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Bauwerksabdichtung
in der Altbausanierung
Verfahren und juristische
Betrachtungsweise
5. Auflage
Technische Mitautoren:
Uwe Wild, Brandis
Rainer Spirgatis, Telgte
Dipl.- Ing. Dr. Techn. Clemens Hecht, Wien
Dipl.- Ing. Martin Mossau, Bad Münder
Dipl.- Ing. Peter Neundorf, Eilenburg
B.eng. Virginie Schulz, Leipzig
Ing. Hardy Dinse, Leipzig
Architekt Christoph Hellkötter, Leipzig
Dipl.-Ing. (FH) Ulrich Steinert, Leipzig
Juristischer Mitautor:
Ulrich Kühne, Rechtsanwalt, Leipzig
Herausgeber
Jürgen Weber Volker Hafkesbrink
Leipzig Leipzig
Deutschland Deutschland
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lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Danksagung
Die Herausgeber bedanken sich bei den technischen Fachkollegen, welche mit Rat und
Tat zur Seite standen und somit zum Gelingen der speziellen Themen über die möglichen
Abdichtungsverfahren und dem viel diskutierten Thema der physikalischen Verfahren bei-
getragen haben:
Weiterhin danken wir Herrn Harms (Springer Verlag) und Bettina Weiland (Leipzig), dass
sie beide ständig den Autoren hilfreich zur Seite standen.
Dank auch an die Firma Novartis AG aus Basel, welche die wertvollen und einmaligen
Fotos in Punkt 18 aus dem Firmenarchiv zur Verfügung stellten.
Umfangreiches Bildmaterial haben auch die Firmen „Haböck, Weinzierl GmbH, Sopro
Bauchemie, Triflex GmbH & Co. KG sowie PRINZ GmbH“ zur Verfügung gestellt.
V
Vorwort zur 5. Auflage
2006 erschien die erste Auflage des Buches „Bauwerksabdichtung in der Altbausanie-
rung“. Ziel war damals vor allem, ein Buch auf den Markt zu bringen, welches der Struk-
tur der damaligen Abdichtungsbranche gerecht wird. Es waren und sind heute noch viele
Firmen in der Abdichtungstechnik anzutreffen, die 1–6 Mitarbeiter haben. Das Buch sollte
einen Überblick über die technischen Sachverhalte und die rechtlichen Möglichkeiten pra-
xisnah den Firmeninhabern und verantwortlichen Mitarbeitern der Kleinfirmen verschaf-
fen. Dieses Grundkonzept wurde angenommen.
Mit den Jahren wurde das Themenfeld immer umfangreicher und immer mehr Autoren
fanden sich bereit, an dem Werk mitzuarbeiten. Heute sind die in den Fachkreisen bekann-
ten Autoren in der nun schon 5. Auflage zu finden.
Die Neuauflage des Buches war aber nicht nur durch die Berücksichtigung neuer Abdich-
tungsthemen notwendig. Gleichzeitig musste der rasanten Entwicklung der Abdichtungs-
technik Tribut gezollt werden. Nun sind die derzeitigen Neuerungen mit berücksichtigt
und die am heutigen Tag vorhandenen allgemein anerkannten Regeln der Technik bzw. die
Regeln der Technik in der Gesamtheit berücksichtigt.
Aufgebaut ist der technische Teil des Buches nach der Struktur der Abdichtungsverfah-
ren. Die Normenreihe für Bauwerksabdichtungen von DIN 18531 bis 18535 ist, sofern in
der Bausanierung und Bauinstandhaltung von Interesse, berücksichtigt.
Der rechtliche Teil ist so konzipiert, dass ein Nichtjurist seine Erfolgsaussichten in einer
drohenden rechtlichen Auseinandersetzung grob einschätzen kann und einen Überblick
über die rechtlichen Möglichkeiten erhält. Das erhöht das Verständnis für die Äußerungen
von Rechtsvertretern.
Die Herausgeber möchten die Gelegenheit nutzen, all denen Dank auszusprechen, die
bei der Realisierung des Buches tatkräftig geholfen und durch Verständnis für den erfor-
derlichen Zeitaufwand die Autoren unterstützt haben. Insofern ist in erster Linie den Mit-
autoren und der Mitautorin sowie ihren Lebenspartnern zu danken.
VII
Inhaltsverzeichnis
IX
XInhaltsverzeichnis
15 Schleierinjektion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457
Uwe Wild
20 Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683
Clemens Hecht
Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 941
Über die Autoren
XI
XII Über die Autoren
1999 öbuv. Sachverständiger der IHK zu Leipzig für das Fachgebiet Putze und Wärme-
dämm-Verbundsysteme ab 2000 in der Sachverständigengemeinschaft Ulrich Steinert &
Raimund Hoffmann GbR tätig
Rainer Spirgatis
Maurer- Beton und Stahlbetonbauermeister;
Bereichsleiter Remmess Technik Service Bautenschutz (RTS) im Geschäftsbereich Bau-
handwerk der Remmers Baustofftechnik GmbH, Löningen; [email protected]
Uwe Wild
Von der Handwerkskammer zu Leipzig öffentlich bestellter und vereidigter Sachverstän-
diger für das Estrichlegerhandwerk, für das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk,
für das Holz- und Bautenschutzgewerbe sowie für das Bautrocknungsgewerbe, Gebäude-
energieberater, geprüfter Sachverständiger für Schimmelpilze in Innenräumen, Autor des
Fachbuches „Lexikon Holzschutz“ und Mitautor von „Bausanierung“, Mitarbeit in einem
Sachverständigenbüro von 1998 bis 2007 in Leipzig, 2007 Gründung des „Sachverständi-
genbüro für Baudiagnostik“.
Verfolgt man die Geschichte der menschlichen Entwicklung, so war es von je her Bestre-
ben der Menschen, ihre Bauwerke vor äußeren Einflüssen, wie Feuchtigkeit, Wind, Kälte
und Sonne zu schützen. Dem vorbeugenden Schutz vor Feuchtigkeit fällt dabei eine
besondere Rolle zu.
So sind schon aus dem Altertum erste Abdichtungstechniken bekannt, die überwiegend
mit Naturprodukten ausgeführt wurden. Außer den vorbeugenden Maßnahmen, wie z. B.
Gründungen von Hütten oder Gebäuden auf Pfählen gegen eindringende Feuchtigkeit von
unten, oder großen Dachüberständen gegen eindringende Feuchtigkeit von oben, wurden
Wände mit Lehm verstrichen oder auch mit verschiedenen Schutzanstrichen, wie z. B.
Gips gemischt mit Leinöl, Silberglätte und Wachs, gegen Feuchtigkeit geschützt.
Herodot beschreibt zum Beispiel die Verwendung von Bitumen bei Bauten im alten
Ägypten. Das Material wurde wahrscheinlich aus Erdöl, das an die Erdoberfläche aus-
getreten ist, gewonnen. Durch Sonneneinstrahlungen verdunsten die flüchtigen Bestand-
teile und ein bitumenähnliches Produkt bleibt zurück. Es sind auch Abdichtungen aus der
Frühzeit der Menschheit mit Pechanstrichen bekannt, worunter Naturasphaltprodukte zu
verstehen sind, die aus Bitumen aus der Aufbereitung von Naturasphaltgesteinen mit ver-
schiedenen nicht klassifizierten Beimengungen entstehen. Auch in der Schweiz hat man
nachweisen können, dass in Resten von Pfahlbauten Asphalt vorhanden war.
Das öffentliche Bad der Stadt Moendscho-Daro im heutigen Pakistan ist eines der
ältesten bekannten Bauwerke, dass unseren heutigen bituminösen Abdichtungen sehr
J. Weber (*)
Leipzig, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 1
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_1
2 J. Weber
nahe kommt. Eine ausführlichere Beschreibung dazu ist auch in Opderbecke (1903)
nachzulesen.
Abdichtungsmaßnahmen waren überwiegend auf diejenigen Bauwerke beschränkt,
deren Nutzung für die Speicherung oder den Transport von Wasser bestimmt waren, wie
Bäder, Wasserbehälter, Wasserleitungen und auch dem Schiffsbau.
Am bekanntesten sind wohl die römischen Zisternen und Wasserleitungen aus dem
1.–2. Jh. nach Chr., die mit einem wasserundurchlässigen Mörtel hergestellt wurden und
teilweise auf Brücken- den sogenannten Aquädukten- über Täler bis in die Städte geführt
wurden. Eines der berühmtesten Aquädukte ist die noch heute bestehende Pont du Gard
bei Nimes in Frankreich (Abb. 1.1).
Erst mit zunehmenden Anstieg der Bevölkerung im 19. Jh. und der weiteren Entwick-
lung des Handwerks sowie des Handels und der Entwicklung von Industriezweigen,
wurden mehr Wohngebäude, Fabriken und Hallen notwendig, die auch teilweise schon
mit Keller errichtet wurden. Um keine unerwünschte Feuchtigkeit in die Gemäuer zu
bekommen, wurden anfangs Bauwerke im erdberührten Bereich mit sehr dichten Natur-
baustoffen aus der jeweiligen Region errichtet, wie zum Beispiel Granitmauerwerk. Das
bedeutete, dass ein gewisser unschädlicher Anteil an Feuchtigkeit in dem Kellermauer-
werk geduldet, ja sogar gewollt war, damit eingelagertes Gemüse, Obst und Kartoffeln
möglichst lange haltbar blieben.
Damit die vorhandene Restfeuchte nicht in die oberen Etagen aufsteigen konnte,
wurden später auch waagerechte Abdichtungen unterhalb der Kellerdecken eingebaut.
Diese Bauart findet man noch oft in Bauwerken nach der Jahrhundertwende (Abb. 1.2).
Die zunehmende Industrieentwicklung Anfang des 19. Jh. (ca. 1828) machte es möglich,
Teer, aus einem Abfallprodukte der Verkokung von Steinkohle zu gewinnen.
Abb. 1.1 Pont du Gard in Nimes-Südfrankreich 1. Jh. v. Chr. von Römernerbaut, 19.Jhrd.
restauriert
1 Entwicklung der Bauwerksabdichtung3
Abb. 1.2 Typische Abdichtungssysteme in den Jahren 1890 bis 1930 (Lufsky 1961)
Gegen 1890 entstanden die heute noch unter der Bezeichnung Teerpech und Teerpappe
bekannten ersten industriell hergestellten Abdichtungsprodukte, die in Gebäuden der Jahr-
hundertwende teilweise erhalten geblieben sind. Aber auch Metallabdichtungen wurden
verwendet, wie der Einsatz von Walzbleitafeln für erste waagerechte Abdichtungen, Kup-
fereinlagen in Teerpappen und Blechtröge als Abdichtungen gegen drückendes Wasser.
Bei höherwertigen Gebäuden, wie z. B. Villen oder Wohnhäusern der Baumeister,
wurden die Ziegelwände bei Unterkellerungen auch mit verschiedenen Varianten von Iso-
liergräben bzw. Kanälen zur „Hinterlüftung“ des Mauerwerks (Abb. 1.3 und 1.4), mit dich-
tenden Anstrichen aus Teeranstrichen oder Teerpappen versehen, oder aus dichten Klin-
kermaterial hergestellt. Auch in kunstvoll ausgestatten Treppenhauseingängen, die oftmals
mit hochwertigen Holztäfelungen verkleidet wurden, sind Teerfilzpappen zur Abdichtung
gegen Mauerwerksfeuchtigkeit verwendet worden. Aus Kostengründen kamen diese Maß-
nahmen aber im einfachen Wohnungsbau bis ca. Ende des 19. Jh. nur sehr selten vor.
Bitumenbahnen wurden in Amerika bereits Mitte des 19. Jh. hergestellt, als in Deutsch-
land noch die Teerabdichtungen vorherrschend waren.
Erst durch den wirtschaftlichen Aufschwung Ende des 19. Jh. in Verbindung mit der
Stahlentwicklung, dem sprunghaften Anstieg der Bevölkerungszahl und der weiteren tech-
nischen Entwicklung in Deutschland, kam auch die Bitumenherstellung in Deutschland
voran.
Ab ca. 1920 wurde zur Gewinnung von Treibstoff für die neu entstandene Auto- und
Flugzeugindustrie Erdöl destilliert. Ein Abfallprodukt dieser Destillation war Bitumen,
4 J. Weber
dass der industriellen Entwicklung von Bitumenbahnen einen Aufschwung bescherte und
die Verbreitung von Bitumen in der Bauwerksabdichtung beförderte.
Mit dem Bau der U-Bahn in Berlin wurden erstmals Bitumendachbahnen für den Einsatz
gegen drückendes Wasser und den Tunnelbau eingesetzt. Bitumenprodukte wurden über-
wiegend nur für Vertikalabdichtungen verwendet. Etwa zur gleichen Zeit des U-Bahn-
baus hat man auch die ersten waagerechten Abdichtungen aus Bitumenbahnen eingesetzt.
Vorher wurden für waagerechte Abdichtungen unter anderem Bleitafeln, Schieferplat-
ten, Glasscherben, Teerpappen, Asphaltschichten und dichte Zementbetone verwendet
(Abb. 1.5).
Mit der Entwicklung von Teerprodukten und später von Bitumenprodukten war es erst-
mals möglich, Bauwerksabdichtungsprodukte mit einem vertretbaren technischen und
finanziellen Aufwand industriell herzustellen und Abdichtungsmaßnahmen gezielt bei der
Errichtung von Wohn- und Industriegebäuden anzuwenden.
Durch die gewonnenen Erkenntnisse der ersten technisch hergestellten Abdichtungs-
materialien und der Weiterentwicklung der Erdölindustrie, erfuhr die Herstellung von
Abdichtungen in den 30iger Jahren einen weiteren rasanten Aufstieg. So wurden die ersten
Kunststofffolien ca. 1935 entwickelt (zum Beispiel Oppanol, Igelit).
Der Einsatz und die Verarbeitung der vorhandenen Abdichtungsprodukte aus Teer und
Bitumen, auch im einfachen Wohnungsbau und Industriebau, hat verschiedene Anwen-
dungsmöglichkeiten mit einer großen Variantenvielfalt hervorgebracht, die überwiegend
auf Erfahrungswerten, aber auch auf ingenieurtechnischen Wissen beruhen. Einheitliche
1 Entwicklung der Bauwerksabdichtung5
Abb. 1.4 Villa in Berlin mit offenen Isoliergraben vor Wohnnutzung im Keller
Vorschriften gab es bis auf Regelungen und Vorschriften von großen Industriezweigen,
Baubehörden oder Landesbehörden nicht. Ingenieure, Baumeister und auch die Industrie
forderten eine einheitliche Herstellung (Herstellerrichtlinien) und Anwendung (Anwen-
dungsrichtlinien) der Abdichtungsprodukte.
Mit Gründung des Normenausschusses der Deutschen Industrie e.V (DIN) im Jahre
1917 und des Deutschen Normen Ausschusses (DNA) im Jahre 1932, wurden Institutio-
nen geschaffen, die entsprechende unterschiedliche Arten von Normen ausarbeiteten und
veröffentlichten. Damit wurde auch der Aufbau der zahlreichen verschiedenen Abdich-
tungsarten und Abdichtungsmaterialien durch technische Vorschriften und Regelwerke
einheitlich vorgeschrieben.
1931 entstand die erste Richtlinie zur Abdichtung von Bauwerken, die „Vorläufige
Anweisung für Abdichtungen von Ingenieurbauwerken“ (AIB) der ehemaligen Deutschen
Reichsbahn. Weitere Vorschriften und Richtlinien folgten und werden bis heute ständig
überarbeitet und aktualisiert.
Nach dem 2. Weltkrieg wurden bituminöse Bahnen mit Glasfaser und Glasgewebe-
einlagen sowie neue Kunststoffbahnen entwickelt. Neue Verarbeitungstechniken, wie
z. B. Spritzbitumen mit Fasereinlagen, Schweißtechniken und kunststoffmodifizierte
6 J. Weber
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1931 – AIB der Deutschen Reichsbahn – „Vorläufige Anweisung für Abdichtungen von
Ingenieurbauwerken“
1932 – DIN 4031– „Wasserdruckhaltende bituminöse Abdichtungen für Bauwerke;
Richtlinien für Bemessung und Ausführung“
1 Entwicklung der Bauwerksabdichtung7
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Abb. 1.6 Sperrschichten gegen Grundwasser 1949. (Wagner und Großmann 1949)
Die komplett überarbeiteten und neu strukturierten Abdichtungsnormen (Tab. 1.1) vom
Keller bis zum Dach wurde 2017 veröffentlicht. Ob damit Planungssicherheit eingetre-
ten ist, bleibt abzuwarten. Zumindest wurden grundlegende Gedanken umgesetzt und die
neuen Baustoffe und Materialien in die neuen Normen integriert. So wird es dann in weiter
Zukunft auch eine Abdichtungsnorm für Abdichtungen im Bestand geben. Die derzeitige
Lücke, welche wie bereits vor Jahren in Österreich, wäre dann geschlossen.
Die Kenntnisse aus der Geschichte und die Entwicklung der Bauwerksabdichtung
sind besonders bei der heutigen Instandsetzung und Modernisierung der noch erhalte-
nen Altbauten von Wichtigkeit, um die technisch richtigen Maßnahmen ableiten und
ergreifen zu können. Da die Entwicklung immer weiter geht, wird auch die Normun-
gen sich der Entwicklung ständig anpassen müssen. Jeder Planer oder Ausführender von
8
Tab. 1.1 Ausführungsnormen in der Abdichtungstechnik – Stand 2018. (Beuth Verlag 2017)
DIN-Norm DIN 18531 DIN 18532 DIN 18533 DIN 18534 DIN 18535 DIN 18536
Abdichtung genutzte und Befahrene Erdberührte Innenräume Behälter und Nachträgliche
von nichtgenutzte Verkehrsflächen aus Bauteile Becken Abdichtung
Dächer; Balkone Beton im Bestand
und Laubengänge
Teil 1 Anforderungen, Planungs- und Ausführungsgrundsätze
Teil 2 Nicht genutzte und Eine Lage Abdichtung mit Abdichtung mit Abdichtung mit wird vom
genutzte Dächer- Polymerbitumen- bahnenförmigen bahnenförmigen bahnenförmigen Normen-
Stoffe Schweißbahn und eine Abdichtungsstoffe Abdichtungsstoffe Abdichtungsstoffe ausschuss
Lage Gussasphalt erarbeitet
Teil 3 Nicht genutzte 2 Lagen Abdichtung Abdichtung Abdichtung
und Genutzte Polymerbitumen- mit flüssig zu mit Flüssig zu mit flüssig zu
Dächer-Auswahl, bahnen verarbeitende verarbeitende verarbeitende
Ausführung, Details Abdichtungsstoffe Abdichtungsstoffe im Abdichtungsstoffe
Verbund mit Fliesen
und Platten (AIV-F)
Teil 4 Nicht genutzte und Eine Lage Kunststoff- Gussasphalt und
genutzte Dächer- und Elastomerbahnen Asphaltmatrix
Instandhaltung
Teil 5 Balkone, Loggien Eine Lage bahnenförmigen
und Laubengänge Polybitumenbahnen Abdichtungsstoffe im
und einer Lage Verbund mit Fliesen
Kunststoff- und und Platten (AIV-B)
Elastomerbahn
Teil 6 Flüssig zu Plattenförmige
verarbeitenden Abdichtungsstoffe im
Abdichtungsstoffe Verbund mit Fliesen
und Platten (AIV-P)
J. Weber
1 Entwicklung der Bauwerksabdichtung9
Abdichtungsarbeiten ist gut beraten, sich über den jeweiligen aktuellen Stand der Ent-
wicklung bzw. dem aktuellen Stand der Technik sachkundig zu machen.
Das Wort Asphalt (griechisch) und Bitumen (lateinisch) bedeuteten früher im Wesentli-
chen das gleiche und gemeint ist so viel wie „unveränderliches Erdharz“. Es ist ein natür-
liches kolloides Verharzungsprodukt, dessen Dispersionsmittel aus Mineralöl und dessen
disperse Phase aus Erdölharzen besteht.
Der Naturasphalt wurde am Asphaltfelsen in Vorwohle und Limmer/Hannover gebro-
chen (Wagner 7 Großmann 1949). Nach dem Zerkleinern und der Feinmahlung wurde
dem Asphaltstein Erdölbitumen zugemischt. Der sich daraus ergebende Stampfasphalt
wurde vor allem im Straßenbau, Brückenbau und in den 60iger Jahren dann auch bei
Innenabdichtungen angewendet. Vereinzelt ist er aber auch als eine Art Estrich von 2 cm
Dicke zur Abdichtung von Kellerfußböden verwendete worden (Abb. 1.8).
Ein weiteres Naturprodukt ist der sogenannte Trinidadasphalt. Den Name hat der
Asphalt von der Insel Trinidad, wo er stark mit Mineralien und Wasser durchsetzt ganze
Seen bildete (Wagner 7 Großmann 1949). Es handelt sich um ein Naturbitumen mit
25–40 % feingemahlenen Tonzusatz. Der Trinidadasphalt wurde in der Folgezeit (60er
Jahre) vollständig durch das reine Erdölbitumen verdrängt.
Der Baustoff Asphalt wird öfters mit dem früher ebenfalls verwendeten Teer gleichge-
setzt, obwohl es grundverschiedene Stoffe sind. Die nahe chemische Verwandtschaft und
einigen physikalischen Ähnlichkeiten (Kolloidstruktur, Zähigkeit, Temperaturabhängig-
keit) führten dazu. In den Jahren nach 1952 wurde auch versucht, beide Stoffe zu mischen,
um einen brauchbaren Abdichtungsstoff zu erhalten. Teerbitumenmischungen haben sich
im Straßenbau zeitweise bewährt, was nicht für die Abdichtungstechnik zutraf.
10 J. Weber
2
38 Rippen mit Sand
Holzbelag
2,5cm
Beton
6
16
31
12
16
Natusteinquader
Gewölbe- Keine
16
Dämmfchicht
kappen Dämm-
gegen auffteigen-
zwifchen schicht
16
des Sprilzwaffer
ITrägem
16
Glatt-
16
fchichte
15
Afphall-
Filzplatta 15 Überdechung
Bruchstein-
Hintarfüllung
Hinterfüllung Mauerwerk
in den
Arbeitsraaum
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de
Er
Putz
mit
Bitumen-
anftrich 2
50 25
Dämmfchichte
Mörtellage
Kellerfußboden
Putz Putz
10
15 15
25
35
60 40
Sperrpappendreite
-28cm
Putz
waffer.
dicht.
Hinterfullung
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Sperrschicht
Lag
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Bitumen Sandbettung rde
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10-1
5 Unte
51
Klinker-
Kellerfußboden Flachschicht
Ziegel-
Mörtellage
15
Dämmschicht
Grundwaffer-
15
Stand (höchfter)
Beton.
60
Abb. 1.7 Sperrschichten bei Mauerwerk über Grundwasser im Jahr 1949. (Wagner 7 Großmann
1949)
1 Entwicklung der Bauwerksabdichtung11
1.2.2 Teere
Teer ist ein flüssiges bis halbfestes, tiefschwarzes oder bräunliches Produkt, welches durch
zersetzende thermische Behandlung (Pyrolyse) organischer Naturstoffe, wie Steinkohle,
Braunkohle und Holz, gewonnen wird. In erster Linie besteht Teer aus Kohlenwasser-
stoff-Gemischen. Die Zusammensetzung ist je nach Herkunft unterschiedlich. Teer enthält
u. a. große Mengen an PAK (z. B. Naphthalin, Benz-a-Pyren), Phenolen und Kresolen.
Die leicht flüchtigen PAK und die Phenole/Kresole sind für den typischen Teergeruch
verantwortlich.
Eine ältere Bezeichnung für Teer kommt aus dem Französischen und heißt „Goudron“.
Beispielhaft sei der bekannte Gourdronanstrich“ genannt.
Teere in der Abdichtungstechnik unterscheiden sich hauptsächlich in Braunkohlenteer
und Steinkohlenteer.
Steinkohlenteer entsteht aus der Pyrolyse (reines Erhitzen ohne Luftzufuhr) von Stein-
kohle als Nebenprodukt. Aus diesem Teer wird das Steinkohlenteerpech durch Destillation
gewonnen, welches ein kolloides Stoffsystem besitzt, dessen Dispersionsmittel aus Teer-
ölen und dessen disperse Phase aus Teerharzen besteht. Es ist eine zähe schwarzglänzende
Masse von glasartiger Beschaffenheit, mit glatten oder muscheligen Bruch und den deut-
lich wahrnehmbaren Teergeruch.
Durch unterschiedliche Destillation wird Weichpech, mittelhartes Pech und Hartpech
hergestellt. In der Abdichtung kommt nur Weichpech infrage. Steinkohlenteerpech hat
aus physikalischer Sicht viel mit Bitumen gemeinsam und unterscheidet sich im wesent-
lichen durch den typischen Teergeruch auch im kalten Zustand. Der Stoff hatte sich in der
Abdichtungstechnik jahrzehntelang durchgesetzt und wurde in den früheren DIN-Normen
berücksichtigt. In der damals gültigen DIN 4031 (1959) wurde darauf hingewiesen, dass
bei Verkleben von Teerpappen mit Bitumen die Gefahr der Erweichung des Bitumens
durch die Teeröle in den Pappentränkmassen bestand.
Braunkohlenteer wird wie Steinkohlenteer durch Pyrolyse von Braunkohle gewonnen.
In der Abhängigkeit der Zersetzungstemperatur wird zwischen Braunkohlenschwelteer
1 Entwicklung der Bauwerksabdichtung13
1.2.3 Glas
Glas wird aus Quarzsand, Kalkstein und Soda hergestellt und ist daher ein Gemenge aus
Calcium-Natriumsilikat.
Produkte Bemerkung
Teerpechemulsionen und Wurde ähnlich wie bei Bitumenanstrichen hauptsächlich als
Teerpech-Heißanstriche Vertikalsperre verwendet, vereinzelt wurden auch Ebene Flächen
damit abgedichtet. Sind bei den Emulsionen ein feuchter
Untergrund möglich, so muss bei Heißanstrichen der Untergrund
trocken sein
Teerdachbahnen Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden sie hergestellt und
waren vor allem auf Häuser mit flachen Dächern eingesetzt.
Teerdachbahnen werden seit der siebziger Jahre gar nicht mehr
hergestellt
Teerpapier In Steinkohleteer getauchtes Papier und die Oberfläche mit Sand
bestreut
Teerpappen Nach DIN 4031 wurde ausschließlich die Verwendung von nackten
Pappen mit einem Rohgewicht von 625 g/m² zur Tränkung mit Teer
verwendet. Im 2. Weltkrieg waren diese Papen verboten und es
wurden nur 450 g/m² Pappen hergestellt. Diese Teerpappen konnten
wirtschaftlich als Abdichtungsstoffe eingesetzt werden (Lufsky
1952a)
Holzteer Holzteer ist in seiner Zusammensetzung Braunkohlenteer
Teerzement Ist ein Gemisch aus Holzteer, Steinkohlenteer Kolophonium, Sand
und Kalk in unterschiedlichen Zusammensetzungen (Wagner
1908); wurde verwendet für Horizontalsperren an Außen- und
Innenwänden sowie bei gepflasterten Wegen, indem eine ca. 1cm
dicke Schicht hergestellt wurde
Mastrix-Zement Bestand aus einer Mischung mit unterschiedlichen Verhältnissen
aus Harz und Mineralteer
14 J. Weber
1.2.4 Metallabdichtungen
Metallabdichtungen im Wohnungsbau war vor allem in der Gründerzeit bis in die sechzi-
ger Jahre abnehmend verbreitet. Bleiprodukte wurden am meisten eingesetzt. Diese unter-
schieden sich in Walzbleidichtungen und Dichtungsbahnen mit Bleieinlage.
Grundsätzlich kamen nachfolgende Materialien zur Anwendung (Tab. 1.4):
Tab. 1.4 Metallabdichtungen
1.2.5 Blechbanddichtungen
Die Metallbandabdichtung wurde später als die Klebedichtung mit nackter Pappe entwi-
ckelt. Bei dieser Dichtung werden geriffelte dünne Blechbänder mit einer Dicke von 0,1
bis 0,2 mm aus Kupfer, Aluminium oder Zink mit speziellen Bitumen oder aufbereiteten
Ton verklebt. Die Dichtung ist außerordentlich widerstandsfähig gegen mechanische und
statische Beanspruchung.
Die Technik wurde bei der Abdichtung mit sehr hoher Wasserbeanspruchung einge-
setzt. Daher ist sie hauptsächlich bei Innenabdichtungen von Wannen und Trögen bis in
die 70iger Jahre vorzufinden. Als Vertikalabdichtung wurde sie aufgrund der Kosten nur
im Einzelfall berücksichtigt. Hier reichte zum überwiegenden Teil die gewährte Bitumen-
bzw. Teerabdichtung mit oder ohne Pappeinlage.
PP
PP
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1.2.6 Kunststoffdichtungen
Die ersten weichgummiartigen Folien, Rhepanol und Igelit oder PVC-weich began-
nen ihren Siegeszug Ende der fünfziger Jahre in der Abdichtungstechnik. Das anfangs
bestehende Misstrauen gegen den neuartigen Abdichtungsstoff wich den praktischen
Erfahrungen. Die Kunststoffabdichtungsfolien hatten den Vorteil, dass sie elastisch ver-
formbar sind, was die bituminösen Produkte nicht als Eigenschaft aufweisen. Die Folien
hatten das Problem der Fließfähigkeit (z. B. wie die Bitumen) von Anfang an nicht.
• Lehmwände
• Betonwände (Stahlbeton, Stampfbeton)
• Backsteinmauerwerk
• Natursteinmauerwerk (Quader- Schichten oder Bruchsteinmauerwerk)
• Ziegelmauerwerk (Kalksandstein-, Ziegel- oder Klinkermauerwerk)
inneren Hohlräume werden mit kleinen Steinen und Mörtel verfüllt (ausgezwickelt). Die
Wand bekommt ein vieleckiges (polygonales) Flächenbild. Aus statischen Gründen sind
die Mauern in einer Höhe von ca. 0,70m bis 1,20m mit einer waagerechten Ausgleichs-
schicht versehen, um eine bessere Druckverteilung zu erreichen (Abb. 1.11).
Unter Schichtenmauerwerk wird eine Mauerwerksverband aus regelmäßigen, verschie-
den hohen Steinen (Grauwacke, Sandstein, Schiefer usw.) verstanden, welcher mehr oder
weniger parallele Lagerfugen besitzt (Abb. 1.10, 1.12, 1.13 und 1.15). Durch die Bearbei-
tung am Einbauort wird ein optisch fast regelmäßiger Verband hergestellt. Die Kopf-
flächen sind bleiben rauh, hammergerecht oder gespitzt. An den Ecken werden größere
Steine eingebaut. Das Mauerwerksinnere wird meistens durch kleineren Steine oder durch
Ziegel ausgefüllt. Die Stoß-und Lagerfugen werden mit Mörtel ausgefüllt. Ausgefugt wird
durch Kellenverstrich oder sofort nach dem Aufmauern (Abb. 1.12) (Wagner und Gross-
mann 1949).
Das Feldsteinmauerwerk wird aus Findlingen und Feldsteinen hergestellt (Abb. 1.14).
Ein regelrechter Verband ist aufgrund der Unregelmäßigkeit der Steine nicht möglich. Um
ein möglichst geringes Fugenbild zu erreichen ist eine genaue Vorauswahl der Steine not-
wendig. Große regelmäßigen Steine sind möglichst an den Wandecken einzubauen. Klei-
nere Steine werden im Inneren der Wand und zum Verfüllen der verbleibenden Zwischen-
räume benötigt. Abgleichfugen sind durch Spalten und Behauen der Steine herstellbar. Oft
werden die Wandecken, Leibungen und notwendigen Ausgleichsschichten durch Ziegel
oder Werkstein hergestellt. Aus statischen Gründen sind die Mauern in einer Höhe von
ca. 0,70 bis 1,20 m mit einer waagerechten Ausgleichsschicht versehen, um eine bessere
Druckverteilung zu erreichen.
Ziegelmauerwerk besteht aus Ziegeln und Mörtel und wird in verschiedenen Verbänden
gemauert:
Das Mauerwerk ergibt sich durch Aufmauerung von horizontalen Schichten aus indus-
triell gefertigten Ziegeln. Die Wände haben unterschiedliche Festigkeiten, welche von
der Ziegelart und vom verwendeten Mörtel abhängt. Die Materialzusammensetzung und
der physikalisch sowie chemischen Eigenschaften der Wände sind bei der Festlegung von
Abdichtungstechnologien von besonderen Interesse.
Es wird homogenes und inhomogenes Ziegelmauerwerk unterschieden. Homogenes
Mauerwerk besteht nur aus industriell gefertigten Ziegel oder Steinen. Inhomogenes
Mauerwerk besteht aus Ziegeln, Ziegelbruch oder/und aus Natursteinen. Inhomogenen
Mauerwerk besteht u. a. aus zwei Mauerwerksschalen. Das Innere, der Mauerwerkskern,
18 J. Weber
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wurde mit minderwertigen Material ausgefüllt. Diese Bauweise wurde so lange in der
Praxis eingesetzt, bis die Industrie gleichmäßig gebrannte Ziegel in den Handel brachte.
Durch die ausgereiften Brennvorgänge waren die Ziegel von einer durchgängig fast glei-
chen Qualität. Damit konnte ein homogenes Mauerwerk hergestellt werden.
20 J. Weber
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6DQG 6DQG
&
Literatur
o.A. (1851). Bemerkungen über Mittel, die Trockenlegung der Gebäude zu befördern. Zeitschrift
für Bauwesen.
o.A. (1895). Baukunde des Architekten. Berlin: Kommissions-Verlag von Ernst Toeche.
Deutsche Reichsbahn DV 835. Anweisung für Abdichtung von Ingenieurbauwerken (AIB) gültig ab
1.5.1964. Dresden A: VEB Landesdruckerei Sachsen.
DIN 18531 bis DIN 18538 in ihren Teilen. Beuth Verlag. 7-2017.
24 J. Weber
Christoph Hellkötter
C. Hellkötter (*)
Leipzig, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 25
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_2
26 C. Hellkötter
Räumen. Diese Entwicklung ist bis zum heutigen Tag nicht abgeschlossen und führt zu
den bekannten Erscheinungen wie zum Beispiel Wohnen oder Arbeiten im Untergeschoss.
Ebenso werden durch den wirtschaftlichen Zwang zur vollständigen Ausnutzung der
Grundstücke und Gebäude immer höherer Anforderungen an die fehlerfreie Abdichtung
von außen wie von innen gestellt. Dieses wird noch weiter erschwert durch den Einbau
von mehreren unterirdischen Tiefgaragenebenen und Technikgeschossen, die bedingt
durch ihre Nutzung zusätzliche Feuchtigkeit und Nässe von Innen in die Bauwerke ein-
tragen, gleichzeitig aber auch die geologischen Bedingungen für die Nachbarbebauungen
verändern und beeinflussen.
Aber auch bestehende Gebäudeteile sind betroffen: dienten die Keller historischer
Gebäude ursprünglich als Barrierezone gegen aufsteigende Feuchtigkeit werden sie heute
anders, zum Beispiel als Lokale und Archive genutzt. In Verbindung mit einer Abdich-
tung der Wände von innen verändert das den Feuchtehaushalt der historischen Unterkel-
lerung völlig. Der zum Teil über Jahrhunderte entstandene natürliche Ausgleich zwischen
Bauteil- und Luftfeuchte sowie zwischen Temperatur und Luftaustausch wird erheblich
gestört und zu meist in die Bauteile bzw. Bauteiloberfläche verlagert mit den entsprechen-
den Schadensbildern.
Die Forderung nach trockenen Räumen ist, unabhängig von der eventuellen Vornutzung
und Beschaffenheit bei historischen Gebäuden, die grundlegende Prämisse bei der Um-
bzw. Weiternutzung der Gebäude. Die Umnutzung von ehemaligen Industriegebäuden zu
Wohnzwecken stellt in Bezug auf behagliche und gesundheitlich uneingeschränkte Wohn-
qualitäten hohe Anforderungen an die planerische Qualität und die handwerkliche Aus-
führung. Gleichzeitig gilt es, dem nach heutigem Standard genutzten denkmalgeschützten
Gebäude nicht durch Sanierungsmaßnahmen den weitgehenden Verlust seiner Denkmal-
eigenschaft zuzufügen oder ihn sogar billigend in Kauf zu nehmen.
Auch an einfachsten Bauvorhaben (s. Abb. 2.1) kann Planlosigkeit eine Schadensan-
sammlung zur Folge haben. Obendrein zeigen der Einsatz des Materials und die hand-
werklich befremdende Verarbeitung den unsensiblen Umgang mit dem denkmalgeschütz-
ten Bauteil.
Die denkmalgerechte Wiederherstellung der Gebäude mit ihrer Forderung nach Erhalt
des handwerklichen und künstlerischen Erbes der Baukultur ist in der Charta von Venedig
schon vor 50 Jahren und in den Denkmalschutzgesetzen der Länder als zentraler Punkt
aufgeführt.
Das bauliche Erbe hat einen entscheidenden Anteil am kulturellen Reichtum Europas.
Es ist über Jahrhunderte von Baumeistern und Handwerkern mitgeschaffen worden und
ist ohne fachverständige und gut ausgebildete Handwerker nicht zu erhalten und zu
sichern. Das bauliche Erbe erfordert, wenn es auch für künftige Generationen erhalten
und überliefert werden soll, eine regelmäßige Betreuung durch Fachleute mit einem ganz-
heitlichem Verständnis für das Bauwerk. Aber es muss auch unter Erhaltung seiner histo-
rischen, ästhetischen und handwerklichen Werte in die zeitgemäßen Bedürfnisse transfor-
miert werden. Nicht nur der Anblick macht ein Denkmal aus, auch die in ihm verewigten
handwerklichen Kenntnisse und Fähigkeiten, Bautechniken, Erfahrungen, Erkenntnisse
seiner Zeit.
2 Denkmalpflegerische Betrachtungen und Denkmalpflegerische… 27
Die Internationale Charta über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern
und Ensembles von 1964 (Charta von Venedig) hat in ihrer Aktualität nichts eingebüßt und
gibt auch für den Bereich der Bauwerksabdichtung in ihren Artikeln 9 und 10 die Rahmen-
bedingungen vor:
Artikel 9
„Die Restaurierung ist eine Maßnahme, die Ausnahmecharakter behalten sollte“. Ihr
Ziel ist es, die ästhetischen und historischen Werte des Denkmals zu bewahren und zu
erschließen. Sie gründet sich auf die Respektierung des überlieferten Bestandes und auf
authentische Dokumente. Sie findet dort ihre Grenzen, wo die Hypothese beginnt. Wenn
es aus ästhetischen oder technischen Gründen notwendig ist etwas wiederherzustellen,
von dem man nicht weiß, wie es ausgesehen hat, wird sich das ergänzende Werk von der
bestehenden Komposition abheben und den Stempel der Zeit tragen. Zu einer Restaurie-
rung gehören vorbereitenden und begleitenden archäologische, kunst- und geschichtswis-
senschaftliche Untersuchungen.
Artikel 10
„Wenn sich die traditionellen Techniken als unzureichend erweisen, können zur
Sicherung eines Denkmals alle modernen Konservierungs- und Konstruktionstechniken
28 C. Hellkötter
zu erfassen kostet weniger, als das Ausprobieren unzureichender Maßnahmen und ein
damit möglicherweise einhergehender Verlust wertvoller Bausubstanz. Der erfahrene Bau-
physiker und Planer wird nach eingehender Untersuchung mit dem Bauhistoriker abstim-
men, welche Auswirkungen die von ihm vorgeschlagenen Alternativen der Schadensbehe-
bung haben und wie sie die Denkmalinformationen minimal beeinträchtigen werden. Die
Aufgabe der Denkmalbehörde ist es dann, vorausschauend abzuwägen, welche Möglich-
keit die denkmalverträglichste ist, denn nicht behobene Schwachpunkte können langfris-
tig Bausubstanz kosten.
Jede bauliche Maßnahme an einem Denkmal ist eine erlaubnispflichtige Maßnahme.
Veränderungen und Sanierungen an einem eingetragenen Denkmal unterliegen dem
Erlaubnis- oder Genehmigungsvorbehalt der Unteren Denkmalbehörden.
Die erforderlichen Verfahren sind in den Denkmalschutzgesetzen der Bundesländer
ausgeführt. Als Beispiel: im Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmale im
Freistaat Sachsen (Sächsisches Denkmalschutzgesetz – SächsDSchG) wird ausgeführt:
Der Ausgleich zwischen privatem und öffentlichem Interesse wird also bereits bei der
Genehmigung einer Maßnahme durch die Behörde vorgenommen. Der Interessenausgleich
erfordert die Einschätzung und die Gewichtung der geplanten Eingriffe, also auch den
Eingriff Bauwerksabdichtung. Die Beurteilung wird immer einzelfallbezogen erfolgen im
Abgleich zwischen Beeinträchtigung von Substanz und Erscheinungsbild des Denkmals.
30 C. Hellkötter
Literatur
Knobloch und Schneider definieren in (Knobloch und Schneider 2001) die Baustoffkor-
rosion wie folgt: „Unter Korrosion versteht man die unbeabsichtigte zerstörende Einwir-
kung auf einen metallischen oder nichtmetallischen Werkstoff, ausgelöst durch die ihn
umgebenden oder in seiner Struktur eingelagerten bzw. eingebauten Stoffe oder Medien,
die damit als Korrosionsmittel wirken. Die meisten Korrosionsmittel sind Flüssigkeiten,
sie bewirken von der Oberfläche her chemische, bei Metallen auch elektrochemische
Reaktionen.“
In der dann folgenden Zusammenstellung der wichtigsten Baustoffkorrosionsarten ist
unschwer zu erkennen, dass Wasser bzw. eine Lösung maßgebliche Voraussetzung für
Korrosion eines Baustoffes ist, die i. d. R. von der Oberfläche des Baustoffes ausgeht.
Beispiel Oftmals werden Ursache und Wirkung gegenüber dem Schadensbild in den fal-
schen Kontext gesetzt! Die klare Trennung zwischen Ursache, Wirkung und Schadensbild
hilft bei der Beurteilung der vorgefundenen Situation. So ist z. B. der abplatzende Putz
(Schadensbild) auf Frost-Tau- Wechsel (-Wirkung) zurückzuführen. Die Ursache ist hier
zuviel Wasser im Putz.
J. Weber (*)
Leipzig, Deutschland
e-mail: [email protected]
C. Hecht
Wien, Österreich
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 31
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_3
32 J. Weber und C. Hecht
3.2 Wasser
3.2.1 Allgemein
Bei üblichen klimatischen Bedingungen kann Wasser in fester, flüssiger und gasförmiger
Form auftreten. In der Antike sah man das Wasser als eigenständiges Element an, das die
Grundlage aller Flüssigkeiten ist. In vielen Kulturen der Erde nahm und nimmt Wasser als
symbolischer Urbeginn der Welt eine zentrale Rolle in den jeweiligen Schöpfungsmythen
ein.
Wasser ist eine farblose, geruchs- und geschmacksneutrale Flüssigkeit. Bei Normal-
druck liegt der Gefrierpunkt des Wassers bei 0 °C und der Siedepunkt bei 100 °C. Die
größte Dichte besitzt Wasser mit ca. 1000 kg/m3 bei 4 °C. Bei dem Übergang von flüssiger
zu fester Form (Eis) ist ein Dichtesprung vorhanden, welcher mit einer Volumenausdeh-
nung (Dilatation) verbunden ist (s. Abb. 3.1). Der sich dabei entwickelnde Druck führt zu
Frostschäden.
Wasser stellt ebenfalls die Lebensgrundlage für viele Organismen dar. Nur bei Vor-
handensein von Wasser (in unterschiedlicher Quantität) kann es zur Schimmelpilzbildung,
zum Pilzbefall an Holzkonstruktionen oder zur Algenbesiedelung kommen.
:DVVHU
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(LV
7HPSHUDWXU&
Abb. 3.1 Dichte von Wasser in Abhängigkeit der Temperatur (Werte nach PTB in Braunschweig)
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung33
3.2.2 Chemie
Erst 1804 wiesen Joseph Louis Gay-Lussac und Alexander von Humboldt nach, dass
Wasser aus zwei Teilen Wasserstoff und einem Teil Sauerstoff besteht, was in der bis heute
gültigen Formel H2O ausgedrückt wird.
Zuvor synthetisierte der Brite Henry Cavendish 1781 Wasser, indem er eine Mischung
aus Wasserstoff und Luft zur Explosion brachte. Das Ergebnis dieses Experiments konnte
aber erst 1783 durch den Franzosen Antoine Laurent Lavoisier richtig ausgelegt werden,
der davon ausging, dass Wasser kein Element, sondern die Verbindung von Wasserstoff
und Sauerstoff ist.
Wasserstoff und Sauerstoff verbinden sich zu Wasser, da beide Stoffe bestrebt sind, ihre
freien Elektronenplätze (Wasserstoff –1; Sauerstoff –2) zu füllen. Die beiden Wasserstoff-
atome binden sich an das Sauerstoffatom in einem Winkel von genau 104,5 Grad. Wegen
der höheren Elektronennegativität des Sauerstoffatoms gegenüber dem Wasserstoffatom
ist die O-H-Bindung polar. Der genaue Winkel von 104,5 Grad zwischen den Wasserstoff-
atomen kann nicht durch die Elektronennegativität erklärt werden. Der Winkel entsteht
durch die hohe Elektronendichte am Sauerstoffatom, welche eine Abstoßung auf die O-H-
Bindung verursacht.
Wasser lässt sich elektrolytisch in seine Komponenten Wasserstoff und Sauerstoff zer-
legen. Mithilfe eines speziellen Katalysators gelingt diese Reaktion bereits durch Einwir-
kung von Sonnenlicht (Abb. 3.2).
Wassermoleküle sind sowohl im Festkörper (Eis) als auch in der Flüssigkeit über so
genannte Wasserstoffbrückenbindungen miteinander verbunden.
Mit Wasser lassen sich Stoffe (z. B. wasserlösliche Salze) in einem selbsttätigen Vorgang
aus einer chemischen Verbindung in Moleküle zerlegen (elektrolytische Dissoziation). Mit
einigen Salzen bildet Wasser Hydrate. Da die meisten Substanzen in Wasser zumindest
etwas löslich sind, wird es häufig als ein Universallösungsmittel angesehen. Es reagiert
mit einigen Metalloxiden zu Säuren und fungiert bei vielen chemischen Reaktionen als
Katalysator. Da Wasser zahlreiche Substanzen in großen Mengen zu lösen vermag, kommt
es in der Natur selten in reiner Form (Reinstwasser ohne Fremdstoffe) vor.
Bei der Kondensation und beim Niederschlag absorbieren Regen oder Schnee verän-
derliche Mengen an Kohlendioxid und anderen Gasen, auch Spuren von organischen und
anorganischen Substanzen aus der Atmosphäre.
Beim Kontakt mit der Erdoberfläche reagiert Wasser mit den Mineralien im Boden und
in den Gesteinen. Im Oberflächen- und Grundwasser sind in erster Linie Sulfate, Chloride
und Hydrogencarbonate von Natrium und Kalium sowie Calcium und Magnesium ent-
halten. Das Oberflächenwasser (z. B. in Flachbrunnen) kann außerdem große Mengen an
Stickstoffverbindungen und Chloriden enthalten, die aus Fäkalien bzw. Tausalz stammen.
Das Grundwasser enthält dagegen im Allgemeinen nur gelöste Mineralien. In fast allen
natürlichen Trinkwasserreservoiren befinden sich Fluoride in veränderlichen Mengen.
Aus oben Genanntem ergibt sich, dass es sich bei Wasser im Mauerwerk immer um eine
Lösung handelt. Welche Stoffe hier in welcher Konzentration gelöst sind und ob diese ggf.
einen Einfluss auf den angestrebten Sanierungserfolg haben, ist in der Bauzustandsanalyse
abzuklären.
Wasser kann in allen 3 Aggregatzuständen im und am Mauerwerk vorkommen und birgt
in jedem Zustand ein Schadensrisiko in sich. Baupraktisch stellt Wasser den Schadens-
verursacher Nummer 1 an Gebäuden dar. Durch Frost-Tau-Wechsel kommt es, aufgrund
der Volumenvergrößerung des Wassers beim Gefrieren, zu Abplatzungen von Baustoffen.
Dies ist vor allem im Fassadenbereich von Belang.
Da Wasser baupraktisch nie in reiner Form vorkommt, dient es weiterhin als Transport-
mittel für darin gelöste Salze. Salze haben die Eigenschaft ihr Volumen bei der Hydra-
tation und der Kristallisation teilweise erheblich zu vergrößern. Die dabei entstehenden
Drücke führen ebenfalls zu Festigkeitsverlusten in Baustoffen. Gefügestörungen oder
Abplatzungen an Oberflächen von Bauteilen sind die Folge (Abb. 3.3).
Weiterhin ist Wasser ein guter Wärmeleiter, weshalb durchfeuchtete Baustoffe eine
schlechtere Wärmedämmung aufweisen als trockene. Die Wärmeleitfähigkeit von Wasser
beträgt 0,58 W/(mk) und ist damit um das 24-fache höher als Luft, wodurch der geringe
Wärmeschutz erklärt ist. Die Wärmespeicherfähigkeit ist dagegen 4-mal größer als bei
trockenen Bauteilen. Daraus resultiert eine längere Erwärmungsphase von feuchten Bau-
teilen gegenüber trockenen.
Eine wirksame Abdichtung von Gebäuden gegen Wasser ist deshalb Voraussetzung für
eine lange Lebensdauer des Gebäudes, aber auch Grundlage für ein gesundes Wohnen.
Es gibt Versuche, den Kapillartransporten im Mauerwerk durch Änderung des Bindungs-
winkels des im Mauerwerk befindlichen Wassers entgegenzuwirken. Anhand der Erfahrun-
gen der Verfasser sind diese Versuche erst im Experimentierstadium, keinesfalls jedoch
praxistauglich, auch wenn derartige paraphysikalischen Geräte bereits vertrieben werden.
Durch die asymmetrische Verteilung des Wasserstoffs wirkt das Wassermolekül wie ein
kleiner Magnet, der auf der Wasserstoffseite positiv und auf der Sauerstoffseite negativ
geladen ist. Das Wassermolekül hat somit zwei Pole verschiedener Elektronendichte und
ist damit ein Dipol mit entsprechenden Eigenschaften.
Die unterschiedlich geladenen Pole ziehen benachbarte Wassermoleküle an und verbinden
sich mit ihnen über sogenannte „Wasserstoffbrücken“ zu langen Molekülketten. Experten
gehen schon seit längerer Zeit davon aus, dass hier aber nicht nur das Wasserstoffatom des
einen Moleküls mit dem freien Elektronenpaar des Sauerstoffatoms des anderen Moleküls
in Wechselwirkung tritt, sondern auch die kovalenten Bindungen zwischen dem Sauerstoff-
atom und den beiden Wasserstoffatomen innerhalb eines Moleküls für die Wasserstoffbrü-
cke eine Rolle spielen. Die Wasserstoffbrückenbindungen sind eine Ursache für kapillare
Wassertransporte. Die Wassermoleküle bauen zu der Porenwand Wasserstoffbrücken, mit
denen sie sich über die Wasseroberfläche hinaus an der Wand „hochziehen“ (Abb. 3.4).
Das Vermögen von Baustoffen, Wasser aufzunehmen, ist sehr unterschiedlich. Grund
hierfür sind die in den Baustoffen unterschiedlich vorhandenen Porenvolumen, die Ver-
teilung der Porengrößen und letztendlich die Porengeometrie. Aus diesem Grund werden
im Folgenden die verschiedenen Poren und Porensysteme einer Betrachtung unterzogen.
3.3.1 Porenarten
Poren werden zum einen hinsichtlich ihrer Form und zum anderen nach ihrer Größe
unterschieden. Größe und Form haben Einfluss auf die Möglichkeit und den Umfang des
Wassertransportes.
Hinsichtlich der Porengeometrie werden die in Abb. 3.5 dargestellten Porenarten unter-
schieden. Diese Modellvorstellung funktioniert für diese zweidimensionale Darstellung
36 J. Weber und C. Hecht
Tab. 3.1 Beispiele für vorherrschende Porengrößen in Baustoffen und den damit verbundenen
hauptsächlichen Wasseraufnahmemechanismen
Ziegel Makroporen Kapillare und hygroskopische Wasseraufnahme,
Kondensation, Kapillarkondensation
Zementstein Gelporen Kondensation, Kapillarkondensation
Porenbeton Luftporen Druckwasser, hygroskopische Feuchteaufnahme,
Kondensation, Kapillarkondensation
Sanierputz, Luftporen Druckwasser, hygroskopische Feuchteaufnahme,
Wärmedämmputz Kondensation, Kapillarkondensation
Beton Gelporen (abhängig Kondensation, Kapillarkondensation
vom WZ-Wert)
und als Ausschnitt sehr gut. Es ist zu beachten, dass jeder Baustoff und damit sein Poren-
system ein dreidimensionales Gebilde ist, sodass jede Pore nach Abb. 3.5 in der dritten
Dimension in eine andere übergehen kann.
Die Porengeometrie hat erheblichen Einfluss auf deren Wasseraufnahmefähigkeit.
Lediglich die durchgehenden Poren können sich über die kapillare Aufnahme von Wasser
füllen. Die Flaschenhalsporen und die Sackporen füllen sich nur unter Druck mit Wasser,
da hier ein Gegendruck aufgrund der eingeschlossenen Luft entsteht. In geschlossene
Poren kann nur Wasserdampf eindringen. Durch Kondensation des Dampfes kann es zu
einer, zumindest teilweisen, Befüllung kommen.
Hinsichtlich der Porengröße wird folgende Unterteilung vorgenommen:
Die Porengröße hat neben der Porengeometrie Einfluss auf die Wasseraufnahmefähigkeit.
Lediglich Kapillarporen tragen zur kapillaren Wasseraufnahme und zum Transport von
Flüssigwasser bei (Tab. 3.1).
Für aufsteigende Feuchte ist baupraktisch nur der Kapillarporenbereich zwischen
50 μm und 1 mm (Liersch 2008) von Bedeutung.
Mikroporen sind zu klein, um Wassermoleküle aufzunehmen, sie sind lediglich zugäng-
lich für Wasserdampf. Luftporen wiederum sind für eine kapillare Wasseraufnahme zu
groß, sie haben kapillarbrechende Eigenschaften, sind aber für Wasserdampf zugänglich.
3.3.2 Porenradienverteilung
Aus dem vorherigen Kapitel lässt sich bereits erkennen, dass es unterschiedliche Anteile
der einzelnen Porengrößen bzw. -radien in einem Baustoff gibt. Dies führt zu unterschied-
lichen feuchtetechnischen Eigenschaften. Das folgende Abb. 3.6 zeigt dies exemplarisch
für verschiedene Baustoffe.
38 J. Weber und C. Hecht
G9ORJG5
08=52+
G9ORJG5
90=52+
G9ORJG5
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G9ORJG5
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G9ORJG5
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.6.52+
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Abb. 3.6 Porenradienverteilung und Summenkurve verschiedener Baustoffe. (aus Majdalani 2004)
3.3.3 Porenvolumen
Da lediglich die Poren eines Baustoffes mit Wasser oder einem anderen Stoff gefüllt
werden können, ist das Porenvolumen zur Einschätzung der Feuchtebelastung, aber auch
zur Einschätzung der notwendigen Menge des Injektionsgutes bei einer geplanten nach-
träglichen Abdichtung im Injektionsverfahren von wesentlicher Bedeutung.
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung39
Beispiel Ziegel mit einem tatsächlichen Porenvolumen von 29 % und einem scheinbaren
Porenvolumen von 19 % können maximal 190 l Wasser pro m3 kapillar aufnehmen, unter
Druck jedoch maximal 290 l.
%HLVSLHO
a b c
Abb. 3.7 Porenstruktur als Kriterium für das Feuchtigkeitsverhalten von Baustoffen. (schemati-
sche Darstellung nach Arndt (1996))
40 J. Weber und C. Hecht
Die Differenz von 100 l ist von Bedeutung, wenn eine Einschätzung der Möglichkeit einer
Druckinjektion erfolgen soll.
Die Porosität der Baumaterialien hat in der Praxis unter anderem Bedeutung bei (Loh-
meyer 1995):
Die Frage des Wasseraufnahmevermögens von Poren hat einerseits Bedeutung für den
möglichen Umfang der Feuchtebelastung der verschiedenen Baustoffe, ist andererseits
aber auch von großer Bedeutung im Hinblick auf die Wirksamkeit von Injektionsverfahren
bzw. auf die Auswahl des geeigneten Injektionsstoffes und der Einbringtechnologie.
3.4 Feuchtigkeitsaufnahme
Wassergehalte, die höher sind als die Gleichgewichtsfeuchte zu 95 % relativer Luftfeuchte,
werden als überhygroskopischer Bereich bezeichnet. Aufgrund messtechnischer Schwie-
rigkeiten kann dem Wassergehalt keine eindeutige relative Luftfeuchte mehr zugeordnet
werden. Die obere Grenze wird durch den freiwilligen Feuchtigkeitsgehalt uF dargestellt.
Basierend auf der Kapillarität ist es kapillarporösen Materialien möglich, Feuchte in flüs-
siger Form aufzunehmen. Innerhalb des zum Teil gefüllten Porenraums findet eine Umver-
teilung der Feuchte statt. Diese gründet darauf, dass an engeren Querschnitten größere und
an weiteren Querschnitten kleinere Kapillardrücke auftreten. Folglich werden alle gröbe-
ren Poren von den feineren so lange geleert, bis alle Hohlräume eines bestimmten Durch-
messers mit Wasser gefüllt sind. Der im Porenwasser herrschende einheitliche Unterdruck
wird als Kapillardruck bzw. Saugspannung bezeichnet (Majdalani 2004).
Die häufigste Art der Wasseraufnahme von Baustoffen ist die kapillare Wasserauf-
nahme. Sofern die Poren eines Baustoffes groß genug für Wassermoleküle sind (Kapillar-
poren) und dieser Baustoff mit Wasser in Berührung kommt, erfolgt eine Wasseraufnahme
auf kapillarem Wege. Kapillarer Wassertransport ist auf die Wirkung des Kapillardruckes
zurückzuführen.
Die kapillare Wasseraufnahme wird durch den baustoffspezifischen Wasseraufnahmeko-
effizienten w dargestellt. Er wird experimentell nach DIN EN ISO 15 148 (2003) bestimmt:
w = Wasseraufnahme je Flacheneinheit / t ⋅[kg/m 2h 0,5]
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung41
Baupraktisch kann hier jedoch auf Tabellenwerte (z. B. Liersch 2008) oder Herstelleran-
gaben zurückgegriffen werden (s. Tab. 3.2).
Mithilfe des Wasseraufnahmekoeffizienten können die Baustoffe bezüglich ihres kapil-
laren Saugverhaltens eingeteilt werden (Hohmann und Setzer 2004):
W > 2,000 kg/m2h0,5starksaugend
W ≤ 2,000 kg/m2h0,5wasserhemmend
W ≤ 0,500 kg/m2h0,5wasserabweisend
W ≤ 0,001 kg/m2h0,5wasserdicht
ρ w B uF umax
Material Rohdichte Wasseraufnahme- Wasser- Wasserka- Sättigungs-
Koeffizient eindring- pazität feuchtigkeits-
koeffizient gehalt
(kg/ (kg/m2 (kg/m2 (m/ (m3/m3) (m3/m3)
m3) s0,5) h0,5) s0,5) × 10−3
Vollziegel A 1750 0,420 25,1 2,24 0,19 0,29
B 2175 0,049 2,9 0,56 0,09 0,13
Hochlochziegel C 1155 0,138 8,3 0,73 0,19 0,22
D 1165 0,148 8,9 0,81 0,18 0,18
Kalksandstein A 1635 0,123 7,7 0,46 0,27 0,36
B 1755 0,050 3,0 0,21 0,24 0,34
C 1760 0,091 5,5 0,42 0,22 0,35
D 1795 0,087 5,4 0,39 0,22 0,32
E 1880 0,053 3,2 0,29 0,18 0,27
F 1920 0,053 3,2 0,26 0,20 0,27
Schwerbeton A 2290 0,030 1,8 0,22 0,14
B 2410 0,018 1,1 0,09 0,19 0,22
Bimsbeton A 845 0,483 2,9
B 1085 0,032 1,9 0,40
Gasbeton A 630 0,077 4,6 0,28 0,28 0,72
B 600 0,071 4,2 0,25 0,28 0,71
C 530 0,066 4,0 0,23 0,29 0,74
D 620 0,110 6,5 0,38 0,29 0,72
E 640 0,128 7,7 0,45 0,28 0,60
Gipsbauplatte A 900 1,16 69 2,36 0,49
B 600 0,64 38 1,80 0,36
42 J. Weber und C. Hecht
ρ w B uF umax
Weißkalkputz 0,17 7,0
Kalkzementputz A 0,03 2,0
B 0,06 4,0
Zementputz A 0,03 2,0
B 0,05 3,0
Die Wasserspeicherung in einer Baustoffpore erfolgt schematisch in sechs Stufen der Was-
sereinlagerung (Abb. 3.8)
Die kapillare Wasseraufnahme wird durch zwei Größen beschrieben:
1. Die maximale Steighöhe von Wasser kann näherungsweise wie folgt berechnet werden:
Hmax = 0,15/Porenradius in cm.
2. Die Sauggeschwindigkeit zu Beginn des Saugvorganges wird wie folgt ermittelt, wobei
die Konstante K die Oberflächenspannung, das spezifische Gewicht, die Erdbeschleu-
nigung und die Viskosität des Baustoffes enthält:
V = K ⋅ Porenradius in m/s
Dem Erreichen der maximalen Steighöhe wirkt zusätzlich die Verdunstung entgegen. Je
besser die Verdunstungsmöglichkeit am Mauerwerk ist, umso geringer ist die Wahrschein-
lichkeit, dass die maximale Steighöhe erreicht wird. Dieser Zusammenhang bewirkt auch die
typischen Schadensbilder an Sockelbereichen, wo als „Sanierungsmaßnahme“ für Feuchte-
schäden lediglich eine weitestgehend wasserdichte Beschichtung, z. B. durch Fliesen, Dich-
tungsschlämme, Zementputz, Kunststoffbeschichtung oder Ähnliches, aufgebracht wurde.
In diesen Fällen kommt es kurz bis mittelfristig zu einer Vergrößerung der Steighöhe und
der damit verbundenen Verlagerung der Feuchteschäden (Abb. 3.10 und 3.11).
Aus diesem Grund sollte ein Sockel möglichst diffusionsoffen sein, aber eine geringe
Wasseraufnahmefähigkeit besitzen.
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung43
6FKHPDWLVFKH'DUVWHOOXQJGHU)HXFKWHVSHLFKHUXQJLQHLQHU%DXVWRIISRUHPLW
IRUWVFKUHLWHQGHU:DVVHUHLQODJHUXQJ
3RUHQHUZHLWHUXQJ
3RUHQHQJSDVV
'DPSISKDVH
)OVVLJSKDVH
6RUELHUWH3KDVH
Abhängig von ihren physikalischen bzw. chemischen Eigenschaften sind Baustoffe in der
Lage, Feuchtigkeit in Form von Wasserdampf aus der Umgebungsluft aufzunehmen. Der
Vorgang wird als Sorption bezeichnet. Unter Adsorption wird die physikalische Bindung
der Wasserteilchen an die Oberflächen verstanden, während Chemosorption auf einer
chemischen Reaktion beruht. Der Vorgang der Feuchtigkeitsabgabe wird mit Desorption
bezeichnet.
Basierend auf dieser hygroskopischen Eigenschaft, hat eine ausreichend lange
Lagerungsdauer bei konstanter relativer Feuchte und Temperatur den Zustand der
44 J. Weber und C. Hecht
Abb. 3.9 Steighöhe und Sauggeschwindigkeit sind umgekehrt abhängig von der Porengröße.
(Quelle: Weber 2000)
In Abhängigkeit von der Menge und der Art der eingelagerten Salze kann die hygrosko-
pisch verursachte Feuchtebelastung an einem Mauerwerk größer sein als die Feuchtebe-
lastung durch kapillare Wassertransporte. Dies ist insofern von Bedeutung, da die hygros-
kopische Feuchteaufnahme durch nachträgliche Abdichtungsmaßnahmen nicht verringert
wird. Im Zuge der Sanierungsplanung ist es deshalb unbedingt erforderlich, eine Bau-
zustandsanalyse inklusive einer Feuchtebilanz durchzuführen, um die für das konkrete
Objekt tatsächlich notwendigen Sanierungsleistungen festlegen zu können.
Typisch für eine vorrangig hygroskopische Feuchtebelastung in der Altbausanierung
sind Bauteile an undichten Abwassergruben, Wände an ehemaligen Außen-WCs und Stall-
gebäude. Grund hierfür ist der in Abwässern und Fäkalien hohe Nitratgehalt. Die Einschät-
zung und Bewertung von Salzen im Mauerwerk erfolgt u. a. im WTA-Merkblatt 4-5-99
„Mauerwerksdiagnostik“ in Abhängigkeit von der Salzart und des Salzgehaltes (Tab. 3.3).
Beispiel Zum besseren Verständnis des Einflusses und der Auswirkungen von Salzen im
Mauerwerk ist es erforderlich, die Vorgänge in einem nicht abgedichteten Mauerwerk in
ihrer Gesamtheit zu betrachten.
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung47
An der erdberührten Seite der Wand liegt Wasser an, in welchem Salze gelöst sind. Durch
Kapillartransporte dringt diese Lösung in das Bauteil ein und steigt, entsprechend der vor-
handenen Porosität und der Verdunstungsmöglichkeit (siehe kapillare Wasseraufnahme),
bis zu einer gewissen Höhe. Das System ist damit im Gleichgewicht, da die Menge des
eindringenden Wassers der Menge des in der Verdunstungszone an die Luft abgegebenen
Wassers entspricht.
In der Verdunstungszone steigt nun die Konzentration der Salze in der im Mauerwerk
befindlichen Lösung, da nur das Wasser verdunsten kann und durch Kapillartransporte
neue Salze zugeführt werden. Ab einem gewissen Grad der Konzentration (abhängig von
der Art der Salze) kommt es nun zur Aufnahme von Wasser über den hygroskopischen
Wasseraufnahmemechanismus und damit zu einer Störung des bisher vorhandenen Gleich-
gewichtes. Zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes ist es nunmehr erforderlich, dass
eine größere Menge Wasser verdunstet, was nur über eine Vergrößerung der Verdunstungs-
zone möglich ist. Das heißt, dass sich die Durchfeuchtungshöhe zwangsläufig ausdehnt.
Da es sich hier um einen stetig ablaufenden Prozess handelt, verschiebt sich mit der Zeit
das Verhältnis von kapillar aufsteigendem Wasser zu hygroskopisch aufgenommenen, bis
gegebenenfalls die hygroskopisch aufgenommene Wassermenge deutlich überwiegt.
Zur Festlegung der notwendigen Sanierungsmaßnahmen ist es daher unerlässlich, für
eine Feuchtebilanz die hygroskopische Gleichgewichtsfeuchte und den hygroskopischen
Durchfeuchtungsgrad zu ermitteln, um sämtliche der Sanierung zum Erfolg verhelfenden
Maßnahmen festlegen zu können. Nachträgliche Abdichtungsmaßnahmen zur Sanierung
von Feuchteschäden aufgrund von gelösten Salzen sind als erfolgsorientierte Sanierungs-
maßnahmen nicht geeignet.
3.4.3 Kondensation
Die Kondensation beschreibt den Übergang eines Stoffes von dem gasförmigen in den
flüssigen (oder auch festen) Aggregatzustand, aufgrund von Abkühlung. Im hier angespro-
chenen Themenfeld handelt es sich bei der Kondensation um eine Wasseraufnahme aus
der Raumluft aufgrund von geringen Bauteiltemperaturen.
Zur Einschätzung dieses Mechanismus ist es erforderlich, den Feuchtegehalt der Luft
genauer zu betrachten. Dieser wird üblicherweise als relative Luftfeuchtigkeit angegeben.
Die relative Luftfeuchtigkeit wird ermittelt aus dem Verhältnis zwischen dem tatsäch-
lichen Feuchtegehalt und dem maximalen Feuchtegehalt der Luft.
rel. Luftfeuchte [% ] = tat. Feuchtegehalt g / m 3 / max. Feuchtegehalt g / m 3 ×100
Der maximale Feuchtegehalt, auch Sättigungsfeuchte, ist die Menge Wasser, welche die
Umgebungsluft als Wasserdampf maximal aufnehmen kann, und ist abhängig von der
Lufttemperatur. Je höher die Lufttemperatur ist, umso mehr Wasser kann aufgenommen
48 J. Weber und C. Hecht
25
Sättigungsmenge
von Wasserdampf
in Luft in g/m3
20
15
10
Lufttemperatur in °C
0
–10 –5 0 5 10 15 20 25 30
Abb. 3.13 Sättigungsmenge Ws von Wasserdampf in g/m3 in Luft der Temperatur in °C. (nach
Tafel 10.21a (Schneider 2006))
werden, bzw. umgekehrt, je geringer die Temperatur ist, umso weniger Wasser ist erfor-
derlich, um die Sättigungsfeuchte zu erreichen (Abb. 3.13).
Durch Veränderung der Temperatur kommt es daher bei gleichem tatsächlichem Feuch-
tegehalt zu einer Veränderung der relativen Luftfeuchte.
Wird die Temperatur nach Erreichen der Sättigungsfeuchte (rel. Luftfeuchte = 100 %)
weiter abgekühlt, erfolgt die Kondensation des Wassers. Die Temperatur, bei welcher eine
relative Luftfeuchte von 100 % erreicht wird, nennt man den Taupunkt.
Da der Taupunkt von der Lufttemperatur und der Menge des in der Luft befindlichen
Wassers abhängig ist, ist es zu empfehlen, zur Einschätzung der Kondenswassergefähr-
dung entsprechende Tabellen heranzuziehen (Tab. 3.4):
Beispiel 1 In einem Altbaukeller werden 70 % relative Luftfeuchte bei einer Raumtem-
peratur von 14 °C gemessen. Entsprechend obiger Tabelle liegt der Taupunkt bei diesen
Bedingungen bei 8,6 °C. Sofern nun Wandflächen oder Wandbereiche (z. B. Außenecken)
diese in Altbaukellern nicht unübliche Oberflächentemperatur aufweisen oder unterschrei-
ten, kommt es hier zu einem Wassereintrag aufgrund von Kondensation.
Beispiel 2 Die Nutzer o. g. Altbaukellers lüften in den Sommermonaten ihren Keller, da
dieser „feucht und muffig“ ist. Im Außenbereich herrscht eine relative Luftfeuchte von
40 % bei einer Lufttemperatur von 25 °C. Durch Abkühlung dieser Luft im Keller auf
14 °C wird dadurch eine relative Luftfeuchte von ca. 76 % künstlich erzeugt. Die Tau-
punkttemperatur liegt hierfür bei 9,8 °C. Das heißt, dass es nunmehr auch an Wandflächen
Tab. 3.4 Taupunkttemperaturen in Abhängigkeit von Raumtemperatur und relativer Luftfeuchte. (aus (Schneider 2006))
ϑ Taupunkttemperatur ϑs in °C bei einer relativen Luftfeuchte ϕ von
Näherungsgleichung °C 30 % 35 % 40 % 45 % 50 % 55 % 60 % 65 % 70 % 75 % 80 % 85 % 90 % 95 %
für ϑ und ϑs ≥ 0: ϑs =
(ϕ/100)0,1247 × (109,8 +
ϑ) − 109,8
30 10,5 12,9 14,9 16,8 18,4 20,0 21,4 22,7 23,9 25,1 26,2 27,2 28,2 29,1
29 9,7 12,0 14,0 15,9 17,5 19,0 20,4 21,7 23,0 24,1 25,2 26,2 27,2 28,1
28 8,8 11,1 13,1 15,0 16,6 18,1 19,5 20,8 22,0 23,2 24,2 25,2 26,2 27,1
27 8,0 10,2 12,2 14,1 15,7 17,2 18,6 19,9 21,1 22,2 23,3 24,3 25,2 26,1
26 7,1 9,4 11,4 13,2 14,8 16,3 17,6 18,9 20,1 21,2 22,3 23,3 24,2 25,1
25 6,2 8,5 10,5 12,2 13,9 15,3 16,7 18,0 19,1 21,3 21,3 22,3 23,2 24,1
24 5,4 7,6 9,6 11,3 12,9 14,4 15,8 17,0 18,2 19,5 (a) 20,3 (b) 21,3 (c) 22,3 (d) 23,1
23 4,5 6,7 8,7 10,4 12,0 13,5 14,8 16,1 17,2 18,3 19,4 20,3 21,3 11,1
22 3,6 5,9 7,8 9,5 11,1 12,5 13,9 15,1 16,3 17,4 18,4 19,4 20,3 21,2
21 2,8 5,0 6,9 8,6 10,2 11,6 12,9 14,2 15,3 16,4 17,4 18,4 19,3 20,2
20 1,9 4,1 6,0 7,7 9,3 10,7 12,0 15,2 14,4 15,4 16,4 17,4 18,3 19,2
19 1,0 3,2 5,1 6,8 8,3 9,8 11,1 12,3 13,4 14,5 15,5 16,4 17,3 18,2
18 0,2 2,3 4,2 5,9 7,4 8,8 10,1 11,3 12,5 13,5 14,5 15,4 16,3 17,2
17 − 0,6 1,4 3,3 5,0 6,5 7,9 9,2 10,4 11,5 12,5 13,5 14,5 15,3 16,2
16 − 1,4 0,5 2,4 4,1 5,6 7,0 8,2 9,4 10,5 11,6 12,6 13,5 14,4 15,2
15 − 2,2 − 0,3 1,5 3,2 4,7 6,1 7,3 8,5 9,6 10,6 11,6 12,5 13,4 14,2
14 − 2,9 − 1,0 0,6 2,3 3,7 5,1 6,4 7,5 8,6 9,6 10,6 11,5 12,4 15,2
13 − 3,7 − 1,9 − 0,1 1,3 2,8 4,2 5,5 6,6 7,7 8,7 9,6 10,5 11,4 12,2
12 − 4,5 − 2,6 − 1,0 0,4 1,9 3,2 4,5 5,7 6,7 7,7 8,7 9,6 10,4 11,2
11 − 5,2 − 3,4 − 1,8 − 0,4 1,0 2,3 3,5 4,7 5,8 6,7 7,7 8,6 9,4 10,2
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung49
10 − 6,0 − 4,2 − 2,6 − 1,2 0,1 1,4 2,6 3,7 4,8 5,8 6,7 7,6 8,4 9,2
50 J. Weber und C. Hecht
zur Kondenswasserbildung kommt, an denen ohne Lüftung kein Wasser ausgefallen wäre.
Der Keller wurde durch die Lüftung zusätzlich mit Feuchtigkeit belastet.
Rechengang:
12,1 9, 2
=
100 % x %
Der Taupunkt bei 76 % relativer Luftfeuchte und einer Raumtemperatur von 14 °C liegt
entsprechend obiger Tabelle bei 9,8 °C.
