Knicken
Knicken
Knicken
Norbert Vogt
Stefan Vogt
Christian Kellner
1 Einführung
© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 82 (2005), Heft 12 889
N. Vogt/St. Vogt/Chr. Kellner · Knicken von schlanken Pfählen in weichen Böden
Für eine Betrachtung des Knickvorgangs von Pfählen in Die wünschenswerte weitergehende Korrelation des Was-
Böden ist es erforderlich zu wissen, welche seitlichen sergehalts und damit der Konsistenz zur undränierten
Stützkräfte in Abhängigkeit von horizontalen Verschie-
bungen geweckt werden können (Mobilisierungsgesetz).
Bei den folgenden Betrachtungen wird vorausgesetzt, daß
der Pfahl im Boden nicht planmäßig horizontal belastet
wird. Die linear-elastische Bettung ist der einfachste An-
satz zur Modellierung einer Stützwirkung. Die analytische
Lösung geht auf Engesser zurück:
2 2
Ê pˆ 1 Ê Lˆ
N ki = n 2 ◊ Á ˜ ◊ E p ◊ I p + 2 ◊ Á ˜ ◊ k l
Ë L¯ n Ë p¯
L4 ◊ k l 4 4 ◊ 1050
= = 49
Ep ◊ Ip 111
p2 ◊ E p ◊ I p p 2 ◊ 111
N ki = j ◊ = 10 ◊ = 690 kN
L2 42
sich ausgeprägt viskos und plastisch. Dies hat die wesent- Tabelle 1. Modellpfähle
liche Folge, daß der seitliche Bodenwiderstand mit zuneh- Table 1. Model piles
mender Pfahlverschiebung nur begrenzt zunimmt und
über das Maß des Fließdrucks nicht wachsen kann. Aus Modellpfahl A Modellpfahl B
diesem Grunde überschätzen alle Rechenmodelle, die auf Biegesteifigkeit
eine elastische Beschreibung der Bodenreaktion zurück- Ep · Ip [kNm2] 1,071 0,567
greifen – wie etwa die einfachen Formeln nach Engesser – vollplastische Normalkraft
die tatsächlichen Knicklasten. Np [kN] 48,3 29,9
Bei Pfählen mit größeren Durchmessern kann erfah- Verzweigungslast des unge-
rungsgemäß bei üblichen Situationen ein Stabilitätsver- stützten Pfahls Nki [kN] 16,52 8,74
sagen selbst in breiigen Böden mit sehr geringen Festig-
keiten ausgeschlossen werden. Die EN 1997-1 (Abschnitt
7.8) trifft die Aussage, daß in der Regel kein Knicknach- scher Ton mit einer Ausrollgrenze von wp = 28 % und einer
weis zu fordern ist, wenn Pfähle (Anmerkung: an dieser Fließgrenze von wl = 55 % klassifiziert.
Stelle wird abweichend von der als nächstes in derselben Der Boden wurde mit Hilfe von Auflasten konsoli-
Norm zitierten Stelle nicht von schlanken Pfählen ge- diert, bis die gewünschte Festigkeit erreicht war. Anschlie-
sprochen) von Böden mit einer repräsentativen Scherfe- ßend wurde der Pfahl mit einer hydraulischen Presse bis
stigkeit im undränierten Zustand von cu > 10 kN/m2 um- zum Versagen belastet. Dabei wurden die Pfahlnormal-
schlossen sind. Sie fordert jedoch, daß schlanke Pfähle, kräfte am Pfahlkopf mit einer Kraftmeßdose erfaßt. Die
die teilweise im Wasser oder in sehr weichen Sedimenten während der stufenweisen Lastaufbringung auftretenden
größerer Mächtigkeit stehen, auf Knicken untersucht radialen und axialen Verformungen wurden mittels
werden müssen. Die DIN 1054 (Abschnitt 8.5.1-2) for- Meßeinrichtungen beobachtet: Axial am Pfahlkopf ange-
dert einen Knicknachweis, wenn Pfähle Böden mit cu < ordnet, registrierte ein potentiometrischer Wegaufnehmer
15 kN/m2 durchörtern. Für Pfähle mit Durchmessern die vertikalen Verschiebungen. Kugelgelenke am Pfahlkopf
unter 30 cm geben die DIN 4128 (Abschnitt 9.3) sowie und Fuß ermöglichten bei Rohren oder runden Vollstäben
die bauaufsichtlichen Zulassungen des DIBt für verschie- ein Ausknicken in jede Richtung. Zur Ermittlung der hori-
dene Pfahlsysteme eine Grenze der undränierten Scher- zontalen Verschiebung des Pfahls gegen den Boden waren
festigkeit von 10 kN/m2 an, unterhalb der ein Stabilitäts- in Pfahlmitte drei unter 120 ° versetzte Wegaufnehmer an-
nachweis nach DIN 18800 Teil 2 notwendig wird. Die ge- geordnet, die an vorgespannten Meßdrähten, welche in das
nannten Grenzen wurden in mehreren Aufsätzen und Innere des Versuchsbehälters führten, montiert waren.
