Bondkommentar: Die Another Day
Bond wird nach einem Mordanschlag in Nordkorea gefangengenommen. Wieder befreit sucht er nach einem Verräter und den verbliebenen nordkoreanischen Gegenspielern.
Der letzte Bond mit Pierce Brosnan ist leider auch der schwächste. Trauriger Höhepunkt ist eine komplett künstlich wirkende CGI-Szene, in der eine sich unrealistische bewegende Figur auf ebenso falschen Wellen vor einem Gletscher windsurft (die Veröffentlichung dieser Version der Szene muss ein Versehen gewesen sein). Jinx, der Charakter von Halle Berry, wird leider bereits beim Erstkontakt mit Bond durch ein komplett seltsames Gespräch beschädigt. Die Musik ist misslungen – schon Madonnas Introsong gefiel mir nicht, aber die Musikuntermalung später ist noch mehr daneben. Und schließlich haben die Actionszenen ab und an komplett abstruse Zeitlupeneffekte. Bei diesem 2002 veröffentlichten Film war der Einfluss von Matrix wohl noch unvermeidbar; solche Charakteristika seiner Zeit müsste man einem Film eigentlich verzeihen, anderseits war selten eine Imitation so misslungen.
Dass der Plan des Oberbösen und die Handlung unplausibel sind überrascht dann nicht mehr. Genauso, dass viele der Actionszenen selbst für einen Bond absurd übertrieben sind. Ein unsichtbares Auto überreizt dann ganz alleine meine Gadgettoleranz. Am stärksten fand ich einen Kampf ziemlich am Anfang, der als Fechtkampf beginnt, bei dem Bond und sein Gegenspieler aber schnell die Waffen wechseln. Der funktionierte gut als Actionszene und als Charakterzeichnung seiner Teilnehmer. Auch manche der Verweise auf frühere Bonds waren nett zu sehen.
Auffällig war der Umgang mit Halle Berry. Zum einen liefert sie den damals groß publizierten Verweis auf Dr. No, nämlich wie Ursula Andress im (diesmal orangenen) Bikini aus dem Wasser zu steigen. Andererseits soll sie nicht nur ein Bond-Girl sein, sondern auch eine Bond ebenbürtige Agentin, der Plan war sogar einen eigenen Film um den Charakter zu stricken. Ein ziemlicher Spagat, der nur so halb gelingt, gerade im Vergleich mit Michelle Yeoh in Tomorrow Never Dies als glaubwürdigere Bondpartnerin. Immerhin fand ich den Charakter jetzt in der Retrospektive aber besser, als ich ihn von damals in Erinnerung hatte.
Geburt, Stillen und der deutsche Natürlichkeitswahn
Ich möchte diesen Blog nicht in einen Babyblog umwandeln, aber ein paar Sachen müssen hier rein bevor ich sie vergesse. Diesmal eine Beobachtung, die bei der Recherche vor der Geburt bei mir für viel Unsicherheit gesorgt hat: Der in Deutschland existierende Fokus auf die natürliche Geburt und Ernährung ist seltsam! In anderen Ländern ist das anders. Gerade Frauen kann der deutsche Weg schaden.
Geburt vs Kaiserschnitt
In Deutschland wurde uns sehr deutlich gemacht, dass die natürliche Geburt der einzig richtige Weg sei. Im (ansonsten gar nicht schlechten) Geburtsvorbereitungskurs wurde von der Hebamme unmissverständlich der Standpunkt vertreten, dass die Geburt ganz toll sei, sie nahezu allen Frauen gelinge, der Prozess beherrschbar sei. Diese angebliche Beherrschbarkeit findet sich im deutschen Denken sogar bei der Schmerzmittelgabe wieder: Mehrfach wurde mir erzählt, dass bei der Geburt trotz Wunsch keine Mittel gegen die Schmerzen gegeben wurden, die Hebamme dazu aufrief, ohne durchzuhalten. Mag nicht die absolute Regel sein, aber dazu passt die geringe Zeit, die im Geburtsvorbeitungskurs über Schmerzmittel geredet wurde: Nämlich nur auf Nachfrage, und dann ganz kurz. Alles folgt der Maxime: Die Geburt sei sicher und Frauen könnten das, so natürlich wie möglich sei die beste Option. Entsprechend wird eine nicht funktionierende natürliche Geburt dann als individuelles Scheitern wahrgenommen, wie ich bei mehreren Müttern schon beobachten musste.
Das Nichtbesprechen der Folgeschäden und Schmerzmittel mag teilweise Beruhigungstherapie gewesen sein. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema und den Optionen war es aber nicht.
Auch bei den Ärzten war die natürliche Geburt gesetzt. Das ging so weit, dass bei einem Vorgespräch ein Arzt im Krankenhaus behauptete, einen Kaiserschnitt ohne medizinischen Grund würden sie überhaupt nicht machen, das verstoße gegen den Grundsatz der Schadensvermeidung (also dem hippokratischen Eid). Wenn das Baby sich also noch drehen sollte würde der Kaiserschnitt gezwungenermaßen wieder abgesagt, wir hätten da gar kein Mitspracherecht.
Dann liest man da etwas nach und stellt fest: Das stimmt so beides nicht.
Zuerst einmal sind natürliche Geburten relativ riskant. Damit meine ich nicht nur, dass insbesondere abhängig der Lage das Baby dabei sterben kann – das ist im System bekannt, auch wenn unsere Frauenärztin sich immer noch genötigt sah uns einzuschärfen, uns angesichts der Beckenendlage nur ja nicht trotzdem zu einer natürlichen Geburt überreden zu lassen. Das muss also vorkommen (tatsächlich listet die AOK es als Option). Nein, neben den Schmerzen und dem Risiko für das Kind sind die Folgeschäden für die Frau das Problem. Doch die werden in Deutschland gar nicht richtig erfasst, man weiß nur, dass sie häufig sind. Im Spektrum der Wissenschaft gab es einen erschreckenden Artikel dazu. Demnach wird nichtmal die Sterblichkeitsrate der beiden Geburtmodi richtig erfasst. Und zu den Folgeschäden – da geht es insbesondere um Inkontinenz – heißt es:
In Deutschland gebe es keine etablierten Standards zur Erfassung von Beckenbodenbeschwerden nach der Geburt, erläutert Sebastian Ludwig, Leiter des Kontinenz- und Beckenbodenzentrums an der Frauenklinik der Universität zu Köln. Die Frauen müssten sich selbst melden. Doch das tue laut einer Onlineumfrage nur eine Minderheit.
Ohne solche Daten können Ärzte aber über die Risiken gar nicht richtig aufklären. Weil sie sie selbst nicht kennen.
Und das mit dem unmöglichen Wunschkaiserschnitt? Glatt gelogen. So schreibt stattdessen die Barmer:
Möchte eine Schwangere dann trotz eingehender Beratung weiterhin einen Kaiserschnitt, so wird dieser in der Regel auch durchgeführt. Der Wunsch der schwangeren Frau ist in diesem Fall entscheidend.
Dass das in einem Artikel steht, der ansonsten heftigst für die natürliche Geburt wirbt, ist dabei ein perfektes Beispiel für die Situation in Deutschland. Die Frau hat auf dem Papier die Wahl, in Wirklichkeit muss sie für eine Wahlmöglichkeit gegen das System kämpfen. Wobei der Fairness halber hier erwähnt sei, dass ein anderer Arzt im gleichen Krankenhaus unabhängig von der Lage wegen der Maße zum Kaiserschnitt riet, mit seiner Hilfe wäre das also bei uns so oder so gegangen. Und auch erwähnt gehört: Natürlich könnte das in anderen Regionen Deutschlands als der meinen etwas anders sein (wobei ich dafür bisher keine Hinweise fand).
In einigen anderen Ländern ist das völlig anders. Da entscheiden Frauen frei und weit im voraus, ob sie eine natürliche Geburt versuchen wollen oder direkt einen Kaiserschnitttermin ausmachen. Ich kann nicht sagen, ob Deutschlands so ganz andere Handhabe da einzigartig ist, aber sie ist auf jeden Fall nicht universell verbreitet.
Stillen vs Flasche
Einen ähnlichen, wenn auch weniger gravierenden, Natürlichkeitsfokus konnte ich beim Thema der Ernährung beobachten. Hier ist Stillen die natürliche Option und deswegen gesetzt. Literatur wie Hebammen stehen auf dem Standpunkt, dass Frauen das fast immer gelingen kann, man dürfe nur nicht zu schnell aufgeben. Und dabei werden die Gesundheitsvorteile für das Baby stark betont.
Nun ist es beim Thema Stillen so, dass die Grundeinstellung korrekt ist. Stillen ist allen Datenlagen nach wirklich gesünder für das Baby, daran gibt es – anders als bei der Abwägung von natürlicher Geburt und Kaiserschnitt – keinen Zweifel. Nur: Das bedeutet eben nicht, dass die Flasche mit Milchpulverlösung nicht trotzdem gegeben werden sollte.