Aus obigem Beispiel ist ersichtlich, dass eine Kellerlüftung zur Feuchtereduzierung
nicht abhängig von der relativen Luftfeuchte ist, sondern vielmehr auf Grundlage des tat-
sächlichen Feuchtegehaltes der Luft durchgeführt werden muss. Während dieser Sachver-
halt in den Wintermonaten eher zu vernachlässigen ist, empfiehlt sich eine Lüftung in den
Sommermonaten daher vorrangig in den Morgenstunden:
Bei einer Außentemperatur von 10 °C und einer relativen Luftfeuchte von 85 % kommt
es durch Erwärmung dieser Luft im Keller zu einer Verringerung des Feuchtegehaltes
der Kellerluft.
Rechengang:
Sättigungsfeuchte bei 10 °C 9,4 g/m3
Wassergehalt bei 80 % rel. Luftfeuchte 7,52 g/m3
Sättigungsfeuchte bei 14 °C 12,1 g/m3
Wassergehalt bei 70 % rel. Luftfeuchte 8,47 g/m3
Durch einen Luftaustausch würde dadurch die relative Luftfeuchte auf ca. 62 % verringert
werden. Der Taupunkt würde nun bei ca. 7 °C liegen.
3.4.3.1 Kapillarkondensation
Von Kapillarkondensation wird gesprochen, wenn die in Porenräumen kondensierende
Feuchtigkeit auf kapillarem Wege weitertransportiert wird. Diese Kondensation basiert auf
der Tatsache, dass über kleinen Flüssigkeitstropfen und ebenso über den stark gekrümm-
ten Flüssigkeitsmenisken in kleinen Poren der Dampfdruck erniedrigt ist. Feine Poren mit
einem Radius unter 100 nm können sich somit durch Kapillarkondensation mit Flüssigkeit
füllen (Meng 1993). Dieser Wasseraufnahmemechanismus ist mitverantwortlich für die
Ausgleichsfeuchte eines Bauteils.
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung51
Durch anstehendes Druckwasser wird die kapillare Wasseraufnahme von Baustoffen hin-
sichtlich der Steighöhe und Geschwindigkeit verstärkt. Zusätzlich kann eine Befüllung
der Poren, die sonst kapillar nicht zugänglich sind (z. B. Luftporen, Sackporen und Fla-
schenhalsporen), erfolgen. Im ungünstigsten Fall sind alle Poren mit Wasser gefüllt, ist
also die Sättigungsfeuchte erreicht (s. Tab. 3.2).
Bei anstehendem Druckwasser ist es deshalb umso wichtiger, durch Probennahme und
-untersuchung zu klären, ob und mit welchem Material eine nachträgliche Horizontal-
sperrung im Injektionsverfahren möglich ist. Gegebenenfalls sind hier zusätzliche Maß-
nahmen zu planen.
Die Wasseraufnahme unter Druck wird durch das Darcy’sche Gesetz beschrieben:
I = k × dp / dx
I= Massenstromdichte [g/s]
k= experimentell ermittelte materialspezifische Durchlässigkeit (Tabellenwert)
dp= Druckunterschied des anstehenden Wassers [N/m2]
dx= Dicke des Bauteils [m]
3.5 Feuchtespeicherung
ρR
Ψ = um ⋅ [V − %]
ρW
In Erweiterung zu den obigen Begriffen ist der maximale Wassergehalt umax, auch Sätti-
gungsfeuchte genannt, zu erwähnen, der sich bei vollständiger Füllung aller dem Wasser
zugänglichen Poren einstellt. Geschieht die Wasseraufnahme eines feinporigen Materials
durch Einwirkung von drucklosem Wasser, so sammeln sich Luftblasen in Sackporen,
die eine Verminderung der aufnehmbaren Wassermenge bewirken und so zum Erreichen
des freiwilligen Wassergehalts uF, auch Wasserkapazität genannt, führen. Bei sehr langer
Lagerung löst sich die eingeschlossene Luft im Porenwasser langsam auf und die weitere
Sättigung bis zum Wert umax ist möglich. In Zusammenhang mit dem Austrocknen von
Bauteilen ist der kritische Wassergehalt ukr von großer Bedeutung. Dieser Wert markiert
die Grenze, ab der ein kapillarer Wassertransport nicht mehr möglich ist und die Trock-
nungsrate somit stark abnimmt. Lagert ein Baustoff längere Zeit in Luft mit etwa gleich
bleibender relativer Luftfeuchte, stellt sich der praktische Feuchtegehalt up, auch Gleich-
gewichtsfeuchte genannt, ein. In Tab. 3.2 sind einige Richtwerte der unterschiedlichen
Wassergehalte für diverse Baustoffe angegeben.
3.6 Wasserbewegungen
3.6.1 Allgemein
Von den drei Diffusionsarten ist die Wasserdampfdiffusion in der Baupraxis von wesent-
licher Bedeutung. Bei dieser Diffusion befinden sich die Wassermoleküle in gasförmigem
Zustand. Die Bewegungsrichtung des Wasserdampfes ist immer in Richtung einer gerin-
geren Konzentration, d. h. in Richtung eines vorhandenen Dampfdruckgefälles. Die Rand-
bedingung ist ein durchgehendes Porensystem.
Bei der Wasserdampfkonvektion werden Wassermoleküle in gasförmigem Zustand
durch Luftströmung bewegt, welche durch Luftdruckunterschiede entsteht.
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung53
Bei der Kapillarität bewegt sich Wasser in flüssiger Form in den Poren eines entspre-
chend porösen Bauteiles durch die Wirkung einer vorhandenen Oberflächenspannung
(siehe 3.3 und 3.4).
Bei der Sickerströmung bewegt sich Wasser in flüssiger Form durch das Vorhandensein
eines Druckgefälles. Die Oberflächenspannung ist hier ohne Bedeutung.
Bei der Elektrokinese wird flüssiges Wasser durch Einfluss von elektrisch vorhandenen
Feldern im Porensystem bewegt (siehe 3.8).
3.6.2 Diffusion
Die Diffusion beschreibt den Stofftransport im molekularen Bereich. Ursache für den Trans-
port bildet die Brown’sche Molekularbewegung, die für Atome, Ionen und kleine Moleküle
Gültigkeit besitzt. Liegt ein Konzentrationsunterschied zwischen den diffundierenden Teil-
chen vor, kommt es zu einem Massenstrom, der zur kleineren Konzentration gerichtet ist
(Abb. 3.14). In Zusammenhang mit Wassermolekülen muss zwischen mehreren Arten von
Diffusion unterschieden werden, die jedoch auch nebeneinander ablaufen können:
/XIWPROHNO
:DVVHUPROHNO :DVVHUGDPSIGLIIXVLRQ
Dichtungsschlämmen Wärmedämmputz
3.6.2.1 Wasserdampfdiffusion
Mit steigendem Wassergehalt in der Luft vergrößert sich ebenso der Wasserdampfpartial-
druck. Unabhängig von der Einwirkung äußerer Kräfte findet stets ein Ausgleich zwischen
Bereichen höheren und niedrigeren Wasserdampfpartialdrucks statt. Der Prozess des Ver-
mischens der Wasserteilchen in Richtung der geringeren Konzentration wird als Diffusion
bezeichnet.
Grundvoraussetzung für das Vorliegen von Wasserdampfdiffusion ist, dass die Teilchen
öfter untereinander aufeinanderprallen als mit den Porenwänden zusammenstoßen. Poren-
durchmesser müssen deshalb einen Mindestdurchmesser von etwa 100 nm aufweisen, um
Wasserdampfdiffusion zu ermöglichen (Tab. 3.5).
3.6.2.2 Effusion
Wird der Massentransport der diffundierenden Wassermoleküle mehr von Zusammenstö-
ßen mit den Porenwänden bestimmt als durch Zusammenstöße der Moleküle untereinan-
der, liegt Effusion – auch Knudsendiffusion – vor. Für Wasserdampf unter Normalbedin-
gungen kommt diese Form des Feuchtetransports in Poren mit Radien unter 20 nm vor.
Somit wird bei feinporigen Baustoffen, wie zum Beispiel Beton mit seinen Gelporen,
der Transportwiderstand der Teilchen maßgebend von den Porenwänden beeinflusst.
Bei porösen Festkörpern wird meist auf eine Unterscheidung zwischen Wasserdampf-
diffusion und Effusion verzichtet, da bei letzterer die Massenstromdichten vergleichsweise
klein sind. Der Beitrag der Effusion wird somit der Wasserdampfdiffusion hinzugefügt.
3.6.2.3 Lösungsdiffusion
Unter Lösungsdiffusion ist die Bewegung kleiner, molekular verteilter Teilchen in einem
flüssigen bzw. quasi-flüssigen Medium zu verstehen. Wasser ist in vielen Flüssigkeiten
und organischen Polymeren – wie zum Beispiel Kunststoffe, Bitumen, Holz, Cellulose –
lösbar. Mit zunehmender Dichte der hydrophilen Gruppen und zunehmender Temperatur
steigen der Umfang der Löslichkeit und die Durchlässigkeit für Wassermoleküle.
Infolge der Wassereinlagerung bei Polymeren tritt Quellung ein. Dadurch wird die Dif-
fusion der Teilchen erleichtert und ersetzt die Notwendigkeit von Poren.
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung55
3.6.2.4 Oberflächendiffusion
Diese Form der Diffusion tritt häufig bei porösen Materialien auf, deren innere und äußere
Oberfläche von einem Wasserfilm bestimmter Stärke bedeckt ist. Die Wanderung der Was-
serteilchen findet innerhalb des ausreichend dicken Wasserfilms statt. Die Oberflächen-
diffusion kann einen bedeutenden Beitrag zum Massenstrom liefern.
Der Widerstand, den ein Material der Diffusion von Wasserdampf entgegensetzt, hängt
hauptsächlich von seiner Porigkeit ab. Je mehr offene Poren, desto geringer der Wider-
stand. Die Porengröße spielt für Wasserdampfmoleküle so gut wie keine Rolle, da diese
kleiner und leichter als fast alle anderen Luftmoleküle sind.
Der Diffusionswiderstand eines Materials wird, in Abhängigkeit von der Materialdicke,
als „diffusionsäquivalente Luftschichtdicke“, der sD-Wert, angegeben:
sD = µ ×s
μ= Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl
s= Schichtendicke in m
In Bezug auf das hier bearbeitete Themenfeld ist dieser Mechanismus insofern von Bedeu-
tung, als dass die nachträglich abgedichteten Bauteile bestrebt sind, durch Diffusion ihre
eingelagerte Feuchtigkeit abzugeben. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die relative
Luftfeuchte vor dem Bauteil entsprechend gering ist, dass ein Konzentrationsausgleich
möglich ist, aber auch, dass das Bauteil möglichst nicht oder nur mit Materialien mit
einem geringen sD-Wert, also einem großen Porenanteil, beschichtet wird.
Die Wasserdampfdiffusion ist ca. 106 kleiner als die Kapillarität. Sie wird in ihrer
Wirkung weit überschätzt. Der Satz „Eine Wand muss atmen.“ ist Ausdruck dieser Fehl-
einschätzung (Tab. 3.6).
3.6.3 Phorese
Osmose ist ein physikalischer Mechanismus, bei dem eine Flüssigkeit durch eine „halb-
durchlässige“ Wand hindurchtritt. Voraussetzung hierfür ist, dass das Wasser auf beiden
Seiten der Wand in unterschiedlicher Konzentration Lösungsstoffe enthält.
Dabei tritt Wasser aus der weniger stark konzentrierten Lösung durch die halbdurchläs-
sige Wand und verdünnt die stärker konzentrierte Lösung bis zum Konzentrationsausgleich.
Baupraktisch ist dieser Vorgang vorrangig in Hinblick auf salzbelastetes Mauerwerk
von Bedeutung. In den Verdunstungszonen ist naturgemäß eine höher konzentrierte Salz-
lösung vorhanden als in den angrenzenden Bereichen. Mit dem Ziel des Konzentrations-
ausgleiches fließt nun zusätzlich zum kapillaren Wassertransport und zur hygroskopischen
Feuchteaufnahme Wasser in diese Bereiche.
Die Osmose darf nicht mit der Elektroosmose in Zusammenhang gebracht werden.
Es handelt sich hierbei um zwei unterschiedliche Phänomene. Der Feuchtetransport in
einem porösen Baustoff mittels einer an den Baustoff angelegten elektrischen Spannung
ist eine elektroosmotische Erscheinung. Die Grundlage des Feuchtetransportes bildet eine
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung57
3.7 Salze
Neben der oben erläuterten Vergrößerung der Verdunstungszone verursachen Salze auch
Schäden an und in den Baustoffen selbst. Typische Schadensbilder sind zum Beispiel
Abplatzungen von Putz und Anstrichen, Aussandungen von Fugen und Abplatzungen an
Ziegeln (Abb. 3.16 und 3.17).
58 J. Weber und C. Hecht
Grund für derartige Schäden, ist das Vermögen bauschädigender Salze, ihr Volumen
stark zu ändern. Ist eine Pore (nahezu) mit Salz gefüllt und erfolgt eine Volumenvergrö-
ßerung, kann die Feststoffmatrix um diese Pore zerstört werden. Ein häufiger Volumen-
wechsel führt zur Zerstörung des Baumaterials.
Volumenvergrößerungen von bauschädigenden Salzen erfolgen im Zuge von Kristalli-
sations- und Hydratationsprozessen.
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung59
Abb. 3.16 Salz- und Feuchteschäden bis 2,0 m an einem ehemaligen Stallgebäude
Unter Kristallisation versteht man einen Vorgang, bei dem die in einer Lösung befind-
lichen Salze aufgrund von Feuchteentzug in den festen Aggregatzustand wechseln. Die
dabei entstehenden Kristalle weisen ein größeres Volumen auf, als das gelöste Salz. Der
dabei entstehende Kristallisationsdruck ist für die Gefügezerstörungen in den Bauteilen
verantwortlich. Die folgende Tabelle zeigt Kristallisationsdrücke unterschiedlich gesät-
tigter Lösungen bei 0 °C. Bei höheren Temperaturen sind höhere Drücke festzustellen
(Tab. 3.9).
60 J. Weber und C. Hecht
Tab. 3.9 Kristallisationsdrücke einiger Salze in Abhängigkeit von der Temperatur und der Über-
sättigung der Lösung. (nach Weber 2000)
Viele Salze sind jedoch nicht nur in der Lage, ihr Volumen durch Kristallisation zu
vergrößern, sondern auch in der Lösung selbst zu verändern. In Abhängigkeit von der
Temperatur wird an die Moleküle Wasser angelagert, was ebenfalls zu einer Volumen-
zunahme führt. Man spricht hier von der Hydratation. Den bei der Volumenvergrößerung
entstehenden Druck nennt man Hydratationsdruck (Tab. 3.10).
Das physikalische Phänomen der Elektroosmose entdeckte Reus in Moskau 1809. Er hatte
zwei mit Wasser gefüllte Hohlelektroden in eine Bodenprobe gesteckt. Bei Anlegen eines
elektrischen Gleichstromes verringerte sich das Wasser in der Hohlelektrode der Anode
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung61
Tab. 3.10 Hydratationsdruck einiger Salze in Abhängigkeit von der Temperatur und der relativen
Luftfeuchte. (Weber 2000)
und stieg in dem Rohr der Kathode an. Daraus schlussfolgerte er, dass bei Berührung
zweier stofflich unterschiedlicher Medien an der Berührungsstelle eine elektrische Poten-
zialdifferenz entsteht. Durch Bildung einer Ladungsbelegung an den Grenzflächen entste-
hen zwei Ionenschalen (Weber 2000). Erst viel später wurde das Phänomen wissenschaft-
lich u. a. durch Perrin (1904), Helmholtz (1879) und Hittorf (1856) begründet.
Die elektrophysikalischen Gesetzmäßigkeiten der Elektrokinese gliedern sich in 4
Erscheinungsformen:
• die Elektrophorese (Bewegung von Partikeln unter Einfluss eines elektrischen Feldes
in Flüssigkeit),
• die Elektroosmose (Bewegung von Flüssigkeiten im elektrischen Feld),
• das Strömungspotenzial (zwischen den Enden eines von einer Flüssigkeit durchström-
ten porösen Festkörper entstehendes elektrisches Potenzial) und
• das Sedimentationspotenzial (entstehen einer elektrischen Potenzialdifferenz durch
Absenkung von Partikeln in einer Flüssigkeit).
Alle übrigen Erscheinungen bzw. Effekte wirken mit der Elektroosmose in unterschiedli-
cher Intensität gleichzeitig, sodass nie von einer Einzelwirkung der Osmose ausgegangen
werden kann. Die gegenseitige Beeinflussung der Erscheinungsformen und deren Auswir-
kungen auf die Mauerwerksentfeuchtung sind noch nicht wissenschaftlich befriedigend
aufgearbeitet (Abb. 3.18).
Wenn ein aufgeladenes Teilchen in einer ruhenden Flüssigkeit unter dem Einfluss
eines elektrischen Feldes wandert, handelt es sich um die elektrokinetischen Effekte der
62 J. Weber und C. Hecht
HOHNWUR
RVPRWLVFKH
6WHLJK|KH
±
5LFKWXQJ:DVVHU
WUDQVSRUW
IHLQN|UQLJH0DWHULDOLHQ
Elektrophorese. Die Richtung der Teilchenbewegung zur Anode oder Kathode hängt vom
jeweils umgekehrten Vorzeichen der Ladung ab (Abb. 3.19).
Wenn jedoch die feste Phase eines für Flüssigkeiten durchlässig porösen Körpers fixiert
ist, so wird die darin befindliche Flüssigkeit durch Anlegung eines elektrischen Feldes
gegenüber der festen Phase in Bewegung gesetzt. Dieser Effekt wird als Elektroosmose
bezeichnet und ist letztendlich nur durch das sich bewegende Medium von der Elektro-
phorese unterschiedlich (Abb. 3.20).
Wenn sich eine Flüssigkeit durch ein Kapillarsystem bewegt, wird zwischen Kapillar-
wand und Flüssigkeit eine elektrische Doppelschicht aufgebaut. Ein Teil der Ladung wird
durch den Wassertransport mitgerissen, sodass sich eine elektrische Potenzialdifferenz
ausbildet, die man als Strömungspotenzial bezeichnet. Dieses Strömungspotenzial tritt als
eine Umkehrung der elektroosmotischen Erscheinung auf.
Wesentlich ist, dass alle 4 Erscheinungsformen der Elektrokinese von der vorhandenen
elektrochemischen Doppelschicht zwischen Festkörperoberfläche und Flüssigkeit beein-
flusst werden. Von einer elektrischen Doppelschicht wird dann gesprochen, wenn an der
Phasengrenze zwischen zwei Medien (z. B. Porenwand und Flüssigkeit) eine Ladungs-
verteilung vorhanden ist, wobei zwei entgegengesetzt geladene Schichten von Ladungs-
trägern sich gegenüberstehen (Abb. 3.21).
Die elektrische Doppelschicht wird bis zum heutigen Tag in ihrer Struktur an Modellen
erklärt, die derzeit sicher keine allgemeingültige Übernahme der Theorie auf Baustoffe
zulassen. Das einfache und älteste Modell von Helmholtz (Venzmer 1991) aus dem Jahr
1879 geht davon aus, dass eine kontinuierliche Verringerung des elektrischen Potenzials
innerhalb der Grenzschicht in Bezug auf die Entfernung vorhanden ist. Die Potenziale im
Inneren der Flüssigkeit sind dann gleich.
Otto Stern vereinigte 1924 mit seinem Modell der Doppelschicht die Theorie von
Helmholtz mit den in dem Jahr 1910–1913 von Georges J. Gouy und David L. Capmann
erfolgten Weiterentwicklung.
Das Modell geht von zwei Schichten aus, die unterschiedlich beweglich sind. Die starre
Doppelschicht besteht aus der Ladung des festen Mediums (z. B. Porenwand) selbst und
der Ladung der unmittelbar fest am festen Medium haftenden Schicht der Flüssigkeit.
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung63
$RQGH .DWRGH
+ Anode - Katode
x x
64 J. Weber und C. Hecht
.DSLOODUZDQG
[ [
D VWDUUH+HOPKROW]VFKLFKW
D E E D E GLIXVVH6FKLFKW
Die zweite Schicht, welche als diffuse Doppelschicht bezeichnet wird, ist letztendlich die
Ladungsverteilung in der beweglichen Flüssigkeit unter Bezug der Entfernung zum festen
Medium.
Zwischen dem beweglichen und dem festem Teil der elektrischen Doppelschicht bildet
sich dann ein elektrisches Potenzial in der Gleitebene zweier Phasen aus, wenn diese
Schichten sich gegeneinander bewegen. Dieses Potenzial wird als Zeta-Potenzial bezeich-
net und ist messbar. Es bestimmt bzw. beeinflusst die Richtung und Stärke des Wasser-
transportes in der Kapillare. Weiterhin ist es für die Stabilität kolloider Systeme von erheb-
licher Bedeutung (Abb. 3.22).
Allerdings ist das Potenzial aufgrund der umfangreichen Einflüsse, wie Porosität, Per-
meabilität, Ionenart und Ionenkonzentration usw., in porösen Systemen bei bestimmten
Umgebungsbedingungen auf theoretischem Wege nicht zu ermitteln.
Insofern kann das Zeta-Potenzial nicht für zweifelsfreie Vorhersagen bezüglich zu
erwartender elektroosmotischer Massentransporte beigezogen werden. Es ist allerdings in
allen Transportprozessen eine entscheidende Größe.
Bei den Potenzialen am feuchten Mauerwerk sind die Elektrodenpotenziale und die
Diffusionspotenziale zu beachten. Das Potenzial ist die Fähigkeit eines konservativen
Kraftfeldes, eine Arbeit zu verrichten. Es beschreibt die Wirkung des Feldes auf Massen
und Ladungen unabhängig von diesem selbst.
Das Elektrodenpotenzial ist die Spannung der Elektrode, die gegenüber einer Referenz-
elektrode gemessen wird. Die Spannung U ist gleich der Potenzialdifferenz ΔE aus den
Potenzialen E1 und E2 der jeweiligen Elektroden:
U = ∆E = E2 − E1
3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung65
In der Praxis werden oft Messungen an feuchtem Mauerwerk durchgeführt, indem eine
Elektrode in einer bestimmten Wandhöhe und die zweite Elektrode ins Erdreich oder in
einer lotrecht geringeren Höhe anlegt wird. Dabei werden häufig positive Potenziale von
einigen hundert Millivolt gemessen (Wittmann 1981). Mit diesem gemessenen Poten-
zialunterschied kann kein Rückschluss auf den Feuchtegehalt des Mauerwerkes gezogen
werden. Das Elektrodenpotenzial ist unter anderem von
• dem Elektrodenmaterial,
• der Ionenkonzentration in der Porenflüssigkeit,
• dem unterschiedlichen pH-Wert des Porenwassers,
• der Sauerstoffzufuhr,
• dem Licht und
• der Windgeschwindigkeit an der Bauteiloberfläche
abhängig (Wittmann 1981). Insofern kann zwar festgestellt werden, ob ein Potenzial
positiv oder negativ in einem bestimmten Abstand der Elektroden am Mauerwerk ist, aber
allgemeinverbindlich dezidierte Aussagen über den elektrophysikalischen Zustand des
Mauerwerkes können durch solche Messungen nicht erfolgen.
Unter einem Diffusionspotenzial wird der Potenzialsprung (Differenz der inneren elek-
trischen Potenziale), der an der Phasengrenze (Membran) von zwei unterschiedlichen
Elektrolytlösungen auftritt, verstanden. In einem porösen Baustoff liegt eine Vielzahl von
gelösten Ionen vor, welche unterschiedliche charakteristische Diffusionsgeschwindig-
keiten aufweisen. Wenn zwei Flüssigkeiten in unterschiedlicher Ionenkonzentration, aber
mit gleichen Diffusionsgeschwindigkeiten der Ionen in Kontakt stehen, so entsteht kein
Potenzial, obwohl ein Ausgleich der Ionenkonzentration angestrebt wird. Wenn jedoch
zwei Flüssigkeiten in unterschiedlicher Ionenkonzentration und mit unterschiedlichen
Diffusionsgeschwindigkeiten der einzelnen Ionen in Kontakt stehen, so ergibt sich ein
Potenzial aus der Ladungstrennung zwischen den „schnellen“ und den „langsameren“
Ionen. Der zweite Fall ist baupraktisch hauptsächlich vorhanden.
Beispielhaft sind Ca++- und OH-Ionen benannt. Die beweglichen OH-Ionen haben eine
höhere Diffusionsgeschwindigkeit gegenüber den Ca++-Ionen. Sie eilen im Diffusionsvor-
gang den Ca++-Ionen voraus. Die zurückgebliebenen positiven Ca++-Ionen verursachen
dann eine Ladungstrennung, die als Potenzialunterschied gemessen werden kann. Der ent-
standene Potenzialunterschied bremst die OH-Ionen, was zum Stillstand der Ladungstren-
nung führt. Ein Gleichgewicht des Diffusionspotenzials stellt sich ein (Wittmann 1981).
Über die baupraktische Anwendung am Objekt wird immer wieder kontrovers dis-
kutiert. Am ausführlichsten wird die Anwendbarkeit zusammengefasst und analysiert
in(Schneider und Waubke 2008). Darin heißt es u. a.: „Zusammenfassend und basierend
auf den … vorgestellten Untersuchungsergebnissen … wird festgestellt, dass Mauertro-
ckenlegungen, welche sich ausschließlich des elektrokinetischen Feuchtetransporteffektes
bedienen, unter gewissen Bedingungen (Baustoffkombinationen, Feuchte- und Salzgehalt
66 J. Weber und C. Hecht
3.9 Kontaktwinkel
Der Winkel zwischen einer Flüssigkeitsoberfläche und dem Umriss der Kontaktfläche bei
einer Grenzfläche zwischen einem Feststoff und einer Flüssigkeit wird als Kontaktwin-
kel (θ) bezeichnet.
Im Jahr 1805 wurde bereits durch Thomas Young der Kontaktwinkel (θ), als ein Winkel
von gasumgebenden Flüssigkeiten auf einer festen Oberfläche als Winkel an der Phasen-
grenze der gasförmigen, flüssigen und festen Phase, definiert (Harten 2014):
γ SG = γ SL + γ LG * cos θ
Die Berechnung des Kontaktwinkels erfolgt mit der Youngschen Gleichung (Harten 2014):
• freier spezifischer Oberflächenenergie (σS) eines ebenen Festkörpers zum umgebenden Gas
• der spezifischen Grenzenergie (σLS) zwischen dem Festkörper und einem darauf befind-
lichen Tropfen einer Flüssigkeit
• der Oberflächenspannung (σLG)der Flüssigkeit zum umgebenden Gas
• dem Kontaktwinkel (θ) zwischen beiden.
Der Kontaktwinkel nach der Youngsche Gleichung kann allerdings nur für glatte und
ebene Oberflächen gelten, da die topografischen Eigenschaften (Oberflächenrauheit
der Feststoffe) nicht berücksichtigt sind. Weiter Einflüsse sind von Wenzel, Cassie und
Baxter untersucht worden. Die entsprechend gemessenen Kontaktwinkel werden daher als
Wenzel- bzw. Cassie-Baxter-Winkel bezeichnet und sind nicht gleichbedeutend mit dem
Youngschen Kontaktwinkel (Köber 2018).
Bild A: Grenzfälle der Benetzung: (a) =>homogen nach Wenzel, (b) =>heterogen nach Cassie.
(Quelle: Dissertation Viel B., TU Darmstadt 2007)
Der Kontaktwinkel kann wie folgt u.a. bestimmt werden (Köber 2018):
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3 Grundlagen in der Bauwerksabdichtung69
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Geotechnische Grundlagen
4
Peter Neundorf
4.1 Vorbemerkungen
P. Neundorf (*)
Leipzig, Deutschland
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 71
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_4
72 P. Neundorf
Alle Gesteine der Erde befinden sich in einem Kreislauf und sind in zumeist sehr langsam
über Jahrtausende und Jahrmillionen verlaufenden Prozessen ständigen Umwandlungen
unterworfen.
Ausgangspunkt des Kreislaufes sind Festgesteine die aus erstarrtem Magma entstehen
und über vulkanische oder tektonische Prozesse an die Erdoberfläche gelangen. Dort sind
sie der Verwitterung (Erosion) ausgesetzt und werden insbesondere durch Wasser- und
Frosteinwirkung sowie Temperaturschwankungen zerkleinert.
Die von dem Festgestein abgelösten Teile werden durch Wind und Wasser abgetra-
gen und unter weiterer Zerstörung abtransportiert. Es entstehen Lockergesteine mit ver-
schiedener Größe der einzelnen Körner. Sie lagern sich letztendlich in Flüssen, Seen und
Ozeanen oder auf dem Festland ab (Akkumulation) und können dort unter Einwirkung
von hohem Druck und hohen Temperaturen (Metamorphose) oder durch Bindemittel
(z. B. Kalk) bzw. Entwässerung (Diagenese) verfestigt werden.
Die metamorphen und Sedimentgesteine steigen durch tektonische Vorgänge entweder
wieder zur Erdoberfläche auf, wo sie wieder der Erosion ausgesetzt sind oder sinken ab
und werden im Magma aufgeschmolzen (Abb. 4.1).
Die unterschiedliche Entstehung von Fest- und Lockergesteinen sowie die variierende
mineralogische Zusammensetzung bedingen unterschiedliche mechanische Eigenschaf-
ten, die entscheidenden Einfluss auf das Verhalten gegenüber Wasser besitzen.
Der Baugrund, der alle in den Untergrund einbindenden Bauteile berührt, besteht aus fol-
genden drei Phasen:
Je nach Zusammensetzung der Feststoffphase und der Verfügbarkeit von Wasser für die
Füllung der Poren, kann die prozentuale Verteilung der Phasen variieren. Die entschei-
dende Größe hierzu ist der durch den Feststoffanteil zur Verfügung gestellte Porenraum,
der insbesondere durch die Korngrößenverteilung und den Verdichtungsgrad des Fest-
stoffes bestimmt wird. Diese Poren werden durch die flüssige und gasförmige Phase mit
wechselndem Anteil ausgefüllt.
Der Porenraum kann hierbei zwischen wenigen Volumen-% (z. B. bei einem kompak-
ten, kaum klüftigen Fels) und mehr als 30 Volumen-% (z. B. bei grobkörnigen Geröllen,
einkörnigen Kiesen und Ton) betragen.
Während die gasförmige Phase des Baugrundes für die Auswahl und Herstellung von
Abdichtungen nur eine untergeordnete Rolle spielt, ist die Beschaffenheit der festen und
flüssige Phase von essenzieller Bedeutung. Der für das Wasser zur Verfügung stehende
Porenraum sowie die Möglichkeit der Bewegung des Wassers innerhalb des Bodens sind
die Hauptkriterien für die Art des Wasserangriffes auf Bauteile und somit zur richtigen
Bemessung von Abdichtungen.
Der Baugrund im Bereich von Baukörpern kann aus Festgestein oder Lockergestein
bestehen (siehe Gesteinskreislauf Abschn. 4.2.1).
In Festgesteinen wird die Möglichkeit der Wasserführung durch das Vorhandensein von
Rissen und Spalten (Klüftigkeit) sowie die Permeabilität (Durchlässigkeit des Gesteins
selbst) bestimmt.
74 P. Neundorf
Die Klüftigkeit von Festgesteinen wird durch tektonische Vorgänge, durch Tempera-
turbeanspruchung sowie durch Wasser in Verbindung mit Frost-Tau-Wechseln erzeugt.
Durch diese Klüfte kann Wasser mehr oder weniger ungehindert fließen. Bei geringer
Fließgeschwindigkeit können sich Klüfte mit Sedimenten oder auskristallisierten Minera-
len füllen und wieder schließen.
Die Permeabilität des Gesteins selbst ist von der Zusammensetzung und Entstehung
abhängig. Während magmatische Gesteine (z. B. Granit) praktisch keinen Wasserfluss
zulassen, sind Sedimente (z. B. Sandstein) oder pyroklastisch entstandene Vulkanite (z. B.
Bimsstein) porös und lassen einen Wasserdurchgang in unterschiedlichem Umfang zu.
Die Eigenschaften von Lockergesteinen bezüglich der Wasserführung (Wasserdurch-
lässigkeit kf) werden in entscheidendem Maß durch den nutzbaren Porenraum bestimmt.
Maßgebend für diese Größe sind die Korngröße, die Kornabstufung, die Lagerungsdichte
und die mineralische Zusammensetzung der Lockergesteine.
Viele Tonminerale sind schichtenartig aufgebaut und besitzen zwischen diesen Schich-
ten Räume für die Aufnahme von Wasser. Aufgrund der sehr geringen Dicke dieser Schich-
ten (0,2–2 nm) wird das Wasser hier durch kapillare Kräfte gebunden, sodass diese Poren
nicht für den Wassertransport innerhalb des Bodens zur Verfügung stehen.
Bei Böden mit sehr unterschiedlichen Korngrößen (weit abgestufte Böden) werden
die Poren der größeren Kornfraktionen jeweils durch Körner mit kleinerem Durchmesser
gefüllt. Der Porenraum wird hier somit verkleinert. Insbesondere bei zusätzlicher Verdich-
tung des Bodens durch Auflast bzw. Verdichtungsgeräte nimmt der nutzbare Porenraum
und somit die Wasserdurchlässigkeit ab. Kapillare Kräfte und adhäsive Kräfte sowie abge-
schlossene Poren verringern den nutzbare Porenraum im Vergleich zum Gesamtporenraum.
Allgemein gilt:
Der nutzbare Porenraum und die Wasserdurchlässigkeit steigen an:
Nach DIN EN ISO 14688-1 werden hinsichtlich der Kornverteilung folgende reine Boden-
arten unterschieden (Abb. 4.2, Tab. 4.1 und 4.2):
In den meisten Fällen kommen die Bodenarten nicht in reiner Form, sondern aufgrund
ihrer geologischen Entstehung in Mischungen der einzelnen Kornfraktionen vor. Beispiele
hierfür sind Löß, Geschiebelehm, Geschiebesande und Flusskiese (Abb. 4.3 und Tab. 4.3).
Der Wasserdurchlässigkeitsbeiwert kf gibt an, welchen Widerstand der Boden der Bewe-
gung des Wasser unter Einfluss der Schwerkraft entgegensetzt. Er bestimmt demnach die
Geschwindigkeit, mit der sich Wasser im Boden bewegt. Grundlage hierfür ist das Dar-
cy’sche Gesetz:
v=k*i
4 Geotechnische Grundlagen75
v . . . Filtergeschwindigkeit in m/s
k . . . Durchlässigkeitsbeiwert in m/s
i . . . hydraulisches Gefälle i = h/l
h . . . hydraulische Druckhöhe in m
l . . . Länge der Sickerstrecke in m (Abb. 4.4)
Tab. 4.1 Einteilung der Böden nach Korngrößen. (Nach DIN EN ISO 14688-1 2003)
Tab. 4.3 Wasserdurchlässig-
Bodenart Wasserdurchlässigkeitsbeiwert k [m/s]
keiten ausgewählter gemischte
Bodenarten (Anhaltswerte) Löß 10−6–10−7
Geschiebelehm 10−6–10−9
Geschiebesand 10−4–10−6
Flusskies 10−2–10−4
Abb. 4.4 Strömungsvorgang
innerhalb einer Bodenprobe.
(Entnommen aus DIN 18130
(1998))
Die gesamte Wassermenge auf der Erde beträgt nach Schätzungen ungefähr 1,4 Milliar-
den Kubikkilometer. Rund 97 % davon befinden sich als Salzwasser in den Weltmeeren.
Durch Verdunstung (Evaporation) geht das Wasser in den gasförmigen Zustand über
und wird in der Atmosphäre transportiert, wo es zu Wolken kondensiert. Sowohl über dem
Meer als auch über dem Festland kommt es zu Niederschlägen, weil die maximale Was-
sersättigung der Luft infolge Abkühlung überschritten wird.
Der auf dem Festland fallende Niederschlag wird teilweise als Schnee oder Eis „zwi-
schengespeichert“. Der flüssige Anteil des Niederschlages versickert im Boden oder fließt
oberirdisch über Seen, Bäche und Flüsse zurück in die Meere.
Das im Untergrund versickernde Wasser steht hier den Pflanzen zur Verfügung bzw.
wird von der Erdoberfläche aus verdunstet (Evapotranspiration). Der Rest wird als Boden-
feuchte im Untergrund gespeichert oder fließt als Grundwasser Vorflutern (Seen, Bäche,
Flüsse, etc.) zu, durch die es ebenfalls zurück in die Meere gelangt. Damit ist der natür-
liche Wasserkreislauf geschlossen.
In diesen natürlichen Kreislauf greift der Mensch in teilweise deutlichem Umfang ein.
Durch Flächenversiegelung wird die Versickerung lokal eingeschränkt, was zu einem
erhöhten Oberflächenabfluss und einem lokalen Absinken des Grundwassers führt. Glei-
ches gilt für die Entnahme von Grundwasser für Trink- und Brauchwasserzwecke (z. B.
Kühlwasser) sowie im Bereich von Rohstoffgewinnungsstätten (weiträumige Grundwas-
serabsenkung im Bereich von Tagebauen).
Eine lokale Erhöhung der Grundwasserstände ist bei Entsiegelung ehemals befestigter
Flächen bzw. in Folge der konzentrierten Versickerung von Niederschlägen bzw. gereinig-
ter Abwässer zu erwarten (Abb. 4.5).
4.3.2 Wasserarten
Entsprechend der Entstehung und des Auftretens sind verschiedene Wasserarten zu unter-
scheiden, die auf Baukörper einwirken können.
4.3.2.1 Niederschlagswasser
Durch Niederschlagswasser werden insbesondere die oberirdischen Teile von Bauwerken
beansprucht. Alle Bauteile, die sich in ungeschützter Lage befinden, werden durch die
Niederschläge erreicht und sind von Durchfeuchtung bedroht. Die Gefährdung nimmt zu,
je weiter die Neigung der Flächen von der Vertikalen abweicht. Auf horizontalen Flächen
und insbesondere im Bereich von Senken kann sich das Wasser aufstauen und hydro-
statischen Druck ausüben. Dies kann beispielsweise bei Flachdächern, Balkonen oder an
Gebäudeaußenwänden bei Auftreten eines Geländegefälles zum Gebäude vorkommen.
4 Geotechnische Grundlagen79
Bei freiem Abfluss bzw. rückstaufreier Ableitung des Niederschlagswassers von den
Gebäudeteilen ist kein hydrostatischer Druck zu erwarten.
Zum Niederschlagswasser kann aufgrund seiner Entstehung auch Spritzwasser an verti-
kalen Bauteilen in Nähe von angrenzenden horizontalen Flächen gezählt werden.
Die Menge der anfallenden Niederschläge ist regional unterschiedlich. Genauere
Angaben hierzu werden durch die staatlichen Wetterdienste (z. B. Deutscher Wetter-
dienst) aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Für die Bemessung der erforderlichen
Entwässerungsanlagen stehen weiterhin die durch den Deutschen Wetterdienst erarbeite-
ten „KOordinierten STarkniederschlags-Regionalisierungs-Auswertungen“ (KOSTRA-
DWD 2010) zur Verfügung.
4.3.2.2 Oberflächenwasser
Unter Oberflächenwasser sind alle Wasserarten zu verstehen, die in Oberflächengewässern
fließen oder sich an der Geländeoberfläche einstauen. Hierzu zählen neben den natürlichen
Gewässern (Bäche, Flüsse, Teiche, Seen, Meere) auch künstliche Gewässer (Tagebaurest-
löcher, Baggerseen, Entwässerungsgräben, etc.) sowie technische Anlagen, die nur zeit-
weise von Wasser überdeckt werden (offene Regenrückhaltebecken, Versickerungsmul-
den, Hochwasserpolder, etc.).
Weiterhin können sich Oberflächenwasser bilden, wenn Starkniederschläge durch den
Untergrund nicht schnell genug aufgenommen werden können, sodass sich an der Gelän-
deoberkante eine freie Wasseroberfläche ausbildet.
Oberflächenwasser in Gewässern können mit dem Grundwasser in direkter Verbin-
dung stehen. Der Grundwasserstand kann hierbei oberhalb des Oberflächenwassers
liegen (effluente Verhältnisse). Das Oberflächenwasser fungiert dann als Vorfluter für das
Grundwasser.
80 P. Neundorf
4.3.2.3 Bodenfeuchte/Haftwasser/Kapillarwasser
Unter Bodenfeuchte und Haftwasser versteht man das Wasser, dass infolge Adsorption an
den Bodenpartikeln angelagert ist und gegen die Schwerkraft gehalten wird.
4 Geotechnische Grundlagen81
Weiterhin zählt hierzu kapillar aufsteigendes Wasser, dass durch die kapillare Wirkung
der Bodenporen aus dem Grundwasser aufsteigt und somit oberhalb der Druckfläche des
Grundwassers liegt.
Je nach Durchmesser der Poren variiert die kapillare Spannung (Unterdruckwirkung
auf die Grundwasseroberfläche). Die Zone unmittelbar oberhalb des Grundwasserspie-
gels, in der alle Poren durch kapillare Kräfte wassererfüllt sind, nennt man geschlossenen
Kapillarsaum. Oberhalb des geschlossenen Kapillarsaumes reicht die kapillare Spannung
bei den größeren Poren nicht mehr aus, das Wasser weiter ansteigen zu lassen. In diesem
Bereich sind neben den kleineren, wassergefüllten Poren auch größere Poren, ohne Was-
serfüllung vorhanden. Es ergibt sich hier ein teilgesättigter Bereich, der als offener Kapil-
larsaum bezeichnet wird (Abb. 4.7).
Da das Wasser adhäsiv an die Bodenpartikel gebunden ist bzw. in Kapillaren über
Kapillarkräfte gehalten wird, übt es keinen hydrostatischen Druck auf Baukörper aus.
4.3.2.4 Sickerwasser
Sickerwasser entstehen, sobald Niederschlagswasser oder Oberflächenwasser in die Poren
des Bodens eindringt und unter Einfluss der Gravitation im Allgemeinen vertikal den
Untergrund durchfließt. Eine weitere Quelle für die Entstehung von Sickerwasser können
Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser oder Brauchwasser (gereinigtes
Abwasser, Kühlwasser, etc.) sein.
Sofern der durchflossene Boden eine relativ grobe, gut wasserdurchlässige Struktur
besitzt, kann diese vertikale Fließbewegung ungehindert erfolgen. Die Poren werden bis zu
einer wassergesättigten Schicht (Grundwasserleiter) durchflossen und über einen gewissen
Zeitraum teilweise oder sogar vollständig gefüllt. Nach Beendigung des Wasserzutrittes
82 P. Neundorf
von der Oberfläche sickert das Wasser vertikal aus der Bodenschicht. Es verbleibt lediglich
das an den Körnern adhäsiv gebundene Wasser (Bodenfeuchte/Haftwasser) in den Poren.
Aufgrund der Möglichkeit des relativ ungehinderten Abflusses des Sickerwassers in den
weiteren Untergrund übt es in diesem Fall keinen hydrostatischen Druck auf Baukörper
aus. Es wird als nichtstauendes Sickerwasser bezeichnet.
Der Grenzwert der Wasserdurchlässigkeit des Bodens für den relativ ungehinderten
Abfluss des Sickerwassers liegt bei einem Wert von k = 1 × 10−4 m/s. In Böden mit einem
größeren Wasserdurchlässigkeitsbeiwert entsteht somit bei freiem vertikalen Abfluss des
Wasser „nichtstauendes Sickerwasser“.
Trifft das Wasser auf eine Bodenschicht, die einen geringeren Wasserdurchlässigkeits-
beiwert besitzt (k ≤ 1 × 10−4 m/s) wird der freie Abfluss in vertikaler Richtung behindert.
Es kommt zu einem Aufstauen des Wassers in den Poren und zu deren Wassersättigung.
Auf dem gering durchlässigen Boden bildet sich eine wassergesättigte Bodenschicht aus,
die als „Stauwasser“ oder „schwebendes Grundwasser“ bezeichnet wird.
Die Mächtigkeit dieser wassergefüllten Schicht und die Dauer des Wassereinstaus hängt
von folgenden Faktoren ab:
Die Bildung wassererfüllter Schichten durch die Behinderung des freien vertikalen Abflus-
ses von Sickerwasser wird als „aufstauendes Sickerwasser“ oder „Stauwasser“ bezeich-
net. Letztendlich entsteht durch das Aufstauen des Sickerwassers ein Grundwasser, dass
jedoch nur zeitlich begrenzt vorhanden ist.
Treten aufstauende Sickerwasser im Bereich von Baukörpern auf, üben sie auf diese
einen hydrostatischen Druck aus.
4.3.2.5 Grundwasser
Unter Grundwasser versteht man einen zusammenhängenden unterirdischen Wasserkör-
per, der dauerhaft auf einer relativ undurchlässigen Schicht die darüber befindliche Boden-
zone ausfüllt. Als relativ undurchlässige Schichten können hierbei gering wasserdurchläs-
sige Lockergesteine (z. B. Ton) oder Festgesteine (Fels) fungieren.
Der weitere vertikale Abfluss wird durch diese stauenden Schichten verhindert und
es stellt sich eine dauerhafte Wasserfüllung der über der stauenden Schicht befindlichen
Böden bzw. Klüfte im Fels ein. Die Wasserbewegung (Grundwasserströmung) findet über-
wiegend in horizontaler Richtung infolge der Schwerkraft (Grundwassergefälle) statt.
Infolge des Wechsels von wasserdurchlässigen und wasserstauenden Schichten kann
es zur Entstehung mehrerer übereinander liegender Grundwasserschichten (Grundwasser-
stockwerke) kommen.
Die Oberfläche der gesättigten Zone wird als freier Grundwasserspiegel oder piezome-
trischer Druckspiegel bezeichnet.
4 Geotechnische Grundlagen83
Abb. 4.9 Schichtenwasser
4.3.3 Bemessungswasserstand
Das Ziel jeder Bauwerksabdichtung ist der Schutz des jeweiligen Baukörpers gegen die
schädlichen Einwirkungen des angreifenden Wassers. Zur Dimensionierung der Abdich-
tung werden in der DIN 18533-1 entsprechend der Größe des zu erwartenden hydrostati-
schen Druckes auf das Bauteil Wassereinwirkungsklassen festgelegt.
Da sich bei allen Wasserarten, die einen hydrostatischen Druck auf die Außenhaut der
Baukörper bewirken, ein Wasserstand oberhalb der Baukörpersohle einstellt, ist für die
Bemessung der Abdichtung die Festlegung eines Bemessungswasserstandes für die rich-
tige Auswahl und Herstellung erforderlich.
Bemessungswasserstände sind somit für angreifendes Oberflächenwasser, aufstauendes
Sickerwasser, Schichtenwasser und Grundwasser festzulegen.
4 Geotechnische Grundlagen85
Da die Wasserstände der genannten Wasserarten keine konstante Höhe besitzen, sondern
im Verlauf der Zeit zum Teil erheblichen Schwankungen unterliegen, kommt der richti-
gen Festlegung des Bemessungswasserstandes eine entscheidende Bedeutung zu. Grund
hierfür ist, dass der Schutz des Bauwerkes nicht nur für allgemeine oder langfristig herr-
schende Wasserstände sondern auch für einen kurzzeitig stark erhöhten Wasserangriff
gewährleistet werden soll.
Bemessungsgrundwasserstand (HGW)
Vordergründig wird die Höhe des Grundwasserstandes von natürlichen Prozessen
bestimmt. Den Wasserstand erhöhend wirken hierbei beispielsweise die Versickerung von
Niederschlägen und Schmelzwasser sowie Rückstau von Oberflächenwasser insbesondere
resultierend aus wechselnden Wasserständen in Flüssen.
Ein Absinken des Wasserstandes wird z. B. durch anhaltende Trockenheit (Verduns-
tung) sowie den unterirdischen Abfluss des Grundwassers zu Vorflutern bewirkt.
Durch die genannten Vorgänge stellen sich witterungsbedingt unterschiedliche Grund-
wasserstände ein. Die Schwankungsbreite vom Minimum zum Maximum kann hierbei
mehrere Meter betragen (Abb. 4.10).
Insbesondere in unmittelbarer Nähe zu Flüssen können innerhalb kürzester Zeit die
Grundwasserstände sprunghaft ansteigen. Die Höhe des Anstieges und die Dauer der
erhöhten Wasserstände in den Flüssen hängt von mehreren natürlichen Faktoren wie z. B.
Größe des Flusseinzugsgebietes sowie Gefälle der Fließsohle und Breite des Flussbettes
(Vorhandensein von Retensionsräumen) ab.
Gleichartige Vorgänge sind auch in unmittelbarer Nähe zur Küste infolge von Gezeiten
und Sturmfluten zu beobachten.
Auch wenn eine direkte Überflutung der angrenzenden Geländebereiche durch Hoch-
wasserschutzmaßnahmen (Hochwasserschutzdeiche) verhindert wird, ist der Einfluss auf
das Grundwasser oftmals vorhanden.
Über wasserdurchlässige Schichten im Untergrund (Grundwasserleiter) beeinflussen
die wechselnden Wasserstände in den Oberflächengewässern auch den Grundwasserstand
auf der Landseite der Hochwasserschutzdeiche. Im Extremfall steigt das Grundwasser
auch landseitig der Deiche bis über die Geländeoberkante an. Derartige Vorgänge sind ins-
besondere in den Unterläufen der Flüsse zu beobachten, da hier die Dauer der Hochwas-
serereignisse aufgrund des geringeren Gefälles der Fließsohlen größer ist und die oftmals
86 P. Neundorf
Beispiele für wasserwirtschaftliche Faktoren sowie ihrer Dauerhaftigkeit sind in der fol-
genden Tab. 4.6 zusammengefasst.
Zur Festlegung des Bemessungswasserstandes ist die Recherche der Grundwasser-
daten über möglichst lange Zeiträume (vorzugsweise mehr als 30 Jahre) erforderlich. Als
Quellen hierzu dienen insbesondere Messdaten von Grundwassermessstellen, die durch
staatliche Stellen (Umweltfachbereiche, Landesämter für Geologie, teilweise auch über
deren Internetseiten) zur Verfügung gestellt werden.
Aufgrund der geringen Dichte der Messstellen können die Daten jedoch zumeist nur
Anhaltswerte für die in dem jeweiligen Untersuchungsstandort herrschenden Grundwas-
serverhältnisse liefern.
Eine Baugrunduntersuchung am konkreten Standort ist daher unerlässlich, sofern die
Messstellendaten nicht unmittelbar für den Standort zur Verfügung stehen.
Durch einen Sachverständigen für Geotechnik ist unter Berücksichtigung des angetrof-
fenen Grundwasserstandes am Standort und der gleichzeitig ermittelten Daten in einer
88 P. Neundorf
Bemessungshochwasserstand (HHW)
Für Oberflächengewässer liegen zumeist umfangreichere Aufzeichnungen vor. Bei den
zuständigen Behörden (Landesämter, Flussmeistereien, Wasser- und Schifffahrtsämter,
Untere Wasserbehörden, etc.) sind die charakteristischen Wasserstände verfügbar. Insbe-
sondere der Wert für das hundertjährige Hochwasser (HHW100) sollte hierbei als Maßstab
für die weitere Ermittlung des Bemessungs-Hochwasserstandes herangezogen werden.
Da stets mit Feuchte im Baugrund zu rechnen ist, ist bei allen zu schützenden erdberührten
Bauteilen eine Abdichtung vorzusehen.
Das im Untergrund vorhandene Wasser beansprucht Abdichtungen in unterschiedlicher
Weise. Die Angriffsarten des Wassers auf Abdichtungen werden in der DIN 18533-1 in
Form von Wassereinwirkungsklassen definiert und zugeordnet. Aus den Angriffsarten
ergeben sich dann die erforderlichen Abdichtungsarten, die zum Schutz der Baukörper
erforderlich sind. Die Anforderungen an die Abdichtungssysteme steigen hierbei mit dem
Druck, der durch das angreifende Wasser auf den Baukörper bzw. die Abdichtung aus-
geübt wird.
Werden Maßnahmen zur Abminderung des Wasserdruckes (z. B. Drainagen) ergriffen,
nimmt die Belastung der Abdichtung ab, sodass die Anforderungen zurückgehen. Die
Dauerhaftigkeit dieser druckmindernden Maßnahmen ist jedoch zu garantieren, um die
gewählte Abdichtungsart nicht zu überbeanspruchen.
90 P. Neundorf
Auch die Lage und Funktion des Bauteils bestimmt die Art der Abdichtung gegen
angreifendes Wasser. So werden neben den erdberührten Bauteilen in DIN 18533-1 wei-
terhin erdüberschüttete Decken und Wandsockel betrachtet.
Die einzelnen Wassereinwirkungsklassen, die Art der Einwirkung sowie die nach glei-
cher Norm erforderlichen Abdichtungsarten werden in der 18533-1, Tabelle 1 zusammen-
gefasst (Tab. 4.7).
Folgende Arten der Wassereinwirkung werden somit bezüglich der Auswahl des erfor-
derlichen Abdichtungssystems unterschieden:
Nr. 1 2 3 4
Klasse Art der Einwirkung Beschreibung Abdichtung
nach
1 W1-E Bodenfeuchte und 5.1.2.1 8.5
nichtdrückendes Wasser
2 W1.1-E Bodenfeuchte und nicht drückendes 5.1.2.2 8.5.1
Wasser bei Bodenplatten und
erdberührten Wänden
3 W1.2-E Bodenfeuchte und nichtdrückendes 5.1.2.3 8.5.1
Wasser bei Bodenplatten und
erdberührten Wänden mit Dränung
4 W2-E Drückendes Wasser 5.1.3.1 8.6
5 W2.1-E Mäßige Einwirkung von drükendem 5.1.3.2 8.6.1
Wasser ≤ 3 m Eintauchtiefe
6 W2.2-E Hohe Einwirkung von drükendem 5.1.3.3 8.6.2
Wasser > 3 m Eintauchtiefe
7 W3-E Nicht drükendes Wasser auf 5.1.4 8.7
erdüberschütteten Decken
8 W4-E Spritzwasser und Bodernfeuchte 5.1.5 8.8
am Wandsockel sowie
Kapillarwasser in und unter
Wänden
4 Geotechnische Grundlagen91
Wird das Aufstauen von Sickerwasser durch eine Drainage dauerhaft verhindert,
gilt, wie bereits bemerkt, die Wassereinwirkungsklasse W1.2-E – Bodenfeuchte und
92 P. Neundorf
nichtdrückendes Wasser bei Bodenplatten und Wänden mit Dränung. Grund- und Schich-
tenwasser darf nicht zur Abminderung der Wassereinwirkungsklasse gedränt werden.
Die folgenden schematischen Darstellungen zeigen die Randbedingungen für die ein-
zelnen Situationen der Wassereinwirkungsklasse W2-E.
4 Geotechnische Grundlagen93
• Bemessungswasserstand
• Möglichkeiten des Wasserzutrittes (Sickerwasserbildung, Schichten- und Oberflächen-
wasser)
4.5.1 Datenrecherche
Aus diesen Recherchen ergeben sich bereits für die Bemessung der Abdichtung rele-
vante Daten (z. B. Grundwasserstände aus Messstellen, Pegelstände angrenzender Gewäs-
ser). Sie dienen jedoch weiterhin insbesondere auch der Vorbereitung der Felduntersu-
chungen (z. B. Festlegung der Untersuchungsstellen und Aufschlusstiefen).
Im Zuge der Recherchen sind hauptsächlich folgende Fragestellungen zu klären
(Tab. 4.8):
Eine zumeist sehr nützliche Quelle insbesondere zu den örtlichen Gegebenheiten
stellt die Befragung von Anwohnern dar. Aus dieser Befragung resultieren oftmals kon-
krete Angaben zu Schadensbildern, Häufigkeiten des Wasserzutrittes und der Lage von
Leitungen.
4.5.2 Felduntersuchungen
Grundlage für die Untersuchung der Baugrund- und Grundwasserverhältnisse bildet die
DIN EN 1997-2 (2010) in Verbindung mit DIN 4020 (2010).
Durch die im Bereich des zu sanierenden Baukörpers durchzuführenden Felduntersu-
chungen sind die am Bauwerksstandort vorliegenden Baugrund- und Grundwasserverhält-
nisse zu untersuchen und zu dokumentieren. Zu beachten ist hierbei, dass bei der Sanie-
rung von Abdichtungen stets mit Störungen der ursprünglichen Baugrundverhältnisse zu
rechnen ist, die durch die Errichtung des Bauwerkes und die Verlegung der Erschließungs-
leitungen verursacht wurden.
Neben den bodenmechanischen Eigenschaften des „gewachsenen“ Untergrundes spielen
somit auch die Kennwerte der Arbeitsraumverfüllungen und Leitungsgräben eine Rolle.
Dies ist bei der Planung und Durchführung der Felduntersuchungen zu berücksichtigen.
Abweichend von Baugrunduntersuchungen für die Errichtung von Bauwerken tritt die
Fragestellung der Tragfähigkeit des Untergrundes bei der Sanierung von Abdichtungen in
4 Geotechnische Grundlagen99
den Hintergrund. Im Zuge der Untersuchungen sind hier insbesondere Daten zur Wasser-
durchlässigkeit der Böden und zu den Wasserwegsamkeiten und Grundwasserständen zu
gewinnen und aufzubereiten.
Für diese Aufgabe sind direkte Aufschlussverfahren wie Schürfe, Bohrungen oder
Kleinbohrungen einschließlich zugehöriger Probenahmen und Feldversuche am besten
geeignet. Die einzelnen Bohrverfahren einschließlich der erreichbaren Güteklasse der zu
gewinnenden Proben sind in der DIN EN ISO 22475-1– Geotechnische Erkundung und
Untersuchung – Probenentnahmeverfahren und Grundwassermessungen – (DIN EN ISO
22 475-1 2007) zusammengestellt.
Die Planung der Art, Anzahl, Lage und Tiefe der Aufschlüsse ist nach folgenden
Gesichtspunkten durchzuführen:
Die nach den genannten Vorschriften (DINEN 1997-2 2010/DIN 4020 2010) erforderli-
chen Rasterabstände und Tiefen direkter Aufschlüsse sind auf die Baugrunduntersuchung
für den Neubau von Hoch- und Industriebauten und somit auf die Gewährleistung einer
ausreichenden Tragfähigkeit für die Gründung der Bauwerke ausgerichtet.
Da infolge der gestörten Baugrundverhältnisse um bestehende Bauten mit einem relativ
abrupten Wechsel der Untergrundverhältnisse zu rechnen ist, kann eine deutliche Verklei-
nerung des Rasterabstandes der direkten Aufschlüsse erforderlich werden.
Für die Untersuchung der Baugrund- und Grundwasserverhältnisse zur Festlegung der
Wassereinwirkung bei der Sanierung von Bauwerken ist je nach vorhandener Datenlage
aus den Recherchen eine Untersuchungstiefe von ca. 3 bis 4 m unter Gründungssohle
zumeist ausreichend.
Bei der Planung der Aufschlüsse ist zu beachten, dass die verschiedenen Aufschluss-
arten unterschiedliche Möglichkeiten der Probenahme und der Durchführung von in-situ-
Versuchen bieten.
Für eine direkte Ermittlung von Wasserdurchlässigkeitswerten im Labor sind Proben
der Güteklasse 1 oder 2 nach DIN EN ISO 22475-1 (2007) erforderlich. Derartige Proben
sind nur aus Schürfen und speziellen maschinellen Bohrungen zu gewinnen. Für die indi-
rekte Ermittlung der Durchlässigkeitsbeiwerte über die Kornverteilung reichen Proben der
Güteklasse 4 aus, die auch aus Kleinbohrung zu gewinnen sind.
Die Planung der Aufschlüsse ist somit immer auch unter Berücksichtigung der weiteren
versuchstechnischen Ermittlung der Bodenkennwerte (insbesondere Wasserdurchlässig-
keitsbeiwerte) durchzuführen.
Eine Auswahl der Entscheidungskriterien zeigt die folgende Tab. 4.9:
100 P. Neundorf
Zur Festlegung der anzusetzenden Art der Wassereinwirkung bzw. der Drainagefähigkeit
eines Bodens ist der Wasserdurchlässigkeitsbeiwert k die entscheidende Größe. Dieser
hängt insbesondere vom nutzbaren Porenraum und somit von der Kornverteilung und der
Lagerungsdichte eines Bodens ab.
4 Geotechnische Grundlagen101
Bei beiden empirischen Verfahren ist der Korndurchmesser bei 10 % des Siebdurch-
ganges der Kornverteilungskurve (d10) Ausgangspunkt der Ermittlung.
Das Verfahren nach Hazen (1894) ist auf reine Sande mit einer Ungleichförmigkeits-
zahl von U < 5 (U = d60/d10) begrenzt. Der Wasserdurchlässigkeitsbeiwert errechnet sich
wie folgt:
k f = 0,00116 * d10 2
kf = Durchlässigkeitsbeiwert in m/s,
d10 = Korndurchmesser bei 10 % Siebdurchgang in mm
Die Lagerungsdichte des Materials und somit der nutzbare Porenraum werden bei dieser
Formel nicht berücksichtigt.
4 Geotechnische Grundlagen103
Bei der Berechnung nach Beyer (1964) ergibt sich der Wasserdurchlässigkeit zusätzlich
unter Berücksichtigung der Lagerungsdichte und der Ungleichförmigkeitszahl zu:
k f = c * d10 2
kf = Durchlässigkeitsbeiwert in m/s,
c = f (Lagerungsdichte, Ungleichförmigkeitszahl)
d10 = Korndurchmesser bei 10 % Siebdurchgang in mm (Abb. 4.23)
Da auch die labortechnischen Versuche stets nur die Eigenschaften an diskreten Probe
widerspiegeln, sind die Ergebnisse dieser Versuche ebenfalls kritisch zu beurteilen und
ihre Gültigkeitsbereiche abzugrenzen.
Es ist festzuhalten, dass direkte Versuche an ungestörten Bodenproben im Labor bzw. in
situ zu genaueren Ergebnissen führen, als die indirekte Ermittlung der Wasserdurchlässigkeit
104 P. Neundorf
über empirische Formeln. In den meisten Fällen führen die empirischen Berechnungen
jedoch bei kritischer Bewertung zu ausreichend genauen Kennwerten.
Neben der Beanspruchung durch Wasser kann ein chemischer Angriff Einfluss auf die
Herstellung und Dauerhaftigkeit der Abdichtungen besitzen. Je nach Art der Abdichtung
sind hierbei verschiedene natürlich im Untergrund vorhandene Stoffe oder als anthropo-
gen verursachte Verunreinigungen in der Lage die Abdichtungen zu beeinflussen.
Für die Untersuchung des Untergrundes hinsichtlich eines derartigen chemischen
Angriffs kann im Zuge der Felduntersuchungen eine Probenahme erfolgen. Auf eine ord-
nungsgemäße Konservierung der Proben ist hierbei aufgrund des mitunter flüchtigen Cha-
rakters der Schadstoffe besondere Aufmerksamkeit zu verwenden.
Je nach Art der geplanten Abdichtung sind unterschiedliche Schadstoffspektren relevant
für eine Gefährdung.
Ein Angriff auf Bitumenabdichtungen einschließlich PMBC-Materialien und Kunst-
stoff- und Elastomerbahnen ist insbesondere durch Lösungsmittel zu befürchten. Hier sind
besonders die Gruppen der einkernige Aromaten (Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylol) und
die leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe (LHKW) zu nennen.
Derartige Verunreinigungen können im Boden und Grundwasser als anthropogen
verursachte Altlasten auftreten. Quellen dieser Altlasten können z. B. Tankstellen oder
Treibstofflager (BTEX) bzw. chemische Reinigungen oder Industriestandorte mit Rei-
nigungs- oder Entfettungsbereichen (z. B. Stahlwerke, Maschinenbau, Fahrzeugwasch-
plätze) sein. Aufgrund lateraler Ausbreitung insbesondere mit dem Grundwasserstrom
4 Geotechnische Grundlagen105
müssen sich die Schadstoffquellen hierbei nicht in unmittelbarer Nähe zu den abzudich-
tenden Baukörpern befinden.
Infolge des teilweise sehr langfristig verlaufenden Abbaus dieser Schadstoffe kann trotz
längst abgeschlossenem Schadstoffeintrag ein Angriff auf die genannten Abdichtungen
erfolgen.
Im Zuge der Recherchen z. B. in den amtlichen Altlastenkatastern kann der Verdacht
bzw. das Vorhandensein derartiger Schadstoffe oftmals erkannt werden. Eine Probenahme
und chemische Untersuchung kann im Vorlauf der Bauwerkssanierung den Schadstoff-
angriff nachweisen bzw. ausschließen.
Auch zementbasierende Abdichtungen wie Schleierinjektionen und wasserdichte
Betone können chemischen Angriffen ausgesetzt sein. Die angreifenden betonschädlichen
Substanzen können hierbei den Abbindeprozess und somit die Herstellung der Abdichtun-
gen behindern oder über die langfristige Einwirkung die Dauerhaftigkeit der Abdichtungs-
materialien beeinträchtigen.
Als zementaggressive Verbindungen sind insbesondere Sulfate und Chloride sowie
kalklösende Kohlensäure und Ammonium zu nennen. Diese Verbindungen können als
natürliche (geogen bedingte) Inhaltsstoffe im Untergrund vorliegen oder durch mensch-
liche Tätigkeit (z. B. als Tausalze) in den Bereich der Abdichtungen gelangen.
Im Allgemeinen ist auch das Vorhandensein eines sauren Milieus (pH-Werte kleiner als
6,5) als betonangreifend zu charakterisieren. Neben einer geogen bedingt sauren Reaktion
des Untergrundes z. B. durch Sulfate und Huminsäuren kann auch ein künstlich erzeugter
Säureangriff (z. B. durch versickernde Fäkalien aus Leitungsleckagen) vorliegen.
Da betonangreifende Stoffe im Untergrund und Grundwasser zumeist organoleptisch
kaum erkennbar sind, ist bei der Planung von zementbasierenden Abdichtungen die
Ermittlung der Betonaggressivität obligatorisch.
von Grundwasser oder durch das Schwinden bindiger Böden bei Entwässerung sind auch
hier nachträgliche Setzungen möglich.
Die Wahl des Abdichtungssystems ist hinsichtlich seiner Flexibilität und Belastbarkeit
auf diese statischen Veränderungen abzustimmen.
Literatur
5.1 Vorbemerkungen
Auf eine Bauwerk wirkt in unterschiedlicher Intensität Wasser ein. Je besser ein Bauwerk
vor dieser Schadquelle geschützt wird, umso länger bleibt es ohne Schaden und kann ohne
Einschränkung genutzt werden (Abb. 5.1 und 5.2).
Der Erfolg oder Misserfolg der Bausanierung ist im Wesentlichen von einer ausrei-
chend sensiblen und durch Fachkenntnis gekennzeichneten Planung abhängig. Der Spagat
zwischen einer vom Bauherren gewünschten kostengünstigen Planung und der Ausarbei-
tung eines fachlich fundierten Sanierungskonzeptes wird immer wieder in Folge des Kos-
tendruckes „ausgereizt“. Durch falsch verstandene Kosteneinsparungen werden Fehler in
der Planung von Abdichtungsarbeiten an Bestandsbauten vorgenommen, die sich in der
Ausführung selbst, aber auch im Nutzungszeitraum nur noch durch erhebliche Kosten-
und Zeitaufwendungen wieder revidieren lassen. Die Verhältnisse im letzten Bauscha-
densbericht der Bundesregierung weisen eindeutig auf diesen Umstand hin.
Um den Bauherren eine fundierte Entscheidungshilfe und dem Bauausführenden eine
fachlich vollständige Vorgabe unterbreiten zu können, ist eine qualitativ ausgereifte
Bestandsuntersuchung und Mauerwerksdiagnostik entscheidend. Daher werden in den
Veröffentlichungen von WTA-Publikationen und in den WTA-Merkblättern grundsätzlich
Bestandsuntersuchungen vorgeschrieben.
Als alleinige Grundlage der Planung von Abdichtungsarbeiten kann keine DIN- Norm
herangezogen werden. Es gibt keine allgemeinverbindliche Norm für die Bauwerks-
analyse und schon gar nicht für die Mauerwerksdiagnostik. Der Normenausschuss vom
J. Weber (*)
Leipzig, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 107
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_5
108 J. Weber
DIN plant eine Norm über Bauwerksabdichtungen im Bestand in den nächsten Jahren
zu erstellen. Ob und in welchem Umfang dann Planungshinweise berücksichtigt werden,
bleibt abzuwarten. Im Gegensatz zu Deutschland besitzt Österreich eine Önorm (2017) in
welcher grundsätzliche Planungsabläufe vorgegeben werden.
Gerade bei der Planung von nachträglichen Abdichtungen von erdberührten Bautei-
len ist konsequenterweise eine Voruntersuchung der örtlichen Gegebenheiten allgemein
anerkannte Regel der Technik. Ziel der Untersuchung ist die zwingende Notwendigkeit,
die möglichen Abdichtungsverfahren und erfolgsversprechenden Abdichtungsstoffe bei
dem abzudichtenden Bauteil optimal festzulegen.
Wenn man zum Beispiel sich für die Anwendung eines Injektionsverfahren entschei-
det, sind das jeweilige Injektionsmittel und die jeweiligen Technologien (ohne oder mit
Druck; Impulsverfahren, Cremetechnologie) auf den Einzelfall abzustimmen, um damit
5 Bestandsanalyse und Mauerwerksdiagnostik109
1LHGHUVFKODJ
:DVVHUGDPSI
6FKODJUHJHQ
:DVVHUGDPSI
7DXZDVVHUDQ QLFKW
%DXWHLOREHUIOlFKH GUFNHQGHV
:DVVHU
7DXZDVVHULP
%DXWHLOLQQHUHQ
6SULW]ZDVVHU
6LFNHUZDVVHU
2EHUIOlFKHQZDVVHU
GUFNHQGHV
6WDXZDVVHU :DVVHU
Jedes Bestandsobjekt ist ein Unikat nicht nur in der architektonischen Gestaltung, sondern
auch in seiner Geschichte, seinen Baustoffen und seiner Bauweise. Um die notwendigen
physikalischen und chemischen Untersuchungen zur Vorbereitung auf das festzulegende
Sanierungskonzept wirtschaftlich in Art und Umfang bestimmen zu können, muss ein all-
gemeiner Überblick über das Gebäude und die Umgebung gewonnen werden.
8QWHUVXFKXQJHQ LPXQGDP%DXZHUNEH]JOLFK6WDWLNYRUKDQGHQH
.RQVWUXNWLRQHQ XQG GHUHQ EDXVWRIIVSH]LILVFKHQ VRZLH
EDXSK\VLNDOLVFKH 'DWHQ 0DXHUZHUNVGLDJQRVH
,QVWDQGVHW]XQJV XQG6DQLHUXQJVSODQ)HVWOHJXQJGHU7HFKQRORJLHQ
XQG]XYHUZHQGHQGH0DWHULDOLHQ
Damit der Planer ein „Gefühl“ für das zu sanierende Objekt bekommt und gleichzeitig die
ersten Schadensbilder erkennt, kann eine allseitige Betrachtung der Fassaden des Objektes
hilfreich sein (Abb. 5.3).
Die Beschaffung der objektrelevanten Dokumente vom Bauherren und der Bauämter ist
der erste Schritt der Voruntersuchung. Die folgenden Unterlagen sollten zur Vorbereitung
und Festlegung der weiteren planerischen Schritte herangezogen und ausgewertet werden:
• Baugenehmigungen
• Bauhistorische Unterlagen
• Früher gefertigte Gutachten über die Bausubstanz und Schäden
• Statische Unterlagen
Die Informationen über die tatsächlich vorliegenden statischen Verhältnisse (z. B. Grün-
dung), den Wandaufbau und der verwendeten Wandbaustoffe ist von entscheidender
Bedeutung, um eine verbindliche Planung der Sanierungsarbeiten vornehmen zu können.
Aus den Unterlagen kann im Einzelfall auch entnommen werden, ob, wie und wann eine
Vertikal- und Horizontalsperre am Objekt eingebaut wurde. Die Sperren sind bei der Inau-
genscheinnahme stellenweise durch den vorhandenen Verputz überhaupt nicht sichtbar.
Durch das Wissen um die Sperren kann grob der Grad der Funktionstüchtigkeit der selben
eingeschätzt werden. Zur genaueren Bewertung sind dann allerdings die Sperren freizu-
legen oder eventuell vorhandene Vorsatzschalen, die Feuchteschäden meistenteils verde-
cken, zu entfernen (Abb. 5.4).
Der Wandaufbau ist oft aus den Bauunterlagen erkenntlich und es kann ohne zerstö-
rende Untersuchung festgestellt werden, ob es sich um ein- oder zweischaliges Mauerwerk
handelt und welche Materialien verwendet wurden. Ist dies aus den Unterlagen nicht zu
entnehmen, sollte der Sachverhalt durch mindestens eine Kernbohrung aufgeklärt werden.
Die bloße Inaugenscheinnahme der Mauerwerksoberfläche führt zwar zu ersten Ergeb-
nissen, kann aber einen späteren Überraschungseffekt in der Ausführungsphase nicht aus-
schließen. Bei der Einschätzung der Oberfläche können die Homogenität, die eingebauten
Materialien (Ziegel, Bruchstein, Mörtel) und die Festigkeit des Mauerwerkes über den
Wandquerschnitt nur vermutet werden.
Wenn es um die Planung von Abdichtungsmaßnahmen im Injektionsverfahren geht, ist
die Rohdichte, Porengeometrie und die Porengrößen wissenswert. Dabei sind vor allem
112 J. Weber
die Makro- bzw. Kapillarporen von Bedeutung, da deren tatsächlich vorhandene Saugwir-
kung entscheidend für den Sanierungserfolg sind.
Aus den statischen Unterlagen sind die zu erwartende Gründung des Gebäudes und
die übrigen statisch relevanten Informationen zu übernehmen. Es sollten jedoch trotzdem
durch mindestens eine Schürfgrube die örtlichen Gegebenheiten mit den vorliegenden
Unterlagen verglichen werden (Abb. 5.5 und 5.6).
Die Einsichtnahme früherer Gutachten und Schadensberichte hat zum Ziel, visuell ver-
deckte Schadbilder oder Abweichungen von den üblichen und ansonsten zu vermuteten
Bauweisen festzustellen. Die Inaugenscheinnahme des Gebäudes ist nicht allumfassend.
Zwar können Feuchteschäden verursachende defekte Wasser- und Fallrohre bzw. Dächer
erkennbar sein, aber bei vorgenommenem Um- und Ausbau sind die früheren Gegeben-
heiten nicht immer sichtbar.
Die ehemalige Nutzung bzw. die Geschichte der interessierenden Gebäudebereiche
sind von großem Interesse, da auf dieser Grundlage u. a. die Schadstoffbelastung im
Mauerwerk grob abgeschätzt werden kann. Zum Beispiel ist bei Kirchen bekannt, dass
zu Kriegszeiten das Vieh in die Kirchen getrieben und Getreide gelagert wurde, sodass
durchaus mit Nitraten im Mauerwerk zu rechnen ist. Die gleiche Vermutung erfolgt, wenn
*5h1'81*
3)$+/*h1'81* )/b&+(1*5h1'81*
Wie bei der objektbezogenen Untersuchung lohnt auch hier ein sachkundiger Blick in die
Umgebung. Bereits die Beachtung von Flüssen, Bächen und Seen weisen auf bestimmte
ortsspezifische Gegebenheiten hin. Zudem gibt die Geländeneigung und der Bewuchs der
Umgebung weitere Aufschlüsse (Abb. 5.8).