mit Hilfe von Vergleichsrechnungen infrage gestellt Bild 5 zeigt eine Erhöhung der erreichten Traglasten
(etwa: Brandtzaeg und Harboe [6], Wenz [2], Meek [3]). Nu gegenüber der Euler-Last Nki, sobald stützendes Bo-
Über die Art, mit welcher Beschreibung der Bodenreak- denmaterial den Pfahl umgibt. Auf der Ordinate ist die ge-
tion eine seitliche Stützung zu modellieren und in einem messene maximale Pfahlnormalkraft und auf der Abszisse
Nachweis zu verwenden ist, treffen die normentechni- die undränierte Scherfestigkeit cu des umgebenden Bo-
schen Regelungen keine Aussage.
4 Versuche
4.1 Kleinmaßstäbliche Versuche
4.2 Feldversuch
ben, danach das mit den Meßaufnehmern bestückte, 8 m nungsmeßstreifen war erfolgreich. Damit konnte festge-
lange Stabstück. Diese wurden mit Muffen miteinander stellt werden, daß das Versagen des GEWI-Pfahls eindeutig
verbunden. Sieben Tage nach der Pfahlherstellung wurde aufgrund eines Stabilitätsversagens auftrat. Obwohl die ge-
der Pfahl bis zum Versagen belastet. messenen Scherfestigkeiten von deutlich über 15 kN/m2
Gemessen wurden die Belastungskräfte, die Setzung kein Knickversagen erwarten ließen, wurde die vollplasti-
des Pfahlkopfs und mit Hilfe von Dehnungsmeßstreifen sche Normalkraft bei weitem nicht erreicht. In diesem Zu-
am Stahltragglied das seitliche Ausweichen des Pfahls. sammenhang wurde die Teileinspannung am Pfahlkopf,
Eine schematische Übersicht bietet Bild 6. Die Ermittlung welche die Knickfigur beeinflußt und eventuell eine Er-
der seitlichen Verformungen des Pfahls im Boden erfolgte höhung der Knicklast bewirkte, nicht berücksichtigt.
mit Hilfe von Dehnungsmeßstreifen. Die verschalteten
DMS ändern proportional zu ihrer Längenänderung ihren 4.3 Großversuche in der Versuchshalle
ohmschen Widerstand. Appliziert wurden Vollbrücken
mit jeweils vier Meßgittern für jeweils eine Ebene der Ver- In derVersuchsgrube der Halle des Zentrum Geotechnik der
formung. Um eine Auslenkung des Pfahls in jede Richtung TU München wurde für großmaßstäbliche Untersuchungen
erfassen zu können, bilden jeweils zwei Vollbrücken, wel- des Knickens ein weiterer Versuchsstand erstellt. Darin ist es
che in einem 90°-Winkel zueinander stehen, eine Meß- möglich, 4 m lange Pfähle einer Probebelastung zu unterzie-
ebene. Dadurch sind die Erfassung der Biegedehnungen hen. Dazu wurden zwei Behälter, bestehend aus Beton-
an den diskreten Meßebenen in einer Tiefe von –1 m, –2 m schachtringen, aufgebaut. Die Behälter stehen auf einem bis
und –3 m und eine Rückrechnung auf die Krümmung des zur Grubensohle reichenden starren Fundament. Mit einer
Tragglieds sowie der Biegelinie möglich. frei verschiebbaren Belastungsbrücke kann eine hydrauli-
Die Pressenkraft wurde von einem Vorlastniveau von sche Presse über dem Pfahlkopf positioniert werden.
