Gelesen: Perilous Times (Thomas D Lee)
Als in Perilous Times ein Ritter Camelots aufersteht, um Britannien wieder mal vor dem Desaster zu retten, ist die Bedrohung ungewohnt diffus. Doch die schlechte Luft und sterbende Natur zeigt Kay dann bald doch den vorher unsichtbaren Feind: Dass dieses mal die Klimaerwärmung seine alte Heimat bedroht. Doch wie soll ein Ritter gegen diese vorgehen? Nur gut, dass dann schnell doch auch ein Drache sein Haupt hebt und besiegt werden will und Kay zudem eine Ökoterroristin kennenlernt, die vielleicht den Weg zu einer Lösung weisen kann.
Fantasy und Treibhauseffekt
Da sind zwei Ebenen zu diesem Roman. Auf der ersten ist es eine Mischung aus Fantasy und Endzeitdystopie, aus unserer nahen Zukunft. Diese Vermischung ist gelungen, denn schon das Szenario ist großartig. Wie Kay als absolut Fremder durch diese Welt zieht ist faszinierend. Die Vermischung fantastischer Element mit der Klimakrise ist es auch, gerade samt den vielen Elementen der Artussaga, vor allem wenn man Die Nebel von Avalon oder andere Literatur in der Richtung gelesen hat. Anders als bei Neil Gaiman in American Gods ist hier auch nichts von einer Handbremse zu spüren, Lee scheint Zurückhaltung als literarisches Konzept nichtmal zu kennen. So taucht hier alles aus der Saga auf, was man sich vorstellen kann. Und was macht ein Ritter wenn er britischen Nazis begegnet, gerade wenn er in der Vergangenheit gegen Hitler kämpfte? Er zieht sein Schwert und metzelt sie nieder. Das ist großartig und der Roman hier brillant.
Parodie oder Propaganda?
Gleichzeitig ist mit den Themen Klimawandel und Brexit die Geschichte zwingend eine politische. Und hier fällt Lee das vorher erfrischende Fehlen jedweder Zurückhaltung übelst auf die Nase. Die Stoßrichtung ist eindeutig: Die angeblich damals ganz normalen schwarzen Ritter (Kay ist schwarz), das They-Pronomen für eine Fee, natürlich ist in der Gruppe der Ökoterroristinnen eine Transfrau (was Kay auch nicht stört, im Mittelalter ganz normal wird behauptet), die weißen mächtigen und natürlich hässlischen alten Männer sind nicht nur Ursache allen Übels, sondern sie verspüren auch noch laut Erzähler in einer Endszene schon deswegen Angst, weil nun eine junge Frau Macht in ihren Händen habe – eine schwarze Muslime natürlich. Genauso ungebremst und dadurch affig wirkend ist die dedizierte politische Botschaft, wenn gegen Ende fünfzigmal wörtlich wiederholt wird, dass eine Lösung der Krise nicht durch Helden kommen könne und schon gar nicht von weißen Männern (außer sinnlos zu kämpfen könnten die gar nichts, wird mehrfach ausgearbeitet). Gleichzeitig wird die platzierte Hauptfigur der Handlung sehr wohl als singuläre Heldin aufgebaut, der Widerspruch scheint unbeabsichtigt.
Diese platzierte rassistische und sexistische Propaganda würde dem Thema nicht gerecht. Sie wirkt wie die Verblendung eines im Akademiebetrieb gehirngewaschenen; Lee macht laut seiner Webseite gerade einen PhD in queer interpretations of the Arthurian mythos.
Oder vielleicht ist das ein Irrtum. Es ist auch möglich, dass diese Anhäufung eine Parodie sein sollte. Eine ungebrochene, nie durch ein Augenzwinkern aufgelöste, beziehungsweise wären dann eben die besonders dummen Propagandasprüche wie die Angst vor der mächtigen jungen Frau das Zwinkern gewesen. Problem mit dieser Interpretation: Das wäre dann zwar ideologisch faszinierend, aber immer noch komplett unlustig. Und Lee gibt darauf in Interviews zu dem Buch keinen Hinweis. Dass diese Theorie aber ernsthaft unterhalten werden muss wäre bezeichnend, würde er diese Inhalte ernst meinen.
Ungeachtet ob Parodie oder nicht ist die lanzierte Dekonstruktion Camelots verträglich, weil sie zum einen primär als intellektuelles Spiel mit dem Quellenmaterial und den Erwartungen des Lesers durchgeht, zum anderen die Umdeutung von Artus zum psychopathischen Idioten auch schlicht interessant ist – und interessantes ist immer erlaubt. Auch die Ausarbeitung der Erderwärmung und die Umsetzung in ein auswegloses Szenario ist bedrückend gelungen und in vielen Aspekten schlicht realistisch, samt einer teils hervorragenden Kapitalismuskritik. Das macht die plumpe Propaganda umso bedauerlicher.
Neben manchen Aspekten der enthaltenen Politik stieß ich mich an einzelnen Sprachfehlern, wie around about als roundabout zu schreiben – ist das nicht pures Denglisch, was jedes Lektorat erkannt hätte? Wie kann sowas einem studierten Autor passieren, noch dazu einem, der in England studiert hat?
Trotz aller Kritik, naiv als Fantasyroman gelesen ist Perilous Times toll. Wer die Ideologie überlesen, teilen oder als misslungene Parodie abstempeln kann wird nur noch mehr Spaß an dieser wilden Mischung haben.
Gelesen: American Gods (Neil Gaiman)
Als Shadow aus dem Gefängnis entlassen wird ist er orientierungslos. Doch schon auf dem Rückflug nach Hause trifft er einen alten Mann, der ihm einen Job als Bodyguard anbietet. Er will ablehnen, aber dem Mann ist nicht zu entkommen – denn es ist kein Mann, sondern ein Gott. Beziehungsweise die amerikanische Variante eines Gotts, der auf amerikanischem Boden nicht verehrt wird und daher nur ein Schatten seiner selbst ist. Doch es reicht, um mit Shadow eine Aktion zu starten, wodurch viele andere Götter auftreten.
American Gods hatte bei mir das Pech, dass mir die Konzeptidee nicht neu ist. Götter, die echt sind, aber ihre Macht verlieren weil sie vergessen oder nicht mehr verehrt werden – ohne dass ich sagen könnte, wo genau ich das schon gesehen habe, ist es mir sehr vertraut. Wahrscheinlich ist mir die Idee schon in so einigen Büchern und Computerspielen über den Weg gelaufen. Bei Veröffentlichung des Buches 2001 dagegen wäre sie mir zumindest bestimmt neu gewesen. Andererseits ist das Konzept eine naheliegende Metapher dafür, wie das Gedankenkonstrukt Religion in der Realität funktioniert und Wirkung entfalten kann, und ähnelt es auch dem Bild der religiösen Idee als Virus, die in Snow Crash viel früher platziert wurde.
Die Geschichte selbst ist dann unterhaltsam und sauber konstruiert. Und klar schreibt Gaiman gut. Allerdings kam es mir so vor, als hätte Gaiman mit angezogener Handbremse geschrieben. Viel Entwicklung des Konzepts, viele Nebenstories zur Verdichtung, viel Platzierung von interessanten Ideen für Götter und ihre Repräsentation als Figur, von den üblichen bis zu modernen Mythen bis zu ganz modernen Ideen. Aber dafür wenig Ausnutzung der Möglichkeiten des Szenarios durch die Handlung und Shadow. Gerade im Vergleich mit Cyberpunkbüchern fehlten da ein paar Kapitel, ein bisschen Tempo im Finale.
Gelesen: Heliosphere 2265
Heliosphere 2265 ist eine Science-Fiction-Buchreihe von Andreas Suchanek. 50 Fortsetzungsromane ergeben zusammen eine komplette Geschichte um Captain Jayden Cross und seine Crew der Hyperion.