Die Beschaffung der auf die Umgebung bezogenen Dokumente vom Bauherren und
Bauämtern ist der zweite Schritt der Voruntersuchung. Die folgenden Unterlagen sind ins-
besondere für die Festlegung der Abdichtungsverfahren und Beachtung der Randbedin-
gung in der Sanierungsphase von wesentlicher Bedeutung:
5 Bestandsanalyse und Mauerwerksdiagnostik115
Die wohl wichtigste Information zum Zwecke der verbindlichen Festlegung von Abdich-
tungsarbeiten ist das Wissen um den Bemessungswasserstand, das Vorliegen von Grund-
und Schichtenwasser und den vorhandenen Schichtenaufbau im Baugrund. Ohne diese
Parameter ist es einfach nicht möglich, eine sachgerechte mangelfreie Planung von
Abdichtungsleistungen vorzunehmen. Kann im Einzelfall auf ein hydrologisches Gutach-
ten verzichtet werden, so ist der auf dem Grundstück anliegende Bemessungswasserstand
(Merkblatt BWK 2009) zweifelsfrei zu erkunden. Die Daten sollten bei den entsprechen-
den ortsansässigen Bodengutachtern aktenkundig abgefragt werden.
Der Bemessungswasserstand entspricht dem Bemesserungsgrundwasserstand oder dem
Bemessungshochwasserstand. Der höchste Wert ist maßgebend.
%HPHVVXQJVZDVVHUVWDQG
%HPHVVXQJVJUXQGZDVVHUVWDQG %HPHVVXQJVKRFKZDVVHUVWDQG
+*: ++:
werden beim höchstmöglichen Grundwasserstand nicht mit erfasst. Daher kann eine
Planung nach dem HGW bereits fehlerhaft sein.
Zwischen dem Bemessungswasserstand und dem auf dem Grundstück eventuell fest-
gestellten Wasserpegel ist ebenfalls grundsätzlich zu unterscheiden. Gleichfalls ist vor
Untersuchungen der Wasserbelastung auf einem Grundstück mittels Schürfgrube zu
warnen, da die damit gewonnenen Erkenntnisse wesentlich von den tatsächlichen Was-
serverhältnissen aufgrund erheblicher jahreszeitlicher Schwankungen abweichen können.
Grundlage der Planung und Ausführung von Abdichtungen ist und bleibt aus technischer,
aber auch aus rechtlicher Sicht immer der Bemessungswasserstand.
Ist in der Planungsphase von Bauwerksabdichtungen im erdberührten Bereich der
Bemessungswasserstand im Baugrund unbekannt, so sollte immer der höchst mögliche
Bemessungswasserstand als Planungsgrundlage angenommen werden. Überwiegend
dürfte das die Oberkante Gelände oder die Oberkante Straßenbelag sein. Diese Vor-
gehensweise ist zur Vermeidung von Planungsmängeln, mit all ihren Folgeerscheinun-
gen, ratsam. Eine wirtschaftlich günstige Abdichtungsvariante kann dabei nicht geplant
werden, sodass dem Bauherrn die Beauftragung einer hydrologischen Untersuchungen
immer zu empfehlen ist.
In den letzten Jahren häufen sich die rechtsanhängigen Fälle, in denen bei durchgeführten
Sanierungsarbeiten das Nachbargebäude tatsächlich oder nur vorgeschoben zu Schaden
kommt. Um diese Problematik von vornherein auszuschließen, sollte der Planer zumin-
dest eine private Beweissicherung an den angrenzenden Nachbargebäuden vor Beginn der
Bauarbeiten durchführen. Der Umfang der Beweissicherung richtet sich nach der Baugru-
bentiefe, den zu erwartenden Schwingungen durch Bauleistungen im Baugrund und den
konstruktiven Gegebenheiten der Nachbarbebauung selbst.
Eine wesentliche Rolle für den Erfolg einer Sanierung ist die richtige Einordnung der
Wasserbeanspruchung, welche auf die erdberührten Bauteile einwirkt. Eine kurzzeitige
Beobachtung aus Erkundungen im Baugrund (u. a. mittels Schürfgruben) sind nicht für
eine zuverlässige Beurteilung der Wasserbelastung auf einem Grundstück geeignet. Lang-
jährige Erfahrungen an der Nachbarbebauung liefern teilweise sichere Ergebnisse. Auf
jeden Fall ist der Bemessungswasserstand, als höchster ermittelter Grund-, Hoch- bzw.
Schichtenwasserstand, festzustellen und dies mit Blick auf die Entwicklung der zukünfti-
gen Jahre. Erst dann ist er als Basis für die Planung heranzuziehen.
5 Bestandsanalyse und Mauerwerksdiagnostik117
Es ist sicherzustellen, dass der Aufbau und die Eigenschaften des Baugrundes bzw.
eines als Baustoff geplanter Boden bereits frühzeitig dem Planer bekannt sind. Die geo-
technischen Untersuchungen sind in den ersten Phasen der Planung zeitlich einzuordnen,
um Unsicherheiten hinsichtlich des Baugrundes zu verringern, Bauschäden vorzubeugen
und letztendlich die wirtschaftlichen Belange der Baukosten ausreichend zu berücksich-
tigen. Dabei wird je nach geotechnischer Kategorie der Untersuchungsaufwand anhand
der Schwierigkeit von der baulichen Anlage und dem Baugrund nach DIN 4020 (2010)
festgelegt.
Die möglichen Wassereinwirkungen können in grober Einteilung je nach Bodenverhält-
nissen und dem Vorhandensein einer Dränanlage in Anlehnung nach den Definitionen aus
der im Jahr 2017 zurückgezogenen DIN 18195 festgelegt werden (Abb. 5.9):
Abb. 5.9 Wassereinwirkungsklassen nach der im Jahr 2017 zurückgezogenen DIN 18195 (2011)
118 J. Weber
Mit der neuen DIN-Norm 18533 für Abdichtungen erdberührter Bauteile ist eine neue
Einteilung der Wassereinwirkung auf die erdberührten Bauteile erfolgt. Es werden die
Wasserbeanspruchungsklassen nicht mehr nach der Entstehungsart (Druckwasser durch
Grundwasser, Stauwasser oder anstauendes Sickerwasser) sondern nach der Einwirkung
auf das jeweilige Bauteil klassifiziert. Die Wasserbeanspruchungen werden in nachfol-
gende Wassereinwirkungsklassen unterteilt (Honsinger 2017):
:(%RGHQIHXFKWHEHLVWDUN :(%RGHQIHXFKWHXQGQLFKWVWDXHQGHV6LFNHUZDVVHU
ZDVVHUGXUFKOlVVLJHP%DXJUXQG EHLIXQNWLRQVIlKLJHU'UlQXQJ
:(6WDXZDVVHUELVP:6 :(6WDXZDVVHUPLWPHKUDOVP:6
Abb. 5.10 Skizzen als Auszug zu Wassereinwirkungsklassen nach neuer Norm DIN 18533
5.4 Mauerwerksdiagnostik
5.4.1 Vorbemerkungen
Der Wassergehalt um stellt das Verhältnis der Masse des trockenen Baustoffs zur Masse
des physikalisch gebundenen und freien Wassers dar. Er wird üblicherweise in der Bau-
praxis in Masse-% angegeben. Die Angabe in Volumen-% ist aber auch möglich.
ng
htu
seitlich
hfeuc
eindringende Durc
Erdfeuchtigkeit
Abb. 5.12 nach Entnahme der Kernbohrung erfolgt die Messung von Teilbereichen, um die
Feuchteverteilung über den Wandquerschnitt zu erhalten
mBaustoff,feucht − mBaustoff,trocken
u= ×100% inMasse-%
mBaustoff,trocken
u Wassergehalt in Masse- %
mV, feucht Masse von der feuchten Materialprobe mit physikalisch gebundenem und
freiem Wasser und dem Verpackungsmaterial in kg
mtrocken Masse der bis auf die Massekonstanz getrocknete Materialprobe in kg
mV Masse des trockenen Verpackungsmaterials in kg
ρBaustoff
ψ = u×
ρWasser
Durch die Bestimmung des Wassergehaltes kann relativ einfach eingeschätzt werden,
ob ein mineralischer Baustoff über die Ausgleichsfeuchte (Sorptionsfeuchte) mit
Wasser belastet ist. Gleichzeitig wird er für die Berechnung des Durchfeuchtungsgrades
benötigt.
Bei mineralischen Baustoffen ist der genaue Wassergehalt nur über das „Darr- Wäge-
Verfahren“ und der o. g. Gleichung zu berechnen. Unter Genauigkeitsverlust kann er auch
direkt am Manometer des Messgerätes bei der CM- Methode ermitteln werden.
Beispiel
Die aus dem zu untersuchenden Mauerwerk entnommene Materialprobe wurde unmit-
telbar vor Ort mit 250 g gewogen. Nach der Trocknung der Probe bis auf Massekons-
tanz im Trockenschrank wog die Probe 225 g.
Die maximale Wasseraufnahme eines Baustoffes ist bei der erfolgten maximal möglichen
Wasseraufnahme unter Druck oder bei langfristiger Lagerung des Probekörpers unter
Wasser erreicht. Das gesamte Porengefüge des Baustoffes ist dann mit Wasser gefüllt und
eine weitere Wasseraufnahme in den Poren nicht möglich. Die maximale Wasseraufnahme
wird für die Bestimmung des Durchfeuchtungsgrades benötigt.
Die Feststellung der Sättigungsfeuchte sollte beginnend mit einer mindesten 48-h Was-
serlagerung, einem anschließenden Kochvorgang in einem Zeitraum von 120 min und
einer abschließenden 4-h Wasserlagerung bestimmt werden. Die so ermittelten Werte sind
für die Baupraxis als ausreichend genau einzustufen.
Nach der Önorm aus Österreich ist eine mindestens 48-h Wasserlagerung bei atmosphä-
rischen Druck (Überdeckungshöhe min. 2 cm) oder durch Kochen vorzunehmen, um die
Sättigungsfeuchte zu bestimmen. Für diese Messung ist ein Granulat von ca. 4/16 mm zu
verwenden.
Bei beiden Verfahren ist das Haftwasser von der Materialprobe vor dem Wiegen zu
entfernen.
Die Sättigungsfeuchte wird dann berechnet:
Beispiel
Die aus dem zu untersuchenden Mauerwerk entnommene Materialprobe wurde unmit-
telbar vor Ort mit 250 g gewogen. Nach der Trocknung der Probe bis auf Massekons-
tanz im Trockenschrank wog die Probe 225 g. Daraus ergab sich ein Wassergehalt von
11,1 M- %.
Der kapillare Durchfeuchtungsgrad gibt den prozentualen Anteil des mit Wasser gefüllten
zugänglichen Porenvolumens zum Zeitpunkt der Entnahme der Materialprobe aus dem
Bauteil an. Das heißt, es wird das Verhältnis zwischen dem mit Wasser gefüllten und dem
mit Luft gefüllten Porenvolumen in Prozent angegeben.
Der Durchfeuchtungsgrad ist ein wesentlicher Wert zur Festlegung des anwendbaren
Verfahrens für die nachträgliche Horizontalabdichtung und der Einschätzung des Ver-
sagensrisikos der möglichen Varianten. Zugleich kann durch den Wert das zu verwen-
dende Injektionsmittel bestimmt werden, wenn ein Injektionsverfahren geplant wird.
Ohne die Bestimmung des Durchfeuchtungsgrades ist eine fachgerechte Planung der
nachträglichen Horizontalabdichtung im Injektionsverfahren zweifelsfrei nicht möglich
(WTA-Sachstandsbericht 2002).
u
DFG = ×100 (umist in u umzuwandeln)
umax
DFG Durchfeuchtungsgrad in %
u Wassergehalt in Masse- % bei Materialentnahme am Objekt
umax maximale Wasseraufnahme in Masse- %
Für die baupraktische Bewertung des Durchfeuchtungsgrades mit dem Ziel der Festlegung
von Verfahren der nachträglichen Horizontalabdichtung kann folgende Einstufung gelten:
nach Weber und Hafkesbrink nach Balak und Pech (2008) nach Cziesielski (2006)
u 11,1
DFG= ×100 = ×100 = 55, 5%
umax 20, 0
Mit dem ermittelten Durchfeuchtungsgrad kann dann das anzuwendende Verfahren bzw.
über die Herstellerinformationen das mögliche einzusetzende Injektionsmittel durch den
Planer festgelegt werden. Bei hohen oder extremen DFG (60 … 100 M-%) sollte eine Vor-
trocknung erfolgen, wenn keine Cremetechnologie angewendet wird.
Die Restsaugfähigkeit ist die Differenz zwischen der maximalen Wasseraufnahme und
dem tatsächlichen Feuchtegehalt der Materialprobe.
R = umax − u
R Restsaugfähigkeit in %
umax maximale Wasseraufnahme in Masse-%
u Wassergehalt in Masse-%
Jeder mineralische Baustoff steht in Wechselwirkung mit seinem Wassergehalt und der
relativen Luftfeuchte der umgebenden Luft. Diese Wechselwirkung und die daraus resul-
tierenden Veränderungen werden durch die „Sorptionsisothermen“ des jeweiligen Bau-
stoffes beschrieben. Die baustoffbezogenen Sorptionsisotherme verändern sich entspre-
chend einer Salzbelastung im Baustoff erheblich in ihrer Wasseraufnahme.
Bei einer bestimmten konstanten relativen Luftfeuchte der den Baustoff umgebenden
Luft stellt sich im Baustoff selbst ein zugehöriger Wassergehalt in Masse-% ein. Dabei
handelt es sich um die hygroskopische Feuchte, welche in der Praxis auch Ausgleichs-
bzw. Gleichgewichtsfeuchte benannt wird (Tab. 5.1).
Verändert sich die relative Luftfeuchte nach oben oder unten, so nimmt der Baustoff
Wasser auf oder gibt Wasser ab. Das Verhältnis zwischen relativer Feuchte in der Luft und
dem Wassergehalt des Baustoffes, wie auch die jeweiligen Veränderungen des Wasserge-
haltes infolge von Veränderungen der relativen Luftfeuchte, sind abhängig vom Baustoff
und seiner eventuellen Salzbelastung.
Aufgrund der deutlichen Erhöhung der Wasseraufnahme aus der umgebenden Luft bei
Salzbelastung des Baustoffes ist es wichtig, die Salzbelastung und die daraus resultie-
rende spezielle Ausgleichsfeuchte im Einzelnen zu kennen. Sicher wäre es notwendig,
126 J. Weber
die sich einstellende Ausgleichsfeuchte mit den in der Nutzung zu erwartenden relativen
Luftfeuchten (ca. 30 bis 85 %) zu bestimmen. In der Praxis ist dies ein kaum vertretbarer
Aufwand und ist in den meisten Fällen auch nicht erforderlich, um eine Grundlage zur
fachgerechten Planung der Abdichtung zu erstellen.
Die Probe sollte vor der ersten Trocknung in einem Klimaschrank bei 23 °C und ca.
80 – 85 % relativer Luftfeuchte eingelagert werden. Wenn es der Kosten- und Zeitauf-
wand ermöglicht und die Qualität des Ergebnisses erhöht werden soll, so können drei
Ausgleichsfeuchten bei 23 °C und mit jeweils 75 %, ca. 80 und 85 % bestimmt werden.
Der Einlagerungszeitraum ist davon abhängig, wann sich die Masse der Probe zwischen
2 Wägungen innerhalb von 24 h nicht größer als 0,1 % verändert. Dieser Umstand dürfte
sich in 20 bis 30 Tagen einstellen.
Danach kann die hygroskopische Feuchte über die Verhältnisgleichung berechnet
werden, wenn anschließend an die Feststellung der Masse vom hygroskopisch eingestell-
ten Probematerial die Trockenmasse ermittelt ist:
mBaustoff,Klimalagerung − mBaustoff,trocken
uhyg = ×100%
mBaustoff,trocken
Die Probeentnahme des Materials zur Bestimmung der hygroskopischen Feuchte hat in
dem Bereich der Verdunstungszone zu erfolgen. In diesem Bereich ist üblicherweise der
Salzgehalt am höchsten. Die Ergebnisse aus der Verdunstungszone sind daher die Bewer-
tungsgrundlagen zur Sanierungsplanung. Der Entnahmeort beeinflusst erheblich das End-
ergebnis und damit die Qualität der Planung.
Die Ausgleichsfeuchte sollte jedoch immer ausreichend genau ermittelt und dem Was-
sergehalt u gegenübergestellt werden. Aus diesem Verhältnis ist ersichtlich, ob es sich im
vorliegenden Einzelfall um eine aufsteigende oder/und um hygroskopische Feuchtebelas-
tung im Baustoff handelt. Eine grobe Untergliederung kann auf Basis des Wassergehaltes
zu uhyg wie folgt vorgenommen werden:
Bei dem freiwilligen Wassergehalt uf handelt es sich um die Wassermenge, die ein
Baustoff aufnimmt, wenn er einer drucklosen Wasserbelastung zeitweise ausgesetzt
ist. Die Bestimmung kann unter Beachtung von DIN 52103 „Bestimmung von Was-
seraufnahme und Sättigungswert“ (DIN 52103 1988)vorgenommen werden. Diese
Norm ist seit März 2002 allerdings zurückgezogen und nur teilweise durch neue
DIN-Normen ersetzt.
In der Praxis wird der Wert eher selten berücksichtigt. Er ist jedoch für die Ermittlung
des „Feuchtezustandes“ von Bedeutung.
128 J. Weber
5.4.9 Feuchtezustand
Der Feuchtezustand ist der Quotient aus dem Wassergehalt u und dem freiwilligen Wasser-
gehalt uf des Baustoffes. Der freiwillige Wassergehalt, welcher auf druckloser Wasserein-
wirkung basiert, ersetzt hierbei den unter Druck oder langfristiger Lagerung unter Wasser
sich ergebende Sättigungsfeuchte umax bei der Ermittlung des Durchfeuchtungsgrades.
u
Feuchtezustand= ×100
uf
Durch die Bestimmung des Feuchtezustandes sind Hinweise auf die Dauer und Art der
Wassereinwirkung auf den Baustoff erhältlich. Ist der Quotient größer 100 % so ist dies
ein Indiz für eine längere Wassereinwirkung, einer Wasserbelastung aus hydrostatischem
Druck oder einer Wasserdampfdiffusion im Temperaturgefälle mit Tauwasserbildung
(WTA-Sachstandsbericht 2002). In jedem Fall können für die Planung wertvolle Hinweise
bei Beachtung des Feuchtezustandes entstehen.
In der Praxis wird der Wassergehalt von einem eingebauten Baustoff dann „praktisch“
genannt, wenn er mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % immer in der Nutzungsphase
unterschritten wird. Es handelt sich hierbei in der Regel um die Ausgleichsfeuchte auf der
Basis der relativen Luftfeuchte von ca. 80 bis 85 % (WTA-Sachstandsbericht 2002). In
der DIN 4108, Teil 4, Anhang A sind für einige im Bauwesen verwendeten Baustoffe die
praktischen Wassergehalte praxisverwertbar in Näherungen angegeben (siehe Tab. 5.2).
Abweichend von den Angaben aus der DIN 4108 (2013) werden praktische Feuchtege-
halte, mit Bezug auf die Dichte, bei Liersch (2001) angegeben (Tab. 5.3).
Für Ziegel ist nach der DIN 4108 zum Beispiel ein massebezogener Wassergehalt von
1,0 % angegeben. Wenn ein Wassergehalt von ca. 6,0 Masse-% bei einer Materialent-
nahme gemessen wird, so handelt es sich um eine erhöhte Feuchtebelastung des Baustof-
fes, wobei allerdings das Problem der hygroskopischen Feuchte und damit der Salzbelas-
tung noch nicht berücksichtigt wird.
Wenn eine genaue Bewertung bei einem Baustoff erfolgen muss, so kann dies nur über
Messungen am interessierenden Baustoff ermittelt werden. Die praktischen Wassergehalte
besitzen durch die Baustoffzusammensetzung im Einzelfall zu große Streubreiten.
5 Bestandsanalyse und Mauerwerksdiagnostik129
5.4.11 Salzanalyse
Nicht nur das Wissen um die Feuchtebeaufschlagung in Art und Umfang sind für eine
zweifelsfreie Bewertung der örtlichen Gegebenheiten zum Zwecke einer fachlich fun-
dierten Planung notwendig. Die Kenntnis über die Salzbelastung in Art und Umfang ist
ebenfalls von wesentlicher Bedeutung. Somit ist nicht nur eine Feuchtediagnostik der
Erstellung eines Abdichtungskonzeptes voranzustellen, sondern es ist grundsätzlich eine
qualitative oder quantitative Salzbestimmung durchzuführen.
An Gewicht gewinnt die Salzbestimmung vor allem dann, wenn die Anwendung von
Injektionsverfahren oder elektrophysikalischen Entfeuchtungsverfahren mit zu den Sanie-
rungsmöglichkeiten im Einzelfall zählen sollen (Tab. 5.4).
5 Bestandsanalyse und Mauerwerksdiagnostik131
Salze Beispiele
Sulfate Salze der Calciumsulfat (Gips) CaSO4 2 H2O
Salpetersäure Magnesiumsulfat MgSO4 7 H2O
(Bittersalz) 3CaOAl2O3 3 CaSO4 32 H2O
Ettringit
Chloride Salze der Salzsäure Calciumchlorid CaCL2 6H2O
Natriumchlorid NaCl
(Kochsalz)
Nitrate Salze der Magnesiumnitrat Mg(NO3)2 6 H2O
Schwefelsäure Calciumnitrat Ca(NO3)2 4 H2O
Kalksalpeter 5 Ca (NO3) 4 NH4O3 10 H2O
Carbonate Salze der Natriumcarbonat (Soda) Na2CO3 10 H2O
Kohlensäure Kaliumcarbonat K2CO3
(Pottasche) CaCO3
Calciumcarbonat
Die Salzbestimmung sollte sich zumindest auf Sulfate, Chloride und Nitrate beziehen,
wobei die jeweilige Löslichkeit des Salzes in Wasser die entscheidende Rolle bei der Wer-
tigkeit der jeweiligen Salze bestimmt. Insofern ist dem Nitrat, wenn es in dem überprüften
Baustoff vorkommt, eine besondere Bedeutung zuzuschreiben.
Prinzipiell kann die Bestimmung des Salzgehaltes in
• halbquantitativer Analyse
• quantitativer Analyse und
• qualitativer Analyse
durchgeführt werden. Abgesehen von der halbquantitativen Analyse sind die übrigen
Methoden nur in einem Labor und von speziell ausgebildeten Fachleuten durchzuführen.
Da die Salzbelastung über den Mauerwerksquerschnitt nicht gleichmäßig sondern in
Form von Salzgradienten verteilt ist, muss für eine fachgerechte Salzanalyse die Probeent-
nahme mit besonderer Sorgfalt in verschiedenen Höhen und in verschiedenen Tiefen am
Mauerwerk entnommen werden. Die Messachsen der einzelnen Entnahmestellen sollten
aktenkundig zum Zwecke des späteren Verständnisses und der Einordnung der Ergebnisse
dokumentiert werden.
Aussagekräftige Entnahmestellen für eine Salzanalyse vor Ort befinden sich in oberflä-
chennahen Bereichen der zu untersuchenden Bauteile. Dort ist üblicherweise die höchste
Salzanlagerung. Fugenmörtel eignet sich besonders für derartige Untersuchungen.
Die entnommenen Proben sind dann möglichst dampfdicht in Metall- oder Plastikdosen
oder ähnliche Behältnisse zu verpacken.
132 J. Weber
Bei der halbquantitativen Analyse werden üblicherweise die Anionen von Chlorid, Sulfat
und Nitrat bestimmt. Diese Methode gibt zumindest praxisverwertbare Daten über die
vorliegende Salzbelastung. Der Nachweis kann mittels Teststreifen erfolgen (Abb. 5.14).
Bei der halbquantitativen Salzanalyse mit Teststreifen wird wie folgt vorgegangen
(Spirgatis 2011):
Die halbquantitative Methode kann bereits vor Ort unmittelbar auf der Baustelle durch-
geführt werden. Sie ist relativ einfach in der Handhabung und preiswert, erfordert jedoch
einen gewissen Zeitaufwand und Erfahrung im Umgang mit chemischen Analysen. Die
5 Bestandsanalyse und Mauerwerksdiagnostik133
Sulfat
Messbereich mg/l Masse-%
200 0,1
400 0,2
800 0,4
1200 0,6
1600 0,8
Chlorid
Messbereich mg/l Masse-%
500 0,25
1000 0,50
1500 0,75
2000 1,00
3000 1,50
Nitrat
Messbereich mg/l Masse-%
10 0,005
25 0,0125
50 0,025
100 0,050
250 0,125
– 500 0,250
notwendigen Teststäbchen und die dazugehörigen Utensilien sind als kompletter „Labor-
Koffer“ oder in einzelnen Packungen im Handel erhältlich (Abb. 5.15).
Falls die halbquantitative Analyse zu ungenau erscheint und keine verwertbaren Ergeb-
nisse bringt, verbleibt zur Feststellung der Salzbelastung die quantitative und qualitative
Analyse. Diese Verfahren können nur in einem spezialisierten Labor durchgeführt werden
und erfordern einen teilweise hohen messtechnischen Aufwand. Für einen am Bau betei-
ligten Ingenieur oder Architekten ist die Durchführung derartiger Analyseverfahren und
deren Auswertung nicht zu empfehlen.
In einem WTA-Merkblatt „Sanierputzsysteme“ (WTA-Merkblatt 2005) sind tabella-
risch Konzentrationen bauschädlicher Salze in Masse-% bewertet, die aus baupraktischer
134 J. Weber
Tab. 5.8 Tabelle zur Bewertung bauschädlicher Salze (Versalzungsgrad) nach WTA-Merkblatt
2-9-04 „Sanierputzsysteme“
Sicht verwertbare Aussagen und Hilfestellungen hinsichtlich der Erstellung von Sanie-
rungskonzepten geben (Tab. 5.8).
In der Baupraxis werden fast ausschließlich die Anionenkonzentrationen als Basis der
Feststellung des Instandsetzungsbedarfes berücksichtigt. Die Art des Anions und des
Kations einzelner Salze nehmen Einfluss auf das Schadenspotenzial. Zudem sind die hyg-
rothermischen Bedingungen am Mauerwerk zu beachten, da auch sie den Löse- und Kris-
tallisationsprozess in Art und Umfang beeinflussen.
Bei Änderung der relativen Luftfeuchte am Mauerwerk kann die Deliqueszenzfeuchte
des vorhandenen Salzes überschritten werden. Die Deliqueszentfeuchtigkeit beschreibt
das Phasengleichgewicht zwischen einem Salz im festen, kristallinen Zustand und einer
Salzlösung. Salze nehmen Wasserdampf bei vorherrschender, für das Salz charakteris-
tischen Luftfeuchtigkeit, aus der Umgebung auf und bildet eine Lösung. Wenn sich die
relative Luftfeuchte in der Umgebung weiter erhöht, so wird mehr Wasser aufgenommen
und die Lösung verdünnt sich. Wenn die relative Luftfeuchte unterhalb der Deliqueszenz-
feuchte liegt, so wird das vom Salz aufgenommene Wasser wieder an die Umgebung abge-
geben und die Lösung trocknet ein. Das Salz kristalisiert.
5 Bestandsanalyse und Mauerwerksdiagnostik135
Tab. 5.9 Ausgewählte Salze mit der dazugehörigen Deliqueszenzfeuchte (Burkhardt et al. 2014)
Daher ist die Deliqueszenzfeuchte eine wichtige Größe. Durch die ständigen
Schwankungen der relativen Luftfeuchte in der Natur und in Gebäuden resultieren daraus
ständige Kristallations- und Wiederauflösungsprozesse (Tab. 5.9).
In der Baupraxis sollte der Ermittlung der baustoffschädlichen Salze ein größeres
Gewicht beigemessen werden. Es wird empfohlen, dass eine Gesamtbetrachtung bezüg-
lich der vorhandenen Anionen und Kationen im Mauerwerk, in Bezug auf ihr Schadens-
potenzial, erfolgen sollte.
Der pH-Wert mit einer Spreizung von 0 (stark sauer) bis 14 (stark basisch) ist das Maß für
die Stärke der basischen bzw. sauren Wirkungen einer wässrigen Lösung. Der Ausgangs-
punkt der Skala ist neutrales Wasser, das einen Wert von 7 besitzt. Der pH-Wert wird wie
folgt untergliedert:
vorbereitete saure oder basische Flüssigkeit eingetaucht. Die entstehende Spannung wird
gemessen und der pH-Wert davon abgeleitet. Dieses Messverfahren ist zwar exakt, hat
aber den Nachteil, dass ein gewisser Geräte- und Arbeitsaufwand betrieben werden muss.
Baupraktisch reicht es aus, wenn der pH-Wert kostengünstig durch die Farbreaktion
eines Indikators näherungsweise bestimmt wird. Auf dem Indikator sind verschiedene
Chemikalien aufgebracht, die mit den H + - und OH-Ionen reagieren und sich dadurch ver-
färben. Mittels dem Vergleich mit einer Farbskala kann der pH-Wert in ausreichender
Qualität bestimmt werden.
Beide Verfahren haben allerdings gemeinsam, dass es sich um zerstörungsarme Mess-
verfahren handelt.
Durch den pH-Wert können die chemischen Gegebenheiten bezüglich bauschädlicher
Salze grob eingeschätzt werden. Daraus sind wertvolle Schlussfolgerungen über weitere
notwendige Untersuchungen abzuleiten. Letztendlich ist der pH-Wert auch für das Sanie-
rungskonzept wichtig, wenn es um die Festlegung von Injektionsstoffen bei den Injek-
tionsverfahren, um einzusetzende Materialien bei den mechanischen Verfahren und um
flankierende Maßnahmen geht.
Unterschätzt wird die Wirkung des pH-Wertes bei einem geplanten Einsatz von elek-
trophysikalischen Trockenlegungsverfahren. Zwischen Mauerwerksbereichen mit unter-
schiedlichen pH-Werten kann Strom fließen. Dieser Umstand ist wenig bekannt und wird
in der Baupraxis überhaupt noch nicht beachtet. Der Grund liegt offenbar in der kaum
vorhandenen wissenschaftlich exakten Aufarbeitung des Phänomens.
Abb. 5.16 Veränderte statische Randbedingungen durch Rohrverlegung und defekte Grundleitung
die örtlichen Gegebenheiten in der zweiten Phase erfolgen. Falls dies dann immer noch nicht
zur überschlägigen Einschätzung der konstruktiven Gegebenheiten ausreichend erscheint, sind
weitere geeignete Prüfungen dem zuständigen Statiker zu überlassen.
Letztendlich ist vor jeder Instandsetzung eines Mauerwerkes vorher festzustellen, ob
während oder nach den geplanten Sanierungs- bzw. Instandsetzungsarbeiten die Stand-
sicherheit des Bauteils gefährdet wird. Auf das WTA-Merkblatt (1999) oder der ÖNorm
(2011) wird verwiesen. Bei Schachtarbeiten sind die DIN-Normen zu beachten (DIN 4123
2013). Die erforderliche Berücksichtigung der statischen Gegebenheiten hat zwingend
zur Folge, dass ausgewiesene Fachkundige mit Meister- oder Ingenieurabschluss mit den
geplanten Sanierungsarbeiten zu beauftragen sind. Sie verfügen über ein Grundwissen in
der Statik und erkennen, ob und wann man spezialisierte Statiker hinzuziehen muss.
Der Wasseraufnahmekoeffizient, kurz w-Wert genannt, gibt an, wie viel Wasser inner-
halb einer bestimmten Zeitspanne ein Baustoff durch kapillare oder absorptive Kräfte auf-
nimmt. Ein Baustoff wird mit einer definierten Fläche in Wasser eingetaucht. In festgeleg-
ten Zeitabständen wird der Baustoff gewogen und es wird die Masse an saugendem Wasser
in Abhängigkeit der Zeit festgestellt. Daraus ergibt sich der Wasseraufnahmekoeffizient.
m
w= [kg / m 2h 0,5]
A⋅ t
w Wasseraufnahmekoeffizient
A Saugfläche der Probe in m2
m aufgenommene Masse an saugendem Wasser bis zum Zeitpunkt t in g/m2
t Saugzeit in Stunden
138 J. Weber
Der Wert ist vor allem bei einem geplanten Injektionsverfahren wichtig, da er als Refe-
renzwert (wr) dienen kann.
Nach erfolgtem Einbau einer nachträglichen Horizontalabdichtung durch ein Injek-
tionsverfahren kann dann in der Injektionsmittelebene entnommene Materialproben auf
das verbliebene Saugvermögen untersucht werden. Man erhält den mittleren Wasserauf-
nahmekoefizienten (wi).
Aus der Veränderung der Masse an saugenden Wasser gegenüber dem Referenzwert
können Schlussfolgerungen auf die Injektionsmittelausbreitung und Funktionstüchtigkeit
der Abdichtung der Injektionsebene gezogen werden.
Der tatsächlich erreichte Reduzierungsfaktor ist für die Einschätzung der Funktionstüch-
tigkeit der Horizontalabdichtung von Interesse. Er wird berechnet durch
wRef − winj
Rerr =
wRef
Rerr tatsächlich erreichte Reduzierungsfaktor
w inj mittlerer Wasseraufnahmekoefizient in der Injektionsebene
werr mittlerer Wasseraufnahmekoeffizent der Referenzprobe
Abb. 5.18 dielektrisch hochfrequente Messgeräte. (Quelle Bild a: hf sensor GmbH Leipzig)
cm 0 50 100
Literatur
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WTA-Sachstandsbericht. (2002). Messung der Feuchte von mineralischen Baustoffen. Autorenkol-
lektiv unter Leitung. Prof. Günter Rieche, Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft
für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V., München.
Messgeräte und -verfahren in der
Bauwerksabdichtung 6
Jürgen Weber
6.1 Verfahrensauswahl
J. Weber (*)
Leipzig, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 143
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_6
144 J. Weber
0DWHULDOIHXFKWHPHYHUIDKUHQ
'LUHNWH9HUIDKUHQ ,QGLUHNWH9HUIDKUHQ
*DVFKURPDWRJU /LFKWOHLWHU
9HUIDKUHQ .HUQUHVRQDQ]9HUIDKUHQ
)HXFKWHVHQVRU
0DVVHQVSHNWUR
PHWU9HUIDKUHQ
vom zu messenden Baustoff bestimmt. Das berücksichtigte Volumen bei der Messung ist
von den entsprechenden Gerätetypen stark abhängig. Es kann jedoch letztendlich immer
nur die Konstruktion und nicht der einzelne Baustoff bewertet werden. Daher ist eine
isolierte Betrachtung des Feuchtegehaltes eines Baustoffes mit diesem Verfahren bauprak-
tisch nicht möglich (Abb. 6.2 und 6.3).
Da durch die Messung die physikalischen Eigenschaften der Konstruktion oder im spe-
ziellen der Baustoffe nicht bekannt sind, handelt es sich bei diesen indirekten Messungen
grundsätzlich um qualitative Aussagen. Nur durch eine stoffspezifische Kalibrierung kann
die Qualität der Messung erhöht werden.
Teilweise können erfahrene Baupraktiker die qualitativen Aussagen bei der indirekten
Messmethode dazu nutzen, einen Überblick über die Feuchtebelastung des Mauerwerkes
bei bauchemisch einfachen bzw. ansonsten überschaubaren Objekten zu erlangen. Die
Funktionsweisen der Messgeräte sind allerdings auf die Auswirkung auf die Ergebnisse
im Einzelfall zu beachten.
Bei salzbelasteten Konstruktionen sind Feuchtemessungen vor Ort mit zerstörungsfreien
elektrischen Handmessgeräten nicht anzuraten. Überwiegend sind salzbelastete Bauteile
gerade in der Altbausanierung anzutreffen. Die Messergebnisse bei diesen Bauteilen sind
vielfach nicht brauchbar bzw. unterschiedlich interpretierbar. Diese Einschätzung wurde
durch eine Untersuchung einzelner Handmessgeräte und durch Fachveröffentlichungen in
der Tendenz bestätigt (WTA-Merkblatt 4-11/D 2016; Arendt 2001].
6.2 Materialentnahme
Die Materialentnahmen sollten von einem Sachkundigen ausgeführt werden, da der Ent-
nahmeort so auszuwählen ist, dass eine Gesamteinschätzung über die Feuchtigkeitsbelas-
tungen und Feuchteverteilungen des gesamten Raumes bzw. Gebäudes möglich ist. Es ist
ebenfalls unter Berücksichtigung der tatsächlich örtlichen Gegebenheiten zu entscheiden,
146 J. Weber
mit welchem Verfahren die Entnahme erfolgen muss und wie viel Materialproben wirt-
schaftlich und technisch sinnvoll sind.
Die Entnahme der Proben für die Feuchtemessungen kann nach dem WTA-Merkblatt
4-11 (2016) erfolgen (Tab. 6.2).
Um die Feuchteverteilung in den einzelnen Wandhöhen feststellen zu können macht
sich eine Materialentnahme in einzelnen Höhenlagen erforderlich (Abb. 6.3).
Die Genauigkeit der Messergebnisse von Feuchtemessungen hängt überwiegend von
der Art und Weise der Probeentnahme und von den Randbedingungen des Transportes ab.
Die entnommenen Proben müssen getrennt und sofort luftdicht verpackt transportiert
sowie gelagert werden. Die Verpackung, die Lagerung und der Transport zur Waage hat
so zu erfolgen, dass der Wassergehalt der Proben sich nach der Entnahme bis zur Wägung
nicht verändert.
Die Verpackung muss wasserdampfdicht sein und ist so auszuführen, dass möglichst
wenig Luft eingeschlossen wird, um eine Beeinflussung des Wassergehaltes der Luft
auszuschließen.
Um den Aufwand der Verpackung der Proben gering zu halten kann alternativ die
Wägung der Proben unmittelbar nach der Entnahme und vor Ort erfolgen.
Bei der Materialentnahme muss aktenkundig genau festgehalten werden:
6.3 Messverfahren
Bei den direkten Feuchtemessmethoden wird quantitativ die Baustofffeuchte bzw. der Was-
sergehalt direkt am Messgerät abgelesen, ohne dass weitere Eichmessungen oder Kalibrie-
rungstabellen zur Hilfe genommen werden müssen. Derzeit sind in der Baupraxis nur die
• Darr-Methode und
• die CM-Methode
148 J. Weber
Trocknungstemperaturen Material
105 °C +/− 2 °C Mineralische Baustoffe (z. B. Ziegel, Mörtel), welche bei
Temperaturen bis 105 °C die Struktur nicht verändern
70 °C +/− 2 °C Baustoffe (z. B. Schaumkunststoff), wo bei Temperaturen
zwischen 70 °C und 105 °C Strukturänderungen auftreten
können
40 °C +/− 2 °C Materialien (z. B. Gips), wo bei Temperaturen über 40 °C die
Struktur verändert wird
• Probe wird nach Trocknung nicht im Vakuum-Exsikkator gekühlt und nimmt Feuchte
aus der Umgebungsluft auf;
Schätzung: Fehler ca. 5–10 %
• falsche Messstelle (nicht repräsentativ)
Grundsätzlich sind die Messergebnisse dieser beiden direkten Messverfahren als eine
solide Planungsgrundlage einzustufen. Der im Einzellfall eventuell notwendige Interpre-
tationsspielraum ist gering, überschaubar und für Sachkundige ohne Risiko.
Die elektrischen Verfahren sind die wohl am häufigsten auf den Baustellen verwendeten
Verfahren, da sie leicht handhabbar sind und geringe Anschaffungskosten verursachen. In
der Baupraxis werden hauptsächlich Widerstandsmessgeräte und Geräte zur Ermittlung
der Dielektrizitätskonstante eingesetzt. Mit den Geräten werden bestimmte feuchteabhän-
gige Stoffeigenschaften gemessen und durch die Ergebnisse auf den Feuchtegehalt des
Baustoffes geschlossen. Hierzu liefern einige Hersteller Bewertungstabellen, welche den
gemessenen Wert in Feuchtebereiche einteilt.
Die Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit oder des elektrischen Widerstandes
sind im Messprinzip und im Vorgang gleich (Abb. 6.5). Bei diesen Verfahren können nur
Feuchtebelastungen im oberflächennahen Bereich festgestellt werden. Feuchte Oberflä-
chen bei zu untersuchenden Bauteilen werden erkannt.
Die Messergebnisse sind jedoch im Regelfall bei mineralischen Baustoffen im Bestand
wenig aussagefähig. Grund hierfür sind die bauphysikalischen und bauchemischen Rand-
bedingungen im Bestandsmauerwerk, welche erheblich den Anzeigewert beeinflussen.
Handelt es sich um Bauteile, in denen sich gelöste Salze (fast grundsätzlich in altem
Mauerwerk) befinden, so sind die Messergebnisse nicht verwertbar. Eine nachvollziehbare
Aussage über den tatsächlichen Feuchtegehalt der Baustoffe, auch unter Berücksichtigung
der vom Hersteller eventuell mitgelieferten Bewertungstabelle, ist nicht möglich.
Bei den dielektrischen Messverfahren werden feuchteabhängige Veränderungen der
dielektrischen Eigenschaften des Baustoffes ausgenutzt. Grundsätzlich sind niederfre-
quente (NF) und hochfrequente (HF) Messverfahren zu unterscheiden, da sie bei der
Feuchtemessung von Bestandsbauteilen qualitativ erheblich unterschiedliche Messergeb-
nisse liefern (Abb. 6.6 und 6.7).
6 Messgeräte und -verfahren in der Bauwerksabdichtung151
Abb. 6.7 a und b Feuchtemessgerät auf Mikrowellenbasis von ca. 2,45 GHz. (Quelle Bild a: hf
sensor GmbH, Leipzig)
152 J. Weber
Die NF-Feuchtemessgeräte (Abb. 6.6) sind weit verbreitet, da sie geringe Anschaf-
fungskosten verursachen und sehr leicht unter Baustellenbedingungen handhabbar sind.
Wie bei den Widerstandsmessgeräten sind die Messergebnisse u. a. bei Vorhandensein von
gelösten Salzen nicht bzw. nur äußerst eingeschränkt verwertbar. Der Grund ist darin zu
suchen, dass die Geräte mit einer Messfrequenz weit unter einem 1 GHz arbeiten.
Es kann im Einzelfall zwischen Trocken und Feucht unterschieden werden, was sich
die Bautrocknungsfirmen zunutze machen. Eine tatsächlich quantitative Bestimmung
des Feuchtegehaltes ist aber mit den Geräten nicht möglich. Die auch hier teilweise von
Herstellern beigegebene Bewertungstabelle ist nicht zur genauen Feuchtebestimmung
geeignet.
Das HF-Messverfahren (ab ca. 100 MHz) arbeitet mit hochfreuquenten elektroma-
gnetischen Wellen und ist gegenüber dem NF-Verfahren in der Bausanierung bezüglich
der Ermittlung von Feuchteverteilungen gut einsetzbar. Dies resultiert aus den nahezu
unabhängig vom jeweiligen Versalzungsgrad der Bauteile ermittelbaren Messergebnis-
sen. Ab 1 GHz werden die Messwerte zunehmend nicht mehr durch vorhandene gelöste
Salze verfälscht. Die Messfrequenz von 2,45 GHz wird bei den Mikrowellenmessgeräten
verwendet, da eine Beeinflussung des Ergebnisses durch die Salze nicht mehr vorliegt
(Abb. 6.7 und 6.8).
Teilweise werden von Herstellern der Mikrowellenmessgeräte die Anzeigewerte in
Masse- Prozent angeboten. Diesen Anzeigewerten sollte mit Skepsis begegnet werden. Sie
gelten nur für die im Labor hergestellten Baustoffe, welche zur eigentlichen Kalibrierung
der Geräte verwendet werden. Bei Messungen im Bestandsmauerwerk sind die Material-
kennwerte daher aber nur durch Zufall gleich.
Um aussagekräftige Werte zu erhalten sollte eine Rastermessung mit dem Mikrowellen-
messgerät durchgeführt werden und in einem definierten Punkt gleichzeitig eine Mate-
rialentnahme mit anschließender Feuchtemessung im Darr-Wäge-Verfahren erfolgen.
Dadurch können gut verwertbare Ergebnisse und Schlussfolgerungen gezogen werden.
Bei Bauteilen aus Stahlbeton ist dieses Verfahren allerdings sehr begrenzt einsetzbar.
Im Mikrowellen-Messverfahren können nachfolgende Fehler die Messergebnisse ver-
fälschen (Göller 2003):
• falsche Materialkurve;
Schätzung:Fehler bis zu mehreren hundert Prozent vom Messwert, lässt sich bei Kennt-
nis dieser Fehlerquelle aber vermeiden
• Kippeln beim Aufsetzen;
Schätzung: Oberflächenfeuchte-Fehler bis zu mehreren hundert Prozent vom Messwert
• Schätzung: Volumen – Fehler 10….20 % vom Messwert, lässt sich bei Kenntnis dieser
Fehlerquelle vermeiden
• ungenügende Schichtdicke des Materials;
Schätzung: Fehler bis zu mehreren hundert Prozent vom Messwert
• Bewehrung:
6 Messgeräte und -verfahren in der Bauwerksabdichtung153
cm 0 50 100
Abb. 6.9 Hand in unterschiedlichen Abstand verändert erheblich das Messergebnis (Beispiel: 103
digits – Bild a zu 27 digits – Bild b)
solange statt, bis sich ein Gleichgewichtszustand zwischen dem Baustoff und der Luft ein-
gestellt hat. Das Vorhandensein des Gleichgewichtszustandes ist eine Voraussetzung für
ein verwertbaren Ergebnisses mit diesem Verfahren (Abb. 6.10).
Bei der Messung wird die relative Luftfeuchte der eingeschlossenen Luft und die jewei-
lige Temperatur gemessen. Ist die Sorptionsisotherme bzw. der Materialkennwert für den
jeweiligen Baustoff bekannt, so können Schlussfolgerungen aus der vorhandenen Luft-
feuchte auf die Feuchte des Baustoffes gezogen werden. In jüngster Zeit wurde dieses
Verfahren soweit entwickelt, dass es durchaus mit Erfolg in der Baupraxis angewendet
werden kann. Das derzeitig erzielbare Ergebnis des Verfahrens ist weniger die Feststel-
lung der Materialfeuchte in Masse-%. Das Verfahren wird vielmehr für die Kontrolle des
Austrocknungsprozesses von Bauteilen in Bezug auf die Zeit und zur Bestimmung der
Feuchteverteilung über einen Bauteilquerschnitt verwendet.
Zum Beispiel wird ein Feuchtesensor in ein verschließbares Bohrloch in einem Bauteil
eingebaut und das Bohrloch verschlossen. Nach der notwendigen Wartezeit bis sich der
Gleichgewichtszustand im Bohrloch eingestellt hat kann dann die Messung von relati-
ver Luftfeuchte und Temperatur erfolgen. Ist das Bohrloch über einen Bauteilquerschnitt
vorhanden und es werden verschiedene luftdicht abgetrennte Kammern im Bohrloch mit
einem Sensoren versehen, so kann aufgrund der Klimadaten in den jeweiligen Kammern
die Feuchtebelastung des Bauteiles über den Bauteilquerschnitt eingeschätzt werden.
Bei dem thermischen Verfahren werden Oberflächentemperaturen der Bauteile gemes-
sen (Abb. 6.11). Die bekanntesten Vertreter des Verfahrens sind die Infrarotthermografie (IR-
Thermografie) und die Infrarot-Reflektografie (IR-Reflektografie). Da die Wärmeleitfähigkeit
bei Bauteilen sich im Verhältnis mit dem Feuchtegehalt verändert, wirkt sich der Feuchte-
gehalt auf die Oberflächentemperaturen von Bauteilen aus. Durch diese Verfahren sind somit
die unterschiedlichen Durchfeuchtungsgrade im Bauteil grundsätzlich erkennbar. Allerdings
lassen sich nur qualitativ orientierende Aussagen treffen. Eine quantitativ sichere Aussage ist
zumindest derzeit mit diesem Verfahren nicht möglich. Dies ist u. a. dadurch begründet, dass
durch Wärmebrücken und andere zu berücksichtigende Faktoren auf die Oberflächentempe-
ratur baupraktisch Einfluss ausgeübt wird, was zu einer Verfälschung der Ergebnisse führt.
Bei den radiometrischen Verfahren werden die Eigenschaften des Wasserstoffkerns
zur Feuchtedetektion genutzt. Die wenigen für den Baustelleneinsatz geeigneten Geräte
sind schon aufgrund des Strahlenschutzes nur von einem ausgebildeten Spezialisten ein-
setzbar. Zudem sind die Ergebnisse nur mit erheblicher Erfahrung des Prüfers verwend-
bar, da die Art der Atombindung ohne Einfluss ist. Daher wird chemisch- physikalisch
und rein chemisch gebundenes Wasser mit bei der Messung erfasst, was eigentlich nicht
mit gemessen werden soll. In der Bausanierung spielen diese Verfahren keine wesentliche
Rolle. Lediglich die Neutronensonde wird im Einzelfall eingesetzt (Abb. 6.12).
Die akustischen Verfahren nutzen den Einfluss der Feuchte auf die akustischen Wider-
stände, die der Ausbreitung von Schwingungen in einem bestimmten Umfeld entgegen-
wirken oder die Schallgeschwindigkeit verändern. So ist die Ultraschallgeschwindigkeit
eine charakteristische Materialkenngröße und vergrößert sich mit der Feuchtebelastung
156 J. Weber
XXXXX
XXXXX
XXXXX
XXXXX
XXXXX
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Abdichtungskonzept und
Wirksamkeitsnachweis in der Baupraxis 7
Jürgen Weber
7.1 Abdichtungskonzept
Das Sanierungskonzept ist die letzte Vorstufe und Grundlage zur fachgerechten Ausfüh-
rungsplanung des nachträglichen Einbaus von Horizontalsperren und sonstiger Abdich-
tungsarbeiten (Abb. 7.1). Bei kleineren bzw. untergeordneten Objekten ist das Konzept
in der Baupraxis vielfach die Ausführungsgrundlage selbst. Gerade wenn Anbieter von
Abdichtungsleistungen Angebote dem Bauherren unterbreiten, so geht der Planungsum-
fang kaum über ein skizzenartiges Abdichtungskonzept und dem eigentlichen Preisan-
gebot hinaus. Dabei wird vielfach nicht beachtet, dass die Abgabe eines Preisangebotes
durch eine Firma bereits rechtlich mit der Planung im Zusammenhang steht und sich Haf-
tungsansprüche daraus ableiten.
Grundsätzlich ist vor der eigentlichen Ausführungsplanung eine Zustandserhebung
(Önorm 3355 2017) und speziell eine Mauerwerksdiagnose nach dem WTA-Merkblatt
(1999) notwendig. Auf einer anderen Grundlage kann eine zweifelsfreie technische Ein-
schätzung der örtlichen Gegebenheiten nicht erfolgen und keine seriöse und wirtschaft-
liche Sanierungsplanung erstellt werden (Abb. 7.2 und 7.3).
Allerdings ist im Einzelfall der Diagnoseumfang im Zusammenhang mit den Erforder-
nissen am Objekt und dem Planungsziel festzulegen. Auch hier sind die wirtschaftlichen
Notwendigkeiten zu beachten, ohne das dabei infolge von vermeintlichen Einsparpoten-
zialen das Risiko des Misserfolges erhöht wird.
J. Weber (*)
Leipzig, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 161
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_7
162 J. Weber
Bauwerksabdichtung
Neubau Altbau
Abdichtungszone Abdichtungsebene
Richtlinien Richtlinien
Abb. 7.1 Skizze über die zu beachtenden Planungsgrundlagen (bitte Änderung beachten)
• Baustoffart
• Geometrie
• Homogenität
• Klüftigkeit
• Rissbildung
• Mehrschaligkeit
• Festigkeit, Standsicherheit
• Feuchte- und Salzbelastungsart und deren Verteilung
• vorhandene massebezogene Feuchtigkeit
• maximale kapillare Wasseraufnahme und
• Durchfeuchtungsgrad
7 Abdichtungskonzept und Wirksamkeitsnachweis in der Baupraxis163
Tab. 7.1a Empfehlung von Maßnahmen unter Beachtung der Durchfeuchtungsgrade in Anlehnung
an (Frössel 2011)
Feuchtebelastung Maßnahmen
Tab. 7.1b Empfehlung der Berücksichtigung von Maßnahmen in Abhängigkeit des gemessenen
Durchfeuchtungsgrades (in Anlehnung an ÖNorm 2017)
Die Verfahren sind nach dem Prinzip der Erfolgsaussichten im Einzelfall, der technischen
Mindestvorgaben aus Normen und anerkannten technischen Richtlinien sowie aus wirt-
schaftlichen Gesichtspunkten festzulegen (siehe Bild 7.4).
Bei allen Verfahren ist mindestens der Stand der Bautechnik, besser noch die allge-
meine Regel der Bautechnik, einzuhalten (Tab. 7.2). Wenn Verfahren auf Grundlage des
Standes der Wissenschaft geplant und ausgeführt werden, ist eine vorhandene aktenkun-
dige Beratung des Bauherren vorteilhaft, um die Beachtung der üblichen Prüfungs- und
Beratungspflichten gegebenenfalls nachweisen zu können (siehe Abb. 7.4).
Beispielhaft sei nachfolgende aktenkundige Belehrung als Vorschlag der Deutschen
Bauchemie (2010) vorgestellt, welche dem Sachverhalt angepasst werden sollte:
Der Auftraggeber erklärt, vom Auftragnehmer über das Abweichen der vorgeschlagenen
Ausführungsart von den anerkannten Regeln der Technik umfassend informiert worden zu
sein. Der Auftraggeber erklärt weiter, dies umfänglich verstanden zu haben und verzichtet
auf sämtliche Gewährleistungsansprüche, die sich aus der von den anerkannten Regeln der
Technik abweichenden Herstellung ergeben. Gewährleistungsansprüche, die die Tauglichkeit
der vorgeschlagenen Bauweise bzw. des vorgeschlagenen Abdichtungssystems und die ord-
nungsgemäße Werkleistung als solche betreffen, bleiben selbstverständlich vollumfänglich
erhalten.
Tab. 7.2 Definition des Regelstandes zur Erarbeitung von Planungsleistung nach (Bernhard
Remmers Akademie)
7KHRULHDQHUNDQQW 7KHRULHDQHUNDQQW
3UD[LVXQDXVJHUHLIW 5DQGEHGLQJXQJHQ
XQNODU
9HUVDJHQVULVLNR ]XQHKPHQG
Abb. 7.4 Verfahren mit Einordnung und Wirkung aus techn. Sicht
7 Abdichtungskonzept und Wirksamkeitsnachweis in der Baupraxis167
168 J. Weber
zu unterteilen.
Eine Einteilung der Raumnutzung als Planungsgrundlage sollte in Nutzungsklassen (NK
0 bis NK 3) erfolgen, um die geplanten Nutzung pro Raum und den daraus resultierenden
Sanierungsaufwand eindeutig festlegen zu können (Tab. 7.3, 7.4, und 7.5) (Abb. 7.5).
Nutzungsklasse Anforderungen
NK0 (untergeordnete Nutzung) Lagerung von unempfindlichen Geräten und Materialien
(z. B. Glas, Plaste)
Beheizungsmöglichkeit fehlt
Keine hygienischen Anforderungen
Keine Anforderungen an Tauwasserschutz bei den
raumbegrenzenden Bauteilen
Keine Anforderungen der Begrenzung einer relativen
Luftfeuchte
NK2 bis NK3 (normale bis Lagerung von feuchteempfindliche Geräte und Materialien
anspruchsvolle Nutzung) möglich (z. B. Holz, Papier)
Planmäßig dauerhafte oder zeitbegrenzte Raumheizung
Hygienische Mindestanforderungen eingehalten
Tauwasserausfall an den raumbegrenzenden Bauteilen
erfolgt nur maximal in dem Umfang, dass Feuchteschäden
und Schimmelpilzbefall nicht auftreten
Definierte Höchstgrenze der relativen Luftfeuchte
Tab. 7.5 Anhaltswerte der Temperatur sowie Luftfeuchte in Bezug auf beispielhafte Raumnutzung
in den Nutzungsklassen nach (Fingerloos 2009)
Räume mit untergeordnete Nutzung (NK 0) und anspruchsvoll genutzte Räume (NK 1
bis NK 3) sollen so ausgestattet werden, dass die jeweiligen Anforderungen an die Räume
(Tab. 7.4) abgesichert sind.
Es ist auch möglich die Raumnutzung nach DIN 18533 (2017) festzulegen (Tab. 7.6).
Werden Heizmöglichkeiten im Keller vorgesehen und eingebaut, so ist immer von einer
hochwertigen Nutzung der Räume auszugehen. Das Unterlassen von Bauwerksabdich-
tungs- und Wärmedämmarbeiten in der Planungs- und Ausführungsphase ist dann ein
erheblich technischer Mangel.
Ein warmes Raumklima ist zu erreichen, wenn die erdberührten Bauteile ein für die vorge-
sehene Nutzungsart ausreichendes Wärmedämmvermögen aufweisen. Hierzu ist festzulegen,
ob die Räume sich innerhalb oder außerhalb der thermischen Hülle vom Gebäude zukünftig
befinden. Sind sie innerhalb der thermischen Hülle, so muss nicht nur der Mindestwärme-
schutz aus der DIN 4108 eingehalten werden. Es sind dann auch die wärmeschutztechni-
schen Anforderungen aus der gültigen Energieeinsparverordnung zwingend zu erfüllen. In
beiden Planungsgrundlagen sind einzuhaltende Werte bezüglich des Wärmedurchlasswider-
standes (R) bzw. des Kehrwertes vom Wärmedurchlasswiderstandes (U- Wert) festgelegt.
Ein trockenes Raumklima ist nur erreichbar, wenn die erdberührten Bauteile ein für die
vorgesehene Nutzungsart ausreichende Dichtigkeit gegen Wasser in flüssiger, aber auch
in gasförmiger Form aufweisen. Die gasförmigen Wassertransportmechanismen durch die
Außenwände und deren Auswirkungen auf das Raumklima werden häufig unterschätzt.
Mineralische Baustoffe aus Beton, Ziegel und Mörtel haben ein ausgeprägtes Porensys-
tem, welches Wasser in beiden Aggregatzuständen (flüssig und gasförmig) transportiert.
Um dies zu verhindern muss das Porensystem entweder im Wandquerschnitt oder die
Oberfläche des Bauteils verschlossen werden.
Grundsätzlich gibt es vier Varianten der Lage von Horizontalsperre und Vertikalabdich-
tung, wobei die 1. Variante die optimale Feuchtereduzierung im Mauerwerk erbringt. Bei
Variante 2 bleibt der Wandfuß feucht. Bei Variante 3 ist mit Tauwasser an der Innenseite zu
rechnen, sodass geeignete Maßnahmen notwendig werden, um Schimmelpilzbefall oder
Feuchteschäden zu vermeiden. Gleiches gilt abschnittsweise für Variante 4, wo sich die
Innendämmung befindet (Abb. 7.6 und 7.7).
172 J. Weber
Tab. 7.7a Zuordnung der Abdichtungsmöglichkeiten (Auszug aus Tabelle 1, DIN 18533, Teil 3)
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7 Abdichtungskonzept und Wirksamkeitsnachweis in der Baupraxis173
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ƐĐŚĂĐŚƚƵŶŐŐĞǁćŚůƚǁĞƌĚĞŶ͘
Abb. 7.6 grundsätzlich mögliche Varianten der Lage von Abdichtungen im erdberührten
Wandbereich
174 J. Weber
MDS
0,5 m
WU-Beton 20 cm
Injektionsschlauch
1,80 m
WU-Beton 25 cm
Je nach Zielstellung über die zukünftige Nutzung der erdberührten Gebäudebereiche ist
der Einbau von Horizontal- und Vertikalsperren notwendig (siehe Tab. 7.1b). Der Sanie-
rungsaufwand steigt mit den Nutzeransprüchen. Daher sollte immer ein raumbezogenes
Nutzerkonzept Grundlage der Planung von Abdichtungen sein. Zumindest ist zwischen
geringwertig und hochwertige Nutzung zu unterscheiden und entsprechend das Sanie-
rungskonzept anzupassen.
Die Ergebnisse der Voruntersuchung vom Bauteil und insbesondere die Gegebenheiten
von
nicht überschritten sein, wenn keine weiteren Untersuchungen oder geeigneten Sanie-
rungsmaßnahmen geplant sind.
Die Gliederung der Tab. 7.7 aus der Önorm ähnelt den entsprechenden Tabellen aus den
WTA- Merkblättern (siehe Tab. 3.4). Der Unterschied liegt in den jeweilig festgelegten
Grenzbereichen, welche jedoch baupraktisch eher vernachlässigbar sind. Um rechtliche
Probleme bei Streitigkeiten im Vorhinein zu vermeiden, sollte aber die bei der Planung
heranzuziehende Tabelle aktenkundig vereinbart werden.
Bei der Beantwortung der Fragestellung, ob eine Berücksichtigung einer Horizontal-
sperre im Sanierungskonzept überhaupt sinnvoll ist, muss u. a. grundsätzlich das Verhält-
nis zwischen Ausgleichsfeuchte uhyg und dem Wassergehalt u (Punkt 5.4.6) im Bauteil
abgeklärt werden (siehe Punkt 5.4.6):
Fall 1- hygroskopischer Feuchtegehalt ist geringer als der kapillare Wassergehalt:
Wenn eine überwiegende aufsteigende Feuchtigkeit mit uhyg « u diagnostiziert wird, so ist
es nach Abklärung der örtlichen Randbedingungen (defekte Rohrleitungen u. a.) ratsam,
eine nachträgliche Horizontalsperre zum Zwecke der Unterbrechung des wassertransportie-
renden Kapillarsystems mit den entsprechenden flankierenden Maßnahmen zu planen und
auszuführen.
Bei einem nicht eindeutigen Verhältnis von uhyg/um sind weitere Untersuchungen zum
Zwecke der Bestimmung der Feuchteursachen notwendig. Ansonsten ist ein wirtschaftlich
und technisch vertretbares Sanierungskonzept mit Erfolgsaussichten kaum zu erstellen.
Bei den nachträglichen Horizontalsperren sind die mechanischen Verfahren zur allgemein
anerkannten Regel der Bautechnik zweifelsfrei zu zählen. Die WTA- Merkblätter (2014;
2015) und hilfsweise die Önorm aus Österreich (Önorm 3355 2017) bieten eine ausrei-
chende Planungssicherheit.
Die Injektionsverfahren sind wissenschaftlich begründet und seit Jahrzehnten in der
Anwendung. Die Versagensquote ist jedoch gegenüber den mechanischen Verfahren
relativ hoch. Dies resultiert überwiegend aus
7.1.6.1 Außenabdichtung
Die Techniken und Materialien der Vertikalabdichtung sind grundsätzlich zu den allge-
mein anerkannten Regeln der Technik zu zählen, wenn die verwendeten Baustoffe und die
Technologien der DIN 18533 entsprechen.
Die in den Normen behandelten Technologien und Abdichtungsstoffe sind umfangreich
und werden jeder Situation im Einzelfall gerecht.
Wenn eine PMBC (früher KMB) als Vertikalabdichtung geplant und ausgeführt werden
soll, obwohl der Untergrund feucht ist, so muss zusätzlich eine mineralische Dichtungs-
schlämme auf den Untergrund aufgetragen werden.
Wird eine Technologie angewendet oder ein Baustoff eingesetzt, welche nicht in den
Normen geregelt ist, so handelt es sich um eine Sonderkonstruktion. Eine Sonderkonst-
ruktion ist grundsätzlich möglich und kann geplant und angewendet werden. Allerdings
ist der Bauherr umfangreich darüber zu informieren und es muss ihm die Entscheidung
überlassen werden, ob die Sonderkonstruktion auch umgesetzt wird.
Problematisch sind immer die Anschlüsse zwischen nachträglich eingebauten Horizon-
talsperren und den Vertikalabdichtungen. In der Regel ist immer die Horizontalsperre und
178 J. Weber
%RKUO|FKHU
FD
:LUNVDPH :LUNVDPH
,QMHNWLRQVHEHQH ,QMHNWLRQVHEHQH
FD
%RKUO|FKHU
Abb. 7.8 Skizze eines möglichen Anschlusses bei einer nachträglich eingebauten Horizontalsperre
im Injektionsverfahren. (ÖNorm, 2017)
dann erst die Vertikalsperre auszuführen. Ansonsten ist die Gefahr der Beschädigung der
Vertikalsperre erheblich.
Bei der nachträglich eingebauten Horizontalsperre im Injektionsverfahren ist darauf zu
achten, dass eine Überbindung mit der Vertikalabdichtung von mindestens 20 cm abgesi-
chert und ein geeignetes Material verwendet wird (Abb. 7.8).
Der Anschluss kann bei starren Horizontalsperren (zum Beispiel Kunststoffplatten) mit
einer Überlappung von mindestens 5 cm mit einer Bitumenbahn erfolgen. Darüber ist
dann die eigentliche Vertikalabdichtung mit geeigneten Material und mit einer Überlap-
pung von mindestens 10 cm herzustellen (Abb. 7.9).
7.1.6.2 Innenabdichtung
Wenn eine vertikale Außenabdichtung technisch oder wirtschaftlich nicht umsetzbar oder
nicht gewollt ist, kann alternativ eine Innenabdichtung geplant und eingebaut werden. Bei
dieser Entscheidung ist der Grundsatz zu beachten, dass aus technischer und bauphysika-
lischer Sicht immer eine Außenabdichtung gegenüber einer Innenabdichtung vorzuziehen
ist.
Dies ist u. a. damit begründet, dass bei einer Innenabdichtungen die erdberührte Keller-
außenwand im Querschnitt weiter durchfeuchtet wird und dadurch die Oberflächentempe-
raturen der Innenseite der Außenwand niedrig bleibt. Tauwasser und Schimmelpilzbefall
kann dadurch entstehen.
Innenabdichtungen können bis zu einer Gründungstiefe des abzudichtenden Bauteils
von −3,00 m Oberkante Gelände problemlos durch geprüfte Innenabdichtungssysteme
(WTA-Merkblatt 4–6/D 2014) hergestellt werden. Die WTA-Prüfung als Eignungsnach-
weis von Innenabdichtungssystemen prüfen im Kern die Eignung des Systems gegen
rückseitige Wasserbeanspruchung.
Bei Gründungstiefen > 3,00 m Oberkante Gelände handelt es sich um Sonderlösungen,
die exakt geplant werden müssen.
180 J. Weber
!FP
!FP
!FP
FP FP
!FP
FP
7 Abdichtungskonzept und Wirksamkeitsnachweis in der Baupraxis181
Bei der Planung und Ausführung von Innenabdichtungen sollte nachfolgendes beachtet
werden:
z.B. Sanierputz
30 cm
Nachträgliche
Horizontalsperre
Ausgleichsputz
GOK
mineralische
Dichtungsschlämme (MDS)
ggf. zu verschliessendes
marodas Fugennetz
mit wasserundurchlässigem
Mörtal verfülite Nut an der
Mauersperrbahn
Nut am Wand-Sohlenanschluss
mit wasserundurchlässigem Mörtel
hohlkehlenartig ausgebildet
t 20cm
Abb. 7.10 Skizze einer möglichen Konstruktion der Innenabdichtung (WTA-Merkblatt 4–6/D
2014)
2.*
6DQLHUSXW]
.0%
%HVWDQG 0'6
,QMHNWLRQVVFKODXFK
6WE%RGHQ
SODWWH
Grundsätzlich kann eine technische Trocknung vor und nach einer Sanierungsmaßnahme
notwendig werden. Die Entscheidung ist abhängig von den geplanten Sanierungsmaßnah-
men und den örtlichen Gegebenheiten im Einzelfall.
Bei einem hohen Durchfeuchtungsgrad in einem Bauteil, welches durch Injektions-
fahren nachträglich abgedichtet werden soll, ist ein Vortrocknung fast immer sinnvoll und
teilweise erforderlich. Anders ist das Risiko des ganz oder teilweise Versagens der geplan-
ten Abdichtung zu hoch. Um eine zeitnahe Abtrocknung im Mauerwerkskern zu erreichen,
muss das Mauerwerk von Innen erwärmt werden. Hierzu eignet sich grundsätzlich die
Heizstabtechnik. Der Einsatz der Heizstabtechnik in Kombination mit Druckluft und mit
Mikrowellentechnik ist möglich.
Außerdem kann eine Nachtrocknung nach dem erfolgten Einbau von einer Horizontal-
und Vertikalsperre oder anderer Sanierungsmaßnahmen von Wichtigkeit sein, damit der
Erfolg der Sanierung sichtbar und die Zielstellung der geplanten Nutzung zeitnah erreicht
wird.
Werden Injektionsverfahren mit Injektionsmitteln auf der Basis der Hydrophobierung
von Kapillarwandflächen (zum Beispiel Silicon-Mikroemulsion) angewendet, so müssen
die Kapillarporen mindestens einmal „ausgetrocknet“ werden, dass sich der Wirkmecha-
nismus vom Injektionsmittel auch tatsächlich einstellen kann. Sicher ist diese Notwendig-
keit nur durch eine Nachtrocknung zu erreichen.
Im Sanierungskonzept ist eine Vor- und Nachtrocknung mit Begründung zu empfehlen
oder als nicht notwendig einzustufen. Wird sie erforderlich, so sind die Verfahren festzulegen.
Eine Variante der Beeinflussung der Raumluftfeuchte ist ein ausreichender Luftaus-
tausch, der über Fensterlüftung erfolgt. Die Durchführung gestaltet sich bei Mietobjekten,
wo kein Eigennutzer anwesend ist, praktisch sehr kompliziert.
Aus diesem Grund und bei der Zielstellung einer schnellen „künstlichen“ Abtrocknung
der betreffenden Bauteile zum Zwecke einer uneingeschränkten Nutzung der Räume ist
eine Zwangstrocknung unumgänglich. Durch diese wird aber ein nicht unerheblicher Bau-
kostenaufwand verursacht.
In dem Abdichtungskonzept ist bereits auch die Frage nach der erforderlichen Lüftung
zu stellen und zu beantworten. Grundsätzlich gibt es eine freie Lüftung und eine ventila-
torgestützte Zwangslüftung. Entscheidend ist bei der Wahl des Lüftungssystems, ob der
Raum in oder außerhalb der thermischen Hülle sich befindet. Zudem sind die Lage und
Geometrie der Räume zu beachten (Abb. 7.13).
Bei der freien Lüftung ist es vielfach dem Zufall überlassen, wann der Luftaustausch
zwischen Außen- und Raumluft tatsächlich durchgeführt wird. Üblicherweise werden
gerade die Kellerfenster vom Hausmeister oder von Nutzern willkürlich geöffnet und
geschlossen, egal ob es aus feuchtetechnischer Sicht sinnvoll oder unnötig ist. Aus diesem
Nachteil der freien Lüftung resultiert nicht selten, dass die gesamten ausgeführten Abdich-
tungsmaßnahmen infolge der nicht sichtbaren Abtrocknungsprozesse hinsichtlich ihrer
Wirksamkeit infrage gestellt werden, obwohl sie voll funktionstüchtig sind.
Nur durch eine sensorgesteuerte Entlüftungsanlage ist abgesichert, dass ein Luftaus-
tausch stattfindet, wenn es auch bauphysikalisch sinnvoll ist. Maßgebend bei diesen
Anlagen, wann ein Luftaustausch stattfindet, ist die absolute Feuchte in der Außen- und
Raumluft. Die Steuerung ist dazu mit jeweils einem Innen- und einem Außenfühlers aus-
gerüstet. Damit wirklich nur trockenere Luft in den Raum strömt, erfolgt das automatische
Öffnen des Fensters bzw. das Einschalten eines Lüfters nur, wenn die absolute Feuchte im
Außenbereich kleiner als im Innenraum ist (Abb. 7.14 und 7.15).
Durch den Einsatz dieser Anlagen wird beispielsweise nicht nur der Abtrocknungs-
zeitraum der Kellerwände wesentlich verkürzt, sondern gerade bei der Anwendung von
Injektionsverfahren werden die eingebauten Sperren erst einmal durch die beeinflusste
Abtrocknung der Wandbereiche funktionstüchtig (Abb. 7.15).
Weiterhin wird durch das kontrollierte Lüften mittels einer vollautomatischen Ent-
feuchtungssteuerung ein stabiles Raumklima erreichen und in den Sommermonaten treten
keine Tauwasserprobleme im Keller auf.
Alle Trockenlegungsmaßnahmen haben ein Versagensrisiko. Die Höhe ist bei den einzel-
nen Verfahren unterschiedlich. Obwohl die Risiken bei den mechanischen und um ein
vielfaches höher auch bei den Injektionsverfahren vorhanden sind, ist die Versagensquote
186 J. Weber
bei den elektrophysikalischen Verfahren nicht mit den beiden Verfahren zu vergleichen.
Sie liegt noch erheblich höher als bei den Injektionsverfahren. Insofern sollte gerade bei
diesem Verfahren der Nachweis der Wirksamkeit gefordert und durchgeführt werden.
auch die Kontrollpflichten für die Vor- und Nacharbeiten. So hat er u. a. nach DIN 4123
(2001) eine sachgemäße Freilegung der erdberührten Bauteile zu überprüfen.
Bei der Herstellung einer nachträglichen Horizontalsperre ist außerdem durch den
Sachkundigen eine Dokumentation anzufertigen. Die festzuhaltenden Parameter sind
abhängig vom ausgeführten Verfahren (Deutscher Holz- und Bautenschutzverband
e.V 2009).
Mindestdokumentation bei Ausführung von mechanischen Verfahren sind:
Abb. 7.16 Mechanische Horizontalsperre 8 cm über dem oberen Abschluss der Vertikalabdich-
tung eingebaut, mangelhafte Planung und Bauüberwachung, Feuchteschäden sind zwangsläufig.
(Foto: Jürgen Weber)
188 J. Weber
Der Abdichtungsvorgang bei flächigen Außen- und Innenabdichtungen ist ebenfalls eine
Mindestdokumentation anzufertigen. Die Mindestparameter sind:
7 Abdichtungskonzept und Wirksamkeitsnachweis in der Baupraxis189
Die Wirksamkeit des Sanierungskonzeptes ist als erreicht einzustufen, wenn die vorgege-
benen Planungsziele in einem Zeitraum von 2–3 Jahren erreicht sind. Im Einzelfall kann
nach Vereinbarung von diesem Zeitraum abgewichen werden.
In Deutschland sind noch keine allgemeingültigen Regeln zur Bewertung von nachträg-
lich erfolgten Sanierungsmaßnahmen gegen aufsteigende Feuchtigkeit festgelegt. Um den
Nachweis zu erhalten, sollte unter Anwendung der österreichischen ÖNorm 3355 oder der
WTA-Merkblätter, in einem definierten Zeitraum, die Feuchteveränderung im sanierten
Bauteil überprüft werden.
