandoberfläche, eine in der Heizungsübergangszeit häufig
vorkommende Situation.
Energieeintrag
Auch der Eintrag von Energie ins Gebäude ist zu ordnen. In der Reihenfolge
ihrer Bedeutung sind dies:
Einstrahlung aus der Umgebung
Unmittelbare Sonneneinstrahlung
Diffuse Einstrahlung
Konvektiver Energieeintrag
Heizanlage
Prozesswärme aus technischen Aggregaten
Energieabgabe durch die Bewohner
Kondensationswärme
Nehmen wir also einmal ein Beispiel, ein kleineres Einfamilienhaus mit einem
Erdgeschoss mit 3,00 m Geschosshöhe, 1,00 m Drempelhöhe, Satteldach mit
54 ° Dachneigung, ausgebaut. Gebäudeumriss 8,50 m x 12,50 m. Der Kosinus
bei 54 ° beträgt 0,59. Der Tangens lautet 1,38. Nun können wir rechnen:
115
Für meine Temperieranlagen rechne ich den beheizten umbauten Raum aus und dimensioniere mit
10W/h m³. Für Warmwasserbereitung gibt es je nach Familiengröße einen Zuschlag von bis zu 30%.
Zuschläge dienen auch zur Berücksichtigung des tatsächlichen Wirkungsgrades.
61
Oberflächen
Dachfläche: 8,50 x 12,50/ 0,59 = 180,08 m²
Giebel: 8,50 x 4,25 x 1,38 = 49,85 m²
Drempel: (8,50 + 12,50) x 2 = 42,00 m²
EG-Wand: (8,50 + 12,50) x 2 x 3,00 = 126,00 m²
Summe Oberfläche 397,93 m²
Umbauter Raum
EG + Drempel: 8,50 x 12,50 x 4,00 = 425,00 m³
Dach: 8,50 x 12,50 x 4,25 x 1,38/2 = 311,58 m³
Bodenkonstruktion: 8,50 x 12,50 x 0,30 = 31,87 m³
Summe umbauter Raum = 768,45 m³
Folglich wird der Wärmebereiter auf eine Leistung von 14116 kW bestimmt. Das
ist die Spitzenlast, die jedoch nur ganz selten benötigt wird. Lege ich diese
Heizleistung auf die Gebäudeoberfläche um, erhalten wir
Hiervon können wir 25% auf den konvektiven Energieabtrag umlegen, sodass
zum Ausgleich des Strahlungsverlustes 26,38 W/m² zu Verfügung stehen.
Vorhin haben wir nur den strahlungsbedingten Energieabtrag mit 311 W/m²
berechnet. Dieser Energieabtrag ist naturgesetzlich und es kann nicht daran
gerüttelt werden. Da haben wir das vorausgesagte Ergebnis, dass die nur auf
diesen Energieabtrag bezogene die Heizanlage bei Volllast gerade einmal 7/100
abdecken kann. Und dennoch sind wir ganz frohgemut und zuversichtlich, dass
unsere 14 kW Heizleistung völlig ausreichen und da sogar noch ein
Angstzuschlag nach altem Heizungsbauerbrauch berücksichtigt ist. Schon diese
Rechnung zeigt uns, dass der überwiegende Anteil der ins Gebäude
eingetragenen Energie nicht von der Heizanlage kommen kann sondern von
woanders her.
116
Dieser Wert enthält den sog. „Angstzuschlag“
62
8 x 30 x 7,20 = € 1.728,--.
Wer hätte das gedacht? Bei unserem Musterhäusle von vorhin hätten unsere
vier Leute bequem Platz. Schon nach erstem Hinsehen merken wir, dass der
Wert der Kondensationswärme die Jahresheizkosten mindestens erreicht wenn
nicht sogar übertrifft. Auch hier bleibt nichts anderes übrig als zu folgern, dass
da noch woanders eine Energiequelle sein muss. Die Energiebilanz muss ja
schließlich aufgehen.
Bei der Kondensationswärme haben wir nun aber eine besondere Situation vor
allem im konventionellen Mauerwerksbau und bei solchen
Hüllflächenkonstruktionen, in denen es zur Kondensation kommt. In der
Tauzone, also noch innerhalb des Wandquerschnitts findet nämlich
bestimmungsgemäß Kondensation statt. Hierbei wird ohne den geringsten
Energieverlust die gesamte Energie, die für das Verdampfen aufgewendet
wurde als Kondensationswärmeenergie wieder freigesetzt und erwärmt somit
den Bereich in der Nähe der Tauzone. Die von uns Architekten so gefürchtete
Tauwasserbildung in den Konstruktionen hat also auch etwas Gutes, sie ist
nämlich eine perfekte Energierückgewinnung. Allerdings handelt es sich bei der
hier vorgeführten Kondensationswärme nicht um einen zusätzlichen
Energieeintrag sondern um eine Energieumsetzung innerhalb des vorhandenen
Energieumsatzes.
117
Die im Wasserdampf enthaltene Energie, zur Änderung des Aggregatzustandes geführt hat, wird als
latente (lat. herumliegend) Energie bezeichnet.
63
Sonnenenergie118
Die strahlende Sonne ist natürlich eine Hauptenergiequelle am Gebäude. Die
Einstrahlungsleistung auf die Erdoberfläche wurde schon aufgelistet. Die dort
gezeigten Strahlungsmengen kommen leider nicht vollständig dem Gebäude
zugute, sind aber dennoch immer noch im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der
Heizanlage gewaltig. Betrachten wir das nun aus dem Blickwinkel eines
Gebäudes, müssen wir folgendes feststellen:
Unmittelbare Einstrahlung
Unmittelbare Einstrahlung findet nur bei wolkenlosem Himmel statt. Bestrahlt
werden gleichzeitig immer nur zwei Gebäudeseiten. Hierbei sind die Ost- und
Westseiten benachteiligt, da dort die Einstrahlungsdauer im Winter nur 1,5 bis 2
Stunden währt. Ungedämmte Wände nutzen dieses geringe Angebot voll aus,
gedämmte Wände jedoch nicht, da die verminderte Wärmeleitung in der
Dämmschicht dazu führt, dass sich nach dem Ende der Einstrahlung das
Temperaturgefälle dreht und somit der von außen in Gang gesetzte
Wärmestrom das Mauerwerk in der gegebenen kurzen Zeit niemals erreichen
kann.
118
Die Ausführungen betrachten hier nur die Zustände in der Heizperiode.
119
Eine praktische Methode zur Feststellung der Verschattung von Gebäuden stammt von Dr.-Ing. Timo
Born, Bauhausuniversität Weimar. DAB 3/2006.
120
Lärchen werfen im Herbst die Nadeln ab. Sie sind daher erwünscht.
121
Besonders vorteilhaft sind Hausberankungen mit Wildem Wein (Parthenocissus tricuspidata) oder
(quinquefolia). Sie bilden im Sommer einen hervorragenden Wärmeschutz, im Herbst eine letzte Far-
benpracht. Im Winter lassen sie die Sonneneinstrahlung zu.
64
Diffuse Einstrahlung
Hierunter versteht man die Einstrahlungsmengen vom Himmel, die nicht
unmittelbare solare Einstrahlung sind. Das gilt also ganzjährig - auch für die
Nordseiten und außerdem bei bewölktem Himmel. Die diffuse Einstrahlung kann
Tabellenwerten entnommen werden.
Umgebungsstrahlung
Hierbei handelt es sich um die Einstrahlung aus der Umgebung des Gebäudes,
also vorwiegend von in der Nachbarschaft stehenden Gebäuden und von der
umgebenden Erdoberfläche. Diese Einstrahlungsart hat man in der offiziellen
Bauphysik völlig übersehen, obwohl sie von beträchtlicher Größe ist. Sie kann
recht gut nach dem Strahlungsgesetz von Stefan-Boltzmann errechnet werden.
Die Oberflächentemperaturen der Erdoberfläche sind in einer Messreihe des
Fraunhoferinstituts für Bauphysik als langjährige Mittelwerte erfasst worden.
Von ganz großer Bedeutung ist, dass die Umgebungsstrahlung rund um die Uhr
wirkt. Die Strahlungsleistung sinkt unter einen Wert von 270 W so gut wie nie
ab. Damit ist die Umgebung die bedeutendste exogene Energielieferantin. Ihre
völlige Missachtung in der offiziellen Bauphysik und in den Normen zeigt
schlagend, wie schludrig unsere aus Steuermitteln bezahlten Wissenschaftler
arbeiten.
bereits nach dem Beweis des „ersten Anscheins“ oder – wie die Rechtsgelehrten
sagen, „prima facie“ - verurteilt werden. Nun geht bereits das Gerücht durchs
Land, dass WDVS noch niemals zu einem signifikanten Minderverbrauch an
Heizenergie geführt haben. Meine eigenen Bemühungen, unmittelbar von der
Dämmstoffindustrie Nachweise über eingetretene Energieeinsparungen zu
bekommen, waren bisher vollkommen erfolglos. Auch in den einschlägigen
Werbeunterlagen für WDVS werden Sie niemals präzise Angaben über eine –
gar planbare – Energieeinsparung vorfinden. Werden Verkäufer von WDVS
aufgefordert, diesbezügliche Aussagen zu machen oder gar Versprechungen
abzugeben, werden diese stets ausweichende Auskünfte geben. Eine der
beliebtesten faulen Ausreden läuft darauf hinaus, „dass man leider, leider auf
das „Nutzerverhalten“ keinen Einfluss hätte, dieses aber meistens – nahezu
böswillig – dem Ziel der Energieeinsparung zuwiderlaufe“.
Es gibt einen Bundesfachverband für die Hersteller von WDVS mit Sitz in
Baden-Baden. Dessen Bundesgeschäftsführer lernte ich im November 2004 bei
einer Veranstaltung der Fraunhofergesellschaft, Institut für Bauphysik kennen.
In einer Diskussionsrunde erklärte ich ihm, dass ein risikoscheuer Architekt
kaum ein WDVS anraten könne, wenn er seinem Bauherrn nicht einen Erfolg
garantieren könne, der in diesem Falle ja nur in Form einer zugesicherten
Energieeinsparung bestehen könne. Leider bekäme man aber derartige
Garantien weder vom Hersteller noch von den Verarbeitern von WDVS. Auch
hier erhielt die Diskussionsrunde nur ausweichende Erklärungen. In einer Pause
trat jedoch der Bundesgeschäftsführer an mich heran und teilte mir mit, dass er
über „tausende von Erfolgsberichten“ verfügen würde, die er mir geben könne.
Ich bat ihn darum. Allerdings wäre ich nur an solchen Unterlagen interessiert,
bei denen ausschließlich die Wirkung von WDVS nachgewiesen sei. Nach
etlichen Wochen und einem Erinnerungsschreiben erhielt ich dann tatsächlich
einen prall gefüllten Umschlag. Ich war gespannt und auch besorgt, da
ankündigungsgemäss ja nun meine eigenen Thesen unmittelbar vor dem
Untergang standen. Der Umschlag enthielt eine Sammlung von grafisch gut
gemachten Prospekten, in denen jedoch nichts über die spezifische
Energieeinsparung durch WDVS stand. Dem Ganzen lag außerdem ein Brief des
Bundesgeschäftsführers bei, dessen wichtigste Passage ich hier wörtlich zitiere,
um mich nicht dem Vorwurf der Fehlinterpretation auszusetzen:
…„Mit den tausendfachen Belegen meinte ich, dass mehr als 600.000.000 qm
funktionierende WDV-Systeme mehr als genug Beweis sind. Selten aber werden
energetische Sanierungsmassnahmen im Einzelverfahren angewendet. Dagegen
sprechen sowohl die EnEV als auch beispielsweise die Förderprogramme der
KfW, die nur Koppelungsmassnahmen berücksichtigen“...
Soso! Die WDVS – Industrie kann also keine Belege darüber vorlegen, dass
allein auf ihre Technik gegründete Maßnahmen zur Energieeinsparung
beitragen. Stattdessen verfügt sie nur über Berechnungen, die auf einem
fehlerhaften bauphysikalischen Modell gegründet sind. Was soll man dazu
sagen?
66
Soll ich wirklich glauben, dass in den dreißig Jahren, in denen nun schon WDVS
verkauft und gebaut werden, noch niemals messtechnische Untersuchungen
vorgenommen worden sind? Soviel Schlamperei traue ich der WDVS-Industrie
eigentlich nicht zu. Daher vermute ich wohl zu Recht, dass Messergebnisse
vorliegen, die jedoch für die WDVS enttäuschend sind und daher in
irgendwelchen Tresoren schlummern. So erging es ja der berühmten GEWOS -
Studie, die nicht mehr zu bekommen ist. Das Ergebnis dieser Studie ist
allerdings bekannt. Bei den dort gemessenen Gebäuden kam es nämlich nach
Montage der WDVS zu einer Erhöhung des Heizenergieverbrauchs um 17%. In
einer Fachzeitschrift wurde das veröffentlicht. (DBZ 1993) Da war natürlich die
Aufregung groß. Um die WDVS-Technik vor dem Zusammenbruch zu retten,
musste daher sofort ein Gegengutachten her. Das wurde dann auch erstellt.
Der Gutachter122 ermittelte sodann, dass das Ergebnis nicht richtig sein könne.
Er hatte dies nach den Berechnungsverfahren, die sich heute in der EnEV
finden, ermittelt123. Gemessen hat er allerdings nichts.
Natürlich wurde bei diesem Gutachten nicht der eigentlich nahe liegende
Gedanke erwogen, dass in der Physik immer dann, wenn Messungen und
Berechnungen nicht zusammenpassen, möglicherweise das
Berechnungsverfahren falsch sein könne. Eine solche Überlegung hätte gutem
altem wissenschaftlichen Brauch entsprochen. So aber zog man die Korf´sche
Verfahrensweise vor, die Teil der deutschen Literaturgeschichte geworden ist
und da lautet:
„Eingehüllt in feuchte Tücher
prüft er die Gesetzesbücher,
um zu schließen messerscharf,
dass nicht sein kann, was nicht sein darf“.124
Wie wollte man damals den Nachweis der Wirksamkeit von WDVS retten? Da
waren einerseits Messergebnisse, die ordentlich und sauber gewonnen waren.
Außerdem lagen langjährig gewonnene Aufzeichnungen über den früheren
Energieverbrauch vor. Daraus ergab sich eindeutig, dass bei Gebäuden, die
nachträglich mit WDVS ausgerüstet worden waren, der Heizenergieaufwand
beträchtlich gestiegen war. Eine Nachkontrolle hätte sich nun darauf
beschränken können, dass man die Messmethoden und die Auswertungen auf
Stichhaltigkeit hin kontrolliert hätte. Das hat man aber unterlassen. Offenbar
war an den Messmethoden nichts auszusetzen.
122
Prof.Dr.-Ing. Gerd Hauser in DBZ 1993
123
Die Beweisführung erfolgte durch das Verfahren, das bewiesen werden sollte. Ein derart gewonnener
Beweis ist selbstverständlich wertlos und zeigt nur, dass da nicht einmal die Methode einer
wissenschaftlichen Beweisführung beherrscht wird.
124
Aus Christian Morgenstern, Galgenlieder
67
Ein Hintertürchen hat der Gutachter sich jedoch schlauerweise offen gehalten.
Er wies nämlich darauf hin, dass klimatische Einflüsse und das Nutzerverhalten
in seinem Gutachten nicht berücksichtigt werden konnten. Warum eigentlich
nicht? Wer hindert denn das Fraunhoferinstitut daran, 300 Datenlogger zu
kaufen und sie in Wohnungen unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlicher
Bewohnerstruktur aufzuhängen? Nach längstens zwei Heizperioden hätte man
dann aussagekräftige Daten zum Nutzerverhalten. Und – wer hat eigentlich
verboten, die sehr zuverlässigen und nahezu zahllosen Wetterdaten in die
energetischen Berechnungen einzuführen? Ich meine, dass jemand, der mit
dem Anspruch Wissenschaftler zu sein und aus Steuermitteln seinen
Lebensunterhalt bestreitet, die Pflicht hat, dann wenn er auf ein – wie hier –
messtechnisches Problem stößt, dieses auch zu bearbeiten. Ein „richtiger“
Wissenschaftler kann sich nicht damit begnügen, auf ein Problem hinzuweisen.
Von Wissenschaftlern muss man mehr erwarten können, als die Verkündung
von Binsenweisheiten. Stößt ein Wissenschaftler auf ein Problem, hat er die
verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die Ärmel hochzukrempeln und zu
forschen.
So wie die Dinge heute liegen, die Unduldsamkeit der Urheber der EnEV im
Umgang mit den Kritikern, die bis zur Verunglimpfung hinreicht, die
Verweigerung der Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Öffentlichkeit
und nicht zuletzt die unübersehbare wirtschaftliche Interessenlage sind die
einzigen Erklärungen dafür, dass man im Bereich der EnEV den Boden der
wissenschaftlich sauberen Arbeitsweise verlassen hat. Nur so ist die Absurdität
erklärbar, dass Messergebnisse eines anerkannten Instituts deshalb für falsch
erklärt werden, weil sie mit Berechnungen im Widerspruch stehen.
125
In allen anderen wissenschaftlich betriebenen Forschungszweigen wird immer eine auf Berechnungen
aufgebaute These. die durch Messergebnisse nicht bestätigt wird, verworfen. In der sog. „Bauphysik“
scheint das nicht zu gelten.
68
Es spricht also vieles dafür, dass auch bei der WDVS-Industrie Messergebnisse
vorliegen, die allerdings die Wirkungslosigkeit von WDVS zeigen. Und dennoch
werden WDVS mit riesigem Werbeaufwand vertrieben und gebaut. Das Ganze
wird inzwischen durch die EnEV erzwungen. Wer sich verweigert, riskiert ein
Bußgeldverfahren, das sich gewaschen hat und außerdem den Verlust von
Zuschüssen. Die Umlage als Wohnraummodernisierung auf die Mieter kann man
dann auch vergessen. Zugeschlagen wird außerdem mit der Moralkeule, da der
Aufwand ja weniger der Verbilligung der Wohnkosten dienen soll sondern der
Rettung der Menschheit vor der Klimakatastrophe. Ein gigantischer Erfolg aus
dem Zusammenwirken der Werbefachleute, der Industrielobby und einer
drittmittelfianzierten Pseudoforschung und nicht zuletzt einer
spendenbedürftigen Parteienlandschaft.
Ich selbst stehe gelegentlich bei Vorträgen vor Kollegen vor einem eigenartigem
Problem: Die meisten von ihnen sind alterprobte Baumenschen, die ihre
Erfahrungen gesammelt haben, dazu neigen, frühere Konstruktionen zu
wiederholen, wenn sie sich bewährt haben und im Übrigen stets die gleichen
Planungsmethoden anwenden. Somit führen sie auch bei ihren Bauanträgen die
altgewohnten U-Wert-Berechnungen vor, um nachzuweisen, dass sie
energieeinsparend geplant haben. Neuerdings füttern sie auch
Computerprogramme, womit sie sogar monatsweise den Nachweis der
energieeinsparenden Bauweise führen. Die allermeisten Kollegen haben auch
ein unerschütterliches Vertrauen in ihre Berechnungen. Dabei übersehen sie
etwas Entscheidendes: Die Berechnungen führen nur zu einem U-Wert und zu
sonst nichts. Der U-Wert zeigt aber nur eine Materialeigenschaft. Die zu den
Heizkosten führenden energetischen Prozesse bleiben dabei unbearbeitet.
Daher stoße ich bei einem Teil meiner Kollegen stets auf spontane Ablehnung
meiner Thesen. Selbst wenn es mir an einem guten Tag gelungen ist, alles
schlüssig und einsichtig vorzutragen, bekomme ich spätestens in der
69
Diskussionsrunde zu hören, dass es doch nicht sein könne, dass eine ganze
Norm, eine komplette Verordnung und alle darauf gegründeten Techniken
falsch seien und nur ich es besser wüsste. Da gibt es das Phänomen der
spontanen Ablehnung einer These, wenn sie dem Altgewohnten widerspricht –
nicht argumentativ sondern nur gefühlsmäßig – und weil es Unbehagen auslöst,
wenn man bei Zustimmung auch zugeben müsste, dass man geirrt hat und
vielleicht sogar jahrelang etwas Unnützes geplant hat.
Entweder werden Sie sich Ihrer bisherigen Überzeugung noch sicherer oder Sie
denken – vielleicht erstmalig in Ihrem Berufsleben – über den Sinn einer Norm
und einer Verordnung nach und verbessern hierdurch die Qualität Ihrer
Planung. Beides ist von Vorteil. Der eigentliche Risikoträger bin ich, der das
Wagnis unternimmt, eine eigene Überzeugung zu veröffentlichen, obwohl sie
eine Minderheitenmeinung darstellt und daher todsicher zum Gegenstand
persönlicher Verunglimpfung werden wird.
126
Hierzu der neuere Volksmund: „Millionen Fliegen können nicht irren. Daher fresst Scheiße!“
70
Mit derartigen Maßnahmen waren die Anforderungen der DIN 4108 auch
ausreichend erfüllt. Mit der Einsparung von Heizenergie hatte das alles nichts zu
tun. Die war bis in die Mitte der sechziger Jahre überhaupt kein Thema. Es ging
nur um die Verhinderung von Tauwasserbildung auf Wandoberflächen.
127
Jean Baptiste Josèphe de Fourier, 1768 – 1830, franz. Physiker
128
Siehe auch die Fourier-Analyse und die Fourier-Synthese
71
damalige Fassung der DIN 4108 war die Berechnung der Wärmeleitung in
festen Stoffen ausreichend genau. Vor allem konnte man auch ausrechnen, zu
welcher Temperaturerhöhung es auf Innenwandoberflächen kam, wenn man
Dämmstoffe anordnete. Da man bereits wusste, wann es bei bestimmten
Wandtemperaturen bei bestimmten Raumlufttemperaturen und relativen
Luftfeuchten zum Tauwasserausfall kam, konnte man somit für jeden beliebigen
Wandaufbau ausrechnen, ob und wie viel man zu dämmen hatte.
Bereits in den späten fünfziger Jahren dachte man auch schon darüber nach,
dass es nicht nur Wärmeleitung innerhalb der Wand gab sondern auch einen
Energieübergang von der Raumluft in die Wand und ebenso auch von der
Außenwandoberfläche ins Freie. Auch hier ist der Übertragungsmechanismus
wie in festen Stoffen. Energiehaltige Luftteilchen führen elastische Stöße gegen
die Wand aus und ebenso kommt es auch zu elastischen Stößen zwischen
Außenwandoberfläche mit den Teilchen der Umgebungsluft. Hier waren die
Ereignisse jedoch sehr kompliziert, da strömende Luft sich der Berechnung
weitgehend entzieht. Bis heute gibt es noch kein zuverlässiges rechnerisches
Verfahren, mit dem der Energieübergang zwischen Luft und festen Stoffen
sicher berechnet werden kann. Da dies so ist, bezeichnet man diesen Vorgang
auch nicht mehr als Wärmeleitung sondern als Konvektion. In der Technik wird
hierbei stets das praktische Experiment angewendet. Im Bauwesen behilft man
sich mit Faustformeln, um wenigsten grobe Anhaltswerte zu erhalten.