Kurz zum Format: Die 50 Bücher erschienen bis 2019 in einem monatlichen Rhythmus und sind auf meinem Kobo laut dessen Anzeige jeweils etwa 130 Seiten lang. Eine Zusammenfassung der vorherigen Handlung steht immer am Anfang, es gibt am Ende einen kurzen Ausblick auf den nächsten Roman und ein Nachwort des Autors. Fast alle Romane sind von Suchanek, erinnere ich mich richtig an die Erklärungen im Nachwort gab es dazu einzelne Gastautoren. Ich hatte die Bücher als .epub DRM-frei im beam-shop gekauft – 50 Bücher sind auch bei geringen Einzelpreisen ziemlich teuer, wenigstens gab es einen Mengenrabatt. Da das am Ende sehr viele Seiten waren und ich derzeit selten reise, daher selten lese, begleitete mich die Buchreihe eine lange Zeit, auch wenn sie schon abgeschlossen war und ich nicht auf neue Veröffentlichungen warten musste.
Ich finde die Empfehlung nicht mehr, aber irgendwo las ich über die Buchreihe "So macht man Science-Fiction". So positiv kann ich die Reihe leider nicht sehen. Ja, es wird meist kompetent eine insgesamt spannende Geschichte erzählt, nur wenige der Episoden sind Ausreißer nach unten. Und die so erzählte Geschichte ist in vielen Teilen eine gute Science-Fiction-Geschichte; wenn auch mit stark militaristischen Einschlag, aber sowas darf auch mal sein. Es geht um Raumschiffe und ihre Waffen, dazu kommen dann die Helden und die anderen Science-Fiction-Elemente, wie KIs und so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann. Und ich halte es dem Autor zugute, die Geschichte tatsächlich zu einem befriedigenden Ende zu führen.
Aber ich stolperte zu sehr über die Macken, um das alles so richtig toll zu finden. Da Fortsetzungsroman muss sich der Autor immer wieder wiederholen, teilweise mit direkt kopierten Passagen, was beim schnellen Lesen hintereinander durchaus stört. Ich will die Story nicht spoilern, aber sie hatte zu viele Verschwörungen gleicher Art, auch zu viele Deus-Ex-Machinas, diese weitere Wiederholung empfand ich als sehr problematisch. Fantasy-Elemente wie Zeitreisen und Seelen hätte es für meinen Geschmack auch nicht geben dürfen. Dazu war das Lektorat nicht perfekt, dass selbst mir immer wieder einzelne Fehler auffielen ist kein gutes Zeichen (bin ich bei sowas doch sonst nicht besonders aufmerksam). Gut, es war auch viel Text, und wenn ich das richtig verstanden habe war der Verlag ein vom Autor aufgebauter, also im Grunde ein Selbstverlag? Da waren sicher nicht viele Ressourcen da. Trotzdem, Abkürzungen wie L.I. (Leitender Ingenieur?) und I.O. (?) zu benutzen und nie zu erklären darf einfach nicht passieren, dagegen verblassen einzelne Kommafehler. Am meisten aber störten mich zwei Dinge:
- Dass fast immer nur die heldenhaften Hauptcharakteren in der galaxieumfassenden Handlung irgendwas auswirken konnten und sie immer am richtigen Ort waren, und
- wie gleich die verschiedenen Charaktere klangen.
Dieser erste Kritikpunkt ist einer, der wohl auch andere gestört hat und etwas später gab es dann in einer der Folgen eine kurze Unterstory, in der ein wichtiger Handlungspunkt durch unbekannte Nebencharaktere abgehandelt wurde. Am Grundproblem änderte so eine Ausnahme leider nichts. Dementsprechend gab es immer wieder das Klischee des Einzelgenies, der im Umfeld der Crew oder als Teil derselben unmögliche Probleme magisch doch lösen konnte.
Das Tonproblem, dass alle Crewmitglieder im Grunde gleich klangen, dachten und handelten, wurde gar nicht adressiert. Einzig bei Cara konnte ich beim Lesen eine andere Tonlage abspielen.
Andererseits war die Heliosphere 2265 gerade durch sein Format ein guter Reisebegleiter und auf jeden Fall war das viel besser geschrieben als der Fantasy-Sexschrott der späteren Humble-Bundles. So gesehen bereue ich weder den Kaufpreis noch die Lesezeit. Aber im Vergleich zu richtig guten Science-Fiction-Romanen ist da doch eine Fallhöhe. Ich denke da beispielsweise an Stephensons The Diamond Age, an verschiedene Geschichten von Isaac Asimov oder auch Heinleins The Moon Is a Harsh Mistress. Vielleicht ein unfairer Vergleich.
Kühl - Schattenorganisation
Agiles Management und ungewollte Bürokratisierung - mit diesem Untertitel hatte mich Schattenorganisation gepackt. Denn ich war entsetzt darüber und ziemlich ratlos, wie starr und insgesamt negativ Scrum im neuen Entwicklerteam der Käuferfirma umgesetzt wurde, während meine Firma die Methodik zuvor so positiv genutzt hatte. "Ungewollte Bürokratisierung" schien mir dabei genau das Problem zu beschreiben.
Schattenorganisation aber spricht zu diesem Thema nur indirekt. Statt Scrum, Kanban oder anderen gängigen Praktiken in Entwicklerteams wird über die mir vorab völlig unbekannte Holokratie berichtet. Das ist eine Organisationsform für gesamte Organisationen, bei der softwareunterstützt haarklein aufgeschrieben wird welche Rollen es gibt und wie sie arbeiten, daraufhin Arbeiter gerne auch mehreren Rollen zugeordnet werden und das ganze in Kreisen von Rollen organisiert wird, bei denen es keinen klaren Chef gibt. Bilden sich Abweichungen zu den niedergeschrieben Arbeitswegen, sollen diese direkt formal aufgeschrieben werden, die Rollenbeschreibungen, welche Rollen es gibt und wer sie besetzt ändere sich dadurch ständig. Nie wirklich groß, war es wohl doch in entsprechenden Kreisen eine Mode und ein paar Firmen, die man kennt, hatten versucht sich so zu organisieren, beispielsweise Medium.
Kühl zerlegt dieses Konzept in seine Einzelteile. Durch seine Einordnung in organisationswissenschaftliche Modelle und seine Aufarbeitung, wie diese Methode am Ende wirklich gelebt wird (nicht, die informelle Ebene bildet sich immer wieder), blieb von der Holokratie am Ende zumindest bei mir kein positives Bild über. Kühl selbst positioniert sich nicht klar zu dem Konzept, dass diese Wahrnehmung nicht unbeabsichtigt ist kann ich nur mutmaßen.
Für Scrum etc gab mir Schattenorganisation keine klare Antworten, aber am Ende doch ein paar Ideen. Wenn Holokratie durch eine maßlose, detaillierte Bürokratisierung Agilität herstellen will, ist das bei Scrum mit seinen Ritualen und festen Rollen gar nicht sehr anders. Die vermeintliche agile Softwareentwicklung nach Scrum wäre also – so ausgestaltet, wie ich es erlebte – in Wirklichkeit eine stark formalisierte, eben bürokratische Methode; und eben nicht die Annäherung an die "natürliche" Entwicklungsform, die FOSS-Projekte und entwicklerbestimmte Teams ohne formalisierenden Manager im Rücken wählen würden. Und wie es dazu kommen konnte, wie auch dieser Gedankengang von Agilität durch Bürokratie bzw Formalisierung funktioniert, dafür gibt der Blick auf die Holokratie dann eben doch ein paar Einblicke.