etwa 5 kN zunächst in drei Schritten auf die Gebrauchslast Wie bei den kleinmaßstäblichen Versuchen wurde
Nd = 235 kN erhöht. Damit die plastischen Verformungen, der Versuchsboden in flüssiger Konsistenz aufbereitet. Das
welche aus der Gebrauchslast von 235 kN herrühren, zu Mischen und Einpumpen des für die Füllung eines Behäl-
ermitteln sind, wurde fünf Minuten lang die Pressenkraft ters erforderlichen Bodenmaterials (4 m3) geschah mit ei-
auf das Niveau der Vorlast gesenkt. Danach wurde die ner leistungsstarken Injektionsanlage. Der Behälter wurde
Kraft erneut auf 235 kN erhöht. Es war geplant, den Pfahl so gefüllt, daß eine mit der Konsolidation verbundene Set-
in weiteren Laststufen von je zusätzlich 50 kN bis zum Ver- zung möglich ist. Um, ausgehend von einem flüssigen Bo-
sagen zu belasten. Aber schon bei einer Last von 273 kN den mit einem Wassergehalt von 80 %, eine undränierte
trat schlagartig das Versagen des Pfahls ein. Drei aus den Scherfestigkeit von etwa 15 kN/m2 zu erreichen, war eine
Signalen der Dehnungsmeßstreifen konstruierte Krüm- Setzung von über 1 m einzuplanen. Die Konsolidation des
mungsverläufe sind im Bild 8 über die Tiefe angetragen. schwach durchlässigen Tonbodens wurde durch eine Auf-
Das seitliche Ausweichen im oberen Drittel der Weich- last und mit Hilfe von elektroosmotischen Effekten geför-
schicht ist deutlich zu erkennen. Dabei war das Versagen dert. Die Entwässerung erfolgte über an der Innenseite
überaus schlagartig und kündigte sich zuvor nicht durch der Schachtringe befestigte geotextile Vertikaldräns. In
ein überproportionales Ansteigen der Verformungen an. diesen Dränstreifen und in Behältermitte befanden sich
Der Nachweis eines Ausknickens des Kleinbohrpfahls Elektroden aus kleinen Stahlstangen. Wird eine elektri-
mittels Dehnungsmessungen durch elektronische Deh- sche Spannung so angelegt, daß sich ein elektrisches Po-
Pfahltyp I Pfahltyp II
Beschreibung Verbundquerschnitt GEWI ∆ 28 mm Aluminiumprofil
Zementstein C20/25 ∆ 100 mm Al Mg Si 0,5
b = 100 mm
voller halbseitig nur
Modellierung des Verbundes —
Verbund gerissen Tragglied
Biegesteifigkeit Ep · Ip [kNm2] 152,7 054,7 006,3 0 37,3
vollplastische Normalkraft Np [kN] 415,8 415,8 309,7 600,0
vollplastisches Moment Mp [kNm] 002,0 002,0 001,6 005,8
Verzweigungslast des ungestützten Pfahls Nki [kN] 094,2 033,7 003,9 023,0
Bild 11. Schnittgrößen kurz vor dem Pfahlversagen, ohne eine Berücksichtigung der haltenden Momente aus der Bodenstützung
Fig. 11. Internal forces shortly before failure occured, without taking into account the stabilizing moments due to the soil reaction
malwert in der Pfahlmitte von w0,M angenommen. Die Im- gezeigt. Es ist deutlich zu erkennen, daß sich die Biegeform
perfektion wird zur maximalen Verschiebung kurz vor zwischen der Laststufe 2 (N = 90 kN) und 3 (N = 125 kN)
dem Erreichen der Traglast Nu, welche aus den Meßsigna- änderte. Die größte seitliche Auslenkung des Pfahls kurz
len der seitlichen Wegaufnehmer berechnet wurde, ad- vor dem Versagen lag mit weniger als 1,5 mm im Bereich
diert. Berechnet man so die Schnittgrößen im Pfahl kurz des mittleren Wegaufnehmers (Kote –2,0 m). Beim Versa-
vor dem Erreichen der Traglast, so zeigt sich trotz der Ver- gen selbst wuchsen die Verformungen überwiegend im Be-
nachlässigung der rückdrehenden Momente aus der Bo- reich des oberen Wegaufnehmers stark an.
denstützung deutlich, daß das Versagen des Pfahltyps II Die maßgebende und zum Pfahlversagen führende
eindeutig aufgrund eines Stabilitätsproblems und nicht seitliche Auslenkung war bei allen Versuchen in der obe-
durch ein Überschreiten der Materialfestigkeit im Pfahl ren Pfahlhälfte zu finden. Vor dem Versagen zeigen die
verursacht wurde. Die registrierten Schnittgrößen liegen großmaßstäblichen Versuche ein sehr steifes Verhalten mit
weit von der Interaktionskurve entfernt. Die nach dem kleinen Verformungen. Damit kann vermutet werden, daß
Versuch aus den Bodenbehältern gezogenen Aluminium- der Mobilisierungsweg zum Erreichen der maximalen Bo-
profile (Pfahltyp II), welche vollkommen unbeschädigt denreaktion pf (Fließdruck) sehr klein und damit die Stei-
blieben, beweisen diese Tatsache eindeutig. Für den Pfahl- figkeit der Linienfeder in einer bilinearen Beschreibung
typ I können aufgrund der oben beschriebenen Problema- zunächst sehr hoch ist.
tik nicht immer gesicherten Aussagen über die Art des Ver-
sagens getroffen werden. Allerdings kann beim Versuch
mit einer Bodenstützung, deren repräsentativer Mittelwert
der undränierten Scherfestigkeit cu = 18,8 kN/m2 erreicht,
ein Versagen aufgrund der Überschreitung der Materialfe-
stigkeit ausgeschlossen werden.