Die Schöpfer der DIN 4108 wollten die Konvektion an den Oberflächen von
Wänden wenigstens nicht ganz vernachlässigen. Daher legten sie willkürliche
sog. „Wärmeübergangszahlen“ fest, die als konstante Größen vollkommen
unabhängig von den tatsächlichen Ereignissen in das Rechenergebnis eingefügt
werden müssen. Der Wert für den Wärmeübergang „innen“ (Rsi) ist so klein
bemessen, dass er eigentlich weggelassen werden könnte.
Ich meine, dass es das Beste wäre, die Norm von den Wärmeübergangszahlen
zu befreien, weil sie nämlich in der DIN 4108 nichts zu suchen haben. Würde
man die Norm auf die Berechnung der Wärmeleitung im festen Stoff reduzieren,
wäre sie nach wie vor ein nützliches Instrument zur Untersuchung der
Stofftemperaturen und der Lage der Tauzone in allen Schichten, in denen
Wärmeleitungsvorgänge überwiegen129. In den Bereichen die nahe an den
Außenflächen liegen, werden die Wärmeleitungsvorgänge jedoch von anderen
physikalischen Vorgängen überlagert, sodass dort die fourier´sche
Wärmeleitungsgleichung – zumindest an Bauwerken – versagt und uns in die
129
Damit wäre die Berechnung des Wärmestroms auch genauer, da sich die einzusetzende
Temperaturdifferenz aus den Oberflächentemperaturen der untersuchten Konstruktion ergibt.
72
Irre führt.
Wert Rsi mit etwa 7,7 W/m². Allein dies zeigt, dass die DIN 4108 zur
Beschreibung der Energieverlagerung außerhalb des festen Materials
ungeeignet ist.
Noch unsinniger stellt sich der Wert Rse dar, wenn auf der Außenwand
exogener Energieeintrag stattfindet. Der kann auf einer Südwand die Größe von
650 W/m² annehmen.
Bevor wir daher wieder bauphysikalisch werden, ein klein wenig Politik, die mit
unserem Thema eng verknüpft ist. Es wäre blauäugig, das außer Acht zu
lassen. Schnurstracks landen wir also bei einem gesellschaftspolitischen
Zustand, der sich beileibe nicht nur auf die Bauphysik beschränkt.
Insgesamt geht es um Geld, Einfluss und Macht, die sich gegenseitig bedingen.
Da gibt es die Industrie, der jedes Mittel recht ist, wenn es um Gewinne geht,
da gibt es die politische Ebene, die leider gegen die unzähligen Spielarten der
Korruption nicht immun ist. Inzwischen müssen wir auch damit leben, dass
Wirtschaftspolitik nicht auf der politischen Ebene sondern von der Industrie
130
Eine derartige Temperatur stellt einen guten Mittelwert für winterliche Verhältnisse dar.
74
Irgendwo dazwischen steht die Wissenschaft, die das Ideal der Zweckfreiheit
aufgegeben hat. Auch sie ist käuflich geworden131. Da geht es um „Drittmittel“,
die die Industrie hergibt und ohne die die meisten Forschungsinstitute nicht
existenzfähig wären. Von uns Normalbürgern aber kann nicht der Glaube
gefordert werden, dass die finanziellen Wohltaten, die der Wissenschaft
zufließen, von Gutmenschen und absichtslos gegeben werden. Natürlich werden
da Gegenleistungen verlangt und erbracht.
Wie anders ist am Beispiel der EnEV sonst zu erklären, dass in ihrem ersten
Abschnitt, bei dem es um den baulichen Wärmeschutz geht, nicht ein einziges
Mal die Verwendung von Dämmstoffen verlangt wird132, dennoch das Ziel der
EnEV ausschließlich durch den exzessiven Verbrauch von Dämmstoffen erreicht
werden kann.133 Die EnEV, die insofern vermummt daherkommt, ist der
sichtbare Beweis für eine einseitige Begünstigung der Dämmstoffindustrie durch
den Staat.134 Damit hierbei nichts schief geht, hat man vorgeschrieben, dass
solare Einstrahlungsgewinne auf gedämmte Maueroberflächen nicht gerechnet
werden dürfen, obwohl jedes kleine Kind weiß, wie warm auch im Winter eine
Wandoberfläche werden kann, wenn sie von der Sonne beschienen wird. In
diesem Berechnungsverbot steckt jedoch auch das Eingeständnis dafür, dass
außen angebrachte Dämmstoffe – die als selbstverständlich vorausgesetzt
werden – die solaren Einstrahlungsgewinne zunichte machen. Auf der gleichen
Begünstigungslinie liegt das Verbot, den Einfluss der Wärmespeicherfähigkeit zu
berechnen. Allen Ernstes wird behauptet, dass energetisch kein Unterschied
zwischen einer Leichtkonstruktion, die aus dünnen Häuten und jeder Menge
Dämmstoff besteht, und einer ordentlichen Ziegelmauer gegeben sei.135
„Ein Gebäude sei ein Hohlraum, der von wärmeleitenden Hüllen begrenzt ist. Im
Hohlraum befände sich eine Wärmequelle. Diese Wärmequelle erwärme die Luft
im Hohlraum. Die so in der Luft befindliche Energie habe nur noch ein Ziel – so
131
Daher regt sich auch kein Widerstand gegen die unsinnige Treibhausthese, die ja die eigentliche
Grundlage der EnEV ist.
132
Ausnahme: im Drempelbereich von ausgebauten Dächern werden Dämmstoffe verlangt.
133
Dass – wie ich noch zeigen werde – das Ziel der Energieeinsparung durch dämmstofflose
Konstruktionen erreicht werden kann, haben allerdings die Urheber der EnEV nicht gewusst.
134
Wir haben es also nebenher auch noch mit dem Straftatbestand der Begünstigung zu tun.
135
Siehe auch unter Fachtexten des Verfassers das Kapitel 34.
75
Wenn das aber – wie augenscheinlich – so und nicht anders ist, wir aber vor
der Tatsache stehen, dass im Winter ein Gebäude „durchgeheizt“ werden muss,
muss es auch einen Ort des Energieverlustes geben, trotz des
Energieerhaltungssatzes. Da wir an Naturgesetzen nicht rütteln wollen, müssen
wir den Begriff „Energieverlust“ neu definieren. Verlorene Energie ist daher die
Energie, die sich der Verwendung durch den Menschen entzogen hat, die also
nunmehr in der Umgebung herumvagabundiert. Verloren ist sie keineswegs.
Und nun kommt die entscheidende Erkenntnis:
Der Ort des neu definierten Energieverlustes ist nichts anderes als eine richtig
bestimmte Systemgrenze. Da wir bereits festgestellt haben, dass im Bauwerk
enthaltene Energie keineswegs als verloren angesehen werden kann, dass uns
aber auch die vom Bauwerk entwichene Energie nichts mehr nützt, bleibt nur
noch eine klar definierte Systemgrenze übrig: das ist die Gebäudeoberfläche.
Genau an dieser Stelle enden aber die Berechnungsverfahren der DIN 4108.
Dort finden nämlich nicht Wärmeleitung sondern zwei Wirkungsmechanismen
statt, die beide von der Norm gar nicht behandelt werden:
Diese beiden Vorgänge haben aber mit der in der Wand stattfindenden
Wärmeleitung nahezu nichts zu tun. Abstrahlung ist ein autonomer Prozess, der
nur von der Oberflächentemperatur und vom Strahlungskoeffizienten abhängt.
Die Oberflächentemperatur aber ist von den Umgebungsbedingungen abhängig
und nicht vom Beheizungszustand des Gebäudes.
Wärmeleitung. Im Gegenteil:
Die Praxis bestätigt das auch. Ich habe in mehreren Wintern mit einem
Präzisionsgerät Oberflächentemperaturen von Wänden unterschiedlichster
Bauart gemessen. Da waren Oberflächen von WDVS, von
Ziegelsichtmauerwerk, von verputzten Wänden und auch von
Leichtkonstruktionen. Niemals konnte ich einen bauartbedingten signifikanten
Temperaturunterschied messen. Hätten die Dämmtechniker Recht, müssten die
Oberflächen wärmegedämmter Fassaden deutlich kälter sein, weil der
Dämmstoff den Wärmedurchgang zur Fassadenoberfläche behindert. Die
Oberflächentemperaturen sind jedoch mehr oder weniger gleich. Besonders
aufschlussreich waren Messungen an Massivbauten, die unbeheizt waren. Auch
hier waren keine auffälligen Unterschiede zu beheizten Bauten feststellbar. Dies
zeigte, dass die Oberflächentemperaturen nur von den Wetterbedingungen
abhingen, keineswegs jedoch von der Wärmeleitung in der Wand. Weitere
Messungen zeigten, dass bei sich ändernden Außenlufttemperaturen und
Einstrahlungsbedingungen die Wandoberflächentemperaturen bei
ungedämmten Wänden nur sehr langsam veränderten, bei gedämmten
Konstruktionen sehr rasch. Ging die Veränderung der Oberflächentemperatur
auf unmittelbare Sonneneinstrahlung zurück, reagierten gedämmte Wände mit
nahezu verzögerungsfreier Oberflächenerwärmung, ungedämmte Wände waren
auffällig träger.
Wenn wir bis dahin vorgedrungen sind – sie sind jetzt schon ein ganz guter
Ketzer – müssen wir noch einen Blick auf WDVS werfen. Und was sehen wir da?
Die Abstrahlungsleistung ist genau die gleiche wie die einer normalen
Massivwand. Auch der konvektive Energieabtrag ist gleich. Wir wissen schon,
dass alleine die Abstrahlungsleistung bei etwa 300 W/m² liegt und dass gegen
sie kein Kraut gewachsen ist. Der Dämmstoff kann bei weitem nicht –
zumindest zunächst – diese Energie mit ausreichender Schnelligkeit zur
Oberfläche durchlassen. Zugleich wird aber vorne in sternenklaren
Winternächten abgestrahlt - auf Teufel komm raus. Die Dämmstoffoberfläche
wird also ständig abkühlen. Wir wissen, dass derartige Oberflächen von WDVS
weit unter die Lufttemperatur abkühlen können. Nun kommt wieder der alte
Fourier zum Zuge, der ja richtig geweissagt hat, dass das Maß der
Wärmeleitung direkt proportional zum Temperaturgefälle steht. Und siehe da –
78
das entropische Gesetz wirkt wieder einmal – der Wärmestrom, der nun durch
den Dämmstoff geht, ist exakt so groß, wie wenn gar kein Dämmstoff
vorhanden wäre. Das enorm vergrößerte Temperaturgefälle hat das bewirkt.
Dieses neue Modell ist so neu gar nicht. Es wird von einem halbwegs
aufmerksamen Beobachter täglich empirisch erfahren. Auf seinen banalsten
Punkt gebracht, bestätigt dieses Modell die Binsenwahrheit, wonach im Winter
geheizt werden muss, im Sommer aber nicht.
Die gewohnte Vorstellung, wie sie in der EnEV enthalten ist, wonach es darum
ginge, dass die gesamte Energieproduktion im Heizraum stattfände und es nur
darum ginge, nunmehr die gewonnene Energie am Verlassen des Gebäudes zu
hindern, ist somit falsch. In diesem Sinne ist daher auch der Zentralbegriff
„Transmissionswärmeverlust“ dann, wenn er zur Beschreibung der
energetischen Vorgänge am Gebäude herhalten soll, sinnlos. Der in der EnEV
definierte Transmissionswärmeverlust kann nämlich nicht größer als die
Leistung der Heizanlage sein. Diese Aussage gilt in jedem Falle für ständig und
kontinuierlich beheizte Gebäude.
Praktische Schlussfolgerungen
Unser Thema lautet „Einsparung von Heizenergie“. Wir haben gesehen, dass
Außendämmungen, z.B. in der Form von WDVS nicht zur Einsparung von
Heizenergie führen können. Wir wollen das aber erreichen. Meine bisherigen
Darlegungen wären sinnlos, wenn ich lediglich die Erfolglosigkeit der bisherigen
Techniken nachgewiesen hätte, jedoch die Auskunft darüber verweigerte, was
nun zu tun sei.
Gebäudeentwurf im Großen.
sinnvolle Fassadentechnik im Detail.
Sinnvolle Heiztechnik.
Der Gebäudeentwurf
Da wir gesehen haben, dass Einstrahlungsvorgänge den überwiegenden Teil
des Energieeintrags bewerkstelligen, können wir das im Entwurf verarbeiten.
Der Idealfall wäre ein Gebäude das nur eine Sonnenseite, nördlich des Äquators
also nur eine Südseite hätte. Leider hätte ein derartiges Gebäude aber kein
80
In eng bebauten Gebieten ist die Stellung des Baukörpers meistens vorgegeben
oder gar in einem Bebauungsplan geregelt. Da muss man sich eben nach der
Decke strecken. Energetisch ist hier aber von Vorteil, dass die Einstrahlung aus
der unmittelbaren Umgebung hoch ist. Nordwände erfahren eine hohe
Umgebungsstrahlung von gegenüberliegenden Südwänden. Gegenüberliegende
Fensterscheiben führen häufig zu reflektierter Sonneneinstrahlung auf
Nordwänden.
Auf der Hand liegt, dass Baukörper bei denen die Oberfläche der Gebäudehülle
im Verhältnis zum Baukörpervolumen klein ist, auch kleinere
Abstrahlungsleistungen haben. Andererseits ist natürlich die
Einstrahlungsleistung ebenfalls verhältnismäßig klein. An einer Tabelle können
wir uns das veranschaulichen. Betrachten wir daher eine einfache
Würfelgeometrie, wobei wir jedoch die Bodenfläche nicht berücksichtigen.
Wir sehen also, dass die Bedeutung der energetischen Vorgänge am Gebäude
größenabhängig ist. Bei einem kleinen Einfamilienhaus ist diese Bedeutung
erheblich größer als bei einem großen und massigen Baukörper. Das haben
81
Wäre nun das bauphysikalische Modell der EnEV richtig – wie aber nicht –, wäre
der große und möglichst gedrungene Baukörper einem kleinen und
möglicherweise auch noch gegliederten Baukörper energetisch überlegen. Die
beste Hauskörperform wäre daher die Kugel.
Außenwände
Außenwände werden ihrer Bauart nach in Massivkonstruktionen und
Leichtkonstruktionen unterschieden. Die Massivwand hat meistens auch
tragende Funktion, bei der Leichtwand werden die Lasten von einer
gesonderten Konstruktion aus Stützen und Trägern übernommen. Da gibt es
drei grundsätzliche Varianten nach der Stützenstellung, also vor, innerhalb oder
hinter der Wand. Die bevorzugten Baustoffe für die Tragkonstruktionen sind
Holz (z.B. beim traditionellen Fachwerkhaus), Stahl und Stahlbeton. Stahl,
eigentlich ein wundervoller Baustoff, muss, wenn er in oder hinter der Hülle
steht, feuersicher ummantelt werden. Dabei geht die Eleganz dieses Materials
verloren. Bei meinen eigenen Stahlskelettbauten habe ich daher den Stahl
immer vor der Wand angeordnet, weil er dort nur gering feuergefährdet ist und
im Brandfall mit Löschwasser gekühlt werden kann.
136
Das sind die Himmelsrichtungen SO bis SW.
137
Dieser Regel soll auch die Anordnung der Fensterflächen folgen.
82
Letztlich muss der Bauherr selbst entscheiden, was er lieber hat. Eine Rolle
spielt hierbei die Nutzung. Haben wir es mit einem nur zeitweise bewohnten
Ferienhaus zu tun, dürfte die Leichtbauweise vorteilhaft sein. Der
Aufheizvorgang ist von kurzer Dauer, die Abkühlungsphase ist ebenfalls kurz.
Die Heizanlage läuft somit im Wesentlichen nur während der Benutzung. Daher
ist der gute alte Zimmerofen bei Ferienhäusern immer noch eine recht gute
Heiztechnik.
Beim dauernd bewohnten Haus ist die Massivbauweise klar überlegen, weil sich
dort die erhöhten Kosten des Aufheizvorgangs auf eine gesamte Heizperiode
verteilen und somit nicht nennenswert ins Gewicht fallen.
Alles entscheidend beim Massivbau ist die Fähigkeit, eingestrahlte Sonnen- und
Umgebungsstrahlung abzuspeichern. Das wird allerdings von den Anhängern
der EnEV und der Dämmtechnik, die ich scherzhaft als die „Dämmophilen“
bezeichne, heftig bestritten. Sie „beweisen“ mit den Rechenmethoden der DIN
4108, dass es auf die Speicherfähigkeit nicht ankäme. Mit dieser Methode kann
auch gar kein anderes Ergebnis herauskommen. Das physikalische Modell geht
hierbei ja von der kindlichen Annahme aus, dass der energetisch
interessierende Vorgang, der letztlich die Heizkosten bestimmt, ausschließlich
darin bestünde, dass die im Hause freigesetzte Energie durch die Außenhülle
verschwände und sonst nichts beachtenswertes geschähe. Wir wissen es aber
inzwischen besser. Vor allem haben wir inzwischen erkannt, dass der
Energieeintrag aus der Heizanlage bestenfalls 3% des Gesamteintrags beträgt,
während der große Rest – auch in der Heizperiode – ein Geschenk der Sonne
ist.
Dieser riesige Energiebetrag nützt uns aber nichts, wenn wir Häuser bauen, die
ihn nicht verwerten – also die eingestrahlte Energie nicht abspeichern können.
Die Dämmophilen sagen nun folgendes:
„Das ist ja gut und schön, dass Wärmeenergie abgespeichert werden kann –
das wollen wir ja gar nicht bestreiten. Allerdings ist das ein Nullsummenspiel,
da die gleiche Energie ja wieder abgestrahlt wird. Einstrahlung und Abstrahlung
sind gleich groß, das Ergebnis ist also Null. Eine Größe Null muss man aber
nicht beachten.“
Diesem Denkfehler unterliegen auch die EnEV und die hierfür grundlegende
DIN 4108. Das wird schon daran erkennbar, dass die energetischen Vorgänge
an der Gebäudeoberfläche in der Norm überhaupt nicht behandelt werden.
Selbst das banale Erfahrungswissen, dass der Heizenergieverbrauch durch das
Wetter bestimmt wird und dieses seine Wirkung natürlich nur an der
Gebäudeoberfläche hat, wird in der Norm nicht verwertet. Nicht im Traume
kommen die Dämmophilen auf die Idee, einmal darüber nachzudenken, warum
man im Winter heizen muss, im Sommer dagegen nicht. Noch viel weniger
83
Ich gebe zu: Das Modell der EnEV hat den Vorzug der Einfachheit und der
leichten Berechenbarkeit. Eine Betrachtung der energetischen Vorgänge an der
Gebäudeoberfläche ist entschieden komplizierter und vielfältiger und daher –
weil wetterabhängig – auch letztlich nicht berechenbar, weil das Wetter als
bestimmender Einfluss chaotisch ist und chaotische Vorgänge definitionsgemäß
unberechenbar sind. Diese Unberechenbarkeit ist es wohl auch, dass der
Normenausschuss es strikt ablehnt, eine der sparsamen Energieverwendung
dienende Norm zu entwickeln. Heraus käme nämlich eine Norm, bei der man
nichts berechnen könnte – aus dem Blickpunkt des Normenausschusses ein
Unding an sich.139
Was ist aber nun zum Einwand „Nullsummenspiel“ zu sagen? Betrachten wir
also zunächst nur Strahlungsvorgänge. Das Sonnenspektrum umfasst eine
große Bandbreite von Wellenlängen, darunter auch den energiereichsten Anteil
der Wärmestrahlung, nämlich das Ultraviolett. Dieses hat die interessante
Eigenschaft, dass es auch ungehindert durch Wolken zur Erdoberfläche gelangt.
Daher werden wir auch bei bewölktem Himmel braun. Daher heizt sich ein Auto
auch bei bewölktem Himmel auf, weil auch dann genügend Wärmestrahlung
auf dem Blech ankommt. Ebenso ist es beim Gebäude.
138
Zur Ehrenrettung der EnEV: In Polarregionen mit monatelanger Polarnacht ohne Sonneneinstrahlung
wäre sie annähernd vernünftig.
139
Nun besteht auch noch das – menschlich verständliche – Problem, dass eine derartige Norm mit den
bisherigen Normen und der EnEV vollkommen brechen müsste. Es würde zutage kommen, dass ein
Heer von Professoren und Beamten uns seit etwa dreißig Jahren puren Unsinn aufgezwungen hat. Da
muss also erst eine ganze Generation aussterben, bis es zu einer vernünftigen Normung kommen kann.
84
sich die Wand als Reflektor, alle anderen Spektralfarben wurden absorbiert.
Diese Ereignisse hängen ausschließlich von der Oberflächenbeschaffenheit eines
Stoffes ab. Das reflektierte Licht entschwindet samt seinem Energiegehalt in der
Umgebung, das absorbierte Licht führt zur Erhöhung des Energiegehalts des
Absorbers, der also wärmer wird. Nun können wir auch verstehen, warum
schwarze Flächen sich schneller und mehr erwärmen. Sie absorbieren nämlich
alle Spektren und verwerten daher durch Erwärmung die in der Strahlung
enthaltene Energie am Besten. Am Allerbesten ist hierbei der sog. „Schwarze
Strahler“, der aber nur ein theoretisches Gebilde ist, das in der Natur nicht
vorkommt. Er würde nämlich alles Licht absorbieren und völlig in Wärmeenergie
umsetzen.
Schwarz ist daher auch keine Farbe, auch wenn wir es täglich mit schwarz
gestrichenen Flächen zu tun haben. Genau genommen sind schwarze Flächen
unsichtbar – allerdings nur im Hinblick auf das eingeschränkte
Wahrnehmungsvermögen des menschlichen Auges. Im langwelligen Bereich
kann auch eine schwarze Fläche Licht absondern, das jedoch für den Menschen
unsichtbar ist. Hierbei handelt es sich um Infrarot (IR).
Wir müssen also erkennen, dass eine von Strahlung erreichte Fläche Energie
aufnimmt und durch Strahlung auch wieder abgibt. Das Wellenlängenspektrum
aber der abgegebenen Strahlung ist in aller Regel völlig anders als das der
empfangenen Strahlung. Nur ein perfekter Reflektor ist in der Lage, das
gesamte empfangene Spektrum wieder abzugeben. Den perfekten Reflektor
gibt es aber ebenso wenig wie den Schwarzen Strahler. Daher erwärmt sich
auch ein Spiegel, der in das Sonnenlicht gestellt wird – allerdings weit weniger
als ein daneben befindlicher Backstein.
Nun müssen wir uns nur noch klar machen, dass die einzelnen Spektren einen
unterschiedlichen Energiegehalt haben. Hierbei gilt:
Damit dieses jedoch unserer Energiebilanz zugute kommen kann, muss die
Energie gespeichert werden. Je massereicher eine Wand ist, umso besser
funktioniert das.140
Wir wissen aber auch, dass diese Vorgänge nicht den ganzen Tag lang konstant
ablaufen. Sie unterliegen dem von der Drehung der Erde um ihre Achse
vorgegebenen und unabänderlichern zeitlichen Verlauf. Das ist ganz
entscheidend. Erstaunlicherweise wird auch der zeitliche Ablauf des Geschehens
weder von der EnEV noch von der DIN 4108 gewürdigt.
Das Ziel unserer Bemühungen muss aber natürlich darin liegen, dass wir den
exogenen Energieeintrag bestmöglich verwerten. Hierzu sind eigentlich nur zwei
Maßnahmen erforderlich: Wir müssen alles vermeiden was den Energieeintrag
von außen behindert und alles dafür tun, dass die Energie bestmöglich in der
Außenwand so abgespeichert und weiter behandelt wird, dass das winterliche
Energiedefizit so gering wie möglich ausfällt.141 Wir benötigen also ein
„energetisches Rückschlagventil“.