Schattenorganisation zu lesen war also keine totale Zeitverschwendung. Angesichts meiner Fragen hätte ich aber zu einem anderen Buch greifen sollen. Ich finde es schade, dass Kühl nicht über die eine Erwähnung im Nebensatz hinaus im Buch selbst den Bogen geschlagen hat, war Holokratie doch auf dem Klappentext nichtmal erwähnt und sind Scrum sowie Kanban die Arbeitsweisen, an die das Stichwort agil direkt denken lässt. Aber vielleicht stimmt das außerhalb meiner Nische eben nicht, oder war das relevante Stichwort hier eben Management, nicht alleine agil.
Mein Ärger mit dem Kobo Glo HD
Mein Hauptproblem mit dem Kobo Glo HD – gekauft vor einigen Jahren nach dem Ableben des Kobo Touch – ist, dass er nicht zuverlässig ist. Er war es nie. Das fängt damit an, dass ich ihn desöfteren aufladen musste als ich eigentlich einen vollen Akku erwartete. Es kann sein, dass das einfach ein Konzeptproblem ist, der Leser sich nicht komplett abschaltet damit ein Öffnen der Hülle ihn aktivieren kann und er dabei mehr verbraucht als ich erwartete, aber so oder so überraschte mich das mehrmals negativ.
Dann das Wlan: Eben verband er sich, vorher ging das mehrmals nicht. Aber es ist auch nicht so, dass die Wlan-Verbindung irgendwas brächte – nur ein Netzwerkfehler begrüßt mich bei der Entdeckenfunktion, genauso funktioniert die Synchronisation (die auch Geräteupdates finden sollte) einfach nicht. Das ist auch deswegen bemerkenswert, weil ich das Gerät vor nicht allzulanger Zeit sich habe updaten lassen. Im August war das wohl (da war laut Anzeige die letzte Synchronisation), völlig veraltet ist die Software also nicht. Und ja, der Leser wird nicht mehr verkauft, aber dass die Serverinfrastruktur abgeschaltet wurde lese ich nirgends. Wäre auch überraschend, dürfte die Anbindung an den Büchershop doch die Haupteinnahmequelle Rakutens Kobo-Sparte sein.
Gut, so schlimm ist dieser Fehler für mich nicht, da ich nie besonders am Kobo-Shop mit seinen DRM-verseuchten Büchern interessiert war. Den Kobo habe ich ja gerade deswegen gewählt, weil er (wie schon sein Vorgänger) sich wie ein USB-Stick mit dem PC verbinden kann und dann durch Rüberkopieren regulärer .epubs einfach zu befüllen ist. Aber immer wieder funktioniert das nicht. Manchmal kann er gar nicht eingehangen werden, andermal erscheint nach dem Abhängen und nach dem Importvorgang das herüberkopierte Buch einfach nicht in der Oberfläche. Stattdessen zeigt mir dmesg
auf meinem Rechner solche Fehlermeldungen:
[ 178.944701] device offline error, dev sdc, sector 527 op 0x0:(READ) flags 0x0 phys_seg 1 prio class 2 [ 178.944707] Buffer I/O error on dev sdc, logical block 527, async page read [ 178.945458] udevd[13079]: inotify_add_watch(7, /dev/sdc, 10) failed: No such file or directory [ 178.960589] sd 4:0:0:0: [sdc] Synchronizing SCSI cache [ 178.960620] sd 4:0:0:0: [sdc] Synchronize Cache(10) failed: Result: hostbyte=0x01 driverbyte=DRIVER_OK [ 180.858826] usb usb3-port2: attempt power cycle [ 182.705765] usb usb3-port2: unable to enumerate USB device
Die sind höchst bedenklich. Nach einigen Wiederholungen funktionierte der Büchertransfer bisher immer doch, aber komfortabel ist anders. Das Befüllen über eine Netzwerkfreigabe scheint als Alternative nicht zu existieren (selbst wenn das Wlan funktionieren würde). Ich habe nie wirklich verstanden wie die Kobo-Softwarewelt eigentlich funktionieren soll (gibt es da einen Online-Account, dem ich woanders gekaufte Bücher auch hinzufügen könnte?), musste das über die USB-Laufwerksfunktion aber auch nicht. Wenn die aber nun nicht mehr ordentlich funktioniert wird die Kombination dieser beider Fakten zu einem Problem.
Wenn der erste Kobo komplett stabil gewesen wäre würde ich einfach an ein defektes Gerät glauben. Aber auch der Vorgänger hatte ähnliche Probleme, wollte sich manchmal nicht mit dem PC verbinden, brauchte gelegentlich sogar ein Komplett-Reset. Stabile Hardware sind meine beiden Kobos einfach nie gewesen.
Das finde ich derzeit ein bisschen trauriger als sonst, weil ich gerade viel Spaß damit hatte eine Science-Fiction-Buchreihe durchzulesen und dabei bemerkt habe, dass es mittlerweile DRM-freie .epubs im regulären Onlinehandel gibt. Nachdem die Humblebundles mich vergrault haben wäre anderswo Bücher zu kaufen daher vielleicht eine Option gewesen. Zudem bietet die lokale Bücherei auch ebooks zum Ausleihen an und ihre neue Webseite sieht sogar halbwegs benutzbar aus. Aber ob ich das mit einem so unzuverlässigem Gerät machen will weiß ich nicht, wahrscheinlich höchstens bei der nächsten längeren Reise.
Ansonsten ist der Kobo Glo HD übrigens bisher kein schlechtes Gerät gewesen. Ich mag die eingebaute Hintergrundbeleuchtung und das Gerät ist zwar nicht schnell, aber beim Umblättern schnell genug. Beim Verkleinern und Vergrößern von Text ist er unangenehm langsam, aber das macht man ja pro Buch meist nur einmal. Keinen Knopf zum Umblättern zu haben hat mich schon beim ersten Kobo nicht gestört. Texte sehen auf dem Bildschirm gut aus, die mitgelieferten Fonts sind hübsch. Ein ordentliches Wörterbuch fehlte allerdings, das eingebaute hat mir nie helfen können, aber gut, meist hat man ja doch ein Telefon mit Suchmaschine zur Hand.
Insgesamt habe ich mit diesem Leser über die Jahre einige Bücher gelesen, ein kompletter Fehlkauf war er nicht. Aber wenn er ganz kaputt geht wird angesichts der oben beschriebenen Probleme der Nachfolger nur bei völliger Alternativlosigkeit wieder ein Kobo.
Robert A. Heinlein, The Moon Is a Harsh Mistress
The Moon Is a Harsh Mistress ist ein spannender und toll geschriebener Science-Fiction-Roman von 1966.
Auf dem Mond existiert eine Kolonie namen Luna, die zum Teil eine Strafkolonie ist. Ein Computer überwacht viele wichtige Funktionen, wird aber plötzlich lebendig. Das weiß zum Glück nur sein Hauptmechaniker Mannie. Im Zusammenspiel mit dem intelligenten Computer entwickelt sich mit Mannie im Zentrum ein Kampf um die Freiheit der Mondkolonie.
Zum einen ist das toll altmodische Technik-Science-Fiction, in der mit dem Konzept einer echten KI, dem Leben auf einem anderen Planeten und Weltraumtechnologie gespielt wird. Wie so oft bei diesen alten Romanen des Genres wurden dabei viele der heutigen Entwicklungen vorausgegriffen, aber auch unheimlich viel der technischen Entwicklung und ihrer Konsequenzen falsch eingeschätzt. Gleichzeitig ist es ein überraschend dichter politischer Gesellschaftsroman, in dem Revolution und Gesellschaftsentwürfe debattiert werden. Mir erschien diese Diskussion wenig veraltet. Ich erfreute mich besonders an den vielen Bezüge zur russischen Revolution, die gut mit früheren von mir gelesenen Büchern wie Heyms Radek zusammenging.