Denn erstens sehe ich überhaupt keinen Grund anzunehmen, dass die Mutter tatsächlich immer ausreichend Milch produziert. Dann nicht per Flasche nachzuhelfen führt nur zu vor Hunger schreienden Babys, die per ausländischem Blick in Deutschland erstaunlich verbreitet sind. Ein Hinweis darauf ist auch, dass nur 57% der Mütter nach zwei Monaten noch stillen, obwohl 90% vor der Geburt das Stillen planten (Quelle).
Zweitens ist das Gewöhnen des Babys an die Flasche super wichtig. Sicherheit wenn die Muttermilch ausbleibt ist da noch der kleinere Grund. Der wichtigere, dass so der Vater auch das Baby versorgen kann, z.B. wenn die Mutter früh wieder arbeiten gehen will. Das mag in Deutschland ungewöhnlich sein, ist 2024 aber wohl kaum eine absurde Vorstellung.
Stattdessen wird gegen die Mischung gewarnt. Das könne die Brust verwirren, die doch sonst immer genau so viel Milch herstellt wie das Baby braucht, wird ernsthaft mit Gewissheit behauptet. Belege dafür sah ich keine. Im Gegensatz dazu kenne ich die Mischung von Stillen und Pulvernahrung aus anderen Ländern, und habe nichts von Problemen gehört.
Dass die Mischung so schwierig ist wie uns hier erzählt wurde ist mir nicht schlüssig. So ist doch im Gegenteil eher stark anzuzweifeln, dass die natürliche Milchproduktion tatsächlich immer genau so skaliert wie postuliert wird, eine im Zweifel zu geringe Produktion ist wahrscheinlicher. Warum auch nicht? Die Evolution würde nur fürs statistisch ausreichend häufige Überleben sorgen, nicht für Komfort, und auch verhungernde Babys wären in einer natürlichen Lebensweise sicher ganz normal. Dann wäre die Zwiemilchernährung eine große Hilfe und längst nicht so absurd, wie das hier im Vorfeld zwischendurch klang.
Natürlich hat der Kaiserschnitt seine eigenen Risiken (haben wir leider sogar selbst erlebt), und dass Stillen an sich wirklich gut funktionieren kann ist auch klar (und ebenfalls selbst erlebt worden). Und auch wenn das oben vll anders klingt, haben wir tolle Hebammen und Ärzte kennengelernt, die trotz der oft durchscheinenden Prägung in vielen Bereichen sehr geholfen haben. Aber dieser in Deutschland so starke Glaube an die Natur bei allem, was mit Geburt und Babys zu tun hat, ist dennoch erstaunlich.
Und die Existenz dieser speziellen deutschen kulturellen Eigenheit des Naturglaubens ist etwas, dem man sich durchaus bewusst sein sollte, wenn man hier im System steckt. Denn entsprechend sind viele Interaktionen mit Ärzten, Krankenhaus und Hebammen eingefärbt. Es ist an einem selbst, diese existierende lokale Lehrmeinung bei erhaltenen Ratschlägen einzupreisen und entsprechend gegebenenfalls abweichende Entscheidungen zu treffen.
Linksammlung 49/2024
Diese Woche fand ich besonders erwähnenswert:
First Router Designed Specifically For OpenWrt Released. Klingt nett, aber braucht für DSL ein externes Modem, und in den Diskussionen über den Router wurde OpenWrt mehrfach als nicht einfach zu bedienen dargestellt.
Messbarer Fortschritt: Steam Deck hits 17,000 games playable and verified. Wobei Proton noch viel mehr Spiele unterstützt.
If Not React, Then What? HTML mit JavaScript, progressive enhancement. Der Artikel diskutiert ziemlich klar, in welchen Projekten das die bessere Lösung ist, und wo vll doch ein Framework (aber wohl eher nicht React) eingesetzt werden sollte.
Der Schieberegler aus Native dual-range input könnte bei einem solchen Projekt dann hilfreich sein. Ich habe auf jeden Fall sowas schon gesucht. Allerdings, wirklich nativ ist das nicht, trotz der geschickten Kombination zweier normaler Schieberegler wird noch Javascript eingesetzt.
Als Zusatz zu meinem Artikel über kostengünstiges Hosten: My domain registrar (DNSimple) tried to 5x the cost of my reseller plan.
EU-Kracher für Smartphones: Reparieren statt Wegwerfen ab 2025! Das Video kann man sich gut anschauen, es erklärt (nochmal) was da kommen soll. Dürfte die Landschaft für sustaphones verändern, hoffentlich.
The Death of Intel: When Boards Fail beschreibt recht überzeugend, warum Intel derzeit so schwach dasteht – ein unfähiger Aufsichtsrat steuert per Autopilot in die Katastrophe. Anlass war das Feuern vom bisherigen CEO Pat Gelsinger, womit die Firma jetzt völlig ohne Zukunftsperspektive dasteht.
The Right Without Wrong zeichnet das Bild der Rechten in den USA, denen durch Wegfall der Religion bzw Kirche alle ethischen Grundwerte wegfallen. Vielleicht. Die These kollidiert mit der Amoral der religiösen Fundamentalisten davor, z.B. der Tea-Party, oder davor Bushs Kriegstreiberei im Namen Gottes.
Bitter Americans React to UnitedHealthcare CEO’s Murder: ‘My Empathy Is Out of Network. Zu zynische Worte verbieten sich da wohl aus Anstand. Aber andererseits ist doch klar, dass der Mord am CEO einer Firma, die sich durch eine Gesellschaft mordet, von dieser nicht bedauert wird. Die Häme offenbart ein absolutes Politikversagen.
Bondkommentar: The World is not enough
Ein von Bond wiederbeschaffter Geldkoffer explodiert unerwarteterweise und tötet einen Geschäftsmann. Dessen Tochter ist das nächste logische Ziel, also bricht Bond auf sie zu beschützen.
Ähnlich wie in Tomorrow Never Dies ist die Handlung dieses Brosnan-Bonds gleichzeitig interessant und etwas dumm. Mit einer Ölpipeline wird geschickt ein Thema aufgegriffen, das in den 90ern relevant schien, die Ölversorgung des Westens für die Zukunft (für die nächsten 100 Jahre, meint M einmal, als ob sie damals nicht gewusst hätten wie begrenzt die Ölreserven sind) – so wie der Vorgänger die damals besonders relevante Rolle der Medien und Chinas in der neuen Weltordnung aufgegriffen hatte. Gleichzeitig scheint die Verschwörung sinnlos, sind die Motive des Oberbösen ziemlich unverständlich, ist außer dem interessanten Grundthema wieder nicht viel dahinter.
The World is not enough präsentiert einige Bondgadgets sowie einen (diesmal hübschen) BMW in typischer Art, auch die Struktur mit dem Stunt am Anfang und den Szenenwechseln folgt dem Schema. Brosnan spielt Bond auch genau wie vorher, ziemlich gut, er ist ernst mit einem gewinnenden spöttischen Unterton und eine klare Sympathiefigur. Und doch wurde hier versucht, als Handlung eine etwas andere Geschichte zu erzählen. Aber die mischt sich schlecht mit den immer noch reichlich vorhandenen Actionszenen – und an den Stunts in diesen Szenen stimmt teilweise etwas nicht: An mehreren Stellen fällt auf, dass ein schwieriger Part ausgespart und stattdessen herumgeschnitten wurde (z.B. Bonds Sprung ins Meer, weit vorher das Abtauchen seines schwarzen Bootes). Untypisch für Bond, als ob der Fokus diesmal woanders lag, wenn auch bei den Actionszenen reichlich übertüncht mit Explosionen. Leider funktioniert den Fokus umzulegen nicht, der Film hat insgesamt eher mehr Längen als durch eine etwas andere Handlung interessant zu werden. Aber es war ein guter Versuch, das Schema mal etwas aufzulockern.
Ansonsten ist dieser Bond wieder auffällig für die Frauenrollen. Selbst für einen Bondfilm ist es übertrieben gewesen, mit Sophie Marceau und Denise Richards gleich zwei so auffällig schöne Frauen in einen Film zu stecken. Dass der Rest der Handlung ohne Richards Charakter funktioniert hätte betont dann die Künstlichkeit der Rolle, ihr Tomb-Raider-Outfit hilft nicht. Die Idee der Figur erinnert zwar an die Programmiererin aus GoldenEye, gelang den Schreibern aber schlechter. Dafür funktioniert es gut, dass Judi Denchs M aktiver in die Handlung eingebunden wird. Marceaus Elektra ist zudem ein erinnerungswürdiger und stark gespielter Charakter.
