02 Skript Kapitel 12-2
02 Skript Kapitel 12-2
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12.2 Querkraftschub
Belastet man einen Balken durch ein veränderliches Biegemoment M (x), z.B. beim
Kragarm in Abbildung 12.14, dann treten in der Querschnittsfläche des Balkens Quer-
kräfte gemäß
dM (x)
Q(x) = (12.45)
dx
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Festigkeitslehre: Querschub 136
Das Auftreten von Schubspannungen in Längsrichtung kann man sich durch ein Gedan-
kenexperiment veranschaulichen: Denkt man sich den Balken aus Abbildung 12.16 als
aus lose aufeinanderliegenden Brettern aufgebaut (a), gleiten diese Bretter unter Biege-
beanspruchung aufeinander ab, eine vorher aufgebrachte Markierung wird verschoben.
Beim massiven Balken können wir die Fasern als miteinander verklebte Bretter vorstellen
(b). Durch die gedachten Klebeverbindungen wird dieses Abgleiten jedoch verhindert,
in den Klebefugen treten Längsschubspannungen ⌧l auf.
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Festigkeitslehre: Querschub 137
12.2.1 Spannungsermittlung
Die Vertikalkomponenten ⌧q der Schubspannung ⌧ges , die parallel zur Querkraft gerichtet
sind, sollen nur in z-Richtung veränderlich sein, nicht jedoch in y-Richtung3 : ⌧q = ⌧q (z).
3
Diese Annahme ist nicht exakt erfüllt, da die Schubspannung am Rand einer beliebigen Querschnitts-
fläche immer tangential zur Oberfläche verläuft. ⌧q ist daher eine mittlere Schubspannung.
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Festigkeitslehre: Querschub 138
Bild 12.18 zeigt einen auf Biegung und Querkraftschub beanspruchten Balken. Zunächst
wird ein Volumenelement der Länge dx herausgeschnitten. Dieses wird wiederum an
der beliebigen Stelle z durchgeschnitten, das Volumenelement hat dort die Breite
b(z) und damit die Fläche b(z) · dx. Das Kräftegleichgewicht in x-Richtung liefert
Z Z
( (z) + d ) dA (z)dA ⌧l (z) · b(z)dx = 0. (12.47)
AR AR
Daraus folgt
Z Z
1 d
d · dA = ⌧l (z) · b(z)dx ) ⌧l (z) = dA. (12.48)
b(z) dx
AR AR
Für die Biegespannung im Abstand ⇣ von der durch den Flächenschwerpunkt gehenden
y-Achse gilt mit dem Flächenmoment Iyy
M (x)
(⇣) = · ⇣. (12.49)
Iyy
d (⇣) dM (x) ⇣ ⇣
= · =Q· . (12.50)
dx dx Iyy Iyy
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Festigkeitslehre: Querschub 139
R
Der Integralausdruck ⇣dA =: Hy (z) ist das Flächenmoment 1. Ordnung (sta-
AR
tisches Moment, siehe Abschnitt 5.3 zur Berechnung des Flächenschwerpunktes) der
Restfläche AR . Für die Schubspannung gilt daher
Q · Hy (z)
⌧l (z) = ⌧q (z) = . (12.52)
b(z) · Iyy
Oftmals ist man am genauen Schubspannungsverlauf gar nicht interessiert, da für die Fe-
stigkeitsbewertung meist nur die maximal auftretende Schubspannung ⌧q max maßgeblich
ist. Daher definiert man über
⌧q max = · ⌧m (12.53)
Beispiel: Rechteckquerschnitt
Q · Hy (z)
⌧q (z) =
b(z) · Iyy
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Festigkeitslehre: Querschub 140
bh3
R
Mit: b(z) = b, A = b · h, Iyy = 12
und Hy (z) = ⇣dA. Wegen dA = b · d⇣ folgt:
AR
Zh/2 2 h/2 ✓ ◆
⇣ b h2 2 bh2 4z 2
Hy = b ⇣d⇣ = b = z = 1
2 z 2 4 8 h2
z
und damit
✓ ◆ ✓ ◆
Q · bh2 · 12 4z 2 3Q 4z 2
⌧q (z) = 1 = 1 .
8 · b · bh3 h2 2 bh h2
3Q 3Q 3
⌧q max = ⌧q (z = 0) = = = ⌧m = ⌧m .