Aber das ganze funktioniert auch als Geschichte, nicht nur wegen der abstrakteren Ideen. Die Charaktere sind interessant und wirken lebendig, die Handlung bleibt spannend und hat praktisch keine unpassende Ruhepause. Und das trotz all der diskutierten Technik und Politik, was einem schlechteren Autor die Handlung blockiert hätte.
Louis Begley – Kill and Be Killed
Den ersten Krimi von Begley fand ich nicht toll, mit dem zweiten namens Kill and Be Killed kam ich etwas besser zurecht.
Es geht wieder um Jack Dana und einen weiteren Mord, bei dessen Bearbeitung die Bekannten aus dem ersten Teil wieder auftauchen. Dazu kommen ein paar neue Gesichter. Und schnell wird Jack zum Ziel von feindlichen Kräften.
Mir ist nicht 100% klar warum diese an sich nicht sehr andere Handlung und Aufbau der Geschichte mir besser gefielen. Teilweise sicher einfach eine angepasste Erwartungshaltung. Aber es gibt ein paar echte Unterschiede:
- Der ganze Klassenaufstieg wurde bereits vorher abgehandelt und wird weniger betont, damit wird ein Handlungsaspekt teils vermieden den ich als peinlich empfand.
- Der Antagonist wird mehr ausgestaltet. Wenn er vorher sehr blass blieb, wird jetzt klarer wodrauf Begley mit diesem Charakter abzielte.
- Generell passiert mehr. Die Krimihandlung im ersten Teil hatte im Grunde nur ein vorher komplett ausgestaltetes Ereignis, das ohne Abweichung stattfand. Jetzt gibt es mehrere Ereignisse, die nicht vorher komplett telegrafiert werden.
Insgesamt wird der Krimi dadurch noch kein Begley-Roman, aber man wird beim Lesen wesentlich weniger genervt und kann an der Handlung so fast gefallen finden.
Louis Begley – Killer, Come Hither
Killer, Come Hither verpflanzt Begleys übliches Werk in einen Krimi. Anstatt dass der Schriftsteller sich wieder an etwas ganz neuem probiert – was bei seinem Dreyfus-Sachbuch fantastisch war – hat er viel altes beibehalten.
Der mordlösende Protagonist Jack (wirklich!) ist also nicht einfach ein Ex-Soldat, nein, Elite-Ex-Soldat, er ist gleichzeitig ein supererfolgreicher Schriftsteller von einer Eliteuni. Und hat einen Anwalt als Freund, der ihm ein Sommerhaus zukommen lässt, sodass er zwei Seiten später als Millionär im Schickimicki-Umfeld von Schmidt und Begleys anderen Hauptfiguren herumläuft. Er verhält sich sogar gleich, säuft und frisst sich durch die Geschichte, Frauen gibts auch, als ob es ein überzogener normaler Begleyroman wäre. Auch der Erzählerstil ist genau der gleiche.
Nur ist es eben keiner der normalen Romane von Begley, mit ihren faszinierenden Gesellschaftsbeobachtungen und Lebensentwürfen. Denn stattdessen gibt es einen Mord zu klären und Kämpfe zu gewinnen.
Als Idee ist das charmant. Ehrensachen und Geschichten einer Ehe waren sowieso schon halbe Krimis, warum es nicht mal durchziehen? Doch als Lektüre wirkte es auf mich lächerlich. Die üblichen Begleyelemente verschaffen den Krimielementen keine gute Umgebung, sondern sie wirken künstlich und aufgesetzt. Und schlimmer: Abschreckend. Machte es mir bei Schmidt noch Spaß, seinen Eskapaden zuzusehen, sich diesem Umfeld zu nähern und für sich abzustecken, wo Schmidt ein Arsch ist, wo er Recht hat und wann es einfach eine tragische Situation ist, ist all das bei Jack genau wie sein Name: Stumpf. Der Typ ist nämlich einfach nur ein Arsch, ein Kehrbild der üblichen bedachten Figuren des Autors, der aber alles kann und dem alles gelingt. Keine Sekunde ist das glaubwürdig, wenn es als Witz gedacht war ging er an mir vorbei.
Und die Krimielemente der Handlung sind völlig belanglos.
Nichts also rettete mir diesen Roman: Er gefiel mir nicht als Begleyroman, er funktionierte für mich nicht als Krimi, als Parodie konnte ich ihn auch nicht lesen. Begley hat so viel gutes geschrieben; hoffentlich hatte er hier wenigstens Spaß dran.
Temi Oh: Do You Dream of Terra-Two?
Zwischendurch war ich genervt: Das sollte wirklich das Buch sein, das so gelobt wurde? Do You Dream of Terra-Two ist das Erstlingswerk von Temi Oh. Eine Science-Fiction-Geschichte über eine Weltraummission zu einem entfernten Planeten. Bei den guten Kritiken hatte ich mich hierdrauf sehr gefreut.
Aber ich war erstmal irritiert. Zum einen fokussiert sich die Geschichte sehr auf die jungen Astronauten und ähnelt damit auf dem ersten Blick den Szenarios der Sexgeschichten, die andere Autorinnen als SciFi-Romane vermarkten. Und zum anderen ist es zum Haare ausreißen, wie unfähig und ungebildet die Astronauten in der Handlung manchmal sind. Es braucht Geduld und Aufmerksamkeit um zu verstehen, was für einen Roman man da gerade wirklich liest, dass er vorsichtig konstruiert, nichts zufällig ist. Und dass er tatsächlich und bis zum Ende niemals in die Blödheit und Vulgarität der Humble-Bundle-Frauenromane abgleitet. Nachdenklich ist er, kritisch, melancholisch, bis auf ein paar Ausnahmen langsam – und ja, damit sehr anders als andere Science-Fiction-Romane. Aber doch ist das Genre kein Anstrich, wie auch ich dann merkte.
Dass Goodreads ihn bei "Young Adults" einordnet halte ich daher für ziemlich daneben. Die wenigsten Jugendlichen dürften mit dem Buch etwas anfangen können. Klar kann man die Handlung auch oberflächlich durchlesen, aber dann wird der Roman nur frustrieren. Dafür ist er zu kompliziert, denn der Leser muss diesem Text erstmal auf die Schliche kommen und hat selbst dann noch genug Spielraum für eigene Interpretationen.
Acht Tipps für Blogger
Dieser Blog lebt seit 2008. Wie populär Blogs sind, ein bisschen sogar was ein Blog ist, hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Bei mir haben sich dabei ein paar Hinweise für Blogbetreiber angesammelt.
Klar: Nur weil jemand lange etwas macht, muss er nicht gut darin sein. Aber "so ist es gut" trifft glaube ich bei keinem der folgenden Tipps so wirklich den Charakter. Wenn doch, werde ich es zumindest begründen und man darf die Berechtigung selbst beurteilen.
1. Überlege: Warum bloggst du?
Es gibt viele Gründe ins Internet zu schreiben. Unbedingtes Mitteilungsbedürfnis. Ein überall zugängliches Nachschlagewerk mit Ergänzungen anderer zu haben. Berühmt zu werden. Geld zu verdienen. Die eigene Expertise zu vertiefen und zu präsentieren, was dann sogar zu einem besseren Job führen könnte. Manchen ist der Blog tatsächlich mehr ein voyeuristisches Tagebuch. Und es gibt sicher noch mehr.
Bei mir beispielsweise war es ungefähr so: Damals waren Blogs ziemlich populär und ich fand sie faszinierend. Ich las generell viel, mir gefiel das Schreiben und auch gerade die weichen Schulfächer. Aber dann entschied ich mich für den Anfangspunkt einer technischen Karriere. Etwas später einen eigenen Blog aufzusetzen war dann vor allem ein Mittel, um sich ein bisschen das Schreiben zu bewahren. Und ich dachte, ich könnte neben Linuxwissen viel vom Studium dokumentieren (dazu kam es kaum).