Mass Effect 2 in der Legendary Edition ist immer noch eine schwer bewertbare Mischung
Kurz nach dem Finalkampf des Vorgängers stirbt Shepard im Intro des 2010 erschienen Mass Effect 2, als die Normandy von einem Riesenschiff dramatisch zerlegt wird. So beginnt die eigentliche Handlung des zweiten Teils mit der Wiederauferstehung des Spielercharakters, der diese ausgerechnet der Terrororganisation Cerberus verdankt. Aber da erscheint auch schon die nächste Bedrohung.
Ein Genrewechsel?
Mass Effect 2 ist auf dem Papier im gleichen Genre wie das erste Mass Effect, aber es spielt sich anders. Es ist wieder ein Third-Person-Shooter mit Rollenspielelementen. Doch die sind reduziert, so gibt es jetzt weniger Fähigkeiten pro Charakter, keine Inventarverwaltung mehr und auch in den Missionen weniger Spielereinfluss. Die wenigen Waffen werden in diesen Missionen gefunden, Rüstungen gekauft, wobei letztere nur Shepard angelegt werden können und die Gefährten automatisch verfügbare bessere Waffen ausrüsten. Von den Begleitern gibt es diesmal mehr (und die in der Legendary Edition enthaltenen DLCs fügen nochmal zwei dazu), außerhalb des Schiffs begleiten aber wieder nur zwei den Spieler, der Rest bleibt stumm.
Flüssiger ist es auch abseits der Vereinfachungen geworden, die Bewegungen des Spielers sind deutlich direkter. Man merkt dem Spiel da wohl Biowares gewonnene Erfahrung in der Unreal Engine 3 an. Wichtig, denn die Kämpfe erscheinen mir deutlich schwerer: Während im ersten Spiel Deckung mehr oder weniger optional war – es reichte überlegtes Positionieren, man musste nicht an den Barrikaden kleben – ist diesmal der Bildschirmtod häufig, weil Shepard wenig aushält. Wobei da teilweise die gewählte Klasse hineinspielt, mit einem Soldat statt einem Ingenieur beispielweise ist der Lebensbalken etwas zäher.
Bei der Spielgestaltung ändert sich auch sonst so einiges. So gibt es nach Missionen nun eine Missionszusammenfassung, die gesammelte Ressourcen und Upgrades listet und das Missionsergebnis aus Cerberussicht zusammenfasst. Eine seltsame Perspektive für ein Rollenspiel, durchbricht es doch die Darstellung als Shepard zu spielen. Die Planetenerkundungen per Mako entfallen, stattdessen dürfen Planeten mit einem Scanner nach Ressourcen durchsucht werden. Weg ist auch das absurde Hacken von Ressourcen, sowas wird nun einfach aufgenommen, zum Hacken bzw Türöffnen gibt es stattdessen nun zwei neue Minispiele.
Zur Umgehung der Minispiele wird auch keine Omnigelnutzung mehr angeboten. Gel – als Medigel – dient nun nur noch dem Heilen von am Boden liegenden Gefährten, die entsprechende Fähigkeit kann Shepard von Spielbeginn an, ist aber eben durch Ressourcen (statt durch einen längeren Cooldown) begrenzt.
Fortführung der Trilogie
Shepards Klasse, Hintergrund und Aussehen kann ME2 zu Spielbeginn von einem Finalspeicherstand aus ME1 übernehmen. Trotzdem kann der Spieler dann noch den Charakter anpassen. So kann man das Aussehen mal ändern, oder zu einer anderen Klasse wechseln. Die Klassenauswahl ist in diesem Spiel sowieso eine andere, darauf reagieren zu können ist also wichtig.
Bei diesem Import werden dann natürlich auch die Entscheidungen übernommen. ME2 ist voller Rückbezüge: Alte NPCs tauchen wieder auf und zeigen so die Konsequenzen der vorherigen Begegnung, Mails erreichen Shepard an seinem Terminal und haben den gleichen Effekt. Leider ist nichts davon spielverändernd. Wer beispielsweise den Rat der Citadel gerettet hat bekommt zwar die Aliens wieder zu sehen und ein paar freundliche Worte, aber keine Unterstützung bei der neuen Mission. Er verleiht dann zwar den Spectre-Status wieder, was erstmal so klingt als würde es Shepard befähigen – tatsächlich beeinflusst es nur ein paar wenige Gespräche. Es gibt keine Zusatzmissionen, keine relevanten alternativen Lösungen, die durch Entscheidungen in ME1 freigeschaltet werden. Hier zeigen sich die ersten Risse in der Trilogie, das Versprechen von wichtigen Konsequenzen wird im zweiten Teil nicht erfüllt.
Unabhängig aller Entscheidungen ist der Ton in diesem Spiel deutlich dunkler. Der Handlungsort ist entsprechend, so beginnt man mit Omega im Terminusgebiet außerhalb des Einflussgebiets der Citadel. Und auf Omega ist dann immer Nacht, dreckig und ist Kriminalität überall. Auch bei den Gefährten ist dieser Tonwechsel deutlich, man muss sich Jack nur anschauen um festzustellen, dass sie in das vorherige Team so gar nicht gepasst hätte – und ihre Hintergrundgeschichte tut dann ihr übriges. Auch Sexualität wird offensichtlich wieder dargestellt, insbesondere durch die relative Nacktheit Jacks und die übertriebenen Formen bei der Cerberusbegletzerin Miranda (die immerhin in der Story erklärt werden, aber ja trotzdem absichtlich da sind). Wobei sich das Spiel nicht traut, die angebliche Verrücktheit und Verruchtheit solcher Charaktere auch ins eigentliche Spielgeschehen zu bringen, sogar bei den Kommentaren kommt da wenig. Und es passt auch zu dieser Verzagtheit, dass manche Sexszenen – denn natürlich gibt es wieder Romanzen – noch prüder sind als im Vorgängerspiel.
Das neue alte Karmasystem
Allerdings ist Shepard ebenfalls deutlich anders drauf, und das stört. Vor allem, wenn Shepard zuvor im Paragonpfad gespielt wurde, passt seine neue abgebrühte Amoralität so gar nicht. Er zuckt meist nichtmal, wenn um ihn herum Leute ermordet werden, was wirklich absolut nicht zu seinem vorherigen Verhalten passt. Ihn im Spiel wieder nach dem Paragonpfad zu spielen hilft da auch nur begrenzt, weil eben immer wieder keine entsprechenden Handlungsoptionen angeboten werden. Und selbst die Paragonoptionen oftmals überraschend aggressiv sind. Immerhin passt dadurch diesmal die harte Sprachausgabe von Jennifer Hale als Sprecherin der weiblichen Variante von Shephard sehr viel besser zum Spiel.
Waren moralische Handlungen vorher nur als Gesprächsoptionen möglich, und auch das nur falls die Skillpunkte in Charm oder Einschüchtern investiert wurden, gibt es nun ebenfalls handelnde Quicktime-Events. Für die und die Gesprächsoptionen braucht es nur noch genug Moralpunkte auf der Skala.
Auf der einen Seite macht diese Änderung das stumpfe Verhalten nach einem der zwei Pfade für die Skala nochmal wichtiger, sind die Quicktime-Handlungen doch oft wirkmächtig und will man sie daher auslösen können. Andererseits sind die Skalen diesmal so ausgelegt, dass man sie etwas mischen kann und trotzdem ein Maximum erreichbar ist. Vor allem aber fühlt sich das ganze Moralsystem mit den Entscheidungen zwischendurch weniger wichtig an, weil das Spiel in den Missionen so linear und kampflastig ist. Alternative Lösungsmöglichkeiten gibt es nicht, auch die Moralpunkte helfen nur seltenst mal einen Kampf zu vermeiden, und nie einen wichtigen.
Gefährten und ihre Missionen im Fokus
Doch werden die Karmapunkte an anderer Stelle nochmal besonders wichtig: Denn die von ihnen beeinflussten Gefährten sind diesmal im Zentrum der Missionsstruktur. Die ersten Missionen sind Rekrutierungsmissionen, für jeden eine. Dann hat jeder Gefährte nochmal eine Loyalitätsmission. Und das Spiel macht klar: Willst du einen guten Ausgang der Story, musst du die Loyalität der Begleiter erlangen (und das Schiff komplett aufrüsten). Hier spielen also die Moralpunkte nochmal eine Rolle, denn nur mit einer auf einer Seite gut gefüllten Moralskala lassen sich die auftretenden Streitereien so lösen, dass nicht eine Seite verärgert ist.
Zwischen den Begleitermissionen gibt es dann gelegentliche Storymissionen, die teils auch automatisch ausgelöst werden. Andere Nebenmissionen gibt es auch, aber sie sind optional, einige nur beim Planetenscannen findbar und alle nicht repetitiv. Das vermeidet geschickt das Problem des ersten Teils, mit langweiligen Nebenmissionen die Hauptstory blockiert zu haben. Aber gegenüber den Begleiter- und Nebenmissionen sind es sehr wenige Hauptmissionen, diese Struktur des Spiels ist daher sehr ungewöhnlich.