Da die Baumaterialien, die Baukonstruktionen und die Klimabedingungen zwischen
Österreich und Deutschland sehr ähnlich sind, steht die Verwendung der Beurteilung der
190 J. Weber
Wirksamkeit von Maßnahmen auch aus der ÖNorm 3355 nichts im Wege. Damit aber
die Nachweismethode auch in Deutschland rechtlich Bestand hat ist in jedem Vertrag die
ÖNorm 3355 explizit zu vereinbaren.
Sanierungsziele sind in der Planungsphase mit dem Bauherren aktenkundig festzu-
legen. Wenn keine definierten bzw. eindeutigen Planungsziele zwischen den Vertrags-
partnern rechtswirksam vereinbart sind, sollte der Durchfeuchtungsgrad des sanierten
Mauerwerkes als Sanierungsziel maximal 20 % betragen.
Bei der Überprüfung der Wirksamkeit der Sanierungsmaßnahmen gegen rein kapillar
aufsteigende Feuchte kann der Nachweis nach WTA-Merkblättern wie folgt nachgewiesen
werden:
Fv − Fn
W= ×100%
Fv − A
Nach der ÖNorm 3355 „Trockenlegung von feuchtem Mauerwerk“ kann die Wirksamkeit
für mechanische Verfahren und Injektionsverfahren wie folgt überprüft werden (Balak
2014):
Dv − D n
W= ×100
Dv
Ein WTA-Merkblatt über die elektrophysikalischen Verfahren existiert nicht und wird ver-
mutlich in absehbarer Zeit auch nicht veröffentlicht. Es gibt daher keine Möglichkeit den
Nachweis der Wirksamkeit der elektrophysikalischen Verfahren nach WTA zu führen bzw.
zu vereinbaren. Die vorgenannten Beurteilungskriterien für die mechanischen Verfahren
und Injektionsverfahren sind nicht anwendbar, da nach bisherigen Erkenntnissen die fest-
gelegte notwendige Wirksamkeit aus technischen Gründen ohnehin nicht erreicht wird.
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Bauteiltrocknung in der Altbausanierung
8
Jürgen Weber
8.1 Vorbemerkung
J. Weber (*)
Leipzig, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 193
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_8
194 J. Weber
8.2 Austrocknungszeit
Allerdings handelt es sich hierbei um einen sehr grob geschätzten Wert, welcher nur die
Beurteilung zulässt, ob eine technische Bautrocknung wirtschaftlich bzw. aus Gründen der
Nutzung notwendig ist.
8QVFKlGOLFKNHLWVJUHQ]H
*OHLFKJHZLFKWVIHXFKWH
:DVVHUJHKDOWHLQHV
EDXIHXFKWHQ
DXVWURFNQHQGHQ
%DXWHLOVDOV)XQNWLRQ
GHU=HLWVFKHPDWLVFK
=HLW
8 Bauteiltrocknung in der Altbausanierung195
Beispiel:
Wann trocknet eine 60 cm dicke Mauerwerkswand aus Ziegeln, ohne technische Bau-
trocknung bis auf den praktischen Feuchtegehalt aus?
T = 0,28 × 60² = 1008 Tage = ~ 3 Jahre
8.3 Planung
nicht erreicht wird. Durch eine angemessene Bauüberwachung der Maßnahme kann zeitnah
auf ungeplante Verläufe der Bautrocknung sachgerecht eingewirkt werden.
• Kapillarleitung
• Oberflächendiffusion und
• Dampfdiffusion
statt. Bei Baustoffen, welche kein starres Porengefüge haben (z. B. Kunststoffe,) findet
aufgrund von Anlagerung der Wassermoleküle an die polymeren Makromoleküle eine
Lösungsdiffusion statt. Die Lösungsdiffusion ist in der Bauteiltrocknung aber ohne
Bedeutung.
Mögliche Methoden zum Trocknen von Bauteilen, Gebäudebereiche sind:
• Lüftung (Fensterlüftung) mit und ohne Ventilatoren (Abb. 8.2) sowie Heizung
• Luftentfeuchtung mit Trocknungsgeräten mit und ohne Ventilatoren und Heizung
• Aufheizung der Bauteile mit Infrarotflächenheizern (30–60 °C) oder Mikrowellenver-
fahren
• thermisch-konvektive Trocknung (Aufheizung mit Heizstabtechnik)
• Trocknung durch Luft einblasen mit Mikrodüsen
• provisorische Sockelheizung
• Einleitung von Luft in den Keller aus beheizten Obergeschossen
• Provisorische Sockelheizung
Abb. 8.2 Ventilator zur Erhöhung der Luftzirkulation ohne (Bild a) und mit Kondensattrockner
(Bild b)
8 Bauteiltrocknung in der Altbausanierung197
• dem Umfang der Feuchtebelastung, welche zum einen aus der Dauer der Wasserein-
wirkung und dem vorhandenen hydrostatischen Druck in der Einwirkzeit resultiert.
• dem Saugverhalten und die stoffliche Zusammensetzung der Bauteile (Abb. 8.3 und 8.4).
• dem notwendigen Abtrocknungsgrad vom Bauteil, in Bezug auf die geplante Nutzung.
Der notwendige Zeitraum für eine Abtrocknung bis auf die Sorptions- bzw. Ausgleichs-
feuchte von Bauteilen im Bestand wird sehr häufig unterschätzt. Nach Beseitigung der
Feuchteursache ist eine merkliche Abtrocknung von durchfeuchteten Bauteilen innerhalb
von 2 Jahren ist nur bei optimalen Bedingungen oder durch Maßnahmen einer technischen
Bautrocknung möglich.
zu beachten. Will man die einzelnen Bedingungen auf eine zunehmende zeitliche Beein-
flussung grob einschätzen, ergibt sich nachfolgendes Bild:
Die Abtrocknungszeit der Bauteile wird im Wesentlichen durch die hauptsächlich ver-
wendeten Baustoffe bestimmt. Grob kann dabei wie folgt ausgegangen werden, wenn
gleiche oder ähnliche Randbedingungen vorliegen:
ƚĞĐŚŶŝƐĐŚĞdƌŽĐŬŶƵŶŐ
/ŶĚŝƌĞŬƚĞĂƵƚĞŝůƚƌŽĐŬŶƵŶŐĚƵƌĐŚ ĚŝƌĞŬƚĞĂƵƚĞŝůƚƌŽĐŬŶƵŶŐ
ZĂƵŵůƵŌƚƌŽĐŬŶƵŶŐ
Ein Bauteil kann nur bis zur Sorptionsfeuchte bzw. Ausgleichsfeuchte ohne Zwang
abtrocknen. Die Ausgleichsfeuchte wird auch vereinzelt Gleichgewichtsfeuchte genannt.
Alle mineralischen Baustoffe nehmen aus der Umgebungsluft mehr oder weniger Wasser
in gasförmiger Weise auf und geben dieses auch wieder unter bestimmten Randbedingun-
gen an die Umgebungsluft ab.
Je nach Materialeigenschaften, Temperaturbedingungen und Feuchtegehalt der Umge-
bungsluft sowie des Baustoffes stellt sich ein Gleichgewicht zwischen der Aufnahme
von Wasserdampf und der Abgabe von Wasserdampf an die Luft ein. Zu jeder Bauteil-
und Lufttemperatur, unter Beachtung der entsprechenden Luftfeuchte, gehört somit ein
bestimmter Feuchtegehalt des mineralischen Baustoffes.
Es kann unter Zuhilfenahme von Trocknungsmaßnahmen ein Bauteil aus minerali-
schen Baustoffen unterhalb der zu erwartenden Sorptionsfeuchte bzw. Ausgleichsfeuchte
bei sonst üblicher Nutzung abgetrocknet werden. Nach Wiederherstellung der üblichen
Randbedingungen im Nutzungszeitraum wird infolge des Feuchteausgleiches zwischen
umgebender Außen- und Raumluft und dem Bauteil ein Feuchteanstieg in diesem bis zur
Ausgleichs- bzw. Sorptionsfeuchte zwangsläufig wieder erfolgen.
Durch veränderte bauphysikalische und konstruktive Randbedingungen im und am
Bauteil können die Feuchtebelastungen im Bauteil im Einzelfall reduziert werden. Gleich-
falls kann der Zeitraum einer Abtrocknung bis in den Bereich der Ausgleichs- bzw. Sorp-
tionsfeuchte wie folgt positiv beeinflusst werden:
• die Ausgänge der Kapillaren müssen offen sein (z. B. Oberfläche sandstrahlen)
• das Wasserdampfdruckgefälle muss möglichst groß sein (z. B. Klimatisierung)
• der Wasserdampfübergang an der Oberfläche ist zu optimieren (z. B. Luftzirkulation an
der Bauteiloberfläche)
Eine merkliche Verkürzung des Abtrocknungszeitraumes von Bauteilen bis zur Aus-
gleichsfeuchte kann schon dadurch erfolgen, dass vorhandene Putzschichten von den
betreffenden Wänden entfernt und die Bauteil- bzw. Mauerwerksoberflächen zusätzlich
gesandstrahlt werden.
Jede Farb- oder Putzschicht verzögert die Abtrocknung von Mauerwerkswände, da
sie immer einen Diffusionswiderstand darstellt. Abhängig von der Materialart und der
Schichtendicke führt dies zu einer Verlangsamung des Trocknungsprozesses. Gipsputze
sollten grundsätzlich entfernt werden, weil der Gips den Wasserdampftransport erheblich
behindert.
8.5 Trocknungstechnik
Der Oberbegriff für die unterschiedliche technische Verfahren zur Entfeuchtung bzw.
Austrocknung von Baustoffen, Bauteilen und ganzer Gebäudeteile ist die „technische
Bautrocknung“.
200 J. Weber
Die Festlegung des jeweiligen Trocknungsverfahrens ist abhängig von dem definier-
ten Ziel, den materialspezifischen, den baulichen sowie den bauphysikalisch örtlichen
Gegebenheiten.
Grundsätzlich sind 4 Trocknungsverfahren bekannt:
Die direkte Bauteiltrocknung ist neben der Luftentfeuchtung zur Mauerwerks- bzw. Bau-
teiltrocknung ebenfalls ein gebräuchliches und weit verbreitetes Verfahren (Tab. 8.3). Die
Trocknung erfolgt durch Zuführung von elektromagnetischer oder thermischer Strahlung
202 J. Weber
a b
Abb. 8.6 (a, b) Vor- und Rückseite vom Kondenstrockner. (Trotec GmbH & co., Heinsberg)
und/oder durch Abführung der mit Feuchte angereicherten Luft aus einem Hohlraum in
einer durchfeuchteten Konstruktion.
Die Heizplatten (in der Regel Infrarotflächenstrahler) können zu Beginn der Trock-
nungsmaßnahme für einige Tage eingesetzt werden. Die Heizplattentechnik ist in ihrer
8 Bauteiltrocknung in der Altbausanierung203
Strahlungstrocknung
Anwendung nur bei Baustoffen mit hoher Porosität und einem ausreichend vorhandenen
Kapillarsystem (z. B. Mauerwerk) sinnvoll einsetzbar. Bei Baustoffen mit geschlossenen
Strukturen und sehr kleinen Kapillaren (z. B. Beton) sollten andere Trocknungsmöglich-
keiten ausgewählt werden (Abb. 8.10).
Der beginnende Trocknungsprozess in einem Bauteil wird durch die Heizplatten erheb-
lich beschleunigt. Eine weiterführende Trocknung bis zum Erreichen der Sorptions- und
Ausgleichsfeuchte über den Bauteilquerschnitt sollte nur im Einzelfall mit der Heizplat-
tentechnik erfolgen.
Vielmehr kann mittels einer angepassten Fensterbelüftung und gleichzeitig möglichst
hohen Raumlufttemperaturen eine weitere Abtrocknung im Bauteil erfolgen. Wirtschaft-
licher, planmäßiger und von Personen unabhängiger ist nach dem Einsatz der Heizplatten-
technik eine Luftentfeuchtung mit entsprechenden Trocknungsgeräten.
Die Heizplattentechnik hat gegenüber der Mikrowellentechnik den Vorteil, dass die
Sicherheits- und Arbeitsschutzanforderungen wesentlich geringer sind. Der Nachteil der
Heizplattentechnik besteht darin, dass die Differenz zwischen der sehr hohen Oberflä-
chentemperatur und der geringen Temperaturen im Bauteilquerschnitt zu unkontrollier-
baren Spannungen führen kann.
Bei der Mikrowellentrocknung werden die im Baustoff vorhandenen Wassermoleküle
mittels einer elektromagnetischen Strahlung in Schwingung versetzt (Abb. 8.11). Die
erwärmten Wassermoleküle gehen in die Gasphase und der Wasserdampf tritt aus dem
Bauteil aus. Eine zusätzliche Durchlüftung oder ein Anblasen der Bauteiloberflächen ist
nicht notwendig.
Der Vorteil der Mikrowellentrocknung besteht darin, dass eine punktuell genaue und
vor allem schnelle Trocknung von massiven Bauteilen erfolgen kann. Der Nachteil dieser
Trocknungstechnik muss darin gesehen werden, dass ein hoher Aufwand zur Einhaltung
des Arbeitsschutzes notwendig ist und ein wirtschaftlicher Einsatz nur bei eingegrenz-
ten Feuchtebereichen in den Bauteilen möglich ist. Außerdem sind nur spezialisierte
Abb. 8.11 Wandtrocknung
im Mikrowellenverfahren
(Michael Resch, Wasserburg)
Sind Baustoffe zu trocknen, welche einen hohen Luftporenanteil oder gipshaltig sind, so
ist eine Trocknung mit besonderer Vorsicht notwendig. Um das chemisch gebundenes
Wasser nicht aus dem Baustoff auszutreiben, ist die Bauteiltemperatur von maximal 40 °C
abzusichern. Dies betrifft zum Beispiel gipshaltige Stoffe.
Die thermisch-konvektive Trocknung (Heizstabtechnik) mit oder ohne Unterstützung
durch Druckluft wird vor allem in der Entfeuchtungspraxis von Mauerwerk angewendet
(Abb. 8.12 und 8.13). Das Mauerwerk wird in einem vorher festgelegten Raster mit Bohr-
löchern versehen. Der Bohrlochabstand kann bis zu 50 cm betragen. Die Bohrlochtiefe
sollte mindestens über die Mitte des Wandquerschnittes hergestellt werden. Die Heizstäbe
werden in die Bohrlöcher eingebracht und das Mauerwerk sollte aus brandschutztechni-
schen Gründen nicht über 85 °C aufgeheizt werden. Um eine Überhitzung des Bauteiles
zu verhindern, sind Heizstäbe zu verwenden, bei denen die Höchsttemperaturen einstell-
bar sein.
8 Bauteiltrocknung in der Altbausanierung207
'UXFNOXIW
6WURPTXHOOH
6WURPTXHOOH
%LOGD(QWIHXFKWXQJPLW+HL]VWlEHQ %LOGE(QWIHXFKWXQJPLW+HL]VWlEHQXQG'UXFNOXIW
Abb. 8.12 thermisch-konvektive Trocknung mit und ohne zusätzliches Einblasen von Druckluft.
(Balak 2008/ ÖNorm 2017)
a b
In der Baupraxis wird das Lufteinblasverfahren immer mehr angewendet. Durch das Ein-
blasen von trockener, vorgewärmter Luft mittels Heizpacker, Gebläse und Luftverdichter
in das Bauteil wird eine Trocknung über den Bauteilquerschnitt herbeigeführt. Nach der
jeweiligen Bauteilbeschaffenheit werden in einem Abstand von 10–24 cm Bohrlöcher in
das Mauerwerk gebohrt. In die Bohrlöcher werden Mikrodüsen bzw. Heizpacker instal-
liert, aus welchen dann die Luft zur Entfeuchtung des Mauerwerks in die Bohrlochkanäle
gepresst wird. Effektiv ist dieses Verfahren dann, wenn eine hohe Feuchtebelastung des
Mauerwerkes vorhanden ist und zudem eine nachträglich einzubauende Horizontalsperre
im Injektionsverfahren geplant ist. Dann können die für die Trocknung bereits hergestell-
ten Bohrlöcher für den Einbau der Horizontalsperre mit genutzt werden.
Eine Bauteiltrocknung kann ebenfalls durch eine provisorische Sockelheizung erfol-
gen. Bei diesem Verfahren wird die natürliche Trocknung der Wände beschleunigt. Ein
Fußbodenheizungsrohr aus geeigneten Material wird mit Nagelschellen im Bereich des
Wandsockels angebracht und mit Warmwasser beschickt. Das Verfahren ist eingeschränkt
nutzbar, da es nur wirtschaftlich eingesetzt werden kann, wo eine funktionstüchtige Zent-
ralheizung vorhanden ist und der zeitliche Abtrocknungsprozess unbedeutend ist.
Theoretisch bekannt und als sonstige Verfahren einzustufen sind:
Eine technische Trocknung kann vor und nach einer Sanierungsmaßnahme sinnvoll oder
notwendig werden. Die Entscheidung ist immer im Einzelfall abhängig von
8 Bauteiltrocknung in der Altbausanierung209
0RQDWH
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0RQDWH
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'XUFKIHXFKWXQJVJUDGLQ
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-DKUH
-DKUH
-DKUH
:DQGGLFNHLQFP
Abb. 8.15 Entlüftungsanlage auf Basis absoluter Feuchtegehalte der Außen- und Innenluft (ZILA
GmbH, Suhl)
Die qualitative und quantitative Salzbelastung eines Bauteiles wirkt sich auf die Höhe
der Sorptions- bzw. Ausgleichsfeuchte von dem Bauteil aus. Dabei sind die hygroskopi-
schen Eigenschaften der jeweilig vorhandenen Salze unterschiedlich. Nitrate sind zum
Beispiel höher hygroskopisch als Sulfate. Daher ist die Ausgleichsfeuchte des Bauteiles
bei dem Vorhandensein von Sulfaten entsprechend geringer.
Die nach einer erfolgreich erstellten Bauwerksabdichtung sich einstellende Ausgleichs-
feuchte in dem sanierten Bauteil kann nicht geringer als die Sorptionsfeuchte durch die
tatsächliche Salzbelastung werden. Abgesehen von einer zeitbegrenzten Einflussnahme
ändert auch der Einsatz einer technischen Trocknung des Mauerwerkes an diesem Sach-
verhalt nichts.
Der Versalzungsgrad eines Bauteils wirkt sich bei sehr grober Schätzung proportional
zum hygroskopischen Verhalten aus. Je größer der Versalzungsgrad, umso höher ist die
Ausgleichsfeuchte. Um ein definiertes und vor allem erreichbares Trocknungsziel über-
haupt ermitteln zu können ist eine Untersuchung der Salzbelastungen und die Einschät-
zung des möglichen Abtrocknungsgrad notwendig.
Ohne dass eine technische Trocknung erfolgte oder eine nachträgliche Abdichtung
eingebaut ist, kann die Feuchtebelastung durch veränderte Randbedingungen im und am
Bauteil im Einzelfall reduziert werden. Bei der Planung und Ausführung von Sanierungs-
maßnahmen sind diese Effekte zu beachten und einzukalkulieren.
In Keller- oder Souterrainbereichen mit geplanter hochwertiger Nutzung oder zur Lagerung
von feuchteempfindlichen Gütern ist ein möglichst trockenes Raumklima erforderlich.
Um die notwendigen Nutzungsbedingungen zu erfüllen, macht sich vielfach eine sen-
sorgesteuerte Klimaanlage notwendig. An einer computergestützten Klimaanlage werden
jeweils Sensoren im Innenraum und im Außenbereich angeschlossen. Die gemessenen
absoluten Luftfeuchten In der Innen- und Außenluft werden in der Klimasteuerung ver-
glichen und entsprechend der Verhältnisse ein sinnvoll kontrollierter Luftaustausch in
den Keller- bzw. Souterrainräumen, von Personen unabhängig, ausgeführt. Nur so kann
ein optimales Raumklima bezüglich geringer Feuchtegehalte der Luft in den jeweiligen
Räumen erreicht werden.
Ein weiterer Effekt ist, dass durch die automatische Raumentfeuchtung die raumbe-
grenzenden Bauteile schneller abgetrocknet werden, als dies mit einer Fensterlüftung
überhaupt ansatzweise möglich ist.
Außerdem sollten Baustoffe oder Bauteile entfernt werden, die ein hohes Risiko von
mikrobiellen Befalles aufweisen. Dies ist zum Beispiel bei Gipskartonbauplatten oder
ökologischer Dämmstoffe der Fall.
Alle Verfahren der indirekten und direkten Bauteiltrocknung können, unter Beachtung
der jeweiligen Vor- und Nachteile im Einzelfall und bei entsprechenden örtlicher und
konstruktiver Voraussetzung, eingesetzt werden.
Bei Holzbalkendecken ist die Hohlraumtrocknung nur dann anzuwenden, wenn ein
holzzerstörender Befall der tragenden und nichttragenden Konstruktion mit Sicherheit
auch zukünftig auszuschließen ist. Wenn keine oder eine ungenügende Überprüfung der
Deckenbalken auf holzschädigenden Befall erfolgt, verbleibt immer ein Risiko in Bezug
auf die Standsicherheit der Deckenkonstruktion.
Holzbalkendecken mit Lehmwickel sind grundsätzlich derart zu sanieren, dass die
Lehmwickel entfernt werden. Eine Trocknung solcher Decken ist weder wirtschaftlich,
noch ausreichend technisch sicher möglich.
Wenn Bauteile vermutlich oder tatsächlich mit einem mikrobiellen Befall beauf-
schlagt sind, müssen Trocknungstechniken zum Einsatz kommen, welche eine weitere
Verteilung der Schimmelpilzsporen in bisher nicht kontaminierte Bauteile, Räume und
Gebäudebereiche ausschließt. Das Saugverfahren ist in diesen Fällen zu planen und
auszuführen.
Bei „schwimmenden“ Estrichen ist eine zielgerichtete Luftströmung in der Dämm-
stoffschicht abzusichern, um eine Austrocknung in allen Bereichen zu erreichen. Hierfür
können verschiedene Überdruck-, Unterdruck- oder Saugverfahren angewendet werden
(Abb. 8.16). Bei schwimmenden Estrichen reicht eine Aufstellung von Entfeuchtungsge-
räten, welche über die Estrichoberfläche den Estrich austrocknen sollen, nicht aus. Nur bei
Verbundestrichen oder bei Estrichen auf Trennlage ist die Aufstellung von Entfeuchtungs-
geräten technisch und wirtschaftlich sinnvoll.
Abb. 8.16 Estrichtrocknung
8 Bauteiltrocknung in der Altbausanierung213
Dabei ist eine Skizze über die Lage der Messpunkte anzufertigen.
Die Messgeräte sind während der Kontrollmessungen nicht auszuwechseln. Anderen-
falls können die Trocknungsverläufe verfälscht werden. Messgeräte mit verschiedenen
Wirkprinzipien sind bei den Kontrollmessungen im gesamten Trocknungszeitraum nicht
zu verwenden. Ergebnisse von Messgeräten mit verschiedenen Wirkprinzipien können
nicht technisch sicher im Zusammenhang ausgewertet werden.
Bei Messungen der Feuchtebelastung von Bauteilen sind fehlerhafte Handhabungen
und Manipulationen von und an Messgeräten auszuschließen. Beispielhaft ist an einem
niederfrequenten Messgerät darauf zu achten, dass die Handführung am Sensor bei jeder
Messung gleich ist.
Bei abgeschlossener Bautrocknung ist das Protokoll der Abschlussmessung mit den
entsprechenden Messergebnissen und den Skizzen dem Auftraggeber als Nachweis des
Erfolges in Kopie übergeben werden. Die Originale der Messprotokolle sollten mindes-
tens bis einen Monat nach Ablauf der Gewährleistung archiviert werden.
Abb. 8.17 Kontrollmessung
mittels Widerstandsmessver-
fahren
214 J. Weber
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Nachträgliche mechanische
Horizontalsperre 9
Uwe Wild
Bei den mechanischen Verfahren wird das Mauerwerk in der vom Fachplaner festgelegten
Dichtungsebene mechanisch getrennt und im Anschluss eine wasserundurchlässige Sperr-
schicht eingebaut. Die einzelnen Verfahren untergliedern sich einerseits nach der Art und
Weise der mechanischen Trennung sowie andererseits nach der Materialart der einzubau-
enden Sperrschicht.
Man spricht von einstufigen Verfahren, wenn der Einbau der Sperrschicht im gleichen
Arbeitsgang zusammen mit der „Öffnung“ des Mauerwerks erfolgt (z. B. Blecheinschlag-
verfahren). Die Verfahren, bei denen zwei getrennte Arbeitsschritte für die Öffnung und
für den Einbau der Sperrschicht notwendig sind, werden den zwei- oder mehrstufigen Ver-
fahren zugeordnet (z. B. Sägeverfahren).
Die mechanischen Verfahren zum nachträglichen Einbau als Horizontalsperre haben
gegenüber den Mauerwerksinjektionen einen entscheidenden Vorteil.
Selbst bei umsichtiger und sorgfältiger Herangehensweise ist bei den Mauerwerks-
injektionen eine direkte Kontrolle der Funktionstüchtigkeit zum Zeitpunkt der Bauaus-
führung bzw. zur Abnahme nicht möglich. Beim Injektionsverfahren können der Ausfüh-
rende und der Bauüberwacher lediglich die technischen Parameter, wie beispielsweise den
Bohrlochabstand, -tiefe Anstellwinkel sowie die Anordnung der Bohrlochketten, durch
Inaugenscheinnahme kontrollieren und die erforderlichen Randbedingungen und Grund-
voraussetzungen, wie beispielsweise Kenndatenermittlung und Vortrocknung, schaffen.
Eine Kontrolle der Verteilung des Injektionsmittels im Baustoff als Sperrschicht und
U. Wild (*)
Sachverständigenbüro für Baudiagnostik
Brandis, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 215
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_9
216 U. Wild
Die Mechanischen Verfahren sind durch den vollflächigen Einbau einer durchgehen-
den Sperrschicht gekennzeichnet. Um die Sperrschichten einbauen zu können, wird die
betreffende Wand zunächst horizontal gesägt, gefräst, gebohrt oder Teile des Mauerwerks
manuell entnommen und nach dem Einbau der Sperrlagen wieder verpresst oder wieder
mit Mauerwerk kraft- und formschlüssig vervollständigt.
Die Mechanischen Verfahren werden wie folgt grob eingeteilt:
Die Mechanischen Verfahren unterteilen sich nach der jeweiligen Einbauweise der Abdich-
tung sowie nach den verwendeten Werkzeugen und Materialien der Sperrlagen (Tab. 9.1).
Die einzelnen mechanischen Verfahren sind je nach den anzutreffenden örtlichen Gege-
benheiten mit der Zielstellung einer durchgehenden Sperre zu erstellen. Im Einzelfalle
kann auch eine Kombination mit einem Injektionsverfahren zweckmäßig sein. Die Anwen-
dung von verschiedenen Verfahren kommt beispielsweise dann infrage, wenn die Zugäng-
lichkeit bei schwierigen geometrischen Gegebenheiten nicht uneingeschränkt möglich ist
oder verschiedene Abdichtungsebenen miteinander verbunden werden müssen.
Bei dünneren, nicht tragenden, Wänden kann der Abbruch und die Neuerstellung der
Wand unter Umständen kostengünstiger sein als der nachträgliche Einbau einer (mecha-
nischen) Horizontalsperre. Welche Wände schlussendlich mit den verschiedenen Verfah-
ren bearbeitet werden, hat der Fachplaner auf der Grundlage der Kenndatenermittlung
(s. Abschn. 9.4.2 „Vorbereitungsphase (Bauzustandsanalyse)“) zu entscheiden.
9.3.2 Schneide-Sägeverfahren
Hierbei wird der Wandbildner mit Seilsägen, Kettensägen, Fräsen oder mit Schwertsägen
abschnittsweise horizontal aufgesägt (Abb. 9.1, 9.2, 9.8, 9.9, 9.10, 9.11, 9.12). Die Größe
der einzelnen Sägeabschnitte legt der Fachplaner unter Berücksichtigung der örtlichen Gege-
benheiten fest. Hierbei spielt auch die Homogenität des zu bearbeitenden Wandbildners eine
wesentliche Rolle. Oftmals müssen die Planungsvorgaben, je nach den vor Ort gewonnenen
Erkenntnissen, während des Sägevorganges nochmals den Bedingungen des Mauerwerks
entsprechend angepasst werden.
Um ein „Nachrutschen“ von einzelnen Mauerwerksteilen zu vermeiden, ist nicht selten
eine vorgeschaltete Verpressung des Mauerwerks mit Zementsuspension vor den Schnei-
dearbeiten notwendig.
Nach dem Sägevorgang innerhalb eines Abschnittes ist es oft notwendig, einzelne
Mauerwerks und Mörtelteilschen aus dem Sägeschlitz zu entfernen, um die Sperrbahnen
einlegen zu können. Hierzu bedient sich der Ausführende des sogenannten Räumschwer-
tes (Abb. 9.13).
Tab. 9.1 Mechanische Verfahren und ihre Anwendungsgrenzen
Nach Herstellung eines durchgängigen Sägeschlitzes und Beseitigung von störenden Mauer-
werksteilchen werden die Sperrbahnen sukzessive in die aufgesägte Wand eingeschoben und
nach den Vorgaben des WTA-Merkblattes 4-7-15/2015 ausreichend überlappt (Abb. 9.2).
Die „Einbettung“ der Sperrlagen auf einem Mörtelbett ist bei den Schneide- und Säge-
verfahren technologisch zweckmäßig – baupraktisch aber nicht durchführbar.
Unmittelbar nach dem Einbau der Sperrbahnen werden Keile eingetrieben, um Setzungser-
scheinungen und damit verbundene Rissbilder im Mauerwerk sicher zu vermeiden (Abb. 9.3).
Zug um Zug werden so die Wände aufgesägt, Sperrlagen eingebaut und zum Zwecke
der Lastabtragung ausreichend verkeilt. Im Anschluss erfolgt die Verpressung des offenen
Sägeschlitzes mit einem Quellmörtel, schwindarmen Zementmörtel (MG III) oder
schwindfreien Sperr- bzw. Dichtmörtel. Hierbei sind Hohlräume unbedingt zu vermeiden
(Abb. 9.4, 9.14, 9.15).
Bei der Planung einer Horizontalsperre im Schneide- und Sägeverfahren ist unter
anderem zu beachten, dass die Zugänglichkeit des Mauerwerks und die notwendige Bau-
freiheit von beiden Seiten der Wand gegeben ist.
9 Nachträgliche mechanische Horizontalsperre223
Die Schneide- und Sägeverfahren werden nochmals in zwei Gruppierungen nach der
Art der Schneidwerkzeuge (in widiabestückte und diamantbestückte Werkzeuge) klas-
sifiziert (s. Abb. 9.40). Die beiden wesentlichsten Unterschiede werden im Folgenden
dargestellt:
Widiabestückte Werkzeuge
• Die widiabestückten Werkzeuge sind kostengünstiger als Diamantwerkzeuge, was sich
in der Kalkulation des Einheitspreises spürbar bemerkbar macht. Des Weiteren ist kein
Kühlwasser notwendig, was die Gefahr der Aktivierung von Schadsalzen von vorn-
herein ausschließt.
• Die zu bearbeitende Wanddicke ist mit Widiawerkzeugen bis auf ca. 1,20 m beschränkt.
Im Einzelfall kann von beiden Seiten eingeschnitten und so die zu bearbeitende Wand-
dicke noch entsprechend erweitert werden. Letzteres ist allerdings oftmals mit Schwie-
rigkeiten verbunden, da schon bei geringen Versätzen der beidseitigen Sägeschnitte die
224 U. Wild
Sperrlagen nicht eingebracht werden können. Je dicker die zu bearbeitende Wand ist,
umso größer sind der handwerkliche und finanzielle Aufwand.
• Eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz von Widiawerkzeugen ist eine durchge-
hende Lagerfuge. Unregelmäßiges Natursteinmauerwerk stellt die Anwendungsgrenze
dieses Verfahrens dar. Schwierigkeiten treten erfahrungsgemäß auch dann auf, wenn
der Mörtel der Mörtelgruppe MG III zuzuordnen ist.
Diamantbestückte Werkzeuge
• Wanddicken bis 2 m sind bei historischen Bauwerken keine Seltenheit. An alten Gebäu-
den ist Naturstein als einer der ältesten und bewährten Baustoff immer wieder anzutref-
fen. Die Steine, ob Granit, Sandstein oder Porphyr, sind höchstens grob behauen und
als Bruchstein-, Zykloben- und Findlingsmauerwerk zusammengefügt. Eine durchge-
hende horizontale Lagerfuge ist bei diesen Mauerwerksarten naturgemäß nicht vorhan-
den. Da Wasser auf dem Kapillarweg insbesondere über das Fugennetz im Wandbildner
aufsteigt, ist eine Horizontalsperre dennoch notwendig. Hier kommen diamantbestücke
Werkzeuge zum Einsatz (Abb. 9.6), welche den Wandbildner unabhängig vom Fugen-
verlauf auftrennen können. Das Verfahren kann auch unabhängig von der Mörtelgruppe
des Mauermörtels eingesetzt werden.
• Die Anwendung von Diamantwerkzeugen ist jedoch aufgrund des Werkzeugeinsatzes
kostenaufwendiger als der Einsatz von widiabestückten Werkzeugen. Trockenschnitt
ist aus baupraktischer Sicht nicht möglich, da im unmittelbaren Schnittbereich Wasser
zur Kühlung, Staubbindung und zum Abtransport von Sägemehl erforderlich ist. Eine
Bautrocknung als abschließende Maßnahme kann aufgrund des Feuchteeintrages durch
Kühlwasser eventuell erforderlich sein. Der Sägeschnitt könnte rein theoretisch auch
ohne Wasserzuführung erfolgen, jedoch müssten ein enorm kostenintensiver Werk-
zeugverschleiß sowie eine erhebliche Staubbildung hingenommen werden.
9 Nachträgliche mechanische Horizontalsperre225
Leider wird aus Sicht des Autors beim Aufstellen von Planungsvorgaben und Leistungs-
verzeichnissen der möglichen Klassifizierung von widiabestückten und diamantbestück-
ten Werkzeugen viel zu wenig Beachtung geschenkt. Für den Ausführenden hingegen ist
die Art des Werkzeugeinsatzes neben dem Lohnanteil von großer Bedeutung, unterschei-
det sich doch der finanzielle Aufwand erheblich.
Bedauerlicherweise überlässt nicht selten der Planer schlussendlich die Entscheidung
über den Einsatz von widia- oder diamantbestückten Werkzeugen allein dem Ausführen-
den. Völlig abweichende Preisangaben zwischen den einzelnen Bietern sind dann nicht
mehr verwunderlich, wenn der Planer allgemein ein Sägeverfahren ausschreibt, ohne
darauf einzugehen, ob trocken mit widiabestücktem oder nass mit diamantbestücktem
Schneidewerkzeug gearbeitet werden soll (Abb. 9.7).
Es wurden in der Vergangenheit bereits Mauerdicken von mehreren Metern erfolgreich
gesägt. Eine allgemein gültige maximal zu bearbeitende Mauerdicke kann naturgemäß nicht
benannt werden, da der Mauerwerksaufbau, die Mauerwerksfestigkeit sowie die örtlichen
Gegebenheiten entscheidenden Einfluss auf die Durchführbarkeit und auf den notwendigen
Aufwand der Sägearbeiten haben. Die in der Altbausanierung üblicherweise zu bearbeiten-
den Wanddicken stellen für die Schneide- und Sägeverfahren in der Regel kein Problem dar.
Die Sägeverfahren werden seit ca. 100 Jahren zum nachträglichen Einbau von wasser-
undurchlässigen Sperrschichten erfolgreich angewendet.
Zur Anwendung der Schwertsäge (Kettensäge) mit Wideawerkzeugen ist eine durchge-
hende Lagerfuge notwendig. Dies ist bei Ziegelmauerwerk in der Regel gegeben, weshalb
die Schwertsäge fast ausschließlich bei Ziegelmauerwerk zum Einsatz kommt.
226 U. Wild
Je nach den Eigenschaften der verwendeten Ziegel können mit Wideawerkzeugen even-
tuell in partiellen Kleinstbereichen auch einzelne Steine geschnitten werden (Abb. 9.16).
Wenn zum Beispiel die Horizontalsperre aufgrund des Fußbodenniveaus in der Ein-
bauhöhe variiert, müssen zur Vermeidung von „Feuchtebrücken“ vertikale Verbindungen
de Sägeebenen geschaffen werden. Bedingt durch den Mauerwerksverband sind jedoch
keine vertikalen durchgehenden Fugen vorhanden. Im Einzelfall kann in Abhängigkeit der
verwendeten Ziegelsteine das Durchschneiden einzelner Steine mit der wideabestückten
Schwertsäge erfolgen. Dies ist jedoch nicht generell möglich, weshalb ein Probeschnitt
zur Beurteilung der Durchführbarkeit erfolgen muss.
Mit Blick auf den handwerklichen Aufwand und den Werkzeugverschleiß wird dies nur
in Ausnahmefällen für begrenzte Teilbereiche empfohlen, um zusätzlichen Aufwand für
ein zweites Verfahren (Transport-, Einrichte- und Vorhaltekosten) zu vermeiden.
Schwert- und Kettensägen mit diamantbestückten Werkzeugen können auch ohne
durchgehende Lagerfuge angewendet werden. Das Schneiden von Mauersteinen ist bei
dieser Verfahrensweise ohne Weiteres möglich.
Das Schneiden mittels Diamanttrennscheibe erfolgt mit einer Sägevorrichtung, wie sie
beim Sägen von Beton zur Anwendung kommt. Dabei handelt es sich um eine Wandsäge,
welche durch an der Wand befestigte Schienen geführt wird und mit einem Diamantsäge-
blatt bestückt ist (Abb. 9.17).
In der Regel wird mit einer kleineren Diamanttrennscheibe (z. B. Durchmesser 800 mm)
vorgeschnitten und direkt im Anschluss mit einer größeren Trennscheibe (z. B. Durchmes-
ser 1200 mm) nachgeschnitten. Das Vorschneiden des Wandbildners mit einem kleineren
Sägeblatt ist erforderlich, um den benötigten Platzbedarf in der Wand für die anschlie-
ßende Montage des größeren Sägeblattes zu schaffen (Abb. 9.17a, b).
Das Abkeilen des Sägeschnittes kann jedoch erst zeitversetzt nach vollständigem
Aufschneiden durch Einsatz des größeren Sägeblattes erfolgen. Nach Einschneiden mit
dem kleinere Blatt verbleibt nur ein relativ geringer Wandquerschnitt zur Aufnahme der
230 U. Wild
Abb. 9.17 a und b Prinzipskizze vereinfacht dargestellte Funktionsweise beim Sägen mittels
Diamantsägeblatt. Das Verkeilen ist erst nach vollständigem Durchschnei- den des Mauerwerks
möglich (Gefahr von Grundbruch)
9.3.3 V-Schnittverfahren
Das Mauerwerk wird zunächst von einer Seite in einem Winkel von ca.10° bis 30° bis
ca. 3 cm über die Mittelachse der Wand hinweg eingeschnitten (s. Abb. 9.19a). Die Last-
abtragung erfolgt zu diesem Zeitpunkt im Regelfall allein über den auf der gegenüber-
liegenden Seite bestehenden Teil der Wand, welcher noch nicht aufgesägt ist. Hier kann
dennoch je nach Einzelfall erfahrungsgemäß eine Verkeilung notwendig sein. Vereinzelt
kam es in der Vergangenheit bei diesen Verfahren zum Grundbruch, da die Lastabtragung
aufgrund von vorhandener Inhomogenität in der Wand oder nach zu weitem Einschneiden
(mehr als ca. 3 cm über die Mittelachse hinaus) nicht gesichert war.
In den zunächst nur einseitig eingeschnitten Sägeschlitz wird ein quellfähiger Zement-
mörtel (Sperrmörtel) eingebracht, wobei Hohlräume zu vermeiden sind (Abb. 9.19b).
Nach ausreichender Erhärtung des Mörtels erfolgt das Einschneiden der gegenüberliegen-
den Wandseite, ebenfalls bis ca. 3 cm über die Mittelachse hinweg (s. Abb. 9.19c). Der
Sägeschlitz wird gleichfalls mit Sperrmörtel vergossen, sodass schlussendlich eine durch-
gängige Sperrschicht in der Wand vorhanden ist (Abb. 9.19d).
Grundvoraussetzung für die Anwendung des V-Schnittverfahrens ist, dass die betref-
fende Wand von beiden Seiten zugänglich ist. Problematisch sind deshalb Wandanschlüsse
(z. B. Anschluss zwischen Innenwand und Außenwand).
Des Weiteren ist der notwendige Arbeitsraum für die Sägetechnik bei der Planung einer
derartigen Maßnahme zu beachten.
Es sind keine durchgehenden Lagerfugen notwendig, da ohnehin nicht horizon-
tal, sondern schräg mit einem Anstellwinkel zwischen 10° und 30° in das Mauerwerk
geschnitten wird.
Es kommen diamantbestückte Trennscheiben zum Einsatz, welche durch die Zugabe
von Wasser beim Schneiden ausreichend gekühlt werden. Die Zugabemenge des Wassers
ist nach Möglichkeit auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Eventuell in
der Bausubstanz eingelagerte bauschädliche Salze können angelöst und wieder aktiviert
werden.
Eine technische Bautentrocknung kann im Nachgang erforderlich sein.
Abb. 9.25 Überlappung zweier Edelstahlplatten durch „Ineinandergreifen“. (Foto „Haböck &
Weinzierl GmbH“)
der Mitte des Wandquerschnittes eine Überlappung der beidseitig eingeschlagenen Platten
nicht mehr gegeben, womit ein gewisses Risiko hinsichtlich Feuchtebrücken einhergeht.
Bei Fugenversatz können eventuell beim Eintreiben der Bleche einzelne Steine auf der
gegenüberliegenden Wandseite herausgeschoben werden. Ein partielles Ausmauern der
entstandenen Fehlstellen ist in diesem Fall im Anschluss notwendig.
Sehr fester Mörtel in der Lagerfuge erschwert das Eintreiben der Bleche in die Wand,
was sich auf die Tagesleistung negativ auswirkt. Bei zu erwartenden Schwierigkeiten
beim Eintreiben der Bleche kann ein Vorbohren oder Vorschneiden mit Schwertsäge die
Arbeit wesentlich erleichtern. Durch Einarbeiten von Bohrlöchern ca. alle 5 bis 8 cm in
die Lagerfuge verringert sich der Widerstand, da zusätzlicher Verdrängungsraum zur Ver-
dichtung des Mauermörtels geschaffen wird.
Die Sicherung der Sperrebene im Bereich der Stöße erfolgt durch eine Mindestüber-
lappung von 2 cm.
Chromstahlplatten mit spitzer Vorderkante erleichtern das Eintreiben der Platten eben-
falls, da die Reibung an der entsprechend verringert wird.
Problematisch ist die Ausbildung von Ecken und Rundungen im Mauerwerk. Durch
die Profilierung der Platten ist eine Überlappung bei Richtungswechseln in Einzelfällen
erschwert oder sogar unmöglich (Abb. 9.27). Das bereits erwähnte Aufweiten der Fuge
durch Vorbohren hat sich auch bei Eckausbildungen bewährt (Abb. 9.26).
236 U. Wild
Tab. 9.2 Bezeichnung und chemische Zusammensetzung der Edelstahlplatten. (Nach WTA-Merk-
blatt 4-7-02/D (2002-12))
höchstens
1.4016 X8 Cr £ 0,10 £ 1,0 £ 1,0 15,5/17,5 – – –
17
1.4301 X5 £ 0,07 £ 1,0 £ 2,0 17,0/20,0 8,0/10,5 – N: £ 0,11
CrNi18-
10
1.4401 X5 £ 0,07 £ 1,0 £ 2,0 16,5/18,5 10,0/13,0 2,0/2,5 N: £ 0,11
CrNiMo
17-12-2
1.4436 X3 £ 0,07 £ 1,0 £ 2,0 16,5/18,5 11,5/14,0 2,5/3,0 –
CrNiMo
17-13-3
1.4571 X6 £ 0,10 £ 1,0 £ 2,0 16,5/18,5 10,5/13,5 2,0/2,5 Ti: 5 °C
CrNi- bis 0,70
MoTi
17-12-2
Ferner weisen die Chromstahlplatten einen gewellten Querschnitt auf und sind che-
misch und mechanisch beständig. Die Wellenlänge beträgt zwischen 35 bis 45 mm bei
einer Höhe von 5 mm. Die Dicke der Chromstahlplatten beträgt in der Regel 1,5 mm.
Durch die Profilierung wird ein Einknicken der Platten beim Eintreiben in den Wandbild-
ner verhindert.
Für die „Platzierung“ der Chromstahlbleche wird nach Möglichkeit oftmals die Lager-
fuge genutzt, welche bereits eine eventuell vorhandene Abdichtungsbahn enthält. Die
Nutzung der Fuge mit einer bereits vorhandenen Abdichtung hat den Vorteil, dass man
im Regelfall von einer durchgehenden Lagerfuge ausgehen kann, was eine Grundvoraus-
setzung zur Anwendung des Blecheinschlagverfahrens darstellt.
Das Eintreiben von Edelstahlblechen kann sowohl von innen als auch von außen erfol-
gen. Oftmals erfolgt das Einschlagen der Bleche im erdberührten Bereich aus dem Gebäu-
deinneren heraus, da dann der Platzbedarf in der Baugrube in der Regel nicht gewährleis-
tet ist. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass beim Eintreiben der Bleche von innen das
Mauerwerk im Bereich von Außenecken und angrenzenden Innenwänden nicht bearbeitet
werden kann. Der benötigte Arbeitsraum ergibt sich aus dem Maß der Wanddicke zuzüg-
lich der Länge des pneumatischen Einschlaggerätes (Abb. 9.28).
Beim Zuschneiden der Platten ist unter anderem auf die Wärmeentwicklung im Schnitt-
bereich zu achten. Beim Erreichen einer bestimmten Temperatur kommt es an der Schnitt-
kante zu bläulichen Verfärbungen und die Korrosionsbeständigkeit der Edelstahlplatten
wird beeinträchtigt. Gegebenenfalls sind partielle Verfärbungen im Schnittbereich sorgfäl-
tig abzuschleifen. Dabei ist durch die Wahl des Werkzeugs eine Erhitzung der Stahlplatten
zu vermeiden.
Die Sperrlagen aus Edelstahl müssen derart beschaffen sein, dass durch die mechani-
sche Beanspruchung beim Einschlagen die Korrosionsbeständigkeit nicht beeinträchtigt
wird.
Bei hohem Chloridgehalt, welcher im Rahmen der Voruntersuchungen halbquantita-
tiv zu ermitteln ist, sind ausschließlich widerstandsfähige hartgewalzte (salzresistente)
Chrom-Nickel-Molybdänstähle einzusetzen. Die Bestimmung des Salzgehaltes ist in
Abschn. 5.4.11 beschrieben.
Das Verfahren wird seit ca. 30 Jahren angewendet. Im Jahr 1975 wurde es unter der
Bezeichnung „H&W-Verfahren“ patentiert (Patent Nr. DE 2635597 C2). Die Buchstaben
H und W weisen auf die Nachnahmen der Entwickler, Herr Herwig Haböck und Herr
Bruno Weinzierl aus Österreich, hin. Das Verfahrenspatent ist nach 18 Jahren ausgelaufen.
Darüber hinaus wurde von den Entwicklern ein Europa-Patent für die bereits erwähn-
ten Chromstahlplatten mit spitzer Vorderkante (Euro-Patent Nr. 0544639), ein spezieller
Schlaghammer (Euro-Patent Nr. 0475932) sowie ein Schlageisen für schmale Mörtelfu-
gen (Patent Nr. AT 401 248 und DE 195 40 729) angemeldet.
Heute sind auch weitere abgewandelte Varianten des Verfahrens auf den Baustel-
len anzutreffen, welche sich im Wesentlichen in der Art der verwendeten Stahlble-
che und der Profilierung im Überlappungsbereich unterscheiden. Hier sollten jedoch
bei der Auswahl der Edelstahlplatten, wie bereits erwähnt, ausschließlich hartgewalzte
238 U. Wild
9.3.5 Maueraustauschverfahren
Das Mauerwerk wird in Teilbereichen Zug um Zug ausgewechselt und eine Sperrlage
(Kunststoffbahn oder Bitumenbahn) eingelegt und ausreichend überlappt. Die Größe der
zu bearbeitenden Teilabschnitte sind in Zusammenarbeit mit einem Statiker festzulegen.
Die Abdichtung wird auf einem Mörtelglattstrich aufgebracht und gemäß WTA-Merk-
blatt (WTA-MB 4-7-15/2015) mindestens 5 cm überlappt (s. Tab. 9.3).
Durch den Mauerwerksaustausch ist eine Beseitigung von eingelagerten Schadsalzen
zwangsläufig als positiver „Nebeneffekt“ zu verzeichnen. Der Gesamt-Salzgehalt wird
somit zumindest reduziert. Ebenso kann marodes Bestandsmauerwerk im Zusammenhang
mit der „Trockenlegungsmaßnahme“ entfernt bzw. ausgetauscht werden.
9 Nachträgliche mechanische Horizontalsperre239
Das Verfahren ist in finanzieller Hinsicht und mit Blick auf die handwerkliche Aus-
führung im Vergleich zu den anderen mechanischen Verfahren als relativ aufwendig
zu beurteilen. Aus denkmalpflegerischer Sicht wird die Beseitigung von historischem
Bestandsmauerwerk nur in Ausnahmefällen befürwortet. Das Maueraustauschverfahren
ist den mehrstufigen Verfahren zuzuordnen (Abb. 9.29 und Abb. 9.30).
9.3.6 Kernbohrverfahren
Bohrlöcher der 2. Serie mit Sperrmörtel ist eine durchgängige und vollflächige Sperr-
schicht in der Wand eingebracht (s. Abb. 9.31d).
Erschütterungen treten bei der Anwendung des Kernbohrverfahrens nicht auf. Des Wei-
teren kann das Verfahren unabhängig vom Fugenverlauf im Mauerwerk zur Anwendung
kommen, da durchgehende Lagerfugen nicht Voraussetzung sind. Da der Arbeitsablauf
mehrere Schritte umfasst, gehört das Kernbohrverfahren zu den mehrstufigen Verfahren.
Dieses Verfahren wird eher seltener und oftmals in Kombination mit anderen Verfahren
nur für Teilbereiche ergänzend angewendet. Das Kernbohrverfahren wird beispielsweise
partiell an Eckbereichen in Kombination mit anderen mechanischen Verfahren angewendet
oder kommt bei kleineren Abschnitten zu sperrender Mauerwerksquerschnitte in Betracht.
Wie bei allen Maßnahmen an Bestandsbauten sind auch bei einem geplanten Einbau
einer nachträglichen Horizontalsperre Voruntersuchungen notwendig. Für die allgemeine
Mauerwerksdiagnostik ist das WTA-Merkblatt 4-5-99/D (1999) heranzuziehen, welches
die anerkannten Untersuchungsmethoden darstellt. Die in dem genannten Merkblatt erläu-
terten Maßnahmen bilden das „Grundgerüst“ zur Bauzustandsanalyse. Hierzu sind Freile-
gungsmaßnahmen Bauteilöffnungen und Probeentnahmen unverzichtbar. Darüber hinaus
sind entsprechend dem vorgesehenen Verfahren weitere ergänzende Maßnahmen vorzuse-
hen, bzw. der Schwerpunkt der Untersuchungen ist unter Umständen auf die vorgesehene
Verfahrensweise und den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten auszurichten.
242 U. Wild
Von besonderer Bedeutung ist die Untersuchung und Beurteilung der Standsicherheit
(Abb. 9.32). Rissbildungen können mit einer genauen Untersuchung der Statik ausge-
schlossen oder zumindest die Wahrscheinlichkeit von Rissbildungen entsprechend mini-
miert werden. Leider waren in der Vergangenheit vereinzelt diesbezügliche Schäden zu
verzeichnen, welche aber immer auf eine unterlassene oder unzureichende Prüfung der
Standsicherheit ursächlich zurückzuführen waren.
Die Planung einer mechanischen Horizontalsperre basiert auf der Grundlage der Vorunter-
suchungen. Insbesondere sind die Hinweise und Empfehlungen des hinzugezogenen Sta-
tikers zu beachten.
9 Nachträgliche mechanische Horizontalsperre243
Für die Planung der nachträglichen horizontalen Abdichtung sind weitere Vorausset-
zungen zu prüfen:
• Beachtung des Bemessungswasserstandes nach DIN 18533-1 der Festlegung der Höhe
der Abdichtungsebene
• Abgleich mit der Planung anderer Gewerke (Schnittstellenproblematik, Abb. 9.33)
Die Einbauhöhe der Mechanischen Horizontalsperre richtet sich unter anderem nach
dem höchsten anzunehmenden Bemessungswasserstandes nach DIN 18533-1. Gemäß
dem WTA-Merkblatt (WTA-MB 4-7-15/2015) ist die Abdichtungsebene mindestens
30 cm oberhalb des höchsten anzunehmenden Grundwasserstandes (HGW) anzuordnen
(s. Abb. 9.34a, b).
Ebenfalls von Bedeutung ist die Beschaffenheit des Mauerwerks zur Festlegung der
Einbauhöhe der Sperrlagen. Bei der Anordnung der Horizontalsperre im Fußpunktbereich
ist sicherzustellen, das ein Verkeilen des Sägeschlitzes noch möglich ist. Bei zu tief fest-
gelegtem Sägeschnitt ist eine sichere Verkeilung bzw. Lastabtragung nicht mehr gegeben,
da in diesem Falle einzelne Mauerwerksteile nach unten „weggedrückt“ werden können.
Bei zu geringen Abstand zum Gewölbeauflager sind Gewölbeschub und Rissbildungen
mit der gebotenen Sicherheit nicht auszuschließen (Abb. 9.38).
Der Anschluss zwischen Vertikalabdichtung und den horizontalen Sperrlagen kann bei
kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtungen durch das Einarbeiten einer Nut im
Bereich des Sägeschlitzes erfolgen. Die Nut wird mit einer Schenkellänge von ca. 3 cm mit
Sperrmörtel oder 2-komponentiger KMB verschlossen, sodass ein Überlappungsbereich
zwischen der Sperrlage und der vertikalen Abdichtung gewährleistet ist (s. Abb. 9.34a).
Des Weiteren, kann eine flexible Dichtungsbahn in die Schnittfuge mit mindestens 5 cm
Überlappung eingelegt und mit der Vertikalabdichtung verbunden werden (s. Abb. 9.34b).
Eine druckwasserdichte Verbindung zwischen Horizontalsperre und Vertikalabdichtung
ist zwar im Einzelfall mit sehr hohem handwerklichen Aufwand grundsätzlich möglich, mit
Blick auf die bloße Überlappung der Sperrlage im Wandquerschnitt allerdings kaum zweck-
mäßig. Durch die Überlappung des Sperrlager untereinander ist eine druckwasserdichte
Abb. 9.34 Möglichkeiten für den Anschluss der Sperrlagen. a Anschluss mittels ein- gearbeiteter
Nut. b Anschluss durch eingelegten Streifen Dichtungsbahn
Im Regelfall gibt der Fachplaner genaue Vorgaben hinsichtlich des vorgesehenen Verfah-
rens und der einzusetzenden Werkzeuge (Art der Säge oder des Verfahrens) und Besonder-
heiten des spezifischen Einzelfalles (s. Abschn. 9.6 „Leistungsverzeichnis“).
Bei der Kalkulation von mechanischen Horizontalsperren bestehen jedoch dennoch
erhebliche Unsicherheitsfaktoren, welche sich nicht vollkommen vermeiden lassen. Dies
ist darin begründet, dass im Regelfall durch Voruntersuchungen und Inaugenscheinnahme
9 Nachträgliche mechanische Horizontalsperre247
9.4.5 Ausführung
Beim Einbau der Sperrlagen ist unter anderem auf ausreichende Überlappung zu achten.
Im WTA-Merkblatt 4-7-15/2015) sind die Überlappungen in Abhängigkeit des jeweiligen
Verfahrens wie folgt geregelt (Abb. 9.35):
Das Abdichtungskonzept muss immer auf eine durchgängige Abdichtungsebene unter
Berücksichtigung des einwirkenden Lastfalles abzielen. Im WTA-Merkblatt (WTA-MB
4-6-14/D 2014) wird deshalb als Zielstellung der Bauwerksabdichtung eine „wannenartige
Ausbildung der Abdichtung“ gefordert. Daraus folgt, dass alle Dichtungsebenen mit aus-
reichender Überlappung untereinander herangeführt oder miteinander verbunden werden
müssen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Fachplaner durch eine aufeinander abgestimmte
Materialwahl die sich im Anschlussbereich ergebenden Detailausbildungen genau vorgibt.
In der Altbausanierung werden als Vertikalabdichtung häufig kunststoffmodifizierte
Bitumendickbeschichtungen (KMB) nach der KMB Richtlinie (2010-05), aber teilweise
auch Bitumenbahnen eingesetzt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, eine Material-
verträglichkeit zu den eingebauten Sperrlagen sicherzustellen. Wenn beispielsweise
PEHD-Platten in die horizontale Schnittfuge eingebaut werden, ist die Verträglichkeit mit
Bitumen unbedingt zu gewährleisten. Dies kann mit einem Prüfzeugnis ohne Weiteres
nachgewiesen werden. Ein Hinweis im Leistungsverzeichnis klärt im Vorfeld die notwen-
dige Beschaffenheit der Sperrlage ab (s. Abschn. 9.6 „Leistungsverzeichnis“).
Die Bauwerksabdichtung ist „wannenartig“ zu erstellen. Alle Abdichtungen müssen
derart untereinander herangeführt oder miteinander verbunden sein, dass keine „Feuchte-
brücken“ entstehen.
Bei den Schneideverfahren müssen in die Schnittfuge Keile eingetrieben werden, um
Setzungserscheinungen zu vermeiden. Hierzu stehen Kunststoffkeile in verschiedenen
Dicken zur Verfügung (Abb. 9.36). In der Vergangenheit wurden Metallplatten zum Ver-
keilen benutzt (Abb. 9.37).
Vertikalabdichtung Die Fläche zur Aufnahme von Feuchtigkeit wird zwar bei vorhan-
dener Horizontalsperre als alleinige Maßnahme reduziert, führt aber in Abhängigkeit der
Wanddicke und der Außenwandfläche im erdberührten Bereich ohne eine funktionstüchtige
Vertikalabdichtung kaum zu einer nennenswerten Verbesserung des Feuchtehaushaltes.
Eine Horizontalsperre ohne Vertikalabdichtung ist nur dann sinnvoll, wenn die Abdich-
tungsebene in den Außenwänden oberhalb der Geländeoberkante angeordnet wird und
„Feuchtebrücken“ im Sockelbereich ausgeschlossen sind. An den Innenwänden kann eine
Anordnung der Abdichtungsebene einige cm über dem Fußboden erfolgen. Beide Dich-
tungsebenen sind in den Anschlussbereichen zwischen Innen- und Außenwänden vertikal,
beispielsweise im Injektionsverfahren, durch sogenannte „Standsperren“ zu verbinden.
In diesem Falle würden die erdberührten Außenwände durchfeuchtet und lediglich ein
kapillarer Anstieg der Feuchtigkeit bis in das Erdgeschoss verhindert. Die Nutzung des
Kellergeschosses ist dann nur eingeschränkt als untergeordneter Lagerraum möglich.
Wenn aber ein „trockenes“ Kellergeschoss vom Eigentümer/Bauherr gewünscht wird,
ist als flankierende Maßnahme eine Vertikalabdichtung im erdberührten Bereich der
Außenwände und die Anordnung der Horizontalsperre im Wandfußbereich unerlässlich.
Auf die einzelnen Verfahren, Materialien und Ausführungskriterien wird an dieser Stelle
nicht weiter eingegangen (s. Kap. 11 „Nachträgliche Vertikalabdichtung“).
Sanierputz nach WTA Schadsalze gelangen in gelöster Form im Zuge des Austrock-
nungsprozesses in den oberflächennahen Bereich des Mauerwerks, kristallisieren im Ver-
dunsfungshorizont aus und der entstehende Kristallisationsdruck führt zu Ausplatzungen
und Gefügezerstörungen an der Oberfläche.
Je nach vorgesehener Nutzung kann ein Sanierputz gemäß WTA-Merkblatt (WTA-MB
2-9-04/D 2005-10) aufgebracht werden. Durch sein Porengefüge mit einer Porosität des
Festmörtels von mindestens 40 Vol-% ist der Sanierputz in der Lage, im Mauerwerk ent-
haltene bauschädliche Salze über einen gewissen Zeitraum hinweg einzulagern, ohne dass
es zu Putzschädigungen kommt. Der Sanierputz kann auch zur Vermeidung von Oberflä-
chenkondensation kurzzeitig als „Feuchtepuffer“ fungieren. Nähere Erklärungen sind im
Abschn. 19.3.2 „Sanierputze und Sanierputzsysteme“ enthalten.
• Mikrowellentrocknung
• Kondensationstrockner mit zusätzlichen Turbinen zur Luftumwälzung
• Adsorptionstrockner mit zusätzlichen Turbinen zur Luftumwälzung und gegebenen-
falls mit Abplanung (Folienzelt)
9.6 Leistungsverzeichnis
Nachfolgend wurde rein exemplarisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit ein Leis-
tungsverzeichnis aufgestellt. Die hier dargestellten Leistungspositionen können nicht auf
beliebige Objekte übertragen werden, sondern sollen lediglich eine Möglichkeit aufzeigen
und verdeutlichen, welche Angaben für eine angemessene Preisbildung mindestens not-
wendig sind.
wievor, jedoch
Wanddicken bis ca. 55 cm
22 m2 …€ …€
wievor, jedoch
Wanddicken bis ca. 65 cm
45 m2 …€ …€
1 m2 …€ nur EP
1 m2 …€ nur EP
254 U. Wild
Die Mechanischen Verfahren sind bei sach- und fachgerechter Ausführung eine zuverläs-
sige Methode zur nachträglichen Unterbrechung des kapillaren Wassertransportes inner-
halb von Mauerwerk. Wenn die Sperrlagen vollflächig und ausreichend überlappend einge-
baut sind, ist ein kapillarer Feuchtetransport über die Sperrebene hinweg ausgeschlossen.
Der Erfolg der Maßnahme ist daher bereits durch Inaugenscheinnahme für den Ausfüh-
renden, für den Bauüberwacher und nicht zuletzt für den Bauherren direkt kontrollierbar.
Die hier erläuterten mechanischen Verfahren zur nachträglichen Erstellung von Hori-
zontalsperren entsprechen aus hiesiger Sicht den allgemein anerkannten Regeln der
Technik.
Nach Einholung einer Stellungnahme hinsichtlich der Statik und Einhaltung der ent-
haltenen Hinweise und Empfehlungen sind Rissbildungen in der Regel nicht zu erwar-
ten. Eventuell vor Beginn der Arbeiten vorhandene Risse sollten schriftlich, zeichnerisch
und fotografisch dokumentiert oder bei Notwendigkeit mittels Rissmonitor „beobachtet“
werden, da eine Veränderung des Rissbildes nicht generell ausgeschlossen werden kann.
Grundsätzlich ist zu empfehlen, eine Beweissicherung vom Objekt oder einzelner Bauteile
durchzuführen.
Der Fachplaner sollte in den Planungsunterlagen detaillierte Vorgaben hinsichtlich der
erforderlichen Anschlüsse, der Art des einzusetzenden mechanischen Verfahrens und der
Werkzeuge sowie der zu verwendeten Materialien genau vorgeben.
Da die mechanischen Verfahren im jeweiligen Einzelfall auf die örtlichen Gegeben-
heiten abzustimen ist, ist die Auswahl eines ausgewiesenen Fachbetriebes aus dem Bau-
gewerbe mit entsprechender Erfahrung von besonderer Wichtigkeit. Die Auswahl des
Bieters ausschließlich über den Angebotspreis mit einem unvollständigen Leistungsver-
zeichnis oder fehlenden Detailvorgaben ist beim Einbau einer mechanischen Horizontal-
sperre besonders risikobehaftet.
Für die Planung und Ausführung ist das WTA-Merkblatt 4-7-15/2015 „Nachträgliche
Mechanische Horizontalsperre“ zu beachten.
Zur besseren Veranschaulichung sind die zu klassifizierenden mechanischen Verfah-
ren mit ihren Untergruppen grafisch dargestellt und die wesentlichsten Auswahlkriterien
genannt (Abb. 9.41).
Die Auswahl des geeignetesten mechanischen Verfahrens sollte nicht über den ange-
botenen Preis erfolgen, sondern im Vorfeld bei der Planung unter Berücksichtigung der
folgenden örtlichen Gegebenheiten vom Fachplaner verbindlich festgelegt werden.
Literatur
Unter Injektion versteht man das Einbringen einer flüssigen Substanz in ein Bauteil. Das
Einbringen der Substanz erfolgt mit oder ohne Druck mit dem Ziel der vollständigen Ver-
teilung über dem Bauteilquerschnitt.
Das Injektionsverfahren ist in erster Linie ein Verfahren zum nachträglichen Einbrin-
gen einer horizontalen Sperrung in Wände. Stellenweise wird es auch zur Herstellung
einer vertikalen Abdichtung, z. B. als Flächen- bzw. Schleierinjektion, oder zum senkrech-
ten Abdichten von an Außenwände anschließende Innenwände (siehe Flächeninjektion)
angewandt.
Der Stand der Technik für dieses Verfahren wird im WTA-Merkblatt 4-10 (2015)
festgeschrieben.
Der Erfolg der Maßnahme wird durch eine sachkundige Planung, sorgfältige Ausfüh-
rung und durch die Verwendung geeigneter Produkte erheblich beeinflusst. Daher sollten
nur ausgewiesene Sachkundige Planer und Ausführende mit den Arbeiten beauftragt
werden.
Die Injektionsverfahren sind erst auf der Grundlage von Ergebnissen der zwingend vor-
geschriebenen Voruntersuchung und dem darauf basierenden Abdichtungskonzept auszu-
führen. Zum Beispiel ermöglicht erst die Kenntnis über den Durchfeuchtungsgrad (DFG)
die Auswahl geeigneter Injektionsstoffe und das Einbringverfahren.
J. Weber (*)
Leipzig, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 257
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_10
258 J. Weber
1. Die Wirkstoffe lagern sich so im von Wasser teilweise gefüllten Porensystem ab, dass
ein vollständiger Verschluss der Poren erfolgt und der Kapillartransport verhindert
wird. Es handelt sich hierbei um die sogenannte Kapillarverstopfung.
2. Die Wirkstoffe lagern sich so im Porensystem ab, dass die Porenradien reduziert
werden. Durch diese Maßnahme sollen Kapillarporen in kleinere Poren umgewandelt
werden, welche für Kapillarwasser nicht zugänglich sind, bzw. bei denen die Saug-
geschwindigkeit gegen „Null“ läuft (siehe Abschnitt kapillare Wasseraufnahme). Es
handelt sich hierbei um das Prinzip der Kapillarverengung.
3. Die Wirkstoffe lagern sich an den Kapillarwänden ab und bilden in Verbindung mit
dem Baustoff eine wasserabweisende Schicht. Bei den Wirkstoffen handelt es sich
um sogenannte Hydrophobierungsmittel. Durch eine Hydrophobierung der Kapillar-
wände entsteht eine nicht mit Wasser benetzbare Schicht, durch die kapillare Wasser-
transporte verhindert werden.
Die maximale Steighöhe bei der kapillaren Wasseraufnahme wird mit Hmax = 0,15/
Porenradius in cm angegeben. Die Konstante 0,15 beinhaltet neben der Viskosi-
tät, dem spezifischen Gewicht und der Erdbeschleunigung auch den Kosinus des
Benetzungswinkels.
Bei unbehandelten mineralischen und damit sehr saugfähigen Baustoffen liegt der
Benetzungswinkel zwischen 0 und 90°, der Kosinus ist positiv. Durch eine Vergröße-
rung des Benetzungswinkels auf 90–180° wird der Kosinus negativ, was mathematisch
in obiger Formel zu einer negativen Steighöhe führt. Baupraktisch kommt hierdurch
die kapillare Wasseraufnahme zum Erliegen. Durch Abstellen der Saugfähigkeit des
behandelten Baustoffes kommt es somit zu der gewünschten abdichtenden Wirkung
gegen kapillar eindringende Feuchtigkeit (Abb. 10.1 und 10.2).
4. Bei dem 4. Wirkprinzip handelt es sich um eine Kombination aus Kapillarverengung
und Hydrophobierung.
Im WTA-Merkblatt 4-10 (2015) werden die Wirkprinzipien wie folgt schematisch dar-
gestellt (Abb. 10.3).
Die Auswahl des Injektionsmittels erfolgt in Abhängigkeit davon, welches der Wirk-
prinzipien zur Anwendung kommen soll, der Porosität der zu tränkenden Baustoffe und
des in der Bauzustandsanalyse ermittelten Durchfeuchtungsgrades.
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren259
• niederviskos
• niedermolekular
• wasserverträglich
• salzverträglich
• Teilchengröße < 10–7
260 J. Weber
Auf dem Markt sind eine Vielzahl an Produkten erhältlich. Im Folgenden soll kurz auf die
verwendeten Wirkstoffe und ihre Wirkungsweisen eingegangen werden.
Alkalisilikatlösungen
Dieses Injektionsmittel wird unter Zufuhr von Kohlendioxid in Kieselgel umgewandelt.
Durch Ablagerung des Kieselgels in den Poren kommt es zu einer Kapillarverengung und
im Idealfall zu einer Kapillarverstopfung.
Problematisch bei Wassergläsern ist die Notwendigkeit der CO2-Zufuhr. Aus diesem
Grund sind die in der Altbausanierung sehr häufig anzutreffenden dicken Mauern mit
einem hohen Durchfeuchtungsgrad nicht bzw. nicht ohne zusätzliche Maßnahmen durch
diese Mittel abzudichten, da das Kohlendioxid aus der Luft in die tieferen Bereiche nicht
gelangen kann.
Grundvoraussetzung für die Beständigkeit der Sperre ist zusätzlich das ständige Vor-
handensein von Wasser, da Kieselgel durch Wasserabgabe schwindet. Unter Umständen
bildet sich hier ein neues Porensystem mit kapillar leitfähigen Poren.
Ein weiterer Nachteil des Injektionsmittels ist das bei der chemischen Umwandlung
entstehende Kaliumcarbonat. Bei diesem Salz handelt es sich um ein leichtlösliches und
damit bauschädigendes Salz (siehe auch hygroskopische Feuchte).
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren261
Alkalimethylsiliconatlösungen
Diese Injektionsmittel bilden, ebenfalls unter Zufuhr von Kohlendioxid, eine Polymethyl-
kieselsäure und Carbonate.
Durch die Polymethylkieselsäure werden die Porenwände hydrophobiert.
Auch hier sind, wie bei den Alkalisilikatlösungen, die Nachteile in der Gewährleistung
der CO2-Zufuhr und der Salzbildung zu sehen. Aus diesem Grund ist eine Anwendung bei
dicken, stark durchfeuchteten und salzbelasteten Wänden nicht erfolgversprechend.
Alkalipropylsilikonate
Diese Injektionsmittel bilden hydrophobierend wirkende Substanzen und benötigen hierzu
kein Kohlendioxid.
Aus diesem Grund sind diese Stoffe für größere Mauerdicken mit entsprechend hohen
Durchfeuchtungsgraden geeignet. Bei einem sehr hohen Durchfeuchtungsgrad empfiehlt
sich die Kombination mit einem kapillarverengenden oder -verstopfenden Injektionsmit-
tel, da hier eine Abdichtung nur durch Hydrophobierung kaum erreicht werden kann.
Bitumenlösungen/Bitumenemulsionen
Es handelt sich hierbei um Injektionsmittel, welche unter Druck eingebracht werden und
eine Kapillarverstopfung bewirken sollen. Problematisch ist die vollständige Verteilung
des Materials über den Mauerwerksquerschnitt. Sofern diese, ggf. durch Nachverpressun-
gen, gewährleistet wird, kann theoretisch eine funktionstüchtige Sperrung, ohne Bildung
von bauschädigenden Salzen hergestellt werden. In der Baupraxis wird das Material aller-
dings seit vielen Jahren infolge des häufigen Versagens einer solchen Abdichtung nicht
mehr eingesetzt.
Epoxidharze
Es handelt sich hier um eine organische Harzlösung, welche unter Druck in das abzudich-
tende Bauteil mit dem Ziel der Kapillarverstopfung eingebracht wird.
Epoxidharze sind härtbare Reaktionsharze und bestehen aus zwei Komponenten,
dem Harz und dem Härter. Je nach Zusammensetzung und Temperatur erfolgt innerhalb
von wenigen Minuten bis mehreren Wochen die Aushärtung des ursprünglich flüssigen
Gemischs mittels Polymerisation durch Polyaddition.
262 J. Weber
Epoxidharze weisen einen geringen Schwund durch entsprechende Zusätze auf, weshalb
es zu einer dauerhaften Kapillarverstopfung kommt.
Nachteilig für die Herstellung einer durchgängigen Sperrschicht ist die relative hohe
Viskosität und die Wasserempfindlichkeit des Harzes, was einer gleichmäßigen Verteilung
im Porensystem des durchfeuchteten Mauerwerks entgegensteht.
Polyurethanharze
Auch hierbei handelt es sich um eine (2-komponentige) organische Harzlösung, welche
zum Zwecke der Kapillarverstopfung unter Druck in das abzudichtende Bauteil einge-
bracht wird.
Der Vorteil gegenüber dem Epoxidharz ist die geringere Viskosität und die geringere
Feuchteempfindlichkeit.
Gegenüber anderen Injektionsmitteln ist die Gewährleistung der vollständigen Ver-
teilung über den gesamten Bauteilquerschnitt aber als schwieriger einzuschätzen, sodass
diese Produkte vor allem in der Rissverpressung eingesetzt werden.
Silane
Silane sind Verbindungen, die aus Silizium und Wasserstoff bestehen. Sie sind die Grund-
bausteine für Siloxane und Siliconharze und werden als Hydrophobierungsmittel verwen-
det. Silane werden in Kohlenwasserstoffen gelöst.
Die organische Funktionalität der Silane erlaubt die Reaktion zu Polymeren aller Art.
Ein Vorteil ist die Reaktion von Silanen untereinander. Diese Eigenschaft macht sie zu
einem hochwirksamen Vernetzungsadditiv.
Aufgrund ihrer besonderen Struktur verbessern Silane signifikant die Haftung zwischen
organischen und anorganischen Materialien. Das Eindringen von Wasser zwischen den
Grenzflächen wird erheblich erschwert.
Der Nachteil ist das ökologisch und gesundheitlich bedenkliche Lösungsmittel, weshalb
bei der Verarbeitung unbedingt Schutzmaßnahmen einzuhalten sind.
Siloxane – Siliconmikroemulsionen
Siloxane werden als Kohlenwasserstofflösung verarbeitet und als Hydrophobierungsmittel
eingesetzt. Sie sind relativ niedermolekular und dringen deshalb in Baustoffe gut ein. Von
Nachteil ist hier natürlich, genau wie bei den Silanen, der Lösemittelgehalt.