2 bh 2A 2
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Festigkeitslehre: Querschub 141
Querschnittsfläche ⌧q (. . .) ⌧q max
⇣ ⌘
3 Q 4z 2 3 Q
⌧q (z) = 2 bh
1 h2
⌧q max = 2 bh
= 32 ⌧m = 3
2
⇣ ⌘
4 Q z2 4 Q 4
⌧q (z) = 3 r2 ⇡
1 r2
⌧q max = 3 r2 ⇡
= 3
Q Q
⌧q (') = r⇡t
· cos ' ⌧q max = 2 · 2r⇡t
=2
Flansch: Flansch:
⌧hF (⌘) = Q·c
Iyy
·⌘ ⌧hF max = Q·b·c
Iyy
Steg: h Steg:
⌧qS (z) = IQyy bc ttFs ⌧qS max
h = i
⇣ ⌘i Q a2
a2
+ 2 1 a2 z2
Iyy
bc ttFs + 2
Da die Schubverformung über das Hookesche Gesetz mit der Schubspannung zusam-
menhängt, ändert sich aufgrund der nicht konstanten Schubspannung über die Dicke
auch die Schiebung . Hierauf wollen wir im Rahmen der Grundlagenvorlesung aller-
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Festigkeitslehre: Querschub 142
dings nicht weiter eingehen und beschränken uns darauf, eine “gemittelte” Schiebung
⌧m
m =
G
Wird ein Balken durch Querkraftbiegung beansprucht, treten neben den Normal-
spannungen durch Biegung auch Schubspannungen durch Querkräfte auf. Be-
trachten wir dazu nochmals unser Ausgangsbeispiel (Abbildung 12.14 bzw. 12.20) mit
Rechteckquerschnitt (Breite b, Höhe h > b). Der Verlauf des Biegemomentes M (x) ist
linear, die Querkraft Q im Träger ist konstant. Aufgrund des parabelförmigen Verlaufs
der Schubspannung im Rechteckquerschnitt tritt die maximale Schubspannung bei z = 0
auf. Mit Qmax = F = const. erhält man
3 F
⌧q max = · ⌧m = (12.54)
2b·h
Mmax F ·l 6F l
b max = = 2
= 2 (12.55)
Wy b · h /6 bh
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Festigkeitslehre: Querschub 143
⌧q max h
= (12.56)
b max 4·l
Daraus ergibt sich, dass Schub- und Normalspannungen in einem durch Querkraftbie-
gung beanspruchten Balken in etwa dieselbe Größenordnung besitzen, falls Balkenhöhe
und Balkenlänge die gleiche Größenordnung haben. Man spricht dann von kurzen
Balken, bei denen der Querkrafteinfluss nicht vernachlässigt werden darf.
Bei langen Balken hingegen können die Schubspannungen gegenüber den Bie-
genormalspannungen vernachlässigt werden. Zum Beispiel ergibt sich für einen
Balken mit Rechteckquerschnitt und l = 5 · h
⌧q max h 1
= = . (12.57)
b max 4·5·h 20
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Technische Mechanik I – Statik und Festigkeitslehre Grundlagen 1
Lehrbeispiel 15.1:
werden.
Gegeben: , .
a) Wie ist die Länge zu wählen, wenn an der Einspannstelle
die maximale Schubspannung in der Mitte des Querschnitts
genauso groß sein soll wie die maximale Biegenennspan-
nung am Rand? Die Kerbwirkung ist zu vernachlässigen.
b) Welcher Werkstoff in Baustahlqualität ist unter Berück-
sichtigung des Ergebnisses aus a) mindestens auszuwählen,
wenn in der Mitte des Querschnittes eine Mindestsicherheit
gegen plastisches Versagen durch Schub von 1,3 eingehalten
werden soll? Es gilt: , ,
Schubfließgrenze . Wie groß ist mit dem gewählten Werkstoff die vorhandene
Sicherheit gegen Fließen an der Stelle der maximalen Biegespannung, wenn gilt ?
c) Welche Gesamtdurchsenkung stellt sich dann an der Lasteinleitungsstelle ein (Stahl:
, )?
Lösung: a)
b) E335,
c)
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Technische Mechanik I – Statik und Festigkeitslehre Grundlagen 2
Lösung
Die folgenden Abbildungen zeigen schematisch die Verläufe der Biegespannung und der Quer-
schubspannung über den Balkenquerschnitt. Als Normalspannung steht die Biegespannung
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senkrecht auf der Querschnittsfläche, die Schubspannung liegt als Tangentialspannung in der
Fläche. Zur besseren Veranschaulichung wird ihr Verlauf „umgeklappt“ dargestellt.
Die Biegespannung ist am Rand maximal, für (neutrale Faser) ist die Biegespannung Null.
Der Verlauf der Schubspannung ist quadratisch. Am Rand ist er Null, in der Mitte maximal.
a) Wir berechnen zuerst die gemittelte Schubspannung . Für die Fläche des Kreisquerschnittes
gilt und damit
Die maximale Schubspannung tritt in der Mitte für auf. Den Schubkorrekturfaktor für den
Kreisquerschnitt entnehmen wir Tabelle 3.1 im Skript:
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Technische Mechanik I – Statik und Festigkeitslehre Grundlagen 3
.
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Die Länge des Trägers ist damit deutlich kleiner als sein Durchmesser, es handelt sich also nicht
mehr um einen schlanken Balken, bei dem die Schubspannung gegenüber der Biegespannung
vernachlässigt werden kann.
b) Für die Zahlenwerte , ergibt sich
Es soll ein Werkstoff in Baustahlqualität ausgewählt werden, der in der Mitte des Querschnitts eine
Sicherheit gegen Fließen von mindestens aufweist. An dieser Stelle ist die
Biegespannung Null und wir brauchen nur die Schubspannung zu berücksichtigen. Für die
Schubfließgrenze gilt
1
.
Wir fordern:
Aus der Tabelle 1.1 des Anhangs zur Vorlesung wählen wir den Baustahl mit der nächstgrößeren
Streckgrenze aus:
E335: .
können wir die Sicherheit gegen Fließen am Rand ausrechnen, da die Schubspannung dort Null ist
1 Dieser Zusammenhang zwischen Schubfestigkeit und Streck- bzw. Dehngrenze für duktile Materialien folgt aus der
Gestaltänderungsenergiehypothese, auf die wir später im Semester bzw. in TM II noch eingehen werden.
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Technische Mechanik I – Statik und Festigkeitslehre Grundlagen 4
.
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Die Sicherheit gegen Fließen durch Biegung ist dort deutlich höher als die Sicherheit gegen Fließen
durch Querschub in der Balkenmitte von etwa . Für diesen „kurzen Balken“ ist der Querschub
also kritischer als die Biegung.
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