Obwohl es keine wahrnehmbaren Recyclinginhalte mehr gibt werden die Missionen nach einer Weile eintönig, weil sie oft so ähnlich sind und fast immer auf ein Kämpfen durch Gegnerhorden hinauslaufen. Und leider sind auch die Missionsorte entsprechend aufgebaut: Es sind viele Korridore mit Barrieren für die Deckung, und ein paar größere Flächen mit Barrieren, durch die sich das Squad schnetzeln muss. Das ist visuell wenig ansprechend, auch wenn die Grafik besser geworden ist; abseits einiger verunglückten Karten, kackbraun Gears of War entlehnt.
Übrigens sollte man auch wieder zwischendurch mit den Gefährten reden, um sie besser kennenzulernen. Nun aber weist die Schiffspsychologin darauf hin, wenn einer wirklich Gesprächsbedarf hat. Das ist eine tolle kleine Änderung, die das nervige regelmäßige Abklappern der möglichen Gesprächspartner des ersten Teils unnötig macht.
Auch bei den Gesprächen selbst wurde aus einer Schwäche des ersten Teils gelernt. Die Überzeugungsoptionen sind nun viel besser eingebaut. Shepards Worte sind bei ihrer Wahl viel treffender, die Gesprächsverläufe dadurch deutlich glaubwürdiger. Das ist durchaus überraschend, wirkt das Spiel mit seinem starken Fokus auf forderndere Kämpfe doch erstmal nicht so, als würde es in so etwas Mühe stecken. Aber der erste Eindruck täuscht da, und mit den besseren Animationen und der besseren Gestik erreicht ME2 bei den Gesprächen eine deutliche Verbesserung.
Leider eher schlechter geworden ist die Kommentierung des Geschehens durch die Begleiter. Gerade bei den Loyalitätsmissionen hat der zusätzliche Begleiter oft gar nichts zu sagen, ist oft bei den Zwischensequenzen sogar unsichtbar. In den Hauptmissionen ist das besser, Gespräche laufen dort aber auch oft über Funk mit der Normandie und daher mit dem Piloten Joker. Da merkt man eben doch die begrenzten Ressourcen, die Bioware in das Spiel stecken konnte oder wollte.
Änderungen der Legendary Edition
Die Legendary Edition bringt wieder Grafikverbesserungen. Sie sind nicht so weitgehend wie bei ME1, die Ausgangslage war aber auch besser. Ansonsten sind einige Spielelemente optimiert worden, so wurden DLC-Waffen sinnvoll im Hauptspiel platziert, angeblich sind auch DLC-Missionen nicht gar zu früh anwählbar. Gestolpert bin ich aber auch über einen Bug: Das Verhalten zum Stalker wird falsch gespeichert, er verhält sich beim Wiedersehen immer so, als habe Shepard ihn brutal behandelt (aber nicht getötet). Ärgerlich, dass die LE diesen alten Fehler nicht repariert hat.
Die Missionen aus den DLCs sind dabei gut. Sie werfen das Spiel nicht um, aber bringen doch etwas Abwechslung (gerade wenn die Missionen des Hauptspiels schonmal früher gespielt wurden) und sind stark inszeniert. Ausnahme sind da die beiden neuen Begleiter, die auf dem Schiff keine echten Gespräche haben, diese Schwäche in ihrer Inszenierung ist ärgerlich. Denn ansonsten sind das keine schlechten Figuren geworden, auch wenn sie der Handlung wenig beitragen.
Mass Effect 2 ist für sich genommen ein tolles Spiel. Es mischt flotte und fordernde Kämpfe mit einer spannenden Geschichte, die es toll inszeniert. Dabei präsentiert es auch noch genug Entscheidungen, sodass der Wegfall einiger Rollenspielmechaniken nicht wehtut. Zum einen, weil das Inventarmanagement im ersten Teil auch schlecht gemacht war und daher nicht vermissbar ist. Aber mehr noch, weil mit dem Einfluss auf den Ausgang des superspannenden Finales und mit dem starken Fokus auf die wunderbar geschriebenen Gefährten und ihre Entwicklung dem Spieler auf der Ebene viel gegeben wird. Dazu die vielen Rückbezüge zum ersten Teil, die den Einfluss von wichtigen Konsequenzen vormaliger Entscheidungen simulieren.
Testet man das aber mittels einem zweiten Durchgang aus merkt man leider, dass die Wirkmächtigkeit der Entscheidungen eine Illusion ist. In Wirklichkeit sind alle Entscheidungen im Vorgängerspiel für das Spielgeschehen völlig irrelevant. Sie sorgen nur für minimale Änderungen; ob man an einer Stelle nun Ashley oder Kaidan für ein kurzes Gespräch begegnet ist enttäuschenderweise die volle Auswirkung einer der schwierigsten Entscheidungen von Teil eins. ME2 macht keinerlei Versuche, mit alternativen Missionen oder auch nur Missionsstartpunkten Entscheidungen wichtige Konsequenzen zu geben. Selbst mittels Ausrüstung oder sonstiger Hilfe in den Missionen gibt es keine Dynamik. Merkt man dann noch, dass die Quests noch linearer geworden sind, die Level noch schlauchartiger, es außer dann irgendwann repetitiven Kämpfen zwischen den Gesprächen nahezu keinen Spielinhalt gibt, blättert jeglicher Rollenspiellack ab.
Fehlendes neues Rollenspiel und ausbleibende Konsequenzen durch das Vorgängerspiel zusammengenommen ist schwer zu verzeihen und drückt meine Bewertung des Spiels sehr. Wäre Mass Effect 2 hier besser, hätte es insgesamt durch die spielerischen Änderungen bei den Kämpfen und der starken Inszenierung seinen Vorgänger klar geschlagen. So radieren die Schwächen die klar existierenden Stärken nahezu aus. Die Legendary Edition ändert an diesem Problem auch nichts. Sie macht das Spiel durch neue gute Missionen durchaus besser, aber die Inhalte in den Missionen binden sich genausowenig in die Entscheidungsbäume ein.
Immerhin gibt dieser zweite Teil der Trilogie dem finalen Teil viele Vorlagen für Konsequenzen. Vom möglichen Tod der Gefährten über viele kleinere Entscheidungen im Handlungsverlauf bis zur Positionierung zu Cerberus nach dem Finale: Da ist viel Gelegenheit, es im dritten Spiel besser zu machen. Ob das der LE mit ihren Erweiterungen besser gelingt als damals dem berüchtigten Original alleine wird das nächste Review diskutieren.
Linksammlung 48/2024
Diese Woche fand ich besonders erwähnenswert:
Don't Look Down on Print Debugging. Hab ich tatsächlich schon im Job erlebt. Dabei ist eine gut platzierte Debugausgabe oft hilfreicher, um fokussiert Problemstellen (und nichts anderes) anzuschauen und so das Programm zu verstehen.
Reckoning: Part 1 — The Landscape ist der Beginn einer vierteiligen Abrechnung mit dem Javascriptirrsinn in der Webentwicklung. Gerade die Beobachtung, dass die genutzten schweren Frameworks (statt simplen HTML) völlig konträr zur neuen primären Hardware der Nutzer war (billige Telefone) ist komplett treffend. Ein Effekt, der beispielsweise die Redditwebseite auf Mobilgeräten abseits dem absoluten Highend jahrelang komplett unbenutzbar machte.
Wieder mal eine durch nichts gedeckte Extremauslegung der Ewiggestrigen vom Oberlandesgericht Hamburg: Nutzer von Youtube-DL handeln "bösgläubig". Wie lange will sich Deutschland solche Richter noch leisten?
Mir gefiel der Test zu Stalker 2. Das erste Stalker hatte ich damals sogar durchgespielt. Das landete zu der Zeit allerdings noch nicht im Blog, war vielleicht sogar vor dessen Geburt. Das neue Spiel klingt jetzt so, als könnte es wieder ähnlich faszinierend werden – wenn am Balancing und den Bugs noch gedreht wird.
Bondkommentar: Tomorrow Never dies
Ein Medienmogul will mithilfe eines Stealthboots Großbritannien und China gegeneinander ausspielen und so seinen Medienkonzern stärken, Bond muss das verhindern.
Der Morgen stirbt nie ist kein GoldenEye. Die privaten Bezüge zu Bond sind schwächer und konstruierter. Allerdings ist es ebenfalls ein klarer Film der 90er – mit einer Rahmenhandlung, in der weder Russen noch Chinesen die bösen sind, sondern deutsche Medien. Passenderweise ist der Bondwagen ein furchtbar hässlicher BMW. Leider ist die Handlung auch ziemlich dumm und komplett unglaubwürdig. Auf der Habenseite spielt eine junge Michelle Yeoh wunderbar eine chinesische Agentin, die mit Bond kooperiert; wieder ohne frauenfeindliches Gehabe von Bond, das sitzt jetzt. Yeoh definiert dabei – zum großen Teil dank ihrer Kampfkunst und eigener Stuntbeteiligung – den modernen Archetyp der weiblichen Partneragentin, den die Serie vorher verfehlte (insbesondere in The Spy who loved me).