Die Biegeform, welche in den Belastungsversuchen
der kleinmaßstäblichen Pfähle beobachtet wurde, war stets
eine Halbwelle über die gesamte Pfahllänge von 80 cm.
Diese Form trat bei den Großversuchen nur im Fall der un-
gestützten Probebelastungen auf. Sobald Boden den 4 m
langen Pfahl umgab, änderten sich die Biegelinien. Exakte
doppelte, dreifache oder vierfache Halbwellen, die sich
über die gesamte Pfahllänge zwischen dem oberen und un-
teren Pfahlgelenk erstrecken, und wie sie als Verformungs-
figuren bei allen Rechenverfahren angenommen werden,
traten nicht auf. Vielmehr verformte sich der Pfahl frei und
scheinbar beliebig. Zudem wurde beobachtet, daß sich so-
wohl die Form der Biegelinie als auch die Verschiebungs-
rate über die Pfahltiefe mit der Pfahlnormalkraft stets än-
derte. Eine deutliche Änderung der Biegeform wurde bei Bild 12. Biegelinien bis zum Versagen (Pfahltyp II,
jeder durchgeführten Probebelastung mindestens einmal cu = 18,7 kN/m2 – Nu = 220 kN)
festgestellt. Beispielhaft hierzu seien Biegelinien des Pfahl- Fig. 12. Bending curves until failure (Pile type II,
typs II bei verschiedenen Pfahlnormalkräften in Bild 12 cu = 18,7 kN/m2 – Nu = 220 kN)
Vor allem hatte das viskose Materialverhalten des wki gibt die Verformung an, bei der der Boden um den Pfahl
bindigen Versuchsbodens Einfluß auf die Traglasten: So herum zu fließen beginnt (siehe Bild 4). Aus der Bedingung
konnte festgestellt werden, daß das Versagen der Pfähle SM = 0 am gelenkigen Kopfpunkt des Druckstabs ergibt sich:
bei allen großen Belastungsversuchen nicht während ei-
Ê L ˆ
ner Laststeigerung erfolgte, sondern scheinbar spontan MM = N ◊ Á w N,M + Hw ˜ - P ◊ z p
während des Konstanthaltens der Pfahlnormalkraft auf ei- Ë imp ¯
ner Laststufe. Das Versagen kündigte sich während der Dabei ist die Resultierende P der stützenden Bodenkräfte
Versuchsdurchführung nicht an, und die Verformungen in Abhängigkeit der Verschiebung wN,M zu ermitteln.
vergrößerten sich beim Versagen schlagartig. Durch die Bestimmung der Resultierenden P und des He-
belarms zp mit Hilfe der Integration von p(z) ergeben sich
5 Rechenverfahren zur Bestimmung der maßgebenden folgende Zusammenhänge:
Traglast
pM = k l ◊ w N,M für wN,M £ wki
Da sich die Länge der maßgebenden Halbwelle einer Knick-
pM = k l ◊ w ki für wN,M > wki
figur LHw für die meisten Verhältnisse frei von den Festhalte-
bedingungen am oberen bzw. unteren Ende der Weich- L Hw
P = k l ◊ w N,M ◊ für wN,M £ wki
schicht ausbilden kann, wird in der Berechnung von einem p
unendlich langen Pfahl ausgegangen. Für die Berechnung L
der Verzweigungslast des Systems Pfahl – Boden wird das in P = k l ◊ w ki ◊ Hw für wN,M > wki
p
Bild 13 gezeigte Ersatzsystem der Länge LHw gewählt.
L Hw
zp =
p
Damit ergibt sich das Moment MM in der Mitte der Halb-
welle LHw zu:
Ê L ˆ 1
MM = N ◊ Á w N,M + Hw ˜ - 2 ◊ pM ◊ L2Hw (1)
Ë imp ¯ p
Trifft man die Annahme, daß der Pfahlwerkstoff elastisch
bleibt, so gilt
MM = -E p ◊ I p ◊ w N,M¢¢ ,
und mit der durch die Beanspruchung des Stabs bedingten
Krümmung in Stabmitte ergibt sich (der vorverformte
Stab hat nach dieser Definition keine Krümmung!) das
Biegemoment nach Gl. (2). Dabei beträgt die Krümmung
in Stabmitte (sinusförmiger Verlauf):
p2
w N,M¢¢ = w N,M ◊
L2Hw
p2
Bild 13. Ersatzsystem MM = E p ◊ I p ◊ ◊ w N,M (2)
Fig. 13. Static system L2Hw
Das Moment MM ist damit für eine gegebene Biegelinie
Die Vorverformung w0(z) wird sinusförmig mit einer bekannt. Durch Gleichsetzen der Gln. (1) und (2) kann
maximalen Amplitude von w0,M = LHw/imp angenommen. folgende Gleichung aufgestellt werden:
Die Biegelinie wN(z) infolge der Normalkraft N und der
Verlauf der Bodenstützung p(z) werden ebenfalls sinusför- p2 Ê L ˆ
w N,M ◊ ◊ E p ◊ I p = N ◊ Á w N,M + Hw ˜ -
mig angesetzt. Dabei ist wN,M die maximale Verschiebung 2
L Hw Ë imp ¯
und pM die Bodenreaktion in der Mitte des Ersatzsystems.