Was am Ende der Daseinszweck des Blogs ist kann eine Mischung der obigen Gründe, kann ein einziger sein. Aber es schadet nicht, ihn bewusst im Kopf zu haben. Wahrscheinlich ist die Motivation am Anfang sowieso sehr präsent, aber die Ausprägung könnte unklar sein. Wenn das aber entschieden ist, sind ein paar Folgeentscheidungen einfacher. Beispiel: Gemischtwarenladen oder Themenblog? Braucht es ein Newsletterpopup? Analytics? Ist Werbung zu schalten zieldienlich? Wieviel Aufwand sollte in Artikel fließen, wie oft etwas veröffentlicht werden?
2. Suche dir ein (und nur ein?) Thema
Jeder Blog braucht ein Thema. Wie stark man sich dann daran hält hängt vom Blogziel ab.
Will ich mit dem Blog mich vor allem professionell in einem Bereich darstellen, dann sollte der Blog auch wirklich fast ausschließlich über dieses Thema reden. Der alte Blog von Isotopp wäre ein Beispiel dafür, ohne dass ich wirklich seine private Motivation kennen würde. Ist der Blog zum Geldverdienen da, schadet ein festes Thema auch nicht – ob es jetzt extrem wie beim Supermarktblog oder etwas aufgelöst bei Caschys erweiterten Techniknews ist.
Ein Blog kann auch ein Gemischtwarenladen sein und über mehrere Themen reden – so wie hier. Das macht es dann aber mehr zu einem privaten Blog. Ich wusste zum Beispiel bei der letzten Bewerbungsrunde nichtmal, ob ich diese Seite im CV verlinken soll, weil die letzten Artikel Kommentare zu Spielen und Filmen waren. Und bei jedem Leser besteht die Gefahr, dass er sich nur für einen kleinen Teil der Themen interessiert und den Rest als abschreckend empfindet. Aber es hat den Riesenvorteil, dass der Themenbereich das volle eigene Interesse ist, das Schreiben selbst wird einfacher.
Aber praktisch immer, wenn die Ziele sehr konkret sind, ist die Beschränkung auf ein einziges Thema wahrscheinlich die bessere Wahl.
3. Sei nett und interagiere mit Kommentatoren
Vor vielen Jahren bin ich jemandem auf einer Konferenz begegnet. Super sympathisch, wir redeten viel über alles mögliche. Nach der Konferenz landete der zugehörige Blog in meinem Feedreader. Da erschienen nur sporadisch Artikel, aber ich freute mich über die gelegentlichen Lebenszeichen und natürlich waren die meisten Artikel auch ansprechender, weil ich die Stimme dahinter hören könnte. Kürzlich war ein Artikel über ein Thema dabei, das ich interessant finde, ich hinterließ einen Kommentar. Und nun ja: Statt des Tonfalls von damals waren die Antworten Entgegnung, ein unheimlich schnell ins aggressive abgleitende und ellenlanges Dagegenreden, ohne es je durch eine freundliche Bemerkung zu entschärfen.
Leute, wenn ich bei jemanden hier in den Kommentaren mal so angekommen bin, schreibt mir eine Mail und weist mich darauf hin!
Denn in den Kommentaren Leser zu vergraulen, genau das soll ja nicht passieren. Kommentare zu erhalten ist toll, sie zeigen mir als Autor, dass ein Artikel gelesen wurde und genug Interesse für sogar einen Kommentar hervorrief. Deswegen verdient fast jeder Kommentar eine vernünftige Antwort. Vielleicht außer, unter dem Artikel hat sich eine wirkliche Diskussion entwickelt – die würde sonst erstickt. Denn egal welches Ziel der Blog hat: Eine Leserschaft zu haben fördert jedes davon und Kommentatoren sind der sichtbare Kern der Leserschaft. Warum sollte man sich selbst torpedieren und dann mit ihnen unfair umgehen?
Der Blog meiner Konferenzbegegnung ist nicht mehr in meinem Feedreader.
4. Kritisch ist gut, feindlich schadet
Ähnlich wie bei den Kommentaren, gilt diese Warnung vor der Selbstsabotage durch Feindseligkeit auch für Artikel selbst.
Wer heutzutage noch einen Blog führt ist wahrscheinlich etwas konträr zum Mainstream. Und es gibt gerade in Deutschland erfolgreiche Blogger, die einen sehr kritischen Tonfall pflegen. Ein Beispiel dafür wäre fefe. Was liegt da näher als die kritische Haltung zu betonen, dem eigenen Blog so etwas Charakter zu geben?
Die Gefahr ist, dass es ein schmaler Grat ist. Klar: Lese ich einen Artikel über irgendein Thema möchte ich die ehrliche Meinung und Gedanken des Autors, mehr noch bei einem Blogger als bei einem glattgebügelten Massenmedium. Aber wenn der Autor scheinbar in einer übertrieben rebellischen Haltung eines aufsässigen Jugendlichen stehengeblieben ist, wenn in jedem Artikel erstmal eine Prise Hass oder Verachtung ignoriert werden muss, dann wirkt das für Leser abschreckend.
Die Überbetonung der kritischen Haltung erzeugt aber Kontroverse und damit Interaktion. Halbwegs gut geführt motiviert das dann sogar, der Blog wirkt lebendig. Doch das täuscht, denn die Haltung gleitet unweigerlich ins trollige, was dann die Leserschaft massiv beschränkt.
Manchmal – wer sich hier angesprochen fühlt, möge mir bitte verzeihen – geht die Verachtung gegen den Hauptteil der eigenen Minderheitengruppe. Da wird dann zwanghaft signalisiert, wieviel noch besser man doch sei als alle anderen, die sich schon überdurchschnittlich mit einem Thema beschäftigen. Klingt so: Ja, ihr macht eure eigene Kleidung, aber ihr seid so blöd es mit einer elektrischen Nähmaschine zu machen, dabei sind die ohne Strom doch so viel verlässlicher! Und dann wird konstant gegen elektrische Nähmaschinen geschossen. Und auch in jedem angelehnten Thema wird die Abgrenzung zu anderen betont. Gruppendynamisch das Bilden von Out-Gruppen in der Out-Gruppe. Sowas verstehe ich nicht. Jedem möglichen Ziel des Blogs kann das nur schaden, selbst und gerade, wenn die Leidenschaft für stromlose Nähmaschinen beworben werden soll.
5. Verlinke den RSS-Feed
Ein RSS-Feed ist eine einfache XML-Datei, die jedes mal aktualisiert wird wenn im Blog ein neuer Artikel veröffentlich wurde. Feedreader prüfen diese Datei regelmäßig, hat sie sich verändert, können sie die Abonnenten des Feeds auf die neue Artikel hinweisen. Geht es nicht darum Leser auf Werbung zu schieben kann dann sogar im Feed der komplette Artikeltext enthalten sein.
Das ermöglicht es Lesern, Blogartikel in ihrem bevorzugtem Layout zu lesen. Und sie können so über einen langen Zeitraum vielen Seiten folgen. Selbst wenn ein Blog nur zweimal im Jahr einen Artikel veröffentlicht, ist er im Feedreader bekomme ich das mit. Dem Blog bietet das die Möglichkeit einer Stammleserschaft, ohne die durch tägliche neue Artikel aufrechterhalten zu müssen.
Jede Blogengine erstellt diese RSS-Datei automatisch. Fehlt sie, ist es keine Blogsoftware, sondern amateurhaftes Gestümper (siehe oben: kritische Haltung. Zu heftig?).