Was es auch ist, ist ein Actionfilm. Es gibt wenig Sex und nackte Haut, auch praktisch keine Agentenarbeit bis auf den Einsatz von ein paar Gadgets, dafür viele Actionszenen. Ein paar davon waren mir noch klar präsent, wie das damals als Marketingmaterial benutzte Fahren des BMWs per Fernbedienung im Hamburger Parkhaus, samt Sprung vom Dach. Es stimmt aber leider auch, dass das kippt – das wilde Herumgeballere von Bond im Finalkampf ist weder spannend noch glaubwürdig, seine Gefährlichkeit und Unverwundbarkeit wirkt affig. Gut, auch das passt zu der Zeit, zu den Actionfilmen der 90er.
Auffällig ist, wie die Musik verwendet und wie starr die Bondformel eingesetzt wird. Verschwunden ist das Pochen aus GoldenEye, das Bondmotiv wie hier präsentiert ist für mich das quintessentielle. Dazu Gadgets von Q, M als Auftraggeber, Moneypenny macht einen Kommentar, es gibt zwei Bondgirls, ein beachtlicher Stunt am Anfang und die passende Endszene. Da spielt der Film auf Nummer sicher – leider war das angesichts der übertriebenen Actionlastigkeit, dem schwachen Oberbösen und der blöden Handlung auch nötig.
Sechs Monate Baby
"Eine total tolle Zeit" sagt die Hausphysikerin im Rückblick auf die letzten sechs Monate, während sie kaum die Augen aufhalten kann und eine Tasse mit schwarzem Tee in der Hand hat, die Nacht war hart. Der bewusste Gegensatz macht den ernstgemeinten Ausspruch zum Scherz, das fasst vieles gut zusammen.
Ich hatte einiges vorab falsch eingeschätzt. Wenn Eltern davon redeten wie sehr das Babylächeln für all die Folter entschädigen würde (Schreien, Schlafentzug, Windelwechseln) hielt ich das für Selbstbetrug. Etwas, was sie sich erzählen um die Situation schönzureden. Doch dann lächelt dich das kleine menschliche Wesen an, zum ersten mal, und es ist wirklich so viel wert. Wenn es zum ersten mal laut lacht. Oder auch "nur" sich zum ersten mal dreht, richtig greift, die Katze streichelt – jeder Fortschritt wird etwas wirklich großartiges. Die erste echte Umarmung, wenn es sich wohlig in der Schulter vergräbt; nein, ich weine nicht, ich hab was im Auge.
Und dann ist da noch die unbändige Freude, die das Wesen selbst verspürt. Wenn es abwechselnd laut glucksend lacht oder erfreut lauthals schreit, wenn im Spiel Vater oder Mutter ins Blickfeld kommen und wieder verschwinden. Die Freude an allen Bewegungen, durch die Luft zu fliegen, auf die Schulter gehoben zu werden und plötzlich ganz woanders zu sein. Aber auch die ruhigere Zufriedenheit ist sehr angenehm zu sehen, wenn es oft eine wirklich lange Zeit einfach ein Spielzeug in der Hand herumjongliert.
Wobei wir bisher Glück hatten. Dass es diese ruhige Phasen gibt, sie generell sogar häufig sind. Auch ist da nichts mit stundenlangem Herumtragen in der Nacht damit es schläft, die Situation gab es als absolute Ausnahme einmal am Anfang. Das sei ein Luxus, behaupten anderere Eltern. Nur wirklich Durchschlafen ist halt trotzdem nicht für uns beide möglich, dafür wird zu oft Essen gebraucht.
In diesen ersten Monaten war trotz des schlechten Starts durch die so schnell fortschreitende positive Entwicklung des Wesens viel Bewegung in der Situation. Das wird absehbar bald echte Bewegung werden, man kann merken, wie das Herumliegen zwischendurch nervt, die Beine zucken, das Robben müsste bald funktionieren. Auch die Ernährung dürften wird bald umstellen müssen. Dann wird wieder viel anders werden.
Linksammlung 47/2024
Diese Woche fand ich besonders erwähnenswert:
Stop Making Me Memorize The Borrow Checker beschreibt heute noch Probleme, über die ich bei meinem Erstkontakt mit Rust vor ein paar Jahren fürchterlich gestolpert bin.
Neben oga eine weitere Alternative zu haben ist gut: Nokolexbor is a drop-in replacement for Nokogiri. Und es sind unterschiedliche Ansätze, dort die native Umsetzung in Ruby, hier der zumindest behauptete Performancevorteil.
Wenn die Copyright-Jäger kommen ist ein weitere Beispiel für die Kaputtheit des Urheberrechtssystems, das abgeschafft gehört. Wir haben gesellschaftlich nur Nachteile durch die derzeitige Ausgestaltung.
Ein beachtenswertes Sicherheitsrisiko: D-Link rät zur Entsorgung einiger Routermodelle. D-Link halt, war meine erste Reaktion, aber das eigentliche Problem ist die Rechtslage, die einem Hersteller solches Verhalten erlaubt.
Bondkommentar: GoldenEye
In Frankreich wird ein spezieller Helikopter, mit ihm in Russland eine Weltraumwaffe gestohlen. Bond jagt die Hintermänner.
Der erste Film mit Pierce Brosnan als Bond ist ein fast perfekter Bondfilm. Hinter den Kulissen hatte sich deutlich spürbar viel getan, zusätzlich zu den Änderungen aus Daltons Epoche. Aber der Star der Änderungen ist Brosnan selbst, der Bond so verkörpert wie er sein soll: Charmant, aber mit Biss; ein Frauenheld, aber nicht frauenfeindlich; das Klischee bedienend, ohne zu einem zu werden. Ihm gelingt wieder das Kunststück, einen lockeren Spruch auf den Lippen zu haben ohne albern zu wirken. Und er schafft es, auf platzierte Witze mit einem kurzen Zucken perfekt zu reagieren. Mehr Dalton als Moore, zieht er da sichtlich auch Inspiration aus Moores und Connerys Art. So wie auch der Film einige Verweise auf vorherige Bondfilme einbaut, wie den Aston Martin aus Goldfinger und die Nutzung von "I expect you to die", also ein direktes Zitat.
GoldenEye erzählt eine spannende und typische Bondstory, vermischt sie aber mit persönlicher Motivation und einer Prise dezenten Humors. Da wurde von den beiden direkten Vorgängern gelernt, aber die früheren Filme stärker einbezogen. Die Stunts sind großartig und die besten bisher, vom Sprung ins führerlose Flugzeug zum Hängen über der Satellitenschüssel, oder auch nur der Sprung vom Damm zu Beginn. Dazu kommen großartige Szenen in Russland, bei denen sich ausgiebig aus den Trümmern der Sowjetunion bedient wurde – die Panzerfahrt ist unfassbar. Die Satellitenschüssel ist auch ein toller Schauplatz fürs Finale. Und die Musik: Das industrielle Pochen gibt GoldenEye seine ganz eigene Note, anders als bei Live and Let Die wird aber trotzdem das Bondmotiv genutzt. Die Mischung ist der erste gelungene musikalisch eigenständige Bond.
Nicht alles ist perfekt. Ein Autorennen am Anfang wird – dem obigen Lob zum Trotz – von unpassender Musik verschandelt. Es gibt direkt zwei unmotivierte leicht entkommbare Todesfallen. Der böse Plan ist kompletter Blödsinn. Q drückt Bond zu viele Gadgets in die Hand, von denen nichtmal alle benutzt werden, insbesondere die des Autos. Eine Szene am Strand mit Bondgirl Natalya Simonova und einer nachdenklichen Version des britischen Agenten kommt aus dem Nichts, ebenso ist Natalyas Zuneigung zu Bond durch nichts erkauft oder erklärt.
Auffällig sind generell die Frauenrollen. Mit Judi Dench spielt nun eine Frau M und ist Bond nicht sehr gewogen, Miss Moneypennys Entgegnungen sind aggressiver als zuvor, Simonova kommandiert Bond herum und ist am Computer der fähige Part, Xenia Onatopp zieht sexuelle Befriedigung aus ihren Morden. Der Zeitenwechsel wird betont. Viel Aggression unterschiedlichen Niveaus, die Brosnans Bond immer wieder parieren muss ohne dabei den Ton zu verfehlen. Dass das gelingt ist erstaunlich.
Socken stopfen
Es störte mich sehr, dass Socken mit einem Loch in den Müll wandern mussten. Wenn der Socken am Bein noch fest sitzt wäre es doch wohl möglich, dass Loch zu reparieren. Und klar, das geht, auch bei Socken aus Baumwolle oder Polyester – und nicht nur bei Wollsocken, wo man das öfter sieht.