140
Aber auch hier sollte man Übertreibungen vermeiden. Eine meterdicke Bruchsteinwand hat eine so
hohe Wärmekapazität, dass sie auch im heißesten Sommer an der Innenoberfläche kalt bleibt. Eicke –
Henning, ebenfalls ein Dämmophiler, kann also mit seinem Burgmauerbeispiel nichts beweisen.
141
Unter dem Kapitel „Thermosfassade“ werde ich zeigen, dass es möglich ist, durch bauliche
Maßnahmen dieses Ziel erheblich erreichbarer zu machen.
142
Wenn man eine 15 cm dicke Platte aus Styropor aus einem geheizten Raum is Freie bringt, dort eine
Aussenlufttemperatur von -10 °C herrscht, dauert es etwa 120 Minuten, bis die Platte die
Außentemperatur angenommen hat.
86
143
Mein Kollege Architekt Dietrich Becker aus Sömmerda hat da ganz konsequent ein Haus entwickelt,
dessen Außenwände aus gepressten Strohballen bestehen.
87
Technikfreaks mögen sich dafür begeistern. Mich konnte man davon jedoch
bisher nicht überzeugen. Mich schaudert schon der Gedanke daran, dass der
Produzent der technischen Aggregate illiquide wird und daher die
Ersatzteillieferung nicht mehr funktioniert. Dann ist guter Rat teuer. Ich meine,
dass ein Haus auch in Krisenzeiten funktionieren muss. Daher bin ich –
vielleicht ist das auch jahrgangsbedingt144 – ein großer Freund des Notkamins,
auch wenn er inzwischen aus den Bauordnungen herausgestrichen worden ist.
Gezimmerte Dächer
Dächer bilden einen großen Teil der Hüllfläche. Bei einem Einfamilienhaus mit
Steildach kann es mehr Fläche als die Außenwände einnehmen. Dachräume
waren früher unproblematisch als sie nur Speicher und Trockenböden waren.
Sie übernahmen die Außentemperaturen auch innen. Bauphysikalisch war das
alles unbedenklich. Heute werden Dachräume jedoch ausgebaut, die
Dachkonstruktion ist also zugleich Hüllfläche von bewohnten Räumen.
Technisch wäre es nun möglich, auch Dächer in Massivbauweise zu errichten.
Damit – und wäre dies die Regelkonstruktion – könnten wir das über die
massive Gebäudewand gesagte auch auf die Dachkonstruktion übertragen.
So aber müssen wir uns damit abfinden, dass die traditionelle Tragkonstruktion
eines Steildaches eine gezimmerte Konstruktion ist145. Ebenso traditionell ist,
144
Der Verfasser entstammt dem Jahrgang 1938, hat also als Kind Krisenzeiten, bei denen es um das
pure Überleben gegangen ist, noch selbst erlebt.
145
Das gezimmerte Dach ist auch immer noch Ursache von schönen Richtfesten, die ich nicht missen
möchte.
88
dass eine Dachkonstruktion eine Leichtkonstruktion ist, bei der tragende und
hüllende Elemente in Schichten erstellt werden.
Bei den von mir konstruierten ausgebauten Dächern hat sich sehr bewährt,
dass die Kantholzkonstruktion auf Sicht konstruiert ist, also wenigstens
Holzbalken der Schnittklasse S und gehobelt verwendet werden und die darüber
liegende Schalung als Sichtschalung mit Sichtseite nach unten verlegt wird.
Wenn diese Schalung aufgeschraubt wird, erkennen die Prüfstatiker an, dass
sodann die Dachkonstruktion als Scheibe angesehen werden kann. Der gesamte
weitere Aufbau des Daches – auch in energetischer Hinsicht – befindet sich
sodann über der Schalung, was auch die Handwerker freut, da die sehr
unangenehme und kräftezehrende Überkopfarbeit vermieden bleibt. Ein großer
Vorteil besteht – energetisch gesehen – darin, dass nun die Sparren und
sonstigen Teile des Dachstuhls samt Schalung als wärmespeichernde Masse
dienen. Bei einem Dachstuhl eines Einfamilienhauses über 100 m² Grundfläche
sind das schon etwa 8 m³ wärmespeicherndes Holz, was etwa der
Speicherkapazität von 12m³ Ziegelmauerwerk entspricht. Das ist nicht viel
weniger als die Mauerwerksmasse im Erdgeschoss.
Wenn wir jetzt noch über der Schalung zusätzliche Weichfaserplatten anordnen,
kommen wir in der Regel zu einer ausreichenden Wärmekapazität der
Dachkonstruktion. Für den winterlichen Wärmeschutz haben wir also das Nötige
getan. Damit der gute Baubeamte zufrieden ist, ordnen wir noch eine
zusätzliche Dämmschicht aus Mineralwolleplatten an, die zwar überflüssig ist
aber zu einer beanstandungsfreien Bauabnahme führt, was ja auch etwas wert
ist.
Nun haben wir also über der Schalung einen mindestens 10 cm dicken Aufbau,
über dem nun die Dachhaut, also irgendein Ziegel- oder Betonsteindach
hergestellt wird. Dieses muss unterlüftet sein. Daher müssen wir die Dachlatten
89
Bauphysikalisch ist ein Dach extrem belastet. Im Sommer heizt sich die
Dachhaut, so sie aus Dachpfannen besteht, zeitweise bis auf 70 °C auf. Damit
haben wir auf dem Dach einen Wärmestrahler mit einer Abstrahlungsleistung
nach unten von bis zu 800 W/m². Diese Strahlung führt im Verlaufe eines
Sommertages zur Erhitzung der gesamten Dachkonstruktion bis hin zur
Unterfläche des Daches und damit zu einem höchst unangenehmen und auch
gesundheitsschädlichen Überangebot von Wärmestrahlung. Derartige
Wohnräume werden im Sommer unbewohnbar. Der Ausdruck „Barackenklima“
ist nachgerade noch milde.
Ich habe hiergegen ein Mittel gefunden, das im Bauwesen bisher unbekannt
war. Die Unbekanntheit dieser Technik ist übrigens auch eine Folge der
Normengläubigkeit meiner Kollegen. Die DIN 4108 bietet nämlich keine Lösung
des Problems an, da sie Strahlungsprozesse nicht behandelt. Ich gebe also nun
eines meiner Betriebsgeheimnisse preis:
Die Energieverlagerung von der Dachhaut bis zur Dachuntersicht fände in dem
tatsächlich erlebten Masse nicht statt, wenn sie nur auf
Wärmeleitungsprozessen beruhen würde. Tatsächlich geschieht die
Energieverlagerung jedoch aus einer Abfolge von Wärmeleitungs- und
Strahlungsprozessen, wobei die Strahlungsprozesse eindeutig überwiegen.
Wärmestrahlung kann jedoch reflektiert werden. Ich ordne daher unmittelbar
über der Abschalung ein reflektierendes Material an. Hierbei handelt es sich um
Aluminiumfolien mit einem Emissionskoeffizienten von 0,04, die gegen
Korrosion mit einer durchsichtigen Kunststoffhaut kaschiert sind. Die auf der
Aluminiumschicht ankommende Wärmestrahlung wird nun zum überwiegenden
Teil in den Dämmstoff zurückgeschickt, was zu dem interessanten Messergebnis
führt, dass die wärmste Zone im Dämmstoff der Bereich unmittelbar über der
Aluminiumhaut ist. Das Ergebnis jedenfalls ist verblüffend. Die Dachräume
bleiben im Sommer kühl und manche meiner Bauherren berichten, dass sie
sogar die kühlsten und angenehmsten Zonen im ganzen Haus seien. Im Grunde
funktioniert das ähnlich wie bei einer Thermoskanne, die ja ebenfalls auf dem
Zusammenwirken von schlechter Wärmeleitung und Reflexion von
Wärmestrahlung beruht und bekanntlich auch zur Kühlhaltung von Getränken
eingesetzt wird.
146
Das von mir bevorzugte Material kommt aus dem Hause Dörken und heißt „Delta – Reflex“.
90
Wenn nun die Dachhaut soweit auskühlt, ist natürlich der darunter befindliche
Luftraum annähernd gleich kalt. Das Temperaturgefälle zwischen ausgebautem
Dachraum und Luftraum über der Dämmschicht beträgt somit im Extremfall
etwa 70 K.
Schon wieder macht sich die Reflexionsschicht nützlich. Wir wissen bereits, dass
ein guter Reflektor ein ebenso schlechter Strahler ist. Obwohl die zwischen
Dämmschicht und Oberfläche Schalung eingelagerte Reflexionsschicht ungefähr
die Temperatur der Schalung annimmt, strahlt sie dennoch nur sehr wenig
Strahlungsenergie ab. Ihre energierückhaltende Wirkung beträgt etwa die des
rechnerischen – nicht jedoch tatsächlichen – Wertes nach DIN 4108 von 20 cm
Styropor. Auch hier haben wir wieder den Thermoskanneneffekt. Das
Zusammenwirken von schlechtem Strahler und ordentlicher Dämmung, die auch
noch recht gut Wärme speichert reicht somit zur Bewältigung der großen
winterlichen Temperaturspreizung aus.
Unterspannbahnen
Unsere braven Dachdecker bestehen auf dem Einbau von Unterspannbahnen
und bedrohen den Bauherrn, falls er die nicht haben will, mit dem Entzug der
Gewährleistung. Dabei berufen sie sich auch auf die „Regeln des
Dachdeckerhandwerks“, die natürlich – ähnlich wie die Normen des DIN –
nichts anderes sind als unverbindliche Empfehlungen eines Vereins, die den
Verwender nicht von der Pflicht entbinden, den Sinn derartiger Regeln zu
prüfen. Geht daher etwas schief, nützt es dem Architekten gar nichts, wenn er
sich darauf beruft, dass er sich streng an diese Regeln gehalten hätte. Wir
Architekten schulden nämlich nicht die Anwendung von Normen und sonstigen
Regelwerken sondern einen technischen Erfolg. Tritt der nicht ein – sichtbar am
Bauschaden – haften wir nach dem Gesichtspunkt des „ersten Anscheins“.
91
Herabfallende Äste können ein Dach beschädigen. Da gibt es nur ein sinnvolles
Gegenmittel. Der Hausbesitzer muss wenigstens einmal im Jahr die Bäume
darauf hin überprüfen, ob abgestorbene Äste in der Krone vorhanden sind. Die
müssen dann beseitigt werden. Hierfür sind unsere Gartenbaubetriebe
zuständig, die das gerne und preiswert erledigen, weil sie im Winter wenig zu
tun haben.
Die Geschichte mit dem Flugschnee habe ich selbst an nicht ausgebauten
Dächern überprüft und dabei folgendes festgestellt: Fällt Pappschnee,
erkennbar an den großen Schneeflocken, bleibt der auf dem Dach liegen, falls
dieses kalt genug ist oder er schmilzt. Nicht eine einzige Pappschneeflocke habe
ich jemals durch ein Dach hindurchfliegen gesehen. Dieses Phänomen gibt es
also nicht. Fällt Pulverschnee, also ganz kleine Schneeflocken, fliegen die wie
Bettfedern umher. Ist zugleich heftiger Wind, kann es den Pulverschnee
tatsächlich das Dach hinauftreiben. Durch größere Spalten, die allerdings nur
bei Biberschwanzeindeckungen vorkommen, kann es dann – wie ich beobachtet
habe – zum Durchwehen von Pulverschnee kommen. Allerdings dauert dies
höchstens fünf Minuten. Danach hat der Schnee selbst die Spalten verstopft.
Auf dem Dachboden lag sodann ein hauchdünner Schneebelag, dessen
Wassergehalt – grob geschätzt – vielleicht 1 g/m² betragen hat. Bei einem
ausgebauten Dach wäre diese Schneemenge auf der Unterspannbahn liegen
geblieben oder, falls eine solche nicht vorhanden war, auf der Oberseite des
Dämmstoffs. So oder so wäre diese geringe Menge an Schnee entweder ohne
zu schmelzen bei sehr kalter Witterung abgetrocknet, also sublimiert, oder, falls
es unmittelbar nach dem Schneefall zu einem starken Temperaturanstieg der
Aussenluft gekommen wäre, in kurzer Zeit geschmolzen und sodann
92
Den Durchgang von Sprühwasser konnte ich niemals beobachten. Zeichnet man
sich das Deckschema einer Biberschwanzdeckung auf, erkennt man auch, dass
Sprühwasser nicht durchdringen kann. Bei Falzpfannen ist das noch viel
weniger möglich.
Bleibt noch die Verstaubung: Die findet tatsächlich statt. Daher verstauben
entweder die Oberflächen der Unterspannbahnen oder die der Dämmstoffe. Das
mag den Reinlichkeitssinn der deutschen Hausfrau beleidigen. Irgendeinen
Schaden richtet der abgelagerte Staub auf Dämmstoffoberflächen jedoch nicht
an, sehr wohl aber auf Unterspannbahnen, deren Diffusionsfähigkeit nämlich
abnehmen wird.
Warum also keine Unterspannbahnen? Ums Geld geht es dabei beileibe nicht.
Unterspannbahnen sind ein billiger Baustoff. Kalkuliert der Dachdecker in seinen
Preis provisorische Planeneindeckungen ein, kostet das mehr oder weniger
genau so viel wie eine Unterspannbahn.
Wir haben bereits gesehen, dass durch Abstrahlung von Wärmeenergie eine
Dachhaut und ebenso der unmittelbar darunter liegende und möglichst gut
belüftete Hohlraum weit unter die Temperatur der Aussenluft auskühlen
können. Ginge es nur darum, dass in diesen Bereich Wasserdampf aus dem
darunter liegenden Wohnraum eindringen könnte, müssten wir uns keine
93
Und dennoch dringt in diesen Bereich Wasserdampf in großen Mengen ein und
zwar – wie auch geplant – aus der Aussenluft, weil es ein zwingendes
Erfordernis ist, dass Pfanneneindeckungen unterlüftet sein müssen. Diese
wasserdampfhaltige Luft dringt also in die Zone ein, in der sich die
Unterspannbahn befindet. Ist die Unterspannbahn richtig verlegt, muss auch sie
unterlüftet sein. Daher enden ja auch Unterspannbahnen knapp unterhalb des
Dachfirstes, damit dort die unterhalb der Bahn eingeströmte Luft wieder
entweichen kann.
Und nun geschieht das Unvermeidliche. Die im extrem kalten Bereich liegende
Unterspannbahn ist Kondensationsebene gegen die Aussenluft. Je nach
Temperaturzustand kommt es daher zur Tauwasserbildung auch auf der
Unterseite der Unterspannbahn oder – was bei dieser Schadensentwicklung die
Regel ist – zur Reifbildung. Übrigens völlig unabhängig vom
Dampfdurchlässigkeitsgrad der Bahn, auf den es gar nicht ankommt. Die
Reifschicht – ich habe schon 30 mm dicke Schichten beobachtet – wäre immer
noch harmlos. Da sich dieser Schaden aber vorzugsweise im zeitigen Frühjahr
einstellt, wo es nachts noch zu Strahlungsfrost kommt, am frühen Morgen sich
die Luft rasch erwärmt und daher auch entsprechend viel Wasserdampf
aufnehmen kann, kommt es dort zu besonders intensiver Reifbildung in der
Konstruktion, die ja wegen ihrer größeren Masse die Temperaturänderungen
nicht so schnell mitmachen kann.
Mit fortschreitendem Frühjahr kommt dann der Tag, an dem es erstmalig zur
Sonneneinstrahlung auf die Dachfläche kommt, besonders spannend sind da
nach Osten geneigte Dächer. Das Dach erwärmt sich nahezu schlagartig,
ebenso der darunter liegende Bereich. Und dann taut der Reif auf der
Unterseite der Unterspannbahn in Minutenschnelle ab. Da säuft dann die ganze
Dachfläche ab. In einem Haus erlebte ich das mit. Da regnete es förmlich im
Wohnzimmer – bei strahlendem Frühlingssonnenschein. Den gleichen Schaden
hatte mein älterer Bruder Bernhard, der sich sein zweites Wohnhaus ohne
meine Mithilfe selbst geplant hatte und mich erst dann um Hilfe bat, als es in
die Ehebetten regnete und der brüderliche Haussegen schon beachtlich schief
hing. Der Schaden konnte nur dadurch verhindert werden, dass wir alle
Öffnungen, die der Unterlüftung des Daches dienten, verstopften. Damit war
die Angelegenheit geregelt – allerdings zu Lasten der eigentlich notwendigen
Unterlüftung der Dacheindeckung.
Übrigens – anständige und ehrliche Dachdecker geben ganz freimütig zu, dass
es so – wie ich es hier geschildert habe – tatsächlich ist. Nun warte ich nur
noch darauf, dass wieder einmal die Dachdeckerrichtlinien überarbeitet werden.
Diese Reifbildung haben wir allerdings auch an der Untersicht der Dachhaut,
wenn keine Unterspanbahnen vorhanden sind. Auch dort kommt es zu
Abtauvorgängen. Wohl dem, der sich für eine Ziegeldeckung entschieden hatte.
94
Tondachziegel saugen das Tauwasser einfach auf wie ein Löschblatt und geben
es nach oben ab. Im Frühjahr sieht man daher bei Tonziegeldächern Dampf
aufsteigen. Daher sind Tonziegeldächer der Betonsteineindeckung vorzuziehen,
da die Saugfähigkeit von Betonbaustoffen entschieden geringer ist. Ich meine
aber, dass auch die Betondachsteinindustrie dann, wenn sie dieses Problem
erkennt, in der Lage sein wird, ein saugfähiges Material zu entwickeln.
Dass das tatsächlich so ist, erkennt man auch daran, dass Dacheindeckungen,
die aus nicht frostsicherem Material bestehen, immer an der Unterseite
auffrieren, wo es zu Frostabsprengungen kommt. In diesem Zusammenhang
warne ich auch vor der Verwendung von oberseitig glasierten Tondachziegeln.
Die Glasur verhindert nämlich den Abtrockungsvorgang in der Dachhaut. Sie ist
ebenso nachteilig wie außenliegende Dampfbremsen.
Ich selbst habe eine Reihe von Flachdächern bauen lassen. Versagt haben bei
mir die Konstruktionen aus meiner beruflichen Anfängerzeit, bei denen ich –
Opfer einer überzeugenden Tätigkeit von Vertretern und der Werbung – statt
bituminöser Dichtungsstoffe Kunststoffbahnen aus PVC oder Gummi habe
verlegen lassen. Vor allem die PVC-Dachhäute – von einem meiner bayerischen
Bauherren verächtlich als „Wurschhaut“ bezeichnet - erwiesen sich als
vollkommene Katastrophe, da sie an den dem Sonnenlicht ausgesetzten
Rändern geschrumpft sind. Das Ergebnis war, dass die Dachhäute sich wie ein
Trommelfell gespannt haben und sogar die Rollkiesschüttungen angehoben
haben. Am Ende sind diese Dachhäute dann gerissen. Die
Flachdachkonstruktion musste völlig erneuert werden. Die Gummihäute waren
gegenüber dem Sonnenlicht widerstandsfähiger. Als Nachteil beider
Konstruktionen hat sich aber herausgestellt, dass Undichtigkeiten in Form
kleiner Löcher, die durch Unachtsamkeit der Handwerker entstanden waren und
die natürlich zur Undichtigkeit geführt haben, nicht auffindbar und damit auch
nicht reparabel waren.
Bereits in den siebziger Jahren hat Raimund Probst147 darauf hingewiesen, dass
auf Flachdächern Osmose stattfindet. In jedem ordentlichen Biologiebuch
können Sie nachlesen, was das ist. Voraussetzung für osmotische Vorgänge
sind zwei Sachen:
Ganz einfach. Wenn im Sommer das Flachdach oben heiß wird, 80 °C sind da
keine Seltenheit, werden die oben liegenden Dachhäute weich und damit auch
dampfdurchlässig. Nun kommt ein schweres Sommergewitter bei sehr hoher
relativer Luftfeuchte. Die Luft ist sehr warm und die relative Luftfeuchte ist
nahe am Sättigungspunkt. Damit haben wir ein Dampfdruckgefälle von oben
nach unten. Der Wasserdampf wandert sodann von oben in die Dämmschicht
ein, die bestimmungsgemäß im unteren Bereich natürlich kühl ist. Der
Wasserdampf kondensiert somit im Dämmstoff – mitten im Sommer148. Das nun
147
In der Fachwelt bedeutender und anerkannter – aber auch bekämpfter – Analytiker von Bauschäden,
der unnachsichtig den Ursachen von Bauschäden nachgespürt hat.
148
Ebenso besteht an schwül-heißen Sommertagen ein Dampfdruckgefälle von oben nach unten.
96
tropfbar gewordene Wasser verbleibt nun für alle Zeiten im Dämmstoff. Dieses
mehrfach sich wiederholende Ereignis führt im Verlaufe einiger Jahre zum
völligen Absaufen des Dämmstoffs. Trotz sorgfältiger und völlig normgerechter
Bauweise ist auch dieses Flachdach zum totalen Sanierungsfall geworden.
In die Diskussion um die EnEV haben sich nun die Hersteller von Schaumglas
eingeschaltet.. Die Anforderungen an die Dicke von Dämmstoffen auf
Flachdächern sind nämlich so überzogen, dass eine Dämmung mit Schaumglas
für den Normalbauherrn unerschwinglich geworden ist. Bei einer von der
Schaumglasindustrie gesponserten Veranstaltung mit anschließender
Verköstigung habe ich in der Diskussion daher die Frage gestellt, wie die
Schaumglasindustrie zu den verordneten Dämmstoffstärken stünde, da doch
offensichtlich nun massive Absatzprobleme bestünden und welche
Dämmstärken denn aus der Sicht der Schaumglasindustrie zu einem
ausreichenden Wärmeschutz führen würden. Der Referent dieser
Veranstaltung, Prof.Dr.-Ing. Gerd Hauser, der in der Fachwelt bekannteste
Anhänger und Promotor der EnEV, der in seinem Vortrag verkündet hatte, dass
eine richtige Dämmung bei 15 cm Dicke erst begönne, hatte zu diesem
Zeitpunkt die Veranstaltung bereits verlassen. Dies ermutigte den Vertreter der
Dämmstoffindustrie auf meine entsprechende Frage zu der Aussage, dass nach
eigenen Forschungen ein ausreichender Wärmeschutz, der sog.
„Mindestwärmeschutz“, bereits bei 40 mm Dämmstärke erreicht sei.
Schätzungsweise waren bei dieser Veranstaltung rund fünfhundert Architekten
vertreten, die sich alle schon auf die ebenfalls gesponserte Verköstigung
freuten. Die Aussage der Schaumglasindustrie war nun aber das glatte
Gegenteil dessen, was der Hauptreferent des Abends aus professoraler Sicht
verkündet hatte. Das Ergebnis war, dass die versammelte Zuhörerschaft sich in
atemloses Schweigen flüchtete und Trost bei den kulinarischen Genüssen
suchte.
149
Spätestens hier folgendes: „Es gibt nicht billiges oder teueres Bauen, sondern nur richtiges Bauen“.