Feedreader sind oft zumindest teilweise kostenlos, z.B. Feedly, sehr günstig wie bazqux, oder frei und kostenlos auf dem eigenen Server wie das von mir genutzte FreshRSS.
6. Investiere minimal in die Technik
Viele Blogger sind mehr als Autoren, sondern beschäftigen sich auch mit der Webtechnologie dahinter. Man kann da viel machen und viele Blogger schreiben auch darüber. Da muss man nur aufpassen, dass nicht ungewollt plötzlich die Technik hinter dem Blog zum Thema wird. Denn das spricht im Zweifel nur wenige Leute an. Daher ist der erste Abschnitt hier: Nicht zu viel machen, vor allem nicht statt zu schreiben.
Aber ein paar Grundlagen sollten stimmen, weil es jedem hilft: Die Software zumindest so gut sein, dass man Artikel so schreiben kann wie es einem gefällt – egal, ob das jetzt der Marktführer Wordpress oder die auf Blogs fokussierte Nischensoftware Serendipity ist. Die Performance sollte stimmen, wenn die Seite 30 Sekunden zum Laden braucht schadet es wieder den eigenen Zielen.
Eine eigene Domain zu besitzen hilft, will man den Blog später mal umziehen. Domains sind meist auch nicht teuer, .de liegt etwa bei ~10€ im Jahr. Professioneller sieht es auch aus und die Namenssuche kann Spaß machen.
Man kann den Blog selbst hosten. Bei uberspace beispielsweise geht das technisch gut, relativ einfach und ist es nicht übermäßig teuer. Man kann alternativ auch einen guten Fremddienst wie Wordpress.com benutzen.
Aufpassen muss man nur bei Modediensten wie Medium oder Substack (daher kein Link). Solche gehosteten Dienste kommen alle paar Jahre und sind anfangs meist wirklich ein gutes Angebot. Gute Interfaces, einfacher als viele Alternativen, oft bringen sie dem Blogger auch direkt etwas Aufmerksamkeit durch eingebaute Communityfunktionen. Nach ein paar Jahren rennt der Idealismus und der Geldbeutel aus und es folgt – wie inzwischen bei Medium – die Paywall oder eingebaute Werbung.
Das ist dann schade um die reingesteckte Arbeit. Wenn eine eigene Domain setzbar ist kann man aber versuchen, den gerade hippen Dienste als simplen Startpunkt zu nutzen.
7. Zu Schreiben bringt einen Anspruch ans Schreiben
Okay, hier wird es ein bisschen sehr subjektiv. Aber es ist doch so: Wer bloggt, schreibt. Ob es jetzt mehr Beruf oder Hobby ist, primär werden Texte produziert. Wenn es aber nicht gerade ein Literaturblog ist, ist das nur Mittel zum Zweck. Sprache ist meist nicht der Fokus des Autors.
Dass man etwas darauf achtet was man da produziert ist wohl ziemlich selbstverständlich. Wieder egal dem Ziel, ist die Sprache komplett abschreckend – z.B. bei Unmengen an Grammatik- und Rechtschreibfehlern – schadet es.
Aber ich würde etwas weiter gehen: Hab ein bisschen Anspruch an deine Schreibe. Nicht, um möglichst intellektuell daherzusülzen, sondern um mit etwas Stilsicherheit saubere Texte zu produzieren. Vielleicht, weil es Achtung verschafft, aber im Zweifel, weil es der Selbstachtung hilft.
Weil es eine große Seite ist erlaube ich mir ein Negativbeispiel: Computerbase. Ich mag deren Reviews auf einer technischen Ebene. Aber man merkt sowas von, dass die Autoren zuerst Techniker und nur notgedrungen Schreiber sind. Wenn ich noch einmal lese, dass "unbeseeltes Objekt X zu gefallen weiß"! Bzw war es eben schon einmal zuviel, seitdem lese ich Reviews dort nur noch wenn mich das Thema absolut interessiert. Denn die Texte dort sind voll von diesem und ähnlichen Sprachbildern. Schief und überbenutzt ist da eine besonders miese Kombination.
Gerade schiefe Bilder ist etwas, was Journalisten schon in Schülerpraktiken rausgeprügelt kriegen. Ein technisches Objekt kann nichts wissen, es sei denn es ist ein Nachschlagewerk, aber auch dann kann es nichts wollen. Beides steckt in dieser Sprachhülse aber drin. Deswegen passt es nur in ganz anderen Situationen, aber auch dann wäre es ein ganz seltsamer Stil. Trotzdem benutzten sie das in jedem zweiten Review. Wenn man da auch nur minimal einen Blick für hat werden solche Texte unerträglich.
Ich zumindest würde mich als Autor solcher Texte schämen. Was manchmal auch passiert – denn wer regelmäßig schreibt und liest greift automatisch Trends auf, die manchmal im Nachhinein superpeinlich sind. Derzeit hat außerhalb der erzkonservativen Blase die halbe Journaille vergessen, dass die -en-Endung eine Gleichzeitigkeit ausdrückt – "nach dem Feueralarm sitzen die Studierenden auf der Wiese" sagt etwas anderes, als der Autor sagen wollte, nämlich dass die da sitzen und studieren statt dass dort die Studenten eben hingeflüchtet sind. Manchmal rutscht auch mir sowas durch, eine Weile stand bei mir vor jedem "und" plötzlich ein Komma. Aber ich bemühe mich. Anspruch eben. Manchmal funktionierts sogar.
Dann noch ein paar passende Fotos in den Artikel setzen (okay, wieder ein Thema für sich) und schon ist der Blog ein Stückchen über dem Durchschnittsniveau.
8. Das wichtigste: Wirklich bloggen
Keiner der oberen Punkte bringt etwas, wenn am Ende keine Artikel im Blogs landen. Daher im Zweifel einfach mal schreiben. Es braucht sowieso etwas Übung, damit das Schreiben zum Alltag wird, sodass irgendwann der Blog nahezu automatisch befüllt wird. Regelmäßigkeit hilft da.
Regelmäßig und oft genug Artikel zu veröffentlichen hilft auch, die Leser interessiert zu halten, die nicht per Feedreader oder Newsletter den Blog abonniert haben.
Wie seht ihr das? Ich weiß, dass hier ein paar Blogger mitlesen, geht ihr mit den Tipps konform? Solche Fragen an den Ende des Artikels zu stellen ist übrigens auch Handwerkszeug von Internetautoren geworden und wirkt daher mittlerweile auf mich oft unehrlich, weiß ich beim Blogger nicht von seinem ehrlichen Interesse. Von dem kann ich bei mir versichern, aber wer mich nicht kennt weiß natürlich nicht ob er mir glauben darf.
In die Richtung gäbe es also noch mehr Themen. Aber übers Bloggen bzw Schreiben zu schreiben ist auch eine Falle, außerhalb von Journalistenblogs gewinnt man damit nicht viel, oder? Mache ich ganz bewusst nur selten, aber gerade die Tipps zur Feindseligkeit und zur Sprache wollte ich hier mal irgendwo unterbringen.
Fallout New Vegas Jubiläumsartikel auf GamersGlobal
Auf GamersGlobal haben wir eine kleine Aktion umgesetzt. Zum zehnjährigen Jubiläum des Spiels haben wir zeitgleich zwei Artikel veröffentlicht. Einmal von SupArai einen Fast-Erstkontakt mit dem RPG-Klassiker, bei dem es darum ging ob dieser Fallout-Teil ihn heute noch fesseln konnte. Und ich schrieb über die vier Storyerweiterungen, stellte sie vor und ordnete sie ein.