Es braucht Nadel und Faden und etwas, worüber man den kaputten Strumpf spannen kann. Das kann ein Stopfei sein, ich benutzte stattdessen lange das Ende einer kleinen Hantel, ging genauso gut. Die Nadel sei möglichst klein, der Faden normales Nähgarn (es braucht weder dickes Stopfgarn noch eine Stopfnadel, wobei beides bei Wollsocken natürlich besser passt).
Das Garn auf die Nadel zu fädeln ist anfangs schwierig, geht mit etwas Übung dann ganz schnell. Im Zweifel faserige Enden abschneiden, wenn das Endstück ganz ist hilft das sehr. Das Garn also auffädeln und doppelt nehmen, also so ziehen, dass die beiden Enden des Garns gleich lang sind. Die Enden jetzt einmal zusammenknoten.
Im Prinzip näht man jetzt an der Außenseite ein Gitter über das Loch. Es braucht da meiner Meinung nach keinen Rahmen drumrum, wie es in Anleitungen manchmal heißt – denn der Socken geht da kaputt wo Reibung ist, was in Zukunft der Flicken abkriegen wird und der Rahmen außerhalb auch nicht verhindern würde. Sondern direkt anfangen: Erstmal immer von oben nach unten nähen. Dabei ist es wichtig, dass der Faden nicht rausrutschen kann: Nähe also anfangs einen Knoten, erst dann geht es los. Und der Faden sollte möglichst festgezogen werden, ohne es aber zu übertreiben. Das braucht etwas Übung.
Im zweiten Schritt geht es dann von der einen Seite zur anderen. Dabei geht der Faden immer abwechselnd über oder unter den vorherigen Faden, der ihn kreuzt. So wird das Gitter schön fest. Deswegen ist es auch wichtig, möglichst kleinteilig zu arbeiten: Zwischen den Fäden sollte keine leere Luft bleiben, nähe so eng wie möglich. Dann sieht das Ergebnis viel besser aus.
Der Wechsel der Seiten ist auch die Gelegenheit für einen Farbwechsel. Grundsätzlich hatte ich langfristig wenig Gefallen an Reparaturen mit anderen Farben als der Originalfarbe des Sockens. Aber oft habe ich keinen Faden mit der exakten Farbe. Dann hilft manchmal das Mischen doch: Ein dunkelgrauer Socken z.B. passt oft besser zu einer Mischung aus einem schwarzen und einem helleren grauen Garn, als wenn man nur schwarz oder das zu helle grau zum Flicken benutzt.
Noch ein Tipp: Nicht immer lohnt die Reparatur. Wenn das Material morsch ist kann man sich die Arbeit eigentlich sparen, was mir immer dann passierte, wenn der Strumpf etwas eng war. Dann entstehen die Löcher wohl durch die Spannung beim Anziehen und Tragen, und zwar dann, wenn das Material gealtert ist. Das Reparieren half dann nicht, die Socken gingen immer weiter kaputt. Vorsicht auch bei alten Baumwollnähgarn: Wenn das bereits morsch ist, ist das Bauen des Gitters damit wenig sinnvoll, weil es schnell zerfleddern wird. So kam mit einer alten Nähmaschine wirklich altes Nähgarn im Haus, das leider nicht mehr zu gebrauchen war.
Aber davon abgesehen ist das Reparieren oft sinnvoll und es macht Spaß, sich sein Eigentum so erhalten zu können. Das Stopfen ist auch noch entspannend, gute Beschäftigung gerade während ein Podcast läuft. Da macht es nichts, dass finanziell die Aktion wenig bringt oder sogar unsinnig ist, je nachdem wie teuer die neuen Socken wären.
Linksammlung 46/2024
Diese Woche fand ich besonders erwähnenswert:
Desktop icons are surprisingly hard! Der Artikel beschriebt Verbesserungen in KDE Plasma beim Umgang mit Desktopicons, die in neuen Versionen nicht mehr dauernd vom System umgeordnet werden sollten.
Es gibt einen Untersuchungsbericht: Deshalb stürzte das Arecibo-Radioteleskop ein. Notwendige Wartungsarbeiten wurden nicht durchgeführt. Das Teleskop war der ikonische Schauplatz des Finales von GoldenEye (kommt in den Bondkommentaren nächste Woche), schon aus der Perspektive ein Jammer.
Bluetooth USB HID Relay ist noch eine experimentelle Lösung, aber eine gute Idee: Es fängt Bluetoothgeräte ab und stellt sie dem Hauptsystem als USB-Geräte bereit. Gedacht für Systeme, die selbst kein Bluetooth haben bzw haben dürfen.
GOG’s Preservation Program is the DRM-free store refocusing on the classics. In der Liste der alten Spiele, die nun technischen Support und erhaltende Pflege bekommen sollen, sind einige tolle Kandidaten dabei. Darunter wirklich alte Spiele wie das erste Fallout, aber auch neueres wie Alpha Protocol oder gar eigentlich moderne Spiele wie Mad Max.
Wie gut ist Mass Effect 1 heute noch, als Legendary Edition?
Es ist überraschend, wie dünn sich dieses Spiel inzwischen manchmal anfühlt. Als es rauskam war es wegweisend, in 3D mit dieser Grafik und tollen Sprechern ein Sci-Fi-Abenteuer zu erleben war 2009 noch wie ein spielbarer Film. Heute wundert man sich teils etwas über diese Bewertung.
Was Mass Effect war
Aber erstmal einen Schritt zurück. Mass Effect ist ein Computerrollenspiel mit einem Science-Fiction-Szenario und von der damals besten Rollenspielfirma Bioware. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Commander Shepard, der eine hohe Rolle im Militär innehat und bald mit Sonderrechten ausgestattet das ganze Universum retten soll. Dafür rekrutiert er – Bioware-typisch – eine Handvoll Gefährten, die dann als Begleiter mit auf die Missionen gehen und ansonsten im Hub (diesmal ein Raumschiff) auf ihn warten. Welchen Hintergrund Shepard hat kann der Spieler zu Spielbeginn bei der Charaktererschaffung auswählen, genauso seine Klasse (grob Soldat, Techniker oder Bioniker) wählen und – wichtig, denn man sieht das Gesicht oft – das Aussehen umfangreich anpassen. Das Geschlecht ist ebenfalls wählbar, damit wählt man auch zwischen zwei hervorragenden Sprechern und beeinflusst die Auswahl an Partnern für die Romanze.
Das Spiel ist also eine komplette Umsetzung der damals so genannten Bioware-Formel: Epische Story, der Spielercharakter ist ein auserwählter Retter, mechanische Rollenspielelemente wie Klassen und Erfahrungspunkte, Gefährten mit vielen Gesprächen, dazu Entscheidungen mit einem Moralsystem. Die Story war dabei erkennbar als Träger für mehrere Spiele angelegt, eine Trilogie sollte es werden.
Das besondere am ersten Mass Effect war die technische und visuell starke Umsetzung. Das Spiel kam 2007 heraus. Baldur's Gate 2, das damals (und in Teilen heute noch) als bestes Computerrollenspiel aller Zeiten galt, war von 2000. Nur sieben Jahre, in denen Bioware von einer hübsch gezeichneten, aber primitiven 2D-Grafik zu einer hübschen 3D-Engine wechselte, samt Kameraeinstellungen wie Close-Ups bei den Gesprächen. Klar, 3D-Rollenspiele gab es schon zuvor – man denke an Deus Ex – aber sie sahen nicht so gut aus. Und hübsche Spiele wie Doom 3 waren keine RPGs. Zudem spielte man ein Spiel wie BG2 ja nicht unbedingt bei Release, sondern manchmal auch Jahre später, was den Unterschied noch krasser machte. Bei Mass Effect stimmte dabei nicht nur die Technik, sondern die Designarbeit von allen Objekten und Figuren in der Spielwelt war auch abseits der konkreten technischen Umsetzung hervorragend.
Auch das Kampfsystem war etwas besonderes. Es spielte sich wie ein regulärer Shooter – passend zur Grafik – ließ sich aber pausieren, um die eigenen Fähigkeiten und die der zwei Begleiter einzusetzen. Eine direkte Umsetzung der pausierbaren Echtzeitschlachten der Vorgängerspiele, was vor Fallout 3s VATS-Modus noch innovativer war als es heute wirkt. Die dichte Spielwelt balancierte diesen Actionfokus zudem gut aus, mit vielen und konsistenten Hintergrundinformationen, die im Codex nachgelesen werden konnten oder auch sehr häufig in den Gesprächen platziert waren.