Dieser Nachteil ist bei der Siliconmikroemulsion abgestellt. Es handelt sich dabei um
reines Siloxan oder modifizierte Siloxanverbindungen, die in einer feinteiligen Form als
Mikroemulsionen vorliegen. Bei diesem Injektionsmittel handelt es sich um eine wässrige
Lösung von selbstemulgierenden Wirkstoffen mit Teilchengrößen im Nanometerbereich,
welche hydrophobierend wirken.
Da die Siliconmikroemulsionskonzentrate alkalifrei sind, findet hier auch keine Salz-
bildung statt.
Der Nachteil ist die Notwendigkeit eines alkalischen Milieus als Voraussetzung zum
Aufbau der Wirksamkeit. Dieses Milieu kann in der Altbausanierung nicht vorausgesetzt
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren263
werden, weshalb im Einzelfall eine Aktivierung des Mittels durch Injektion eines alkali-
schen Wirkstoffes erforderlich ist.
Dies geschieht über eine Mehrstufeninjektion als eine Form des Druckverfahrens. Die
Mehrstufeninjektion kann wie folgt beschrieben werden:
Ausgeführt werden entweder Stufe 1 und 2 oder Stufe 2 und 3. Sofern eine Hohlraumver-
füllung durchgeführt werden muss, kann auf die Injektion des Aktivierungsmittels ver-
zichtet werden, da die Zementsuspension das notwendige alkalische Milieu gewährleis-
tet. Vor Ablauf einer Stunde nach Einbringen der Suspension sollte Stufe 2 durchgeführt
werden. Bei hohlraumfreien Bauteilen erfolgt bis maximal 24 h nach der Injektion der
Mikroemulsion das Einbringen des Aktivierungsmittels über die selben Bohrlöcher.
Paraffine
Paraffine (Alkane) sind gesättigte, relativ reaktionsträge Kohlenwasserstoffe.
Vor Einbringung in das abzudichtende Bauteil werden Paraffine geschmolzen. Um
eine gleichmäßige Verteilung im Bauteil zu erreichen, ist es erforderlich das betreffende
Bauteil aufzuheizen und vorzutrocknen.
Das sich im Porensystem verteilende Paraffin wirkt kapillarverstopfend.
Das Risiko bei diesem Injektionsmittel ist die Gewährleistung einer Temperatur von
mindestens 100 °C (in der Literatur werden teilweise 85°C bis 150 °C angegeben) über
den gesamten Bauteilquerschnitt (ISOTEC GmbH 2013). Bei den in der Altbausanierung
häufig anzutreffenden sehr dicken Wänden und deren Inhomogenität ist dies mit einem
sehr hohen Arbeits-, Energie- und Kontrollaufwand verbunden (Abb. 10.4).
Zementsuspensionen
Zementsuspentionen wurden als kleinporiges Material, als kapillarverengender Abdich-
tungsstoff eingesetzt. Problematisch war hier jedoch die notwendige Verteilung des Mate-
rials im Bauteilquerschnitt, weshalb diese Mikrozemente ihre Bedeutung als Abdichtungs-
mittel baupraktisch verloren haben.
Heute werden die Zementsuspensionen als Vorbereitung für die eigentliche Injek-
tion des Wirkstoffes verwendet. Durch Druckinjektion werden die Mikrozemente in das
Bauteil eingebracht, um Hohlräume, durch die das eigentliche Injektionsmittel abfließen
würde, zu verschließen.
Zusammenfassung
Durchgesetzt und damit die größte Verbreitung in der nachträglichen Bauwerksabdich-
tung haben sich derzeit die Kombinationsprodukte und die hydrophobierenden Injektions-
stoffe. Danach folgen erst die Harze und das Paraffin. Die übrigen Injektionsstoffe haben
baupraktisch keine Bedeutung mehr.
Zur besseren Übersichtlichkeit werden die theoretisch einsetzbaren Injektionsstoffe
kurz tabellarisch zusammengefasst (Tab. 10.1).
Teilweise werden in den von den Herstellern der Injektionsstoffe herausgegebenen
technischen Merkblättern unrealistische Angaben zur Einsatzmöglichkeit ihrer Stoffe
gemacht. Zum Beispiel werden Stoffe zur Anwendung bei einer nachträglichen Mauer-
werksabdichtung mit einem Durchfeuchtungsgrad (DFG) von bis zu 100 % empfohlen.
Hier sollte immer eine sehr kritische Bewertung erfolgen, da es sich zum größten Teil um
Werte aus Versuchen unter Laborbedingungen oder um ungeprüfte Werte handelt.
Im Einzelfall kann eine Injektion von Mauerwerk mit einem Durchfeuchtungsgrad von
ca. 90 % durchaus erfolgreich sein. Einen allgemein verbindlichen Charakter haben derartige
Aussagen in den technischen Merkblättern der Hersteller nicht. Grundsätzlich steigt propor-
tional zur Höhe des Durchfeuchtungsgrades das Versagensrisiko der nachträglichen Sperre.
Ist ein Injektionsverfahren vorgesehen, bedarf es einer intensiven Planung auf Grund-
lage der geltenden WTA-Merkblätter durch einen Fachplaner. Weiterhin ist im Vorfeld
abzuklären, ob das Injektionsverfahren aus statischer Sicht am konkreten Bauwerk oder
Bauteil und ggf. mit welchen Einschränkungen anwendbar ist. Um festlegen zu können,
welcher Injektionsstoff geeignet ist und ob dieser als Creme oder als Flüssigkeit mit Druck
oder drucklos einzubringen ist, sind folgende Faktoren abzuklären:
• Wassereinwirkung am Bauteil
Die Wirkprinzipien der Injektionstechnik zielen auf Unterbindung der kapillaren Was-
sertransporte ab. Eine Abdichtung gegen Druckwasser ist nur bedingt und äußerst ein-
geschränkt durch kapillarverstopfende Mittel möglich.
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren265
Sofern aus dem Baugrundgutachten hervorgeht, dass mit Druckwasser zu rechnen ist,
sollte auf eine Injektion verzichtet oder die Injektionsebene mit einem Sicherheitsab-
stand von mindestens 30 cm oberhalb des Bemessungswasserstandes angelegt werden.
• Durchfeuchtungsgrad des Bauteils (DFG)
Bei hohen Durchfeuchtungsgraden ist das Porensystem entsprechend mit Wasser
gefüllt, was das Einbringen bzw. die Verteilung des Injektionsstoffes erschwert.
Hier ist zu überprüfen, ob flankierende Maßnahmen, wie das Vor- und Nachtrocknen,
erfolgversprechend sind. In den letzten Jahren gewinnt die Vortrocknung bei Durch-
feuchtungsgraden über 60 % an Bedeutung. Auch die Festlegung der Bohrlochabstände
und die Entscheidung, ob mit Druck oder drucklos gearbeitet wird, muss anhand des
festgestellten Durchfeuchtungsgrades getroffen werden. Bei sehr hohem Durchfeuch-
tungsgrad sollte eine Nachtrocknung eingeplant werden.
266 J. Weber
Seit ein paar Jahren werden bei Durchfeuchtungsgraden bis 100 % verstärkt hydrophobie-
rende Stoffe in Cremekonsistenz eingesetzt. Die bisherigen Erfahrungen bei sehr hohen
Durchfeuchtungsgraden (80–95 %) sind fast durchgängig positiv. Entsprechende Prüfer-
zeugnisse bei Durchfeuchtungsgraden über 80 % liegen bei den Herstellern vor. Allerdings
fehlen Untersuchungen und Prüfzeugnisse für Durchfeuchtungsgrade unter 80 %. Daher
sollte die Injektionscreme bei geringen Durchfeuchtungsgraden nicht eingesetzt werden.
• Salzbelastung des Bauteils – hygroskopischer Durchfeuchtungsgrad
Bei einer hohen Belastung des Bauteils durch bauschädigende Salze kommt es zur hyg-
roskopischen Wasseraufnahme. Weiterhin kommt es im Zuge der Abtrocknung zur Kris-
tallisation der Salze, was zu Schäden an Wand und Wandverkleidungen führen kann.
Bei einer Sanierung von salzgeschädigten Bauteilen sind umfangreiche Maßnahmen
zur Vermeidung dieser Schäden erforderlich. Es ist daher sinnvoll, hier ein Injektions-
stoff auszuwählen, bei dem keine leichtlöslichen Salze zusätzlich entstehen, um die
Problematik nicht noch zu verstärken.
Im Einzelfall kann bei sehr hoher Versalzung des Bauteils der Einbau einer Horizontal-
sperre nicht den gewünschten Erfolg bringen. Wenn die hygroskopische Feuchteauf-
nahme gleich der kapillaren Wasseraufnahme ist oder diese übersteigt, so ist der Einbau
einer Horizontalsperre sinnlos.
• Wandaufbau – Hohlräumigkeit, Inhomogenität
Der Wandaufbau ist abzuklären, um zu überprüfen, ob eine Hohlraumverfüllung mittels
Zementsuspension erforderlich ist. Unter Umständen, zum Beispiel bei zweischaligem
Mauerwerk, kann es wirtschaftlich sinnvoller sein, auf das geplante Injektionsverfah-
ren mit flüssigen Injektionsstoff zu verzichten. Alternativ kann eine Injektionscreme
auf Basis von Silanen und/oder Siloxanen Berücksichtigung finden. Es kann auch der
Einsatz eines anderen Verfahrens notwendig werden.
• Baustoffeigenschaften – Porengefüge
Anhand des vorhandenen Porengefüges (Porengröße, Porengeometrie und Porenverteilung)
sollten die Bohrlochabstände und der Bohrlochwinkel festgelegt und abgeklärt werden, ob
der festgelegte Injektionsstoff drucklos oder mit Druck in das Bauteil eingebracht wird.
Die Injektionsstoffe und Technologie sind u. a. nach den Porenarten auszusuchen, damit
der Stoff die Poren füllen kann (Tab. 10.2).
Grundlage einer funktionstüchtigen Abdichtung im Injektionsverfahren ist immer eine
qualifizierte Planung anhand eines Baugrundgutachtens und einer umfänglichen Bauzu-
standsanalyse, verbunden mit der Kenntnis über die Wirkungsweise und Risiken der ver-
schiedenen Injektionsstoffe.
Tab. 10.2 Porenarten, Radien und Füllmöglichkeiten
Die notwendigen Bohrungen ins Bauteil sind den örtlichen Gegebenheiten, den vorge-
sehenen Injektionsstoff und der geplanten Einbringmethode anzupassen (Tab. 10.3).
Bei drucklosen Injektionesverfahren sind möglichst mehrere Lagerfugen zu durchboh-
ren. Damit steigen die Erfolgsaussichten der Absperrmaßnahme.
Grundsätzlich sollte in jeder Planung das Instandsetzungsziel definiert und der Zeit-
raum seines Erreichens festzulegen und mit den Vertragsparteien abzustimmen.
Zudem ist in den Planungsunterlagen zu fordern, dass
10.4 Injektionsverfahren
Die drucklosen Verfahren sind aufgrund der Konsistenz der Injekionsstoffe zu unterschei-
den. Es gibt Injektionsstoffe
R +RKOUDXPYHUIOOXQJ
R 9RUWURFNQXQJ
]XVlW]OLFKH0DQDKPHQ R 1DFKEHKDQGOXQJ
R 9RULQMHNWLRQ
R 1DFKLQMHNWLRQ
R HLQUHLKLJ
R ]ZHLUHLKLJ
R VRQVWLJH
FPEHU2.*
,QMHNWLRQVNHWWH
R %RKUORFKGXUFKPHVVHU
««««««PP
%RKUORFKNHWWHQHEHQH R %RKUORFKQHLJXQJ ««««««*UDG
R %RKUORFKWLHIH «««««««FP
R %RKUORFKDEVWDQG «««««««FP
R %RKUORFKNHWWHQDEVWDQG «««««««FP
R +HUVWHOOHU
,QMHNWLRQVPLWWHO
R 3URGXNW
HLQ]XSODQHQGHU R MHODXIHQGHQ
««««««/LWHU
,QMHNWLRQVPLWWHOYHUEUDXFK 0HWHU:DQGGLFNH
R HLQVWXILJ
,QMHNWLRQVIROJH R PHKUVWXILJ
R VRQVWLJH%HPHUNXQJHQ
R ]XVWlQGLJHU3ODQHU
%HPHUNXQJHQ R ]XVWlQGLJHU%DXOHLWHU
R VDFKNXQGLJHUGHU)LUPD
in der Wand angeordnet werden. Nach dem anzuwendenden Verfahren ist der Bohrloch-
durchmesser zu bestimmen. Die Festlegung hierzu erfolgt in der Planungsphase.
Bewährt haben soll sich nach dem gültigen WTA-Merkblatt (2015) ein maximaler Bohr-
lochabstand von 10 bis 12,5 cm (Achsmaß). Erfahrungen aus der Masterarbeit (Körber
und Rupieper 2013) und Untersuchungen (Walter und Venzmer 2013) zeigen, dass der
Abstand auf 8–10 cm verringert werden sollte (Abb. 10.8).
Aus dem Untersuchungsergebnis von Walter geht hervor, dass eigentlich der notwen-
dige Bohrlochabstand im Einzelfall zu ermitteln ist, da ähnliche Injektionsstoffe bei glei-
chen Baustoffen unterschiedliche Ausbreitungsradien aufweisen können. Verallgemei-
nernde Angaben zum Bohrlochabstand und Ausbreitungsradius des Injektionsstoffes sind
wissenschaftlich nicht haltbar (Walter und Venzmer 2013).
Bei den Bohrungen ist zu beachten, dass der Anstellwinkel möglichst gleich ausgeführt
wird, da Abweichungen, in Abhängigkeit von der Wanddicke, zu einer gravierenden Ände-
rung der Bohrlochabstände im Mauerwerk führen können, was „Feuchtebrücken“ in der
Sperre zur Folge haben kann (Abb. 10.9 und 10.10).
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren271
< 8cm
GOk
FN
GOk
< 20cm B FN
beldseltig
< 20cm B
2/3
2/3
5cm
Abb. 10.11 Möglichkeiten der Anordnung von Injektionskanälen nach (WTA-Merkblatt 4-10
2015)
Krusten verschließen die Kapillaren des Baustoffes und erschwert oder verhindern so
das Eindringen des Injektionsstoffes.
In Beachtung dessen, dass es sich hier um harte Krusten bzw. feuchtes Bohrmehl
handelt, erscheint eine Reinigung durch bloßes Ausblasen als unzureichend. Hier sind
zuvor mechanische Maßnahmen (z. B. mittels Drahtbürste) erforderlich. Diese sorgfäl-
tige Reinigung aller Bohrlöcher ist zwar äußerst aufwendig, aber Grundvoraussetzung
für die Herstellung einer wirksamen Sperre.
Als Alternative zur nachträglichen Reinigung werden auf dem Markt spezielle „Druck-
luftbohrer“ angeboten. Durch das Fehlen der Spiralen an diesen Bohrern wird das
Bohrmehl nicht mehr an die Wandungen transportiert und es erfolgt ein Ausblasen
beim Bohrvorgang selbst. Die nachträgliche Reinigung der Kanäle ist damit in einigen
Fällen nicht mehr erforderlich (Abb. 10.12).
C) Vermeidung des „Trockenlaufens“
Die Vorratsgefäße sind in Abhängigkeit von der Saugfähigkeit des Mauerwerks so zu
wählen, dass auch in Arbeitspausen, über Nacht oder am Wochenende ein Leerlaufen
derselben verhindert wird.
Bei Unterbrechung des Nachflusses kann es um den Bohrkanal bereits zum Aufbau der
Wirksamkeit des Injektionsstoffes kommen, ohne dass sich eine ausreichende Menge
vom Injektionsstoff im Bauteilquerschnitt verteilt hat. Dies hätte zur Folge, dass die
Abdichtungsebene zumindest Fehlstellen aufweist und damit eine volle Funktionstüch-
tigkeit der Abdichtung nicht erreicht wird.
Durch das Vorhandensein vom reagierten Injektionsstoff in den Kapillaren im Bereich
des Bohrkanals kann kein weiterer Injektionsstoff mehr in die Bereiche transportiert
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren273
Abb. 10.12 Vergleich zwischen mit Spiralbohrer und Druckluftbohrer gebohrten Bohrkanälen.
(Georgy 2010)
werden, wo in den Kapillarporen noch kein Wirkstoff vorhanden ist. Eine weiter Ein-
bringung von Injektionsstoff in die noch unbeaufschlagten Bereiche kann nur durch das
Anlegen eines neuen Bohrkanals erfolgen.
D) Überprüfung und Protokollierung des Abflusses des Injektionsstoffes
Der Abfluss des Injektionsstoffes aus den Vorratsbehältern ist ständig zu überprüfen
und zur Qualitätskontrolle, möglichst pro Bohrkanal, zu protokollieren. Durch diese
Kontrolle wird oben beschriebenes „Trockenlaufen“, aber auch ein unkontrollierter
Abfluss des Mittels in einen eventuell noch vorhandenen Hohlraum verhindert.
Nicht zuletzt ist eine ausführliche Dokumentation der eingebrachten Wirkstoffmenge
auch eine nützliche Grundlage für eventuell notwendige Nachinjektionen.
Die Protokollierung kann unter Angabe von Objekt, Datum und ausführender Firma
durchgeführt werden (Tab. 10.4). Um den Aufwand der Protokollführung zu verrin-
gern, können einzelne Bohrlöcher in der Bohrlochkette als Überprüfungspunkte fest-
gelegt werden.
E) Verzicht auf „Gießkannen-Verfahren“
Zwischenzeitlich seltener, aber noch nicht gänzlich von den Baustellen verschwunden,
ist das sogenannte „Gießkannen-Verfahren“. Hier werden die Bohrlöcher lediglich mit
einer Gießkanne be- und nachgefüllt. Auf die Benutzung eines Vorratsbehälters wird
verzichtet.
Durch dieses „Verfahren“ kann weder die eingebrachte Injektionsmenge festgestellt
werden, noch sind ein unkontrolliertes Abfließen des Injektionsgutes oder ein Trocken-
laufen zu bemerken und zu verhindern.
Aufgrund der damit verbundenen gravierenden Risiken ist auf dieses Verfahren grund-
sätzlich zu verzichten (Abb. 10.13).
F) Ausreichend Zeit
Auf Baustellen herrscht bekanntermaßen immer Zeitdruck. Dies sollte aber niemanden
dazu verleiten, den Injektionsvorgang vorzeitig zu beenden.
274 J. Weber
Vertikal Horizontal
(cm) (cm)
Nach einem anfänglich schnellen Abfließen des Injektionsstoffes folgt nur noch ein
langsamer Injektionsmitteleintrag. In der ersten Phase füllen sich die bis dahin leeren
Kapillaren. Erst in der zweiten, also der langsamen Phase, erfolgt die Verdrängung und
Vermischung des Injektionsstoffes mit dem Wasser in den gefüllten Poren.
Durch ein vorzeitiges Abbrechen der Injektion wird damit die Abdichtung der wasser-
führenden Poren, die gleichmäßige Ausbreitung des Injektionsstoffes im Bauteilquer-
schnitt und die gewünschte „Überlappung“ zum benachbarten Bohrkanal verhindert.
Die Injektion ist deshalb erst zu beenden, wenn kein Injektionsmittel mehr aufgenom-
men wird. Im Zweifel sind Probekörper zwischen den Bohrungen, zur Überprüfung der
Ausbreitung des Injektionsstoffes, zu entnehmen.
durchsetzen wird, kann noch nicht abschließend eingeschätzt werden. Die bisherigen
Erfahrungen mit der Creme, die einen Wirkstoffgehalt von ≥ 70% besitzt, sollen positiv
sein. Das ändert nichts an der Forderung aus Fachkreisen, eine ausreichende Voruntersu-
chung durchzuführen und diese zu dokumentieren. Wenn die hergestellte Horizontalsperre
nicht voll funktionstüchtig ist und keine ausreichenden Voruntersuchungen erfolgt waren,
kann schnell eine Beweisnot im gerichtlichen Streit entstehen.
Bei der Paraffin-Technologie handelt es ich um ein Verfahren auf einem rein physika-
lischen Wirkprinzip. Es wird der verflüssigte niederviskose Wirkstoff Paraffin in waage-
recht oder schräg angeordnete Bohrlöcher eingebracht, wo der Stoff sich in die Kapillaren
über den Mauerwerksquerschnitt ausbreitet. Die Problematik dieses Verfahrens liegt in der
Notwendigkeit der Vortrocknung und des Vorheizens des Mauerwerks mittels Heizstab-
technik bei Temperaturen von mindestens 80 °C (ISOTEC GmbH 2013).
Aufgrund der notwendigen Aufheizung des Mauerwerkes ist die Paraffin-Technologie
bei jedem Durchfeuchtungsgrad einsetzbar. Inwieweit das Verfahren bei hohen Durchfeuch-
tungsgraden und des damit verbundenen erheblichen Trocknungsaufwandes wirtschaftlich
ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Die Versagensquote des Verfahrens ist relativ gering.
In der Planungsphase ist unbedingt abzuklären, welche Auswirkungen diese Tempe-
raturen auf das zu injizierende Bauteil aber auch auf angrenzende Bauteile haben, um
Materialzerstörungen und Brandrisiken zu vermeiden (Abb. 10.14).
10.4.2 Impulssprühverfahren
10.4.3 Druckinjektion
Beim Injektionsverfahren mittels Druck wird der Injektionsstoff über die in den Bohrungen
angeordneten Packern in das Mauerwerk eingebracht. Das Verfahren hat höhere Erfolgs-
aussichten als das drucklose Verfahren und sollte bei einem Durchfeuchtungsgrad > 50 %
des Mauerwerkes zwingend angewendet werden, wenn man von der Injektionscremen-
Technologie einmal absieht.
Man unterscheidet zwischen dem Hochdruck- (bis 100 bar) und dem Niederdruckver-
fahren (bis 10 bar). In der Altbausanierung spielt das Hochdruckverfahren aus verständli-
chen Gründen keine größere Rolle, weshalb auf dieses Verfahren nicht weiter eingegangen
werden soll (Abb. 10.16).
Bei der Druckinjektion gelangt das Injektionsgut vorrangig nicht über Schwerkraft und
Kapillarkräfte in das Porensystem, sondern wird vielmehr eingepresst. Das hat zur Folge,
dass nicht nur die Kapillarporen, sondern auch die auf kapillarem Wege nicht zugängli-
chen Luftporen mit Injektionsmittel gefüllt werden. Bei der Planung des zu erwartenden
Injektionsmittelverbrauches ist dies zu berücksichtigen.
278 J. Weber
Das Erreichen der Luftporen ist zur Unterbindung von Kapillartransporten nicht zwin-
gend erforderlich, da in diesen bekanntermaßen keine Kapillartransporte stattfinden. Es ist
aber insofern von Bedeutung, da dadurch Injektionsmittelreservoirs angelegt werden, aus
denen über Diffusionsvorgänge der Wirkstoff nach und nach in die Kapillarporen abgege-
ben wird und somit die vollständige Verteilung des Injektionsmittels über den Wandquer-
schnitt unterstützt.
Hinsichtlich der handwerklichen Ausführung sind, analog zur bereits beschriebenen
drucklosen Injektion, folgende Voraussetzungen zu erfüllen:
Die Überprüfung des Druckes ist insofern von Bedeutung, als hierdurch Schlüsse über die
gewünschte notwendige Verteilung des Injektionsmittels im Bauteilquerschnitt gezogen
werden können. Lässt sich kein ausreichender Druck aufbauen oder ist ein Druckabfall
festzustellen, ist davon auszugehen, dass das Injektionsmittel unkontrolliert, zum Bei-
spiel in einen Hohlraum, abfließt. Zur Herstellung einer gleichmäßigen Wirkzone sind die
Hohlräume entsprechend zu verfüllen bevor eine nochmalige Injektion mit dem eigent-
lichen Mittel erfolgen kann.
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren279
< 8cm
GOk
FN
< 20cm B
5cm
Da das Injektionsmittel unter Druck in das Porensystem eingebracht wird, ist der Zeit-
faktor hier, entgegen dem drucklosen Verfahren, eher zweitrangig. Die Beaufschlagung
des jeweiligen Bohrloches kann bei sichtbaren Verteilungen des Injektionsmittels an der
Bauteiloberfläche beendet werden.
Wichtig ist, dass der Druck, materialabhängig, über einen Zeitraum von ca. 5–10 min
am Bauteil gehalten wird. Um Druckverluste durch benachbarte Bohrlöcher zu vermei-
den, empfiehlt sich die gleichzeitige Injektion an mehreren Bohrungen.
Zur Erleichterung der Entscheidung für eins der beiden Verfahren werden diese Varianten
kurz tabellarisch gegenübergestellt (Tab. 10.5).
Folgende Voraussetzungen sind für das Einbringen einer wirksamen Sperrebene an das
Bauteil zu stellen:
• Homogenität des Bauteils, ohne Hohlräume, Risse, offene Fugen, in die das Injektions-
mittel unkontrolliert abfließen kann
280 J. Weber
Zur Vermeidung des Abfließens des Injektionsmittels über offenen Fugen oder Risse
sollte ein haftender Altputz möglichst erst nach den Injektionsmaßnahmen entfernt
werden. Risse und Fehlstellen sind, zum Beispiel durch Verschlämmen, von der eigent-
lichen Injektion zu verschließen.
Technische Trocknung
In Abhängigkeit des geplanten Verfahrens und dem ausgewählten Injektionsstoffes ist ein
maximaler Durchfeuchtungsgrad (DFG) einzuhalten. Ist der tatsächlich vorhandene DFG
zu hoch, muss eine Bauteiltrocknung erfolgen (Balak 2014).
Eine zeitnahe und wirkungsvolle Absenkung des Durchfeuchtungsgrades bis ca. 50 –
max. 75 % ist nur über eine technische Trocknung möglich. Diese erfolgt über in das
Bauteil einzubringende Heizstäbe oder erhitzte Druckluft, stellenweise wird das Mikowel-
len- oder Infrarotverfahren eingesetzt.
Da diese technische Trocknung sehr aufwendig ist, wird eine Überprüfung empfohlen,
ob bei dem abzudichtenden Bauteil aus wirtschaftlichen Gründen nicht eher ein anderes
Injektionsmittel oder Verfahren zur Anwendung kommen sollte (Abb. 10.18).
Technische Nachtrocknung
Damit das nach der Injektion immer noch in den Poren des Bauteils befindliche Wasser
verdunsten kann, ist die relative Luftfeuchte in der Raumluft möglichst niedrig zu halten.
Bei einer hohen relativen Luftfeuchte (von zum Beispiel 70–95 %) kann kein Wasser
aus dem Bauteil verdunsten und das Injektionsmittel kann seine Wirkung in den Poren
nicht entfalten. Daher sollte eine technische Bautrocknung der Raumluft mit geeigneten
Geräten erfolgen. Der Grad der notwendigen Abtrocknung ist wiederum abhängig vom
verwendeten Injektionsmittel, seinem Wirkprinzip und den örtlichen Gegebenheiten.
SRUHQYHUVFKOLHHQGH
6\VWHPH
K\GURSKRELHUHQGH
6\VWHPH
.RPELQDWLRQVV\VWHPH
'.ULWHULXP :.ULWHULXP EHLGH.ULWHULHQ NHLQ.ULWHULXP
HUIOOW HUIOOW
Abb. 10.20 Einfluss des Bohrlochabstandes auf die Vollständigkeit der Abdichtungsebene
• Kenntnis über die Wirkprinzipien, der Vor- und Nachteile der verschiedenen Injektions-
mittel (möglichst nur Injektionsmittel verwenden, die nach WTA oder im Dahlberg-
Institut geprüft sind und ein entsprechendes Zertifikat besitzen)
• Kenntnis über Verteilungsmechanismen des Injektionsmittels im Porengefüge
• Kenntnis der grundlegenden Merkblätter und Vorschriften zum Injektionsverfahren
• Kenntnis über das abzudichtende Bauteil in Bezug auf Porengefüge, kapillaren Durch-
feuchtungsgrad, hygroskopischen Durchfeuchtungsgrad, Saugfähigkeit, Inhomogenität,
284 J. Weber
Abb. 10.21 Einfluss des Anstellwinkels auf die Vollständigkeit der Abdichtungsebene, dabei stellt
die obere Abbildung die Vorderseite, die mittlere den Schnitt und die letzte Abbildung die Rück-
seite der Wand dar
Beispiel hierfür ist ein Mauerwerk aus Hochlochziegeln. Um ein unkontrolliertes Abflie-
ßen eines flüssigen Injektionsmittels zu verhindern, müssten alle Kammern zur Hohl-
raumverfüllung angebohrt werden. Dies ist baupraktisch nicht möglich. In solchen Situa-
tionen ist entweder die Injektionscreme-Technologie einzusetzen oder ein mechanisches
Verfahren auszuwählen. Die wirtschaftlichere Variante sollte gewählt werden (Abb. 10.22
und 10.23).
Neben den planerischen und ausführungsbedingten Risiken verbleibt auch bei fachge-
rechter Ausführung des Injektionsverfahrens, systembedingt, ein Restrisiko bezüglich der
vollen Funktionstüchtigkeit.
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren285
Honsinger weist in seiner Veröffentlichung (Honsinger 2013) darauf hin, dass eine
absolute Sperre des kapillaren Feuchtenachschubes angesichts komplexer baulicher Ver-
hältnisse und als Folge verfahrenstechnischer Randbedingungen, normalerweise nicht
erreicht wird. Daher ist im Sinne der gültigen Regelwerke der Erfolg ausdrücklich nicht
dadurch gekennzeichnet, dass der kapillare Feuchtenachschub vollständig unterbunden
werden muss.
Auch nach Böhning/Schmitz liegt der Abdichtungsgrad überwiegend bei 70 bis 80 %
(Böhning und Schmitz 2011). Dies soll in der Regel hinsichtlich Funktionstauglichkeit
ausreichen, kann aber im Einzelfall zu Problemen in der Funktionalität führen. Bei einem
Wirkungsrad unter 90 % kann nicht von einer funktionstüchtigen Sperre oder Abdichtung
ausgegangen werden.
Grundsätzlich gilt, dass eine Injektion mit flüssigen Injektionsmittel und ohne Vor-
trocknung bei einem Durchfeuchtungsgrad von 90–100 % nicht angewandt werden kann,
286 J. Weber
Abb. 10.24 a und b Eindringtiefe vom Injektionsstoff um den Bohrkanal maximal 4 cm
da hier fast bzw. sämtliche Poren mit Wasser gefüllt sind und das Injektionsmittel nicht
bzw. nicht in ausreichender Menge eingebracht werden kann. Umgekehrt heißt dies, dass
die besten Ergebnisse im Injektionsverfahren bei einem Durchfeuchtungsgrad zwischen
20–50 % erzielt werden können. Das Vorhandensein von Wasser in den Poren stellt unter
Baustellenbedingungen das größte Verfahrensrisiko dar.
Einige Hersteller und Verarbeiter von flüssigen Injektionsmitteln sind der Meinung,
dass die Injektionsverfahren grundsätzlich bis zu einem Durchfeuchtungsgrad von 100 %
einsetzbar sind. Eine Masterarbeit an der Hochschule Wismar (Körber und Rupieper
2013) konnte dieses Meinungsbild nicht bestätigen. Es wurden einzelne hydrophobie-
rende Injektionsstoffe unter verschiedenen Randbedingungen auf ihren Verteilungsra-
dius (gleich Ausbreitungsmaß im Baustoff) um den Bohrkanal herum, an Ziegeln und an
Mörteln bei unterschiedlichen Durchfeuchtungsgraden, unter einem Druck von 5 bar und
ohne Druck, untersucht.
Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die erforderlichen Bohrlochabstände zur Absiche-
rung einer wirksamen Horizontalsperre überwiegend nicht den Anforderungen der ein-
schlägigen WTA- Merkblätter und überwiegend nicht den Richtlinien der Hersteller der
eingesetzten Injektionsmittel entsprechen. Es wurde eine Korrelation zwischen zuneh-
mendem Durchfeuchtungsgrad eines Baustoffs und damit einhergehender erforderlicher
Verringerung der Bohrlochabstände festgestellt.
Damit sich bei der nachträglichen Bauwerksabdichtung mittels Injektionsverfahren an
Mauerwerken die gewünschten Abdichtungserfolge einstellen, müssen die Bohrlochab-
stände demnach deutlich enger gesetzt werden. Damit sind unter anderem die vielfach
feststellbaren Versagensquoten bei Injektionsverfahren bei einem unangemessenen Bohr-
lochabstand erklärbar.
Auf Grund des hohen Versagensrisikos ist zwingend eine Erfolgskontrolle nach dem
„BuFAS- Ingenieur-Merkblatt“ oder nach den „WTA-Merkblättern“ durchzuführen
(Körber und Rupieper 2013) (Abb. 10.24).
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren287
In der Veröffentlichung (Balak und Simlinger 2007) wurde als eine zu beachtende
wesentliche Randbedingung der Durchfeuchtungsgrad der Bauteile genannt. Danach sind
Injektionen zur nachträglichen Horizontalabdichtung mit flüssigen Injektionsstoffen von
Mauerwerk bei einem Durchfeuchtungsgrad von 80 % nicht wirksam und einen Durch-
feuchtungsgrad von über 50 % problematisch.
Hingegen sind nach Absenkung des Durchfeuchtungsgrades auf ca. 20 % in der Injek-
tionsebene vor Einbringung des flüssigen Injektionsstoffes und bei einer Nachtrocknung
des Mauerwerkes nach Durchführung der Injektion, die Erfolge überwiegend.
In der Veröffentlichung 2013 (Walter und Venzmer 2013) wurden Untersuchungsergeb-
nisse vorgestellt, die einen engen Zusammenhang zwischen der Höhe des Durchfeuch-
tungsgrades und der Ausbreitung des Injektionsstoffes bestätigen. Die Untersuchungen
bezogen sich auf Injektionsmittel auf der Basis von Kunstharzen, die mittels druckloser
Injektion in Ziegel eingebracht wurden. Es konnte festgestellt werden, dass bei zuneh-
mender Durchfeuchtung des Baustoffes die Ausbreitung des Injektionsstoffes abnimmt.
Die Applikation einzelner Injektionsmittel wird ab einen Durchfeuchtungsgrad > 60 % als
nicht sinnvoll eingestuft (Weber 2012).
Durch eigene Untersuchungen und Experimente unter reinen Baustellenbedingungen
sind diese Aussagen näherungsweise auch heute noch zu bestätigen, wobei die gehäufte
Unwirksamkeit bzw. Funktionseinschränkung bei einem Durchfeuchtungsgrad > 60
beginnt. Je höher der Durchfeuchtungsgrad tatsächlich im Einzelfall ist, umso höher ist
die Versagensquote beim Einsatz flüssiger Injektionsstoffe.
Die Erfolgsaussicht bei Anwendung der Druckinjektion ist gegenüber der drucklosen
Injektion höher. Bei Anwendung des Injektionsverfahrens im Niederdruck wird ein Teil
des Wassers verdrängt und durch die Injektionsstoffe ersetzt. Um sämtliches Wasser aus
den Poren zu verdrängen, wären jedoch Drücke notwendig, die in der Altbausanierung
nicht anwendbar sind.
Wegen der fehlenden Möglichkeit des Einsatzes baupraktisch hoher Drücke ist, unab-
hängig von Einbringverfahren, die Vermischbarkeit (über Diffusion und Osmose) des
Injektionsstoffes mit Wasser und der Aufbau der Wirksamkeit dieser Lösung eine Grund-
voraussetzung für die Unterbrechung der kapillaren Wassertransporte.
Die Reaktionszeit des Injektionsmittels muss, zur Gewährleistung der ausreichenden
Vermischung entsprechend lange eingestellt sein. Dies kann in anderen, vor allem groß-
porigen Bereichen wiederum zu einer zu starken Verdünnung der Lösung durch nachflie-
ßendes Wasser und damit zu einem Versagen der Injektion führen.
Bei hohen Durchfeuchtungsgraden empfiehlt sich aus diesem Grund, analog zum Paraf-
finverfahren, eine technische Vortrocknung.
Ein weiterer Risikofaktor ist die Beibehaltung der Eigenschaften des Injektionsmit-
tels, bezogen auf die geplante Nutzungsdauer des Bauteils. Ihre Wirkung lässt injek-
tionsmittelabhängig, erfahrungsgemäß bei jahrelanger Beanspruchung durch Wasser,
zeitweiser Abtrocknung und Wiederbefeuchtung nach. Allgemeingültige Aussagen zur
Lebensdauer von im Injektionsverfahren eingebrachten Sperren können derzeit nicht all-
gemein gültig getroffen werden, sie erreichen jedoch nicht die Lebensdauer von mecha-
nisch eingebrachten Abdichtungen.
288 J. Weber
Fazit
Aufgrund der Vielzahl an Risikofaktoren und anhand von Praxiserfahrungen, kann ein-
geschätzt werden, dass durch das Einbringen einer Horizontalsperre im Injektionsver-
fahren eine Reduzierung der kapillar aufsteigenden Feuchte, erreicht wird. Die Risiko-
faktoren sind unter Baustellenbedingungen nicht vollständig beeinflussbar, sodass immer
das Risiko einer Funktionseinschränkung oder ein Versagen der Funktion der Sperren im
Injektionsverfahren verbleibt.
Die Injektionsverfahren entsprechen zweifelsfrei dem Stand der Technik. Aufgrund
der noch feststellbaren Versagenshäufigkeit kann das Verfahren aber nicht als „allgemein
anerkannte Regel der Technik“ klassifiziert werden (Abb. 10.25).
Eine Untersuchung an der HTWK Leipzig, zu welchem Qualitätsstandard (R.d.T. oder
a.a.R.d.T.) die Injektionsverfahren gehören, bestätigte eindeutig, dass diese Verfahren
nicht zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik gehören (Schulz 2015).
Die Beurteilung resultiert nicht aus der Beschaffenheit der verwendeten zertifizierten
Injektionsmittel nach den Prüfungsabläufen der WTA oder dem Dahlberg-Institut. Die
Injektionsmittel weisen eine ausreichende Funktionstüchtigkeit auf.
Die Einstufung als Stand der Technik ergibt sich aus der immer noch hohen Versagens-
quote von erstellten Horizontalsperren mit diesem Verfahren. Es wurde in der Untersu-
chung festgestellt, dass die Versagenshäufigkeit wesentlich von nachfolgenden Kriterien
verursacht wird (Schulz 2015):
Problemkreis Planung
Problemkreis Ausführung
• Einhaltung notwendiger und geplanter Längen und Winkel bei der Ausführung der
Bohrlöcher erfolgt nicht
• Bohrungen im Winkel erfordern längere Bohrtiefe
• durch Winkelabweichungen entstehen Feuchtebrücken
• Injektionsmittel wird nicht bauteilspezifisch gewählt
• Injektionsdauer wird nicht bauteilspezifisch angepasst
• mangelhaftes Fachwissen der Ausführenden auf der Baustelle
10.8 Qualitätssicherung
die Ausführung übernimmt. Es ist darauf zu achten, dass ständig ein ausreichend ausge-
bildeter Fachwerker von der ausführenden Firma die Arbeiten auf der Baustelle ausführt.
Es macht wenig Sinn, wenn die Firma zwar nachweisbar sachkundige Mitarbeiter besitzt,
diese aber nicht vor Ort die Arbeiten ausführen (Abb. 10.30).
Die Prüfung der fachgerechten Planung und Ausführung kann mit verschiedenen
Aufwand betrieben werden. Der Aufwand ist abhängig von der notwendigen Qualität der
Aussage, der geplanten Nutzung und der Wertigkeit vom Objekt.
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren291
Vor Einbringung des Injektionsmittels sind daher alle Bohrlöcher genau in Länge und Par-
allelität zu prüfen. Dies erfolgt mit entsprechend eingeführten Stäben (z. B. Stahldraht).
Erst wenn eine aktenkundige Freigabe der Bohrlochreihe durch den neutralen Sachkundi-
gen erfolgte, ist mit der eigentlichen Injektion zu beginnen (Abb. 10.31 und 10.32).
Der zuständige Bauüberwacher hat eine Dokumentation bei Ausführung von Injek-
tionsverfahren mit mindestens nachfolgenden Daten anzufertigen:
• Bohrlochneigung
• Temperatur (Injektionsstoff, Bauteiloberfläche, Luft)
• Injektionsstoff (Produktname, Hersteller, Chargen-Nr.)
• Injektionsdruck
• Injektionsgerät
• Materialverbrauch (je Packer bzw. m)
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren295
Abb. 10.32 a und b Parallelität zwischen 2 Bohrlöchern nicht vorhanden, was zu einer Feuchte-
brücke und damit zu einer Funktionseinschränkung der Horizontalsperre im Mauerwerk führt
10.9 Abdichtungsqualität
AQ Abdichtungsqualität
Rerr tatsächlich erreichter Reduzierungsfaktor mit wRef − winj / wRef (siehe Punkt 5.4.15)
Rmax maximal erreichbarer Reduzierungsfaktor mit wRef − 0, 5 / wRef (siehe Punkt 5.4.15)
winj mittlerer w-Wert in der Injektionsebene mit kg/m2h0,5
werr mittlerer w-Wert in der Referenzebene mit kg/m2h0,5
Beträgt die Abdichtungsqualität 100 %, so ist die Horizontalsperre mit Sicherheit voll-
ständig funktionstüchtig. Es handelt sich um eine Abdichtung mittels eines Injektionsver-
fahrens, welche auch bei hochwertig genutzten Räumen als ausreichend einzustufen ist.
Diese Qualitätsstufe dürfte in der Praxis jedoch nur im absoluten Einzelfall erreicht
werden. Aus diesem Grund ist die Abdichtungsqualität wie folgt einzustufen (Tab. 10.7).
Teilweise geht die Fachliteratur davon aus, dass über 90 % eine funktionsfähige und
unter 90% eine nicht funktionsfähige Abdichtung im Injektionsverfahren vorliegt (Hölzen
2011; Dahlberg-Institut e. V. 2012).
Beispiel
Zielstellung: 0,5 kg/m2h0,5 (wasserabweisend)
Referenzebene : wRef = 10,5 kg/m2h0,5 (arithmetisches Mittel von min. 3 Proben)
Injektionsmittelebene: winj = 0,9 kg/m2h0,5 (arithmetisches Mittel von min. 6 Proben)
296 J. Weber
Probleme sind immer wieder vorhanden, wenn der Nachweis des Vorhandenseins von
Injektionsmitteln notwendig wird. Die vielfältigsten Untersuchungsvarianten wurden und
werden auf Eignung geprüft. Keine Variante ist bisher allgemein anerkannt.
Die Untersuchung einer Ziegelprobe im REM ist erfolgsversprechend, jedoch müssten
umfangreiche Untersuchungen zur Verfeinerung erfolgen, um dann allgemein gültig in
der Fachwelt anerkannt zu werden. Die Untersuchung im Dahlberg-Institut wurde an
einer Ziegelprobe durchgeführt, wo visuell erkennbar ein Injektionsmittel appliziert war
(Abb. 10.33). In dem sichtbaren Injektionsgebiet vom Ziegel wurden 2 Proben aus einer
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren297
Tiefe von 3 mm entnommen. Zwei weitere Proben wurden vom Ziegelrand in einer Tiefe
von 3 mm und 15 mm entnommen, welcher frei von Injektionsmittel sein sollte.
An jeder Probe wurden Aufnahmen mit 3 Vergrößerungen (× 500 × 5000 und × 10.000)
vorgenommen. Bei der 500fachen Vergrößerung waren keine Unterschiede vorhanden
(Abb. 10.34 und 10.35). Bei der 10.000 fachen Vergrößerung ist das Injektionsmittel
jedoch als dünner „Überzug“ erkennbar (Abb. 10.36 und 10.37).
Es ist somit möglich, ein Injektionsmittel in einem Ziegel mittels REM offensichtlich
nachzuweisen. Damit könnte man die Ausbreitungstiefe von Injektionsmitteln um einen
Bohrlochkanal feststellen. Abzuklären wäre noch durch weitere Untersuchungen, ob das
bei allen Injektionsmitteln möglich ist und welche Konzentration das Injektionsmittel
haben muss, um nachweisbar zu werden.
Ein neues Nachweisverfahren von mit Injektionsmitteln behandelten Mörtel- und Zie-
gelproben, wurde von Köber (2018) entwickelt (Abb. 10.38). Es besteht aus 2 Stufen. In
der ersten Stufe wurden an den Proben zur Datenermittlung konventionelle, makroskopi-
sche Nachweisverfahren durchgeführt. In der zweiten Stufe wurden an selbigen Proben
mithilfe des ESEM mikroskopische Kontaktwinkelmessungen durchgeführt. Anhand
einer rechnerischen Modellierung können die in der ersten Stufe gewonnen Daten mit den
im ESEM gemessenen Kontaktwinkeln korreliert werden. Auf diese Weise lassen sich den
ESEM- Messwerten makroskopische Messwerte der ersten Stufe, wie w-Wert, fiktive Was-
sergehalte, sowie RH-Werte zuordnen. Diese makroskopischen Werte geben Aufschluss
über die veränderte Kapillarität der jeweiligen Probe, im Vergleich zur Referenzprobe.
Im Ergebnis erhält man, neben den ESEM-Kontaktwinkeln, rechnerisch ermittelte
w-Werte und fiktive Wassergehalte, sowie RH-Werte für die jeweilige Probe. Die w-Werte
werden nach der bekannten Klassifizierung des Wasseraufnahmekoeffizienten nach DIN
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren299
Abb. 10.35 500 fache Aufnahme im Bereich des Ziegelrandes ohne Injektionsmittel
300 J. Weber
Abb. 10.37 10.000 fache Aufnahme im Bereich des Ziegelrandes ohne Injektionsmittel
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren301
EN ISO 15148 ausgewertet. Mit den fiktiven Wassergehalten und die RH- Werte kann eine
rechnergestützte Feuchtesimulation durchgeführt werden.
Im Anwendungsfall werden an zuvor definierten Messfeldern die in Messachsen, tiefen-
gestaffelt entnommenen Proben im ESEM auf ihre Kontaktwinkel hin untersucht. Aus den
daraus gewonnenen Daten ergibt sich in Korrelation mit den Daten der Stufe 1 ein geome-
trisch differenziertes Bild der veränderten Kapillarität des untersuchten Mauerwerks. Das
Nachweisverfahren kann zum einen Aufschluss über die Qualität des Injektionsmittelein-
satzes und zum anderen auf Grund der geometrischen Zuordnung auch Aufschluss über
die Quantität der Injektionsmittelanwendung geben.
Dieses neue Nachweisverfahren versteht sich als Weiterentwicklung der bestehenden
Verfahren und hat die Vorteile, dass zum einen lediglich geringe Probenmengen erforder-
lich sind. Zum anderen können schnell sehr genaue Ergebnisse erzielt werden. Diese Vor-
teile bieten die bestehenden Nachweisverfahren nicht. (Köber und Venzmer 2018).
10.12 Leistungsverzeichnis
ist das Standardleistungsbuch für das Bauwesen als Grundlage der Ausschreibung zu
verwenden.
Als spezielle Position für den Einbau einer nachträgliche Horizontalabdichtung im
Injektionsverfahren wird nachfolgender Text empfohlen (Tab. 10.9).
Literatur
ABI-Merkblatt. (2008). Abdichten von Bauwerken durch Injektion; STUVA, (2. Aufl.). Stuttgart:
Fraunhofer IRB Verlag.
10 Horizontalsperren im Injektionsverfahren303
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Nachträgliche Vertikalabdichtung
11
Uwe Wild
U. Wild (*)
Sachverständigenbüro für Baudiagnostik
Brandis, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 305
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_11
306 U. Wild
die Planung von Abdichtungsmaßnahmen entweder „vom Schreibtisch aus“ oder nach
Inaugenscheinnahme der Baugrube erfolgt (Abb. 11.1).
Die Inaugenscheinnahme der Baugrube ist jedoch nicht ausreichend, um zweifelsfreie
Rückschlüsse auf die einwirkende Wassereinwirkungsklasse zu ziehen. Leider kommt
dies gerade bei kleineren Objekten noch relativ häufig vor. Im Schadensfall beruft man
sich dann immer auf den Zustand der Baugrube zum Zeitpunkt der Bauphase. Der Grund-
wasserstand unterliegt jedoch naturgemäß gewissen Schwankungen, welche der Bau-
grundgutachter bei der Festlegung des Bemessungswasserstandes mit berücksichtigt.
Jeder Bauausführende sollte bedenken, dass er mit Angebotsabgabe, sofern kein Leis-
tungsverzeichnis oder anderweitige Planungsvorgaben vorliegen, mit Erstellung eines
Angebotes selbst die Planungsleistung übernimmt und entsprechend in Haftung genom-
men werden kann.
Da eine Vertikalabdichtung nicht isoliert von den weiteren Maßnahmen wie beispiels-
weise Dränage, Horizontalsperre usw. betrachtet werden kann, wird auch auf die Kap. 9.0
„Nachträgliche Mechanische Horizontalsperren“, 10.0 „Horizontalsperren im Injektions-
verfahren“ und 19.0 „Flankierende Maßnahmen“ verwiesen.
• Wassereinwirkungsklasse,
• Rissüberbrückungsklasse und
• Raumnutzungsklasse.
Diese Zuordnung erfolgt für bahnenförmige Abdichtungsstoffe in Teil 2 und für flüssig zu
verarbeitende Stoffe in Teil 3 der neuen Norm. Darin eingeschlossen werden die Anzahl
der Lagen bei bahnenförmigen Abdichtungsstoffen (Teil 2) und die Schichtendicken von
flüssig zu verarbeitenden Abdichtungsstoffen (Teil 3) geregelt.
Neue Bemessungskriterien
In der „neuen“ DIN 18 533 werden die Beanspruchungsarten nicht mehr nach der Dauer
und Entstehungsart der Wassereinwirkung klassifiziert. Die Einteilung erfolgt bauteilbe-
zogen und nach der Intensität der Beanspruchung. Dabei unterteilt die Norm acht Wasser-
einwirkungsklassen (siehe Tab. 11.1).
Als Grundvoraussetzung jeder Abdichtungsmaßnahme ist zunächst auf Basis eines
aktuellen Baugrundgutachtens durch den Fachplaner die zu erwartende Wassereinwir-
kungsklasse festzulegen. Erst danach kann eine Bauwerksabdichtung geplant werden.
Ebenfalls neu sind Rissklassen, welche bei der Auswahl der Abdichtungsbauart berück-
sichtigt werden müssen (siehe Infokasten 2). Vorhandene Risse, die sich nach dem Auf-
bringen der Abdichtung in ihrer Breite verändern können, oder Risse die neu entstehen
können, werden vom Planer einer der definierten Rissklassen R1-E bis R4-E zugeordnet
(siehe Tab. 11.2).
In der „neuen“ DIN 18 533 stehen den genannten Rissklassen vier Rissüberbrückungs-
klassen (RÜ1-E bis RÜ4-E) gegenüber. Hierbei handelt es sich um Rissüberbrückungs-
eigenschaften der geregelten Abdichtungsbauarten (in Abhängigkeit von vorhandenen
Einlagen, Art des Haftverbundes, Lagenzahl, Schichtendicke usw.) und den spezifischen
Ohne statischen Nachweis der Rissbreite. Eine andere Zuordnung ist durch einen solchen
a
Nachweis möglich
VK1-E ≤5 – –
VK2-E ≤ 10 10 10
VK3-E ≤ 15 20 20
VK4-E ≤ 20 30 30
VK5-E ≤ 25 40 –
Weiße Wannen werden in der Altbausanierung nicht als übliche Maßnahme zur nachträg-
lichen Bauwerksabdichtung angewendet und werden hinsichtlich ihrer Technologie in
diesem Kapitel nicht weiter abgehandelt. Es wird auf Kap. 16 „Abdichtungen mit Beton-
konstruktionen“ verwiesen.
1
Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen (bisher KMB) durften unter bestimmten Vor-
aussetzungen nach „alter“ Norm bereits seit 2000 im erdberührten Bereich eingesetzt werden. Für
diesen Abdichtungsstoff hat sich die Kurzbezeichnung geändert. Kunststoffmodifizierte Bitumen-
dickbeschichtungen (Polymer modified bituminous thick coatings) werden zukünftig mit dem
Kurzzeichen (PMBC) bezeichnet. Mit der Änderung des Kurzzeichens erfolgte eine Anpassung an
die neue Stoffnorm für Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen DIN EN 15 814 (2015-
03). Ob sich das neue Kurzzeichen letztendlich durchsetzen wird, ist ungewiss. In der Baupraxis
wird erfahrungsgemäß hauptsächlich das Kurzzeichen KMB verwendet. Aus diesem Grund wird in
der 5. Auflage im Kap. 11 das bisherige Kurzzeichen KMB vorerst weiter verwendet.
310 U. Wild
Nr. 1 2 3
Es stellt sich für den Planer die Frage, welche der Abdichtungsverfahren und welche
Abdichtungsstoffe für das betreffende Objekt am geeignetesten sind. In der Tab. 11.5 sind
einige bei der Beantwortung dieser Frage zu berücksichtigende Voraussetzungen zur Ent-
scheidungshilfe exemplarisch aufgeführt (Tab. 11.5)
Aus den rein beispielhaft aufgeführten Beurteilungskriterien wird ersichtlich, dass
keine generelle vergleichende Beurteilung zwischen spachtelbaren Beschichtungen, Bah-
nenabdichtungen und Sonderverfahren erfolgen kann. So stellen Sonderverfahren in der
Tab. 11.5 Vergleichende Betrachtung von verschiedenen Abdichtungsverfahren
Nr. 1 2 3 4 5 6
1 Auswahlkriterien in Kunststoffmodifizierte Bahnenabdichtung Rissüberdrückende Injektionen Bentonitabdich-
der Altbausanierung Bitumendickbeschich mineralische Dichtungs- (Schleierinjektion tungen
tung (KMB) schlämmen (MDS) und Vergelung)
2 Allgemein anerkannte Entspricht den Entspricht den Entspricht den Stand der Technik Stand der Technik
Regel der Technik a. a. R. d. T a. a. R. d. T a. a. R. d. T (Sonderverfahren) (Sonderverfahren)
(a. a. R. d. T.) zur
Anwendungssicherheit
für Planer und Ausfüh
renden (Einordnung
aus hiesiger Sicht)
3 Regelwerke DIN 18533 KMB- DIN 18533 DIN 18533, Richtlinien für ABI-Merkblatt Kein Regelwerk
Richtlinie (2001) mineralische und flexible (STUVA) WTA- vorhanden
Dichtungsschlämmen des Merkblatt 5-20-09/0
Deutsche Bereiche e.V.
4 Wassereinwirkungs- W1-E, W2.1-E und W1-E, W2-E und W1-E und W4-E W1-E, (W2-E)a W1-E und W2-E
klasse im Anwen- W4-E W4-E je nach
dungsbereich erd- Bahnentyp
berührte Wände und
Wandsockel
5 Geometrie des abzu Einfache Anarbeitung An komplizierte Einfache Anarbeitung an Auch in nicht zu-
dichtenden Baukörpers an komplizierte geometrische komplizierte geometri- gänglichen Be-
einschließlich geometrische Gegebenheiten nur sche Gegebenheiten reichen (z. B. bei
eventueller Gegebenheiten schwierig bzw. mit Teilunterkellerungen
Durchdringungen hohen Arbeitsauf- anwendbar)
wand anzuarbeiten
6 Innenabdichtung Nicht geeignet Nicht geeignet Möglich, starre Dich- Nicht geeignet
tungsschlämmen sind
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung311
besonders geeignet
Tab. 11.5 (Fortsetzung)
312
Nr. 1 2 3 4 5 6
7 Fugenausbildung Materialwechsel Einbau Materialwechsel Unproblematisch, da Unproblematisch
erforderlich zusätzlicher Lagen erforderlich flexibler Gelschleier
8 Witterungseinflüsse Bei Regen ist die Keine Bei Regen ist die Unabhängig von (Relativ) witte-
Durchführung nicht Klebearbeiten bei Durchführung nicht Witterung rungsunabhängig
möglich Regen möglich
Feuchter (nicht nass!) Untergrund muss Feuchter (nicht nass!)
Untergrund kein trocken sein Untergrund kein Problem
Problem Sofort nach Regenfestigkeit kann
Regenfestigkeit kann Aufbringen der bei Bedarf beschleunigt
bei Bedarf beschleunigt Dichtungsbahnen werden
werden widerstandsfähig Schutz vor UV-
Schutz vor UV-Strah- gegen Frost und Strahlung/zu schneller
lung erforderlich Wasser Austrocknung
Abdichtung darf bis erforderlich
zur Durchtrocknung Abdichtung darf bis zur
keinen Frost ausgesetzt Durchtrocknung keinen
werden Frost ausgesetzt werden
9 Trocknungszeit In Abhängigkeit Die Bahnenabdich- In Abhängigkeit der kli- Keine Keine
der klimatischen tung erfüllt sofort matischen Bedingungen,
Bedingungen, der nach Einbau ihre der Schichtendicke sowie
Schichtendicke sowie Funktion des verwendeten Systems
des verwendeten
Systems (1- oder
2-komponentig) bis zu
mehreren Tagen
Prüfung muss an einer
Referenzprobe erfolgen
U. Wild
Tab. 11.5 (Fortsetzung)
Nr. 1 2 3 4 5 6
10 Schichtendicke Schichtendicke muss Bitumenbahnen Schichtendicke muss Dicke des
durch erhöhte Sorgfalt sind industriell durch erhöhte Sorgfalt Gelschleiers ist für
und Nassschichtdi- hergestellte Dich- und Nassschichtdicken- den Ausführenden,
ckenmessungen konti- tungsbahnen messungen kontinuierlich für den Überwacher
nuierlich überprüft und Die Schichtdicke überprüft und kontrolliert und für den
kontrolliert werden ist zwangsläufig werden Bauherren nicht
Abweichungen treten gleichmäßig Abweichungen treten direkt kontrollierbar
häufig punktuell häufig punktuell an un-
an unebenen ebenen Dichtungsträgern
Dichtungsträgern auf auf
11 Kontrollierbarkeit Eine Kontrolle der Die Schichten- Eine Kontrolle der Nicht direkt Durch Inaugen-
Schichtendicke dicke muss nicht Schichtendicke kann bei kontrollierbar, von scheinnahme
kann bei Zweifel überprüft werden Zweifel nachträglich nur der Beschaffenheit möglich
nachträglich nur (s. auch Zeile 10) zerstörend erfolgen des Erdreiches
zerstörend im Haftverbund und abhängig
Keilschnittverfahren Hohlstellen werden (vorhandenes
erfolgen mit der Klangprobe Restrisiko)
ermittelt
12 Verarbeitung Relativ einfache hand- Schwieriger zu Relativ einfache hand- Stellt sehr hohe Stellt sehr hohe
werkliche Ausführung verarbeiten werkliche Ausführung Anforderungen an Anforderungen an
(führt allerdings teil- (führt allerdings teilweise Fachplaner und Fachplaner und
weise auch zur Anwen- auch zur Anwendung von Ausführenden. Ausführenden
dung von KMB durch Dichtschlämmen durch Der Erfolg ist nur Der Erfolg ist nur
nicht ausreichend aus- nicht ausreichend ausge- bei Vorhandensein bei Vorhandensein
gebildete Anwender) bildete Anwender) der notwendigen der notwendigen
Erfahrung mit Erfahrung mit
diesem Verfahren diesem Verfahren
möglich möglich
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung313
Tab. 11.5 (Fortsetzung)
314
Nr. 1 2 3 4 5 6
13 Feuchter Untergrund Möglich Nicht möglich Möglich Möglich Möglich
14 Rückdurchfeuch Bei Rückdurchfeuch- Relativ resistent Rückdurchfeuchtungen Unproblematisch Unproblematisch
tungen durch tungen sind Vorkehrun- gegen Rückdurch- stellen für Dichtungs-
Restfeuchtigkeit gen durch das Aufbrin- feuchtungen schlämmen kein Problem
gen einer Dichtschläm- (Restfeuchtigkeit) dar
me erforderlich
15 Empfindlichkeit Relativ hoch Relativ gering Relativ gering Relativ gering Relativ gering, da
gegenüber Quellvermögen
mechanischen
Beschädigung
(vergleichend)
16 Rissüberbrückung Wenig Hohe Keine bzw. äußerst Hohe Hohe
widerstandsfähig Rissüberbrückung geringe Rissüberbrückung Rissüberbrückung Rissüberbrückung
gegenüber Rissen gewährleistet gewährleistet
(2 mm)
17 Rissklasse nach DIN R1-E bis R3-E R1-E bis R4-E R1-E
18533
18 Raumnutzungsklasse RN1-E bis RN3-E RN1-E bis RN3-E RN1-E bis RN2-E
a
Aus hiesiger Sicht bedarf es diesbezüglich einer Einzelfallprüfung
U. Wild
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung315
Sanierung von denkmalgeschützten Gebäuden oftmals die einzige Möglichkeit zur Ver-
besserung der Feuchtesituation des betreffenden Kellers dar und führen bei gegebenes
Anwendungsvoraussetzung einer sorgfältigen Planung und fachgerechten Ausführung in
der Regel zum Erfolg.
Vor der Planung und Anwendung von Sonderverfahren sollte mit Blick auf die verbleiben-
den Restrisiken dennoch grundsätzlich geprüft werden, ob gegebenenfalls Vertikalabdich-
tungen zur Anwendung kommen können, welche in Anlehnung an DIN 18533 in den WTA-
Merkblättern (WTA-MB 4-6-14/D 2014; WTA-MB 4-7-15/D 2015-04; WTA-MB 4-10-15/D
(2015)) beschrieben sind und für die entsprechende Langzeiterfahrungen vorliegen.
Die Beurteilung muss immer auf den jeweiligen Anwendungsfall unter Beachtung sämtli-
cher in Betracht kommender Gegebenheiten vom Fachplaner sorgfältig abgewogen werden.
Stellt man Kostenvergleiche zwischen den einzelnen genannten Verfahren an, so sind
ebenfalls objektabhängig entsprechende Unterschiede festzustellen.
J. Schlicht (Cziesielski 2010) ist hinsichtlich des Baukostenvergleichs zwischen „Weißer
Wanne“, „Schwarzer Wanne“ und „Brauner Wanne“ zu folgendem Ergebnis gekommen
Tab. 11.6.
Der Kostenvergleich von J. Schlicht (Cziesielski 2010) bezieht sich auf den Neubau-
bereich, wurde jedoch zur Verdeutlichung der Vielzahl von Einflüssen, welche bei der
Auswahl des Verfahrens zu berücksichtigen sind, mit dargestellt.
Beim Kostenvergleich ist weiter zu berücksichtigen, dass „Weiße Wannen“ und „Braune
Wannen“ wasserdampfdurchlässig sind und deshalb bei einer geplanten hochwertigen
Nutzung des Kellergeschosses weitere Maßnahmen und Baukosten verbunden sind.
Die Baukosten sind demzufolge stets von den örtlichen Gegebenheiten sowie von der
vorgesehenen Nutzung des zu sanierenden Objektes abhängig und daher nicht allgemein-
gültig zu bewerten.
Die Auswahl des Verfahrens muss vom Fachplaner sowohl unter Berücksichtigung
der technischen Aspekte als auch unter Betrachtung des finanziellen Aufwandes immer
objektabhängig erfolgen.
• frostfrei
• fest
• eben
• frei von Nestern
• frei von klaffenden Rissen
• frei von Graten
• frei von schädlichen Verunreinigungen
• oberflächentrocken bei aufgeklebten Abdichtungen
• Vertiefungen größer als 5 mm, offene Stoß- und Lagerfugen sowie Ausbrüche müssen
verschlossen sein
• Kanten müssen gefasst sein
• Kehlen sind auszurunden
• möglichst wenige Vor- und Rücksprünge
Die an dieser Stelle aufgeführten allgemeinen „Problempunkte“ sind nur beispielhaft dar-
gestellt. Eine ausführlichere Betrachtung der notwendigen Beschaffenheit der Dichtungs-
träger sind in den Abschn. 11.5 bis 11.9 bei der Abhandlung der verschiedenen Abdich-
tungsmaterialien enthalten.
318 U. Wild
Blasenbildungen verursachen. Durch eine Beseitigung der Poren durch eine Kratzspach-
telung vor Auftrag der KMB wird dies verhindert.
Eventuell erforderliche Horizontalsperren sind in das Abdichtungskonzept mit einzu-
beziehen. (Abb. 11.4).
Ebenfalls nicht unproblematisch sind verunreinigte – also nicht tragfähige – Unter-
gründe. So sind in der Altbausanierung nach den Freilegungsarbeiten alte Vertikalab-
dichtungen anzutreffen, die entweder noch aus der Erbauungszeit stammen oder erst
nachträglich im Zuge von vorangegangenen Sanierungen aufgebracht wurden. Unabhän-
gig vom Einbau-Zeitpunkt der vorhandenen Bestandsabdichtung ist in der Regel nicht
bekannt, um welches Abdichtungsmaterial es sich handelt. Materialunverträglichkeiten
320 U. Wild
sind somit nicht auszuschließen. Sie können beispielsweise dann auftreten, wenn eine
Abdichtung auf Basis von Bitumen (z. B. Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschich-
tung) auf einem Untergrund aufgebracht wird, an dem Rückstände von Teer oder Pech
anhaften (s. Abschn. 11.5.4 „Ausführung“). In der KMB-Richtlinie (2010-05) wird darauf
hingewiesen, dass bei Nachbesserungsarbeiten entweder „gleiches“ oder „verträgliches“
Abdichtungsmaterial verwendet wird.
Altabdichtungen können oftmals nur mit sehr hohen handwerklichen Aufwand ent-
fernt werden. Der entfernte Abdichtungsstoff ist Sondermüll, was entsprechend Entsor-
gungskosten nach sich zieht. Die Frage, ob das Abdichtungssystem auf die vorhandene
Bestandsabdichtung aufgebracht werden kann, bedarf einer sorgfältigen Prüfung durch
den mit der Bauzustandsanalyse beauftragten Sachverständigen. Folgende Schwerpunkte
sind bei der Überprüfung der Bestandsabdichtung zu klären:
Mit Blick auf die damit verbundenen Untersuchungskosten ist eine derartige Überlegung
des Erhaltes der Bestandsabdichtung als Dichtungsträger nur sinnvoll, wenn es sich um
ein relativ großes Objekt oder lediglich um eine partielle Nachbesserung einer ansonsten
funktionstüchtigen Vertikalabdichtung handelt.
Im Zweifelsfall muss die vorhandene Abdichtung vollständig entfernt und anschließend
ein neuer Dichtungsträger hergestellt werden (Abb. 11.5).
11.5.1 Materialeigenschaften
Bereits seit ca. 50 Jahren werden Bitumenemulsionen zur Abdichtung von Bauwerken ein-
gesetzt. Die stetig weiterentwickelten Kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtun-
gen werden im allgemeinen Sprachgebrauch sowie in den Regelwerken und Richtlinien
kurz als KMB bezeichnet.
KMB sind heute als Lösemittelfreie, einkomponentige und zweikomponentige
Abdichtungsstoffe. Bei den einkomponentigen KMB handelt es sich um Emulsionen,
also in einer wässrigen Lösung verteilte kleinste Bitumentröpfchen (Gemisch aus
Bitumen- und Kunststoffdispersion oder Polymerbitumenemulsion). Weitere Zuschlag-
stoffe sind verschiedene Füllstoffe, Fasern und Hilfsstoffe für die Thixotropierung und
Topfkonservierung. Insbesondere bei den Füll- und Hilfsstoffen sind herstellerbedingte
Unterschiede bzw. Variationen in der Rezeptur festzustellen. Nach dem Auftragen auf
den Dichtungsträger wird das Wasser durch Diffusion an die Umgebungsluft und an
den (saugfähigem) Untergrund abgegeben. Schlussendlich bleibt das Bitumen mit den
Zuschlagstoffen zurück.
Die zweikomponentige KMB besteht aus einer Bitumenemulsion als erste Komponente
und Zement, verschiedenen Füllstoffen und Fasern als zweite Komponente. Beide Kom-
ponenten werden miteinander sorgfältig vermischt. Der Zement aus der zweiten Kompo-
nente reagiert mit dem Wasser aus der ersten Komponente, weshalb die Verarbeitung in
einer bestimmten Zeit erfolgen muss.
Die jeweiligen Vor- und Nachteile von einkomponentigen und zweikomponentigen
KMB werden in Abschn. 11.5.1 „Materialeigenschaften“ näher erläutert.
Aufgrund der unkomplizierten Verarbeitung an die jeweiligen geometrischen Gegeben-
heiten erlangten die KMB besonders in der Altbausanierung in der Vergangenheit immer
mehr an Bedeutung.
322 U. Wild
Für die Planung von Vertikalabdichtungen aus KMB und der flankierenden Maßnahmen
stehen folgende DIN-Normen, Richtlinien und Merkblätter zur Verfügung:
Wenn Sanierputze als flankierende Maßnahmen vorgesehen sind, muss zusätzlich noch
folgendes Merkblatt Beachtung finden:
Tab. 11.7 Anwendungsbereiche für KMB (PMBC) gemäß DIN 18 533-3, Tabelle 4
Nr. 1 2 3 4 5 6
Wassereinwirkungsklasse Anwendungsbereich
Allgemeine Planungs.grundlagen Im August 2000 wurde die KMB in die „alte“ DIN
18 195 aufgenommen. Allerdings beschränkte sich die Anwendung von KMB auf Lastfall
nicht drückendes Wasser. Gemäß DIN 18533 drfen KMB nunmehr auch bei drückendem
Wasser bei einer Eintauchtiefe ≤ 3 Meter eingesetzt werden. Die DIN 18533 ist üblicher-
weise im Regelfall nur im Neubaubereich anzuwenden. Bauwerksabdichtungen in der Alt-
bausanierung sind jedoch soweit wie möglich in Anlehnung an die DIN 18533 zu planen
und auszuführen. Sofern die örtlichen Gegebenheiten eine sach- und fachgerechte Anwen-
dung von normgerechten Abdichtungsverfahren wie beispielsweise die Anwendung einer
KMB ermöglichen, ist die DIN 18533 für Planer und Ausführenden auch in der Altbau-
sanierung bindend.
Wenn sich einzelne Forderungen der DIN 18533 nicht direkt auf die Altbausanierung im
interessierenden Anwendungsfall übertragen lassen, ist zumindest eine größtmögliche
„DIN-konforme“ Ausführung anzustreben. In diesem Falle obliegt dem Planer eine sorg-
fältige Betrachtung, inwieweit mit der Abweichung von der „Neubaunorm“ eventuelle
Risiken einhergehen.
Bei der Ausführung von KMB-Abdichtungen im Bereich des Lastfalles drückendes
Wasser sind dem Planer, Ausführenden und Bauüberwacher besondere Sorgfaltspflichten
abzuverlangen.
Folgende Arbeitsschritte können beispielsweise bei einer nachträglich anzubringenden
Vertikalabdichtung an einem Gebäude notwendig werden:
1. Rückbau der Außenanlagen im Hof bis ca. 1,10 m von der Hauswand entfernt und
seitliches Lagern der Materialien.
2. Aushub der Baugrube (die Grube ist so zu bemessen, dass eine sach- und fachgerechte
Ausführung der Arbeiten und Qualitätskontrolle im unteren Bereich der Abdichtung
gegeben sind).
3. Bereits vorhandene (mangelhafte) Bitumendickbeschichtung ist im Regelfall vollstän-
dig zu entfernen (s. Abschn. 11.4.3).
4. Vorbereitung des Untergrundes.
5. Einscheiden des Sockelputzes bei ca. + 40 cm OK Gelände und Entfernen des Sockel-
putzes zwischen OKG und + 40 cm OKG.
6. Aufbringen eines geeigneten Dichtungsträgers über die abzudichtende Fläche bis ca.
+ 40 cm OK Gelände als Ausgleichsputz.
7. Grundierung des Dichtungsträgers nach ausreichender und nachgewiesener
Durchtrocknung.
8. Aufbringen einer flexiblen Dichtungsschlämme von Fundament bis ca. + 40 cm OK
Gelände gemäß der Richtlinie für flexible Dichtungsschlämmen.
9. Grundierung der Dichtschlämme.
10. Aufbringen einer kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtung unter Beachtung
der KMB-Richtlinie bis OKG.
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung325
11. Aufbringen eines wasserabweisenden Sockelputzes von OK Gelände bis ca. + 40 cm
OK Gelände.
12. Einbau eines mechanischen Schutzes gem. KMB-Richtlinie bzw. nach DIN 18 195-10
im erdberührten Bereich mit mechanischer Sicherung durch eine Kappleiste.
13. Malermäßige Überarbeitung des kompletten Sockels.
Bei der Erstellung der Planungsunterlagen für die Vertikalabdichtung muss auch die
vorgesehene Art des Gebäudesockels bereits feststehen bzw. gleichzeitig geplant werden.
Dies ist deshalb von Bedeutung, da die Abdichtung nach DIN 18533-1 bis 30 cm über
die geplante Geländeoberkante zu führen ist. Nach Anpassung des Geländes bei der
Erstellung der Außenanlagen muss die Vertikalabdichtung mindestens noch 15 cm über
der Geländeoberkante herausragen. Wenn ein Sockelputz vorgesehen ist, müssen Vor-
kehrungen getroffen werden, welche einen Haftverbund zwischen Vertikalabdichtung und
Sockelputz gewährleisten.
Da Bitumen als Untergrund für einen mineralischen Sockelputz im bodennahen Bereich
ausscheidet, muss folgender Aufbau vorgegeben und im Leistungsverzeichnis berücksich-
tigt werden (s. auch Abb. 11.9 und 11.10):
11.5.4 Ausführung
• frostfrei
• ausreichend fest (Sinterschichten entfernt)
• ausreichend eben
• frei von Trennmitteln (Staub oder Verunreinigungen)
• ausreichend trocken
• frei von Graten und Fehlstellen
• saugfähig
• Kanten gefast
• Innenecken mit einem Radius von 40 bis 60 mm gerundet (Hohlkehle) (Abb. 11.7
und 11.8)
Die Beschaffenheit des Untergrundes als Dichtungsträger wird mit der Wisch- und Kratz-
prüfung ermittelt. Beim „Wischen“ mit der Hand dürfen sich keine Teilchen des Dich-
tungsträgers lösen. Durch „Kratzen“ mit einer Reißnadel oder Ähnlichem werden even-
tuelle Sinterschichten an der Oberfläche erkannt. Es dürfen sich dabei keine Teile vom
Untergrund ablösen. Durch das Benetzen des Untergrundes mit Wasser wird die Saug-
fähigkeit getestet (Benetzungsprobe). Die Beurteilung bzw. Interpretation fordert dem
Prüfer insbesondere bei der Kratzprüfung einige Erfahrung ab.
Wenn die Dichtungsträger nicht geeignet sind oder das Mauerwerk keine Beschich-
tung aufweist, sind die Fugen und eventuell vorhandenen Fehlstellen nach Reinigung der
Mauerwerksfläche mit einem Ausgleichsputz zu versehen. Ziel ist es, mit dem Ausgleichs-
putz eine Oberfläche zu schaffen, welche die oben genannten Vorrausetzungen für einen
weiteren Abdichtungsaufbau mit KMB erfüllt.