1
Es gilt: - ◊ pM ◊ L2Hw
p2
Ê p ˆ Löst man diese Beziehung nach N auf, so läßt sich in Ab-
w N (z) = w N,M ◊ sinÁ ◊ z˜ hängigkeit von der Verschiebung wN,M die Pfahlnormal-
Ë L Hw ¯
kraft N errechnen, die den ausgelenkten Stab im Gleich-
und gewicht hält. Diese Gleichgewichtszustände sind für ver-
schiedene Imperfektionen skizzenhaft in Bild 14 gezeigt.
Ê p ˆ
p(z) = k l ◊ w N,M ◊ sinÁ ◊ z˜ für w N,M £ w ki
Ë L Hw ¯ p2 1
w N,M ◊ ◊ E p ◊ I p + 2 ◊ pm ◊ L2Hw
L2Hw p
Ê p ˆ N = (3)
p(z) = k l ◊ w ki ◊ sinÁ ◊ z˜ für w N,M > w ki L
Ë L Hw ¯ w N,M + Hw
imp
M = M pl Í
◊ 1-Á ˙
˜
Í Ë N pl ¯ ˙
Î ˚
Der Wert a ist ein von der Geometrie des Pfahlquer-
schnitts abhängiger Formbeiwert und berechnet sich aus
dem Verhältnis des plastischen zum elastischen Wider-
standsmoments. Um nun zu prüfen, ob beim Erreichen
der Verzweigungslast Nki die Interaktion der maximal
Bild 14. Gleichgewichtszustände nach Theorie 2. Ordnung
Fig. 14. States of equilibrium (second order theory) möglichen Schnittgrößen erreicht ist, muß das Moment
MM, welches infolge einer Normalkraft in der Mitte der
Halbwelle LHw wirkt, nach Gl. (2) ermittelt werden. Wird
Beim nicht vorverformten, nur durch eine Normalkraft N das Moment MM dem maximal möglichen Moment aus
beanspruchten elastisch gebetteten Stab entstehen bis zum der Interaktionsbeziehung gleichgesetzt, so wird die Ver-
Erreichen der Verzweigungslast Nki keine horizontalen Ver- schiebung wN,M zu wM,p, bei welcher die Interaktions-
formungen w und auch keine Biegemomente M. Wird der kurve der vollplastischen Schnittgrößen erreicht wird:
Druckstab seitlich ausgelenkt, so kommt er anschließend in
seine unverformte Ausgangslage zurück. Bei Erreichen der È Ê N ˆ ˘
a
M pl ◊ L2Hw
Í ˙
Verzweigungslast ist jede beliebige Auslenkung möglich w M, pl = 2 ◊ 1-Á ˜ (5)
und führt zu einem indifferenten Gleichgewicht. Dabei ist p ◊ Ep ◊ Ip Í Ë N pl ¯ ˙
Î ˚
es erforderlich, daß zunehmende Verformungen zu zusätzli-
chen Kräften aus der Bodenstützung führen. Sobald jedoch Damit die Verzweigungslast Nki die Traglast des Pfahls Nu
bei zunehmenden Verformungen die Bettungsreaktion p(z) bestimmt, muß stets gelten:
nicht mehr linear ansteigt, wird ein labiler Zustand erreicht.
Der Weg zur Mobilisierung der maximalen Bodenreaktion wki £ wM,p,ki (6)
wki ist hierzu entscheidend, vor allem, wenn in erster Nähe-
rung von einer bilinearen Mobilisierungsfunktion ausgegan- Dabei ist wM,p,ki nach Gl. (7)
gen wird. Gleiches gilt auch für vorverformte gebettete
È Ê N ki ˆ ˘
a
Stäbe. Sobald die Auslenkung des Stabs die Größe erreicht, M pl ◊ L2Hw Í ˙
w M, pl, ki = 2 ◊ 1-Á ˜ (7)
bei der der maximale Bodenwiderstand erreicht wird, kommt p ◊ Ep ◊ Ip Í Ë N pl ¯ ˙
es zu einem labilen Zustand (siehe Bild 14). Die Verzwei- Î ˚
gungslast ergibt sich dann für wN,M = wki zu: zu bestimmen. Andernfalls versagt der Pfahl durch Über-
beanspruchung des Pfahlmaterials.