ME1 popularisierte zudem das Gesprächsrad, bei dem die Gesprächsoptionen nur zusammengefasst angezeigt werden und dann das Filmgespräch weiterlaufen ließen. Konventionen halfen dabei, die Übersicht zu behalten, so war oben rechts fast immer der blaue Paragon-Weg, unten rechts die Option für den roten Renegade, wobei das Gespräch anhaltende Nachfragen links in einem Untermenü platziert waren. Konsistent eine Moralseite zu wählen schaltete höhere Stufen bei den entsprechenden Gesprächsfähigkeiten frei, was wiederum in Gesprächen neue Antwortoptionen aktivierte.
Die 2021 erschienene Legendary Edition poliert die Grafik nun nochmal auf und lässt das Spiel auf modernen Systemen laufen. Versiegelt es allerdings auch mit EAs DRM, der EA App (vorher Origin), sodass es unter Linux lange unspielbar war und Windowsspieler in diverse technische Probleme liefen.
Was heute nicht mehr funktioniert
Damals war das Spiel also etwas ganz besonderes, mit vielen Stärken. Heute stechen viel mehr all die Dinge heraus, die eben nicht filmreif inszeniert sind.
Die sich wiederholenden Stationen in den Nebenmissionen insbesondere. Dabei stört das Innere der Gebäude besonders, die immer wieder kopiert werden, alle gleich hässlich aussehen und bei denen oft sogar die Gegner an den gleichen Stellen platziert wurden.
Die vorher zu durchreisenden Planetenoberflächen sind zudem oft auch nicht hübsch. Die Landschaften stammen offensichtlich aus einer führen Version eines Kartengenerators, wie sie damals populär waren, seltsamerweise mit hochgeregelten Höhenunterschieden. Bei den dann darauf platzierten Gebäuden und Einheiten wurden auch noch die Proportionen verkackt, sie sind viel zu klein für die Landschaft (und dem Mako, dem Spielergefährt). Wichtiger noch als das Aussehen, das Durchfahren dieser hügeligen Landschaften ist sehr nervig, vor allem wenn das Auto die Berge einfach nicht hochkommt.
Schmucklose Textdialogfenster erzählen in den Nebenmissionen Teile der Handlung, um sie nicht zeigen zu müssen. Das setzt dem ganzen Komplex um die Nebenmissionen die Krönung auf. Sind sie schon spielerisch repetitiv, störend als Ablenkung zur Hauptstory, wären sie wenigstens toll inszeniert wäre das verkraftbarer. Aber dem ist nicht so.
Nach diesen Missionen sind auch die Handlungsauflösungen unpassend direkt. Man verhaftet z.B. einen Sektenführer, steht gerade erst wieder auf dem eigenen Raumschiff, schon kommt ein Funkspruch rein und erzählt von dessen Reue, anklingender Therapie und dass die Sektenmitglieder verschwunden seien.
Die Taktung der Gespräche mit den Gruppenmitgliedern ist ähnlich verhunzt. Da erzählt mir beispielsweise Tali, eine der Begleiterinnen, dass wir uns wohl jetzt dem Ende nähern und den Oberbösen bald schnappen würden. Zu dem Zeitpunkt habe ich erst eine Hauptmission erledigt und bin weit weg vom Finale. Stattdessen zählen wohl die Nebenmissionen den Zähler hoch, welches Gespräch abgespult werden soll.
Genau, über den Mechanismus sind dann auch bei der später rekrutierbaren Begleiterin Liara Gespräche verpassbar, wenn man sie zu spät rekrutiert und nicht mehr genug Missionen hat, um sie in den Folgegesprächen kennenzulernen. Eine Stolperfalle.
Auch bei solchen Gesprächen stört die Wirkmächtigkeit der Überzeugungsoptionen. Hat man genug Charme oder Einschüchterung, kann man in ihnen Spezialoptionen wählen. Die dann folgende Ausgestaltung der Gespräche ist aber oft so schlecht, dass man den immer eintretenden sofortigen Gesprächsgewinn überhaupt nicht glauben kann.
Generell sind die Interaktionen zwischen den Charakteren merkwürdig und längst nicht so gut, wie ich sie in Erinnerung hatte. Warum z.B. irgendeiner der Gefährten in der kurzen Zeit und ohne eine Handlung, die das unterstützten würde, Shepard verfallen sollte, ist unerklärlich. Erst gegen Ende wirkt die Bindung der Crew erkauft, aber schon vorher wird sie behauptet.
Dabei hilft das Anbieten unklarer Alternativen im Gesprächsrad nicht. Was ist der Unterschied zwischen einem "Ja?" und "Erzähl weiter"? Dazu spricht Shepard manchmal auch genau die Worte, die als Zusammenfassung der alternativen, also der nicht gewählten Gesprächsoption angezeigt wurden. Da wirkt deutlich, dass nach all den Jahren mit Kopien des Konzepts (z.B. in Fallout 4) die Schwächen deutlicher herausstechen.
Und auch etwas verstärkt durch die verstrichenen Jahre: Das Inventarmanagement nervt. Es fehlen Komfortfunktionen wie das automatische Zuweisen der bestmöglichen Ausrüstung. Aber selbst wenn es die gäbe, man findet auch einfach zuviel Ausrüstung. Sogar so viel, dass selbst das Verkaufen sinnlos wird – kann doch die maximale Geldmenge erreicht werden, und gibt es sowieso fast nichts sinnvolles zu kaufen. Das ewige Herumkonfigurieren im wenig komfortablen Inventarmenü reißt daher unnötig aus dem Spielfluss.
Der wird auch durch die misslungene Taktung von Neben- und Hauptmissionen unterbrochen. Die fließen nämlich meist nicht natürlich ineinander, stattdessen werden früh sehr viele Nebenmissionen aktiviert, wodurch die Hauptstory in den Hintergrund rückt. Oder man macht erst die, dann bleiben aber die Nebenmissionen als abzuarbeitender Brocken über. Sie ganz zu ignorieren ist in meinen Augen keine Option, nicht in einem Spiel mit angedeuteten Beziehungen zwischen den Gefährten und angesichts der erwartbaren Auswirkungen auf die Welt.
Bei manchen dieser Nebenmissionen gibt es zudem Verbindungen zu Crewmitgliedern, aber es fehlt bei Gefährtenmissionen eine Warnung wenn die nicht im Team sind. Dadurch entgeht einem dann mindestens die Kommentare der Figur, möglicherweise auch die Chance die Loyalität des Gefährten zu gewinnen.
Teils ist auch auffällig, wie wenig bestimmte Gefährten kommentieren. Mir fiel das einmal bei Tali besonders auf, die eine ganze Mission lang praktisch stumm blieb, während der andere Begleiter immer wieder in die Gespräche eingriff. Dabei ist Tali eigentlich ein toll ausgearbeiteter Charakter. Aber in einigen Missionen scheint sehr ungleich verteilt zu sein, was die Gefährten zu sagen haben. Und meist ist diese Verteilung nicht vorhersehbar.
So wie es mich auch generell stört, dass die auf dem Schiff gebliebenen Leute sich nie über Funk einschalten oder selbständig unterwegs sind und so an kritischen Stellen auftauchen. Dadurch verpasst man durch die Auswahl der Begleiter am Anfang so viel. Dabei zeigt eine Mission des Spiels, die auf Virmire, wieviel besser das Spiel die Crew hätte einbinden können.
Bei einer solchen Liste an Schwachpunkten ist das Spiel also alles andere als perfekt.
Die Änderungen der Legendary Edition
Die Legendary Edition verpackt Mass Effect neu. Es sind alle drei Teile enthalten. Beim ersten Teil wurde die Grafik verbessert, teils dezent, teils sehr deutlich. Ich binde hier einen Vergleich ein:
Es ist einfach, diese Grafikverbesserung geringzuschätzen, nähert sie die Grafik doch nur der verklärten Erinnerung an. Das Video zeigt aber ein paar Szenen, wo der höhere Detailgrad und auch die Einfärbung viel besser ist.
Die LE entschärft daneben einige Nervfaktoren. So kann die Steuerung des Mako nun umgestellt werden, sodass sie nicht mehr von der Kamera abhängt, was das Steuern deutlich einfacher macht. Wobei – siehe oben – Planetenerkunden wegen der Hügeligkeit der Oberflächen immer noch nervig ist. Bei den die Ladezeit kaschierenden Aufzugsfahrten auf der Citadel gibt es nun die Option sie zu beschleunigen, wenn das Laden erledigt, aber die Radioansage noch nicht fertig ist. Die Durchsage wird dann abgebrochen. Mich nervten die Ladezeiten allerdings damals nicht, vielleicht war das am PC weniger ein Problem.
Zu ME1 gab es zwei DLCs, davon ist enttäuschenderweise nur einer enthalten. Er baut eine zusätzliche Nebenmission ein, die etwas besser inszeniert ist als viele andere. Toll ist sie aber nicht, und sie krankt an den gleichen Schwächen wie die anderen, nämlich dem schamlosen Recycling von Gebäuden. Der fehlende DLC wäre wohl nicht besser gewesen, vielleicht ist sein Fehlen daher nicht allzu schlimm.