(Zitiert nach Raimund Probst)
97
Energieverwendung ist das völlig ausreichend, wenn man sich von dem
Warmluftbehältermodell der DIN 4108 befreit hat. Dennoch würde ich die
Dämmstärke etwas vergrößern, da hierdurch etwas Gutes für den sommerlichen
Wärmeschutz getan wird. Das von mir in den späten sechziger Jahren errichtete
Flachdach, bei dem Schaumglas mit einer Dicke von 60 mm verarbeitet worden
ist, funktioniert bis heute – also nach fast vierzig Jahren – tadellos; auch in
bauphysikalischer Hinsicht. Die unmittelbare Sonneneinstrahlung wird hier
durch eine etwa 60 mm dicke Rollkiesschicht von der Dachhaut offenbar
wirksam abgeblockt. Dieses Flachdach ist übrigens gefällelos und lediglich über
Wasserspeier entwässert. Ein Beweis dafür, dass wir Architekten auch von der
Gnade leben, dass nicht jede leichtsinnige Konstruktion zwangsläufig zum
Bauschaden führt.
Umkehrdächer
Umkehrdächer sind Konstruktionen, bei denen die Dichtungsschicht unmittelbar
auf der Dachdecke aufgebracht wird. Die Dämmstoffe werden hierauf lose
aufgelegt, mit einer Schutzschicht abgedeckt und sodann mit Kies oder
Gehwegplatten beschwert, damit die leichte Dämmschicht nicht vom Wind
weggeblasen wird. Der Witz dieser Bauweise besteht darin, dass hierfür
Dämmstoffe verwendet werden, die Wasser nicht oder nur vermindert
aufnehmen können. Der Vorteil besteht einmal konstruktiv darin, dass die
Dichtungsschicht durch die Dämmung völlig geschützt auf einer massiven
Unterlage liegt, damit größeren Temperaturschwankungen nicht unterworfen ist
und vor allem dem UV-Licht aus der Sonneneinstrahlung entzogen ist. Dies
kommt der Haltbarkeit der Dichtungsschicht zu gute.
Die Konstruktion muss auch nicht dampfdicht sein, da der durch die
Dichtungsschicht wandernde Wasserdampf völlig harmlos ist. Vollkommen
unschädlich ist auch, dass zeitweise zwischen Dämmschicht und Dichtung
Wasser steht.
Leiten wir nun – z.B. mittels eines Ventilators – Luft durch ein Rohr, gerät sie in
Bewegung und hat nun auch Bewegungsenergie (kinetische Energie). Halten
wir am Rohrende unsere Hand vor die Öffnung, spüren wir den Druck, den die
bewegte Luft ausübt. Das ist auch hier der dynamische Druck.
Nach dem Gesetz des Bernoulli ist die Summe beider Druckarten stets gleich.
Also muss – wenn die Luft bewegt wird und damit dynamischen Druck erhält,
gleichzeitig der statische Druck abnehmen, der Luftdruck im Rohr wird also
geringer – exakt um das Maß des dynamischen Drucks. Das ist es also im
Grossen und Ganzen. Das widerstrebt allerdings unserem physikalischen Gefühl,
da man eigentlich annehmen müsste, dass sich der Druck im Rohr erhöhen
müsste. Was allerdings – betrachten wir als Ausgangsdruck den
atmosphärischen Luftdruck – nur insoweit stimmt, als der Pumpendruck
natürlich hinzu addiert werden muss. Haben wir es aber mit Vorgängen zu tun,
bei denen keine Zusatzenergien von außen eingetragen werden, vermindert
sich der statische Druck stets um das Maß des dynamischen Drucks, der bei
strömenden Medien gegeben ist. Damit haben wir die Möglichkeit, durch
entsprechende Techniken den statischen Druck zu senken, nicht aber zu
erhöhen.
Nun ein paar Beispiele, die Sie aus dem Alltag kennen und möglicherweise bis
heute nicht weiter darüber nachgedacht haben:
Aus dem Physikunterricht vergangener Tage erinnern Sie sich noch an die
Wasserstrahlpumpe. Das war eigentlich nichts anderes als ein Glasrohr mit
einem seitlichen Abzweig. Wurde auf den Abzweig ein Gummischlauch
aufgesteckt und sodann der Wasserhahn aufgedreht, wurde über den
Gummischlauch Luft angesaugt. Damit konnte man in Glasgefässen die Luft
absaugen. Der hohe dynamische Druck hat hierbei den statischen Druck im
Glasrohr verkleinert, es bestand somit Unterdruck, zu dem die Luft aus dem
Glasgefäss geströmt ist, da Luft stets vom hohen zum niedrigen Druck strömt.
150
Daniel Bernoulli, 1700 – 1782, schweizerischer Mathematiker und Physiker
100
Als Autofahrer ist Ihnen schon aufgefallen, dass dann, wenn Sie einen LKW
überholen, Ihr Fahrzeug magisch zum LKW hingezogen wird, Sie also
gegensteuern müssen. Haben Sie den LKW schließlich überholt, treibt es Ihr
Fahrzeug wieder stoßartig nach links weg. Auch hier wirkt Bernoulli. Zwischen
den beiden Fahrzeugen befindet sich nämlich eine strömende Luftmasse, die
den statischen Druck senkt. Auf der linken Seite haben Sie allerdings den
normalen Luftdruck. Damit haben wir eine von links wirkende Kraft, der rechts
eine erheblich kleinere Kraft gegenübersteht.
Segler nützen das Gesetz des Bernoulli dadurch, dass an gekrümmten Segeln
der Wind an der bauchigen Seite einen längeren Weg zurücklegen muss und
daher schneller wird. Somit entsteht auf der Bauchseite ein Unterdruck. Das
Segel zieht etwa rechtwinklig zur gedachten Segelsehne. Da die dahinter
stehende Kraft eine Vorwärtskomponente hat, nimmt das Boot Fahrt in
Kielrichtung auf151. Wegen der Querkomponente legt sich das Boot zu Seite, es
krängt. Nach dem gleichen Prinzip funktionieren auch die Tragflächen eines
Flugzeugs oder der Vögel152.
Für Gebäude ist die „Düsenwirkung“ von Bedeutung. Sie besteht darin, dass in
engen Spalten, durch die Luft hindurchgeht, sich diese enorm beschleunigt und
in der beschleunigten Zone der statische Druck fällt. Dorthin strömt Luft, die
unter normalem Druck steht.
Zum Schluss noch ein kleines Experiment: Nehmen Sie zwei aufeinander
liegende Papierblätter und blasen Sie von der Seite. Erwarten würde man, dass
die beiden Blätter auseinander getrieben werden. Das Gegenteil tritt aber ein.
Die Blätter saugen sich regelrecht zusammen. Auch hier ist zwischen den
Blättern der statische Druck abgefallen, sodass sie vom umgebenden Luftdruck
zusammengedrückt werden. Nun aber zu strömungsbedingten Erscheinungen
an Gebäuden.
Geneigte Dächer
Vor allem flachgeneigte Dächer ähneln in Firstnähe einer Tragfläche. Bei
heftigem Wind entsteht auf der Dachoberfläche Unterdruck, der ausreicht, dass
lose aufgelegte Pfannen regelrecht abgesaugt werden. Da der Unterdruck an
der Leeseite153 besonders groß ist, werden Dächer meistens dort abgedeckt.
151
Damit wird auch erklärbar, weshalb ein Segelboot schneller als der Wind sein kann. Eissegler können
schneller als 100 km/h werden und das bei mäßiger Brise.
152
Das hat der Luftfahrtpionier Otto Lilienthal erforscht und persönlich ausprobiert, was er letztlich mit
dem Leben bezahlen musste.
153
Windabgewandte Seite
101
Sparen Sie also nicht an Sturmklammern. Bei steilen Dächern kommt es hinterm
First zu kräftigen Wirbeln, die ebenfalls zu Unterdruck führen und Dachpfannen
abtragen können.
Gefährdet sind auch geklebte Flachdächer, wenn die Dachhaut nicht ordentlich
mit dem Untergrund verklebt ist oder nicht beschwert ist. Ihr Statiker weiß das
und berücksichtigt bei seinen Lastannahmen auch Windsog. Die
vorgeschriebenen Lastannahmen scheinen mir jedoch zu gering zu sein, da die
Tabellen nur kräftige Winde berücksichtigen, nicht jedoch die Böenstösse, bei
denen die Windstärke 12 weit übertroffen werden kann. Wer schon jemals
selbst eine statische Berechnung für Dachkonstruktionen aufgestellt hat, weiß,
dass die Windkräfte die mit Abstand größten auf die Konstruktion einwirkenden
Kräfte sind. Die Amerikaner scheinen sich einen Dreck um diese Problematik zu
scheren, obwohl sie regelmäßig unter Tornados zu leiden haben. Daher werden
die amerikanischen Billigpfuschhäuser von Tornados einfach aufgesaugt und
ganze Siedlungen bestehen dann nur noch aus Trümmerhaufen, denen man die
mistige Bauweise ansieht.
Gebäudeecken
Pfeift der Wind um ein Gebäude, kommt es tatsächlich zu Pfeifgeräuschen. An
Gebäudeecken, jedoch auch an Traufkanten gerät die Luft in Schwingungen,
die hörbar sind. Die Vorderkanten von Fensterlaibungen sind ebenfalls derartige
Ecken. Das Gebäude wird also zu einer Art Musikinstrument für eine bedrohlich
wirkende Darbietung. Bauphysikalisch von Bedeutung ist, dass sich der Wind an
Gebäudeecken enorm beschleunigt. Damit wird in diesen Zonen der konvektive
Energieabtrag außerordentlich verstärkt. Gebäudeecken werden somit auch
deshalb zur Kühlrippe. Sicherlich ist das einer der Gründe, weshalb sich in
diesen Bereichen verstärkt auch auf den Innenflächen Kondensat bildet – mit
Schimmel im Gefolge. Was ist hiergegen zu tun?
Denkbar wären aber auch Eckausbildungen, bei denen unmittelbar Einfluss auf
den Strömungsverlauf durch bestimmte Formgebungen genommen wird. Der
Erfinderfreude sind hier keine Grenzen gesetzt.
154
Man spricht hier von der „geometrischen Wärmebrücke“
102
Strömungen in Fensterfälzen
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass luftdichte Fensterkonstruktionen, wie
sie derzeit gefordert werden, ein Verstoß gegen die Regeln der Baukunst sind.
Sie verhindern nämlich den erforderlichen Luftaustausch in Wohnungen, der
noch vor der zur Hysterie entarteten Energiekrise mit dem Wert von 0,6-fach je
Stunde gefordert war. Ein zugiges Fenster ist jedoch auch keine Freude. Wir
benötigen daher Fensterkonstruktionen, die zwar luftdurchlässig sind, bei Wind
jedoch zugfrei sein müssen. Betrachten wir also unter diesem Gesichtspunkt die
Zone zwischen Fensterrahmen und Fensterstock:155
Bei einem einfach konstruierten Fenster haben wir mindestens zwei Anschläge
und einen quer zur Fensterfläche verlaufenden Spalt von etwa 2 – 3 mm Dicke.
Strömungstechnisch ist dieser Spalt wie eine Düse zu sehen, die dann zu
arbeiten beginnt, wenn sich vor und hinter dem Fenster verschiedene
Luftdrücke aufbauen. Diese entstehen immer bei Wind. Auf der Luvseite des
Gebäudes herrscht der normale Luftdruck, vermehrt durch den dynamischen
Druck der bewegten Luft, der hier recht zutreffend als Staudruck bezeichnet
werden kann. An der Leeseite herrscht entsprechender Unterdruck. Das nun
vorhandene Druckgefälle bildet sich beim luftdurchlässigen Haus auch innen
drin aus. Im Ergebnis entstehen so in den Fälzen Strömungsgeschwindigkeiten,
die bis zu 150 km/h betragen können. Außerhalb der Fälze baut sich diese
Geschwindigkeit sehr rasch ab, wirkt jedoch an der Luvseite des Hauses noch
so weit nach, dass ein unangenehmer Luftzug verspürt wird. An der Leeseite ist
nichts zu spüren, da hier ja die Luft ausströmt.
Die alten Tischlermeister hatten da ein sehr wirksames Gegenmittel. Sie frästen
nämlich im Stock und im Rahmen je Falz halbkreisförmige Hohlkehlen von etwa
5 mm Ø ein, die sich gegenüberstanden. Die im Falz strömende Luft verwirbelt
in diesen Hohlkehlen. Die Verwirbelung entzieht der strömenden Luft soviel
Bewegungsenergie, dass die Zugerscheinungen recht gut vermieden bleiben.
Bei Windstille ist die normale Durchlüftung gewährleistet. Diese alte
Handwerkstechnik sollte wieder belebt werden. Das Rosenheimer
Fensterinstitut sollte sich dieser Sache einmal annehmen. Das sollte spätestens
dann geschehen, wenn der Unfug, dass Fenster luftdicht zu sein hätten,
überwunden ist. Darauf deutet einiges hin. Als neuer triumphaler Erfolg wird ja
schon die Erfindung der perforierten Lippendichtung gefeiert.
Türanschläge
Der gute alte Türanschlag am Fußboden ist aus der Mode gekommen. Noch
weniger beliebt sind Türschwellen, die nun „Stolperschwellen“ heißen. Auch der
Spalt zwischen der Unterkante Tür und Oberkante Bodenbelag ist eine
strömungstechnische Düse mit enormer Vergrößerung der Luftgeschwindigkeit.
Besteht der Bodenbelag aus textilen Stoffen, macht sich die Düsenwirkung in
155
In norddeutschen Regionen wird der Fensterstock „Blendrahmen“ genannt.
103
einem hässlichen Schmutzstreifen unter der Tür bemerkbar. Staub und Dreck
werden dort in den Belag regelrecht hineingeschossen. Wenn schon eine
Türschwelle oder ein Anschlag nicht sein sollen, sollte man dort wenigstens
genau unter dem Türblatt ein schmutzunempfindliches Material einbauen, z.B.
eine Holz- oder Metallleiste, die man oberflächenbündig einsetzen kann. Damit
wäre auch nebenher das Problem des Belagstosses in Türlaibungen
befriedigend gelöst.
Offene Feuerstellen
Sie sind ein beliebtes Spielzeug, bei dem der Mensch nach Herzenslust zündeln
kann. Meine Bauherren, die so etwas haben und dafür auch viel Geld ausgeben,
berichten, dass der Blick ins offene Feuer beruhigend ist und entspannt. Das ist
ein beachtlicher Gesichtspunkt. Der praktische Nutzen eines offenen Kamins
besteht auf jeden Fall darin, dass er eine sehr gute Raumentlüftung auch ohne
Feuer bewirkt. Auch kann er in Krisenzeiten nützlich sein, da man einen
Schornstein im Haus hat, an den ein Kanonenofen angeschlossen werden kann.
Entscheidend für die Freude am offenen Kamin ist jedoch, dass er „zieht“, also
Rauchaustritt in den Raum auch in kleinen Mengen nicht vorkommt. Der
Bauherr sollte sich das garantieren lassen.
Ich plane offene Feuerstellen selber. Nachdem der erste von mir geplante
Kamin ein vollkommenes Fiasko war, hat mich ein Regensburger Ofenbauer
vom altem Schlage in die Geheimnisse seiner Kunst eingeweiht. Bei dieser
Gelegenheit stieß ich auch auf das Gesetz des Bernoulli, das beim Bau eines
offenen Kamins die entscheidende strömungstechnische Grundlage ist. Zuvor ist
jedoch zu berücksichtigen, dass ein offenes Feuer sehr große Mengen an
Rauchgasen produziert, die keine große Temperatur haben. Daher kann ein
offener Kamin nur an einen ausreichend dicken Schornstein mit einer
Mindestöffnung von 25 x 25 cm angeschlossen werden. Runde Querschnitte
sind zu bevorzugen, da sie strömungstechnisch weniger Auftriebsenergie
benötigen. Wichtig ist auch, dass – wenn irgend möglich – die Verbrennungsluft
weniger dem Raum sondern überwiegend der Aussenluft entnommen wird, was
ein wohlgeplantes Luftleitungssystem erforderlich macht. Lässt man die
Verbrennungsluftzufuhr von außen weg, entnimmt der offene Kamin die
Verbrennungsluft dem Raum selbst, was nur bei ausreichender Raumgrösse
möglich ist. Energiewirtschaftlich ist das sehr ungünstig, da die für viel Geld
erwärmte Raumluft zum Schornstein hinausgejagt wird.
Ein kleiner aber wichtiger Tipp an meine Kollegen: Wenn sich im Haus auch
noch mechanische Abluftanlagen, z.B. in Küchen Wrasenabzüge befinden,
dürfen diese nicht in Betrieb sein, wenn zugleich das offene Feuer brennt.
Unsere braven Bezirksschornsteinfegermeister, die über eine unumschränkte
Machtfülle verfügen, sagen nämlich, dass eine mechanische Abluftanlage dazu
führen könnte, dass Abgase vom offenen Feuer in den Raum gesaugt werden
könnten. Ein Verbotsschild am Wrasenabzug reicht leider nicht. Ich könnte mir
eine Lösung vorstellen, dass man beim offenen Feuer einen Thermostaten
einbaut, der bei erhöhter Temperatur den Stromkreis abschaltet, an dem der
Wrasenabzug hängt. Sachen gibt’s!
104
Strömungen im Städtebau
Das Gesetz des Bernoulli funktioniert in jedem Maßstab, also auch in
grossräumlichen Strukturen. Daher sollte es auch bei städtebaulichen
Planungen berücksichtigt werden. Enge Straßenzüge wirken wie Luftkanäle. Auf
Plätzen beruhigt sich die Luftströmung. Eine sinnvolle Kombination führt zur
Stadtbelüftung, sie kann Frischluft aus Grünanlagen gezielt verteilen. Bereits
Vitruv156 hat hierauf bei seinen Anleitungen zum Bau von Städten hingewiesen.
Viel ist daraus aber nicht geworden. Nun sollte es als Lehrfach im Städtebau
erforscht und wenigstens als Nebenfach eingeführt werden.
Der Coandaeffekt
Wenn Warmluft an Wänden aufsteigt, bleibt diese gewissermaßen an der Wand
kleben. Dieser Effekt bleibt an Wandflächen in Abhängigkeit von deren
Rauhigkeit bis zu einer Höhe von etwa 2,00 m wirksam. In diesem Bereich
kommt es daher zu einer gleichmäßigen Wandtemperierung ähnlich wie bei
einem Wandheizungssystem. Der Effekt ist allerdings sehr zugempfindlich. In
Verbindung mit sog. „Fussleistenheizungen“ kommt der Coanda- Effekt sehr gut
zur Wirkung. Auch hier gilt Bernoulli. Die aufströmende Luft bildet Miniwirbel
aus, die wandseitig nach unten gerichtet sind. Zwischen Wirbel und Wand bildet
sich ein Unterdruck aus, der dazu führt, dass der Warmluftschleier an der Wand
haften bleibt.
156
Vitruvius, geb.ca. 80 v.Chr., römischer Bauingenieur und Architekt, X libri de architectura.
105
Betrachten wir zunächst den unbeheizten Keller. Der bleibt eben kühl. Die
Erfahrung zeigt, dass im Winter unbeheizte Keller Raumlufttemperaturen
zwischen 5 – 11 °C haben. Die starke Schwankung hängt davon ab, wie viel
Wärmenergie durch die Kellerdecke vom Erdgeschoss aus immittiert wird.
Heiztechnik
Wir kommen nun zu einem ganz wichtigen Abschnitt dieser bauphysikalischen
Betrachtungen. Zum einen kostet die Gebäudeheizung sehr viel Geld und wird
in Zukunft noch teurer werden. Die Energiepreise sind in einem stetigen
Wachstum begriffen. Heizkosten sind daher ein erheblicher Teil der
Lebenshaltungskosten. Zum anderen ist die Heiztechnik von großer
gesundheitlicher Wirkung. Hierbei müssen wir uns verdeutlichen, dass unsere
Gebäude an acht von zwölf Monaten beheizt werden. Das sind zwei Drittel des
Jahresverlaufes, in denen wir uns ein künstliches Raumklima herstellen, das uns
in dieser Zeit umgibt.
Gemessen daran ist das, was sich die Baukunst hierzu bisher hat einfallen
lassen, kümmerlich und kaum unterbietbar schlecht gelungen. Auch hier wird
wieder einmal sichtbar, dass eine unvernünftige Normung richtigen
Entwicklungen entgegenwirkt. Was fordert denn die Norm zum Nachweis einer
157
Die Aufheizung des Erdkörpers findet auch bei außen gedämmten Konstruktionen statt. Nur dauert es
etwas länger.
158
Steht das Gebäude im Grundwasser, können Sie das eben Gelesene gleich wieder vergessen.
Grundwasser führt die ins Erdreich eingeleitete Energie nahezu verzögerungsfrei ab. Dort müssen Sie
also dämmen und dichten.
107
Wie bereits eingangs dieser Schrift gefordert, muss sich der Bau einer
Behausung an den Bedürfnissen des Menschen orientieren und nicht an einem
Thermometer. Also gilt es jetzt, die Bedürfnisse des Menschen an ein richtiges
Raumklima herauszufinden. Hierbei ist die Raumlufttemperatur ein wenig
bedeutender Teil des Raumklimas. Das Raumklima hat folgende Bestandteile:
Lufttemperatur,
relative Luftfeuchte,
Strahlungsklima.
Lufttemperatur 20 °C
Wandoberflächentemperatur 21 °C (Strahlungsklima)
Relative Luftfeuchte 40 – 45 %
159
Eine sehr detaillierte Darstellung über dieses Thema enthält die Schrift des Verfassers „Die Tempe-
rierung“, die über den Verfasser als Manuskript bezogen werden kann Sie befindet sich neuerdings
auch auf der Homepage www.termosfassade.info .
160
Strömungstechnisch sind sie so geformt, dass Luft sehr schnell zwischen den Heizkörperrippen nach
oben geleitet wird.
108
Die Aufgabe der Heizkörper besteht darin, Luft, die durch sie hindurchströmt,
zu erwärmen. Da die Strömungstechniker und nun auch Sie wissen, dass
konvektiver Energieübergang im Wesentlichen von der
Strömungsgeschwindigkeit abhängt, sind Heizkörper strömungstechnisch so
geformt, dass die Luft innerhalb des Heizkörpers möglichst schnell strömt. Ein
geringerer Teil der Wärmeabgabe erfolgt durch Abstrahlung, je nach
Heizkörperform etwa 20% der Gesamtleistung.
Allerdings endet die Regelung der Heizanlage just dann, wenn sie besonders
notwendig wäre, nämlich dann, wenn die erhitzte Luft den Heizkörper verlassen
hat. Sie bewegt sich unkontrolliert und nach dem Zufallsprinzip und der
Überlegung, dass warme Luft aufsteigt, kalte Luft jedoch absinkt, im Raum
umher. Im Normalfall entsteht hierbei eine Warmluftwalze. Von einer
gleichmäßigen Raumerwärmung ist keine Rede. Besonders in hohen Räumen
stellt sich ein großes Temperaturgefälle von oben nach unten ein.
Deckenuntersichten können so warm werden, dass sie wie eine
Deckenstrahlheizung wirken, von der man weiß, dass sie physiologisch höchst
unbekömmlich ist. Dafür empfinden – vorwiegend die Damen –, dass es am
Fußboden zu kühl sei.