Ich hatte ja auch hier im Blog über die Erweiterungen geschrieben, der GG-Artikel ist aber eigenständig. Wer noch mehr über die Addons lesen will kann sich die Blogartikel zusätzlich anschauen.
Reamde - Neal Stephenson
Wegen Stephenson würde man bei Reamde einen Cyberpunk-Roman erwarten. Doch mit Cyberpunk oder gar Science-Fiction hat Reamde nichts zu tun. Die Handlung spielt in der Jetztzeit, nur dass sich statt World of Warcraft ein anderes MMORPG einer anderen Firma durchgesetzt hat. Eines, das den Goldverkauf legitimiert hat und noch etwas bekannter geworden ist. Doch das ist nur ein Detail, denn eigentlich ist Reamde eine tausendseitige Actiongeschichte mit Entführungen, Gangstern, Geheimagenten und Terroristen, als wegen einer von Spielern gesteuerten Ransomware-Attacke fast zufällig die Nichte des Firmenchefs verschleppt wird.
Typisch ist da nur die lange zusammenhängende Handlung, bei der immer wieder mehrere Stränge parallel verlaufen. Diesmal bleiben die aber viel stärker bei der Haupthandlung als z.B. in Diamond Age. Eine weitere Ähnlichkeit ist, dass es mit dem Spiel so etwas wie einen Cyberspace gibt, der Auswirkungen auf die Echtwelt hat. Die Figuren ähneln auch noch den Cyberpunkfiguren; Wie die Charaktere sympathisch aufgebaut werden und wie sie immer unwahrscheinlich fähig und überdurchschnittlich interessant sind.
Wenn ich jetzt daran denke, wie wenig eigentlich in Reamde passiert, geht das absolut nicht mit der enormen Seitenzahl zusammen. Entsprechend hat es Unmengen an Längen und was erzählt wird ist breit ausgemalt, mit sehr vielen Hintergrundgeschichten sowie technischen Details über die Waffen und bei den Beschreibungen der Handlungsorte. Die Handlung hatte mich zwar irgendwann gepackt und ich wollte den Roman doch fertiglesen, aber so richtig gut fand ich ihn nicht. Die Actionfilm-Verwerfungen, die durch die Ransomware-Attacke ausgelöst werden sind zwar amüsant und kreativ. Aber so ein MMO ist verglichen mit Welten wie der aus Snow Crash eine verdammt schwache Scifikomponente, und da man über solche Spiele so viel weiß lädt sie nur dazu ein, die technischen Fehler des beschriebenen zu analysieren. Ohne diese kreative Komponente jedoch bleibt nur ein detailreicher Thriller über.
Ich finde Reamde zeigt gut, dass viele Details einen Thriller nicht spannender machen. Wäre er 500 Seiten dünner hätte ich ihn wahrscheinlich toll gefunden, so ist es eine überfrachtete Actiongeschichte mit ein paar mittelmäßig spannenden Technikelementen geworden.
Begley: Memories of a Marriage
Zwei Menschen am Lebensabend: Der Erzähler und Lucy. Beide sind verwitwet und begegnen sich zufällig wieder. Lucys Zustand überrascht ihn, auch ihr Hass auf den verstorbenen Thomas Snow, von dem er nur positive Erinnerungen hat. Was ist in dieser Ehe passiert, ist ihre Einschätzung fair? Ähnlich einem Biographen recherchiert der Erzähler dieser Sache nach, lässt sich erzählen und stöbert in eigenen Erinnerungen.
Gleichzeitig hat ja auch er seine Frau verloren und muss sein Leben weiterleben. Also eine ähnliche Ausgangssituation wie in Schmidt, auch ein ähnliches Milieu, wenn auch die Erzählebene oft weiter in der Vergangenheit liegt. Und doch ist es eine andere Art Geschichte. Wiederkehrend sind zwar die Themen Treue und Affären, psychische Krankheiten und Verlust. Doch mit einem Schriftsteller als Protagonisten und den Beschreibungen seiner Arbeit begleitet man nicht so sehr einem alten Mann und seinen Eskapaden, sondern taucht in diese Ehe hinab. Ein Urteil zu fällen, darauf soll es wohl hinauslaufen.
Elegant und gelungen.
Louis Begley: Die Schmidt-Trilogie
Begleys Reihe über Schmidt hatte ich vor Jahren schonmal gelesen, den dritten Teil angesichts seines Erscheinungsdatums vor nicht zu langer Zeit, aber jetzt nochmal im Original und alle hintereinander.
Der erste und der zweite Teil fließen ineinander. Der dritte unterscheidet sich deutlicher. In allen ist Schmidt ein alter Mann, ein ehemaliger Anwalt. Seine Frau ist gestorben. Seine Tochter Charlotte ist grenzdebil und ihm gegenüber feindlich eingestellt, ihr Ehemann und seine Familie passen dazu. Einen Freundeskreis glaubt er nicht zu haben (es wird angedeutet, dass das nicht stimmt und die Isolation selbstgewählt ist), abgesehen von einem jüdischen Filmemacher, ein Studienfreund.
Spoilerwarnung
Dieses Szenario wird in About Schmidt beschrieben. Trauer, Isolation und Zurückweisung würde ich als die Hauptthemen sehen. Interessant: Schmidt ist kein sympathischer Charakter. Er ist nicht amoralisch, anders als ein dem Buch angehängter Reviewauszug ihn beschreibt. Er betrog seine Frau und sieht darin auch kein echtes Problem, vll ist das damit gemeint, vielmehr aber bewertet er das einfach nach angerichtetem Schaden und Diskretion. Nein, da ist schon eine Moral, aber er hat gleichzeitig immer wieder Kommentare, Gedankengänge und Verhaltensweisen drauf, die ihn zu einem Unsympathen machen. Zum Beispiel wenn er den Mann seiner Tochter verachtet, weil er nur arbeitet und nichtmal versucht Bücher zu lesen, er selbst allerdings in dem Alter auch nur arbeitete und immer noch jedes mal nach drei Seiten seines Buches einschläft. Gleichzeitig ist da aber diese berechtigte Verletztheit, die Ungerechtigkeit der Welt und seiner Familie ihm gegenüber, sein Suchen nach Besserung – als Leser gewinnt er einen dann doch.
Wiederkehrendes Motiv Begleys ist Schmidts frühere Firma, die immer wieder sein Denken bestimmt, Teil seiner Identität, aber auch Ort mehrfachen Verrats (der alte Freund, der ihn rausdrängte; die Pensionsbezüge, die vertragswidrig gekürzt werden sollen).
Stark ist dieses Bild, wie er in seiner Küche sitzt und aus Einsamkeit und Zuneigung gerne Charlotte und ihren Mann im Gästehaus besuchen würde, es aber aus Selbstrespekt und Sturheit nicht tut, weil er ja nicht eingeladen wurde. Und aus dieser Zwickmühle nicht rauskommt.
Zwischendurch lernt er Carrie kennen, eine zwanzigjährige Kellnerin mit …ungewöhnlichem(?) Sexualverhalten. Mit ihr beginnt er gegen Ende einen neuen Lebensabschnitt und entwickelt dabei so etwas wie Unabhängigkeit, eine Existenz außerhalb des familiären Dramas.
Schmidt Delivered erzählt die direkte Folgezeit. Wie prophezeit endet die Beziehung mit Carrie, wenn auch nicht im großen Streit. Seine Tochter durchlebt ein paar Höhen und Tiefen, aber sie bleibt ihm fremd, wobei sie gegen Ende einen Neuanfang vereinbaren. Er gewinnt einen neuen Freund, einen Milliardär. Dieser hat eine Stiftung (angelehnt an George Soros?) und bietet die Leiterrolle Schmidt an. Der zögert erst, ein größerer Diskussionspunkt, nimmt dann aber doch an. So bekommt er einen neuen Lebensinhalt.