p2 1 Ist die Ungleichung (6) nicht erfüllt, so kann zur
w ki ◊ ◊ E p ◊ I p + 2 ◊ w ki ◊ k l ◊ L2Hw
L2Hw p Bestimmung der Traglast Nu in der Beziehung (3) wN,M =
N ki = (4)
L wM,p gesetzt und danach nach wM,p aufgelöst werden:
w ki + Hw
imp L Hw
N◊
Betrachtet man den unendlich langen Stab, so muß für die imp
w M, pl = für wM,p £ wki
Bestimmung seiner Verzweigungslast zunächst die maßge- p2 L2
◊ E p ◊ I p + Hw ◊ kl - N
bende Halbwelle der Knickfigur bestimmt werden, für wel- L2Hw p2
che Nki minimal wird. Dies kann mit Hilfe der ersten Ab-
leitung von Gl. (4) nach LHw gelöst werden. Setzt man die Nun kann die obige Beziehung der Formel (5) gleichge-
Ableitung gleich Null und löst die Gleichung mit einer nu- setzt werden. Dadurch wird N = Nu die Traglast des bili-
merischen Nullstellensuche, so ergibt sich die Halbwel- near gebetteten Pfahls, die in diesem Fall nicht durch ein
lenlänge LHw, für welche Nki minimal ist. Stabilitätsversagen, sondern durch Plastifizierung des
In einem nächsten Schritt ist zu prüfen, ob der Pfahl Pfahlmaterials erreicht wird.
aufgrund der begrenzten Materialfestigkeit versagt, bevor L Hw
die Verzweigungslast Nki erreicht wird. Hier ist die Nut- Nu ◊
imp
zung des Interaktionsdiagramms zweckmäßig, in der die
p2 L2
Kombinationen von M und N dargestellt sind, bei welcher ◊ E p ◊ I p + Hw ◊ k l - Nu
das Material des Stabs plastifiziert. Diese Prüfung gelingt L2Hw p2
mit Hilfe der Betrachtung der Stelle mit der auftretenden È Ê Nu ˆ ˘
a
M pl ◊ L2Hw
Í ˙
maximalen Verschiebung wki und dem maximalen Mo- = 2 ◊ 1-Á ˜ (8)
ment, also in der Mitte der Halbwelle. An diesem Punkt p ◊ Ep ◊ Ip Í Ë N pl ¯ ˙
Î ˚
müssen die Schnittgrößen unter der Interaktionskurve
bleiben, damit die Verzweigungslast Nki die maßgebende Diese Beziehung ist zwar nicht geschlossen lösbar, läßt
Traglast des Pfahls darstellt. sich aber leicht durch eine numerische Iteration nach Nu
Bild 15. Kleinmaßstäbliche Versuche und Nachrechnungen (links Modellpfahl A, rechts Modellpfahl B)
Fig. 15. Comparison of test results (small piles) and calculations (left model pile A, right model pile B)
lösen. Auf der sicheren Seite liegend kann der Exponent a – Versagen nach der Lösung von Euler für den ungestütz-
der Interaktionsbeziehung zu 1,0 gewählt werden. Die Be- ten Pfahl
ziehung vereinfacht sich dadurch stark und läßt sich dann – Versagen nach der Lösung von Engesser für den Pfahl
als quadratische Gleichung schreiben. Diese Gleichung mit elastischer Bettung und sehr großer Fließspannung
kann durch die Bestimmung der Nullstellen zur Ermitt- des Bodens
lung von Nu gelöst werden. – Erreichen eines maximal möglichen stabilen Gleich-
Mit der beschriebenen Modellbildung und dem gezeig- gewichtszustands bei Erreichen der Fließspannung im Bo-
ten Lösungsweg sind im folgenden die Versuchsergebnisse den (Gleichgewichtszustände des verformten Systems mit
der kleinmaßstäblichen wie der Großversuche aufgezeigt größeren Verformungen führen stets zu kleineren Lasten)
und werden mit Rechenergebnissen, welche mit Hilfe ver- – Erreichen der Festigkeit des Pfahlmaterials (z. B. Errei-
schiedener Parametervariationen erzielt wurden, verglichen. chen der Fließgrenze des Stahls)
Die Berechnungen mit einer bilinearen Beschreibung hinreichend genau oder exakt erfaßt. Zudem können die
der Bettungsreaktion können zwar die Traglasten und Ver- Auswirkungen zunehmender Verformungen des Pfahls
formungen (hier nicht gezeigt) nicht genau simulieren, je- nach Theorie 2. Ordnung, ausgehend von einer span-
doch treten extreme Überschätzungen bei Ansatz üblicher nungsfreien Vorverformung (Imperfektion), zutreffend
Bettungsmoduln und Fließspannungen nicht auf. Vor al- berücksichtigt werden.