Die erwärmte Luft erwärmt den Menschen natürlich nicht. Das könnte sie erst
dann, wenn sie wärmer als der menschliche Körper wäre. Die erwärmte Luft hat
dennoch eine wichtige Funktion. Sie muss nämlich die Temperatur der
Umgebungsflächen auf den erforderlichen Wert von 21 °C anheben, damit es
zum erforderlichen Strahlungsklima kommt. Geschieht dies nicht, fühlt sich der
Mensch unbehaglich. Da stehen wir nun vor einem Dilemma. Eine Außenwand
kann nur dann die nötige Oberflächentemperatur entwickeln, wenn die
109
Konvektionsheizungen sind zwar immer noch Standard. Fordert man jedoch von
einer Heizung, dass sie auch physiologisch unbedenklich sein müsse und
stattdessen zum Behaglichkeitsgefühl des Menschen beizutragen habe,
entpuppt sich die traditionelle Konvektionstechnik als Fehlkonstruktion.
Wir wissen, dass der Energieübergang von Luft in feste Körper davon abhängt,
dass die Luft am Festkörper entlangströmt. Steht die Luft oder bewegt sie sich
nur wenig, wird der Energieübergang vernachlässigbar gering, ein Grund dafür,
dass stehende Luft nach Norm sogar als Dämmstoff angesehen wird. Die
Heizkörper stehen fast immer vor Fensterflächen. Damit soll vermieden werden,
dass die Raumluft an den Glasflächen abkühlt und sodann nach unten strömt
und von dort aus sehr unangenehm am Boden entlang kriecht. Die erhitzte Luft
strömt nun mit hoher Geschwindigkeit an den Glasflächen nach oben. Eine
Strömungsgeschwindigkeit von 6 – 10 m/s ist hierbei normal, der
Energieübergang folglich groß. Ein erheblicher Teil der in die Heizluft
eingetragenen Energie geht daher am Fenster gleich wieder verloren. Die Luft
strömt nun zur Raumdecke hoch und führt dort zur kräftigen Erwärmung. In
meiner eigenen Altbauwohnung mit einer Raumhöhe von 3,35 m messe ich
Lufttemperaturen von bis zu 35 °C unter der Decke, in Fußbodenhöhe jedoch
nur 18 °C. Damit liefere ich meinem mir befreundeten Nachbarn Kaminski über
mir eine für ihn kostenlose Fußbodenheizung, der Bewohner unter mir leistet
mir den gleichen Dienst. Arm dran sind somit nur die Bewohner des
Erdgeschosses und des Dachraums. Wegen des hohen Temperaturgefälles in
den oberen Raumpartien zur Aussenluft sind dort die Energieverluste natürlich
auch erheblich größer als in der Norm vorgesehen. Dort sind auch die
110
Wir haben bereits gesehen, dass sich ein angenehmes Raumklima erst dann
einstellt, wenn die Oberflächentemperaturen der Umschliessungsflächen
irgendwo zwischen 19 °C bis 21 °C liegen, da sich erst dann ein richtiges
Strahlungsklima einstellt. Es geht also darum, dass Wärmeenergie in die
Umschliessungsflächen eingetragen wird. Von allen Möglichkeiten,
Wärmeenergie in eine Wand einzutragen, ist der durch Konvektionsheizungen
vorgegebene Weg „Heizkörper – Luft – Wand“ die schlechteste – weil
unwirtschaftlichste – Technik. Damit eine Ziegelwand mit Luft erwärmt werden
kann, muss für jedes Grad Temperaturerhöhung etwa das zweitausendfache
Luftvolumen an die Wand herangeführt werden. Da aber nur ein kleiner
Bruchteil des Raumluftvolumens mit der Wand in Berührung kommen kann –
der größte Teil der Luftmassen bewegt sich ja walzenförmig vor den Wänden –
müssen ungeheuere Mengen Warmluft produziert werden, bis es irgendwann zu
ausreichenden Wandtemperaturen kommt. Erkennbar wird dies dann, wenn ein
ausgekühlter Raum – z.B. nach der Rückkehr aus dem Winterurlaub –
aufgeheizt werden soll. Das dauert viele Tage, bis endlich halbwegs
ausreichende Oberflächentemperaturen erreicht werden.
Die alten Römer haben dieses Problem vor mehr als zweitausend Jahren schon
weit intelligenter gelöst, weil sie nämlich die Heizluft unmittelbar in Hohlräume
innerhalb der Umfassungswände eingeleitet haben. Das waren die sog.
„Hypokausten“. Offenbar hatten die alten Römer auch schon eine Ahnung über
die Rückgewinnung von Kondensationswärme, da man nämlich bei
Ausgrabungen Reste von Hypokausten gefunden hat, in denen keinerlei
Rußspuren vorhanden waren. Vermutet wird, dass dort nur mit Wasserdampf
gearbeitet worden ist, der bei der Kondensation Wärmeenergie freigesetzt hat,
ein Wirkungsprinzip, welches nun bei der sog. „Brennwerttechnik“ eingeführt
worden ist162.
Wir sehen also, dass trotz einer ausgeklügelten und sehr gut arbeitenden
Regeltechnik Konvektionsheizungen als Gesamtsystem eine schlechte Lösung
sind. Besser sind sie nur im Vergleich zu noch schlechteren Techniken, also der
Ofenheizung.
161
Unter einem Ixel versteht man die einspringende Ecke am Übergang von Wand zur Decke und ähnli-
che Geometrien in Räumen. Dieses Wort habe ich erst in Berlin kennen gelernt.
162
Diese Information habe ich von meinem Kollegen Paul Bossert aus der Schweiz.
111
Zunächst hat man verbreitet, dass die alte Regel, dass für ein gesundes
Raumklima ein stündlich 0,6-facher Luftwechsel erforderlich sei, so nicht mehr
stimme. Ein 0,3-facher Luftwechsel würde völlig genügen. Da aber
geschäftstüchtige Menschen das Wahnbild des „Nullenergiehauses“
propagieren, steht auch ein dreifacher Luftwechsel dem entgegen. Nun wäre es
zwar möglich, durch genetische Manipulationen den Menschen in ein anaerobes
Lebewesen163 umzubauen. Bei den hierfür zuständigen Biologen scheinen da
aber noch gewisse Bedenken zu bestehen. Daher ist man auf den Ausweg
verfallen, auf die natürliche Lüftung über Fenster zu verzichten und stattdessen
sollen nun Klimaanlagen eingebaut werden, die in Kondensationsstrecken die in
der Raumluft enthaltene Wärmeenergie zurückgewinnen. Das Ganze nennt sich
nun „kontrollierte Lüftung“. Vorsicht aber! Ein einfaches Messgerät kann künftig
die der Umgebung entnommene Frischluft, die mit der rückgewonnenen
Energie wieder aufgeladen wird, messen. So wird es nicht mehr lange dauern,
dass alsbald auch eine Frischluftsteuer erhoben wird. Wollen wir wetten?
163
Anaerobe Lebewesen kommen ohne Sauerstoff aus. Das bekannteste Beispiel hierfür sind Gärungs-
bakterien.
112
Radon
Bereits in meiner Schrift „Die Temperierung“ habe ich darauf hingewiesen, dass
in schlecht gelüfteten Räumen der Radongehalt ansteigt. Radon ist ein
Zerfallsprodukt des Elements Uran, das in der Erdrinde entsteht und sich
normalerweise verflüchtigt. In schlecht gelüfteten Räumen sammelt es sich
aber an und erreicht sehr hohe Werte. Durch meine Warnungen vor Radon
habe ich mir den Ruf eines Hysterikers eingehandelt. Während ich dieses
schreibe, häufen sich in den Zeitungen die Berichte über neueste Forschungen,
die aussagen, dass etwa 10% der Lungenkarzinome auf die hohen
Radonbelastungen in schlecht gelüfteten Räumen zurückgeführt werden. Die
Idee des luftdichten Hauses muss also aufgegeben werden. Es bleibt bei der
alten Regel, dass über natürliche Querlüftung ein 0,6-facher Luftwechsel
sichergestellt werden muss.
Die Temperierung
Unter diesem Begriff164 versteht man Wandheizungstechniken. Die Ursprünge
dieser Heiztechnik gehen auf die alten Römer zurück. Sie hatten für ihre Bäder
eine Heiztechnik entwickelt, bei der durch Hohlräume in Wänden und Fußböden
Heizgase aus Holzfeuern durchgeleitet wurden. Das waren die sog.
„Hypokausten“. Als die Römer den Bereich nördlich der Alpen besetzten,
exportierte die III. Italienische Legion, die überwiegend aus hochzivilisierten
Syrern bestand, diese Technik in den germanisch - alemannischen Raum.
Ausgrabungen zeigen, dass diese Technik weit verbreitet war. Im ebenfalls von
den Römern importierten Steinhausbau war diese Technik Standard. Die
Hypokaustentechnik führte zu einer Erwärmung der Innenwandoberflächen und
damit zu einem angenehmen Strahlungsklima in den Räumen.
164
Der Begriff wurde durch Dipl.-Ing.Grosseschmidt, Landesamt für Denkmalpflege in München ge-
prägt.
113
Nun aber zur Physik von Temperieranlagen. Im Bauwesen hat sich die Unsitte
eingebürgert, dass immer dann, wenn etwas Neues und Ungewohntes
eingeführt wird, sich ein Heer von Kritikern bemüßigt fühlt, daran
herumzumäkeln und dummes Zeug zu verbreiten. Hierbei stelle ich immer
wieder fest, dass diese Kritiker sich niemals ernsthaft mit der neuen Technik
auseinandergesetzt haben sondern mehr ins Blaue hinein ihre oft abstrusen
Kundgebungen in Umlauf setzen. Seit sich im Internet Diskussionsforen166
gebildet haben, haben diese Leute auch eine Spielwiese, auf der sie sich eifrig
betätigen. Fast immer bleiben sie anonym. Manchmal denke ich, dass das Beste
an diesen Foren darin besteht, dass angehende Psychiater hervorragendes
Anschauungsmaterial darüber vorfinden, dass technische Sachverhalte, die man
eigentlich sachlich erörtern könnte, zum Vorwand massiver persönlicher
Verunglimpfung werden und dass Menschen eine Befriedigung darin suchen,
mit Schaum vor dem Mund hasserfüllte Botschaften zu verbreiten. Da ich mich
selbst gelegentlich in solchen Foren zu Wort melde, weiß ich, von was ich rede.
Da gibt es aber noch ein anderes, bisher noch nicht sehr auffällig gewordenes
Verhalten, das aber beunruhigend ist. Einige der anonymen Hasser haben mir
in persönlichen Botschaften geoffenbart, dass ihre Tätigkeit in den Foren durch
165
Da man mich für einen Experten für Temperieranlagen hält, wurde ich gebeten, eine fachliche Anlei-
tung zur Planung und zum Bau auszuarbeiten. Dies soll nun auch alsbald in Zusammenarbeit mit der
Kupferindustrie geschehen, die ein für Temperieranlagen sehr gut geeignetes Material herstellt. Es
würde den Rahmen dieses Buches sprengen, wollte ich technische Einzelheiten zum Bau von Tempe-
rieranlagen bekannt geben. Hier sollen daher nur die physikalischen und physiologischen Wirkungen
dieser Heiztechnik behandelt werden.
166
z.B. www.bau.de
114
Bei der Behandlung dieser Einwände werden wir nun auch die physikalischen
Ereignisse bei der Temperiermethode kennen lernen.
wird verwertet, dass die Lufttemperatur – auf die es zwar nicht vorrangig
ankommt – ein recht brauchbarer Indikator für den Strahlungszustand ist.
Hierbei wird die Erfahrung verwertet, dass die Raumlufttemperatur stets um
etwa 2 K unter der Wandoberflächentemperatur liegt.
Von Nachtabsenkungen rate ich ab. Das, was in der Nacht an Heizenergie
eingespart wurde, muss am zeitigen Morgen zusätzlich wieder aufgewendet
werden. Eingespart kann daher hierdurch nichts werden.
Häufig besteht der Wunsch, dass das Schlafzimmer kalt sein soll. Durch
Drosselung der entsprechenden Heizkreise kann das gemacht werden.
Allerdings ist hierbei folgendes zu bedenken: Der Wunsch nach kalten
Schlafzimmern ist eine Folge der Konvektionsheizungen und der bei dieser
Heiztechnik einhergehenden geringen relativen Luftfeuchte, die zur
Austrocknung der Schleimhäute im Nasen-Rachenraum führt. Für den
schlafenden Menschen ist das unangenehm, da eine halbwegs ordentliche
Atmung nur noch bei geöffnetem Mund möglich ist, der jedoch sodann
ebenfalls austrocknet. Von einem ruhigen und erholsamen Schlaf ist dann keine
Rede mehr. In dieser Not haben die geplagten Schläfer empirisch
herausgefunden, dass bei geöffnetem Fenster und hierdurch höherer relativer
Luftfeuchte der Schlaf besser ist. Das hat zu der Überzeugung geführt, dass
man in kalten Räumen besser schlafen könne. Allerdings hat man hierbei
Ursache und Wirkung verwechselt. In einem temperierten Schlafzimmer
bestehen diese Probleme nicht, weil die relative Luftfeuchte sich im optimalen
Bereich von 40 – 45% befindet.
Dass es bis heute keine „amtlichen“ Berechnungsverfahren gibt, ist für den
Fachingenieur unbefriedigend. Ich selbst arbeite derzeit an einem
Berechnungsverfahren, dessen Grundlage jedoch nicht in einer Variante der von
Konvektionsheizungen her bekannten Verfahren besteht. Ausgangspunkt
meines Berechnungsverfahrens ist das Strahlungsgesetz von Stefan-Boltzmann
und die hiervon abgeleiteten Berechnungen für im Strahlungsaustausch
stehenden Flächen167. Einstweilen genügt es jedoch vollauf, Temperieranlagen
nach Erfahrungswerten zu planen. Auch ein einmal gefundenes
167
Z.B. Cerbe- Hoffmann, Einführung in die Thermodynamik, 10.Aufl., Hanser Verlag, S.351 ff.
117
Temperieranlagen in Altbauten
Will man in einem Altbau eine Temperieranlage einbauen, ist das problemlos
möglich. Unangenehm ist nur, dass für die Heizleitungen Schlitze in den alten
Putz gefräst werden müssen. Das ist eine staubige und lärmende
Angelegenheit. Erleichternd ist aber, dass die Temperierleitugen nur an den
Außenwänden verlegt werden. Ist die Altbauwohnung bewohnt, sollte man
daher etwa 150 cm hinter der Wand eine Staubschutzwand aus Latten und
Folien einbauen und aus diesem Bereich alle Möbel entfernen. Bei zügiger
Arbeit und falls es gelingt, die Handwerker zu einigen Überstunden zu
überreden, kann die Sauarbeit an einem Tag erledigt werden. Nach etwa 14
Tagen muss dann die Wand gestrichen oder tapeziert werden.
Besonders in der früheren DDR findet man häufig Altbauten vor, bei denen der
Innenputz aus reinem Zementmörtel hergestellt worden ist. Der ist so hart,
dass das Einfräsen von Leitungsschlitzen nicht mehr funktioniert. Dort ist es
meistens das Beste, die Heizleitungen auf dem alten Putz zu verlegen und das
Ganze neu einzuputzen. Je nach Putzbeschaffenheit müssen Haftbrücken
aufgebracht werden, die erstaunlich gut funktionieren. (z.B. COMPAKTA)
Ich empfehle auch, bei dieser Gelegenheit die alten Heizkörpernischen, die ja
eine Schwachstelle im Mauerwerk sind, auszumauern. Hierfür empfehlen sich
leicht bearbeitungsfähige Gasbetonsteine.
Haben wir es mit Baudenkmälern zu tun, bei denen auf dem Verputz
Wandmalereien gefunden werden, sollen diese natürlich nicht zerstört werden.
Hier sollte man dann die Hypokaustentechnik einsetzen, die jetzt erklärt wird.
168
Erfahrungsberichte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (Dr. Grosseschmidt) im Bereich
der nichtstaatlichen Museen.
118
Die Hypokaustentechnik
Bereits die alten Römer hatten eine vorzügliche Heiztechnik, die darin
bestanden hat, dass das Umfassungsmauerwerk unmittelbar beheizt worden ist.
Dies wurde durch Hohlräume oder in die Mauer eingesetzte Tonröhren erreicht,
durch die Heizgase geleitet worden sind, die von offenen Feuerstellen unter
dem Erdgeschossfussboden ausgingen. In den Erdgeschossen wurden zugleich
die Fußböden mit erwärmt. Das war allerhöchster Luxus. Ein Nachteil der
altrömischen Hypokaustentechnik bestand darin, dass mehrere Sklaven –
vergleichbar den heutigen Eineurojobbern – mit der Aufrechterhaltung der
Feuerung beschäftigt waren. Da das Christentum mit der Sklaverei Schluss
machte, verschwand damit auch diese vorzügliche Heiztechnik. Wichtig war bei
der Hypokaustentechnik, dass die Heizgaskreise geschlossen und mit den
Räumen nicht in Verbindung gestanden haben.
Die Wärmeleitfähigkeit von Glas ist nur etwa halb so groß wie bei Mauerwerk.
Da es aber nur sehr dünn verarbeitet wird, ist der Dämmwert von Glas herzlich
schlecht. Kommt es zu Konvektion an der Glasscheibe, stellen sich beachtliche
Energieverlagerungen ein, insbesondere dann, wenn – wie üblich – unter den
Fenstern Heizkörper angebracht sind, die dazu führen, dass erhitzte Luft sehr
schnell am Glas vorbeistreicht. Hierbei sollten wir uns daran erinnern, dass die
Strömungsgeschwindigkeit von Fluiden der für konvektiven Wärmeübergang
entscheidende Einfluss ist. Der unter dem Fenster befindliche Heizkörper führt
dazu, dass der konvektive Wärmeübergang an der Glasscheibe etwa 50-mal
größer wird. Das spricht gegen die Konvektionsheizung. Haben wir ein
Wandheizungssystem, gibt es im Raum fast keinen thermischen Umtrieb der
Luft. Damit haben wir auch am Fenster nur noch einen sehr kleinen
Wärmeübergang, der es ermöglicht, auf Einfachverglasungen zurückzugreifen.
Bei Baudenkmälern ist dies sehr erwünscht.
Nun gibt es aber auch die Isolierverglasungen, die aus zwei Glasscheiben
bestehen, deren Hohlraum mit getrockneter Luft gefüllt ist. Hierbei wird
genutzt, dass stehende Luft ein guter Dämmstoff ist. Die Isolierglasscheibe ist
daher ein Kind der Konvektionsheizung und bei derartigen Heiztechniken
unverzichtbar.
Das auf die Scheibe von der Sonne kommende UV-Licht wird absorbiert und
führt zur raschen Temperaturerhöhung des Glases. Dies führt zu einer
Abstrahlung des halben Energiebetrages in den Raum hinein. Die andere Hälfte
wird in die Umgebung zurückgestrahlt. Das ankommende Sonnenlicht ist
verhältnismäßig arm an IR-Strahlung, was folgenlos bleibt. Das übrige
Lichtspektrum erreicht den Raum und führt dort zur Erwärmung der
beschienenen Flächen durch Absorption. Die erwärmten Flächen emittieren
wiederum Wärmestrahlung, nun aber in einem Spektralbereich, der vom Glas
nicht durchgelassen, aber absorbiert wird. Auch davon wird die Hälfte in die
Umgebung abgestrahlt, der Rest geht strahlend in den Raum zurück. Überprüft
man diese Vorgänge genauer und quantifiziert sie einigermaßen sorgfältig,
kommt man zu dem Ergebnis, dass Fenster nach den Sonnenseiten hin
energetisch eine positive Bilanz haben, der Energieeintrag also überwiegt.
Berühren Sie eine Fensterfläche mit der Hand, haben Sie den Eindruck der
Kälte. Misst man jedoch die Glastemperatur, stellt man fest, dass die
Glasscheibe die gleiche Oberflächentemperatur wie die anschließende Wand
hat. Bei Einscheibenverglasungen liegt die Temperatur etwa 4 K niedriger,
wenn es Winter ist. Was Sie gespürt haben, war der Vorgang der Wärmeleitung
von der Hand zum Glas hin. Hierbei haben wir gelernt, dass Stofftemperaturen
mit der Hand nicht sicher beurteilt werden können. Lassen wir das also sein.
Eine weitere Eigenschaft von Glas ist von Bedeutung: Trifft Licht oder
Wärmestrahlung unter flachem Winkel auf – diese Situation trifft vor allem für
die Inneraumsituation überwiegend zu, kommt es zur Totalreflexion. Hierbei ist
zu bedenken, dass auch ein Einscheibenglas zwei reflektierende Grenzschichten
hat, nämlich auf der Innen-und der Außenfläche. Daher wird nur ein geringer
Teil der von den Raumoberflächen ankommenden Strahlung absorbiert sondern
bleibt dem Raum erhalten. Im Ergebnis stimmt daher die manchmal verbreitete
Aussage, dass Glas für Wärmestrahlung undurchlässig sei. Streng physikalisch
betrachtet stimmt das aber nicht. Nebenbei wissen wir nun auch, warum
Fensterflächen in einer Fassade nahezu schwarz erscheinen, andererseits aber
durch Reflektion dazu führen, dass Nordzimmer unerwartet in den Genuss von
Sonneneinstrahlung kommen.
169
Bedampfungen entstehen durch Kondensation von Metalldämpfen auf kälteren Flächen.
121
Nach Norm und EnEV ist Glas eine energetische Schwachstelle in der
Gebäudehülle. Tatsächlich ist Glas aber viel besser als sein Ruf. Das wäre auch
rechnerisch belegbar, würde man in den vorgeschriebenen Berechnungen auch
die Eigenschaften von Glas berücksichtigen, die mit dessen Verhalten bei
Strahlungsprozessen zu tun haben. Die Glasindustrie sollte sich im eigenen
Interesse dieses Themas annehmen. Da verhält sie sich ähnlich ungeschickt wie
die Holzindustrie, die es bis heute versäumt hat, auf die hervorragenden
Wärmespeichereigenschaften von Holz hinzuweisen.
Das alles hat sich inzwischen grundlegend verändert. Der vor dem Fenster
angeordnete Heizkörper ist Standard. Die dort erzeugte Warmluft streicht mit
großen Geschwindigkeiten am Fenster entlang. Sie hat in dieser Phase eine
hohe Temperatur, sodass das Temperaturgefälle zwischen Heizkörperluft und
Glasscheibe bis zu 25 K beträgt. Damit nimmt die Wärmeübergangszahl (α), die
ja im Wesentlichen durch die Strömungsgeschwindigkeit und den
Temperaturunterschied zwischen Fluid und Festkörper bestimmt wird, sehr
hohe Werte an, sodass in diesem Falle eine Isolierverglasung mit einem
höheren Dämmwert, der durch die eingeschlossene stehende Luftschicht
bewirkt wird, nützlich und richtig ist. Die Isolierglasscheibe ist ein Kind der
moderneren Heiztechnik und hat sich ja auch erst dann im Bauwesen
eingebürgert, als diese Heiztechnik allgemein üblich wurde. Das anfangs am
Markt eingeführte Produkt hieß „Thermopane“, sodass man damals vor etwa
vierzig Jahren ganz allgemein den Begriff „Thermopanescheibe“ als Synonym
für Isolierverglasung verwendet hat. Verschwunden ist zugleich das
Verbundfenster, das wegen eines von einem Tischlermeister Wagner
erfundenen Beschlags „Wagnerfenster“ hieß. Hierbei hat es sich um zwei
Einfachfenster gehandelt, die miteinander verriegelt waren.