328 U. Wild
vorherrschenden Baustellenbedingungen aus Sicht des Autors zum Zwecke der Staubbin-
dung und Schaffung eines gleichmäßig saugenden Untergrundes nicht auf den Voranstrich
verzichtet werden. Die Grundierung erfüllt auch die Aufgabe der Oberflächenverfestigung
(Abb. 11.11 und 11.12).
Nach ausreichender Trocknung der Grundierung auf dem Dichtungsträger kann dann die
KMB aufgebracht werden. Die DIN 18533 und die KMB-Richtlinie lassen Spachtel- Streich-
und Spritzverfahren zu. Ferner sind generell zwei Arbeitsgänge erforderlich, welche gegebe-
nenfalls „frisch in frisch“ aufgebracht werden können. Weder die DIN 18533 noch die KMB-
Richtlinie (2010-05) fordern bei Bodenfeuchte und nicht drückendes Wasser den Einbau eines
Vlieses oder Gewebes. Bei Lastfall „aufstauendes Sickerwasser“ hingegen ist eine Einlage
aus Gewebe oder Vlies zwingend vorgeschrieben.
Bei Arbeitsunterbrechungen ist die Beschichtung in der Fläche „auf null auslaufen“
zu lassen. Die „Schnittstelle“ darf nicht an Ecken, Kanten, Kehlen oder im Bereich von
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung331
Die im Teil 3 der DIN 18533 und in der KMB-Richtlinie (2010-05) geforderten Gewebe-
bzw. Verstärkungseinlagen in den Wassereinwirkungsklassen W2.1-E und W3-E dienen
in erster Linie zur Kontrolle der Schichtendicke und werden in die erste Lage der KMB
mit einer Glättkelle vollflächig eingearbeitet. Die Prüfung der Nassschichtdickenkontrolle
332 U. Wild
mit dem Schichtendickenmesser muss an der ersten Lage vor Einbau der Einlage und bei
Erstellung der zweiten Lage separat erfolgen und dokumentiert werden.
Das Aufbringen der KMB mit einem Kammspachtel hat den Vorteil, dass bei entspre-
chender Wahl der Zahnung und des Anstellwinkels die erforderliche Nassschichtdicke
„aufgekämmt“ werden kann (s. Abb. 11.17). Im zweiten Arbeitsgang werden dann die
Zwischenräume mit KMB glatt verspachtelt. Hierbei ist jedoch bei dem zweiten Material-
auftrag auf eine vollständige Verfüllung aller Zwischenräume zu achten. Da bei dieser Ver-
fahrensweise eine Verstärkungslage nicht eingebaut werden kann, ist der Materialauftrag
mittels Kammspachtel ausschließlich auf die Wassereinwirkungsklasse W1-E nach DIN
18533-1 beschränkt.
Durchdringungen sind in Abhängigkeit der Wassereinwirkungsklasse auszuführen. In
der Wassereinwirkungsklasse W1-E ist es bei nachgewiesener Materialverträglichkeit
zwischen Futterrohr und KMB sowie bei auszuschließender axialer und radialer Bewe-
gung ausreichend, das Futterrohr anzurauhen, zu reinigen und mit KMB hohlkehlenartig
einzudichten (s. Abb. 11.13, 11.14 und 11.15). Ansonsten erfolgt die Anbindung mittels
Klebeflansch mit einer Flanschbreite von mindestens 50 mm.
Zwischen Rohrdurchführung und Mauerwerk müssen aber zuvor sämtliche Hohlräume
sauber verschlossen werden. Hier sind die Anforderungen an den Dichtungsträger gleich-
falls zu gewährleisten (s. Abschn. 11.8.4 „Anforderungen an den Untergrund“). Bau-
schaum oder Ähnliches ist kein geeigneter Dichtungsträger, da er die diesbezüglichen
Anforderungen der DIN 18533 nicht erfüllt.
In der Wassereinwirkungsklasse W2.1-E bestehen folgende Möglichkeiten zur Ausfüh-
rung von Durchdringungen:
Auf dem Dichtungsträger aufgebrachte KMB muss vor UV-Strahlung in geeigneter Art
und Weise geschützt werden. Der mechanische Schutz sollte unverzüglich nach an einer
Referenzprobe geprüfter ausreichender Durchtrocknung angebracht werden, um die
Abdichtung vor UV-Strahlung und mechanischer Beschädigung in der Bauphase und im
späteren Nutzungszustand zu schützen. Für KMB sind nur für diesen Verwendungszweck
zugelassene Noppenbahnen zu verwenden.
Linien- oder punktförmige Belastungen sind zu vermeiden. Demgemäss muss der
mechanische Schutz ausgewählt werden. Noppenbahnen, welche lediglich als Grundmau-
erschutz dienen, sind bei KMB nicht zu verwenden, da die punktförmige Belastung unter
Einwirkung des Erddruckes zu einer nicht hinnehmbaren Zusammendrückung der KMB
und somit zu einer erheblichen Unterschreitung der geforderten Mindesttrockenschicht-
dicke führen kann. Die KMB besitzt ein plastisches Verformungsverhalten und ist daher
nur gering druckstabil.
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung333
Rein vorsorglich wird noch darauf hingewiesen, dass unter dauernder Einwirkung des
Erddrucks Bitumenmasse in die rückwärtigen Trichteröffnungen der Noppen bei ungeeig-
neten Schutzschichten gelangt. Durch die so entstehende Verzahnung der Schutzlage mit
der Vertikalabdichtung kann die Dickbeschichtung durch vertikale Setzungen des Erdrei-
ches (beispielsweise beim Verdichten) beschädigt werden.
Darüber hinaus muss der Mechanische Schutz durchwurzelungssicher und unverrottbar
sein. Hier kommen beispielsweise eine Polyethylen-Noppenbahn mit Gleitfolie auf der
Seite der Abdichtung und einem aufkaschiertem Polypropylen-Filtervlies auf der äußeren
Seite in Betracht (s. Abb. 11.18).
Generell ist für die Grundierung, Dichtschlämme, Hohlkehlmörtel und KMB die
Anwendung eines Herstellersystems zu empfehlen (Abb. 11.23). Viele Hersteller bieten
334 U. Wild
zu diesem Zweck aufeinander abgestimmte und geprüfte Produkte als geprüften System-
aufbau an. Der Vorteil liegt bei sach- und fachgerechter Verarbeitung in der Risikomi-
nimierung hinsichtlich der Materialverträglichkeit. Auf kritischen Untergründen sollte
eine objektbezogene Aufbauempfehlung vom Hersteller abgefordert und auf der Baustelle
konsequent umgesetzt werden.
Verstärkungseinlagen müssen zum geprüften Abdichtungssystem gehören.
der örtlichen Gegebenheiten. Die Untergründe in der Altbausanierung sind oft nicht völlig
eben, weshalb Schwankungen im Materialauftrag zwangsläufig entstehen.
Es ist grundsätzlich zu beachten, dass es sich bei den in der Tab. 11.7 in Abhängig-
keit der Wassereinwirkungsklasse angegebenen Schichtendicken um Mindestangaben
handelt. Daraus folgt, dass die Herstellerangaben sich auf die „ungünstigste“, punktuelle
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung339
Stelle beziehen. Bei unebenen Untergründen ist daher ein gewisser Zuschlag auf dem
vom Hersteller vorgegebenen Materialverbrauch erforderlich, um die geforderte Trocken-
schichtdicke in der gesamten Fläche zu gewährleisten. Die vom Hersteller angegebene
340 U. Wild
Nassschichtdicke ist allerdings auch nicht um mehr als 100 % zu überschreiten. Insbeson-
dere bei 1-komponentigen KMB kann sich eine „Haut“ an der Oberfläche bilden und es
besteht die Gefahr der mechanischen Beschädigung.
Das Anbringen des mechanischen Schutzes und die anschließende Verfüllung dürfen
erst nach Prüfung der Durchtrocknung erfolgen. Eine Beurteilung allein auf Grundlage
der Standzeit der Vertikalabdichtung ist nicht ausreichend, da die Trocknung entscheidend
von den klimatischen Bedingungen, der Schichtendicke und dem Feuchtegehalt im Unter-
grund abhängig ist. Da die Prüfung der Durchtrocknung nur zerstörend erfolgen kann,
sehen die DIN 18533 und die KMB-Richtlinie die Prüfung an einer Referenzprobe vor.
Die Referenzprobe besteht aus dem gleichen Material wie der Wandbildner, auf dem
die KMB-Abdichtung aufgebracht wurde. Die einzelnen Schichten vom Ausgleichs-
putz über Grundierung und KMB-Auftrag erfolgen zeitlich, materialmäßig und hinsicht-
lich Schichtendicke analog zur Vertikalabdichtung. Zur Gewährleistung der identischen
klimatischen Bedingungen wird die Referenzprobe in der Baugrube gelagert. Wenn
schlussendlich die Durchtrocknung mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht ist, erfolgt
die zerstörende Prüfung mittels Keilschnittverfahren an der zuvor erstellten Referenz-
probe (s. Abb. 11.21). Das Ergebnis der Durchtrocknungsprüfung ist im Protokoll gemäß
Abb. 11.19 zu dokumentieren.
Bitumen Teer
Tropft „wachsartig“ beim Anbrennen (ähnlich „Knistert“ beim Anbrennen und es entsteht
einer Kerze) und es entsteht ein süßlicher schweflig stechender Geruch, schwarzer
Geruch, grauer Rauch Rauch
In diesen Fällen ist die Art der bereits vorhandenen Abdichtung in Erfahrung zu bringen.
Hierbei ist von Interesse, ob die „Altabdichtung“ möglicherweise aus Teer oder Pech
besteht. Bis vor ca. 80 Jahren wurden häufig derartige Materialien eingesetzt und können
heute bei Altbauinstandsetzungen im erdberührten Bereich als Bestandsabdichtung ange-
troffen werden.
Da Teer und Bitumen bei einer eventuellen Vermischung Lösungsmittel in Tropfen-
form abscheiden, ist eine Materialverträglichkeit nicht gegeben. Kunststoffmodifizierte
Bitumendickbeschichtungen können deshalb nicht auf Teer oder Pech aufgebracht werden
(Abb. 11.24).
Folgende baupraktisch leicht durchführbare Prüfung hilft bei der Feststellung, ob es
sich bei der Bestandsabdichtung um Bitumen oder um Teer handelt (Tab. 11.9).
Darüber hinaus können im Zweifelsfall Materialproben auch in ein geeignetes Labor
zur Prüfung übergeben werden. Generell sollten „Altabdichtungen“ nach Möglichkeit
sach- und fachgerecht entfernt werden, um Materialunverträglichkeiten auszuschließen.
Letzteres kann oftmals nur handwerklich aufwendig durch Abstemmen erfolgen, wenn
Abstrahlen nicht zum Erfolg führt.
Bei 1-komponentigen KMB kann sich an der Oberfläche eine „Haut“ bilden, welche
augenscheinlich als trocken eingeschätzt wird. Bei Belastung durch Erddruck ist über die
Schutzschichten ein „Durchstanzen“ der „Haut“ bis auf das noch nicht ausgehärtete Mate-
rial zu erwarten. Die Hohlkehle ist besonders für ein Eindrücken der Schutzschicht gefähr-
det, wenn die Verfüllung der Baugrube zu früh erfolgt. Geeignete Schutzschichten aus
Perimeterdämm- oder Dränplatten sind im Kehlenbereich abgerundet und weisen daher
keine linienförmige Kontaktfläche zur KMB auf.
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung345
11.6.1 Materialeigenschaften
Bitumen wird als „Nebenprodukt“ bei der Aufbereitung von Erdöl als Kohlenwasserstoff-
gemisch gewonnen. Durch die Zugabe von speziellen Kunststoffen oder Kautschuk zum
Bitumen wird Polymerbitumen hergestellt.
Industriell hergestellte Bitumenbahnen bestehen aus einer Trägereinlage, welche in
Bitumen als Deckschicht eingebettet ist. Die zur Verfügung stehenden Bitumenbahnen
346 U. Wild
unterscheiden sich in der Art der jeweiligen Trägereinlage und der darauf aufgebrachten
Deckschichten.
Die Deckschichten bestehen aus:
• Oxidationsbitumen
• Polymerbitumen
• Polymerbitumen mit thermoplastischen Kunststoffen
• Polymerbitumen mit thermoplastischen Elastomeren
• Glasvlies
• Glasgewebe
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung347
• Jutegewebe
• Aluminiumband
• Kupferband
Die Trägereinlagen wirken als „Bewehrung“ im Bereich von Rissen und Fugen. Sie wirken
auch gegen Fließerscheinungen bei einwirkenden Druckbelastungen und gegen Zugkräfte.
Sofern die Trägereinlagen nicht wasserdicht zu bewerten sind bzw. nicht miteinander ver-
lötet oder verschweißt sind, übernimmt die abdichtende Funktion allein das Bitumen.
Die Art der Trägereinlage geht aus der Bezeichnung hervor (z. B. PYE-PV 200-S 4
PV = Polyestervlies 200 g/m2).
Folgende Bitumen- und Polymerbitumenbahnen kommen je nach Kombination der
jeweiligen Trägereinlage und der Deckschichten nach DIN 18533-2, Tabelle 1 zur Anwen-
dung (Tab. 11.10).
348 U. Wild
Nr. 1 2
• Richtlinie für Planung und Ausführung von Abdichtungen erdberührter Bauteile mit
flexiblen Dichtschlämmen (2006-04)
• Richtlinie für Planung und Ausführung von Abdichtungen von Bauteilen mit minerali-
schen Dichtungsschlämmen, 1. Ausgabe (2002-05)
Mit Verwendung von Sanierputzen als flankierende Maßnahmen müssen zusätzlich noch
folgende Merkblätter Beachtung finden:
Weitere Hinweise zur Ausführung sowie Ausführungsbeispiele sind der umfangreich zur
Verfügung stehenden Fachliteratur zu entnehmen.
In der im April 2009 verabschiedeten Fassung der „alten“ DIN 18 195-2 wurde das Spek-
trum der möglichen Abdichtungsbahnen teilweise erweitert. Nunmehr sind auch selbst-
klebende Bitumenbahnen zu den Normgerechten Abdichtungsstoffen zu zählen.
Bei Kunststoffbahnen sind zur Planung und Ausführung zusätzlich die Herstellerricht-
linien zu beachten.
Wie bei allen Verfahren und Abdichtungsmaterialien sind Voruntersuchungen auch
beim Einsatz von Bitumenbahnen notwendig. Unabdingbare Planungsgrundlage ist auch
hier ein Baugrundgutachten mit Angabe des Bemessungswasserstandes. Erst wenn die
Wasserbeanspruchung auf die Abdichtung vom Baugrundgutachter klar definiert wurde,
kann unter Berücksichtigung der vom Bauherren vorgesehenen Nutzung die Abdichtung
geplant werden.
Folgende Arbeitsschritte können beispielsweise bei einer nachträglich anzubringenden
Vertikalabdichtung an einem Gebäude notwendig werden:
1. Rückbau der Außenanlagen im Hof bis ca. 1,10 m von der Hauswand entfernt und
seitliches Lagern der Materialien.
2. Aushub der Baugrube (die Grube ist so zu bemessen, dass eine sach- und fachgerechte
Ausführung der Arbeiten und Qualitätskontrolle im unteren Bereich der Abdichtung
gegeben ist).
3. Bereits vorhandene (mangelhafte) Abdichtungen sind vollständig zu entfernen.
4. Vorbereitung des Untergrundes (Fugen auskratzen usw.).
5. Einscheiden des Sockelputzes bei ca. + 40 cm OK Gelände und Entfernen des Sockel-
putzes zwischen OKG und + 40 cm OKG.
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung351
6. Aufbringen eines geeigneten Dichtungsträgers über die abzudichtende Fläche bis ca.
+ 40 cm OK Gelände als Ausgleichsputz.
7. Grundierung des Dichtungsträgers nach ausreichender und nachgewiesener
Durchtrocknung.
8. Aufbringen einer flexiblen Dichtungsschlämme im Sockelbereich von OKG bis ca.
+ 40 cm OKG gemäß der Richtlinie für flexible Dichtungsschlämmen (bei zu erwar-
tenden Rückdurchfeuchtungen vollflächig bis zum Fundament/Sohlplatte).
9. Grundierung der Dichtschlämme
10. Aufbringen von nackten Bitumenbahnen unter Beachtung von DIN 18533 einschließ-
lich Anflanschen im Bereich von Ab- und Anschlüssen und an Einbauteilen sowie
Eindichten von Rohrdurchführungen mit Manschetten.
11. Aufbringen eines Sockelputzes von OK Gelände bis ca. + 40 cm OK Gelände.
12. Einbau eines mechanischen Schutzes gemäß DIN 18533-1 im erdberührten Bereich
mit mechanischer Sicherung durch eine Kappleiste.
13. Malermäßige Überarbeitung des kompletten Sockels.
11.6.4 Ausführung
11.6.5 Bürstenstreichverfahren
Verfahren Abdichtungsstoff
Bürstenstreichverfahren Ungefülltes Bitumen
Gießverfahren Ungefülltes Bitumen
Gieß- und Einwalzverfahren Gefüllte Klebemasse Metallbänder ohne Deckschicht
Flämmverfahren Ungefülltes Bitumen
Schweißverfahren Schweißbahnen
Kaltselbstklebeverfahren Selbstklebende Bitumenbahnen
angesetzt und hohlraumfrei eingerollt werden kann. Danach werden die Bitumenbahnen
aus der Bahnenmitte heraus zu den Rändern „fischgrätenartig eingebügelt“.
11.6.6 Gießverfahren
Die Bitumenbahn wird derart an den Dichtungsträger gedrückt, dass zwischen Bahn und
Dichtungsträger ungefüllte Klebemasse gegossen werden kann. Die Bahn ist sukzessive
von unten nach oben im Zwickel zu vergießen und einzurollen, sodass eine vollflächige
Bettung in der Klebemasse gewährleistet ist. Die Klebemasse muss zur Kontrolle an den
Rändern austreten und sofort verstrichen werden. Nach DIN 18 195 sollten an vertikalen
Flächen die Bahnen nicht breiter als 0,70 m sein. Aufgrund der jeweiligen örtlichen Gege-
benheiten können auch kleinere Zuschnitte erforderlich werden.
11.6.8 Flämmverfahren
Die Klebemasse (Heißbitumen) wird auf den Untergrund aufgetragen und durch Wärme-
zufuhr verflüssigt. Die Bitumenbahn wird in die aufgeschmolzene Klebemasse fest ein-
gewalzt. Zu beachten ist, dass im Überlappungsbereich der Bahnen ebenfalls Klebemasse
aufgetragen und verflüssigt werden muss. Die in der DIN 18 195-3 empfohlene Bahnen-
breite beträgt 0,75 m. Bei maschineller Verarbeitung können eventuell auch größere Bah-
nenbreiten zur Anwendung kommen. Das Flämmverfahren darf nicht bei nackten Bitu-
menbahnen angewendet werden.
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung353
11.6.9 Schweißverfahren
Lose Bestandsteile sind vom Untergrund restlos zu entfernen. Es dürfen keine scharfkan-
tigen Unebenheiten vorhanden sein, um zu vermeiden, dass die Dichtungsbahnen durch-
stoßen werden. Eventuell vorhandene Risse sind entsprechend zu beseitigen.
Die vertikalen Wandflächen müssen vollfugig bzw. ohne oberflächliche Profilierungen
erstellt sein. Falls ein Dichtungsträger aufgebracht werden muss, und dies ist in der Alt-
bausanierung eigentlich immer notwendig, muss dieser der Mörtelgruppe II oder Mörtel-
gruppe III entsprechen.
Der Untergrund muss ausreichend trocken sein. Außenecken sind abzufasen und Innen-
ecken mit einer Hohlkehle zu versehen, um das „Knicken“ der Dichtungsbahnen zu
vermeiden.
An senkrechten Flächen ist ein Voranstrich zur Verbesserung der Haftung erforderlich.
354 U. Wild
11.7.1 Materialeigenschaften
Nr. 1 2
Nr. 1 2
• DIN 18533 „Abdichtung von erdberührten Bauteilen – Teil 2: Abdichtung mit bahnen-
förmigen Abdichtungsstoffen (2017-07)
• ATV DIN 18 336 „Abdichtungsarbeiten“ (2016-09)
• Ö-Norm B 3355-1 „Trockenlegung von feuchtem Mauerwerk – Bauwerksdiagnose,
Planungsgrundlagen, Ausführungen und Überwachung“ (2017-03)
• WTA-Merkblatt 4-5-99/D „Beurteilung von Mauerwerk-Mauerwerksdiagnostik“
(1999)
• WTA-Merkblatt 4-6-14/D „Nachträgliches Abdichten erdberührter Bauteile“ (2014-01)
• Richtlinie für Planung und Ausführung von Abdichtungen erdberührter Bauteile mit
flexiblen Dichtschlämmen (2006-04)
• Richtlinie für Planung und Ausführung von Abdichtungen von Bauteilen mit minerali-
schen Dichtungsschlämmen, 1. Ausgabe (2002-05)
Die Bahnen werden zwischen zwei Lagen nackter Bitumenbahnen mit Bitumenklebe-
masse angeordnet. PVC-P-Bahnen mit einer Dicke von 2,0 mm können auch lose zwi-
schen geeigneten Schutzlagen verlegt werden, wenn die Eintauchtiefe nicht größer als
4 m ist.
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung357
Bis 4 m Eintauchtiefe muss die erforderliche Dicke der PIB-Bahnen, PVC-P-Bahnen
und EVA-Bahnen mindestens 1,5 mm betragen. Bei ECB- und EPDM-Bahnen sind min-
destens Dicken von 2,0 mm gefordert.
Wenn größere Eintauchtiefen als 4 m zu berücksichtigen sind, müssen die PIB-Bahnen,
PVC-P-Bahnen und EVA-Bahnen eine Mindestdicke von 2,0 mm und ECB- und EPDM-
Bahnen 2,5 mm aufweisen. Die Dickenangaben beziehen sich jeweils auf Bahnen ohne
Kaschierung.
Sofern Kunststoff- oder Elastomer-Dichtungsbahnen ausgeschrieben werden, sollte
vom Planer im Vorfeld eine Festlegung im Leistungsverzeichnis erfolgen, mit welchem
Verfahren die Nähte auf Dichtheit zu prüfen sind und welche Ergebnisse zu gewährleisten
sind (s. auch Abschn. 11.7.4).
Eine dauerhaft wasserdichte Verbindung zwischen Kunststoffbahnen und Abdich-
tungsstoffen auf Bitumenbasis ist in der Regel nicht möglich. Bei der Verwendung von
Kunststoffbahnen in Verbindung mit Bitumenwerkstoffen ist auf Bitumenbeständigkeit zu
achten. Hier können beispielsweise bitumenbeständige PVC-Bahnen vorgesehen werden.
11.7.4 Ausführung
• Bürstenstreichverfahren
Die Klebemasse wird auf den Dichtungsträger aufgetragen und mit einer Bürste gleich-
mäßig verteilt. Die Kunststoffbahn wird in das „Kleberbett“ eingerollt und blasenfrei
angedrückt.
• Gießverfahren
In die ausgegossene Klebemasse werden Kunststoffbahnen eingerollt und angedrückt.
An vertikalen Flächen ist von oben eine gleichmäßige Klebewulst zwischen der Kunst-
stoffbahn und dem Dichtungsträger sicherzustellen.
• Flämmverfahren
Die zuvor aufgebrachte Bitumenschicht wird durch Wärmezufuhr wieder aufgeschmol-
zen und die Kunststoffbahn im verflüssigten Bitumen ausgerollt und eingedrückt. Als
Untergrund ist gemäß DIN 18533-2 auch eine Bitumenschweißbahn zulässig.
358 U. Wild
• Selbstklebende Elastomer-Dichtungsbahnen
Elastomerdichtungsbahnen mit Selbstklebeschicht werden nach Entfernung der Trenn-
folie unter Druck auf den Dichtungsträger angesetzt. Die Nähte und Stöße werden
separat, wie in Kapitel „Naht- und Stoßverbindungen“ erläutert, abgedichtet.
Alternativ können Kunststoff-Dichtungsbahnen auch lose verlegt werden.
Wenn die Kunststoffbahnen lose verlegt werden sollen, sind nach DIN 18533-2 fol-
gende Varianten zulässig:
• Lose Verlegung mit mechanischer Befestigung
Die Kunststoffbahn wird punktuell mit Flachbändern oder Tellerankern am Untergrund
befestigt. Hierbei ist darauf zu achten, dass der Abstand der Befestigungsmittel sowie
die Art der Verankerung auf die einwirkenden Beanspruchungen abgestimmt sind.
• Lose Verlegung mit Auflast
Die Dichtungsbahnen werden lose verlegt und mit einer Auflast versehen.
Naht- und Stoßverbindungen Fügetechnik Die abdichtende Wirkung wird nicht gene-
rell wie bei Bitumenbahnen durch eine vollflächige Verschmelzung der Abdichtungslage
auf dem Untergrund erzielt. Bei der losen Verlegung ist die Abdichtung allein auf die
wassersperrende Wirkung des Bahnenquerschnittes zurückzuführen. Aus diesem Grunde
müssen insbesondere bei der losen Verlegung von Kunststoffbahnen die Nähte gemäß DIN
18533-2 besonders sorgfältig ausgeführt und geprüft werden.
Die Nähte und Stöße werden mit nachstehenden Verfahren verbunden:
Tab. 11.13 Breite der Fügenähte bei Kunststoff- oder Elastomerbahnen gemäß DIN 18 533-2,
Tabelle 8
Nr. 1 2 3
Heizelementschweißen sind die T-Stöße von PIB-Bahnen durch Injektion einer PIB-
Lösung nachzubehandeln. Bei EVA-, und PVC-P-Bahnen sollten nach Quellschweißen
und Warmgasschweißen die äußeren Kanten der Nähte mit einer geeigneten Nahtlösung
überstrichen werden.
Die Naht- und Stoßverbindungen müssen gemäß DIN 18533-2 hinsichtlich ihrer Dicht-
heit geprüft werden. Wie bereits in Abschn. 11.7.3 dargelegt, sollte eine Vereinbarung
über das Prüfverfahren und die zu erzielenden Ergebnisse vor Bauausführung getroffen
werden. Dies sollte schon allein aufgrund des sehr unterschiedlichen Aufwandes für die
einzelnen Prüfverfahren erfolgen (Tab. 11.13 und 11.14).
Die aufgeführten Prüfverfahren können je nach Einzelfall untereinander entsprechend
kombiniert werden (Abb. 11.30).
Kunststoffbahnen sind empfindlich gegenüber mechanischen Beschädigungen. Der
Untergrund darf daher keine scharfen Kanten aufweisen. An Übergängen zu scharfkanti-
gen Bauteilen müssen Schleppstreifen als Schutzlage vorgesehen werden.
Die Beaufschlagung von Kunststoffbahnen mit Öl, Benzin oder Holzschutzmittel bei
der Bauausführung ist zu vermeiden.
360 U. Wild
11.8.1 Materialeigenschaften
Die Menge und die Art der zugeführten Kunststoffe bestimmen die Flexibilität der
Schlämme. So unterscheidet man mineralische (starre) Dichtungsschlämmen und flexible
Dichtungsschlämmen.
Zementäre Dichtungsschlämmen werden ohne weitere Abdichtungsstoffe für Bau-
werksabdichtungen eingesetzt oder in Verbindung mit kunststoffmodifizierten Bitumen-
dickbeschichtungen. Im letzteren Fall verhindern die Dichtungsschlämmen eine rückwär-
tige Durchfeuchtung der KMB bei im Mauerwerk enthaltener hoher Restfeuchtigkeit und
bilden gleichzeitig einen geeigneten Untergrund für die KMB. Dichtungsschlämmen sind
auch im Sockelbereich geeignet (s. Abb. 11.9 und 11.10). Wenn zementäre Dichtungs-
schlämmen in Kombination mit kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung (KMB)
eingesetzt werden, sollte unbedingt innerhalb eines Herstellersystems gearbeitet werden.
Dies bezieht sich auch auf eine erforderliche Grundierung.
Erst nach dem Mineralische Dichtungsschlämmen etwa 50 Jahre im Bereich der Bau-
werksabdichtung eingesetzt und in dieser Zeit fortlaufend verbessert und weiterentwickelt
wurden, erfolgte in der Neufassung von „alten“ DIN 18 195-2 (2009-04) eine Aufnahme
als zulässiger Abdichtungsstoff. Allerdings erfolgte die Einschränkung, dass Mineralische
Dichtungsschlämmen nur dann verwendet werden dürfen, wenn dessen Anwendung in
den jeweiligen Anwendungsteilen der DIN 18195 geregelt ist.
Da die Ausführung von MDS in den Teilen 4, 5 und 6 der „alten“ DIN 18 195 nicht
geregelt waren, musste bei Anwendung von MDS eine entsprechende Beratung des Auf-
traggebers sowie eine gesonderte schriftliche Vereinbarung erfolgen. In DIN 18533-3,
welche im Juli 2017 herausgegeben wurde, ist die Anwendung von rissüberbrückenden
mineralischen Dichtungsschlämmen (MDS) an erdberührten Bauteilen erstmals in einer
Abdichtungsnorm geregelt. Die Planung und Anwendung von rissüberbrückenden mine-
ralischen Dichtungsschlämmen (MDS) ist somit für alle Beteiligten auf eine sichere Basis
gestellt.
Die Planung, Ausführung und Bewertung von Dichtungsschlämmen erfolgen unter
Heranziehung folgender Merkblätter und Richtlinien:
• DIN 18533-3 „Abdichtung von erdberührten Bauteilen – Teil 3: Abdichtung mit flüssig
zu verarbeitenden Abdichtungsstoffen“ (2017-07)
• WTA-Merkblatt 4-6-14/D (2014-01)
• „Richtlinie für die Planung und Ausführung von Abdichtungen von Bauteilen mit
mineralischen Dichtungsschlämmen“ (2002-05)
• „Richtlinie für die Planung und Ausführung von Abdichtungen erdberührter Bauteile
mit flexiblen Dichtungsschlämmen“ (2006-04)
• VOB C ATV DIN 18 336 „Abdichtungsarbeiten“ (in Anlehnung) (2016-09)
362 U. Wild
Die Anwendungsgrenzen sind damit festgelegt, sodass eine ausreichende Planungs- und
Ausführungssicherheit bestehet.
In der „Richtlinie für die Planung und Ausführung von Abdichtungen von Bauteilen mit
mineralischen Dichtungsschlämmen“, Stand Mai 2002, herausgegeben vom „Deutschen
Bauchemie e. V.“, sind grundsätzliche Festlegungen zur Prüfung und Anwendung von
Dichtschlämmen enthalten.
Bereits seit 1997 wird in der Bauregelliste als Verwendbarkeitsnachweis ein allgemein
bauaufsichtliches Prüfzeugnis für nicht genormte Abdichtungsstoffe und -systeme gefor-
dert. In DIN 18533-3 wird diese Forderung aufrechterhalten. Demgemäß ist der Nachweis
der stofflichen Eigenschaften nach den „Prüfgrundsätzen für die Erteilung von allgemein
bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen für mineralische Dichtungsschlämmen für Bauwerks-
abdichtungen (PG-MDS)“ zu erbringen. Somit ist nach wie vor ein bauaufsichtliches Prü-
fungszeugnis (abP) erforderlich.
Der Planer sollte sich das allgemein bauaufsichtliche Prüfzeugnis vom Ausführenden
übergeben lassen und der Bauakte beifügen.
Tab. 11.15 Beurteilungskriterien hinsichtlich des Einsatzes von starren und flexiblen
Dichtungsschlämmen
Bereich der Wand nicht zur Verfügung steht. Hier kann im Einzelfall ein Sanierputz auf
der MDS als „Feuchtepuffer“ eingesetzt werden (Tab. 11.15).
Bei der Planung von Innenabdichtungen aus zementären Dichtungsschlämmen ist
ebenfalls zu bedenken, dass eventuell nachträglich am Wandbildner eingebrachte Befesti-
gungsmittel immer eine Zerstörung der Innenabdichtung verursachen.
Die Fähigkeit, rückseitig einwirkendem Wasser standzuhalten, ermöglicht es, minera-
lische Dichtungsschlämmen vor dem Auftrag von kunststoffmodifizierten Bitumendick-
beschichtungen (KMB) vorzuschalten. Nach DIN 18533-1 ist es wegen der Gefahr einer
Stauwasserbildung erforderlich, die Vertikalabdichtung planmäßig bis mindesten + 30 cm
über Oberkante Gelände am Wandbildner heraufzuführen. Zwingend erforderlich ist ein
„Überstand“ der Vertikalabdichtung bis mindestens + 15 cm Oberkante Gelände nach der
entgültigen Gestaltung der Außenanlagen.
Da normgerechte Abdichtungsstoffe wie beispielsweise bituminöse Dichtungsbahnen
oder kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen (KMB) außerhalb des erdberühr-
ten Bereiches keinen geeigneten Untergrund für einen Sockelputz darstellen, kann der
364 U. Wild
einer entsprechenden Vereinbarung bedarf. Die Planung und Ausführung erfolgt in diesem
Fall auf Grundlage der „Richtlinie für die Planung und Ausführung von Abdichtungen
von Bauteilen mit mineralischen Dichtungsschlämmen“, herausgegeben vom Deutschen
Bauchemie e.V.
Prinzipiell sind Öffnungen für nachträglich einzubauende Durchdringungen mit
einem Kernbohrgerät herzustellen. Diese Verfahrensweise ist erschütterungsarm und
dient zur Vermeidung von Gefügestörungen im Wandbildner und daraus resultierenden
Rissbildungen.
Ebenso sorgfältig zu planen sind die Anordnung und Ausführung von Fugen. Im
Fugenbereich ist ein geeignetes Fugenband einzubauen. Eine Schlaufenbildung kann in
Abhängigkeit der zu erwartenden „Bewegungen“ erforderlich sein. Das Fugenband wird
entweder mit flexiblen Dichtungsschlämmen oder flexiblen Reaktionsharzen in die Ver-
tikalabdichtung „eingebettet“ bzw. befestigt. Das Fugenband muss genau wie die Verti-
kalabdichtung planmäßig bis mindestens + 30 cm Oberkante Gelände (bzw. mindestens
+ 15 cm nach Gestaltung des Außengeländes) an der Wand heraufgeführt werden.
Bei der Planung und Ausführung von Gebäudetrennfugen bei Reihenbebauungen ist
das Nachbargebäude entsprechend mit einzubeziehen (wannenartige Abdichtung). Die
notwendigen Absprachen mit dem Eigentümer des Nachbargebäudes sollten bereits zum
Zeitpunkt der Voruntersuchungen erfolgen. Bei einer Reihenbebauung ist ohnehin die
eventuell am Nachbargebäude durchgeführte Bauwerksabdichtung bei der Planung und
Ausführung mit zu berücksichtigen, um „Feuchtebrücken“ zu vermeiden. Die dafr erfolg-
lichen Angaben sollten bei der Planung der Bauwerksabdichtung vorliegen.
Generell sind lose Bestandsteile restlos vom Untergrund zu entfernen. Eine Grundierung
ist zur Sicherstellung der Staubbindung, der Verfestigung sowie für eine gleichmäßige
Saugfähigkeit notwendig. Es sollte innerhalb eines Herstellersystems gearbeitet werden,
da diese Materialien aufeinander abgestimmt sind.
Der Untergrund ist vorzunässen, um ein zu schnelles Austrocknen der Dichtungs-
schlämme zu vermeiden. Die Oberfläche darf jedoch nicht porengesättigt, sondern ledig-
lich mattfeucht sein. Mit der Benetzungsprobe ist die Saugfähigkeit zu ermitteln. Die mit
dem Quast aufgebrachten Wassertropfen müssen nach kurzer Zeit vom Untergrund auf-
gesogen werden.
Scharfkantige Unebenheiten sind vor dem Auftrag der Dichtungsschlämme vollständig
zu entfernen, da an diesen Stellen eine gleichbleibende Mindestschichtdicke handwerklich
nicht möglich ist.
Ferner dürfen rissüberbrückende mineralische Dichtungsschlämmen nur dann aufge-
bracht werden, wenn die zu erwartende Rissbildung oder Rissbreitenänderung ≤ 0,2 mm
beträgt. Risse in dieser Dimension entsprechen der Rissklasse R1-E sowie der Rissüber-
brückungsklasse RÜ1-E und treten üblicherweise in allen Dichtungsträgern auf.
366 U. Wild
Wie bei anderen Abdichtungsstoffen müssen Innen- und Außenecken entsprechend mit
Hohlkehlen bzw. mit Fasen versehen werden. Die vertikalen Wandflächen müssen vollfu-
gig bzw. ohne oberflächliche Profilierungen erstellt sein. Falls ein Dichtungsträger aufge-
bracht werden muss, ist die Mörtelgruppe MG II oder MG III zu verwenden.
Der Untergrund muss ausreichend trocken sein. Dies ist insbesondere dann zu berück-
sichtigen, wenn zuvor ein Dichtungsträger aufgebracht wurde.
Um Trennschichten (Staub) und ungleichmäßiges Saugen des Untergrundes zu vermei-
den, ist generell ein Voranstrich zur Verbesserung der Haftung zu empfehlen.
Insbesondere starre Dichtungsschlämmen benötigen einen festen Untergrund. Wenn mit
Rissbildungen bis 0,25 mm zu rechnen ist, werden unter Abweichung von DIN 18533-3
ausschließlich flexible Dichtungsschlämmen eingesetzt. Nach Möglichkeit soll jedoch
eine eventuelle Rissbildung zum Zweck der Risikominimierung auch bei flexiblen Dich-
tungsschlämmen abgeklungen sein.
11.8.5 Verarbeitung
Die Temperatur des Untergrundes sowie der Umgebung darf + 5 °C (auch in der Nacht)
nicht unterschreiten. Ebenso schädlich ist eine direkte Sonneneinstrahlung oder Wind-
beaufschlagung, was zum schnellen Austrocknen der Dichtungsschlämme und somit zum
Entzug des Anmachwassers führt. Dem Zement steht dann nicht mehr ausreichend Wasser
für die Hydratation zur Verfügung. Die zu erzielende Wasserdichtigkeit unterliegt jedoch
dem entscheidenden Einfluss des erreichten Hydratationsgrades.
Die Abdichtung ist daher vor zu schnellem Austrocknen zu schützen. Hierbei ist ins-
besondere der Schutz vor Sonne und Wind zu beachten.
Die Menge des Anmachwassers ist entsprechend den Herstellervorgaben exakt einzuhal-
ten. Jegliche Abweichungen wirken sich negativ auf die spätere Wasserdurchlässigkeit aus.
Ebenso ist bei zweikomponentigen Dichtungsschlämmen das vom Hersteller festge-
legte Mischungsverhältnis genau einzuhalten.
Rissüberbrückende mineralische Dichtungsschlämmen werden in Abhängigkeit des
verwendeten Werkzeugs und der jeweiligen Konsistenz mit den nachstehenden Methoden
auf den Dichtungsträger aufgebracht (Abb. 11.32 und 11.33):
• Spritzen
• Streichen
• Spachteln
Tab. 11.16 Trockenschichtdicken, Materialverbrauch und Anzahl der Schichten bei rissüberbrü-
ckenden mineralischen Dichtungsschlämmen (MDS) nach DIN 18533-3
Bentonit ist ein quellfähiges Tonmineral, welches durch Verwitterung aus saurer Vulkan-
asche entstanden ist. Hauptbestandteil von Bentonit ist das Tonmineral Montmorillo-
nit. Nach seinem Fundort Fort Benton (USA) wurde das Tonmineral Bentonit benannt.
Erstmals entdeckt wurde es von dem amerikanischen Geologen W.C. Knight vor ca.
100 Jahren.
Hinsichtlich der Einlagerung von Ionen gibt es verschiedene Bentonite. Im Bauwesen
ist der Natriumbentonit mit zweifach positiv geladenen Natrium-Ionen von Interesse. In
den USA gibt es natürliche Lagerstellen von Natriumbentonit, wo es auch abgebaut wird.
In Deutschland hingegen muss der in der Natur vorkommende Ton durch Ionenaustausch
erst modifiziert werden.
370 U. Wild
Durch die relativ große negativ geladene Oberfläche besitzt der Natriumbentonit eine
hohe Kationenaustauschkapazität und somit ein hohes Schadstoffadsorptionsvermögen.
Bentonit wird im Allgemeinen in folgenden Bereichen eingesetzt:
• Bauwesen
• Lebensmittelindustrie
• Pharmaindustrie
• Keramische Industrie
• Landwirtschaft
• Papierindustrie
• Metallindustrie
• Deponien (Abdeckmaterialien)
In der Vergangenheit hatte man sich im Bauwesen die Materialeigenschaften von Lehm zu
Nutze gemacht. So wurden schon vor Jahrhunderten Gebäude mit Lehm erfolgreich abge-
dichtet. Auch wenn die Anforderungen an einen „trockenen“ Keller nicht so hoch wie in
heutiger Zeit waren, konnte man mit Lehm durchaus eine deutliche Verbesserung hinsicht-
lich der Feuchtesituation erzielen. Der regional vorhandene Lehm wurde in dieser Zeit teil-
weise durch die Zugabe von Ton, Schluff, Wasser und Sand noch entsprechend modifiziert.
Bei heutigen Bauwerksabdichtungen wird Lehm nicht mehr verwendet. Vielmehr
stellen die hier interessierenden bestimmten Naturtone (Bentonit) eine relativ neue Ein-
satzmöglichkeit dar.
Neben der Fugenabdichtung mittels „Bentonit-Quellbändern“ im Betonbau sowie der
Hohlraumverpressung kommt Bentonit auch als zusätzliche Vertikalabdichtungen zum
Einsatz. Umgangssprachlich hat sich im Neubaubereich für Bauwerksabdichtungen mit
Bentonit der Begriff „Braune Wanne“ herausgebildet.
Das in der Natur vorkommende sowie das künstlich hergestellte Natriumbentonit weisen
eine signifikante Quellfähigkeit auf. Diese ist auf das Vorhandensein von sehr kleinen Teil-
chen zurückzuführen, die eine Oberflächenvergrößerung bewirken. Durch die Anlagerung
von Wassermolekülen kommt es zu einer etwa zehn- bis fünfzehnfachen Volumenvergrö-
ßerung und zu einer fünf- bis siebenfachen Gewichtszunahme.
Die abdichtende Wirkung wird allein durch den Quellvorgang des Bentonits hervor-
gerufen. Erfolgt die Quellung innerhalb eines begrenzten Volumens (z. B. in einer Dich-
tungsschicht), entsteht ein Quelldruck bis zu 0, 2 MN/m2, welcher der ein weiteres Durch-
dringen des Wassers verhindert.
Im eingebauten Zustand kommt es beim Quellvorgang zum Pressdruck, da das Bentonit
zwischen abzudichtendem Wandbildner und wasserdurchlässigem Vlies, Gewebe, Schutz-
schichten oder Erdreich „eingezwängt“ ist. Die Wasserdurchlässigkeit wird umso kleiner,
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung371
je größer der Anpressdruck ist. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass ein Wasser-
durchtritt mit einer Bentonitabdichtungen vollständig verhindert werden kann.
Um einen ausreichenden Quelldruck abzusichern, ist es erforderlich, das Bentonit in unge-
quollenem Zustand (trocken) einzubauen. Erst nach Feuchtebeaufschlagung kommt es zum
gezielten Quellen des Bentonits. Der Naturton nimmt dabei einen „gelartigen“ Zustand an.
Die Betonitmatten waren in der Bauregelliste A, Teil 2, bis 2007 gelistet. Ab dem Jahr
2008 sind diese Matten in der Liste A gestrichen worden und in die Bauregelliste C ein-
gruppiert. Grund für die Verschiebung innerhalb der Bauregelliste ist, dass sich die bau-
aufsichtlichen Anforderungen an Bauwerksabdichtungen nicht erfüllt haben. Sie können
aber als zusätzliche Dichtungsmaßnahme oder zur „Rissheilung“ bei Betonkonstruktionen
mit hohem Wassereindringwiderstand (wu-Beton) angewendet positive werden.
Bentonit ist als Abdichtungsstoff in der DIN 18533 nicht berücksichtigt. Richtlinien
und Merkblätter stehen gleichfalls nicht zur Verfügung. Es handelt sich somit um ein nicht
genormtes Abdichtungsverfahren ohne allgemeine Langzeiterfahrungen.
372 U. Wild
Lediglich die Hinweise und Verarbeitungsvorschriften des Herstellers sowie das dazu-
gehörige bauaufsichtliche Prüfzeugnis können für die Planung und Ausschreibung dieser
Sonderbauweise herangezogen werden. Dies gilt insbesondere für die Ausbildung von
Details wie An- und Abschlüsse usw.
Vor der Bauausführung ist eine Vereinbarung zwischen Bauherr, Planer und Ausfüh-
renden zur Abweichung von der Abdichtungsnorm DIN 18533 aktenkundig zu treffen. An
dieser Stelle wird auch auf die Hinweispflichten hinsichtlich der Nachteile und Risiken
gegenüber dem Bauherren verwiesen.
• gutes Wasseraufnahmevermögen
• innerkristalline Quellfähigkeit
• hoher Montmorillonitgehalt (> 70 %), daraus resultierend hohe Adsorptionsfähigkeit
• Widerstandsfähigkeit gegen Einflüsse aus dem Erdreich
• Langzeitbeständigkeit
Der hohe Montmorillonitgehalt ist für die Adsorption von wesentlicher Bedeutung. Die
spezifische Oberfläche von Montmorillonit ist außergewöhnlich groß und stellt eine
Grundvoraussetzung für das Adsorptionsvermögen von Bentonit dar.
Nur die Gesamtheit der genannten Eigenschaften bewirkt die wasserundurchlässigen
Eigenschaften von Bentonit und somit die (theoretische) Eignung als Abdichtungsstoff.
In dem vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) herausgegebenen Bauregellisten
(2008) sind Betonitmatten allerdings im Jahr 2008 von der Liste A in die Liste C verscho-
ben worden. Die Matten haben sich als alleiniges Abdichtungssystem aus bauaufsicht-
licher Ansicht nicht bewährt.
Der Planer sollte sorgfältig prüfen, ob am betreffenden Objekt andere Abdichtungs-
verfahren angewendet werden können, welche den allgemein anerkannten Regeln der
Technik entsprechen und die Vor- und Nachteile unter Beachtung der örtlichen Gegeben-
heiten bei der Auswahl des Verfahrens ausreichend beachten.
Der Anpressdruck muss vollflächig gewährleistet sein, damit das Bentonit beim Quell-
vorgang nicht in Hohlräume „abwandern“ kann. Dies wird durch das abzudichtende
Mauerwerk als Dichtungsträger auf der einen Seite und durch das angefüllte und ausrei-
chend verdichtete Erdreich auf der anderen Seite gewährleistet.
Grundsätzlich ist die Bentonitabdichtung immer auf der wasserzugewandten Seite
anzuordnen, da die Feuchtigkeit für den Quellvorgang benötigt wird und eine „Einzwän-
gung“ sichergestellt werden muss.
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung373
Es versteht sich von selbst, dass ein nicht geregeltes Abdichtungsverfahren besondere
Anforderungen an den Fachplaner und an den ausführenden Spezialbetrieb stellt. Aus-
reichende Erfahrungen mit der Erstellung von Bentonitabdichtungen sind Grundvoraus-
setzung für eine sach- und fachgerechte Ausführung.
Aus hiesiger Sicht ist die „Braune Wanne“ nicht zu den anerkannten Regeln der Technik
zuzuordnen, sondern höchstens zum Stand der Technik. Dies deshalb, da der Anteil der
Bentonitabdichtung im Verhältnis zu den Bitumenabdichtungen äußerst gering ist und
weder Regelwerk, Merkblatt noch Richtlinie für die Planung und Ausführung derartiger
Abdichtungen zur Verfügung steht.
Eine allgemeine Anerkennung ist somit aus hiesiger Sicht nicht vollumfänglich
gegeben. Langzeitbewährte Praxiserfahrungen liegen gleichfalls nur sehr begrenzt vor.
Hierzu wird auch auf Abschn. 11.10.3 „Heranzuziehende Richtlinien und Erkenntnisquel-
len“ verwiesen.
Der Bauherr muss auf die einhergehenden Risiken hingewiesen werden. Zum späteren
Nachweis sollte dies möglichst schriftlich erfolgen.
11.9.6 Ausführung
Es stehen derzeit Bentonitmatten in einer Dicke bis ca. 2 bis 10 mm zur Verfügung.
Hierbei handelt es sich um Geotextilien oder Wellpappen, welche mit Bentonit ummantelt
oder gefüllt sind. Auch mit Bentonit beschichtete PVC-Folien sind als Abdichtungssystem
erhältlich.
Die Verarbeitung von Bentonit erfolgt unter Beachtung der Herstellervorschriften
relativ einfach. Die Matten oder Folien werden im trockenen Zustand eingebaut. Die Ben-
tonitmatten werden mit einigen Zentimetern Überlappung nach den jeweiligen Hersteller-
angaben am Wandbildner mechanisch befestigt. Eine Verschweißung oder Verklebung der
Bahnenstöße erfolgt nicht.
Bis zum fertigen Einbau (einschl. Verfüllung der Baugrube) darf das Bentonit nicht mit
Feuchtigkeit beaufschlagt werden, da der Quellvorgang sofort einsetzen würde. Dies hätte
dann zur Folge, dass nach dem Einbau keine ausreichende weitere Quellung mehr erfol-
gen würde und der Quelldruck sich nicht ausreichend aufbauen kann. Die Wasserundurch-
lässigkeit wird jedoch im Wesentlichen vom Quelldruck und Anpressdruck bestimmt. Je
größer der Anpressdruck ist, umso größer ist die Wasserundurchlässigkeit des Bentonits.
Nach Herstellerangaben werden mittlerweile Abdichtungsstoffe aus Bentonit herge-
stellt, welche mit einer gewissen Zeitverzögerung zu quellen anfangen, sodass bei diesen
Materialien ein unbeabsichtigtes Komprimieren in der Einbauphase nicht zu erwarten ist.
Durch Aufbringen einer wasserlöslichen Schutzfolie wird ein gewisser Schutz gegen eine
vorzeitige Aktivierung des Quellvorganges gewährleistet.
Wenn jedoch längere Arbeitspausen zu erwarten sind, müssen die bereits verbauten
Bentonitmatten gegen Wasserbeaufschlagung sicher geschützt werden.
374 U. Wild
11.10.1 Allgemeines
• Schutzlage
Schutzlagen zählen nicht zu den Abdichtungslagen. Hierbei handelt es sich um einen
zusätzlichen Schutz der Abdichtung, jedoch nicht um einen Ersatz der erforderlichen
Schutzschicht. Verwendet werden dürfen z. B. mindestens 1 mm dicke PVC-Schutz-
bahnen, synthetisches Vlies (mindestens 300 g/m2), Noppenbahn mit Gleit-, Schutz-
und Lastverteilungsschicht sowie Dränmatten.
• Schutzmaßnahme
Der temporäre Schutz der Bauwerksabdichtung über den Zeitraum der Baumaßnahme
gilt als Schutzmaßnahme. Hierzu ist beispielsweise der Schutz vor Niederschlägen
und UV-Strahlung bei Kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtungen (KMB) zu
zählen.
• Schutzschicht
Die Schutzschicht ist ein Bauteil, welche die Abdichtung über die gesamte Dauer der
geplanten Nutzungsdauer vor schädigenden Einwirkungen (mechanische und thermi-
sche Einwirkungen) zuverlässig bewahrt. Sie ist fester Bestandteil der Bauwerksab-
dichtung. Zulässig sind Schaumkunststoffe sowie Schaumglas. Bei der Anwendung der
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung375
genannten Baustoffe als Perimeterdämmung sind die DIN 4108 sowie die Festlegungen
in der jeweiligen Zulassung zwingend zu beachten.
In Teil 2 der DIN 18533-1 werden in Pkt. 5.3 folgende Materialien für Schutzlagen und
Schutzschichten beschrieben:
Prinzipiell müssen die Schutzschichten mit der Art der Bauwerksabdichtung verträglich
sein.
Schutzschichten müssen in Abhängigkeit des Einbauortes gegen nachstehende Ein-
flüsse widerstandfähig sein:
• Mechanische Einflüsse
• Thermische Einflüsse
• Chemische Einflüsse
376 U. Wild
Die DIN 18533 fordert in allen drei Teilen geeignete Schutzschichten gegen mechanische
Beschädigungen. Die Schutzschichten sowie deren Verarbeitung müssen bei bahnenför-
migen Abdichtungsstoffen der DIN 18533-1 und bei flüssig zu verarbeitenden Abdich-
tungsstoffen DIN 18533-3 entsprechen.
Allerdings bezieht sich die DIN nicht explizit auf die Bauwerkserhaltung. Die Planung
und Ausführung von Schutzschichten sollte aber auch in der Altbausanierung stets in
Anlehnung an die DIN 18533 erfolgen.
Die Beschaffenheit von extrudierten Hartschaumplatten (XPS) muss der DIN 18 164-1
und DIN 4108-4 (2014-11) sowie Schaumglasstoffe der DIN 13 167 (2013-03) entsprechen.
Die Aufgaben der Schutzschicht können auch bei Bedarf noch entsprechend erweitert
werden. Die Schutzschicht kann gleichzeitig eine wärmedämmende Funktion übernehmen
und als Vertikaldränung fungieren. Der Planer hat unter Beachtung der einhergehenden
Kosten sorgfältig abzuwägen, ob eine Kombination der Aufgaben technisch sinnvoll ist.
Die Anforderungen an eine eventuelle Wärmedämmung des Kellers ist von der vorge-
sehenen Nutzung abhängig. Der Planer sollte sich im Klaren sein, dass bei einer eventuel-
len Nutzungsänderung eine Wärmedämmung auf der Außenseite der Kellerwand nur mit
erheblichen Aufwand zu bewerkstelligen ist. Wenn also zunächst „nur“ eine Nutzung des
Kellers als untergeordneter Lagerraum (Raumnutzungsklasse RN1-E) vorgesehen ist, eine
hochwertige Nutzung (Raumnutzungsklasse RN2-E) zum späteren Zeitpunkt aber even-
tuell infrage kommt, kann die Ausführung der Schutzschichten mit kombinierter Wärme-
dämmung bei gleichzeitig abgestimmter Bauwerksabdichtung sinnvoll sein.
Wenn eine Kombination von Wärmedämmung und Schutzschicht vorgesehen ist,
werden Perimeterdämmplatten vorgesehen. Diese müssen gemäß DIN 18533-1 bauauf-
sichtlich zugelassen sein. Bei Abdichtungen nach DIN 18533 müssen die Festlegungen
der DIN 4108-2 (2013-02) ausreichend Beachtung finden. Wenn Perimeterdämmplatten
im Zusammenhang mit Bauwerksabdichtungen nach DIN 18533 zur Anwendung kommen
sollen, sind insbesondere die jeweiligen entsprechenden Zulassungsbestimmungen zu
beachten. In den Zulassungen sind u. a. Hinweise über die Anwendbarkeit zu den Was-
sereinwirkungsklassen nach DIN 18533-1 sowie der möglichen Eintauchtiefen enthalten.
Als Perimeterdämmung werden hauptsächlich extrudierte Hartschaumplatten mit der
Bezeichnung XPS eingesetzt. Diese Perimeterdämmplatten müssen der DIN 18 164-1
entsprechen. Die Vorteile dieses geschlossenzelligen Dämmmaterials liegt in der Hydro-
phobie des Baustoffes, welche einen kapillaren Wassertransport verhindert. Extrudierte
Hartschaumplatten sind als durchfeuchtungshemmend zu bezeichnen und bauaufsichtlich
zugelassen.
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung377
Expandiertes Polystyrol wird mit EPS bezeichnet. Es handelt sich hierbei um einzelne
Polystyrolkügelchen, welche miteinander verschweißt sind. EPS-Platten sind jedoch
weniger durchfeuchtungshemmend und weniger widerstandsfähig gegen mechanische
Einwirkungen als XPS-Platten. EPS-Platten sind allerdings hinsichtlich des Materialprei-
ses kostengünstiger. In den letzten Jahren sind EPS-Platten mit einer Zulassung für den
Einsatz im erdberührten Bereich auf den Markt gekommen. Diese Platten dürfen demzu-
folge auch als Permiterdämmung eingesetzt werden.
Schaumglasstoffe nach DIN 13 167 (2013-03) werden mit CG bezeichnet. Sie sind durch
ihre hohe Dichte dampf- und wasserdicht. Sie werden im Wesentlichen aus Dolomit, Kalk
und Sand sowie weiteren Zuschlagstoffen hergestellt. Der Nachteil liegt in der Sprödigkeit
des Materials. Sie sind deshalb vor mechanischer Beschädigung beim Verfüllen der Bau-
grube mit einer Schutzschicht zu versehen. Hinsichtlich der Anwendbarkeit bei Lastfall
drückendes Wasser und der möglichen Eintauchtiefe ist die bauaufsichtliche Zulassung zu
beachten.
Bei einer geplanten Ringdränage nach DIN 4095 (1990-06) ist eine vertikale Drän-
schicht vor der Vertikalabdichtung notwendig, um eventuell aufstauendes Sickerwasser zu
vermeiden bzw. in die Ringdränage sicher abzuführen (s. auch Abschn. 19.2 „Dränung“).
Die DIN 4095 lässt bei der Ausführung von vertikalen Dränschichten verschiedene Mög-
lichkeiten zu. In Verbindung mit Schutzschichten nach DIN 18533-1 und -3 können Drän-
platten und Dränmatten angewendet werden.
Dränplatten sind Wanddränelemente mit haufwerksporiger Struktur. Sie sind daher in
der Lage, eine Doppelfunktion zu übernehmen. Sie können Wasser bis zur Ringdränage
ableiten, sodass ein hydrostatischer Druck an der Vertikalabdichtung vermieden wird, und
gleichzeitig die Abdichtung vor mechanischer Beschädigung schützen.
Wenn bei Vertikalabdichtungen aus kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung
Noppenbahnen geplant werden, ist darauf zu achten, dass nur für diesen Verwendungs-
zweck zugelassene Noppenbahnen mit Gleitfolie zur Verwendung kommen (s. Abb. 11.35).
11.10.5 Ausführung
Wenn es der Bauablauf zulässt und Trocknungszeiten nicht entgegenstehen, sollten die
Schutzschichten möglichst zeitnah aufgebracht werden, um eventuelle Beschädigungen
in der Bauphase zu vermeiden. So kann gegebenenfalls auf temporäre Schutzmaßnahmen
verzichtet werden.
Generell müssen Schutzschichten entweder dicht gestoßen (Wandelemente, Platten)
oder überlappend (Noppenbahnen) eingebaut werden. Perimeterdämmplatten aus
Schaumglas müssen unter Beachtung der DIN 4108-2 (2013-02) miteinander vollfugig
sowie auf dem Bauteil vollflächig mit Bitumenkleber verklebt sein. Die Oberfläche der
Schaumglasplatten muss mit einer frostbeständigen Deckbeschichtung versehen werden.
Letztere kann nur dann entfallen, wenn bereits werksseitig eine Beschichtung der Platten
mit Bitumen erfolgte.
Es ist darauf zu achten, dass in der Bauphase und im geplanten Nutzungszeitraum keine
Steine oder andere Verunreinigungen zwischen Abdichtung und Schutzschicht gelangen.
Bereits einzelne kleinste Steinchen können in Verbindung mit dem anliegenden Erd-
druck, insbesondere bei Verdichtungsarbeiten, zu Beschädigungen der Abdichtung führen.
Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen sind durch Ihr Verformungsverhalten
besonders gefährdet.
Sofern zugelassene Noppenbahnen als Schutzschicht verwendet werden, sind zur
Vermeidung von Verschmutzungen (z. B. kleinere Steine) zwischen Schutzschicht und
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung379
11.11 Perimeterdämmung
11.11.1 Allgemeines
Erdberührte Außenwände von beheizten Kellern müssen nicht nur einen auskömmlichen
Feuchteschutz durch eine Abdichtung aufweisen, sondern zusätzlich in die thermische
Hülle des Gebäudes eingebunden werden. Der Wärmeschutz wird durch eine Wärmedäm-
mung (Perimeterdämmung) gewährleistet.
380 U. Wild
• druckstabil
• gutes Wärmedämmvermögen
• keine bzw. geringe Wasseraufnahme
• feuchtigkeitsbeständig
• beständig gegen Frost-Tau-Wechsel (nur im Bereich der Frosteindringtiefe)
• verrottungsfest/Beständigkeit gegen Huminsäuren und Mikroorganismen
Die Klammern angegebenen Kurzzeichen sind aus DIN 4108-10 (2008-06) entnommen.
Grundlage für EPS und XPS ist das Erdölprodukt Styrol. Extrudiertes Polystyrol
(XPS) besteht aus aufgeschmolzenen und an der Oberfläche verdichtetem Polystyrol. Die
Wasseraufnahme beträgt ≤ 0,5 Vol.-% (bei Unterwasserlagerung). Wasser kann auf dem
Kapillarweg aufgrund der geschlossenen Zellen nicht transportiert werden. XPS kann
durch seine durchfeuchtungshemmenden Eigenschaften auch bei drückendem Wasser ein-
gebaut werden.
Schaumglas (CG) nimmt durch seine geschlossenzellige Struktur kein Wasser auf und
ist dampfdicht.
Expandiertes Polystyrol EPS kann ≤ 5 Vol.-% Wasser aufnehmen (bei Unterwasser-
lagerung), was die Dämmwirkung entsprechend herabsetzt. Um die Wasseraufnahme her-
abzusetzen werden EPS-Dämmplatten teilweise hydrophobiert (EPSh). Das Einsatzgebiet
ist bei Bodenfeuchte und nichtdrückendem Wasser.
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung381
Durch eine chemische Reaktion zwischen bestimmten Grundstoffen und durch Zugabe
eines Treibmittels (Pentan) entsteht Polyurethan-Hartschaum (PUR). Die Rohstoffbasis
sind Erdöl und auch nachwachsende Rohstoffe.
Für die Verwendung von Schaumglas (CG) und extrudiertes Polystyrol (XPS) als
Perimeterdämmung liegen ausreichende Langzeiterfahrungen vor. In DIN 4108-10 sind
Dämmstoffe aus CG und XPS für die Perimeterdämmung aufgeführt. Polyurethan-Hart-
schaum (PUR) und expandiertes Polystyrol (EPS) sind als Perimeterdämmung noch nicht
so lange baupraktisch erprobt und in DIN 4108-10 als Perimeterdämmung nicht geregelt.
Dämmstoffe aus PUR und EPS dürfen nur dann eingesetzt werden, wenn eine allgemeine
bauaufsichtliche Zulassung (AbZ) vorliegt. XPS und CG benötigen nur für besondere
Anwendungsfälle eine Zulassung.
Allein das Vorhandensein einer Zulassung ist als Verwendbarkeitsnachweis nicht aus-
reichend. Ob ein Dämmstoff für den vorgesehenen Einsatzort verwendet werden darf,
hängt von den Angaben in der Zulassung ab. Der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulas-
sung sind u. a. folgende Informationen zu entnehmen:
• Anwendungsbereich/Wasserbeanspruchung
• zulässige Einbautiefe
• Verarbeitungsvorschriften
• Notwendigkeit von Schutz vor Frost und/oder mechanischer Beschädigung
• der für den Wärmeschutznachweis zugrundelegenden Bemessungswert der Wärmeleit-
fähigkeit
Einige Dämmstoffe können seit jüngster Zeit auch mehrlagig bis 400 mm eingebaut
werden um dem hohen, in der Energieeinsparverordnung EnEV geforderten, Dämmstand-
art zu entsprechen. Diese Anwendung ist nicht genormt und bedarf daher ebenfalls einer
Zulassung.
Der Kleber ist auf den Dämmstoff und auf den Abdichtungsstoff abzustimmen. Dämm-
platten mit Stufenfalz vermeiden linienförmige Wärmebrücken im Fugenbereich. Platten
ohne Stufenfalz können erfahrungsgemäß unter Baustellenbedingungen nicht „lückenlos“
eingebaut werden (Abb. 11.38).
Während für EPS und PUR die zulässige Einbautiefe begrenzt ist, dürfen XPS und CG
ohne Beschränkung der Einbautiefe verwendet werden. Bei drückendem Wasser müssen
ggf. Maßnahmen zur Auftriebssicherung geplant werden (Tab. 11.18).
Perimeterdämmungen, die als Schutzschichten auf Bauwerksabdichtungen fungieren,
sollten unmittelbar nach Fertigstellung, ggf. ausreichender Trocknung und Abnahme ein-
gebaut werden. So kann auf die sonst notwendigen temporären Schutzmaßnahmen für die
Vertikalabdichtung in der weiteren Bauphase verzichtet werden.
382 U. Wild
Tab. 11.18 Dämmstoffauswahl nach anstehendem Boden und Wasserbelastung (Quelle: Merkblatt
für den Wärmeschutz erdberührter Bauteile, Fachvereinigung Polystyrol-Extruderschaumstoff)
11.11.4 Ausführung
Die Dämmplatten werden dicht gestoßen, im Verband mit versetzten Fugen verklebt.
Im Hohlkehlbereich darf sich, insbesondere bei Kunststoffmodifizierten Bitumendick-
beschichtungen (KMB), die Perimeterdämmung nicht eindrücken. In diesem sensiblen
Bereich sind Platten mit abgerundeten Kanten zu verwenden (Abb. 11.39 und 11.40).
Bei Bodenfeuchte und nicht drückendem Wasser (W1-E) werden die Dämmplatten
punktuell auf der Vertikalabdichtung verklebt (Abb. 11.41). Bei drückendem Wasser
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung383
(W2-E) erfolgt die Verklebung der Platten aus XPS oder CG vollflächig, damit Wasser
nicht zwischen Bauwerk und Perimeterdämmung gelangen kann. Auch die Fugen zwi-
schen den Dämmplatten sind wasserdicht mit Kleber zu verschließen.
11.11.5 Fazit
Die Festlegung der technischen Parameter eines Dämmstoffes in der Planungsphase darf
sich nicht nur auf die Dämmeigenschaften begrenzen. Nicht in der DIN 4108-10 für die
Perimeterdämmung aufgeführten Dämmstoffe müssen zwingend eine allgemeine bauauf-
sichtliche Zulassung aufweisen, aus der die Eignung für den jeweiligen Anwendungsfall
hervorgeht. Der Einsatz von nicht auf den Anwendungsfall abgestimmten Dämmstoffen
birgt ein erhebliches Haftungspotenzial für Planer, Überwacher und dem Ausführenden,
da eine nachträgliche Auswechslung des Dämmstoffes, je nach Bautenstand, den Rückbau
der Außenanlagen und die Freilegung der Kelleraußenwände notwendig macht.
11.12 Ausblick
≤ 10 cm) nicht notwendig, da der Sockelputz, wie bei einer mineralischen Dichtungs-
schlämme, direkt aufgetragen werden kann (Abb. 11.9 und 11.10). Somit ist ober- und
unterhalb der Erdgleiche eine durchgängige, homogene Abdichtungsschicht möglich.
Die Trocknungszeiten der Mineralischen Dichtungsschlämme im Übergangsbereich an
der Geländeoberkante sowie das Vorhalten und die Handhabung von zwei verschiedenen
Abdichtungsstoffen entfallen bei Anwendung der Hybridabdichtung.
Die Zusammendrückbarkeit ist durch die höhere Druckfestigkeit der Hybridabdichtung
deutlich geringer als bei Kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtungen (KMB).
Dies stellt einen weiteren Vorteil der Hybridabdichtung im erdberührten Bereich, insbe-
sondere im Hohlkehlbereich, dar.
Hybridabdichtungen können wie KMB und MDS
• gestrichen,
• gespachtelt oder
• gespritzt
werden.
Die Anwendbarkeit von Hybridabdichtungen basiert auf der Grundlage eines allgemei-
nen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses (abP). Dieser innovative Abdichtungsstoff wurde
von den Herstellern nach den Prüfgrundsätzen für Mineralische Dichtungsschlämmen
(MDS) geprüft.
Da die Hybridabdichtung derzeit sowohl als Abdichtungsstoff als auch ihre Anwen-
dung in DIN 18533 nicht geregelt sind, muss der Bauherr entsprechend umfassend beraten
werden. Dies sollte zum besseren Nachweis möglichst schriftlich erfolgen. Nach DIN
18 336 (2012-09) ist eine genaue und detaillierte Beschreibung des Abdichtungsverfah-
rens im Leistungsverzeichnis zwingend. Planungsgrundlage und Erkenntnisquellen sind
DIN 18533 „Abdichtung von erdberührten Bauteilen“ die KMB-Richtlinie, die Richtlinie
für flexible Dichtungsschlämmen sowie das WTA-Merkblatt 4-6-14/D, welche allerdings
nur in Anlehnung herangezogen werden können.
Derzeit werden diese Abdichtungsstoffe von den Bauchemieherstellern mit unter-
schiedlichen Handelsbezeichnungen angeboten. Es bleibt abzuwarten, ob und mit welcher
Bezeichnung sich der Abdichtungsstoff letztendlich am Markt durchsetzt.
Nachfolgend wurde rein exemplarisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit ein Leis-
tungsverzeichnis aufgestellt. Die hier dargestellten Leistungspositionen können nicht
auf beliebige Objekte übertragen werden, sondern sollen lediglich verdeutlichen, welche
Angaben für eine angemessene Preisbildung notwendig sind. Ebenso können nicht alle
Abdichtungsverfahren aufgeführt werden.
386 U. Wild
Arbeitsgraben verfüllen
Arbeitsgraben nach Durchtrocknung der Kelleraußenwandabdichtung € €
verfüllen und lagenweise verdichten.
Menge m3
Betontiefbord setzen
Liefern und Setzen von Betontiefborden 5 · 25 · 100 cm (Farbe: grau); € €
Setzen der Borde auf Betonunterbau und beidseitiger Stütze aus C
12/15; Abstand zur Außenwand ca. 54 cm, umlaufend um Gebäude
Menge m
Schleierinjektion
Wandflächen waagerecht und senkrecht, durchbohren. Die waagerechten € €
Bohrlochreihen werden um jeweils halben Bohrlochabstand versetzt
angeordnet.
Einbau der Injektionspacker und Verpressen mit Injektionsgel PUR.
Zu verfüllenden Packer mit Nippel versehen und pressen, bis sich
Druck aufbaut bzw. das Gel aus den Nachbarpackern herausläuft
(Packerkontakt).
Verarbeitung mit 2 Komponenten-Pumpe.
Verbrauch: 3,0 kg/m2 Injektionsgel PUR
30,0 l/m2 Leitungswasser
Bohrlochabstand: 30 cm
Bohrlochdurchmesser: mm
Menge m2
Injektionspacker ausbauen
Ausbauen der Injektionspacker. Schließen der Löcher mit Montagemörtel. € €
Verbrauch: 2,0 kg/l oder:
Menge m2
Nachverpressen
Nachverpressen einzelner Wandflächen durch Setzen von Einzelpacker € €
einschließlich Einbau und Ausbau der Packer sowie Schließen der
Bohrlöcher.
Menge m2
In ATV DIN 18 18 336 (2016-09) ist in Abschn. 5.1.1 geregelt, dass bei Flächen ohne
begrenzende Bauteile „die Maße der behandelten Flächen und hergestellten Abdichtungen,
Trenn-, Sperr-, Dämmstoff- und Schutzschichten und dergleichen“ für die Ermittlung der
erbrachten Leistung anzusetzen sind. Bei Vorhandensein von begrenzenden Bauteilen gilt
demgemäß die Maße bis gegen die unbekleideten und ungeputzten begrenzenden Bauteile.
Rückläufige Stöße werden durch Aufmaß der Stöße auf der Bodenplatte und der Wand-
dichtung bei der Leistungsermittlung berücksichtigt. Zusätzlich werden Stöße nach ihrer
größten abgewickelten, ggf. abgewickelten Stoßlänge abgerechnet.
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung389
Sofern bemaßte Zeichnungen zur Verfügung stehen, welche mit den örtlichen Gegeben-
heiten und ausgeführten Leistungen übereinstimmen, sollen die Maße aus den Zeichnun-
gen ermittelt werden. Wenn dies nicht möglich ist, muss ein örtliches Aufmaß erfolgen
(Abb. 11.42).
Das Flächenmaß ergibt sich aus Multiplikation (Länge x Breite). Darin enthalten sind
die Maße der rückläufigen Stöße.
AB = (L + 2 × S)×(B + 2 × S)
Das Flächenmaß der Wände AW setzt sich aus Multiplikation von Umfang und Höhe
(einschließlich Breite des rückläufigen Stoßes) der Vertikalabdichtung zusammen. Die
Flächen des rückläufigen Stoßes an den Gebäudeecken müssen noch hinzugerechnet
werden (Abb. 11.43).
AW = 2 ×( L + B)×( H + R) + 4 × S × S
Die separat zu berechnende Länge des Stoßes ist die Stoßlänge mit der größten Abwicklung.
Dem Planer und Bauherren stehen eine Vielzahl von Abdichtungsstoffen und -verfahren
zur Verfügung, welche sich bei den jeweiligen Herstellern aufgrund des Wettbewerbes
wiederum durch unterschiedliche Verarbeitung voneinander wesentlich unterscheiden
können.
Dem Planer kommt daher die anspruchsvolle Aufgabe zu, für das betreffende Objekt
unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten das geeigneteste Verfahren auszuwählen und
die Fachplanung einschließlich aller wichtigen Detailvorgaben entsprechend aufzustellen.
Bei der Planung und der Ausführung von Vertikalabdichtungen muss sich der Planer
auch in der Altbausanierung weitestgehend an der DIN 18533 orientieren. Die Merkblät-
ter des „Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und
Denkmalpflege e. V.“ (WTA-MB 4-5-99/D, WTA-MB 4-6-14/D, WTA-MB 4-11-02/D,
WTA-MB 4-7-02/D, WTA-MB 2-9-04/D, WTA-MB 4-4-04/D, WTA-Sachstandsbericht
sowie die Richtlinien des „Deutsche Bauchemie e. V.“ u. a. geben ergänzend zur DIN
18533 den Beteiligten wertvolle Hinweise.
Die Vertikalabdichtung ist nicht als alleinige Abdichtungsmaßnahme zu betrachten,
sondern immer im Zusammenhang mit der Horizontalabdichtung im Mauerwerk, mit der
Abdichtung im Fußbodenquerschnitt, mit eventuell vorgesehenen flankierenden Maßnah-
men und nicht zuletzt unter Beachtung der vorgesehenen Nutzung.
Da die Bauwerksabdichtung „wannenartig“ zu erstellen ist und die Funktion nur im
„Zusammenspiel“ zwischen Horizontal- und Vertikalabdichtung und weiteren flankieren-
den Maßnahmen gegeben ist, empfiehlt es sich, alle Abschnitte der Bauwerksabdichtung
vom selben Fachunternehmen erstellen zu lassen. Gewährleistungsproblematiken, welche
oftmals auf die Schnittstelle Horizontal/Vertikalabdichtung zurückzuführen sind, werden
somit von vornherein vermieden.