Beim Spielen stolperte ich dafür über ein paar Bugs. Ob die schon im Original waren oder am Spielen unter Linux hingen kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall blieb der Mako manchmal im Boden stecken, wenn ich seinen Turbo benutzte, nur ein Neuladen half dann. Während der letzten Mission gibt es ein Energieschild als Barriere, da glitchte mein Mako einfach durch, was einen wichtigen Storypunkt verpassbar gemacht hätte (ich meine mich zu erinnern, dass mir das gleiche mit der Originalversion damals auch passierte). Nach dem zweiten Mindmeld mit Liara wurde unpassenderweise das gleiche Gespräch wie beim ersten mal abgespult – wobei ich hier vermute, dass da schon im Original geschlampt wurde.
Mass Effect hätte mehr verdient
Die Legendary Edition geht also viele Schwächen leider nicht an. Sie verbessert hauptsächlich die Grafik, aber auch nicht so sehr, dass die teils arg tristen Orte plötzlich gut aussehen. Was vorher gut aussah sieht nun besser aus, einige unschöne Orte werden deutlich aufgehübscht, aber die hässlichen Stellen werden keinesfalls alle weggebügelt.
Sie ändert also grafisch nicht genug, inhaltlich sogar viel zu wenig an diesem arg betagten Rollenspiel. Dabei sind die oben gelisteten Schwachpunkte alles welche, die man hätte überarbeiten können. Mit unterschiedlich viel Aufwand natürlich, das Neuaufnehmen von Gesprächen wäre ein viel größerer Aufwand als das Glätten der Planetenoberflächen, vor allem aber die Nebenmissionen hätten umfassend überarbeitet gehört.
Aber dieses frühe 3D-Rollenspiel hätte den Aufwand verdient gehabt, weil seine damals so faszinierenden Stärken auch heute immer wieder durchscheinen. Die Welt von Mass Effect ist immer noch eine besonders faszinierende, die originellen Alienarten sind klasse, die fantastische Citadel-Raumstation einfangend, die überepische Story schon in diesem ersten Teil der Trilogie mitreißend. Oder: Sie ist mitreißend, wird sie nicht durch die oft viel lahmeren Nebenmissionen und dem mühseligen Planetenerkunden unterbrochen, was die LE hätte verbessern können.
Auch heute noch sind die Sprecher gut! Das ist durchaus überraschend, ist doch in der Retrospektive die Inszenierung von Gesprächen in älteren Computerspielen oft nicht mehr zufriedenstellend. Und ja: Die steif inszenierten Gespräche ohne kaum eine Bewegung sind heute etwas langweilig anzusehen. Aber eben nicht langweilig anzuhören, denn die Sprecher sind gut gewählt und wohl gut angeleitet worden. Ausgerechnet bei Jennifer Hale allerdings, die Sprecherin des weiblichen Commander Shepard, wundere ich mich etwas über das später aufkommende allgemeine Lob zumindest in diesem Teil der Serie – FemShep spricht doch oft sehr neutral und kontrolliert, nur in speziellen Situationen scheint die Stärke der Sprecherin durch.
Und bei all dieser damals untypischen Inszenierung – trotz den Einschränkungen ja doch meilenweit über einem Baldur's Gate 2 – und dem tollen Universum sind da eben noch die Entscheidungsmöglichkeiten. Dieser Start ist in diesem Punkt vielleicht sogar zu gut gewesen. Man hat als Spieler wirklich das Gefühl, einen großen Einfluss auf die Geschichte nehmen zu können. Nun wissen wir heute, dass die Trilogie dieses Versprechen nicht erfüllte – der zweite und der dritte Teil werden unabhängig von allen Entscheidungen identisch ablaufen, nur ein paar Rollen werden ausgetauscht und Hintergrundszenen geändert (und inwiefern das für das missratene Ende noch gilt, um das zu bewerten spiele ich die Reihe nochmal). Aber das wussten wir damals noch nicht, und es ist auch heute nur zu leicht die Linearität beim Spielen zu vergessen, sind die im ersten Spiel gezeigten Auswirkungen doch erstmal überzeugend.
Diese Überzeugungsfähigkeit des ersten Teils gilt auch heute noch, die Wirkmächtigkeit der gebauten Welt. Bei aller Kritik: In vielerlei Hinsicht ist Mass Effect ein sehr gut geschriebenes Spiel gewesen. Bei dem die Inszenierung so tolle Ansätze zeigte, die Schwächen bei genau der aber heute nicht zu übersehen sind. Wie schade, dass bisher noch kein Versuch unternommen wurde, das Spiel tiefergehender zu überarbeiten. Wobei ich nicht behaupten kann, keinen Spaß mit dieser Nostalgiereise via der LE gehabt zu haben. Gerade die Hauptmissionen, die Story und die Begleiter sind immer noch toll. Und wenn man im Flow der Story steckt, wird die positive Erinnerung ganz leicht erklärbar. Vor allem in den letzten, besonders gelungenen Missionen. Dann ist es tatsächlich ein spielbarer Film mit teils tragischen Entscheidungen, dabei aber auch ein flotter Shooter mit Charakteren, die einem über die lange Spielzeit von etwa 40 Stunden unweigerlich ans Herz wachsen.
Aber abseits davon wirkt das erste Mass Effect auch in der Legendary Edition heute nicht mehr frisch, und dann auch oft nicht mehr überzeugend. Die Schwächen bei den so wichtigen Gesprächen, auch bei der Interaktion mit den Gefährten, tun weh. Und die oft lahmen Nebenmissionen, die so eindeutig aufwandsminimierend umgesetzt wurden, gehen heutzutage eigentlich gar nicht. Insgesamt schwächelt das Spiel dadurch sehr.
Dieses Fazit überrascht mich übrigens selbst. Weil ich das Spiel damals so mochte, war mir eine auf die Technik fokussierte dezente Überarbeitung vorab völlig ausreichend erschienen. Erst beim Neuspielen jetzt wurde mir klar, wie viel sich seitdem getan hat, wie stark die Macken dieses ersten Trilogieteils heute doch stören.
Bondkommentar: Licence to Kill
Bonds CIA-Freund Felix Leiter wird kurz nach seiner Hochzeit von einem Drogenboss angegriffen, Bond sinnt auf Rache und bricht dafür sogar mit dem MI6.
Der Handlung diese persönliche Motivation zu geben lehnt voll in die im vorherigen Dalton-Bond The Living Daylights eingeschlagene Richtung, aus Bond einen echten Charakter zu machen. Das funktioniert gut. Zum fesselnden Storyrahmen kommen gewohnt hervorragende Stunts, mit Sanchez ein von Robert Davi gut gespielter Bösewicht, außerdem mit Carey Lowell als Pam Bouviers und Talisa Soto als Lupe Lamora fantastische und betont unterschiedliche Bondgirls. Dazu die umgesetzte Erkenntnis, dass Desmond Llewelyn als Q ein Sympathieträger ist und mehr eingesetzt werden sollte.
Pam Bouviers "Bullshit!" auf Qs Beschwichtigung, dass Bond als Agent nunmal für die Mission mit anderen Frauen schlafen müsse, war ein paar Jahrzehnte überfällig, das Herz jubelte. Und auch sonst ist Licence to Kill ein erfreulich moderner Agenten- und Actionfilm, zumindest im Vergleich zu vorherigen Bondfilmen. Das schlägt allerdings auch negativ aus, insbesondere in einer extrem brutalen Hinrichtungsszene mit einer Druckkammer, wodurch der Film (anders als praktisch alle vorherigen Bonds) absolut nicht mehr kindergeeignet ist. Und unter dieser Perspektive sind auch einige andere Szenen ungewöhnlich brutal, das und die düstere Handlung ändert den Charakter dieses Bondfilms doch sehr. Mit Moonraker hat das alles nichts mehr zu tun – einerseits gut, aber der Bruch auch mit allen anderen Bondfilmen ist vielleicht zu krass.
Das Intro verneint übrigens die im Intro des vorherigen Film aufgeworfene Frage und der genutzte Song sticht positiv heraus, ein gelungener Beginn. Dagegen übertreibt es die finale Actionsequenz an Länge und übertriebenen Stunts und schließt den Film leider schlechter ab, als er insgesamt war.
Linksammlung 45/2024
Diese Woche fand ich besonders erwähnenswert:
Kommunikationsüberwachung des BND in Teilen verfassungswidrig. Klage gewonnen, die Kontrollen sind zu gering.
Das sieht testenswert aus, Cash is an absurdly small jQuery alternative for modern browsers.
Der Prototype Fund wird um vier Jahre verlängert. Wieviel davon nach der Neuwahl wohl übrig bleiben wird?
Auch von da werden es schwere Jahre: Trump’s likely FCC chair wrote Project 2025 chapter on how he’d run the agency.