Könnten wir die Luft am Fenster sehen, würden wir bemerken, dass sich
gelegentlich die Wasserdampfteilchen in der Luft zusammenschließen, also in
sehr kleinen Mengen verklumpen. Das ist nichts anderes als Kondensation in
der frei schwebenden Luft, die vor allem in einer wenige Zentimeter vor der
Scheibe stehenden Grenzschicht stattfindet. Energetisch handelt es sich um ein
Nullsummenspiel, da die geringfügige Abkühlung der Grenzschicht durch
freigesetzte Kondensationswärme kompensiert wird. Überprüft man mit einem
Messgerät die Lufttemperatur im Grenzschichtbereich, stellt man fest, dass dort
die Luft im Winter etwa 2 K kühler ist als die Raumluft.
Bei der relativen Luftfeuchtigkeit in Räumen mit Wandheizung stellt man immer
fest, dass sich diese ziemlich genau und mit sehr geringer Schwankungsbreite
bei etwa 40% einstellt. Dieses Maß ist ein großer Vorzug von Wandheizungen,
der unter gesundheitlichen Gesichtspunkten ein Optimum darstellt.
Jetzt hat aber eine Glasscheibe noch eine weitere interessante Eigenschaft, Sie
verfügt nämlich über zwei reflektierende Grenzflächen. Das ist einmal die
Innenoberfläche, aber auch – und das ist sehr wichtig bei unserer Betrachtung
– für von innen kommende Strahlung auch die äußere Oberfläche der Scheibe.
Sehen wir uns die Reflexionen an, stellen wir fest, dass wir es sowohl mit
Teilreflektion zu tun haben, wenn die Strahlung annähernd senkrecht auf die
Scheibe trifft und mit Totalreflektion, wenn die Strahlung mit einem Winkel zur
Scheibe steht. Betrachten wir darauf hin die Einstrahlungsrichtungen an
Glasscheiben vor Räumen, wobei wir uns hier mit einer kleinen Systemskizze
helfen können, müssen wir hierbei bedenken, dass von jedem Wandpunkt aus
Strahlung völlig gleichmäßig nach allen Richtungen im sog. „Halbraum“ emittiert
wird, also über einen Winkelbereich von genau 180 °. Die gefühlsmässige
Vorstellung, dass Wärmestrahlung nur senkrecht von der Wand ausgeht, ist
also falsch. Legen wir unsere Systemskizze nach dieser Erkenntnis an und
zeichnen also von beliebig vielen Punkten aus Strahlungen nach allen
Richtungen, stellen wir ganz empirisch fest, dass der überwiegende Teil der auf
die Glasscheibe treffenden Strahlung schräg einfällt, somit sehr stark nach
innen reflektiert wird und damit von der Glasscheibe nicht absorbiert werden
kann. Der dennoch die äußere reflektierende Grenzschicht durchquerende
Strahl wird zunächst in Abhängigkeit vom Brechungswinkel gebrochen, ändert
also seine Richtung so, dass er auf die äußere reflektierende Grenzschicht
etwas steiler auftrifft. Auch dort wird ein Teil der Strahlung reflektiert und nur
ein geringer Rest an Wärmestrahlung – zu der übrigens auch der
Spektralbereich des sichtbaren Lichts gehört – entweicht letztlich
unwiederbringbar in die Umgebung.
Nebenher: Ich vermute, dass diese Vorgänge auch der Grund dafür sind, dass
Fensterflächen tagsüber in einer Fassade schwarz wirken. Schwarz ist ja immer
125
Die Erwärmung der Glasscheibe durch die Raumluft ist geringfügig, wie wir
bereits gesehen haben. Die beobachtete hohe Scheibentemperatur geht somit
auf die Teilabsorption von Wärmestrahlung zurück. Hierbei wird nun von
Bedeutung, dass diese Wärmestrahlung nicht nur dem Innenraum entstammt
sondern auch der Umgebung. Da wir es nun genauer wissen wollen, eine kleine
Vergleichsrechnung der beiden Strahlungsquellen Innenwände und Umgebung.
Wir betrachten hierbei eine weiß gestrichene Innenwand mit einer
Oberflächentemperatur von 21 °C und eine Umgebung, die hier aus
gegenüberstehenden, grau gestrichenen Hauswänden mit einer
Oberflächentemperatur von 5 °C bestehen soll. Der Emissionskoeffizient (ε) der
Innenwand beträgt 0,87, der der grauen Gebäudewand 0,92. Nach Stefan-
Boltzmann können wir nun die Strahlungsleistung errechnen:
Wir sehen zu unserer Überraschung und nicht geringen Freude, dass wir also
eine exogene Einstrahlungsleistung haben, die sich gar nicht sehr von der
Strahlungsleistung der Innenwände unterscheidet. Unsere Messungen zeigen
nun Temperaturunterschiede zwischen den äußeren und inneren
Glasoberflächen von 3 – 4 K. Da konvektive Prozesse ausscheiden, können
diese Temperaturunterschiede nur auf die unterschiedlichen
Einstrahlungsleistungen zurückgeführt werden. Vorsichtshalber betrachten wir
in einer weiteren Berechnung nun auch die Abstrahlungsleistungen der Scheibe
nach außen und nach innen. Ein typischer Messwert ist für innen eine
Temperatur von 14 °C, für außen 11 °C. Der Emissionskoeffizient (ε) beträgt
für beide Fälle einheitlich 0,87.
Das ist gerade mal ein Drittel des in der DIN 4108 festgesetzten
Wärmeübergangswertes (αa) mit 25 W/m², also äußerst geringfügig.
Betrachten wir nun im Hinblick auf die ganze Heizperiode unsere Energiebilanz
am Fenster und bedenken hierbei, dass eine Einfachverglasung mehr als das
126
Wer hätte gedacht, dass in einer modernen Betrachtung zwei Baugewerke, die
sonst nichts miteinander zu tun haben, im Zusammenspiel Lösungen
ermöglichen, die die Denkmalpfleger begeistern und die noch nebenher zu einer
Baukosteneinsparung führen, die sich aus dem Preisunterschied von einfach
verglasten Fenstern mit Isolierglasfenstern errechnet? Nicht ganz unwichtig ist,
dass hierdurch für die Holzfensterbauer ein neuer Markt erschlossen wird, dem
keine Konkurrenz durch die Kunststofffensterindustrie droht.170
Anstriche
Im Rahmen dieser bauphysikalischen Betrachtungen ist von Bedeutung, dass
Anstriche fast immer Häute bilden. Befinden sich diese Häute an Stellen, wo
Wasser abdampfen soll – an Gebäudeoberflächen ist das immer so – führen sie
zum Bauschaden, sichtbar durch Blasenbildung und Abplatzungen. Sind
Fassadenanstriche nicht dampfdurchlässig, führen sie sogar zur Zerstörung der
Putzschicht. Manche Farbenhersteller geben Werte für die
Dampfdiffusionsfähigkeit an. Vorsicht aber! Das sind nämlich Laborwerte, die
bei Zimmertemperaturen gewonnen worden sind. Die Diffusionsfähigkeit sinkt
jedoch mit fallender Temperatur stark ab, sodass Anstriche an
Gebäudeoberflächen trotz guter Laborwerte die Eigenschaften von
Dampfbremsen annehmen. Betrachten wir also einmal eine gestrichene
Putzfassade auf Mauerwerk:
Es ist Winter, die Wohnung wird beheizt und auch nicht sonderlich gut gelüftet.
In einem Vierpersonenhaushalt werden da mühelos täglich bis zu 100 l Wasser
verdampft. Der größte Teil dieses Wasserdampfes diffundiert in die
Umfassungswände ein, wo er im vorderen Teil des Mauerquerschnitts
kondensiert, sich also flüssiges Wasser bildet. Nunmehr verlagert sich dieses
Wasser nach außen über die unzähligen Kapillaren. Hätten wir es mit
Sichtziegelmauerwerk zu tun, würde das Wasser an der Maueroberfläche
abtrocknen und nachrückendem Wasser Platz machen. Alles wäre bestens. So
aber verbleibt das Wasser in der Wand. Zunächst passiert da nichts Schlimmes,
sieht man davon ab, dass in der feuchten Zone die Wärmeleitfähigkeit höher
geworden ist.
Gegen Ende der Heizperiode wird die Wand wieder kräftiger von der Sonne
beschienen und wird warm. Das eingesperrte Wasser wird wieder dampfförmig
und drückt mit großer Kraft von innen gegen die Farbschicht. Handelt es sich
um elastische Anstriche, bilden sich Blasen. Unelastische Anstriche werden
abgedrückt. Wenn die Durchfeuchtung größer war, kam es im Verlaufe des
170
Das alles ist nicht nur eine Hypothese sondern inzwischen von mir auch praktisch erprobt. Ich
verweise auf die Sanierung in Leipzig, Lütznerstrasse 77 eines denkmalgeschützten Fabrikgebäudes,
wo dies alles – wie beschrieben – funktioniert. Diese Sanierung wurde außerdem 1.Preisträger im
Hieronymus – Lotter – Wettbewerb.
127
Bei Fensteranstrichen kennen wir den gleichen Bauschaden. Das Beste wäre
daher, die Außenflächen von Fenstern ungestrichen zu lassen. Bei guten
Holzqualitäten ist das auch möglich. Die Vergrauung des Holzes, die technisch
nicht nachteilig ist, ist aber nicht jedermanns Geschmack. Die Alten
verwendeten für Aussenanstriche auf Fenstern dampfdurchlässiges Bleiweiß.
Das ist aber giftig und daher verboten. Zur optischen Verbesserung bieten sich
Lasuren an, die es in allen möglichen Farben gibt. Wer will, kann seine Fenster
auch mit gekochtem Leinöl behandeln. Das muss er allerdings wenigstens alle
vier Jahre erneuern. Sehr empfehlenswert ist außerdem, die Innenflächen von
Fenstern möglichst dampfdicht mit Lacken zu beschichten, weil hierdurch der
Wasserdampfeintritt in das Holz behindert wird. Wer das nicht beachtet,
verkürzt die Lebenszeit seiner Fenster beträchtlich. Die Blasen, die da im
Außenanstrich entstehen, sind nämlich meistens mit Wasser gefüllt. Dort
beginnt das Fensterholz dann zu verfaulen.
Wir wollen aber nicht verzagen. Wenigstens kann nämlich das Wetter
beobachtet und gemessen werden. Macht man das viele Jahre lang, ist es
möglich, ein Durchschnittswetter zu ermitteln. Genau das hat man auch getan,
sodass wir heute über ein Durchschnittswetter verfügen. Ich arbeite mit einem
Durchschnittswetter, das die Fraunhofergesellschaft im Institut für Bauphysik
ermittelt hat und in der Fachwelt als „Holzkirchner Wetter“ bekannt ist.171 Das
Holzkirchner Wetter zeigt langjährig ermittelte Durchschnittsdaten der
wichtigsten Wetterereignisse, also Lufttemperatur, Bodentemperatur, Luftdruck,
Windgeschwindigkeiten, Globalstrahlung, Diffusstrahlung, Regenspenden –
unterschieden nach Schlagregen und leichtem Regen. Weniger wichtiges fehlt,
z.B. Nebel, Schneefall, Windrichtung, Föhneinfluss und Bedeckungsgrad des
171
Holzkirchen liegt südlich von München und beherbergt das Institut der Fraunhofergesellschaft für
Bauphysik.
129
Himmels. Ganz wichtig ist, dass diese Wetterdaten für jede Stunde vorliegen.
Wir verfügen somit für jede dieser Wetterkomponenten über etwa 8.760
Messwerte. Das ist eine schöne Menge. Insgesamt stehen uns etwa 70.000
Messwerte zur Verfügung. Diese große Datenmenge kann nur noch am
Computer – dort aber recht einfach – verarbeitet werden. Wollte man das „zu
Fuß“ machen, würden zehn Jahre Rechenzeit benötigt.
Aus der Bodentemperatur kann die dort emittierte Strahlung nach dem
Strahlungsgesetz von Stefan-Boltzmann errechnet werden. Bei den
Berechnungen kommt zutage, dass die so ermittelte Umgebungsstrahlung stets
größer als die Diffusstrahlung ist. Die auf ein Gebäude einwirkende Strahlung
besteht somit aus einer sehr gleichmäßigen und ganztägigen
Umgebungsstrahlung, die zeitweise von sehr hoher aber nur kurzeitig
einwirkender Solarstrahlung überlagert wird. Mengenmäßig überwiegt hierbei
die Umgebungsstrahlung ganz eindeutig. Die Bedeutung der Diffusstrahlung
besteht darin, dass sie die Bodentemperaturen beeinflusst, in den
Berechnungen jedoch vernachlässigt werden kann.
172
Horst Herr, Wärmelehre, Europa – Lehrmittelverlag, 2.Aufl. 1994
173
Die Winkelbezeichnungen sind Festlegungen des Autors.
174
Diese Berechnung zur Solarstrahlung erinnert an Berechnungen zur Positionsbestimmung in der
130
Ungewohnt ist nach diesen Berechnungen die Erkenntnis, dass auch im Winter
zeitweise erheblicher konvektiver Energieeintrag auf Außenwänden stattfindet.
Entscheidend hierfür ist die Temperaturdifferenz zwischen Aussenluft und
Wandoberfläche.
Seefahrt.
175
Im Anhang werden die in der Simulation verwendeten Rechenverfahren im Einzelnen dargestellt.
176
Ausgesprochen „fi“.
177
Diese vielfältigen und für den Heizenergieverbrauch entscheidenden Ereignisse werden in der DIN
4108 nicht behandelt. Bei der Berechnung des U-Werts ist dem errechneten Wärmestrom zwar ein (αa)
hinzufügen. Hierbei handelt es sich allerdings um einen Pauschalwert, der mit den tatsächlichen
Vorgängen des Energieübergangs an Außenwänden nichts zu tun hat.
178
Simulationen sind am Computer nachgestellte Experimente, bei denen es darauf ankommt, die
natürlichen Randbedingungen so genau wie irgend möglich einzugeben.
131
Entscheidend ist aber, dass der Energiebilanzwert eine Aussage über die
energetische Güte einer Aussenwandkonstruktion zulässt. Damit ist er dem
U-Wert überlegen. Der U-Wert stellt schließlich nur eine Materialeigenschaft
dar, nämlich die Wärmeleitfähigkeit einer Wand, ohne dass hierbei energetische
Vorgänge behandelt werden. Dagegen beschreibt (Φb) die Folgen eines
wetterbestimmten dynamischen Prozesses mit seinen Auswirkungen auf den
Verbrauch an Heizenergie.
Ebenso wird es Zeit, dass wir zuverlässige Werte für die Emissionskoeffzienten
(ε) bekommen, die für die Berechnung von Strahlung und Absorption
notwendig sind. Die in einem Anhang zur DIN 4108 angegebenen Werte für (ε)
sind nämlich überwiegend falsch. Da der Energiebilanzwert (Φb) künftig den
U-Wert ablösen wird, kann auf derartige Forschungsergebnisse nicht verzichtet
werden.
Nur wenn beide Forderungen erfüllt werden, haben wir es mit einer energetisch
richtigen Fassadenkonstruktion zu tun. Betrachten wir nach diesen Kriterien
WDVS, müssen wir feststellen, dass sie das Gebäude vom exogenen
Energieeintrag abkoppeln.179 Daher versagen WDVS bei der Reduzierung des
Heizenergieverbrauchs fast immer.
Die Termosfassade
Bei meinen Untersuchungen zu den energetischen Vorgängen an
Gebäudeoberflächen hatte ich auch eine Idee, wie man den Energiebilanzwert
günstig gestalten könnte. Dabei hat mir geholfen, dass ich auch ein recht
tüchtiger Verwalter meines Junggesellenhaushalts bin. Manchmal packt mich
der Putzteufel. Hierbei kam ich auf den Gedanken, dass man eigentlich auch die
Innereien einer Thermoskanne einer gelegentlichen Reinigung unterziehen
müsse. Bei deren näherer Betrachtung stellte ich fest, dass die
energierückhaltende Wirkung von Thermoskannen auf einer sinnreichen
Kombination von luftleeren Hohlräumen und reflektierenden Oberflächen
beruht. Die luftleeren Räume verhindern Wärmeleitungsvorgänge, die
reflektierenden Flächen behindern die Energieverlagerung von Wärmestrahlung.
Ein Anruf bei einem führenden Hersteller von Thermoskannen hatte zum
Ergebnis, dass man hierüber keine physikalischen Berechnungen anstellen
würde. Man sei damit zufrieden, dass Thermoskannen sehr gut funktionieren.
Meine Frage, was geschähe, wenn versehentlich der eingesetzte doppelwandige
Glasballon über keine reflektierende Beschichtung verfügen würde, wurde damit
beantwortet, dass ich die Kanne einschicken solle, damit ein richtiger Ballon
eingesetzt würde – kostenlos natürlich. Würde es sich allerdings um ein
Fremdfabrikat handeln, solle ich es wegschmeißen, denn es sei funktions- und
wertlos. Die reflektierende Schicht sei nämlich das Wichtigste. „Aha“ dachte ich,
„so ist das also“. Sodann begann ich mich, mit dem Prinzip „Thermosgefäss“ zu
beschäftigen. Das physikalische Prinzip der Reflexion von Wärmestrahlung war
mir bereits geläufig. Hierbei bin ich auch auf die Geschichte des
Thermosgefäßes gestoßen.
Da gab es also in Schottland einen Chemiker Sir James Dewar, (1842 – 1923)
179
Siehe auch Prof.Karl Gertis, ehem. Leiter des Fraunhoferinstituts für Bauphysik. „WDVS koppeln die
Fassade von der exogenen Energiezufuhr ab“.
133
der Ende des 19. Jhdts. mit unterkühlten Flüssigkeiten experimentierte. Zur
gleichen Zeit wurde die Gesetzmäßigkeit der Strahlungsleistung in Abhängigkeit
von absoluter Temperatur und Emissionskoeffizient durch die österreichischen
Physiker Stefan und Boltzmann herausgefunden und in dem nach ihnen
benannten Gesetz berechenbar gemacht. Die Entdeckung des
Strahlungsgesetzes wurde in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht
und hierdurch auch Sir James Dewar bekannt. Der hatte das Problem, dass
seine unterkühlten Flüssigkeiten ständig wärmer und damit für ihn unbrauchbar
wurden. Die Strahlungsgesetze brachten Sir James auf die Idee einer
praktischen Nutzanwendung. Von einem Glasbläser ließ er sich daher Gefäße
herstellen, die aus zwei ineinander steckenden Flaschen bestanden. Die äußere
Flasche ließ er mit Silber beschichten, wie dies damals auch bei normalen
Spiegeln üblich war. Den Hohlraum zwischen den beiden Flaschen pumpte er,
so gut es ging, luftleer. Er hatte jedoch ein Dichtungsproblem dergestalt, dass
sich der Hohlraum immer wieder mit Luft füllte und er daher das Problem der
Eisbildung hatte. Um dem vorzubeugen, legte er Tierkohlebrocken in den
Hohlraum, die die überschüssige Luftfeuchtigkeit aufnehmen sollten. Am Ende
hatte Sir James seinen Zweck erreicht. Seine Experimente waren nun
entscheidend erleichtert. Hätte er seine Erfindung zum Patent angemeldet,
wäre er wohl ein schwerreicher Mann geworden. Daran dachte er jedoch
offensichtlich nicht. Erst erheblich später gründete sich in Deutschland ein
Unternehmen, welches Thermoskannen als Gebrauchsgegenstand herstellte.
Heutzutage ist die Thermoskanne ein Allttagsgegenstand, der tadellos seinen
Zweck erfüllt, also sowohl die Warmhaltung als auch die Kühlhaltung von
Speisen und vorzugsweise von Getränken. In Wissenschaftskreisen spricht man
Sir James zu Ehren immer noch vom „Dewar-Gefäss“.
Wie funktioniert aber nun die Thermoskanne? Betrachten wir zunächst die
Warmhaltung. Wir füllen also unsere Thermoskanne mit heißem Kaffee auf,
80 °C. Die innere Glasflasche erwärmt sich ruck-zuck auf die gleiche
Temperatur. Glas hat einen Emissionskoeffizienten von 0,87. Die reflektierende
Beschichtung an der äußeren Glasflasche hat einen Emissionskoefffizienten von
0,02. Nach Stefan-Boltzmann emittiert nun die innere Glasflasche eine
Strahlung von
Davon werden etwa 90% reflektiert. 10% werden von der reflektierenden
Schicht absorbiert und führen daher zu einer Temperaturerhöhung in der
äußeren Glasflasche. Die reflektierende Schicht ist aber auch nach außen ein
schlechter Strahler, sodass auch dort nur ein geringer Teil auf das Gehäuse der
Kanne gelangt, dort aber wiederum – da auch diese Seite meistens aus einer
polierten Metallschicht besteht, zum überwiegenden Teil reflektiert wird.
Unterm Strich gelingt es etwa 2% der abgestrahlten Energie letztlich in die
134
Das Thermosgefäss steht – weil wir uns gerade im Freibad befinden – in der
prallen Sonne. Ist die Oberfläche der Kanne – wie meistens – hochglänzend,
wird da bereits eine Menge Strahlungsenergie reflektiert. Ein Zehntel der
Strahlungsenergie wird aber dennoch absorbiert, sodass die Karosserie dennoch
deutlich erwärmt wird. Das können Sie leicht selbst überprüfen, wenn Sie einen
Badezimmerspiegel auf Ihrem Südbalkon aufstellen. Obwohl ein großer Anteil
der Strahlungsenergie reflektiert wird, wird der Spiegel sich in verhältnismäßig
kurzer Zeit deutlich erwärmen. Von der Innenseite wird daher eine beträchtliche
Strahlungsenergie auf den äußeren Glaskörper gelangen. Der aber ist
reflektierend beschichtet, wobei allerdings die glänzende Schicht zum
Gefässinhalt hin zeigt. Die von außen kommende Wärmestrahlung wird also
dort nicht reflektiert. Und dennoch gelangt diese Wärmestrahlung nicht ins
Innere des Gefäßes. Wie das? Nun – Reflexion kennen wir aus dem Alltag, weil
wir ja täglich in den Spiegel schauen. Reflektierende Schichten haben aber eine
weitere bedeutende Eigenschaft. Im gleichen Masse, wie sie reflektieren sind
sie nämlich auch ganz schlechte Strahler. Das ist, wie ich bei Vorträgen immer
wieder bemerke, weniger bekannt.
Auch das können Sie ganz einfach selbst überprüfen. Selbst durchgeführte
Experimente sind deshalb so gut, weil man alles viel leichter begreift. Nehmen
Sie also zwei gleichgrosse Platten – z.B. aus Sperrholz. Damit der Effekt besser
sichtbar wird, streichen Sie beide Platten auf einer Seite mattschwarz an. Auf
eine der beiden Platten kleben Sie nun ganz gewöhnliche Aluminium-
haushaltsfolie auf, auf der anderen Platte machen Sie auf der Rückseite nichts.