lem aber sind mit diesem Rechenverfahren alle möglichen Die Unsicherheiten, die diesem Rechenmodell zu-
Versagensursachen, dem grunde liegen, und die durch die Unterschiede zwischen
Bild 16. Großversuche (links Pfahltyp I Ep·Ip = 54,7 kNm2, rechts Pfahltyp II)
Fig. 16. Comparison of test results and calculations (on the left pile I, on the right pile II)
Nu = Nki = 524 kN
Ein Vergleich zeigt, daß die Traglast aus der Berechnung mit
einer elastisch-plastischen Bodenstützung (Nu = 524 kN)
deutlich geringer ist als die Knicklast, welche sich aus einer
rein elastischen Berechnung ergibt (Nki = 690 kN). Jedoch
ist es immer noch sehr viel günstiger, den Pfahl mit einer
elastisch-plastischen Bodenstützung zu modellieren, als
auf der „sicheren“ Seite liegend eine frei stehende Stahl-
stütze zu bemessen: Die Knicklast des ungestützten Pfahls
von Nki = 69 kN würde die Gründung eines Gebäudes mit
einem derartig schlanken Pfahl ausschließen.
Bild 17. Der bilinear (elastisch-plastisch) gestützte Pfahl Alle bisherigen Betrachtungen für eine Bemessung der Inter-
Fig. 17. Bilinear (elastic-plastic) supported pile aktion Pfahl–Boden setzen voraus, daß verbunden mit einer
Relativverschiebung Pfahl–Boden ein stützender Boden- In den Berechnungen können auch Vorverformungen des
widerstand geweckt werden kann. Die stützende Bodenspan- Pfahls und die Festigkeitseigenschaften des Pfahlmaterials
nung kann einen maximalen Fließdruck nicht überschreiten. berücksichtigt werden. Noch nicht enthalten sind die Model-
Für verschiedene Gründungssituationen mit entspre- lierung von Stahlbeton-Verbundquerschnitten im Zustand II
chenden Randbedingungen können Fließdrücke jedoch sowie der Ansatz von mit der Tiefe variierenden Bettungs-
auch belastend – also für den Stabilitätsnachweis von funktionen. Dies kann jedoch durch geeignete FE-Pro-
Pfählen extrem ungünstig – auf die Mantelfläche des gramme entsprechend der gezeigten Zusammenhänge erfol-
Pfahls wirken. Als Beispiel seien neben Gründungssituatio- gen. Es werden Last-Verschiebungskurven errechnet, die
nen in kriechenden Hängen vor allem Wirkungen infolge Gleichgewichtszustände des nichtlinear gebetteten Pfahls
seitlicher Auflasten genannt: Eine neben einer Pfahlgrün- wiedergeben. Sie sind durch zwei Äste gekennzeichnet. Bis
dung aufgebrachte Auffüllung bewirkt in einer darunterlie- zum Erreichen der maximalen Bodenreaktion steigen die
genden Weichschicht horizontale Bewegungen. Als maxi- möglichen Normalkräfte im Pfahl an. Überschreitet die seitli-
male abtreibende Kraft, welche diese Bewegung auf einen che Verschiebung des Pfahls den Weg zur vollen Mobilisie-
Pfahl ausüben kann, ist wiederum ein Fließdruck anzuset- rung des Bodenwiderstandes, so verringern sich die für ein
zen. In diesem Fall wirkt der Fließdruck nicht stabilisie- Gleichgewicht erforderlichen Normalkräfte mit zunehmen-
rend, sondern als zusätzliche Belastung auf den Pfahl. den seitlichen Verschiebungen. Das Gleichgewicht wird in-
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß bei stabil, und der Knickpunkt zwischen den zwei Ästen mar-
Ansatz der seitlichen Bodenspannung mit stützender Wir- kiert ein Stabilitätsversagen. Zusätzlich wird geprüft, ob be-
kung auch sichergestellt sein muß, daß dieser Widerstand reits vor dem Erreichen dieses Punktes die Materialfestigkeit
auch über die gesamte Nutzungsdauer der Konstruktion des Pfahls durch Biegung und Normalkraft ausgeschöpft
aufrechterhalten wird. wird. Da die genannten Gleichgewichtszustände und die Be-
Zur vertiefenden Betrachtung belastender Fließdrücke anspruchung des Pfahlmaterials von der Halbwelle der
können die Veröffentlichungen des Arbeitskreises „Seiten- Knickfigur abhängig sind, muß diese zusätzlich einer Varia-
druck auf Pfähle“ der DGGT [7] herangezogen werden. tion unterworfen werden. Das beschriebene Rechenschema
wurde in einem Tabellenkalkulationsprogramm übersichtlich
7 Zusammenfassung und Ausblick und leicht zugänglich umgesetzt. Die entsprechenden Dateien
können unter http://www.gb.bv.tum.de/ geladen werden.