Als Grundlage für die Auswahl eines Verfahrens und die Planung einer Bauwerksab-
dichtung sind Voruntersuchungen erforderlich, welche sich gleichermaßen auf den Bau-
grund und auf das abzudichtende Gebäude beziehen müssen. Die Voruntersuchung ist auch
auf die eventuell zu planenden Verfahren entsprechend auszurichten. Bauwerksdiagnosti-
sche Untersuchungen sollten ausschließlich von ausreichend qualifizierten Sachkundigen
mit der notwendigen technischen Ausrüstung erfolgen. Der damit verbundene finanzielle
Aufwand ist mit Blick auf eventuelle Mängel an der Bauwerksabdichtung und daraus resul-
tierende Feuchteschäden als vergleichsweise gering zu beurteilen. Eventuell von Abdich-
tungsbetrieben angebotene „kostenlose“ Voruntersuchungen erfüllen kaum die Anforde-
rungen an eine vollständige Bauzustandsanalyse gemäß WTA-Merkblatt 4-5-99/D.
11 Nachträgliche Vertikalabdichtung391
Literatur
ABI-Merkblatt. (2014-10). Abdichten von Bauwerken durch Injektion (3. Aufl.). Stuttgart: STUVA
Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen e. V., erschienen im Fraunhofer IRB.
ATV DIN 18 336. (2016-09). VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: All-
gemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Abdichtungsarbeiten.
Bauregelliste A, B, C. (2014-01). Bauregelliste A, Bauregelliste B und Liste C, Berlin: Deutschen
Institut für Bautechnik (DIBt).
Cziesielski, E. (2010). Lufsky Bauwerksabdichtung (7. Aufl.). Wiesbaden: Vieweg + Teubner.
DIN EN 1996-1-1 (2013-02) Eurocode 6: Bemessung und Konstruktion von Mauerwerksbauten.
DIN 18 533-1. (2017-07). „Abdichtung von erdberührten Bauteilen – Teil 1: Anforderungen, Planungs-
und Ausführungsgrundsätze“.
DIN 18 533-2. (2017-07). „Abdichtung von erdberührten Bauteilen – Teil 2: Abdichtung mit bah-
nenförmigen Abdichtungsstoffen“.
DIN 18 533-3. (2017-07). „Abdichtung von erdberührten Bauteilen – Teil 3: Abdichtung mit flüssig
zu verarbeitenden Abdichtungsstoffen“.
DIN 18 195. (2017-07). „Abdichtung von Bauwerken – Begriffe“.
392 U. Wild
12.1 Definition
Mit dem Begriff Gebäudesockel wird der außenliegende und sichtbare Teil einer Gebäu-
defassade eines Bauwerks bezeichnet. Dieser Bereich oberhalb des Terrains muss einer-
seits den gestalterischen und optischen Ansprüchen der Bauherrschaft genügen und seine
Funktion als verwitterungs- und wetterbeständiger Spritzwasserschutz erfüllen.
12.2 Anforderungen
R. Spirgatis (*)
Löningen, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 395
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_12
396 R. Spirgatis
12.3 Sockelkonstruktionen
Von der Putz- über die gedämmte bis zur steinsichtigen Lösung findet sich heute eine Viel-
zahl verschiedener Sockelkonstruktionen:
12.4 Schadensquellen
12.5 Schadensursachen
Ursachen für Schäden an Gebäudesockeln von Neubauten und Bauten im Bestand sind
immer fehlende, nicht fachgerecht geplante oder mangelhaft ausgeführte Abdichtungs-
maßnahmen. An Bauten im Bestand findet im Sockelbereich die Feuchtigkeitsaufnahme
mit z. B. salzhaltige Aerosole aus der Umwelt oberhalb Terrains und / oder organische
Säuren als Stoffwechselprodukt von Mikroorganismen aus dem Erdreich statt. Doch nicht
nur verputzte Sockel weisen die typischen Schadensbilder mit Kristallausblühungen und
Abplatzungen auf. Die durch bauschädliche Salze hervorgerufenen Schäden entstehen
durch Kristallisationsdruck, der beim Übergang von der gelösten Form in die kristallisierte
12 Abdichtungen im Sockelbereich397
Abb. 12.1 Sockelschaden in
Kombination unterschiedlicher
Wassereinwirkungen
12.6 Regelwerke
Abb. 12.2 Wassereinwirkun-
gen am Gebäudesockel
In diese Auflistung der Sockelregelungen reihen sich die im Jahr 2012 erstmalig
herausgegebenen:
Abb. 12.3 Putzschäden
aufgrund einer fehlenden
Sockelabdichtung
An- und Abschlüssen, Übergänge, Bewegungsfugen etc. beschrieben. Dieses ergibt eine
klare Struktur und eine bessere Abgrenzung der Zuständigkeiten für die am Bau Betei-
ligten. Die Aufnahme neuer, flüssig zu verarbeitender, erst an der Baustelle erhärtender
Abdichtungsstoffe werden in der DIN 18533 neben den erweiterten Anwendungsberei-
chen den Planenden und Ausführenden die Arbeit in der Praxis erleichtern.
Die DIN 18533 regelt die Abdichtung von erdberührten Bodenplatten und Wänden,
Abdichtungen der Querschnitten von Mauerwerken und der Sockelbereichen von Hoch-
bauwerken sowie die Abdichtungen von erdüberschütteten Bauwerken in offener Bau-
weise gegen Wasser. Im Vergleich zur Vorgängernorm, der DIN 18195, sieht DIN 18533
für die Planung und Auswahl auch Kriterien für die Zuverlässigkeit der Abdichtung vor,
um die richtige Abdichtungsbauart auszuwählen.
Die Auswahl der Abdichtungsbauart nach DIN 18533 wird durch die:
• Wassereinwirkungsklasse (Wx-E)
• Rissklasse (Rx-E)
• Rissüberbrückungsklasse (RÜx-E)
• Raumnutzungsklasse (RNx-E)
12 Abdichtungen im Sockelbereich401
und der Zuverlässigkeitsanforderung bestimmt. Diese gelten als erfüllt, wenn die Funktion
der erdberührten Bauwerksabdichtung für die geplante Nutzungsdauer des Bauteils/Bau-
werks sichergestellt ist.
Wassereinwirkungsklasse
DIN 18533 klassifiziert die Wassereinwirkung nicht mehr wie bislang die DIN 18195 nach
der Entstehungsart der Wasserbeanspruchung und dessen Einwirkungsdauer. Relevant für
die Beurteilung der Wassereinwirkungsklasse (W) ist die Einwirkungsart und Einwir-
kungsintensität auf das jeweilige Bauteil. Diese werden für den erdberührten Bereich (E)
von W1-E bis W4-E definiert:
Mit W4-E bewertet die DIN 18533 die Wassereinwirkung von Spritzwasser am Wand-
sockel sowie Kapillarwasser in und unter erdberührten Wänden. „Am Wandsockel bei ein-
und zweischaligem Mauerwerk wirken Spritz- und Sickerwasser auf die Sockeloberflächen,
Bodenplatten, und Fundamente ein. In und unter Wänden kann Wasser kapillar aufstei-
gen. Bei Wänden aus zweischaligem Mauerwerk kann abrinnendes Niederschlagswasser
in den Schalenzwischenraum sickern. Diese Einwirkungen machen eine Wandsockel- und
Querschnittsabdichtung erforderlich. Am Wandsockel ist im Bereich von ca. 20 cm unter
OK Gelände bis ca. 30 cm über OK Gelände mit W4-E zu rechnen, wenn nicht durch den
Bemessungswasserstand oder aufgrund des nicht gedränten, wenig wasserdurchlässigen
anstehenden Bodens mit W2-E (Drückendes Wasser) zu rechnen ist“ (DIN 18533-07).
Rissklasse
Zur Auswahl der Abdichtungsbauart muss der Abdichtungsplaner die Rissaufweitung vor-
handener Risse oder die zu erwartende Neurissbildung und Rissbreitenänderung kennen.
Hierzu wurden vier Rissklassen (R1-E bis R4-E) definiert, denen Rissüberbrückungsklas-
sen (RÜ1-E bis RÜ4-E) der zu verwendenden normkonformen Abdichtungsstoffe zuge-
ordnet sind. Für die Auswahl der Abdichtung sind Rissklassen (Rx-E) des Abdichtungs-
untergrundes zu berücksichtigen:
402 R. Spirgatis
• R1-E (gering)
Rissbildung oder Rissbreitenänderung ≤ 0,2 mm, typischer Abdichtungsuntergrund
wäre Stahlbeton, Mauerwerk im Sockelbereich oder Untergründe für die Querschnitts-
abdichtungen von Mauerwerken in und unter Wänden
• R2-E (mäßig)
Rissbildung oder Rissbreitenänderung ≤ 0,5 mm in Beton oder im Mauerwerk unter
Erddruck belastet
• R3-E (hoch)
Rissbildung oder Rissbreitenänderung ≤ 1,0 mm und/oder Rissversatz ≤ 0,5 mm in
Beton oder im Mauerwerk z. B. bei Aufstandsfugen von erddruckbelasteten Wänden
• R4-E (sehr hoch)
Rissbildung oder Rissbreitenänderung ≤ 5,0 mm und/oder Rissversatz ≤ 2,0 bei z. B.
durch Erschütterungen bei Erdbeben
Raumnutzungsklasse
Die Raumnutzungsklasse (RNx-E) definiert die Trockenheit der Raumluft von erdseitig
abgedichteten Räumen unterschiedlich mit geringen – hohen Anforderungen. Für die
Raumnutzung ist die Zuverlässigkeit der Abdichtungsbauart bedeutend.
• RN1-E Raumnutzung mit geringer Anforderung an die Trockenheit der Raumluft wie
z. B. Lagerhalle, Tiefgarage
• RN2-E Raumnutzung mit üblicher Anforderung an die Trockenheit der Raumluft und
Zuverlässigkeit der Abdichtungsbauart. Entspricht der üblichen Anforderung von
Aufenthaltsräumen, Keller- und Lagernutzungen in üblichen Wohn- und Bürogebäuden
• RN3-E mit hoher Anforderung an die Trockenheit der Raumluft und hoher Anfor-
derung an die Zuverlässigkeit der Abdichtungsbauart, wie z. B. Archive, Räume zur
Lagerung unersetzlicher Kulturgüter oder Kellerräume für den Zentralrechner.
Abb. 12.4 Sockelabdichtung
mit rissüberbrückender MDS
nach DIN 18533. (MARKO
Bautenschutz, GF Ralf Mar-
kowski, Gnarrenburg)
12 Abdichtungen im Sockelbereich403
Rissüberbrückungsklassen
Rissüberbrückende Eigenschaften sind abhängig von den Abdichtungsbauarten, wie
• Dichtheit
• Beständigkeit
• Dauerhaftigkeit
• Zuverlässigkeit über die geplante Nutzungsdauer
• Anordnung auf der Wasser zugewandten Seite
• Verhalten bei Bewegungen der Bauteile
• Rissüberbrückungsverhalten
404 R. Spirgatis
Für die Wahl der Abdichtungsbauart ist die Art der Wassereinwirkung (Wx-E) und aus
Gründen der Zuverlässigkeit die erforderlicher Rissüberbrückungsklasse (RÜ-E) abhängig:
Es gilt für Wx-E mindesten RÜ-E:
Abb. 12.5 Sockelabdich-
tung mit rissüberbrückender
MDS nach Fertigstellung
des 2-schaligen Mauerwerks.
(MARKO Bautenschutz, GF
Ralf Markowski, Gnarrenburg)
Abb. 12.6 Sockelabdichtung
mit PMBC hinter WDVS
Armierungsschicht ist bis knapp unter die Sockellinie, max. 10 cm, herabzuziehen. Je
nach Gestaltungsvorgabe ist der Oberputz ebenfalls unter GOK aufzutragen.
Der untere Putzabschluss ist mit rissüberbrückender MDS hinterlaufsicher und überlap-
pend zusätzlich abzudichten. Das Wärmedämmverbundsystem übernimmt keine Abdich-
tungsfunktion. Die nach DIN V 18550 eingesetzten Wasser hemmenden Putzsysteme
müssen unterhalb der Sockellinie, einbindend im Erdreich gegen Feuchtigkeitseintrag
abgedichtet und mit einer Schutzschicht versehen werden. Bei nur geringer Einbindung
in das Erdreich werden die Sockeldämmplatten unter 45° angefast/angeschrägt, und die
Armierungsmörtelschicht möglichst bis auf den Untergrund ausgebildet. Nach Durch-
trocknung des Armierungsmörtels wird der Oberputz aufgetragen.
Die erdberührende Einbindung wird umlaufend streifenförmig aus mineralischer Dicht-
schlämme (MDS), riss überbrückend gegen kapillare Feuchtigkeitsaufnahme abgedichtet.
Diese Putzabdichtung aus MDS wird überlappend auf die erdberührte Bauwerksabdich-
tung bis ca. 5 cm oberhalb der unteren Sockellinie geführt.
Wie zuvor beschrieben empfiehlt sich, vor dem Verfüllen der Baugrube eine Schutz-
schicht mit mindestens 2-lagiger Noppenbahn anzuordnen um Beschädigung beim Ver-
füllen mit Erdreich vorzubeugen. Bauseits wird dieses oft mit einer Noppenfolie sicher-
gestellt, die fälschlicherweise die Putzabdichtung ersetzen soll.
Bei zweischaligen Mauerwerken am Gebäudesockel wird die Abdichtung hinter der
Verblendschale auf der Außenseite der Innenmauer hochgeführt. Der Schalenzwischen-
raum sollte am Fußpunkt der Verblendschale oberhalb der Geländeoberfläche entwässert
werden. Der Abstand dieser zur Lüftung genutzten Öffnung muss > 10 cm GOK betragen.
Entwässerungsöffnungen unterhalb der Geländeoberkante dürfen nur dort angeordnet
werden wo dauerhaft in eine Dränung entwässert werden kann. Die Sockelabdichtung
erfolgt vorzugsweise mit MDS mit 2 mm Mindesttrockenschichtdicke.
12 Abdichtungen im Sockelbereich407
Abb. 12.7 Sockelinstandset-
zung mit Sanierputz-WTA
12.10 Putzabdichtung
Generell nehmen ungeschützter Sockelputze die bis in das Erdreich einbinden Feuch-
tigkeit auf und zuvor beschriebene Schadensbilder entstehen. Der Sockelputz ist mit
einer Putzabdichtung zu verwahren. Diese sollte > 5 cm oberhalb der Geländeoberfläche
408 R. Spirgatis
Tab. 12.3 Maßnahmen in Abhängigkeit des Versalzungsgrads. (WTA Merkblatt 2-9 „Sanierputz-
systeme“)
Abb. 12.8 Putzsockelsanie-
rung mit Putzabdichtung
Fazit
Schäden am Übergangsbereich der Fassade zum Erdreich, dem Gebäudesockel, sind auf
den unmittelbaren Feuchtigkeitseinfluss zurückzuführen. In Höhe des Terrains wird der
Sockel durch Spritzwasser beansprucht, erdberührt wirkt zumindest Bodenfeuchtigkeit
ein. Bedingt durch die unmittelbare Straßennähe mit PKW-Verkehr erfolgt zusätzlich eine
Belastung durch Streusalze.
Mangelhafter Feuchteschutz und Bauwerksabdichtung des Sockelbereichs begünstigt
die kapillare Wasseraufnahmeund führt zu Funktionseinschränkung dieses Bauteils. Die
Abdichtungen des Gebäude- und Fassadensockels sind mit Erscheinen der DIN 18533
„Abdichtung von erdberührten Bauteilen“ geregelt. Die Norm empfiehlt Gebäude so
planen und das umgebende Gelände derart zu gestalten, dass nur geringe Beanspruchung
der erdberührten Bauteile und des Sockelbereiches durch Wasser zu erwarten sind.
12 Abdichtungen im Sockelbereich409
Das Bauteil Sockel erhält eine eigene Zuordnung. Beanspruchungen von Bauwerksab-
dichtung in und unter Wänden durch Sicker- und/oder Kapillarwasser sowie des Wandso-
ckels durch Spritz- und Oberflächenwasser wird in dieser DIN 18533 als Wasserbeanspru-
chungskasse W 4-E bezeichnet. Die Beanspruchung am Wandsockel ist im Bereich 20 cm
unter Oberkante Gelände bis 30 cm über Gelände zu berücksichtigen.
Den Fachleuten obliegt es nun die Abstimmungsprobleme der betreffenden Gewerke
aufzuheben, um den bekannten Planungs- und Ausführungsfehlern vorzubeugen. Die in
diesem Artikel angesprochenen Problemstellungen können nur unter Beteiligung aller am
Bau Beteiligten „Hand in Hand“ gelöst werden.
Literatur
DIN 18533-1. (2017-07). Abdichtung von erdberührten Bauteilen – Teil 1: Anforderungen, Planungs-
und Ausführungsgrundsätze; 5.1.4 W4-E – Spritzwasser am Wandsockel sowie Kapillarwasser
in und unter erdberührten Wänden DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Berlin: Beuth
Verlag GmbH.
DIN 18533-1. (2017-07). Abdichtung von erdberührten Bauteilen — Teil 1: Anforderungen,
Planungs- und Ausführungsgrundsätze; 8.8.2.3 Wandsockel mit Bekleidungen DIN Deutsches
Institut für Normung e. V. Berlin: Beuth Verlag GmbH.
WTA Merkblatt 2-9. Sanierputzsysteme. Stuttgart: Vertrieb Fraunhofer-Informationszentrum Raum
und Bau IRB.
Abdichtungen von Balkonen, Terrassen
und Laubengängen 13
Martin Mossau
13.1 Vorbemerkung
M. Mossau (*)
Bad Münder, Deutschland
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 411
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_13
412 M. Mossau
13.2 Bauteildefinition
13.2.1 Balkone
Ein Balkon ist eine genutzte, freibewitterte Fläche, die dem Wohnraum zugeordnet wird.
Konstruktiv bestehend aus einem auskragendem nicht unterbautem Bauteil, oberhalb der
Geländeoberfläche. Der Balkon kann zum Schutz vor Witterungseinflüssen oder aus bau-
gestalterischen Gründen überdacht sein. Aus statischen Gründen können Balkone mit
Stützen versehen werden. Balkone bestehen aus Stahlbeton, Holz, Metall oder gemauert
mit Steinen.
Alte Balkone, die als Kragarm aus der entsprechenden Geschossdecke münden, bilden
konstruktionsbedingt oft Wärmebrücken, insbesondere bei Stahlbeton- Konstruktionen.
Bei modernen Balkonen sorgen Balkonanschlüsse (spezielle Dämmelemente „Schöck-
Isokorb“) für die notwendige thermische Trennung und Wärmedämmung.
13 Abdichtungen von Balkonen, Terrassen und Laubengängen413
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
Eine Terrasse ist eine genutzte, freibewitterte und befestigte Fläche im Freien, die einen
Übergang zwischen dem Wohnbereich eines Gebäudes und dem angrenzenden Garten
darstellt. Terrassen sind als Außenbauteile nicht nur der Witterung ausgesetzt, sondern sie
müssen auch der mechanischen Beanspruchung sowie optischen Ansprüchen genügen.
Zwei Konstruktionsformen werden im Bereich von Terrassen unterschieden:
Terrassen über Erdreich werden in den meisten Fällen mit Pflaster/ Plattenbelag oder
einer Holzkonstruktion ohne Bauwerksabdichtung in der Fläche ausgeführt. Lediglich der
angrenzende Sockel- Bereich wird mit einer Bauwerksabdichtung versehen. Diese Vor-
gehensweise wird im Kap. 12 „Abdichtungen im Sockelbereich“ ausführlich behandelt.
414 M. Mossau
)RWR00RVVDX )RWR00RVVDX
)RWR00RVVDX )RWR00RVVDX
13 Abdichtungen von Balkonen, Terrassen und Laubengängen415
13.2.3 Laubengänge
Ein Laubengang ist ein genutzter, freibewitterter Außengang zur Erschließung einzelner
Wohnungen eines Gebäudes. Baukonstruktiv können Laubengänge sowohl als Balkon
)RWR00RVVDX )RWR00RVVDX
oder als Dach- Terrasse ausgebildet sein, je nachdem ob unter dem Laubengang
bewohnter Raum (Dach- Terrasse) ist oder als Kragplatte (Balkon) ausgeführt wurde. Die
mechanischen Belastungen gegenüber einem Balkon oder (Dach-) Terrasse sind höher
einzustufen, da neben den Witterungseinflüssen und optischen Ansprüchen, vor allem
hohe mechanische Belastungen auftreten (Zugänge der Wohnungen).
)RWR00RVVDX
Zusätzlich sind die Laubengänge in den meisten Fällen der „erste“ Fluchtweg im Brand-
fall, hier ist bei den zuständigen Feuerwehren die Ausführung der Brandklasse „B1 (S 1)
schwer entflammbar“ zu erfragen.
416 M. Mossau
13.3 Geltungsbereich
13.3.1 Balkone
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
13.3.2 Terrassen
Terrassen werden auf dem gegründeten Erdreich errichtet. Hierbei sind keine Abdich-
tungsmaßnahmen erforderlich, lediglich die vertikale Gebäudeabdichtung und der Sockel-
bereich müssen ausreichend mit einer Abdichtung ausgebildet sein.
Für die Pflasterflächen und deren Unterbau sind folgende Regelwerke sowie Merkblät-
ter, jeweils i.d.n. Fassung, zu beachten:
Für die Ausführung der Arbeiten und für die Pflasterwerkstoffe sind sind folgende Regel-
werke sowie Merkblätter, jeweils i.d.n. Fassung, zu beachten:
Terrassen die eine Stahlbetonplatte als Unterkonstruktion haben, werden entweder als
Balkon nach DIN 18531-Teil 5 sowie Instandsetzungs- Richtlinie oder als Dach- Ter-
rasse mit Abdichtung nach DIN 18531 Teil 1-4 und oder Flachdachrichtlinie geplant und
ausgeführt.
13.3.2.1 Dach-Terrassen
Bei Dach- Terrassen oberhalb von bewohnten Räumen ist zwingend eine Abdichtung
erforderlich, die nachfolgend behandelt wird.
13.3.3 Laubengänge
Bei den Kragplatten wird nach DIN 18531-Teil 5 und Instandsetzungs- Richtlinie (Schutz-
und Instandsetzung von Betonbauteilen) des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton
(DAfStb) im Neubau ein OS 8- Oberflächenschutzsystem geplant und ausgeführt.
Hierbei handelt es sich um eine statisch rissüberbrückende Beschichtung aus Flüssig-
kunststoff, die den Stahlbetonuntergrund vor Feuchtigkeitseinwirkung und mechanische
Belastung schützt. Die Beschichtung besteht hierbei aus einem Flüssigkunststoff, der aus
den Harzbasen Polymethylmethacrylat (PMMA), Polyurethan (PUR) oder Epoxidharz
(EP) und einem feuergetrocknetem Quarzsand nach Sieblinie (nach Herstellerangaben)
versetzt ist. Je nach Hersteller werden unterschiedliche Harzbasen sowie Oberflächen-
varianten angeboten.
Um das Gebäudeteil höherwertiger und dynamisch rissüberbrückend zu schützen,
werden insbesondere in der Sanierung immer häufiger Abdichtungssysteme eingesetzt,
die im Abschn. 13.5.5.4 bzw. Abschn. 13.6.3 behandelt werden.
Bei Laubengängen über bewohntem Raum werden grundsätzlich Abdichtungssysteme
eingesetzt, die nachfolgend beschrieben werden.
Zusätzlich sind Laubengänge in den meisten Fällen der „erste“ Fluchtweg im Brand-
fall, hier ist bei den zuständigen Feuerwehren die Ausführung der Brandklasse „B1 (S 1)
schwer entflammbar“ zu erfragen.
13.3.4 Regelaufbau
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
13.4 Konstruktionsaufbauten
Bei bewohnten Räumen spricht man i.d.R. von beheizten Wohn- und Geschäftsräumen,
aber auch unbeheizte, allseitig umschlossene Räume, die zur Lagerung dienen, können
diese Anforderungen erfüllen.
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
420 M. Mossau
13.4.2 Stahlbetonplatte
Die Rohdeckenkonstruktion wird innerhalb der Statik für das Gebäude festgelegt. Fol-
gende Tragkonstruktionen werden häufig angewandt:
13.4.3 Dampfsperre
Die Dampfsperre verhindert die Diffusion von Wasserdampf aus dem unter der Dach-
Terrasse liegenden Raum in die darüber liegenden Bauschichten. Diese Sperrlage verhin-
dert die Einlagerung von Wasser infolge der Kondensation des sich abkühlenden Wasser-
dampfes im Schichtenaufbau, der im späteren Verlauf zu Schäden führen kann.
In einem geschlossenen Raum entstehen über die Gasbestandteile der bestehenden Luft
Partialdrücke, deren Druck mit dem äußeren Atmosphärendruck im Gleichgewicht steht.
Zum Ausgleich des Innen- und Außendruckes bewegen sich die Wassergasmolekühle der
Luft durch die Bauteile. Dieser Vorgang wird als „Dampfdiffusion“ bezeichnet.
Die Wasserdampfmolekühle sind bestrebt, von der Seite höherer Konzentrationen
(bewohnter Raum) durch die Deckenkonstruktion hindurch zur Seite niedriger Konstruk-
tionen (Dach- Terrasse) zu diffundieren.
Dampfdiffusionsvorgänge werden kritisch, wenn von innen nach außen sinkende Was-
serdampfkonzentrationen und Temperaturgefälle innerhalb der Konstruktion vorliegen.
Insbesondere im Winter, bei wärmegedämmten Dach- Terrassen, ist dies der Fall. Daher
ist es zweckmäßig in den Konstruktionsquerschnitt eine Dampfsperre anzuordnen, die
dies verhindert.
Nach DIN 4108, Teil 3 sind folgende Grenzwerte und Definitionen gegeben:
Sd- Wert Grad der Dichtheit Widerstand
Sd < 0,5 m diffusionsoffen gering
Zwischen > 0,5 m diffusionshemmend mittel
und < 1500 m (Dampfbremse)
Sd > 1500 m diffusionsdicht (Dampfsperre) hoch
Einfache Dampfbremsen bestehen häufig aus dickeren Kunststofffolien, oft aus dem
Werkstoff Polyethylen. Diese Folie hat bei einer Dicke von 0,1 mm (0,0001 m) und einer
13 Abdichtungen von Balkonen, Terrassen und Laubengängen421
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
13.4.4 Wärmedämmung
Bei Dachterrassen über bewohnten Räumen ist nach dem Gesetz zur Einsparung von
Energie in Gebäuden (Energieeinsparungsgesetz – EnEG) mit der daraus resultierenden
Energieeinsparverordnung (EnEV 2016) eine Wärmedämmung anzuordnen.
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
Für die Bestimmung der Dämmung sind folgende Regelwerke, jeweils i.d.n. Fassung,
maßgebend:
• Energieeinsparverordnung (EnEV)
• DIN 4108– Wärmeschutz im Hochbau
• DIN 4109– Schallschutz im Hochbau
• DIN EN 13163 EPS- Dämmstoffe
13 Abdichtungen von Balkonen, Terrassen und Laubengängen423
Die rechnerische Ermittlung der erforderlichen Dämmschichtdicken wird nach DIN 4108,
Teil 5, der jeweiligen DIN der Dämmung (z. B. DIN EN 13163 EPS ) sowie des zugeord-
neten technischen Regelwerks und der Wärmeschutzverordnung berechnet. Zur Berech-
nung werden heutzutage Wärmeschutz- EDV- Programme genutzt.
Ferner muss auch die Trittschalldämmung über bewohnten Räumen eine Beachtung
finden. Insbesondere der Trittschall bei Begehung aber auch der Schutz gegen Außenlärm
muss gewährleistet werden. Hierzu wird die DIN 4109- Schallschutznorm angewandt.
Gemessen wird die Qualität des Schallschutzes in dB (Dezibel) als Mindest- Norm- Tritt-
schallpegel (L`nw).
Als Beispiel könnte eine Auswahl der Dämmung wie folgt aussehen:
EPS 035 DAA dh,
sg, tl, mit Stufenfalz
13.4.5 Lastverteilschicht
Um auf der Wärmedämmung einen begehbaren Belag aufbringen zu können, ist der Einsatz
einer Lastverteilschicht erforderlich. Diese wird i.d.R. gleich genutzt, um ein entsprechen-
des Gefälle von ca. 2–3 % herzustellen, insofern dies nicht bei der Rohdeckenkonstruktion
(Stahlbetonplatte) oder der Wärmedämmung mit Gefällegebung bereits bedacht wurde.
Baukonstruktiv unter Einhaltung der Anforderungen aus der DIN 18560- Estriche im
Bauwesen sowie DIN 18353- technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen wird
hier häufig ein Zementestrich auf Dämmschichten (schwimmender Estrich) eingesetzt.
Anhydrit- Estriche sind wegen ihrer Feuchtigkeitsempfindlichkeit als Bindemittel aus-
geschlossen, Asphalt- Estriche können unter Wärmeeinwirkung erweichen und werden
aus diesem Grund eher selten eingesetzt.
Die Festigkeitsklassen für Zementestriche sind in der DIN 18560 festgelegt. Für
schwimmende Estriche und für Estriche auf Trennschicht wird bei einer Dach- Terrasse
vorwiegend die Klasse ZE 30 verwandt.
Die Güteklasse ZE 30 ist für Nutzlasten von 3,5 N/mm2 unter Einhaltung der üblichen
Estrichdicken von 50 bis 55 mm als ausreichend zu bezeichnen, hierbei ist unbedingt die
Mindestschichtdicke von 35 mm bei einem Gefälleestrich zu beachten.
Damit der Estrich als Schwimmender Estrich ausgeführt werden kann, werden auf der
Wärmedämmung eine Trenn- und Gleitlage aus Polyestervlies, Glasfaservlies oder Poly-
ethylenfolie verlegt und entsprechend hochgeführt. An den Estrichrändern sind Randfu-
gen von ca. 1 cm, durch einen z. B. Polystyrol- Abstellstreifen, sicherzustellen.
13 Abdichtungen von Balkonen, Terrassen und Laubengängen425
Weitere Rand-, Feld- und Bewegungsfugen sind auf Grundlage der Baustellengeomet-
rien sowie Schichtdicken und Materialauswahl zu beachten.
Zusätzlich kann der Einsatz einer Estrich- Bewehrung sinnvoll sein, dies ist objektbezo-
gen zu planen und entsprechend bei Bedarf zu berücksichtigen.
Der frische, fertige Estrich ist möglichst 28 Tage durch Abdeckung vor Sonneneinstrah-
lung, Zugluft und Frost zu schützen.
Bei Bauvorhaben wo eine schnellere Ausführung der Dach- Terrassen notwendig ist,
werden kunststoffmodifizierte Estriche eingesetzt. Dies können Zusatzmittel „Beschleuniger“
für einen herkömmlichen Estrich (z. B. ZE 30) sein oder komplette Kunstharzestriche auf
Basis von einem Epoxidharz (EP) oder Polymethylmethacrylatharz (PMMA), wobei immer
die Produktinformationen der Hersteller für die Planung und Ausführung zu beachten sind.
Eine weitere Möglichkeit eine lastverteilende Schicht auf einer Wärmedämmung her-
zustellen, ist eine zementgebundene mineralische Bauplatte für den Außenbereich einzu-
setzen. Diese wird mit einer Schichtstärke von 22 mm und den Abmaßen 900 × 600 mm
ohne Kreuzfugen verlegt. Zur Lagesicherung werden Flachdübel in die Platten mit Nut
eingelassen und mit einem PU- Kleber auf der Dämmung verklebt. Somit ist eine schnelle
Verlegung gewährleistet und durch die geringe Schichtstärke von 22 mm kann die zur Ver-
fügung stehende Aufbauhöhe maximal für die Dämmung genutzt werden. Die Einhaltung
der technischen Richtlinien der Materialhersteller ist dabei zu beachten.
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
Folgende Regelwerke und Merkblätter sollten, jeweils i.d.n. Fassung, eine Beachtung
finden:
13.5 Abdichtung
13.5.1 Regelwerke
Bei der Auswahl des Abdichtungssystems helfen die einschlägigen Regelwerke in der
jeweils neusten Fassung:
• DIN 18531- Abdichtung von Dächern sowie von Balkonen, Loggien und Laubengängen
• Regeln für Abdichtungen (Flachdachrichtlinie)
13.5.2 Nutzungsarten
Die Beanspruchungs- und Einflussgrößen, die für die Funktion und den Bestand der
Abdichtung von Bedeutung sind, müssen bereits bei der Planung des Bauwerks und der
Abdichtung sowie bei der Auswahl der Stoffe eine Berücksichtigung finden:
13.5.3 Beanspruchungsarten
Die Abdichtung von genutzten Dach- und Deckenflächen ist nach DIN 18531 als Abdich-
tung gegen Niederschlagswasser auszuführen.
Folgende Beanspruchungsarten finden dabei eine Beachtung:
Wasser-/ Feuchteeinwirkung
Die Abdichtung muss den Einwirkungen aus Niederschlägen sowie der Einwirkung aus
vorübergehend stehendem Wasser, wie z. B. einer Pfützenbildung standhalten.
Mechanische Einwirkung
Stufe I: Hohe mechanische Einwirkung
Die Abdichtung von genutzten Dächern (Dach- Terrassen) ist dieser Stufe zuzuordnen.
Stufe II: Mäßige mechanische Einwirkung
Hauptsächlich für Abdichtungen die nicht begangen werden.
Thermische Einwirkung
Stufe A: Hohe thermische Einwirkung
Als Abdichtung mit hoher thermischer Einwirkung gilt eine Abdichtung, die starken
witterungsbedingten Wechselwirkungen ausgesetzt ist, wie z. B. ein direkt begehbares
Abdichtungssystem aus Flüssigkunststoff.
Stufe B: Mäßige thermische Einwirkung
Als Abdichtung mit mäßiger thermischer Einwirkung gilt eine Abdichtung, bei der
keinen starken Aufheizungen, Temperaturveränderungen sowie direkte Witterungseinwir-
kungen auftreten können, wie z. B. einer Abdichtung unter einer Kiesschüttung.
Durch diese Beanspruchungsarten/ Einwirkungsklassen ist die entsprechende Abdich-
tung nach DIN 18531, Teil 2 zu wählen:
428 M. Mossau
13.5.4 Brandschutz
13.5.5 Abdichtungsstoffe
Folgende Abdichtungswerkstoffe finden u. a. Anwendung zur Abdichtung von Dach- Ter-
rassen. Die Reihenfolge stellt dabei keine Wertigkeit dar.
Die maßgeblichen Eigenschaften bei Kunststoff- und Elastomerbahnen für die Bauwerks-
abdichtung sind in der DIN EN 13956 definiert. Die Mindestanforderung an die Pro-
dukteigenschaften und die Anwendungstypen sind in der Anwendungsnorm DIN SPEC
20000-201 festgelegt.
13.5.5.3 Flüssigkunststoffe
Flüssigabdichtungen gelten als einlagige Abdichtung. Folgende Werkstoffgruppen finden
ihre Anwendung:
Für Flüssigabdichtungen dürfen nur solche Produkte verwendet werden, die der Baure-
gelliste entsprechen. Der Eignungsnachweis muss mit einer Europäischen Technischen
Zulassung (ETA) auf Basis der Zulassungsleitlinie ETAG 005 mit CE- Kennzeichnung
ausgewiesen sein.
13.5.6 Untergrund
13.5.6.1 Untergrundanforderungen
Die Eignung des Untergrundes muss immer objektbezogen geprüft werden. Der Unter-
grund muss sauber, trocken und frei von Zementschleier, Staub, Öl sowie Fett und anderen
haftungsmindernden Verunreinigungen sein.
• Feuchtigkeit
Bei Ausführung der Abdichtungsarbeiten darf die Untergrundfeuchtigkeit max. 4 – 6
Gew.-%, je nach Hersteller und Stoff betragen. Es ist darauf zu achten, dass eine rücksei-
tige Durchfeuchtung des Belages aufgrund baulicher Gegebenheiten ausgeschlossen ist.
• Taupunkt
Bei Ausführung der Arbeiten muss die Oberflächentemperatur mindestens + 3 °C über
der Taupunkttemperatur liegen. Bei Unterschreitung kann sich auf der Oberfläche ein
trennend wirkender Feuchtigkeitsfilm bilden, der zu Zwischenhaftungsproblemen
führen kann.
• Härte
Mineralische Untergründe müssen mind. 28 Tage durchgehärtet sein, damit sie
ihre ausgewiesene Festigkeit erhalten und der Feuchtegehalt sich im zulässigen Rahmen
befindet.
• Haftung
Auf vorbehandelten Testflächen müssen folgende Oberflächenzugfestigkeiten nachge-
wiesen werden:
Beton: im Mittel mind. 1,5 N/mm², Einzelwert nicht unter 1,0 N/mm².
Estrich: im Mittel mind. 1,0 N/mm², Einzelwert nicht unter 0,7 N/mm².
13 Abdichtungen von Balkonen, Terrassen und Laubengängen431
• Gefälle/ Ebenheit
Der Untergrund ist vor Ausführung der Arbeiten auf ausreichendes Mindestgefälle
von 2 % und Ebenheit zu überprüfen. Ggf. notwendige Korrekturen sind bei Ausfüh-
rung der Arbeiten zu berücksichtigen. Soll eine Pfützenfreiheit erreicht werden, ist
eine Neigung von mehr als 5 % zu planen. Kann das stehende Wasser durch Pfützen
zu Schäden an Abdichtung und oder Belag führen, so sind Drainschichten oder eine
erhöhte Gefällegebung zu berücksichtigen.
• Maßtoleranzen
Bei Ausführung von Beschichtungsarbeiten ist die Einhaltung der zulässigen Toleran-
zen im Hochbau zu berücksichtigen (DIN 18202, Tab. 3, Zeile 4).
13.5.6.2 Untergrundprüfungen
Folgende Untergrundprüfungen sollten durchgeführt werden:
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
CM- Gerät: Vorhandenen Untergrund mit einem CM- Gerät (Calcium- Carbit- Methode)
auf Feuchtegehalt untersuchen und protokollieren. Sehr genaues Messverfahren, jedoch
Zerstörung des Untergrundes unumgänglich, im Nachgang Wiederherstellung der
Testbereiche.
432 M. Mossau
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
13 Abdichtungen von Balkonen, Terrassen und Laubengängen433
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
434 M. Mossau
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
13.5.6.3 Untergrundvorbehandlung
Mineralische Untergründe sind von Zementschlämme, Verunreinigungen und minderfes-
ten Schichten zu befreien, um die Poren frei zu legen. Dies geschieht i.d.R. durch folgende
Vorbehandlungen:
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
13 Abdichtungen von Balkonen, Terrassen und Laubengängen435
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
13.5.7 Abdichtungsaufbau
13.5.7.1 Allgemeines
Je nach dem Abdichtungsaufbau bzw. Einsatz der Abdichtungsstoffe (Abschn. 13.5.5)
werden unterschiedliche Lagen bzw. Ausführungen notwendig.
13.5.7.2 Grundierung
Die Grundierung hat folgende Aufgaben bei einem mineralischen Untergrund:
13.5.7.2.3 Flüssigkunststoffe
Als Grundierung wird i.d.R. ein Epoxidharz (EP) mit Absandung (z. B. Körnung
0,2–0,6 mm) oder ein Polymethylmethacrylatharz (PMMA) ohne Absandung nach Her-
stellerangaben gleichmäßig im Kreuzgang aufgetragen.
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
13.5.7.3 Ausbesserungen
Insbesondere bei direkt begehbaren Abdichtungen aus Flüssigkunststoff sind ggf. nach der
Grundierung Kratz- und Ausgleichsspachtelungen vorzunehmen.
Hintergrund: Die Flüssigkunststoff-Abdichtung legt sich wie eine zweite Haut über den
Untergrund. Falls Unebenheiten im Untergrund (Estrich) sein sollten, würden diese bei
der fertigerstellten Fläche sichtbar sein.
I.d.R. werden diese Ausbesserungen mit Epoxidharz (EP) oder Polymethylmethacrylat-
harz (PMMA) und einem Quarzsandgemisch nach Sieblinie ausgeführt. Die Herstellung
erfolgt nach den technischen Richtlinien des Materialherstellers.
13.5.7.4 Abdichtungslage
Die Abdichtungslage(n) sind jeweils nach Herstellerangaben, unter Berücksichtigung des
Regelwerkes, fachgerecht auszuführen.
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
Lose Verlegung: Die Bahn wird auf dem Untergrund nach Herstellervorgaben lose verlegt.
Lagesicherung der Abdichtung durch Auflast. Der Objekteinzelnachweis der benötigten
Auflast ist beim Bahnenhersteller anzufordern. Die Dachbahnen sind 10 cm entsprechend
der aufgebrachten Längsnahtmarkierung zu überlappen. Die Naht- und Stoßverbindungen
sind homogen zu verschweißen.
Mechansiche Befestigung: Die Bahn wird auf dem Untergrund nach Herstellervorgaben
lose verlegt und nach DIN 1055 mechanisch befestigt. Der Objekteinzelnachweis ist beim
Bahnenhersteller anzufordern. Die Dachbahnen sind 10 cm entsprechend der aufgebrach-
ten Längsnahtmarkierung zu überlappen. Die Naht- und Stoßverbindungen sind homogen
zu verschweißen. Die Befestigungsschiene z. B. 6/10 mm wird als Linienbefestigung
mit mind. 4 Befestigern pro Meter in die Fläche als Randfixierung nach „den Regeln für
Abdichtungen“ zur Aufnahme horizontaler Kräfte an Dachrändern, Dachdurchdringungen
und Anschlüssen an aufgehenden Bauteilen fachgerecht zu befestigen. Hinter die Befesti-
gungsschiene ist als Auszugsicherung eine Rundschnur anzuordnen.
13 Abdichtungen von Balkonen, Terrassen und Laubengängen439
13.5.7.4.3 Flüssigkunststoff
Die Verarbeitung erfolgt durch Streichen, Rollen oder Spritzen. Hierzu werden die 2K-
Produkte nach Herstellerangaben gemischt, bei 1K- Produkten entfällt dieser Arbeitsgang.
Im Anschluss wird das Material ausreichend (2/3) vorgelegt und frisch in frisch ein Kunst-
stofffaservlies mit min. 110 g/m² blasenfrei eingelegt. Die Einlage ist ebenfalls frisch in
frisch (1/3) abzudecken, sodass das Vlies vollständig getränkt und keine sichtbaren Luft-
einschlüsse mehr vorhanden sind. Die einzelnen Bahnen der Einlage (Vlies) müssen min.
5 cm überlappen. Ein Anschluss auf Fremdmaterialien hat mit min. 10 cm zu erfolgen.
Flüssigabdichtungen erhärten durch chemische Reaktion. Die Aushärtung beginnt nach
dem Mischen der Komponenten. Die Topfzeit gibt die Verarbeitungszeit an. Nach dem
Aushärten ist die vliesarmierte Abdichtung hergestellt. Ja nach Harzbasis kann dies von
45 Min. (PMMA) bis 16 h. (1K- PUR) bei + 20 °C dauern.
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
13.5.7.5 Detailabdichtung
Sämtliche (Wand)- Anschlüsse, Durchdringungen, Abläufe und Details müssen sicher mit
in die Flächenabdichtung integriert werden, um u. a. Hinterläufigkeiten ausschließen zu
können. Insbesondere die Details sollten so ausgebildet und gestaltet sein, dass diese zur
Überprüfung und Wartung stets zugänglich sind.
Es wird unterschieden zwischen Anschlüssen an Bauteilen, die mit der Unterlage fest
verbunden sind (z. B. herkömmlicher Wandanschluss), und Anschlüssen an Bauteilen, die
gegenüber der Unterlage Bewegungen verschiedener Art unterworfen sind. Diese werden
folgend als Arbeitsfuge (Fuge auf Grundlage einer Arbeitsunterbrechung oder Material-
wechsel) oder als Bewegungsfuge (Fuge auf Grundlage unterschiedlicher Bauköper)
behandelt.
Die Höhe der senkrechten Abdichtung soll im Hinblick auf den Spritzwasser- und Über-
flutungsschutz bei Neigungen bis 5° mit min. 15 cm ab wasserführender Ebene betragen.
440 M. Mossau
Der Anschluss von Detailabdichtung zur Flächenabdichtung muss min. 10 cm betragen.
Bei Flüssigkunststoff- Flächenabdichtung zu Flüssigkunststoff- Detailabdichtung reichen
min. 5 cm.
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
13.6 Schutzlage
Um die Abdichtungslage zu schützen, ist eine Schutzlage erforderlich, die auch den begeh-
baren Belag darstellt. Je nach gewünschter Oberlage wird folgender Aufbau notwendig:
13.6.1 Plattenbeläge
Plattenbeläge als Oberflächenschutz und Auflast werden i.d.R. in Kies oder Splittbett
verlegt. Hierzu ist auf der Abdichtungslage eine Schutzmatte (Bautenschutzmatte min.
6 mm stark mit 5 cm Überlappung) oder ein Schutzvlies (min. 300 gr. mit mind. 10 cm
Überlappung) zu verlegen. Dies gilt ebenfalls für Mörtelsäckchen und für die Ausbildung
mit Stelzlager.
)RWR00RVVDX
13.6.2 Holzbeläge
Holzbeläge (z. B. Bangkiraiholz) werden auf Lattung mit Konterlattung (der gleichen
Holzsorte) verlegt. Die untere Lattung ist hierbei im Gefälle zu verlegen (um den Wasser-
ablauf sicherzustellen) und unterhalb mit einer Schutzmatte oder -vlies zu versehen.
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
Generell gilt: Harthölzer müssen immer vorgebohrt werden. Ohne Vorbohren können
die Schrauben abreißen und die Verbindungen werden nicht fest. Auch sollten Schrau-
ben immer aus rostfreiem Edelstahl (V2A) und zwischen den Dielen ein Abstand von
3 mm eingehalten werden. Lang gelagerte oder sehr trockene Hölzer müssen mit größe-
rem Abstand verlegt werden. Leichter Verzug der Bretter kann beim Verlegen, z. B. durch
Spanngurte oder Keile ausgeglichen werden.
Um die Abdichtung aus Flüssigkunststoff zu schützen, wird bei den begehbaren Abdich-
tungen eine Beschichtung (Flüssigkunststoff mit Quarzsandgemisch) als Schutzlage auf-
gebracht. Diese schützt die Abdichtung vor mechanischer Einwirkung und erzielt gleich-
zeitig eine ebene Fläche, die u. a. die Vliesüberlappungen egalisiert. Im Anschluss wird
eine farbige Versiegelung zu dekorativen Zwecken in unterschiedlichen Oberflächenva-
rianten und Rutschhemmungsklassen aufgebracht. Siehe hierzu auch der Abschn. 13.5.5.4
Flüssigkunststoffe mit intergrierter Nutzschicht.
13 Abdichtungen von Balkonen, Terrassen und Laubengängen443
)RWR7ULIOH[*PE+ &R.*
)RWR00RVVDX
444 M. Mossau
Fugendichtstoffen
Quellen
• DIN 18531- Abdichtung von Dächern sowie von Balkonen, Loggien und Laubengängen
• DIN 18533- Abdichtung erdberührter Bauteile
• DIN 18195- Abdichtung von Bauwerken- Begriffe
• Regeln für Abdichtungen (Flachdachrichtlinien) vom Zentralverband des Deutschen
Dachdeckerhandwerks- Fachverband Dach-, Wand- und Abdichtungstechnik- e. V.
• WTA- Merkblatt 4.6 Nachträgliches Abdichten erdberührter Bauteile
• DIN 18195- Abdichtung von Bauwerken- Begriffe
• Technische Regeln für die Planung und Ausführung von Abdichtungen mit Polymer-
bitumen- und Bitumenbahnen
• Schäden an Balkonen, Loggien, Laubengängen von Rolf Köneke
• Praxis- Handbuch Bautenschutz: Beurteilen, Vorbereiten, Ausführen von u. a. Prof. Fix,
Hölzen, Kollmann, Mossau, Spirgatis
• Balkone und Terrassen: Planen und Ausführen von Präkelt, Öttl-Präkelt, Leustenring
• Schwachstellen Flachdächer, Dachterrassen, Balkone von Schild, Oswald, Rogier,
Schweikert
Flächenabdichtung durch Injektion
14
Uwe Wild
U. Wild (*)
Sachverständigenbüro für Baudiagnostik
Brandis, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 445
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_14
446 U. Wild
vom Fachplaner festgelegt. Die Bohrlochtiefe wird meist bis kurz vor der Bauteilaußen-
seite festgelegt. Ein Materialaustritt an der erdberührten Außenseite ist zu vermeiden.
Das über die Bohrlöcher im Niederdruckverfahren (p < 10 bar) eingebrachte Injektions-
mittel verteilt sich in Hohlräumen und im Fugennetz des Wandbildners. Die Dichtungs-
ebene liegt bei den Flächenabdichtungen durch Injektion somit nicht auf der Außenseite
des Bauteiles, sondern innerhalb des Bauteilquerschnittes. Die Funktion der Abdichtung
übernimmt das zu schützende Bauteil selbst.
Nachinjektionen können auch bei fachgerechter Planung und Ausführung erforderlich
werden und stellen bei Einhaltung aller qualitätssichernden Empfehlungen des ABI-Merk-
blattes (2014-10) aus technischer Sicht keine Mangelbeseitigung dar. Nachinjektionen
gehören zu den Verfahrenstypischen Bestandteilen der Flächenabdichtung (Abb. 14.1,
14.2 und 14.3).
Für diese Verfahrensweise hatte sich in der Vergangenheit im technischen Sprachge-
brauch der Begriff „Flächeninjektion“ festgesetzt. Im neuen WTA-Merkblatt 4-6-14
(2013-04) wird das Verfahren als „Flächenabdichtung im Bauteil“ und im ABI-Merkblatt
(2014-10) als „Flächeninjektion im Bauteil“ bezeichnet.
14 Flächenabdichtung durch Injektion447
• Flächeninjektion in Bauteile
• Flächeninjektion in Bauteil- bzw. Bauwerkszwischenräume
• Riss- und Hohlrauminjektionen
• Injektion von Bewegungsfugen
Wie eingangs bereits dargelegt, handelt es sich um eine relativ neue Abdichtungstechnolo-
gie. Es existieren für die Ausführung des Verfahrens bis heute keine DIN-Normen. Das im
März 2005 erstmals erschienene, 2008 überarbeitete und im Oktober 2014 neu herausge-
gebene ABI-Merkblatt „Abdichten von Bauwerken durch Injektion“ und das WTA-Merk-
blatt 5-20 „Gelinjektionen“ (2009-03) beschreiben den aktuellen Stand der Injektionstech-
nik und enthalten ausführliche Hinweise zur Planung und Ausführung.
Hinweise zur Planung und Ausführung können aus folgenden Merkblättern bzw.
Richtlinien
14 Flächenabdichtung durch Injektion449
entnommen werden:
Da dem Planer außer den oben genannten Informationsquellen keine Regelwerke zur Ver-
fügung stehen, und diese Technologie derzeit im Wesentlichen auf den bisher gesammelten
praktischen Erfahrungen beruht, ist die Planung ausschließlich von speziellen Fachplanern
durchzuführen, welche ausreichend baupraktische Kenntnisse über die Flächenabdichtung
durch Injektionen vorweisen können.
Vor der Planung einer Flächenabdichtung sollte der Fachplaner prüfen, ob bzw. mit
welchem Aufwand eine konventionelle Bauwerksabdichtung in Anlehnung an die DIN 18
195 bzw. nach den WTA-Merkblättern und Richtlinien der deutschen Bauchemie durch-
führbar sind. Nur wenn aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zwischen dem handwerk-
lichen Aufwand und dem zu erwartenden Erfolg der Maßnahme oder wegen nicht gewähr-
leisteter Zugänglichkeit der Außenseite der Kelleraußenwand konventionelle Verfahren
nicht eingesetzt werden können, sind Flächenabdichtungen als Alternative zu planen und
entsprechend umzusetzen.
Aus Sicht des Autors jedoch bedarf die Anwendung von Injektionen bei Lastfall „drü-
ckendes Wasser“ einer sorgfältigen Einzelfallprüfung. Erfolgreiche Anwendungen bei
Lastfall „drückendes Wasser“ sind bekannt, sodass eine generelle Ablehnung der Injek-
tionstechnologie bei dieser Wasserbeanspruchung nicht gerechtfertigt erscheint.
Vor der Planung sind die erforderlichen Kenndaten im Rahmen einer ausgiebigen Vor-
untersuchung zu sammeln und entsprechend auszuwerten. Die Voruntersuchung bezieht
sich auf die Baustoffe des abzudichtenden Mauerwerks. Je nach Bauzustand kann zusätz-
lich eine Stellungnahme eines Statikers hinsichtlich der Standsicherheit erforderlich sein.
Die notwendige Bauwerksdiagnostik ist wie bei allen Abdichtungen auch bei den Injek-
tionsverfahren unabdingbare Grundlage für die Planung und Ausführung.
Nachfolgend werden exemplarisch einige Kenndaten genannt, welche im Rahmen der
Voruntersuchungen in Erfahrung gebracht werden müssen:
• Porenvolumen im Baustoff
• Durchfeuchtungsgrad (DFG)
• Raumklima (Θi, φi)
• Homogenität
• Aufnahme und Verteilung des Injektionsstoffes durch Probeinjektion
450 U. Wild
Der Fachplaner legt als Spezialist unter Beachtung der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten
sowie mit Berücksichtigung der Ergebnisse aus den Voruntersuchungen mindestens fol-
gende technische Parameter fest:
• Lufttemperatur
• Änderung von Planungsvorgaben
• Prüfplan mit Prüfergebnissen (einschl. Funktionskontrolle Injektionstechnik, Misch
und Dosiereinrichtungen)
Der Fachplaner muss die für das jeweilige Objekt bedeutsamen Daten auswählen und
in der Ausschreibung benennen. Zusätzlich sollte eine Fotodokumentation angefertigt
werden, aus der die örtlichen Gegebenheiten hervorgeht.
Dem Planer stehen keine Informationsquellen zur Verfügung, welche allgemeinver-
bindliche Vorgaben über die Packerabstände enthalten. Vielmehr hat er diese wichtige
Angabe objektbezogen festzulegen. Dies liegt an den sehr unterschiedlichen Vorausset-
zungen zur Verteilung des Injektionsstoffes im Bauteil. Hersteller von Acrylatgelen geben
als Anhaltspunkt Packerabstände zwischen 30 und 50 cm an. Ziel ist es, eine durchgängige
Injektionsebene zu erreichen. Die Herstellerangaben müssen am Objekt durch Probeinjek-
tionen überprüft und ggf. an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden.
Generell empfiehlt es sich, ausschließlich Spezialbetriebe mit nachgewiesener ausrei-
chender Erfahrung auf dem Gebiet der Injektionstechnologie zu beauftragen. Ein gewisses
„injektionstypisches“ Restrisiko besteht, da eine direkte Qualitätskontrolle durch Inaugen-
scheinnahme nicht erfolgen kann.
Die Verteilung des Injektionsmittels im Bauteil ist für den Ausführenden und vom Bau-
überwacher nicht direkt kontrollierbar. Die Homogenität des zu injizierenden Mauerwerks
kann insbesondere in der Altbausanierung sehr starken Schwankungen unterworfen sein,
sodass die gewonnenen Erkenntnisse aus der Bauzustandsanalyse und die durchgeführ-
ten Probeinjektionen nicht unbedingt für alle Bereiche repräsentativ sein müssen. Das
Abdichtungsziel und somit die vertraglich geschuldete Leistung müssen genau definiert
sein, um Streitigkeiten über den geschuldeten Erfolg zu vermeiden.
Darüber hinaus muss vor Ausführung eine Vereinbarung zwischen den Baubeteiligten
über die Anwendung des Sonderverfahrens „Flächenabdichtung“ sowie eine Aufklärung
über das damit verbundene Risiko aktenkundig erfolgen.
14.4 Ausführung
Die Bohrlöcher enden einige cm vor der Außenseite des Wandbildners. Die Bohrloch-
tiefe ist vom Fachplaner zusammen mit dem Neigungswinkel und dem Bohrlochabstand
im Einzelfall unter Beachtung der Ergebnisse aus der Voruntersuchung und der Probe-
injektion festzulegen. Vor dem Einbringen des Injektionsstoffes müssen die Bohrlöcher
ausgeblasen werden.
Der Eignungsnachweis der zu verwendeten Injektionsstoffe erfolgt durch eine bauauf-
sichtliche Zulassung (abZ.) für den Anwendungsfall Flächenabdichtung oder durch ein
Prüfzeugnis nach DB-Richtlinie 804.61.02. Bei Stahlbetonbauteilen muss sichergestellt
sein, dass das verwendete Gel keine Korrosion am Bewehrungsstahl verursacht bzw.
fördert.
Injektionsstoffe müssen vor Feuchtigkeit, Sonneneinstrahlung und Frost geschützt gela-
gert und ausschließlich in dem vom Hersteller angegebenen Zeitraum verarbeitet werden.
Länger gelagerte Injektionsstoffe können die Reaktion der einzelnen Komponenten unter-
einander negativ beeinflussen.
Das Mischungsverhältnis der einzelnen Komponenten ist genau einzuhalten. Dosier-
einrichtungen an der Injektionstechnik sind regelmäßig zu überprüfen. Bereits kleinste
Abweichungen können sich erheblich auf Viskosität und Reaktion des Injektionsstoffes
auswirken.
Der niedrigviskose Injektionsstoff wird innerhalb eines vom Fachplaner festgelegten
Bohrlochrasters über spezielle Packer in den zugänglichen Porenraum und in Hohlstellen
des Wandbildners im Niederdruckverfahren (p < 10 bar) gepresst (Abb. 14.4). Das Injek-
tionsmittel verteilt sich über die Bohrlochoberflächen in die Mörtelfugen, Hohlräume und
Risse im Fugenbereich (s. Abb. 14.3). Die Verpressung erfolgt in der Regel von der unters-
ten Bohrlochkette ausgehend nach oben. Die Packer werden so lange mit Injektionsmittel
beaufschlagt, bis Material an den benachbarten Bohrlochern austritt und ein Porenver-
schluss an den Mörtelfugen durch Materialsättigung erkennbar ist.
Das im Bauteil vorhandene Wasser wird dabei verdrängt und muss entweichen können.
Die Festlegung der Bohrlöcher sollte auch bekannte Hohlstellen und Rissbilder berück-
sichtigen. Bei großen Hohlräumen werden gemäß ABI-Merkblatt (2014-10) Reaktions-
zeiten von t < 2 min empfohlen.
Die Druckbeaufschlagung sollte 20 bar nicht überschreiten, da sonst eine Schädigung
des Mauerwerks nicht ausgeschlossen werden kann. Übliche Injektionsdrücke liegen bei
etwa 10 bar. Im injizierten Wandbildner entsteht über den gesamten Mauerwerksquer-
schnitt eine Vergelung, welcher sowohl eine vertikale als auch eine horizontale Abdich-
tung darstellt.
Bauteile mit komplizierter Geometrie erfordern teilweise unterschiedliche Neigungs-
winkel der Bohrkanäle. Kleinste Abweichungen vom vorgegebenen Neigungswinkel
führen insbesondere bei dickeren Bauteilen zu einem ungleichmäßigen Raster, was das
Fehlstellenrisiko signifikant erhöht. Daher kann die Anwendung von Bohrschablonen not-
wendig werden. Durch Bohrschablonen werden der Neigungswinkel und der Achsabstand
der Bohrkanäle untereinander gezielt vorgegeben, um eine durchgängige Abdichtungs-
schicht im äußeren Mauerwerksquerschnitt sicherzustellen.
Die Injektion von Rissen muss immer zum Zeitpunkt der größten Rissbreite erfolgen.
Arbeitspausen sind bei Rissinjektionen unzulässig.
Die im Wandbildner vorhandenen Packer sind nach der Vergelung zu entfernen. Das in
den Bohrlochern vorhandene Gel wird bis in ca. 10 cm Tiefe entfernt und die Löcher mit
einen auf das Mauerwerk abgestimmten Mörtel verschlossen. An der Innenseite der Kel-
leraußenwand und am Fußboden vorhandenes Gel muss rückstandsfrei entfernt werden,
da sich bei Wasserbeaufschlagung neues Gel bildet.
Spätestens zur Abnahme müssen vom Auftragnehmer die erforderlichen Dokumentatio-
nen übergeben werden (s. Abschn. 14.3 „Planung und Ausschreibung“).
14.5 Fazit
Literatur
ABI-Merkblatt. (2014-10). Abdichten von Bauwerken durch Injektion (3. Aufl.). Berlin: (heraus-
gegeben von STUVA Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen e. V., erschienen
im Fraunhofer IRB Verlag).
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Bauregelliste A, B, C. (2008-01) Bauregelliste A, Bauregelliste B und Liste C, Ausgabe 1/2008,
herausgegeben vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt).
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durchlässigkeitsbeiwerts – Teil 1: Laborversuche. Heidelberg: Springer.
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Wasserdurchlässigkeitsbeiwerts – Teil 2: Feldversuche. Berlin: Beuth.
Gesetz. (2009-07). Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) vom
31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Artikel 5 Absatz 9 des Gesetzes vom
24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212).
Haack, A., & Emig, K. F., de Hesselle, J., Hilmer, K., Hornig, U., Michalski, C. (2003). Abdich-
tungen im Gründungsbereich und auf genutzten Dachflachen (2. Aufl.). Berlin: Ernst & Sohn.
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WTA-MB. (1999-04). Beurteilung von Mauerwerk-Mauerwerksdiagnostik. München: Wissen-
schaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V.
14 Flächenabdichtung durch Injektion455
U. Wild (*)
Sachverständigenbüro für Baudiagnostik
Brandis, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 457
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_15
458 U. Wild
Bei der Schleierinjektion werden von der Innenseite der betreffenden Außenwand ras-
terartig Durchgangsbohrungen in den Wandquerschnitt eingearbeitet. Achsabstand und
Anstellwinkel der Bohrlöcher werden vom Fachplaner festgelegt.
Das über die Bohrlöcher üblicherweise im Niederdruckverfahren (p < 10 bar) einge-
brachte Injektionsmittel verteilt sich im Porenraum des anliegenden Erdstoffes und bildet
einen unterbrechungsfreien „Schleier“ vor dem zu schützenden Bauteil. Die Funktion der
Abdichtung übernimmt der sich bildende Gelschleier vor dem zu schützenden Bauteil.
Die Dichtungsebene liegt bei der Schleierinjektion somit im Erdreich unmittelbar vor der
Kelleraußenwand.
Nachinjektionen können auch bei fachgerechter Planung und Ausführung erforder-
lich werden und stellen bei Einhaltung aller qualitätssichernden Empfehlungen des ABI-
Merkblattes (2014-10) aus technischer Sicht keine Mangelbeseitigung dar. Nachinjektio-
nen gehören bei fachgerechter Ausführung zu den Verfahrenstypischen Merkmalen der
Schleierinjektion (Abb. 15.1, 15.2 und 15.3).
Abb. 15.2 Schleierinjektion, Anordnung der Packer. (Foto: WEBAC-Chemie GmbH Barsbüttel,
www.webac.de)
Abb. 15.3 Schleierinjektion, Anordnung der Packer. (Foto: WEBAC-Chemie GmbH Barsbüttel,
www.webac.de)
Abb. 15.4 Gelschleier bei Versuchen im „Sandkasten“. (Foto: WEBAC-Chemie GmbH Barsbüttel,
www.webac.de)
Abb. 15.5 Gelschleier bei Versuchen im „Sandkasten“. (Foto: WEBAC-Chemie GmbH Barsbüttel,
www.webac.de)
Wie eingangs bereits dargelegt, handelt es sich um eine relativ neue Abdichtungstechnolo-
gie. Es existieren für die Ausführung des Verfahrens bis heute keine DIN-Normen. Das im
März 2005 erstmals erschienene, 2008 überarbeitete und im Oktober 2014 neu herausge-
gebene ABI-Merkblatt „Abdichten von Bauwerken durch Injektion“, das WTA-Merkblatt
5-20 „Gelinjektionen“ (2009-03) und das WTA-Merkblatt 4-6 „Nachträgliches Abdichten
erdberührter Bauteile“ (2014-01) beschreiben den aktuellen Stand der Injektionstechnik
und enthalten ausführliche Hinweise zur Planung und Ausführung.
Hinweise zur Planung und Ausführung können aus folgenden Merkblättern bzw. Richt-
linien entnommen werden:
Da dem Planer außer den oben genannten Informationsquellen keine Regelwerke zur Ver-
fügung stehen, und diese Technologie derzeit im Wesentlichen auf den bisher gesammelten
praktischen Erfahrungen beruht, ist die Planung ausschließlich von speziellen Fachplanern
durchzuführen, welche ausreichend baupraktische Kenntnisse über die Schleierinjektion
vorweisen können. Die Schleierinjektion ist ein Sonderverfahren.
Vor der Planung einer Schleierinjektion sollte der Fachplaner prüfen, ob bzw. mit welchem
Aufwand eine konventionelle Bauwerksabdichtung in Anlehnung an die DIN 18 195 bzw.
nach den WTA-Merkblättern und Richtlinien der deutschen Bauchemie durchführbar sind.
Nur wenn aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zwischen dem handwerklichen Aufwand und
dem zu erwartenden Erfolg der Maßnahme oder wegen nicht gewährleisteter Zugänglich-
keit der Außenseite der Kelleraußenwand konventionelle Verfahren nicht eingesetzt werden
können, sind Schleierinjektionen als Alternative zu planen und entsprechend umzusetzen.
Schleierinjektionen können nach Einzelfallprüfung auch bei Lastfall „drückendes
Wasser“ eingesetzt werden. Diesbezüglich liegen bereits positive Erfahrungen vor.
Vor der Planung sind die erforderlichen Kenndaten im Rahmen einer ausgiebigen Vor-
untersuchung zu sammeln und entsprechend auszuwerten. Die Voruntersuchung bezieht
sich auf das anliegende Erdreich und auf die Baustoffe und Schichtenaufbau des abzu-
dichtenden Mauerwerks mit Dämm- und Schutzschichten. Je nach Bauzustand kann
15 Schleierinjektion463
zusätzlich eine Stellungnahme eines Statikers hinsichtlich der Standsicherheit und ggf.
zur Auftriebssicherheit erforderlich sein.
Die notwendige Bauwerksdiagnostik ist wie bei allen Abdichtungen auch bei den Injek-
tionsverfahren unabdingbare Grundlage für die Planung und Ausführung.
Durch Voruntersuchungen können auch das zur Verfügung stehende Porenvolumen des
anliegenden Erdreiches und somit der ungefähre Materialverbrauch errechnet werden,
was eine begrenzte Kontrollmöglichkeit darstellt.
Berechnungsbeispiel
Injektionsschleier mit einer mittleren Dicke von 20 cm im Erdreich mit einem Poren-
anteil von 25 %:
1 m3 1000 l
=
0, 2 m 2 200 l
100% 200 l
=
25% 50 l
Bei einem Achsabstand der Bohrlöcher von 30 cm sind 16 Packer je m2 erforderlich.
Nach der o. a. theoretischen Berechnung müsste in jedem Packer 3,1 l Injektionsstoff
eingebracht werden.
Abb. 15.6 Schleierinjektionen können die Funktionstüchtigkeit von Dränagen negativ beeinflus-
sen. Wegen unzureichender Erkundungen der örtlichen Gegebenheiten hat sich das Injektionsgel in
einem Dränrohr gesammelt. (Foto: U. Wild)
Der Fachplaner muss die für das jeweilige Objekt bedeutsamen Daten auswählen und
in der Ausschreibung benennen. Zusätzlich sollte eine Fotodokumentation angefertigt
werden, aus der die örtlichen Gegebenheiten hervorgeht. Die vollständige Dokumentation
ist bspw. für die Planung von Nachinjektionen eine wichtige Grundlage.
Das Leistungsverzeichnis sollte auch eine Position über das Anfertigen von Rückstell-
proben enthalten.
Dem Planer stehen keine Informationsquellen zur Verfügung, welche allgemeinver-
bindliche Vorgaben über die Packerabstände enthalten. Vielmehr hat er diese wichtige
466 U. Wild
15.4 Ausführung
Die Festlegung der Bohrlöcher sollte auch bekannte Hohlstellen und Rissbilder berück-
sichtigen. Die Bohrlöcher durchdringen den gesamten Wandbildner. Der Neigungswinkel
und der Bohrlochabstand sind für jeden Einzelfall, unter Beachtung der Ergebnisse aus der
Voruntersuchung und der Probeinjektion sowie eventuell unter Hinzuziehung des Herstel-
lers, vom Fachplaner festzulegen. Vor dem Einbringen des Injektionsstoffes müssen die
Bohrlöcher ausgeblasen werden.
In die Bohrlocher werden spezielle Schraubpacker montiert (Abb. 15.10). Der niedrig
viskose Injektionsstoff wird innerhalb eines vom Fachplaner festgelegten Bohrlochrasters
über spezielle Packer in den zugänglichen Porenraum und in Hohlstellen des Erdreiches
im Niederdruckverfahren (p < 10 bar) gepresst (Abb. 15.7). Die Verpressung erfolgt durch
eine geeignete Injektionspumpe in der Regel von der untersten Bohrlochkette ausgehend
nach oben (Abb. 15.7 und Abb. 15.8). Die Packer werden so lange mit Injektionsmittel
beaufschlagt, bis Material an den benachbarten Bohrlöchern austritt und ein Porenver-
schluss an den Mörtelfugen durch Materialsättigung erkennbar ist.
Die beiden Komponenten des Injektionsstoffes werden mittels Zweikomponenten-
pumpe unmittelbar vor dem Packer zusammengeführt und unter einem Injektionsdruck
15 Schleierinjektion467
Abb. 15.8 Gelpumpe IP 2K-F1 von WEBAC-Chemie GmbH. (Foto: WEBAC-Chemie GmbH
Barsbüttel, www.webac.de)
468 U. Wild
bis etwa 10 bar in den Packer gepresst (Abb. 15.9). Bei großen Hohlräumen werden gemäß
ABI-Merkblatt (2014-10) Reaktionszeiten von t < 2 min empfohlen. Der Injektionsstoff
muss eine niedrige Anfangsviskosität (maximal 20 mPas) aufweisen, um sich im zugäng-
lichen Porenraum des Erdreiches ausreichend verteilen zu können.
Im Handel sind Injektionsstoffe erhältlich, welche nach Herstellerangaben eine Misch-
viskosität von 7 mPas aufweisen. Das im Baugrund vorhandene Wasser wird vom anfangs
noch hochviskosen Injektionsstoff verdrängt. Es kommt zur Vermischung des Injektions-
stoffes mit dem Erdreich. Im Idealfall verteilt sich der Gelschleier Fehlstellenfrei bei einer
Mindestdicke von 10 cm.
Durch die Inaugenscheinnahme der unmittelbar benachbarten Bohrlöcher ist bei Mate-
rialaustritt eine gewisse Kontrolle der Materialverteilung möglich (Abb. 15.10).
Der Gelschleier bildet sich im anliegenden Erdreich sowie in eventuell vorhandenen
Fehlstellen, Hohlräumen, Rissen und Mörtelfugen an der Außenseite des Mauerwerks aus.
Nach Erreichen der beeinflussbaren Reaktionszeit (Übergang vom flüssigen zum festen
Zustand) ist der entstandene Gelschleier wasserdicht. Das Gel weist eine Hohlraumstruk-
tur auf, weshalb eine gewisse Menge an Wasser zusätzlich aufgenommen werden kann.
Die Wasseraufnahme führt zu einer Volumenvergrößerung (quellen). Bei Feuchtigkeits-
abgabe des eingelagerten Wassers sowie des im Gel enthaltenen Wassers kommt es zur
Volumenverringerung (schrumpfen).
Diese Vorgänge können sich beliebig oft wiederholen. Allerdings ist das Quellvermö-
gen auf 15 Vol.-% zu beschränken, um eine unendliche Wasseraufnahme mit einhergehen-
den Festigkeitsverlusten zu vermeiden.
Das vergelte Erdreich (Gel-Erdstoff-Gemisch) vor der erdberührten Außenwand oder
Bodenplatte bildet nunmehr die neue Abdichtung.
15 Schleierinjektion469
Nachinjektionen können dann erforderlich sein, wenn eine Ausbreitung des Gelschlei-
ers durch Unregelmäßigkeiten im Erdreich in Teilflächen nicht ausreichend erfolgte oder
durch die Abdichtung der bisherigen Wassereintrittsstellen neue „Wasserwege“ entstan-
den sind.
Injektionsstoffe sind derzeit nicht von der Bauregelliste erfasst. Der Eignungsnachweis
und der Nachweis der Umweltverträglichkeit der zu verwendeten Injektionsstoffe erfolgt
durch eine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) für den Anwendungsfall Schleierinjektion
oder durch ein Prüfzeugnis nach DB-Richtlinie 804.61.02. Bei Stahlbetonbauteilen muss
sichergestellt sein, dass das verwendete Gel keine Korrosion am Bewehrungsstahl verur-
sacht bzw. fördert. Da die Injektionsgele bestimmungsgemäß mit dem Grund- und Sicker-
wasser in Kontakt kommen, ist das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) bei der Planung zwin-
gend zu berücksichtigen. Eine Verunreinigung des Grundwassers muss mit der gebotenen
Sicherheit ausgeschlossen werden. Die oben genannten Eignungsnachweise für Injek-
tionsstoffe ersetzen nicht die behördliche Erlaubnis der Anwendung des Injektionsgels im
Baugrund gemäß Wasserhaushaltsgesetz (WHG), § 8 (2009-07).
Injektionsstoffe müssen vor Feuchtigkeit, Sonneneinstrahlung und Frost geschützt gela-
gert und ausschließlich in dem vom Hersteller angegebenen Zeitraum verarbeitet werden.
Länger gelagerte Injektionsstoffe können die Reaktion der einzelnen Komponenten unter-
einander negativ beeinflussen.
Das Mischungsverhältnis der einzelnen Komponenten ist genau einzuhalten. Dosier-
einrichtungen an der Injektionstechnik sind regelmäßig zu überprüfen. Bereits kleinste
Abweichungen bei der Dosierung der Komponenten können sich erheblich auf Viskosität
und Reaktion des Injektionsstoffes auswirken.
Die im Wandbildner vorhandenen Packer sind nach der Vergelung auszubauen. Das in
den Bohrlöchern vorhandene Gel wird bis in ca. 10 cm Tiefe entfernt und die Löcher mit
470 U. Wild
einen auf das Mauerwerk abgestimmten Mörtel verschlossen. An der Innenseite der Kel-
leraußenwand und am Fußboden vorhandenes Gel muss rückstandsfrei entfernt werden,
da sich bei Wasserbeaufschlagung neues Gel bildet.
Spätestens zur Abnahme müssen vom Auftragnehmer die erforderlichen Dokumentatio-
nen übergeben werden (s. Abschn. 15.3 „Planung und Ausschreibung“).
Bauteile mit komplizierter Geometrie erfordern teilweise unterschiedliche Neigungs-
winkel der Bohrkanäle. Kleinste Abweichungen vom vorgegebenen Neigungswinkel
führen insbesondere bei dickeren Bauteilen zu einem ungleichmäßigen Raster, was das
Fehlstellenrisiko signifikant erhöht. Daher kann die Anwendung von Bohrschablonen not-
wendig werden. Durch Bohrschablonen werden der Neigungswinkel und der Achsabstand
der Bohrkanäle untereinander gezielt vorgegeben, um eine durchgängige Abdichtungs-
schicht im äußeren Mauerwerksquerschnitt sicherzustellen.