Nun brauchen Sie noch einen Messpunkt und einen gewöhnlichen
Fieberthermometer. Bringen Sie zum Schluss noch einen kleinen Batzen Plastilin
auf der Vorderseite an, umhüllen diesen ebenfalls mit einem Stückchen Alufolie
und dann stellen Sie beide Platten so in die Sonne, dass die mattschwarzen
Seiten beschienen werden. Nach ungefähr 15 Minuten haben sich beide Platten
deutlich erwärmt. Wenn Sie den Eindruck haben, dass sich die Platten nicht
mehr weiter erwärmen, nehmen Sie den Fieberthermometer, stecken ihn in die
Plastilinbätzchen und lesen bei beiden Platten die Temperatur ab. Da sehen Sie
dann, dass die Platte mit der reflektierenden Schicht auf der Rückseite deutlich
wärmer geworden ist – meisten so um die 8 K.
Nun müssen wir dieses Messergebnis nur noch deuten. Jedenfalls erkennen wir,
135
dass wir mit der reflektierenden Schicht das Gleiche erreicht haben, was man
mit einer hinten aufgeklebten Dämmschicht hätte erreichen können. Dort wäre
allerdings der temperaturerhöhende Effekt nach einer gewissen Zeit wieder
verschwunden, weil sich der Dämmstoff selbst erwärmt hätte und von da ab die
gleiche Strahlungsmenge emittiert hätte wie die nicht reflektierende Seite der
anderen Platte.
Da sich die reflektierend beschichtete Platte deutlich erwärmt hat, bleibt nur ein
Schluss möglich. Reflektierende Schichten können Wärmestrahlung nur sehr
schlecht abgeben. Die Wärmeenergie bleibt also in der Platte. Eine
nennenswerte Dämmwirkung kann die Alufolie natürlich nicht entfalten. Im
Gegenteil, die Alufolie ist bei dem Plattenaufbau die Schicht mit der höchsten
Wärmeleitung. Was lernen wir daraus? Bis zu einem gewissen Grad können
Dämmstoffe durch reflektierende Schichten ersetzt werden. Nun verstehen Sie
auch besser, weshalb ich bei meinen Konstruktionen bei ausgebauten Dächern
mit normwidrig dünnen Dämmschichten arbeite, unter denen sich allerdings
reflektierende Folien befinden. Nach der gleichen Überlegung ist es auch richtig,
unterhalb von Fußbodenheizungen im Bereich der Dämmstoffe an richtiger
Stelle reflektierende Folien einzubauen.
Nachdem ich eine zeitlang in dieser Art herumexperimentiert hatte, war ich
davon überzeugt, dass man mit Hilfe reflektierender Baustoffe auch
Konstruktionen entwickeln konnte, die die Energieverlagerung an Außenwänden
behindern konnten.
Kurzerhand startete ich einen Freilandversuch, der so aussah, dass ich auf einer
Fläche von etwa 30 m² Faserzementplatten auf der Rückseite mit
hochglänzender Alufolie beklebte und diese auf einer Lattenkonstruktion an
einer Hauswand anschrauben ließ. Die Fugen zwischen Latten und Hauswand
und auch zwischen den Platten verschloss ich winddicht mit selbstquellenden
Dichtungsbändern. Da ich davon überzeugt war, dass sich beim Versuch jede
Menge Feuchtigkeit im Hohlraum, den ich später „Spalt“ nannte, ansammeln
würde, formte ich die Lattenkonstruktion unten trichterförmig, sodass es
möglich gewesen wäre, heraustropfendes Tauwasser aufzufangen und zu
messen.
Von meiner Idee unterrichtete ich auch das Institut für das Fachgebiet
Allgemeiner Ingenieurbau an der Technischen Universität Berlin (Prof. Dr.-Ing.
Cziesielski), das sodann meine Anregung aufgriff und im Rahmen einer
136
180
Dipl.-Ing. Tilman Berg, Bestimmung der Wärmeverluste durch einschichtige Wandkonstruktionen
bei nachträglicher Anordnung reflektierender Schichten im Bereich nichthinterlüfteter Bekleidungen,
Fachgebiet Allgemeiner Ingenieurbau bei Prof. Dr. E. Cziesielski, 2002.
137
Hierbei ist 0,7 der Tangens der Geradensteigung zur x-Achse und die Konstante
8 die Spalttemperatur bei einer Außentemperatur von 0 °C. Dieses Ergebnis
führte zu zwei wichtigen Erkenntnissen:
Wer bis dahin das Bisherige einigermaßen verstanden hat, wird auch noch den
Rest verstehen:
Die Passivhausleute habe diese Problematik schon vor langem erkannt. Ihre
Lösung sieht so aus, dass der von innen nach außen geführte Wärmestrom mit
extrem dicken Dämmschichten behindert wird, die exogene Energie über
Solarkollektoren mittels einer aufwändigen Technik ins Haus geleitet wird.
181
Einer der führenden Hersteller von WDVS, die Sto AG hat das schon gemerkt, weshalb er bereits an
TWD mitwirkt.
139
Bei der Thermosfassade, deren Spalt von der Aussenluft abgekoppelt ist,
besteht dieses Problem nicht. Die Freilandversuche haben auch gezeigt, dass
die gelegentliche Kondensatbildung auf der reflektierenden Fläche keine Spuren
hinterlässt. Tauwasser ist ja Wasser in seiner reinsten Form, nämlich ein
Destillat.
Wenn sich nun in Bälde die Erkenntnis durchsetzen wird, dass eine
energiesparende Fassadentechnik für exogene Energie aufnahmefähig sein
muss, kommt von da ab der Wärmespeicherungsfähigkeit von Außenwänden
wieder Bedeutung zu. Der exogene Energieeintrag benötigt nämlich
wärmespeichernde Substanz, in der die Energie deponiert werden kann.
Andererseits gibt es im Bauwesen die Tendenz zu sehr leichten und
massearmen Hüllkonstruktionen. Ich überlege manchmal, ob man nicht den
besten Wärmespeicher Wasser als Baustoff entdecken sollte. Eine 10 cm dicke
Wasserschicht hat bereits die Wärmekapazität einer 40 cm dicken Ziegelwand.
Wer hindert uns eigentlich daran, in der Fassade Wasserleitungen zu verlegen,
die exogene Energie aufnehmen. Wie diese Energie sodann verwertet wird, ist
dann ein geringeres Problem. Ansätze in dieser Richtung gibt es schon und es
ist zu erwarten, dass hier weiterer technischer Fortschritt geschehen wird.
Energieeinsparende Fassadenanstriche
Neuerdings werden Fassadenanstriche angeboten, die der Energieeinsparung
dienen. Die Wirkung dieser Anstriche beruht darauf, dass sie einen
verhältnismäßig geringen Emissionskoeffizienten haben, was dazu führt, dass
182
Die dabei erzielte Energieeinsparung beruht im Wesentlichen auf dem geringeren Temperaturgefälle
zwischen Raumluft und Wandinnenoberfläche und dem damit verminderten konvektiven Energieüber-
gang.
141
Will daher der Hersteller dieser Anstriche aus dem Verdacht der unlauteren
Werbung herauskommen, muss er die Karten auf den Tisch legen. Das ist nach
meiner Überzeugung nur dadurch möglich, dass physikalische Daten bekannt
gemacht werden, insbesondere durch wellenlängenabhängige Emissions-
koeffizienten. Dabei könnte sich durchaus zeigen, dass die verhältnismäßig
kurzwellige exogene Einstrahlung, zu der ja auch die UV-Strahlung gehört, sehr
gut absorbiert wird, während die langwellige Abstrahlung vom Gebäude nur
gering emittiert wird. Würde das funktionieren, wäre das in der Tat eine sehr
gute Sache. Es verbleibt aber dann immer noch die Frage, wie sich die
Oberflächen bei zunehmender Verschmutzung verhalten, mit der ja zu rechnen
ist. Ich bin also neugierig. Die Idee, die hinter dieser Technologie steht, ist
jedenfalls beachtenswert.
Schall
Welche Energien Schall freisetzen kann, ist schon in der Bibel nachlesbar. Die
Israeliten brachten mit dem Lärm von Posaunen die Stadtmauern von Jericho
zum Einsturz. Vermutet wird, dass das die Wirkung niederfrequenter
Schallwellen war. Demzufolge müssen die damaligen Posaunen größer als
Alphörner gewesen sein, denn nur solche instrumentalen Ungetüme können
niederfrequente Schallwellen auslösen.183 Wie hat das aber funktioniert?
Da spielt das Phänomen der Resonanz eine Hauptrolle. Aus der Schulzeit ist uns
noch der Versuch unseres Physiklehrers in Erinnerung, der zwei Stimmgabeln
mit dem Kammerton a` in etwa 3 m Entfernung aufgebaut hat, meistens auf
einem Resonanzkasten aus Holz. Dann hat er eine der Stimmgabeln
angeschlagen und fast ohne Verzögerung hat sodann die zweite Stimmgabel
ebenfalls und in gleicher Lautstärke zu tönen begonnen. Hat er den Versuch
183
Es kann aber auch daran gedacht werden, dass niederfrequente Schallwellen aus Schwebungen ge-
wonnen werden können, die dann entstehen, wenn zwei Schallerzeuger Töne mit geringen Frequenz-
unterschieden produzieren. Das kann man auch mit höher tönenden Instrumenten bewerkstelligen.
142
Schon die alten Griechen wussten über Schall eine ganze Menge. Ihre riesigen
Freilufttheater sind für ihre hervorragende Akustik berühmt. Das Problem
bestand darin, dass auch auf den weit von der Bühne entfernten Plätzen die
Rede und der Gesang der Schauspieler gut hörbar sein mussten. Mikrofone und
Lautsprecher gab es noch nicht. Stattdessen trugen die Schauspieler Masken,
die als Hohlkörper den Schall enorm verstärkt haben. Die Wirkung können Sie
selbst ausprobieren. Nehmen Sie einen gewöhnlichen Blecheimer uns sprechen
da hinein. Ihre Kinder werden diese Technik begeistert aufgreifen und fortan
aus purer Gaudi einen Heidenlärm veranstalten. Eine weitere Technik zur
Verbesserung der Akustik bestand darin, dass zwischen den Sitzreihen
Tongefässe unterschiedlicher Größe und nach einem von uns nicht mehr
beherrschten System mit der Öffnung nach vorne aufgestellt worden sind, die
als Resonanzkörper den Schall verbreitet haben.
Derartige Ereignisse zeigen uns, dass Schallenergie durch Luft übertragen wird.
Was geschieht da also genau? Wenn wir uns das klar machen, verstehen wir
alles, was mit Luftschall zu tun hat, besser. Betrachten wir also die Luft.
Luft ist ein Gemisch aus Stickstoff, Sauerstoff, etwas CO2, einigen Edelgasen,
leider auch von Beimengungen zivilisatorischer und natürlicher Herkunft, die
meistens unserer Gesundheit schaden, und außerdem von erheblichen Mengen
an Wasserdampf. All das schwingt, allerdings in so hohen Frequenzbereichen,
dass sie für uns unhörbar sind. Außerdem steht die Luft unter Druck, der seine
Ursache in der Erdanziehungskraft hat, und der umso höher ist, je mehr Luft
aufeinander liegt. Daher ist der Luftdruck in großen Höhen geringer als auf
Meereshöhe. Der Luftdruck presst die Luftteilchen zusammen, die ihrerseits in
heftigen Schwingungszuständen sind und daher auch sehr häufig miteinander
zusammenstoßen. Betrachten wir uns das aus größerer Entfernung, sehen wir –
wir sehen natürlich nichts – dass das Luftgemisch unter Spannung steht. Wie
eine Saite. In großen Höhen mit geringerer Luftdichte ist die Schallübertragung
übrigens erheblich schlechter. Auf dem Mond können Sie schreien so laut wie
sie wollen. Niemand hört Sie dort.
es letztlich dazu, dass die Störungen irgendwo auftreffen, z.B. auf dem
Trommelfell des Ohres oder auf einem anderen schwingfähigen Material, das
nun im gleichen Masse zu schwingen beginnt, wie die Stimmgabel. Damit wird
das angeregte Material nun selbst schwingen – genau in der Frequenz der
Stimmgabel – und wird nun selbst die angrenzenden Luftteilchen anregen. Das
Ganze geschieht mit hoher Präzision, sodass Musikliebhaber mit geschulter
Hörerfahrung feinste Klangunterschiede bemerken und sagen können, ob ein
Geigenkonzert auf einer Stradivari oder auf der meines Geigenbauers Sebastian
Muthesius – den ich hiermit empfehlen möchte – gespielt wird. Der ungeschulte
Hörer wird keine Unterschiede feststellen. Diese Präzision der Schallübertragung
ist der Feinheit der Luft zu verdanken, die man so interpretieren kann wie das
extrem hohe Auflösungsvermögen einer Digitalkamera. Zu vermerken ist noch,
dass die Energiebeträge, um die es hier geht, beachtlich hoch sind, wie man am
Fall der Mauern von Jericho sehen kann. Dort ist den Israeliten nämlich das
Kunststück gelungen, die Eigenfrequenz der Stadtmauern herauszufinden und
sodann Töne mit dieser Frequenz zu erzeugen. Hierdurch begannen die Mauern
zu schwingen. Der innere Zusammenhalt der Mauern ging dadurch verloren und
wahrscheinlich sind sie regelrecht zerbröselt. Wir können vermuten, dass
Jerichos Mauern auch ein ziemliches Pfuschwerk waren. Da kam also eines zum
anderen.
Nicht nur Luft dient als Schallträger sondern jeder Stoff der wegen seiner
Struktur schwingungsfähig ist, also auch Festkörper und Flüssigkeiten. Nicht
schwingungsfähige Stoffe sind zur Schallübertragung nicht fähig, also alles, was
einen schlappen Eindruck macht, Bettfedern zum Beispiel. Dort dringt zwar die
Schallenergie auch ein, wird aber nicht weitergeleitet. Trotzdem geschieht mit
der eingedrungenen Schallenergie etwas – wir haben ja schließlich den
Energieerhaltungssatz. In den Nichtschallleitern wird die Schallenergie
absorbiert und führt – wie bei der Absorption von Lichtwellen – zur Erwärmung
144
des Stoffes. Glauben Sie aber nicht, dass man auf dieser Grundlage ein
Heizsystem entwickeln könnte. Dazu reicht die Energie nun doch nicht aus.
Oder doch ?
Soweit wir den baulichen Schallschutz im Auge haben, kennen wir nun die
wesentlichen physikalischen Hintergründe. Da gibt es aber auch noch das
Problem der Akustik. Wenn wir dieses behandeln, stoßen wir noch zusätzlich
auf die Reflexion von Schall. Den Leser bitte ich noch um etwas Geduld.
Vorerst beschäftigen wir aber uns mit der technischen Lösung des baulichen
Schallschutzes in Gebäuden, wo es darum geht, dass Lärm sich nicht
ungehindert ausbreitet und Ärger und Unfrieden auslöst. Hierbei trennen wir
das Problemfeld in zwei Teile auf und zwar in:
Was verstehen wir darunter? Zunächst aber einmal keine Bange. Ich werde Sie
nicht mit schalltechnischen Berechnungen plagen. Die überlassen wir besser
dem Profi. Hier genügt es, dass wir uns das Grundwissen aneignen, das für
richtige Konstruktionen normalerweise ausreicht. Außerdem: Alle
schalltechnischen Berechnungen sind Vereinfachungen von sehr komplizierten
Sachverhalten und daher nur sehr eingeschränkt zuverlässig.
Allerdings haben Decken und Wände sehr oft Schwachstellen. Das sind
Leitungsschlitze, Durchbrüche und Aussparungen für Nischen und so fort. Diese
sind im Entwurf zu vermeiden. Denn die verminderte Schalldämmung bei
derartigen Schwachstellen reicht aus, um Ärger mit dem Nachbarn auszulösen.
Ganz schlimm sind vor der Wand geführte Heizungssteigleitungen. Sie sind
perfekte Schallüberträger, wobei die angeschlossenen Heizkörper sich wie
Schallempfänger und Lautsprecher verhalten. Derart gebaute Heizanlagen sind
kompletter Murks, hier in Berlin aber der Normalfall bei modernisierten
145
Nun gibt es aber nicht nur die masserreiche Massivbauweise. Die Leichtbau-
weisen haben keine Stahlbetondecken oder dicke Ziegelmauern. Da müssen wir
also tricksen und unsere physikalischen Grundkenntnisse über Resonanz
praktisch anwenden.
Zuvor zum besseren Begreifen noch ein kleines Experiment, das Sie
durchführen sollten: Gehen Sie in Ihr Badezimmer und klopfen Sie gegen den
Badezimmerspiegel, der an vier Stellen mit Spiegelklammern befestigt ist. Sie
werden ein Mischgeräusch hören, das aus allen möglichen Frequenzen
zusammengesetzt ist. Nun hängen Sie den Spiegel aus und halten ihn nur noch
mit zwei Fingern fest und lassen Sie ihn so herunterhängen. Lassen Sie ihn aber
nicht fallen, weil es sonst Ärger mit der Hausfrau gibt. Klopfen Sie wieder gegen
den Spiegel, Sie werden nun einen schönen, glockenartigen Ton hören, der nur
noch aus einer Frequenz besteht. Nun hängen Sie den Spiegel wieder ein.
Wir hören also, dass eine eingespannte Platte in vielen Frequenzen schwingt,
eine freischwingende Platte nur in ihrer Eigenfrequenz.
Nun müssen wir uns nur noch vorstellen, dass eine fest eingespannte Platte
gegenüber der Querwand wie ein Hebel wirkt, über den die Schwingungs-
energie in die Querwand eingeleitet wird.
Wen Sie das alles beachtet haben, werden Sie bei einem Test feststellen, dass
der Schalldurchgang durch die Wand sich so stark verringert hat, dass man von
Schalldichtigkeit sprechen kann. Wie funktioniert das Ganze?
Die frei schwingende Platte kann nur noch in Ihrer Eigenfrequenz schwingen.
Fast immer sind das Niederfrequenzen im nicht mehr hörbaren Bereich. Dass
die alte Wand ausgerechnet die gleiche Eigenfrequenz hat, ist so
unwahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Eine Resonanz zwischen
146
Vorsatzschale und Wand ist also unmöglich. Die Mineralwolle im Hohlraum ist
ein ausgezeichneter Schallschlucker. Der Hohlraum ist somit schalltot. Da die
Vorsatzschale zu den angrenzenden Konstruktionen keine Verbindung hat, kann
auch dort kein Schall übertragen werden. Die sog. „Flankenleitung“ ist also
unterbunden.
Wichtig bei diesen Konstruktionen ist eine große handwerkliche Sorgfalt und es
schadet bestimmt nicht, dass man den Handwerkern die Funktionsweise
schalldämmender Vorsatzschalen erklärt und sie nicht blind vor sich hinwursteln
lässt.
Bei Holzbalkendecken gibt es einige gute Konstruktionen, die zum Erfolg führen.
Dort haben wir ein Sonderproblem vor allem dann, wenn wir die Balkendecke
architektonisch als fertige Untersicht hernehmen wollen und hierbei auf der
Oberseite der Balken eine Sichtschalung aufgebracht wird. Zunächst ist diese
Konstruktion nämlich zu leicht. Die Balken würden in Schwingung geraten. Bei
meinen Fachwerkhäusern habe ich folgende Konstruktion184 entwickelt, die sehr
gut funktioniert:
Auf die Schalung über den Holzbalken, die mindestens 28 mm stark sein sollte
und in jedem Fall statisch nachgewiesen werden muss, wird ein weiches
Material mit ca. 5 mm Stärke verlegt. Gut geeignet sind textile Abdeckmatten,
184
Angeregt wurde ich hierzu durch eine Veröffentlichung der Holzindustrie in den späten 70er Jahren
des vorigen Jahrhunderts.
147
wie sie zum Schutz von Böden bei Malerarbeiten verwendet werden. Das Zeug
ist dermaßen billig, dass es zweilagig verlegt werden sollte. Darauf werden nun
mit knirschen Stößen hundsordinäre Gehwegplatten II.Wahl verlegt, die eine
Stärke von 50 mm haben sollen. Dieser Aufbau bringt eine Flächenlast von
1,0 KN/m² und führt dazu, dass nun die Deckenbalken ständig unter Last
stehen – in gewisser Weise also vorgespannt sind. Auf dieser Konstruktion
können Sie nun den weiteren Bodenaufbau herstellen. Das sind entweder die
üblichen schwimmenden Estriche oder auch Dielenböden über Lagerhölzern.
Den Trittschalldurchgang behindern Sie dadurch, dass die Lagerhölzer auf
einem elastischen Material verlegt werden. Neben den üblichen
Mineralwollestreifen sind auch Materialien gut geeignet, die aus
zerschredderten Altautoreifen hergestellt sind. Damit der Dielenboden nicht
dröhnt, muss der Hohlraum zwischen den Lagerhölzern mit loser Mineralwolle
oder einem anderen schallschluckenden Material ausgefüllt werden. Bei meinen
Fachwerkhäusern funktioniert dieser Aufbau hervorragend. Abraten würde ich
davon, die Gehwegplatten durch einen Estrich ersetzen zu wollen. Der würde
mit großer Wahrscheinlichkeit reißen. In den Rissen würden dann
unangenehme Knirschgeräusche entstehen. Die weiche Unterlage polstert die
Gehwegplatten gegen die Holzschalung ab, sodass auch da keine
Knirschgeräusche entstehen. Wichtig ist, dass Sie dem Statiker diesen Aufbau
bekannt geben, da er die Lasten berücksichtigen muss.
Raumakustik
Räume sollen eine angenehme Akustik habe. Eigentlich könnte man sagen, dass
die Akustik eines Raumes Teil des Raumklimas ist. Die Anforderungen an die
Raumakustik hängen von der Raumnutzung ab. Ein Aufnahmestudio ist immer
ein schalltoter Raum ohne Resonanz. Dort machen sich später die Tonmeister
ans Werk, die eine Tonaufnahme akustisch aufarbeiten. In Konzertsälen kommt
148
es darauf an, dass in allen Raumzonen die Darbietung mit allen Feinheiten
gehört werden kann. Die berühmtesten Konzertsäle haben fast immer eine lang
gestreckte Form. Runde und sehr hohe Räume haben dagegen fast immer eine
so schlechte Akustik, dass Musikdarbietungen kaum möglich sind. Problematisch
scheint in Berlin der große Saal der Philharmonie von Scharoun zu sein. Anders
kann ich mir die Unzahl von Mikrofonen, die über den Musikern hängen, nicht
erklären. Möglicherweise sitzen da in Technikräumen Tontechniker, die die
Darbietung aufbereiten müssen, damit es zu einem Hörgenuss kommen kann.
In Wohnräumen hat man dann eine gute Akustik, wenn man den
Gesprächspartner auch auf größere Distanz gut verstehen kann und dass man
selbst beim Sprechen das Gefühl hat, dass man sich nicht anstrengen muss.
Dies erreicht man dann, wenn man bei der Konstruktion des Hauses, bei der
Auswahl der Baustoffe und bei der Innendekoration darauf achtet, dass
möglichst viele schwingungsfähige Materialien verbaut werden.
Schallschluckende Materialien z. B. Teppichböden oder dicke Vorhänge
verschlechtern fast immer die Akustik.
Muss die Akustik eines Raumes möglichst gut vorherbestimmt werden, müssen
Spezialisten eingeschaltet werden. Die arbeiten nach Erfahrungswissen. Häufig
werden Raummodelle im Maßstab 1:20 gebaut und damit experimentiert.
Hierbei werden Messungen mit hohen, dem Modell angepassten
Schallfrequenzen durchgeführt.