Dieser Abschnitt ist so kurz, weil im Grunde im zweiten Roman nicht viel passiert. Das Hauptinteresse hier ist, dass unklar bleibt was passieren wird. Schmidt lernt, er kämpft, mit sich selbst und seiner Vergangenheit, mit seiner Moral und der Amoral seiner missratenen Tochter, mit eigenen Fehlern und Fehlern anderer. Entsprechend ist sein Zögern ob der Leiterrolle ein großes Thema: Was steckt dahinter? Berechtigte Angst vor dem Einfluss des Milliardärs, will der wirklich nur mit ihm spielen wie befürchtet, oder ist da echte Freundschaft? Begley selbst hat einen Gastauftritt als Gast des Milliardärs, als Autor mit ähnlichem Hintergrund, sozial unfähigen Widerling (wenn Begley sich selbst wirklich so sieht erklärt das viel) und einer bald ihm untreuen Ehefrau. Auch dieser Auftritt passt zu der aufgebauten Spannung: Was (welches Grauen) verbirgt sich dahinter? Wie sollten sich Menschen anderen Menschen gegenüber verhalten?
Schmidt nötigt dem Leser insgesamt Respekt ab, wie er die Demütigung des Alters und der Zurückweisungen durch Carrie nicht nur erträgt, sondern in eine positive Beziehung umwandelt. In der Diskussion der kurzen Handlung lernt er, er bessert sich, legt die Grundlage für die Erwachsenwerdung im Finale. Am Ende und nach dem verabredeten Neuanfang mit seiner Tochter klopft er in Paris an eine Haustür; überdeutlich, dass hier mit besagtem Finale ein neuer Lebensabschnitt anfangen wird.
Schmidt Steps Back beginnt mit einer Frau namens Alice, die ihn besuchen kommt – sie wartete hinter der Tür in Paris. Retrospektiv wird dann erzählt, wie es zu dem Besuch kam. Die Handlung umfasst mehr Jahre als die vorherigen Bücher, Schmidt ist deutlich älter. Diese Erzählperspektive macht den Roman anders als die vorherigen, aber auch Schmidt ist gewandelt. Dadurch ändert sich die Wahrnehmung: Vorher war nicht klar, ob die angeheiratete Familie seiner Tochter wirklich so furchtbar war oder Schmidt nicht vielmehr ein Arsch. Jetzt wird deutlich, dass sie bis auf den Vater tatsächlich widerwärtig waren, sie sein Geld stehlen und dafür die gestörte Tochter instrumentalisieren wollten. Dementsprechend eskaliert die Beziehung zu ihr, der Neuanfang scheitert zuerst. Doch nach einer Fehlgeburt landet sie in der Psychatrie, was diese Dynamik aufbricht.
Die Beziehung mit Alice scheitert zunächst ebenfalls, denn im Gegensatz zu seiner Idealisierung (was er mit Frauen immer macht, sie hochzuidealisieren, wenn ein alter Körper ihn nicht zu sehr anekelt – was er erst mit Alice im Greisenalter überwindet) lügt sie ihn mehrmals an, womit er schlecht umgeht. Doch wir wissen ja schon, dass sie am Ende doch zu ihm reist.
Furchtbar: Wie Charlotte stirbt, nachdem sie sich aus ihrer Depression gerissen und von den Manipulatoren befreit hatte und anfing, eine positive Beziehung zu Schmidt und einem neuen Mann aufzubauen. Wobei Begley diese Entwicklung meisterhaft andeutet, indem ihre Annäherung über Katastrophen in den Nachrichten als Gesprächsthema stattfindet. Beim ersten Lesen verpasste ich die Offensichtlichkeit darin, aber es erschafft auch dann eine üble Vorahnung.
Mehr noch als die ersten beiden Romane ist der dritte Teil durch diesen Kniff ein Gesellschaftsroman. Schmidt bekommt die großen Ereignisse der USA mit – der Bombenanschlag in Oklahoma, Clintons Impeachement, Bushs Wahlsieg, 9/11, prophezeit die folgenden Kriege, freut sich über Obamas Wahlsieg (ein großer Schritt im Vergleich zum jüngeren Schmidt aus dem ersten Teil), unwissend über die Katastrophe namens Trump, welche die USA später erleiden wird. In der Reaktion Schmidts auf diese Geschehnisse kommentiert Begley die Entwicklung der amerikanischen Gesellschaft.
Und dann ist da Schmidt selbst. Er sagt es auch: Er sei erwachsen geworden. Und man muss zustimmen. Der Schmidt im dritten Teil ist ein kompletterer Mensch als im ersten. Er löst sozial schwierige Situationen, ohne auf die Führung einer Frau angewiesen zu sein. Er weiß, wann er schweigen muss, wann er Geld geben sollte und wann es besser verweigert wird. Wie erwähnt, sein Rassismus ist verschwunden. Vor allem aber ist da der Gegensatz zum Schmidt vor der Rente, der in einem kaputten Scheinleben vor sich hin arbeitete, unglücklich in der Arbeit, der Ehe, seinen Affären, im Bett und im Sozialen – jetzt aber eine Frau als Erlösung akzeptiert, die sich der Rolle der perfekten Ehefrau und Gastgeberin explizit verweigert. Auch für ihn selbst bedeutet das eine andere Auffassung von Lebenszweck und Glück.
Alle drei Romanen funktionieren gut. Begleys Charaktere sieht man so sonst nicht. Und er beschreibt auf der einen Seite ein Vorzeigeleben, um es dann zu vernichten, indem er die Grausamkeiten und den fehlenden Lebenssinn von Schmidt vor seiner Rente zeigt. Dann aber folgt – auch nicht besser – die Einsamkeit und die Isolation im Alter, verstärkt durch die widerliche Familie seiner Tochter und ihr unmögliches Verhalten. Das ist nachvollziehbar, als Leser fühlt man diese existentiellen Probleme und Ausweglosigkeiten. Und doch gibt es Erlösung. In dem Ganzen ist auch eine Offenheit, eine Klarheit im Denken, die man sonst zu selten findet. Typisch für Begley ist eine eher widerliche Sexualität, die sich durch alle drei Romane zieht. Ob man die akzeptieren kann wird vom Leser abhängen. Auch dieses extrem reiche Leben – keiner hier hat ernsthafte Geldsorgen – wird den wenigsten Lesern bekannt sein, aber Begley porträtiert diese Klasse ja auch und macht damit ihr Denken verständlicher.
Im Nachvollziehbarmachen eigentlich sehr ferner Lebenssituationen liegt Begleys enormes Talent, das in allen drei Schmidt-Romanen voll durchschlägt. Entsprechend großartig und lesenswert sind sie dann auch.
Chinua Achebe, Alles zerfällt
Vor dem Roman stand ein Vorwort, das dessen historische Bedeutung betont und die Handlung spoilert.
Ich hatte schon Sorge, von dem Buch durch überzogenem literarischen Anspruch gequält zu werden. Unbegründet, es ist eine gute und kompakte Geschichte, bei der jeder Aspekt zwei Seiten hat: Da wird das afrikanische Stammesleben beschrieben, als gleichzeitig erstrebenswert und unsagbar grausam, die Anfänge des Kolonialismus mit seinen positiven Aspekten angesichts der Übel der Stammeskultur, aber dann auch seine zur Weißglut treibenden Ungerechtigkeiten. Dabei folgt die Handlung einem Protagonisten, der ein absoluter Unsympath ist, ein Mörderer und Frauenschläger, aber auch ein mitleidserregender armer Sack mit guten Seiten, tragisch vom Pech verfolgt und angesichts seiner untergehenden Zivilisation chancenlos, sodass ich dann doch für ihn hoffen musste.