Mikropfähle sind sehr schlanke Bauteile, die mit heute zur In einer Fortsetzung der Forschung sollen die visko-
Verfügung stehenden hochfesten Stählen hinsichtlich der sen Eigenschaften sehr weicher bindiger Böden bei der
inneren Tragfähigkeit und, wenn sie in tragfähige Böden Modellbildung zur Beschreibung des Knickens genauer
einbinden und dort verpreßt werden, auch hinsichtlich berücksichtigt werden.
der Lastabtragung im Baugrund geeignet sind, sehr hohe
Lasten abzutragen. Wenn sie jedoch breiige und weiche Dank
Schichten durchfahren, besteht die Gefahr des Knickens, Dem Deutschen Institut für Bautechnik wird an dieser
wodurch die Tragfähigkeit begrenzt sein kann. Stelle für die Unterstützung der Forschungsarbeit gedankt,
Mit den gewonnenen Erfahrungen aus kleinmaßstäbli- ebenso der Fa. Keller Grundbau GmbH für die Ausstat-
chen Versuchsreihen wurde ein Versuchsstand aufgebaut, in tung des beschriebenen Feldversuchs.
dem es möglich war, 4 m lange Einzelpfähle einer Probebela-
stung zu unterziehen. Insgesamt wurden 4 Pfähle mit Boden- Literatur
stützung bis zum Pfahlversagen belastet und meßtechnisch
ausführlich dokumentiert. Dabei lag die undränierte Scherfe- [1] Pflüger, A.: Stabilitätsprobleme der Elastostatik, Dritte Auf-
stigkeit zwischen etwa 8 und 25 kN/m2. In Ergänzung wurde lage, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, 1964.
[2] Wenz, K. P.: Das Knicken von schlanken Pfählen in weichen
eine Probebelastung eines GEWI-Pfahls in situ durchgeführt.
bindigen Erdstoffen, Institut für Bodenmechanik und Felsme-
Die Versuchspfähle reagierten zunächst sehr steif, und es tra-
chanik der Universität Fridericiana in Karlsruhe, Heft 50, 1972.
ten kaum seitliche Verschiebungen auf. Das in allen Fällen [3] Meek, J. W.: Das Knicken von Verpreßpfählen mit kleinen
erreichte Pfahlversagen kündigte sich nicht an. Vielmehr trat Durchmessern in weichem, bindigem Boden, Bautechnik 73
es spontan auf, lange bevor die vollplastischen Normalkräfte (1996), H. 3.
der Querschnitte erreicht waren. Nach dem Erreichen der [4] Ostermayer H., Gollup P.: Baugrube Karstadt in Rosen-
maximal aufnehmbaren Pfahlnormalkraft vergrößerten sich heim, Vorträge der Baugrundtagung 1996 in Berlin, Deutsche
die seitlichen Auslenkungen der Pfahlachse deutlich. Auch Gesellschaft für Geotechnik e. V., 1996.
für stark reduzierte Belastung konnte keine Gleichgewichts- [5] Randolph, M. F., Houlsby, G. T.: The limiting pressure on a
lage mehr gefunden werden. Nachdem die Pfähle ausgebaut circular pile loaded laterally in cohesive soil, Geotechnique,
worden waren, konnte festgestellt werden, daß die Alumi- Vol. 34 (1984), No. 4.
[6] Brandtzaeg, A., Harboe, E.: Buckling tests of slender piles in
niumprofile keine bleibende Verformung erlitten hatten. Bei
soft quick clay; Proc. of the fourth Intern. Conference on Soil
allen Versuchen knickten die Pfähle mit Knickfiguren, deren
Mechanics and Foundation Engineering, London 1957, Vol.
Halbwellen deutlich kürzer waren als die Pfahllänge. II, p. 19, 1957.
Es wurde ein Rechenverfahren erarbeitet, mit welchem [7] Schmiedel, U.: Seitendruck auf Pfähle, Bauingenieur 59
alle wesentlichen Effekte, die in den Versuchen auftraten, zu (1984), S. 61–66.
erfassen sind. Die seitliche Bodenstützung des Pfahls wird
darin mit einer bilinearen Mobilisierungsfunktion beschrie- Autoren dieses Beitrages:
ben, bei welcher eine maximale Bodenreaktion, die das Um- Prof. Dr.-Ing. Norbert Vogt, Dipl.-Ing. Stefan Vogt, Dipl.-Ing. Christian Kellner,
fließen des Bodens um den Pfahl charakterisiert, erfaßt wird. Zentrum Geotechnik der TU München, Baumbachstraße 7, 81245 München