Elektrosmog
Als sich der Mensch vor über einer Million Jahre entwickelt hat, war auch er der
elektromagnetischen Strahlung ausgesetzt. Bei Sonneneruptionen kam es
kurzfristig zu kräftigen Erhöhungen der elektromagnetischen Strahlung.
Normalerweise war die kosmische Strahlung aber so gering, dass sie keine
biologischen Wirkungen hatte. In kalten Regionen, wo die Menschen sich in
Höhlen aufhielten, waren sie gelegentlich dem Radon ausgesetzt, was wegen
der damit bewirkten genetischen Veränderungen zum Tempo der Evolution
beigetragen hat. Seit Anfang des vorigen Jahrhunderts hat die Entwicklung der
Elektrotechnik dazu geführt, dass wir uns permanent in künstlich erzeugten
elektromagnetischen Feldern aufhalten, die ein Vielfaches der natürlichen
Strahlungsbelastung bewirken. Niemand wird behaupten, dass die hier in
jüngerer Zeit entstandenen Sorgen um die Gesundheit grundlos seien.
Genaueres wissen wir aber nicht. Da wird noch geforscht. Je nach
Interessenlage wird abgewiegelt oder Panik erzeugt. Aus reiner Vorsicht sollte
man das aber bedenken und sich ernsthaft damit beschäftigen. Solange wir
nichts Genaues wissen, meine ich, dass man rein vorsichtshalber sich nicht
bedenkenlos dem sog. „Elektrosmog“ aussetzen sollte.
sie auch elektromagnetische Wellen abschirmen. Damit ist es also möglich, den
Elektrosmog drastisch in Gebäuden zu verkleinern.
Jedenfalls habe ich in dieser Zeit viel gelernt. Zusammen mit Gabor Benedek,
der in München als Architekt Karriere gemacht hat und auch als Karikaturist bei
der Süddeutschen Zeitung agierte, habe ich teilweise völlig selbständig
Bauwerke geplant und geleitet.
In der Ausarbeitung von Details wurde wüst gewühlt. Die Planungstechnik bei
Herbert Korn war so, dass in bereits fertige „Fuffzigstel“ – so nannte man
damals die Werkpläne im Maßstab 1: 50 – nachträglich Detaillösungen gequält
wurden. Das hat mir nie gut gefallen, weil da fast immer nur
Kompromisslösungen entstanden sind. Als ich mich dann am Ende meines
Studiums als selbständiger Architekt betätigt habe, habe ich diese
Planungsweise radikal geändert. Ich führte ein, dass zunächst alle wichtigen
Details im Maßstab 1: 5 gezeichnet worden sind und der Rohbau hieran
angepasst worden ist. Meinen Bauzeichnerlehrlingen habe ich immer den
Wahlspruch „Vom Fertigen ins Rohe“ eingebläut. Das hat sich bis heute gut
bewährt. So hat sich dann im Laufe der Zeit meine Begeisterung für saubere
150
Detaillösungen entwickelt, vor allem als ich sah, dass diese ganz wichtig für die
architektonische Haltung eines Bauwerks sind. In dieser Zeit ist bei mir auch die
Gewohnheit entstanden, dass ich scheinbar fertige und abgeschlossene
Bauregeln mit zunehmenden Misstrauen betrachtet habe. Damals begann auch
mein Interesse an Bauphysik, die im damaligen Planungsalltag überhaupt keine
Rolle gespielt hat. Im Studium hat man da überhaupt nichts Sinnvolles gelernt.
Der Umgang mit bauphysikalischen Problemen – damals hauptsächlich bei
Flachdächern – hatte etwas Schamanenhaftes an sich.
In dieser Zeit entdeckte man auch das Ziegelsichtmauerwerk wieder einmal neu
und begeisterte auch mich. Inspiriert hat mich da hauptsächlich mein damaliger
Professor für Baukonstruktion Eichberg, der im Umfeld der alten Technischen
Hochschule einige Ziegelbauten errichtet hat.
Nun hatte ich also das Problem zu lösen, wie man Schlagregendurchbrüche und
Ausblühungen an Ziegelsichtmauerwerk verhindern könne. Ich hatte nämlich
keine Lust, mich bereits bei meinem ersten grösseren Bauwerk zu blamieren. In
den Unterlagen des Bayerischen Ziegelverbands fand ich hierzu nichts. Da gab
es Bauregeln, die besagten, dass Mauerwerk vollfugig zu errichten sei.
Sichtmauerwerk sei hohlfugig zu errichten, was besagte, dass im
Fassadenbereich die Mauerfugen 4 cm tief auszukratzen seien und nachträglich
mit „erdfeuchtem“ Mörtel erst in den Stoßfugen und sodann in den Lagerfugen
mit einer Fugenkelle zu verfugen sei. Leider stehen diese weltfremden Regeln
noch heute in den Fachbüchern drin.
151
Aus meiner eigenen Praktikantenzeit am Bau wusste ich, dass es ein vollfugiges
Ziegelmauerwerk schlicht nicht gab. Der Mauermörtel wurde nur als Würstchen
im vorderen Bereich der Fassade aufgetragen. Im Mauerkern war zunächst alles
hohl und offen. Die Verfüllung der inneren Stoßfugen erfolgte durch das
Einfüllen von angetrockneten Mörtelresten, aber auch mit Zigarettenkippen und
was sonst noch zufällig herumlag. Bauhelfer mussten außerdem
heruntergefallenen Mörtel am Mauerfuß, der schon weitgehend abgebunden
hatte, auf die Mauerkrone schippen. Dieser Dreck war das übliche
Verfüllmaterial. Von vollfugig errichtetem Mauerwerk also keine Rede. Das lief
nach dem Motto „aussen hui – innen pfui“. Ich musste mir da also etwas
einfallen lassen, bei dem die Bauhandwerker auch dann mitspielten, wenn ich
nicht gerade auf dem Gerüst stand.
Die Verfüllung der bis dahin immer noch völlig offenen inneren Stoßfugen
wurde durch Bauhelfer erledigt. Diese rührten in schwarzen Plastikeimern den
normalen Mörtel mit viel Wasser zu einer Mörtelsuppe etwa in der Konsistenz
einer Erbswurstsuppe an und schütteten diese Brühe in die Fugen hinein. Das
überschüssige Wasser wurde sofort von den bisher trockenen Backsteinen
aufgesaugt. Damit erhielt das Mauerwerk endlich auch das für den
Abbindeprozess notwendige Wasser. Die gute alte Sitte, dass Ziegelsteine vor
dem Vermauern zu nässen seien, war längst in Vergessenheit geraten und wäre
auch nicht durchsetzbar gewesen. Jedenfalls war nun das Mauerwerk
ausreichend feucht und vor allem vollfugig. Die damaligen Erstbedenken meines
prachtvollen Poliers Josef Lang gegen diese neuartige Arbeitsweise, die ja ein
blutiger Berufsanfänger sich ausgedacht hatte, zerstoben sehr rasch, als er sah,
dass diese Arbeitsweise auch sehr rationell war. Die Zeit, die bisher die Maurer
mit dem lustlosen Stochern in den Stoßfugen vergeudet hatten, musste von
nun an nur noch für das Mauern aufgewendet werden. Der Fugenverguss
wurde von den billigeren Bauhelfern erledigt.
Allerdings tauchte auf meiner Baustelle eines Tages eine Abordnung des
Bayerischen Ziegelverbandes auf, der von dieser Neuerung erfahren hatte. Er
hatte die Sorge, dass diese Arbeitsweise den Baustoff Mauerziegel in Verruf
bringen könnte. Das war eben etwas Neues und schon deshalb abzulehnen.
Einige Jahre später hatte ich aber die Genugtuung, dass in Arbeitsblättern des
Verbandes diese Arbeitsweise sogar ausdrücklich empfohlen wurde und hierbei
die Texte meines Leistungsverzeichnisses, in dem die neue Arbeitsweise
152
Noch aber gab es das Problem „Ausblühungen“. Da musste man zuerst einmal
herausfinden, was Ausblühungen eigentlich sind. In aller Regel sind
Ausblühungen die Ablagerungen von zur Außenwand durchgewanderten
Calziumionen und von löslichen Salzen die mit eingedrungenem oder
kondensiertem Wasser transportiert werden. Letzteres kann man sogar mit
einer Geschmacksprobe feststellen. Bei Mauerziegeln, die südlich der Mainlinie
hergestellt werden, befindet sich im Stein kaum Salz. Mauerziegel aus dem
norddeutschen Bereich kann man hingegen auch zum Würzen verwenden – so
versalzt sind diese häufig. Man musste also die Salze und die Calziumionnen am
Wandern behindern. Da kam mir der pure Zufall zu Hilfe. Noch als Student habe
ich nämlich in einer Wühlkiste der Buchhandlung Hugendubel am Münchner
Amiraplatz eine Baufachzeitschrift aus den 70er – Jahren des 19.Jhdts.
entdeckt, auf deren Titelseite ein wunderschöner Stahlstich vom eben
fertiggestellten Kölner Dom abgedruckt war, weshalb ich die Zeitschrift auch für
50 Pfennig gekauft habe. Innen drin fand ich einen Aufsatz eines Kölner
Mauermeisters, in dem der berichtete, dass eine Zugabe von Trass185 im
Mauermörtel offenbar die Wirkung hätte, dass keine Ausblühungen mehr
stattfänden. An diesen Aufsatz erinnerte ich mich dann einige Jahre später. Ich
glaubte dem Kölner Maurermeister und ordnete daher an, dass dem Bindemittel
im Mörtel etwa 10% Trass beizumengen sei.
Erst viel später hat ein mir befreundeter Chemiker mir erklärt, dass Trass die
Fähigkeit hätte, freie Calziumionen und Salze an sich zu binden und hieraus
eine chemisch – kristalline und wasserunlösliche Verbindung entstünde.
Jedenfalls hatte ich bei dieser Bauweise niemals auch nur den Hauch einer
Ausblühung zu vermerken.
Wichtig war letzten Endes auch eine genaue Mischrezeptur für den Mauersand.
Die entwickelte ich stets in meiner Küche. Ich füllte in einen Maßkrug genau
einen Liter Sand ein, trocknete diesen in einem Topf auf dem Herd und wog ihn
sodann. Nun füllte ich den getrockneten Sand mit Wasser bis zum oberen Rand
auf und wog das wieder. Der Gewichtsunterschied zeigte unmittelbar den
Hohlraumanteil im Sand an. Meistens waren das etwa 30%. Durch Zugaben
anderer Korngrössen wurde der Hohlraumanteil auf etwa 15 % abgesenkt.
Dieser Hohlraum wurde dann in der Mörtelmischung durch das Bindemittel aus
Kalk, Zement und Trass gefüllt. Damit war ein sehr guter Mörtel gegeben, der
die richtige Struktur und gute Verarbeitbarkeit hatte.
Diese Bauweise habe ich später in den mittleren 80er – Jahren auch bei einem
Büro – und Geschäftshaus in Berlin –Reinickendorf vorgeschrieben. Bei einem
Baustellenbesuch traf mich dann allerdings fast der Schlag als ich sah, dass an
einer Mauerpartie ungefähr fünf Schichten ausgeblüht waren. Ich protestierte
185
Trass ist eine Art Naturzement, die in vulkanischen Landschaften z.B. in der Eifel oder in der Nähe
von Neapel bei Puzzuoli gewonnen wird. Mit diesem Material haben schon die alten Römer
Betonbauwerke errichtet.
153
dagegen lauthals bis mir der Polier der Baustelle eingestand, dass eine
Trasslieferung verspätet eingetroffen sei und man daher den Mörtel ohne Trass
angerührt hätte. Daraufhin verpflichtete ich die Baufirma dazu, dass sie in den
kommenden zehn Jahren regelmäßig anrücken müsse um die Ausblühungen
trocken abzubürsten, also für die voraussichtliche Zeit, bis der Vorrat an freien
Ionen aufgebraucht war. Jedenfalls war dies der letzte Beweis für die Wirkung
des Trass´ im Mörtel.
Schlussbemerkung
Ich habe Sie nun in die Welt der Bauphysik geführt und hierbei versucht den
trockenen Fachbuchstil zu vermeiden. Meine Absicht ist dann erreicht, wenn Sie
künftig selbst bei der Betrachtung Probleme weiterdenken. Machen Sie
Gedankenexperimente.
Denken Sie sich – nahezu meditativ – in die Welt der kleinsten Teilchen hinein.
Unsichtbares wird hierbei sichtbar und anschaulich. Sie werden auf Fragen
stoßen, an die Sie bis heute nicht einmal gedacht haben. Sie müssen also
weiterforschen, weiterlernen, Fachleute und die Fachliteratur befragen. Geben
Sie sich niemals mit unklaren Auskünften zufrieden. Gehen Sie den Dingen auf
den Grund. Der Zweifel ist bei uns Architekten eine Tugend. Wenn der Staat
und die Industrie uns zu irgendwelchen Dingen zwingen wollen, ist höchste
Vorsicht angebracht. Als Architekt haben Sie eine moralische Verpflichtung zur
Weiterbildung. Außerdem macht das auch noch Spaß und hält geistig fit.
Christoph Schwan
am 6.August 2010
154
Bohr, Hendrik Niels David. 1885 -1962, dän. Physiker, Entdecker des nach ihm
benannten B.´schen Atommodells, dass noch immer trotz der
weitergegangenen Forschung als gute Analogie der Bewegungen der Elektronen
um den Atomkern gilt.
Dewar, Sir James. Schottischer Erfinder des nach ihm benannten D.-Gefässes,
der heute als Gebrauchsgegenstand weit verbreiteten Thermoskanne, einer
praktischen Anwendung des Strahlungsgesetzes von Stefan – Boltzmann.
Immer noch eine der besten Methoden zur Behinderung von Energie-
verlagerungen, weit besser als die Dämmtechnik.
Dipol. Material mit einem magnetischen Plus – und einem Minuspol, allgemein
bekannt in der Form eines Stabmagneten. Wassermoleküle sind ebenfalls
Dipole, die sich auf die physikalischen Eigenschaften von Wasser auswirken.
Wird Wasser erhitzt, überwiegen ab gewissen Temperatur – und
Druckverhältnissen die Molekularbewegungen energetisch die auf der
Dipoleigenschaft beruhenden Adhäsionskräfte der Teilchen untereinander.
Wasser wird sodann dampfförmig. Kondensation entsteht beim umgekehrten
Vorgang.
Drittmittel. Spenden aus der Wirtschaft an die Forschungsinstitute, ohne die die
heute praktizierte Forschungsarbeit nicht mehr möglich wäre. Für die
Hochschullehrer gilt als Qualitätsmerkmal die Höhe der eingeworbenen
Drittmittel. Davon hängen auch die Chancen, in eine höhere Gehaltsklasse
eingestuft zu werden, ab. Gefahr: Eine zweckfreie Forschung findet daher kaum
156
mehr statt. Die heutige Forschung hat sich von den Interessen der Industrie
abhängig gemacht.
Eichler, Friedrich. Bekannter und führender Bauphysiker in der alten DDR, vor
allem bekannt durch seine „Bauphysikalische Entwurfslehre“.
Energie. Fähigkeit Arbeit zu leisten. Daher wird sie häufig über die
Arbeitsleistung definiert. Die Einheit der Energie ist die (Ws). Abgeleitet ist
diese Größe aus dem Nm (Newtonmeter). Ein Nm ist die Energie, die benötigt
wird, um die Masse 1 kg von der Ruhe auf eine Geschwindigkeit von 1m/s zu
beschleunigen. Diese Definition gilt im gesamten Universum. Frühere
Maßeinheiten waren mit der Erdanziehungskraft verknüpft, z.B. das Kilopond
(kp).
Fourier, Jean Baptiste Josèphe de. 1768 – 1830, franz. Physiker, hier von
Bedeutung durch das sog. fourier´sche Gesetz über Wärmeleitung, die eine
lineare Funktion mit den Parametern Wärmeleitfähigkeit, Materialdicke und
Temperaturunterschied darstellt. Es handelt sich hier um einen sog. „einfachen
Sachverhalt“. Das F.Gesetz gilt in der verstümmelten Form nur für den
stationären Zustand der Randbedingungen und ist daher im Bauwesen
unzureichend, da dort nur instationäre Randbedingungen, die überwiegend
wetterbestimmt sind, herrschen. Unbeachtet bleiben beim F.Gesetz auch
sonstige physikalische Erscheinungen, von denen F. noch nichts gewusst hat.
Hauser, Prof. Dr.-Ing. Gerd. Seit 2005 Nachfolger von Karl Gertis im
Fraunhoferinstitut für Bauphysik und Hochschullehrer an der TU – München für
das Fachgebiet Bauphysik, u.A. Berater der Deutschen Bundesregierung auf
dem Gebiet der Energieeinsparung, maßgebend bei der Entwicklung der EnEV,
158
zahlreichen Einflüssen ab. Im Detail entsteht K. dann, wenn Teilchen des Fluids
mit Teilchen des Festkörpers zusammenstoßen und hierbei wie bei
Wärmeleitung in Festkörpern Schwingungsenergie übertragen wird. Das
Ausmaß der K. wird bei gasförmigen Fluiden von der Häufigkeit der Kollisionen
maßgeblich mitbestimmt. Daher ist die Strömungsgeschwindigkeit von Gasen
an Festkörpern eine ausschlaggebende Größe. Bis heute gibt es für K. keine
sicheren Berechnungsverfahren. Die Werte für die Wärmeübergangszahl
müssen daher experimentell bestimmt werden. Am Geringsten ist K. bei
ruhender Luft. Hier kann mit einem Wert (α) von 2 W/m²K gerechnet werden.
Konvektive Prozesse im Bauwesen bedürfen dringend einer wissenschaftlichen
Untersuchung.
Relative Luftfeuchte. Die r.L. zeigt in (%) an, in welchem Maße Luft mit
Wasserdampf angereichert ist. Hierbei spielt die Temperatur eine entscheidende
Rolle, sodass die Aufnahmefähigkeit der Luft für Wasserdampf von der
Lufttemperatur abhängt. Erreicht die r.L. den Wert 100% und es kühlt sich
sodann die Luft ab, kommt es zum Ausfall von Tauwasser. Daneben ist auch
der Luftdruck für die r.L. maßgebend, was z.B. an der scharfen
Wolkenuntergrenze erkennbar ist. Die r.L. ist bestimmend für ein behagliches
Raumklima. Der Bestwert liegt bei 40 – 45%. Ein wirksames Gegenmittel gegen
zu große r.L. in Räumen ist im Winter der Austausch von kalter Frischluft mit
der warmen Raumluft, da kalte Luft einen geringeren Wasserdampfgehalt hat
und somit der absolute Wasserdampfgehalt der Raumluft und damit auch die
r.L. gesenkt wird. Die Größenordnungen können Tabellen entnommen werden.
Sehr anschaulich und praktisch handhabbar ist auch das Mollierdiagramm.
Tauwasserbildung auf Innenwänden ist stets mit zu hohen r.L. verbunden.
Poröse Baustoffe sind mit wasserdampfhaltiger Luft durchsetzt. Diese führt
unter bestimmten Bedingungen zur Tauwasserbildung im Baustoff. Das sog.
„Glaserverfahren“ diente bis vor kurzem zur Berechnung von
Tauwasserbildungen. Inzwischen hat es sich als unbrauchbar erwiesen, da man
erkannt hat, dass der Faktor Zeit in die Berechnungen mit aufgenommen
werden muss. Auch hier hat sich gezeigt, dass die Annahme des stationären
Zustands zu fehlerhaften Ergebnissen führt. Dass nun konsequent diese
Erkenntnis auch auf die sonstigen energetischen Berechnungen übertragen
werden müsste, hat sich in der „amtlichen“ Bauphysik noch nicht
herumgesprochen.
Temperiermethode.
Schwarzer Strahler. Der S. ist ein theoretisches und in der Natur nicht
vorkommendes Gebilde mit einer maximalen Strahlung und Absorptionsleistung.
Der Reflexionsgrad hingegen ist beim S. null. Er ist wesentlicher Teil des
Strahlungsgesetzes von Stefan-Boltzmann. Er wird da mit der Stefan-
Boltzmann-Konstanten von 5,671 W/m²K4 beschrieben, die das Zeichen (σ) hat.
Die Stefan-Boltzmann-Konstante drückt zugleich aus, dass die
Strahlungsleistung einer Oberfläche in der 4.Potenz proportional zur absoluten
Temperatur steht. Auf die einschlägige Fachliteratur wird verwiesen.
Sensor. In der Technik eine Vorrichtung zum Erkennen von äußeren Einflüssen,
die Regelimpulse auslöst. In der Natur prinzipiell ebenso, z.B. die Verengung
der Pupille bei hellem Licht.
Strahlungskoeffizient. Der S. ist eine unbenannte Zahl und drückt aus, wie sich
Absorption und Reflektion von Wärmestrahlung zum Schwarzen Strahler
verhalten. Er hat in physikalischen Berechnungen die Bezeichnung (ε).
U-Wert. Früher als k-Zahl bekannt, angegeben in (W/m²K) Der U. ist der sog.
„Wärmedurchgangskoeffizient“. Er entsteht aus der Addition der Kehrwerte der
einzelnen Wärmedurchlasswiderstände 1/Λ unter Hinzufügung der Kehrwerte
der Wärmeübergangswiderstände an der Gebäudeinnen- und aussenfläche.
Nach EnEV ist der U. die wichtigste Kennzahl für den Nachweis
energieeinsparender Bauweisen. Der U. ist aus mehreren Gründen fehlerhaft:
Er entsteht aus einem bauphysikalischen Modell, bei dem stets gleiche
Randbedingungen herrschen. Die Wärmeübergangswiderstände sind willkürliche
Festwerte. Strahlungsprozesse werden beim U. vollkommen vernachlässigt,
obwohl ihnen überragende Bedeutung zukommt. Weiterhin wird die
Wärmekapazität der Baustoffe nicht berücksichtigt. Würde man den U.
wenigstens von den Wärmeübergangswiderständen entkleiden, wäre der noch
verbleibende Wärmedurchlasskoeffizient noch brauchbar zum Nachweis der
Tauwasserfreiheit von Aussenwandkonstruktionen. Er würde die Dämmfähigkeit
annähernd richtig beschreiben. Derzeit muss man den U. im Bereich des
Bauwesens als wissenschaftlichen Unfug bezeichnen.
Wetter. Der tatsächliche Ablauf des Wettergeschehens bis in eine Höhe von
etwa 10.000 m über Meereshöhe. Es wird bestimmt durch Sonneneinstrahlung,
Umgebungsstrahlung, Bewölkung, Wind, Windrichtung, relative Luftfeuchte,
Lufttemperatur, Luftdruck, Niederschläge, Dunst, Nebel, Oberflächen-
temperaturen des Bodens u.a.m. Fast alle diese Bestimmungsgrössen sind
untereinander verknüpft. Es ist die einzige Ursache der Notwendigkeit des
sommerlichen und winterlichen Wärmeschutzes. Unsere Gebäude stehen im
Freien und unterliegen daher den Wettereinflüssen – genauer besehen ist das
Wetter der Grund dafür, dass seit Jahrtausenden Gebäude errichtet werden.
165
Scholz, Benjamin Dr., Anfangsgründe der Physik, 3.Aufl. 1827 Wien, Verlag von
J.G.Heubner
Vitruvius, Marcus Pollio, X libri de architectura, ca. 40 v.Chr. Übers. von Rhode,
Artemis, Verlag für Architektur, 2 Bde. 1987.