Wie bereits dargelegt, sollten Abdichtungsarbeiten grundsätzlich nur durch ausgewie-
sene Fachbetriebe mit der notwendigen Erfahrung und Qualifikation ausgeführt werden
(z. B. ABI-Zertifikat). Durch die nicht gewährleistete direkte Qualitätskontrolle und die
Vielzahl der qualitätsbestimmenden Einflussfaktoren trifft dies für die Schleierinjektion
ganz besonders zu.
Nicht ausreichend qualifizierte Anwender und Anwender ohne ausreichende Praxis-
erfahrungen sind zwar in der Lage, das Injektionsmittel in das Erdreich zu „drücken“,
können aber die erforderliche Verteilung des Injektionsstoffes und die fehlstellenfreie Ver-
gelung bei minimalem Materialeinsatz mit der gebotenen Sicherheit kaum gewährleisten.
Die hohen Anforderungen an die Qualifikation des Auftragnehmers sind auch an eventu-
elle Nachunternehmer zu stellen.
15.5 Fazit
Die Schleierinjektion stellt bei Teilunterkellerung oder Reihenbebauung, neben der Innen-
abdichtung aus Mineralischen Dichtungsschlämmen (MDS) und neben der Flächenab-
dichtung innerhalb des Bauteiles durch Injektion, die einzige Möglichkeit einer nach-
träglichen Bauwerksabdichtung dar. Bei zahlreichen Projekten konnte die baupraktische
Anwendbarkeit nachgewiesen werden. Die Ausführung des Injektionsverfahrens ist nicht
geregelt, weshalb es als Sonderverfahren einzustufen ist.
Gelinjektionen sollten nur dann zur Ausführung kommen, wenn alle anderen konven-
tionellen Verfahren nicht angewendet werden können. Da bei der Schleierinjektion keine
direkte Kontrolle der Abdichtungsebene möglich ist, werden eventuelle Fehlstellen erst
bei entsprechender hydrostatischer Beanspruchung der Abdichtung sichtbar. Dies passiert
allerdings oftmals zeitversetzt, wenn das Gebäude bereits in Nutzung ist. Nachinjektionen
unter Nutzungsbedingungen sind jedoch nur erschwert möglich.
Zur Absicherung des Abdichtungserfolges sind Schleierinjektionen ausschließlich von
spezialisierten Fachplanern zu planen und von Fachbetrieben auszuführen. Im Vorfeld
sind umfangreiche Voruntersuchungen notwendig, um die Anwendbarkeit des Verfahrens
zu prüfen, den Injektionsstoff sowie das Raster der Bohrkanäle aufeinander abzustimmen.
15 Schleierinjektion471
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472 U. Wild
16.1 Vorbemerkung
Der Beton für WU-Konstruktionen darf nach den Regeln der Technik eine nachzuwei-
sende Wassereindringtiefe von 50 mm nicht überschreiten. Diese Eigenschaft wird durch
den Wasserzementwert w/z von < 0,60 erreicht. Das Mischungsverhältnis führt zu einer
Reduzierung des Kapillarporenraumes um etwa 20 Vol. %. Konstruktionen aus Beton mit
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 473
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_16
474 J. Weber und H. Dinse
Neubau des Kellers als • Aus statischer Sicht muss das • Abschnittsweiser
WU-Konstruktion Gebäude noch ausreichend Rückbau der vorhandenen
standsicher sein raumbegrenzenden Bauteile
Wand und Boden
• Abschnittsweise Herstellung
einer WU-Wandkonstruktion
und WU-Bodenplatte
(Weiße Wanne)
• Fugenabdichtung mit
geeigneten Systemen
Abb. 16.1 Anschluss Bestandskonstruktion und neue Bodenplatte mittels Verpressen mit
Injektionsschlauch
baupraktisch immer mit in die Betrachtung im Einzelfall einzubeziehen, wenn die Bedin-
gungen nicht vorliegen (Abb. 16.2 und 16.3).
Unter Verwendung von Beton mit hohem Wassereindringwiderstand kann auf eine
Abdichtung gegen nicht drückendes oder drückendes Wasser verzichtet werden. Die
Konstruktionen werden fast ausschließlich als „Abdichtung“ gegen drückendes Wasser
in der Abdichtungstechnik eingesetzt. Dabei werden flächenförmige Bauteile mit und
ohne Stahlbewehrung hergestellt. Die Stahlbewehrung wird unter anderem zur Rissbrei-
tenbegrenzung benötigt, da ansonsten durch die eventuell entstehenden Risse Wasser in
die Konstruktion gelangen kann. Wenn keine Bewehrung zur Rissbreitenbeschränkung
geplant und eingebaut wird und Risse entstehen, so müssen diese nachträglich wasserdicht
verpresst werden.
Bei schwierigen Grundwasserverhältnissen, welche den Einbau einer sicher funktions-
tüchtigen Horizontalsperre in den Wänden und Fußböden von Bestandsgebäuden nicht
zulässt und wenn eventuell zudem noch eine hochwertige Nutzung der Räume nach der
Sanierung geplant ist, können Betonkonstruktionen als „Weiße Wannen“ zum Einsatz
kommen (Abb. 16.4 und 16.6).
Früher wurden die Bauteile aus Beton mit der besonderen Eigenschaft des geringen
Wassereindringvermögens als „wasserundurchlässige Betonkonstruktion“ (WU-Beton)
:DVVHUHLQGULQJWLHIH
.DSLOODUHU :DVVHUGDPSI
:DVVHUWUDQVSRUW GLIIXVLRQ
≥ PP
$XVWURFNQXQJV
ULFKWXQJ
:DVVHU
)HXFKWHDEJDEH HLQGULQJXQJ
'LIIXVLRQVEHUHLFKPP
.HUQEHUHLFK
.DSLOODUEHUHLFK ≤70 mm
'UXFNZDVVHUEHUHLFK PP
bezeichnet. Durch die Neureglung in der DIN 1045 (2001–2007) und nach DIN 206-1
werden diese Konstruktionen als „Betonkonstruktion mit hohem Wassereindringwider
stand“ bezeichnet. Baupraktisch üblich verbleibt der Begriff der „Weißen Wanne“ oder
„WU-Konstruktion“.
Die müssen eine Mindestdicke nach der WU-Richtlinie (Deutscher Ausschuss für
Stahlbeton 2017) aufweisen. Werden die flächigen Bauteile wannenartig zusammenge-
fügt und die technologischen Arbeitsfugen wasserdicht ausgebildet (Abb. 16.5), entsteht
eine „Weiße Wanne". Dabei sollten die innenliegenden Außenwände der Wanne mindes-
tens 300 mm über dem vorliegenden Bemessungswasserstand hergestellt werden. Es gibt
grundsätzlich bei der nachträglichen innenliegenden Abdichtung mit WU-Konstruktionen
zwei Varianten:
• Variante 1: Bodenplatte und Wände werden vor Innen- sowie Außenwänden hergestellt
• Variante 2: Bodenplatte und Wände werden vor den Außenwänden hergestellt; die
Innenwände erhalten eine nachträgliche Horizontalsperre im mechanischen Verfahren
(Abb. 16.6)
478 J. Weber und H. Dinse
:DVVHUVWDQGVWLHIH
:HLH 6FKZDU]H
:DQQH :DQQH
GPLQ P
%HWRQPLWKRKHP +RUL]RQWDOVSHUUH %HWRQRGHU0DXHUZHUNPLQGHVWHQV
:DVVHUHLQGULQJZLGHUVWDQG FPEHU+RUL]RQWDOVSHUUHKRFK
PLQGHVWHQVFPEHU KHUVWHOOHQ
+RUL]RQWDOVSHUUHKRFKKHUVWHOOHQ
Abb. 16.4 Unterschied zwischen innenliegender „Weißer Wanne“ und „Schwarzer Wanne“
Die Variante 1 hat den Vorteil, dass sie relativ einfach und vor allem sicher herzustellen ist.
Der Nachteil liegt in der Verringerung des Raumvolumens und den hohen Herstellungs-
kosten (Abb. 16.6 und 16.7).
16 Abdichtungen mit Betonkonstruktionen479
:DVVHUVWDQGV :DVVHUVWDQGV
WLHIH 9DULDQWH 9DULDQWH WLHIH
Die Variante 2 hat den Vorteil (Abb. 16.6), dass durch den Verzicht auf die Betonwände
an den Innenwänden die Raumeinschränkung geringer ist. Der hauptsächliche Nachteil
besteht darin, dass der Anschluss zwischen der nachträglichen Horizontalsperre und der
WU-Bodenplatte baupraktisch kompliziert und damit schadensanfällig ist.
Es werden auch WU-Konstruktionen ohne den Einbau der erforderlichen Stahlbeweh-
rung zur Rissbreitenbeschränkung hergestellt. Bilden sich Risse, so werden diese mit
geeignetem Material verpresst. Diese Konstruktionen sollten mit einem hohen Nachbe-
handlungsaufwand hergestellt werden, um die herstellungsbedingten Risse (z. B. Trenn-
risse) so gering wie möglich zu halten.
480 J. Weber und H. Dinse
PHFKDQLVFKH
+RUL]RQWDOVSHUUH
.0% 6DQLHUSXW]
0'6
P
:8%HWRQFP
P
:8%HWRQFP
• Arbeitsfugenbänder
• Kombi-Arbeitsfugenbänder
• unbeschichtete Fugenbleche (Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis notwendig)
• beschichtete Fugenbleche (Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis notwendig)
• Injektionsschlauchsysteme (Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis notwendig)
• quellfähige Fugenbänder (Allgemeines baufaufsichtliches Prüfzeugnis notwendig)
16.3 Bodenplatten
%RGHQSODWWHDXV%HWRQ
%DXWHLOPLW/DVWEHDQVSUXFKXQJ %DXWHLORKQH/DVWEHDQVSUXFKXQJ
]%*HVFKRVVGHFNH)XQGDPHQW
]%%RGHQSODWWHDOV%HWRQERGHQ
SODWWHDXVVWHLIHQGH)XQGDPHQW
]ZLVFKHQ)XQGDPHQWHQ
SODWWH
6WDWLVFKH%HUHFKQXQJQRWZHQGLJ 6WDWLVFKH%HUHFKQXQJQLFKW]ZLQ
',11RUPHQEHDFKWHQ JHQGQRWZHQGLJ',11RUPHQQXU
LQVRIHUQEHDFKWHQGDVVGLH)XQN
WLRQVWFKWLJNHLWJHZlKUOHLVWHWLVW
Abb. 16.8 Einordnung von Bodenplatten: Die erdberührten Bodenplatten sind in Abhängigkeit
von der statischen Beanspruchung durch Verkehrslasten und den vorherrschenden Randbedingun-
gen im Einzelfall zu bemessen
482 J. Weber und H. Dinse
WU-Konstruktionen ist damit nicht verbunden. Die Platten haben lediglich eine derartige
Dicke aufzuweisen, dass die einzuplanenden Verkehrslasten keine Schäden verursachen
können.
Die Anschlussfugen zu den Innen- und Außenwänden sind ohne besondere konstruk-
tive Ausbildung nicht wasserdicht. Im Allgemeinen und vor allem bei einer Wasserbean-
spruchung von „Bodenfeuchte“ reicht eine fachgerechte Anarbeitung der Platte aus. Tritt
drückendes Wasser auf, führt dies möglicherweise zu einer Pfützenbildung oder zu einer
Überschwemmung des Fußbodens. Wird dies vom Bauherren nicht hingenommen oder
ist eine solche Situation in Folge der Nutzung zwingend auszuschließen, sind die Fugen
wasserdicht an die bestehenden Wände auszubilden und die Mindestbauteildicke gemäß
der WU-Richtlinie ist einzuhalten. Die Herstellung der wasserdichten Fugen kann unter
anderem durch eine Schleierinjektion oder durch den Einbau von Fugenbändern erfol-
gen. Die Abdichtungen sind kostenintensiv und weisen ein hohes Schadensrisiko auf. Eine
Detailplanung ist zwingend erforderlich.
Wenn eine Bodenplatte wasserdicht an ein bestehendes Bauteil angebaut werden soll,
so ist dies durch entsprechende Fugenbänder möglich (Abb. 16.9).
%HZHJXQJVNDPPHU
.OHPPVFKXW]SURILO
$OWEDX :8±.RQVWUXNWLRQRGHU0DXHUZHUN
QXULP(LQ]HOIDOO]XVlW]OLFKH0DQDKPHQ]%9HUIHVWLJXQJ
1HXEDX :8.RQVWUXNWLRQ
Abb. 16.9 Anschlussmöglichkeit zwischen zwei wu-Bauteilen (Hohmann 2011b): Die erdberühr-
ten Bodenplatten sind in Abhängigkeit von der statischen Beanspruchung durch Verkehrslasten und
den vorherrschenden Randbedingungen im Einzelfall zu bemessen
16 Abdichtungen mit Betonkonstruktionen483
Der Planer hat die Fußbodenkonstruktion aus statischer Sicht so zu bemessen, dass
eine sichere Ableitung der statischen Belastungen auf die Fußbodenkonstruktion in den
Baugrund erfolgt. Bei einer wirtschaftliche Planung wird das Bauteil so bemessen, dass
Schäden oder statische Funktionseinschränkungen unterbleiben.
Bei dem Einbau einer Betonplatte als reine Nutzschicht in einem Keller zur Lagerung
von nicht feuchteempfindlichen Gütern und Geräten reicht im Einzelfall eine Betonboden-
platte von ca. 10 bis 15 cm Dicke aus. Die Dicke erhöht sich entsprechend der geplanten
Beanspruchung in der Nutzungsphase und den vorherrschenden Randbedingungen.
Wird eine Betonbodenplatte angeboten oder ist eine solche vereinbart, so sind die Platten-
dicke und die Expositionsklassen in der Ausführungsplanung anzugeben. Ansonsten können
unterschiedliche Auslegungen über die Beschaffenheit der Konstruktion zwischen Bauherr
und den übrigen Baubeteiligten zu erheblichen rechtlichen Auseinandersetzungen führen.
Ist eine Verstärkung der vorhandenen Bodenplatte durch eine zusätzliche WU-Boden-
platte notwendig, muss die zusätzliche Platte durch ihr Gewicht wirken oder ausreichend
bewehrt und schubfest mit der vorhandenen Bodenplatte verbunden sein (Abb. 16.4). Der
kraftschlüssige Verbund kann entweder durch eine Epoxidharz-Haftbrücke oder durch
eine ausreichende Verdübelung erfolgen.
Die thermische Problemstellung ist von der Lage der Bodenplatte abhängig. Befindet
sich die Bodenplatte bzw. Fußbodenkonstruktion außerhalb der thermischen Hülle vom
Gebäude, so sind überwiegend wärmegedämmte Konstruktionen nicht notwendig. Der
Einbau einer Wärmedämmung kann unterbleiben. Ist die Bodenplatte ein Teil der ther-
mischen Hülle, so sind die DIN 4108 und die gültige Energieeinsparverordnung bei der
Planung und Ausführung zu berücksichtigen.
Die feuchtetechnische Problemstellung ist von den Wasserverhältnissen in der Einbau-
höhe abhängig. Grundsätzlich ist mindestens die Wasserbelastung „Bodenfeuchte“ anzu-
nehmen. Liegt sie vor, so reicht es oftmals, wenn eine 15cm dicke Betonbodenplatte, als
WU-Konstruktion ohne Rissbreitenbegrenzung erstellt, eingebaut wird. Bei Sickerwas-
ser sind entweder Abdichtungsmaßnahmen nach DIN 18533 oder eine mindestens 15 cm
dicke Betonbodenplatte in „WU-Betonqualität“ und konstruktiver Bewehrung herzustel-
len. Ist drückendes Wasser als Wasserbelastung anzunehmen, so kann die Abdichtung
wiederum nach DIN 18533 oder mit einer mindestens 25cm dicken Betonbodenplatte aus
Beton mit hohem Wassereindringwiderstand und konstruktiver Bewehrung erfolgen. Die
Bodenplatte ist durch einen Statiker gegen Auftrieb zu bemessen.
In den letzten Jahren wird der Einsatz von textilbewehrten Betonkonstruktionen in der
Abdichtungstechnik überprüft (Brameshuber und Mott 2008). Dabei wird die Stahlbeweh-
rung durch alkaliresistente Textilien ersetzt. Die Materialzusammensetzung des verwendeten
Feinbetons richtet sich nach dem Herstellungsverfahren des Textilbetons und führt zu einer
dichten Struktur. Grundsätzlich kann Textilbeton durch Laminieren, Gießen und Spritzen
484 J. Weber und H. Dinse
hergestellt werden. Alle Verfahren haben Anwendungsgrenzen. Das Laminieren kann nur in
horizontaler Lage erfolgen. Das Gießverfahren kann nur bei nicht zu dichtem Bewehrungs-
aufbau und ausreichender Steifigkeit des Betons angewendet werden. Das Spritzverfahren
erfolgt im Niederdruck und der Beton weist eine höhere Thixotropie und Klebrigkeit auf.
Der Textilbeton hat verschiedene Vorteile gegenüber dem Beton nach DIN 1045, wie
zum Beispiel:
16.5.1 Begriff
Bei der Nachbehandlung handelt es sich um alle Maßnahmen, die notwendig sind, um
den Frischbeton vor schädlichen Einflüssen zu schützen. Insbesondere ist in den ersten
Tagen der Hydratation darauf zu achten, dass ein geringes Frühschwinden eintritt, eine
ausreichende Festigkeit und Dauerhaftigkeit gewährleistet werden kann, sowie schädliche
Witterungseinflüsse den Beton nicht schädigen. Des Weiteren sind schädliche Erschütte-
rungen und ein chemischer Angriff zu vermeiden.
16.5.2 Vorschriften
16.5.3 Anforderungen
Mit der Nachbehandlung ist unverzüglich nach dem Verdichten und nach der Oberflächen-
behandlung des Betons, zu beginnen. Die Nachbehandlungsmaßnahmen sind ununterbro-
chen und ausreichend lange durchzuführen, damit besonders die oberflächennahen Berei-
che des Betons die gewünschten Eigenschaften aufgrund seiner Zusammensetzung auch
tatsächlich erreichen.
Die Nachbehandlung erfolgt, um:
16.5.4 Ausführung
Nachbehandlungsverfahren
Durch geeignete Nachbehandlungsverfahren soll übermäßiges Verdunsten des Wassers
über die Betonoberfläche verhindert werden. Unter Umständen kann auf nachfolgend
beschriebene Nachbehandlungsmaßnahmen verzichtet werden, wenn die natürlichen
Umgebungsbedingungen, z. B. bei feuchtem, regnerischem oder nebligem Wetter, während
der erforderlichen Nachbehandlungsdauer die Verdunstungsrate an der Betonoberfläche
gering halten. Voraussetzung ist allerdings eine relative Luftfeuchte von mindestens 85 %.
Geeignete Nachbehandlungsverfahren sind:
Die dampfdichte Kunststoff-Folie sollte mindestens 0,2 mm dick sein, damit eine Reiß-
festigkeit und Wiederbenutzbarkeit gesichert ist. Die Folien werden auf die feuchte
Betonoberfläche überlappend aufgelegt und an den Stößen befestigt. Bei Sichtbeton
darf die Folie die Oberfläche nicht berühren, damit kein Kondenswasser an die Ober-
fläche gelangt und somit Ausblühungserscheinungen entstehen.
nicht mehr vorhanden ist (Oberfläche mattfeucht) und bei geschalten Flächen sofort
nach dem Ausschalen. Dabei ist zu beachten, dass bei wachshaltigen Nachbehand-
lungsmitteln die Haftfestigkeit von nachträglichen Beschichtungen (z. B. Farbanstrich)
beeinträchtigt wird. Nachbehandlungsmittel müssen daher auf Eignung für den beab-
sichtigten Verwendungszweck geprüft werden.
Andere geeignete Nachbehandlungsverfahren sind möglich.
Die Nachbehandlungsdauer richtet sich ohne genaueren Nachweis der Festigkeit des
Betons, nach der Expositionsklasse, Oberflächentemperatur und Festigkeitsentwicklung
des Betons (Tab. 16.2, 16.3 und 16.4).
• Sofern die Verarbeitungszeit > 5 Stunden beträgt, ist die Nachbehandlungsdauer min-
destens um die Verzögerungsdauer zu verlängern.
• Anstelle der Oberflächentemperatur darf die Lufttemperatur angesetzt werden.
• Zwischenwerte dürfen ermittelt werden.
• Bei Lufttemperaturen < 5 °C ist die Nachbehandlungsdauer um die Zeitdauer der Tem-
peratur > 5 °C zu verlängern.
• Bei Bauteilen, an deren Oberfläche besonders hohe Beanspruchungen gestellt werden,
sollte bei Auftragserteilung die Nachbehandlungsdauer angemessen verlängert verein-
bart werden.
• Tab. 16.4 darf bei Betonbauteilen, welche mit einer Stahlschalung geschalt wurden bzw.
an ungeschalten Oberflächen, angewendet werden, sofern eine übermäßige Abkühlung
des Betons bei der anfänglichen Erhärtung durch entsprechende Maßnahmen verhin-
dert wird.
Für die Nachbehandlungsmaßnahmen aller Betone müssen auf der Baustelle eine schrift-
liche Arbeitsanweisung/Ausführungskontrolle vorliegen (Tab. 16.5).
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16 Abdichtungen mit Betonkonstruktionen491
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Abdichtungen im Innenbereich
17
Jürgen Weber und Uwe Wild
J. Weber (*)
Leipzig, Deutschland
e-mail: [email protected]
U. Wild
Sachverständigenbüro für Baudiagnostik
Brandis, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 493
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_17
494 J. Weber und U. Wild
.HOOHUIXERGHQ
20
NDSLOODUEUHFKHQGH
JUREH6FKWWXQJ
zu beachten, ohne dass alle Forderungen aus der Norm erfüllt werden können. Schließlich
handelt es sich um eine Sanierung von Bestandsgebäuden (Abb. 17.3).
Wenn erhöhte Anforderungen (Raumnutzungsklassen nach DIN 18533) an die Nutzung
der Kellerräume gestellt werden, so werden andere konstruktive Maßnahmen notwendig.
Dann sollten Bodenplatten aus „wu-Beton“ oder die Bodenplatten mit einer Abdichtung
nach DIN 18533 geplant und eingebaut werden. Dabei ist in Planung und Ausführung zu
berücksichtigen, dass Forderungen aus DIN-Normen nicht immer komplett in der Altbau-
sanierung umgesetzt werden können.
Das horizontal gegen den Baugrund abgrenzende Bauteil ist bauphysikalisch mit am
meisten beansprucht. Die Bodenplatte ist den Einflüssen und Erfordernissen des Wärme- und
Feuchtigkeitsschutzes (z. B. Wärmedämmvermögen, Wasserundurchlässigkeit, Diffusions-
verhalten) sowie der statischen Beanspruchung durch die Nutzung der Räume (z. B. Abrieb-
festigkeit, Punkt- Linien- und Verkehrslasten) ausgesetzt. Gleichzeitig sind die Platten so in
ihrer Oberfläche herzustellen, dass keine Unfallrisiken (z. B. Ebenheit) entstehen.
Die örtlichen Gegebenheiten und die beabsichtigte Nutzung sind bei der Planung von
erdberührten Fußbodenkonstrukionen zu beachten. Der erforderliche Schichtenaufbau,
die Bauteilabmessungen und die Konstruktionsdetails werden bestimmt durch
17 Abdichtungen im Innenbereich495
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1 - Mauerwerk
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Injektionsverfahren
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25cm dick
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• Bitumenschweißbahnen
• Bitumenabdichtungsbahnen
• Mineralische Dichtungsschlämmen (MDS)
• Flüssigabdichtungen
• Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtung
• Asphaltmatrix
• Gussasphalt als Sonderfall
Der Gussasphalt ist wasserdicht, hohlraumfrei und wasserdampfdicht. Zudem ist er wur-
zelfest und gegenüber vielen Agenzien widerstandsfähig. Er hat sich in Verbindung mit
• Asphaltmatrix,
• metallkaschierter Bitumen-Schweißbahn,
• Bitumenschweißbahn mit hochliegender Trägereinlage und
• Metallbändern
als abdichtende Bauweise bewährt und kann gegen nicht drückendes Wasser in Nassräu-
men, Deckenflächen und Fußböden eingesetzt werden (Tab. 17.1, Abb. 17.8–Abb. 17.10).
17 Abdichtungen im Innenbereich499
Tab. 17.1 U. a. Einsatzgebiete von Gussasphalt. (Bga, Deutsche Bauindustrie 2001)
Abb. 17.8 Ausführungsbeispiel 1, Abdichtung über Fugen mit Gussasphalt. (Aus Bga, Deutsche
Bauindustrie 2001)
Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass Fliesenbeläge wasserdicht sind und im
häuslichen Badezimmer oder an Balkonen weitere Abdichtungsmaßnahmen nicht erfor-
derlich sind. Erst als im Innenbereich zunehmend feuchteempfindliche Baustoffe, wie
z. B. Gipskarton, Gipsputze usw., eingesetzt wurden und es auch im Außenbereich ver-
mehrt zu Feuchteschäden kam, rückte die Tatsache, dass das Fugennetz im Fliesenbelag
wasserdurchlässig ist, verstärkt in das Bewusstsein von Planern und Bauausführenden
(Abb. 17.11 und 17.12).
500 J. Weber und U. Wild
Abb. 17.9 Ausführungsbeispiel 2, Abdichtung über Fugen mit Gussasphalt. (Aus Bga, Deutsche
Bauindustrie 2001)
Abb. 17.10 Ausführungsbeispiel 3, erdüberdeckte Kellerdecke mit Gussasphalt. (Aus Bga, Deut-
sche Bauindustrie 2001)
17 Abdichtungen im Innenbereich501
1 Grundierung
2 Verbundabdichtung in zwei Arbeitsgängen
3 Dichtbänder
4 Dichtmanschette Wand
5 Dünnbettmörtel
6 Fugenmörtel
7 Elastische Verfugung
8 Dichtmanschette Boden
PD Bodeneinlauf
D Dämmung
E Estrich
F Fliesenbelag
P Putz
U Untergrund/Beton
Tab. 17.2 Abdichtungsstoffe. (Nach ZDB-Merkblatt (2010) und DIN 18534-3, Pkt. 7.2)
Abdichtungsstoff Kurzzeichen
Polymerdispersionen D1 DM2
Rissüberbrückende mineralische Dichtungsschlämmen M1 CM2
Reaktionsharze (bspw. Epoxidharz oder Polyurethanharz) R1 RM2
1
nach ZDB-Merkblatt
2
nach DIN 18534
504 J. Weber und U. Wild
Tab. 17.3 Flüssig zu verarbeitende Abdichtungsstoffe im Verbund mit Fliesen und Plattenbelägen
(AIV)
Nr. 1 2 4 5
Vergangenheit immer mehr durchgesetzt haben. Heute ist die Bauweise mit der flüssig
aufzubringenden Abdichtungsschicht (AIV-F) überwiegend auf der Baustelle vorzufinden
und wird zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik gezählt.
Die derzeit gültige Fassung von der DIN 18534 enthält erstmals auch flüssig zu ver-
arbeitende Abdichtungsstoffe im Verbund mit Fliesen und Platten (AIV). Dabei handelt es
sich um Polymerdispersionen, mineralische Dichtungsschlämmen (MDS) und Reaktions-
harze (Tab. 17.2).
Die aufgeführten Eigenschaften der Abdichtungsstoffe in Tab. 17.3 müssen für den
jeweiligen Anwendungsbereich durch ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis
(abP) unter Berücksichtigung von DIN EN 14 891 (2013-07) nachgewiesen werden. Dies
17 Abdichtungen im Innenbereich505
schließt auch die Stoffe ein, die maßgeblichen Einfluss auf die Funktionstüchtigkeit der
Verbundabdichtung haben (z. B. Fugenbänder, Manschetten, Verlegemörtel).
Seit Oktober 2007 ist in den Mitgliedsstaaten der europäischen Union die ETAG 022
(2007) bindend. Demnach müssen alle flüssig zu verarbeitenden Abdichtungen in unab-
hängigen Materialprüfanstalten im Zusammenspiel mit sämtlichen Systemkomponenten,
bestehend aus Abdichtungsstoff, Dichtband, Manschetten und Dünnbettkleber, geprüft
werden. Die Überprüfung der Abdichtungssysteme erfolgt nach den vom DIBt veröffent-
lichten Prüfgrundsätzen für Abdichtungsstoffe im Verbund mit Fliesen- und Plattenbelä-
gen (PG AIV).
Innerhalb eines Herstellersystems sind die Produkte aufeinander abgestimmt und durch
ein abP nachgewiesen. Eine „Vermischung“ von Produkten verschiedener Hersteller ist
daher nicht zulässig.
Dem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis (abP) sind u. a. folgende Angaben zu
entnehmen:
• Verwendungszweck
• Mindesttrockenschichtdicke
• Produktbezeichnung systemzugehörigen Dünnbettmörtels/Dünnbettklebers
Mit Herausgabe der Normreihe DIN 18 531 bis DIN 18 535 im Jahr 2017 steht die bis-
herige Abdichtungsnorm DIN 18 195 nur noch als „Begriffsnorm“ zur Verfügung.
506 J. Weber und U. Wild
Hinsichtlich der
• Beanspruchung
• Abdichtungsstoffe und
• Untergründe
Die DIN 18534 definiert Wassereinwirkungsklassen von W0-I bis W3-I (Tab. 17.5). Die
zu erwartende Wassereinwirkungsklasse ist in der Planung bereits festzulegen.
Nach der DIN-Norm sind Abdichtungen bei mäßiger Wassereinwirkung (W1-I) auf
Bodenflächen und bei hoher bzw. sehr hoher Wassereinwirkung (W2-I und W3-I) erfor-
derlich. Gleiches gilt bei mäßiger Wassereinwirkung (W1-I), wenn feuchteempfindliche
Untergründe (z. B. Gipskartonbauplatten) vorliegen und/oder Brauchwasser in feuchte-
empfindliche Bauteilschichten eindringen kann.
Auf eine Abdichtung nach Norm kann verzichtet werden, wenn eine geringe Wasserein-
wirkung (W0-I) vorliegt und wasserabweisende Oberflächen vorhanden sind. Außerdem
kann gegebenenfalls auf eine Abdichtung verzichtet werden, wenn eine mäßige Wasser-
einwirkung einzuschätzen ist und feuchteunempfindliche Untergründe vorliegen. Aller-
dings muss trotzdem ein ausreichender Schutz gegen Feuchteschäden bei weglassen der
Abdichtung im Sinne der Norm sicher vorliegen.
Diese Öffnungsklauseln, dass auf eine Abdichtung verzichtet werden kann, sollte nur
bei ausreichender Beratung und aktenkundiger Vereinbarung zwischen den Baubeteiligten
benutzt werden.
erforderlich.
Spezielle Forderungen an die Wand- und Bodenuntergründe werden dann noch in den
verschiedenen Norm-Teilen der jeweiligen Abdichtungsbauweisen aufgerufen.
Je nach Feuchtigkeitsbeanspruchungsklasse sind verschiedene Untergründe im ZDB-
Merkblatt (2010) in Pkt. 3.1 in Tab. 3 und 4 aufgeführt (Tab. 17.6 und 17.7).
510 J. Weber und U. Wild
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17 Abdichtungen im Innenbereich511
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Demnach können bei mäßiger und bei hoher Beanspruchung, also in allen Feuchtig-
keitsbeanspruchungsklassen, folgende Untergründe vorgesehen werden:
• Zementputz der Mörtelgruppe P III CS IV nach DIN V 18 550 und DIN EN 998-1 ohne
Zusatz von Kalkhydrat/Kalkzuschlag mit einer Druckfestigkeit von ≥ 6,0 N/mm2
• Hohlwandplatten aus Leichtbeton nach DIN 18 148, verarbeitet nach DIN 4103 mit
hydraulisch erhärtenden Mörteln
• Zementgebundene mineralische Bauplatten
• Verbundelemente aus expandiertem oder extrudiertem Polystyrol mit Mörtelbeschich-
tung und Gewebearmierung
• Porenbeton-Bauplatten nach DIN 4166, verarbeitet nach DIN 4103
• Zementestriche nach DIN 18 560
• Gussasphaltestriche nach DIN 18 560
17.2.4 Ausführung
Der Untergrund muss tragfähig sowie ausreichend ebenflächig und trocken (belegreif)
sein. Die Ebenheit des Dichtungsträgers muss den Anforderungen an den fertigen Belag
entsprechen, da ein Ausgleich bzw. eine Egalisierung des Untergrundes mit der Verbund-
abdichtung oder mit dem Dünnbettkleber grundsätzlich nicht erfolgen kann. Vielmehr
muss der Dichtungsträger den notwendigen Ausgleich und ein ggf. erforderliches Gefälle
bereits aufweisen.
Bei Fußbodenheizungen muss vor Beginn der Abdichtungs- und Belagsarbeiten ein
Belegreifheizen des Estrichs mit Aufheizprotokoll nach der Schnittstellenkoordination
(Richtlinie 2011-05) erfolgen. Zur Beurteilung der Belegreife ist eine Feuchtigkeitsmes-
sung mit dem CM-Gerät durchzuführen (Tab. 17.8).
Im Außenbereich müssen die Bauteile ein Mindestalter aufweisen, um schädliche Rest-
feuchtegehalte und daraus resultierende Verformungen zu vermeiden. Darüber hinaus sind
Angaben des Abdichtungsherstellers zu beachten.
Die Abdichtungen können in der Regel durch rollen, spachteln oder streichen in mindes-
tens zwei Arbeitsgängen aufgetragen werden. Beim Auftragen der zweiten Schicht muss
die erste Schicht getrocknet sein, d. h., es ist eine Arbeitsunterbrechung notwendig. Der
Auftrag muss fehlstellenfrei und, soweit handwerklich möglich, gleichmäßig dick erfolgen.
Bei Reaktionsharzabdichtungen ist in der Umgebung eine Mindesttemperatur von
10 °C erforderlich. Darüber hinaus muss die Taupunkttemperatur ermittelt werden, da
Tab. 17.8 Zulässiger Feuchtigkeitsgehalt. (nach ZDB-Merkblatt für den Innenbereich (2012))
• Polymerdispersionen 0,5 mm
• Kunststoff-Mörtel-Kombinationen bzw. rissüberbrückende mineralische Dichtungs-
schlämme 2,0 mm
• Reaktionsharze 1,0 mm
Diese Werte gelten, sofern produktspezifisch im abP oder ETA keine größeren Schicht-
dicken angegeben sind.
Durchdringungen sind ausschließlich mit systemzugehörigen Dichtmanschetten und/
oder Dichtflansch auszuführen um Undichtigkeiten zu vermeiden (Abb. 17.22). Bewe-
gungsfugen (z. B. Randfugen im Estrich) sind mit systemzugehörigem Dichtungsband zu
erstellen (Abb. 17.17 und 17.18). Die Systemzugehörigkeit der Fugenbänder, Manschet-
ten und des Dünnbettklebers zum Ansetzen der Fliesen ist zwingend erforderlich, da sich
das allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis oder die ETA stets auf das jeweilige Gesamt-
Abdichtungssystem bezieht (s.auch Pkt. 17.2.1).
Die Verbundabdichtung darf nicht auf die Kunststoff-Schutzhülsen aufgebracht werden,
sondern muss direkt an ein ausreichend langes Rohrstück angebunden werden (Abb. 17.19,
17.20 und 17.21).
17 Abdichtungen im Innenbereich517
Die Verlegung der Fliesen hat möglichst hohlraumfrei mit systemzugehörigem Dünn-
bettkleber gemäß abP oder ETA zu erfolgen. Der zu verwendende Dünnbettkleber mus
nach DIN EN 12004 geprüft sein und ein CE-Zeichen aufweisen.
Aus diesem Grund ist anzuraten, dass bei der Planung derartiger Bauweisen eine inten-
sivere Beratung des Bauherrn erfolgt und umfangreiche Prüfungspflichten vom Bauüber-
wacher wahrgenommen werden. Auf keinem Fall ist bei diesen Abdichtungen von den For-
derungen des jeweiligen allgemein bauaufsichtlichem Prüfzeugnis abzuweichen und eine
unbedingte Systemtreue der vom Hersteller vorgegebenen Abdichtungsstoffe einzuhalten.
Die seit einigen Jahren auf den Markt gekommenen bahnenförmigen Abdichtungsstoffe
(AIV-B), welche an Stelle der flüssig zu verarbeitenden Abdichtungsstoffe im Verbund mit
Bekleidungen und Belägen eingesetzt werden können, bestehen überwiegend aus einer
beidseitig vlieskaschierten Polyethylenfolie. Die Stöße der aufgeklebten Bahnen werden
mit einem systemzugehörigen Fugenband verklebt. Die Bahnen können gleichzeitig eine
Entkopplung vom Untergrund bedeuten.
17 Abdichtungen im Innenbereich519
Ein Vorteil dieser Bauweise ist die sofortige Regenfestigkeit, was eine Verarbeitung
auch bei unsicheren Witterungsverhältnissen ermöglicht. Die Eignung dieser Bahnen ist
für die jeweilige Beanspruchungsklasse bzw. Wassereinwirkungsklasse durch ein allge-
meines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP) nachzuweisen.
Die wirksame Querschnittsdicke der bahnenförmigen Abdichtungsstoffe (AIV-B) ist
teilweise bei den Herstellern nur 0,2 mm dick. Die Gesamtdicke der Bahn ist mit der
Kaschierung gleich/größer 0,5 mm dick. Um Fehlstellen oder eine Perforation der recht
dünnen Folie im Einbau zu vermeiden, dürfte ein sehr vorsichtiger Umgang mit der
Folie Grundvoraussetzung sein. Inwiefern dies baupraktisch sicher umsetzbar ist, bleibt
abzuwarten.
Die im Handel befindlichen plattenförmigen Abdichtungsstoffe (AIV-P) bestehen u. a.
aus
Es ist davon auszugehen, dass in der Plattenfläche keine Fehstellen vorhanden sind. Damit
die Stöße der Platten sicher abgedichtet werden, bedarf es einer hohen handwerklichen
Leistung und einer intensiven Eigen- und Fremdüberwachung auf der Baustelle. Auch
hier ist die Eignung dieser Platten in Bezug auf die jeweilige Beanspruchungsklasse bzw.
Wassereinwirkungsklasse durch ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP)
nachzuweisen.
Die bahnenförmigen und plattenförmigen Abdichtungsstoffe sind im ZDB-Merk-
blatt (2010) nicht geregelt, sodass es sich in Bezug auf das Merkblatt um eine Sonder-
bauweise handelt. Daraus ergeben sich für den Planer und Ausführenden besondere
520 J. Weber und U. Wild
17.2.6 Fazit
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ZDB-Leitfaden. (2012-08) Hinweise für die Planung und Ausfhrung von Abläufen und üRinnen in
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Physikalische Verfahren und
elektrophysikalische Verfahren 18
Jürgen Weber
J. Weber (*)
Leipzig, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 523
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_18
524
Die einfachste Form einen Feuchteeintrag ins Mauerwerk zu verringern, ist die erdbe-
rührte Fläche der Außenwände zu verkleinern. Dies geschieht durch die zumindest teil-
weise Freilegung der Wände mittels eines Grabensystems. In früheren Jahren wurden
Gräben oder Kanäle daher an den Außenseiten der Außenwände angeordnet, um das Ziel
der Trockenhaltung bzw. Austrocknung der Mauerwerkswände durch Luftumspülung und
der daraus resultierenden Verdunstung zu erreichen.
Durch die Thermik wird eine Luftumspülung im oberflächennahen unteren Wandbe-
reich hervorgerufen, welcher die Trockenhaltung der oberen Mauerwerksschichten bewir-
ken kann. Zumindest ist die Angriffsfläche des im Erdreich befindlichen Wassers auf die
freigelegte Außenwand verkleinert.
Ein Lüftungsgraben ist gegenüber einem Lüftungskanal oberseitig offen, wodurch ein
intensiver Luftaustausch im Graben stattfindet. Der Luftaustausch erfolgt mittels Kon-
vektion. Dem Vorteil, dass über die gesamte Querschnittsfläche Luft zirkulieren kann,
steht der Nachteil gegenüber, dass Regenwasser ungehindert ins Mauerwerk eindringen
kann. Selbst wenn durch konstruktive Maßnahmen ein geplanter und schneller Abfluss des
Wassers in der Grabensohle abgesichert ist und ein Putz Regenschutz bildet, so kann ein
negativer Effekt der Verdunstungsbedingungen und der Regenbeaufschlagung der Wand-
flächen nicht verhindert werden. Zudem ist der Wartungsaufwand von den Oberflächen der
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Die Lüftungskanäle vor einer Außenwand sind gegenüber den Gräben oberseitig fast
vollständig abgedeckt. Sie besitzen überwiegend nur relativ kleine Öffnungen. Über diese
Zu- und Abluftöffnungen soll der Luftwechsel abgesichert werden. Allein durch die Lage
zur Hauptwindrichtung, unter Beachtung der Gebäudegeometrie sowie der Beschaffenheit
und Anordnung der Kanalöffnungen, wird die Größenordnung des Luftaustausches im
Kanal wesentlich beeinflusst. Praktisch ist eine Absicherung der theoretisch notwendi-
gen Luftwechselrate im Kanal selten bzw. nur mit großem Aufwand (Lüftungsanlagen)
möglich. Die Gefahr der Erreichung der Sättigungsfeuchte der Kanalluft ist somit immer
gegeben, was im schlimmsten Falle zu einer Befeuchtung der Außenwände führen kann
(Abb. 18.9).
Der Kanal könnte zwar durch den Einsatz einer Zwangslüftung effizienter und weniger
störanfälliger erstellt werden. Jedoch stehen die erheblichen Einbau-, Wartungs- und Ener-
giekosten dem verbreiterten Einsatz der Lüftungskanäle entgegen.
Zu beachten ist auch die Tatsache, dass der theoretische und vor allem der praktische
Wirkungsgrad des Kanalsystems davon abhängig ist, ob durch die erdberührten Kanal-
wände und der Kanalsohle keine Verdunstungen zu erwarten sind. Ähnlich wie bei dem
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren529
Lüftungsgraben ist jedoch der Kontakt vom im Erdreich befindlichen Wasser mit der
unmittelbaren Außenwand unterbunden. Dies ist ein Vorteil und führt im Einzelfall zu
einer verbesserten Feuchtesituation in den Außenwänden und der angrenzenden Keller-
räume (Abb. 18.10).
Das Reduzieren von Feuchte in Mauerwerk durch „strömenden Luft“ in Lüftungsgrä-
ben oder Lüftungskanälen vor oder in Außenwänden wurde erstmals von Motzko 1926
erwähnt (Motzko 1926). Im gleichen Jahr erteilte das Reichspatentamt dem System ein
Deutsches Reichspatent [A]. Die Voraussetzungen für einen signifikanten Erfolg der Aus-
trocknung ist nur schwerlich über einen längeren Zeitraum abzusichern. Es bedarf eines
unvertretbar hohen technischen Bau- und Wartungsaufwandes, der mit dem erzielbaren
Nutzen nicht in Übereinstimmung steht. Das waren die wesentlichen Gründe, warum sich
das System nicht in der Praxis durchsetzte.
Selbstverständlich wird die Feuchtesituation im Mauerwerk durch den Einsatz der
Gräben und Lüftungskanäle im erdberührten Mauerwerksbereich kurz- bzw. mittelfristig
verbessert. Dies ist aber dadurch begründet, dass durch den Graben bzw. Kanal eine Tren-
nung der ansonsten erdberührten Wand zum Erdreich erfolgt. Diese örtliche Gegebenheit
530 J. Weber
Abb. 18.9 a Skizzierter Schnitt von Lüftungskanälen vor oder in der Außenwand, b System „Strö-
mende Luft“ ist untauglich
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren531
erfüllt eine Vertikalabdichtung ebenso, allerdings mit einem weit geringeren Aufwand
(Abb. 18.11).
Als dauerwirksame Trockenlegungsmaßnahme sind die Gräben und Kanäle vor oder in
der Außenwand nicht anzusehen. Sie können maximal eine zeitweise positive Beeinflus-
sung der Feuchtesituation im durchfeuchteten Mauerwerk ausüben.
Nur bei unvertretbar hohem Aufwand können die notwendigen Voraussetzungen für
eine dauerhafte Lösung geschaffen werden. Dies betrifft vor allem eine Absicherung der
ausreichenden Trockenheit der in den Kanälen zirkulierenden Luft und der zielgerichteten
Entfernung der mit Wasserdampf belasteten Luftanteile. Das Risiko der Kondensatbil-
dung an den Wandoberflächen im Kanalsystem ist durch eine bauphysikalisch konstruk-
tive Ausbildung der Kanäle zu minimieren.
Baupraktisch und mit Blick auf die tatsächlich einzuplanenden Kosten und Erfolgs-
aussichten sind zumindest die Lüftungskanäle im Wandbereich bei Sanierungsmaßnah-
men weder zu planen oder auszuführen und schon gar nicht zu sanieren. Bei ungünstigem
Feuchtegehalt der die Kanäle durchströmenden Luft und entsprechender Oberflächen-
temperaturen der Kanalwände ist eine Tauwasserbildung und damit eine Befeuchtung der
Wände kaum vermeidbar. Hinzu kommt, dass durch die zu erwartenden Be- und Ent-
feuchtungsphasen an den Kanalwandoberflächen mit Salzbeaufschlagung und einher-
gehender hygroskopischer Feuchtebelastung zu rechnen ist. Schon aus dieser Sicht sind
diese Belüftungsverfahren als bauphysikalisch äußerst bedenklich einzustufen (Balak und
Pech 2008).
Letztendlich sind Lüftungsgräben nur im Einzelfall und Lüftungskanäle vor den Außen-
wänden bzw. als Hohlkammern im Mauerwerk nicht in die Planung und Ausführung von
Sanierungsleistungen bei Bestandsbauten mit einzubeziehen. Die Erfahrungen der letzten
40 Jahre lassen keine andere Schlussfolgerung zu (Abb. 18.12).
Die Theorie der Entlüftungsverfahren in Bezug auf Gräben und Belüftungskanäle wurde
Anfang des 20. Jahrhunderts in zahlreichen Varianten weiter entwickelt. Grundsätzlich
hat man meist schräg nach oben geneigte Öffnungen in verschiedenen Abständen im zu
entfeuchtenden Mauerwerk hergestellt, in die dann Röhrchen oder Tonzylinder eingelas-
sen wurden. Zum überwiegenden Teil waren die Öffnungs- bzw. Bohrlochabstände auf
ca. 50 cm festgelegt. Man war der Meinung, dass in den Zylindern eine Luftumwälzung
erfolgte, welche zu einer Entfeuchtung des Mauerwerkes führte (Abb. 18.14).
Für eine dieser Belüftungsvarianten erhielt der Belgier Knapen Anfang des vorigen
Jahrhunderts ein Deutsches Reichspatent. Die in dem eingelassenen Zylinder umgebende
Feuchtigkeit im Mauerwerk soll durch die Zylinderwand „aufgesaugt“ und an die Innen-
oberfläche transportiert werden. An der inneren Zylinderwandung sollte das Wasser in die
vorbeiströmende Luft verdunsten und durch die weitere Luftbewegung im Tonrohr nach
Außen befördert werden. Bei dieser Theorie wurde davon ausgegangen, dass trockene
Luft oberhalb des Rohres einströmt und die mit Wasserdampf belastete „schwere“ Luft in
der unteren Hälfte des Rohres wieder abströmt. Damit sollte eine Abtrocknung des Mauer-
werkes erzielt werden (Abb. 18.13).
Eine gewisse positive Anfangswirkung auf die Feuchtesituation war dabei offensicht-
lich erzielt worden, wobei durch „Versinterung“ der Tonrohre der Funktionszeitraum recht
begrenzt war (Wieden 1982). Durch die gewollten Ansaugeffekte des Tonrohres wurde
zwangsläufig auch salzbelastetes Wasser aus dem Mauerwerk an die Innenwandung des
Rohres transportiert, woraus eine Salzanreicherung in diesem Bereich resultiert. Die sich
ausbildenden hygroskopischen Erscheinungen im Rohr führten dann zwangsläufig zu
einer Befeuchtung der Wandbereiche und somit zum Versagen des Verfahrens. Das Ent-
feuchtungssystem hat sich aufgrund der sich tatsächlich einstellenden bauphysikalischen
und bauchemischen Gegebenheiten nicht weiter empfohlen, wobei auch der erhebliche
Eingriff ins Mauerwerk seinen Teil dazu beigetragen hat.
Gewissermaßen als „Weiterentwicklung“ sollte der Austrocknungseffekt auch mittels
ins Mauerwerk eingelassener Röhrchen aus Metall, Plast oder porösen Material erzielt
werden. Die Theorie, dass feuchtebelastete Luft im unteren Rohrquerschnitt absinkt und
trockene Luft von oben in das Röhrchen eindringt, blieb im Wesentlichen unverändert.
Allein durch das physikalisch nicht herleitbare Verhältnis zwischen Querschnitt und Länge
des Röhrchens kann eine Luftumwälzung in dem Röhrchen nicht stattfinden. Die übliche
Vergitterung der Röhrchen an der Außenseite der Wände wirkt sich auf das Missverhältnis
zudem noch negativ aus (Abb. 18.14 und 18.15). Ein messbarer Erfolg hinsichtlich eines
:DVVHUEHZHJXQJ :DVVHUEHZHJXQJ
7KHRULH 3UD[LV
534 J. Weber
Schlussendlich haben sich die Verfahren der Entfeuchtung mittels eingesetzter Zylinder
und Röhrchen nicht bewährt. Die tatsächlich baupraktisch sich einstellenden physikali-
schen Gegebenheiten wichen von der vermuteten Theorie zu sehr ab. Bereits Braun und
Wieden stellten die Wirkungslosigkeit der „Trockenlegungsverfahren“ 1970 bzw. 1982
fest (Braun 1970; Wieden 1982).
Daher ist zu empfehlen, dass bei Vorhandensein von den Entfeuchtungszylindern
und -röhrchen im Mauerwerk, diese grundsätzlich entfernt werden.
Energieeinsparung zu berücksichtigen. Es ist sicher wenig sinnvoll, wenn zum einen eine
Energieeinsparverordnung bei der Planung und Ausführung von Bauvorhaben strikt ein-
zuhalten ist und zum anderen eine „Energieschleuder“ als Bauweise für Trockenlegungs-
maßnahmen herangezogen wird.
Eine Planung von thermischen Verfahren ist mit Blick auf die erforderliche Einhaltung
der Nachhaltigkeit von Baumaßnahmen aus folgenden Gründen abzulehnen:
Die Gliederung der Verfahren bei der Entsalzung und Instandsetzung von versalzenem
Mauerwerk nach Venzmer (1991, 1994 und 2010) zeigt die Bandbreite und Vielfältigkeit
der Entsalzungsverfahren auf (Tab. 18.1).
Es würde den Rahmen des Buches sprengen, sich ernsthaft und allumfassend über das
spezielle Gebiet der Mauerwerksentsalzung zu äußern und zudem den Anspruch der Voll-
ständigkeit zu erheben. Daher wird diesbezüglich nur auf die umfangreiche Fachliteratur
verwiesen.
Dass die nachfolgenden Reduzierungsverfahren trotzdem überschläglich behandelt
werden, ist darin begründet, dass diese stellenweise immer noch im Blickwinkel der Elek-
troosmose und Mauerwerkstrockenlegunglegung betrachtet werden.
18.4.1 Vorbemerkung
Die sogenannte Mauerwerksentsalzung ist eigentlich aus baupraktischer Sicht eine Salz-
reduzierung. Eine Salzentfernung ist nur durch den Abbruch der salzbelasteten Mauer-
werksteile oder des Putzes möglich.
Bei der Entfernung des vorhandenen Putzes handelt es sich um eine Salzreduzierung,
da das Mauerwerk weiterhin salzbelastet bleibt und nur die im Putz befindlichen Salze
entfernt werden. Diese Maßnahme reicht jedoch in den überwiegenden Fällen bereits als
Grundlage für eine weitere fachgerechte Sanierung aus.
Die Salzreduzierung im Mauerwerk ist mit folgenden derzeitig in der Sanierung ange-
wandten Verfahren möglich:
Abgesehen von der Salzentfernung und Salzreduzierung ist auch eine Salzumwandlung
im Bereich der belasteten Mauerwerksoberflächen möglich. Es handelt sich hierbei um
ein chemisches Verfahren, bei welchem die leichtlöslichen Salze Chlorid und Sulfat in
schwer lösliche umgewandelt werden. Diese Verfahren sollten wegen ihrer Umweltbelas-
tung und den eingeschränkten Erfolgsaussichten bei keinem Sanierungskonzept berück-
sichtigt werden.
Die elektrochemischen Verfahren der Salzreduzierung sind durch das Anlegen einer
Gleichspannung an das Mauerwerk gekennzeichnet. Ziel ist es, die im Elektrolyt befindli-
chen Salz-Ionen zu den Elektroden zu transportieren. Dabei sind die oftmals verwendeten
Begriffe der Elektroosmose oder des elektroosmotischen Transportes in Bezug auf die
Verfahren der Salzreduzierung fehlerhaft. Bei der Elektroosmose werden theoretisch nur
in eine Richtung Ionen transportiert.
Bei der elektrochemischen Entsalzung werden frei bewegliche, in eine Hydrathülle ein-
gelagerte Ionen an die jeweiligen Elektroden transportiert. Die Kationen (z. B. Calzium-,
Natrium-, Kalium-Ionen) wandern zur Kathode und die Anionen (z. B. Sulfat-, Chlorid-
ionen) zur Anode. Sulfat-Ionen sind nur teilweise und Nitrat-Ionen nicht mit diesem Ver-
fahren zu entfernen, da sie mit anderen Salzen reagieren (Abb. 18.18).
Derzeit sind nur zwei Typen von Entsalzungsanlagen auf dem Markt. Zum Einen handelt
es sich um das Kerasan-Verfahren und zum Anderen um das ETB-Verfahren, welches eine
Weiterentwicklung aus dem AET-Verfahren darstellen soll (Abb. 18.20).
Das AET-Verfahren wurde 1987 in der damaligen DDR entwickelt und basiert auf dem
Wirkprinzip der Elektromigration. Die Anlage sollte nach ihren Anfangsbuchstaben ein
„aktives Entsalzen und Trocknen“ bewirken.
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren539
6WHXHU
JHUlW
.DWRGH
Voraussetzung für den Einsatz war nach Friese (1988) ein negatives Zeta-Potenzial, ein
ph-Wert >8 und es muss sich um Ziegel, Mörtel und silikatische Natursteine als Baustoff
handeln.
Eine Anode wird gegenüber dem Erdpotenzial mit 20–60 V Gleichspannung gespeist.
Die Opferanode aus Eisen oder platinierten Titanelektroden reagiert mit den Salzen aus
dem Mauerwerk, sodass eine elektrolytische Lösung entsteht und diese in flüssiger Form
an der Anode ausgeschieden und in Behältern aufgefangen wird. Im Umfeld der Anoden
reichern sich zudem hohe Konzentrationen von Salz-Ionen ab.
Die Anlagen mit den Eisenelektroden wiesen bei neutraler Untersuchung zwar eine
Funktionstüchtigkeit im Sinne der Erfindung auf, aber die Nutzungsdauer und der Ent-
feuchtungseffekt war äußerst eingeschränkt. Durch weitere Versuche neutraler Institute
wurde die prinzipielle Funktion der verbesserten Anlagen mit platinierten Titanelektroden
bestätigt Es wird jedoch auch hier der Erfolg der eigentlichen Zielstellung im Sinne von
Abtrocknung und Entsalzung bezweifelt.
Das grundsätzliche Problem der Anlagen war das angedachte System selbst, da die Kor-
rosion der Elektroden für den Entsalzungseffekt notwendig war. Durch die Korrosion der
Opferanode und deren teilweisen Auflösung in kürzester Zeit setzte sich aber die Anlage
infolge des immer mehr reduzierten Kontaktes zum Mauerwerk und des damit ständig
geringeren Stromfluss selber außer Betrieb.
540 J. Weber
Ein erheblicher Wartungsaufwand ist kennzeichnend für die Anlagen, um die Gefahr
der Kontaminierung der Wand- und Bodenbereiche u. a. mit flüssigem Eisenchlorid zu
vermeiden. Bei ungenügender Sorgfalt der Wartungszyklen ist eine weitere Schadstoff-
belastung des Mauerwerks kaum abzuwenden.
Der Einbau der Elektroden im Mauerwerk ist mit einem erheblichen Eingriff in die
Bausubstanz verbunden, welcher zu irreversiblen Schäden und kaum hinnehmbaren opti-
schen Veränderungen führt.
Ein weiterer Nachteil des Verfahrens ist besonders darin zu sehen, dass die Kathode
einer Wasserstoffkorrosion und die Anode einem anodischen Abbau unterliegt. In Abhän-
gigkeit der örtlichen Gegebenheiten, der verwendeten Materialien der Elektroden und der
Spannung kann eine Anlage bereits nach wenigen Monaten durch die Zerstörung der Elek-
troden funktionslos werden.
Ein messbarer und langjähriger Erfolg bei den eingebauten Anlagen stellte sich aller-
dings auch durch eine ständige Weiterentwicklung im Rahmen des Möglichen und weiteren
Abänderung nicht ein. Deshalb wurde das System trotz seiner physikalisch anerkannten
Grundprinzipien aus Gründen der fehlenden baupraktischen Brauchbarkeit vor ca. 25 Jahren
nicht weiter entwickelt und schlussendlich als System ohne Erfolgsaussichten verworfen.
18.4.3 ETB-Verfahren
Wassergehalt: 4,0M- %
Chlorid: 0,1 M- %
Sulfat: 0,8 M- %
Nitrat: 0,15 M- %
Die Anlage sollte auch als alleinige Feuchtigkeitssperre nach einer erfolgreichen Entsal-
zung und Entfeuchtung im Mauerwerk einsetzbar sein. Leider wird aber die dafür nötige
Betriebsspannung zur Aufrechterhaltung des notwendigen elektrischen Feldes aus der
Praxis nicht benannt. In den entsprechenden Patenten sind zulässige Schutzspannungen
von 60 V beschrieben.
Ein erheblicher Nachteil ist der intensive Eingriff in das Mauerwerk, welcher teilweise
wie beim mechanischen Verfahren nach wie vor irreversibel ist. Aus diesem Grund und aus
den erzielbaren Ergebnissen hat sich das Verfahren nicht in der Baupraxis durchgesetzt.
18.4.4 Kerasan-Verfahren
Die in Österreich ab 1989 entwickelte Anlage beruht nach Angaben der Erfinder auf
dem anerkannten Prinzip der elektrokinetischen Verfahren. Durch die üblicherweise ver-
wendeten Anoden der Salzreduzierungsanlagen war allerdings das gleiche Problem der
Materialkorrosion systembedingt anzutreffen, was früher zu einem ständigen Versagen
der Anlagen führte.
Nach Herstellerangaben wurden die Anlagen derart weiter entwickelt, dass seit 1997
das Materialproblem als geklärt eingestuft wird (12. Wiener Sanierungstage, Sanierung
von Feuchteschäden an Bauteilen). Die systembedingten Korrosionserscheinungen an den
Elektroden sowie an den Klemmstellen und die damit in Zusammenhang stehende kurz-
zeitige Brauchbarkeit der Anlage sollen beseitigt worden sein (Abb. 18.21).
Der Vorteil der Anlage sind zwei mögliche Anodetypen für den Einbau, je nach Ziel-
stellung der überwiegenden Entfeuchtung oder der Entsalzung auswählbar. Die Stabanode
ist mit einer semipermeablen Membran als sackähnliche Umhüllung ausgerüstet und dient
hauptsächlich der Verminderung der Salzbelastung im Bestandsmauerwerk.
Die Anlage mit dem Ziel der hauptsächlichen Salzreduzierung von Mauerwerk wird mit
60 V gespeist. Die zu den Elektroden wandernden Salze werden in einem beutelähnlichen
Schlauch, welcher die Anode umhüllt, aufgefangen und gesammelt. Durch den Ausbau
der Anode mit der Umhüllung sind die gespeicherten Salze aus dem Mauerwerk entfern-
bar (Abb. 18.22).
Vor allem der Einbau der Anlage mit dem primären Ziel der Salzreduzierung erfordert
einen erheblichen Eingriff in die Bausubstanz, was zu irreparablen Schadbildern führt.
Dieser Nachteil ist allerdings bei jeder Entsalzungsanlage anzutreffen.
Ein weiterer Nachteil ist die teilweise geringe Wirkung der Salzreduzierung. Die Ursa-
chen sind vielfältig und noch nicht restlos abgeklärt. Eine dieser Ursachen dürfte die
Form und die Einbaurichtung der Elektroden sein. Naturgemäß ist der oberflächennahe
Mauerwerksbereich intensiver mit Salzen belastet als die tieferen Mauerwerksschich-
ten. Insofern müsste im oberflächennahen Bereich die Elektrode flächig angeordnet sein.
Die stabförmig und quer bzw. schräg zur Mauerwerksoberfläche üblicherweise einge-
bauten Elektroden erfassen aber die intensiv salzbelasteten Mauerwerksoberflachen nur
punktuell.
18.4.5 Fazit
Gewisse theoretisch und baupraktische Erfolge bei der Salzreduzierung von Mauerwerk
durch elektrochemische Anlagen sind zu verzeichnen. Bei ausreichend vorhandener Feld-
stärke und der auf das Mauerwerk abgestimmten intervallmäßigen Nachbefeuchtung
können für die Baupraxis akzeptable Ergebnisse erzielt werden, wenn die bekannten
Materialprobleme bei den Elektroden und die daraus resultierende Korrosion beseitigt
worden sind. Insofern können diese Anlagen mit der Zielstellung der Salzreduzierung im
Mauerwerk zum Stand der Technik gezählt werden.
Wie bei den elektroosmotischen Entfeuchtungsanlagen ist allerdings auch bei der
Planung und Ausführung von elektrochemischen Anlagen, die Hinzuziehung eines Son-
derfachmannes zwingend erforderlich. Architekten und Bauingenieure sind üblicherweise
mit ihrem Wissen bei elektrophysikalischen und elektrochemischen Problemstellungen
überfordert. Nur durch eine fachliche Abwägung der Erfolgsaussichten im Einzelfall
sowie fachlicher Begleitung von einem neutralen Sachkundigen auf diesem Gebiet ist das
ansonsten sehr hohe Versagensrisiko der Anlagen überschaubar zu gestalten.
Wird sich letztendlich für den Einsatz der Anlagen ausgesprochen, sind die späteren
relativ hohen einzuplanenden Wartungskosten schon bei der Ausschreibung zu berücksich-
tigen (Weber und Wild 2004). Die Vorteile liegen darin, dass der Anbieter als ausgewiese-
ner Sachkundiger die Anlage im gesamten Wartungszeitraum betreut und dem Bauherrn
von Anfang an die Gesamtkosten für Einbau und Wartung der speziellen Anlage bekannt
sind. Nur dadurch wird abgesichert, dass der kostengünstigste Anbieter im Einbau- u.
Wartungszeitraum gefunden wird, welcher zugleich die Anlage in ihren Vorzügen und
Schwachstellen kennt.
Trotz einiger Erfolge beim Einsatz dieser Anlagen ist der noch notwendige Forschungs-
und Entwicklungsaufwand mit dem Ziel, die Anlagen effizienter zu gestalten, nicht zu
übersehen. Ob sich diese Anlagen mit ihrem Wirkprinzip überhaupt in der Sanierungs-
praxis durchsetzen, bleibt abzuwarten.
Die elektrophysikalischen Verfahren sind über Jahrzehnte mehr praxisorientiert, als durch
wissenschaftlich anerkannte Theorien begründbar, entwickelt worden und untergliedern
sich strikt in zwei völlig unterschiedliche Teilgebiete. Zudem existieren parallel dazu para-
physikalische Verfahren, die sich zwar immer auf die Elektrophysik berufen, aber nur
äußert bedingt mit der wissenschaftlich anerkannten Technik im Zusammenhang gebracht
werden können. Wird diese strikt notwendige Trennung nicht vorgenommen, riskiert man
die gesamten eventuell möglichen Varianten der Mauerwerksentfeuchtung global als
unwirksam zu verwerfen.
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren545
Grundsätzlich hat die grobe Unterteilung aus dem wissenschaftlichen Anspruch und
den neutral belegbaren baupraktischen Erfahrungen in
4. Anlagen zur Ausstrahlung in der Physik anerkannter Wellen, wo jedoch die Wirkprin-
zipien theoretisch (noch) nicht nachgewiesen bzw. allgemeingültig bestätigt sind und
5. Anlagen und Geräte die von der Lehrmeinung der Physik nicht anerkannte imaginäre
Wellen, Erdstrahlen und Wirbel zur Entfeuchtung benutzen bzw. ausnutzen
Dass die Anlagetypen mit dem bekannten Wirkprinzip der Elektroosmose wissenschaft-
lich anerkannt sind, sagt noch nichts über die tatsächliche Wirksamkeit bzw. Einsetzbar-
keit im Rahmen der Mauerwerksentfeuchtung im Bauwesen aus. Sie haben aber zumin-
dest den Vorteil auf der Grundlage von Naturgesetzen erklärbar zu sein. Eine theoretische
Auseinandersetzung und praktische Bearbeitung anstehenden Probleme auf der Basis wis-
senschaftlicher Terminologie ist dadurch möglich (Weber 2001).
In Deutschland ist eine Norm für die Instandsetzung von Bestandsmauerwerk nicht vor-
handen und ist auch in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Zumindest denkt der DIN-
Ausschuss über die Erarbeitung einer DIN 18536 „Abdichtungen im Bestand“ nach. Die
DIN-Normen des Bauwesens beschränken sich bisher im Wesentlichen auf den Bereich
des Neubaues. Daher ist in der seit 2017 gültigen Abdichtungsnorm DIN 18533 weder die
elektroosmotischen noch andere elektrophysikalische Entfeuchtungsverfahren genannt.
Bestrebungen der DIN-Ausschüsse und der WTA die nach dem wissenschaftlich
anerkannten Prinzip der Elektroosmose arbeitenden elektrophysikalischen Anlagen mit
in den „normierten“ Bereich zu überführen, sind nicht einmal ansatzweise in Deutschland
vorhanden.
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren547
Die Elektroosmose als physikalisches Problem ist bereits sehr lange bekannt. Entdeckt
wurde sie von F. F. Reuss im Jahr 1807 (Reuss 1809) ohne eine allgemeingültig aus-
reichende Erklärung vorzuweisen. In den späteren Jahren haben sich bekannte Wissen-
schaftler wie Perrin (1904), Helmholtz (1879) und Hittorf (1856) u. a. mit der Theorie
des Effektes beschäftigt und den Wissensstand über das Phänomen erheblich ausgebaut.
Die Elektroosmose ist praktisch bis ca. 1935 nur in der Trommelmaschine nach Graf
Schwerin zur Entwässerung von Torf und zur Wasserreinigung angewendet worden.
Später hat man sie dann zur Bodenverfestigung und Bodenbehandlung eingesetzt (Kopp
1965), um dem Boden das Wasser zu entziehen und eine Verfestigung zu erreichen oder
chemische Substanzen in den Boden einzubringen.
Eine naheliegende Anwendungsvariante zur Ausnutzung des elektroosmotischen
Effekts stellt die auf diesem Prinzip beruhende Mauerwerksentfeuchtung dar. Die Ent-
feuchtungsmethode ist im Bauwesen vor 1931 unbekannt und wird auch nicht in der Fach-
literatur erwähnt. Hingegen wird sie zur Entwässerung von Torf nach dem Patent von Graf
B. Schwerin in dieser Zeit eingesetzt (Pausnitz 1931).
Das wohl erste Patent für eine solche Anlage erhielt 1940 Paul Ernst in der Schweiz,
welches dann auch in Deutschland 1941 [A] bestätigt wurde. Das Patent beinhaltet, dass
das gegen das Erdreich negativ elektrische Potenzial des Mauerwerkes durch elektrische
Leiter erfasst und durch Erdung ausgeglichen wird. Es ist in diesem Patent erweiternd
berücksichtigt, dass an die Leiter und die unter diesen bestehende Verbindungsleiter eine
Spannung angelegt wird, sodass eine positive Potenzialdifferenz zwischen Mauerwerk
und Erdreich entsteht (Oberneder 1967). Insofern war hier sowohl die passive wie auch
die aktive Elektroosmose zum ersten Mal erfasst und beschrieben (Abb. 18.24).
Der Grundgedanke der Ausnutzung elektroosmotischer Wirkprinzipien in der Entfeuch-
tungstechnik wurde später im sächsischen Raum Anfang bis Mitte der 60iger Jahre weiter
Bestätigung des theoretisch Erfüllbaren sowie die Langzeiterfahrung mit den Elektroden
für eine endgültige Bewertung abgewartet werden muss (Abb. 18.26).
Unabhängig des Problems der Elektrodenkorrosion waren auch die Übergangswider-
stände zwischen Elektrode und Mauerwerk damals noch nicht abgeklärt. In den frühen
80iger Jahren wurde daher versucht, die Leitfähigkeit der Mörtel um die Elektroden durch
die Beimengung von Salzzusätzen zu verbessern, was auch zu Auslegungsschriften im
Deutschen Patentamt führte (V). Experimente erfolgten auch durch die Beibehaltung von
möglichst geringen Übergangswiderständen zwischen den Elektroden und dem Mörtel,
welche jedoch keine befriedigenden Ergebnisse brachten.
Ungeachtet der Materialprobleme und Übergangswiderstände handelt es sich bei den
passiven und aktiven Anlagen um ein elektrophysikalisches Wirkprinzip, dass auf natur-
wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Dadurch war eine ständige Weiterentwicklung
aus wissenschaftlicher Sicht möglich, was allerdings bisher selten von neutralen Laboren
und Universitäten ausgenutzt wurde.
In den Jahren 1980–1982 hat man einzelne Laboruntersuchungen in Wien mit dem
Ergebnis durchgeführt, dass die passiven Verfahren gegenüber den aktiven Verfahren
höhere Wirkungsgrade erzielten und Korrosion an den Elektroden von passiven Anlagen
zu vernachlässigen ist (Wieden 1982). Diese konträre Aussage zu den Erfahrungen in der
Praxis ist nur dahingehend zu verstehen, dass es sich um „künstliche Laborbedingungen“
und um relativ kurzzeitige Versuche handelte. Insoweit war eine Verallgemeinerung der
Erkenntnisse auf Praxisbedingungen sicher auch aus damaliger Sicht nicht erlaubt.
Gleichzeitig wurde bei den „Wiener Versuchen“ bestätigt, dass bei der Verwendung von
aktiven Verfahren mit einer Betriebsspannung von nur 8 V bereits nach wenigen Monaten
erhebliche Korrosionserscheinungen an den Elektroden festzustellen waren. Interessan-
terweise sind die Versuche mit nicht salzbelasteten Leitungswasser durchgeführt worden,
wodurch die bei Bestandsbauten elektrophysikalischen Bedingungen von üblicherweise
salzbelastetem Mauerwerk, mit den entsprechenden Effekten, überhaupt nicht in die Ver-
suchsreihe einging.
Vor 30 Jahren war der wissenschaftliche und baupraktische Kenntnisstand hinsichtlich
der Einsatzmöglichkeiten und der Funktionssicherheit bei den passiven und aktiven Ver-
fahren der, dass keine der Anlagen als Stand der Technik einzustufen war oder zur allge-
meinen Anwendung empfohlen werden konnte. Ein Versuch in dieser Zeit mit 5 aktiven,
im Handel angepriesenen Anlagen führte zu dem Ergebnis, dass keine der Anlagen für den
universellen Einsatz geeignet erschien (Arendt und Seele 2001).
Im Jahr 1980 versuchte (Tenge 1980) mittels konkret bekannter mathematischer sowie
naturwissenschaftlicher Sachverhalte sowie der bis dahin bekannten Praxiserfahrungen,
die allgemeine Unsicherheit über den Stand der Technik bei den elektrophysikalischen
Trockenlegungsverfahren zu beseitigen. Aufgrund bekannter Gesetzmäßigkeiten ver-
suchte er die wirkenden Kräfte in den Kapillaren, im Zusammenhang mit den notwendi-
gen Kräften, um überhaupt eine Transportumkehr von Kapillarwasser im Mauerwerk zu
erreichen, gegenüber zu stellen. Er kommt zu der Beurteilung:
(
σ =∆ W ∆ A in N m2 = N m )
Größe Die Oberflächenspannung des Wassers ist temperaturabhängig und beträgt bei
20 °C σ = 0,0726 N/m.
Die Dichte des Wassers ρw ist abhängig von der Temperatur, vom Druck und von den
darin gelösten Stoffen. Seine größte Dichte hat Wasser bei 4 °C mit 1000 kg/m³.
Wasser steigt in Kapillaren umso langsamer, aber auch umso höher, je enger die Kapil-
laren sind. Für die kapillare theoretische Steighöhe von Wasser für eine zylindrische
Kapillare als Modell gilt (ohne Verdunstung) die allgemeine Formel:
h = Steighöhe in m
σ = Oberflächenspannung des Wassers
θ = Benetzungswinkel
ρw = Dichte des Wassers in kg/m³
g = Erdbeschleunigung in 9,81 m/s²
r = Porenradius in m
γ = Neigungswinkel der Kapillare
554 J. Weber
FK
θ
x G
hmax
R γ
r
FK − G − R = 0
Bei einer komplett benetzbaren Porenwandung im vertikalen Zustand ergibt sich bei
einem Porenradius r von μm = 10−6 nachfolgende Gleichung (Liersch und Langer 2015):
Näherungsweise kann die maximale Steighöhe von Wasser nach der Formel berechnet
werden:
Die kapillare Wasseraufnahme wird durch die maximale Steighöhe und durch die Saugge-
schwindigkeit beschrieben. Die Sauggeschwindigkeit von Wasser in einer Kapillare ist zu
Beginn relativ groß, wird zunehmend immer geringer. Bei Erreichen der maximalen Steig-
höhe tendiert die Geschwindigkeit gegen Null. Für die theoretische Steiggeschwindigkeit
von Wasser in einer Kapillare (unbeeinflusst) gilt allgemein (Tenge 1980):
V0 = (r ⋅ ρw ⋅ cos θ) / (4 ⋅ η ⋅ h) [ m / s ]
V0 = Anfangsgeschwindigkeit in m/s
r = Porenradius in m
ρw = Dichte des Wassers in kg/m³
θ = Benetzungswinkel
η = Viskosität der Flüssigkeit
h = Steighöhe
Mit abnehmenden Radius der zu betrachtenden Kapillare nimmt die Steighöhe in porösen
Baustoffen zu. Damit ist die kapillare Steighöhe des Wassers wesentlich abhängig vom
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren555
ș
ȡZ
Durchmesser der Kapillare in Abhängigkeit von der Zeit. Weitere Einflüsse, wie die
Benetzbarkeit der Kapillaren und der Temperatur im Baustoff, sind zu beachten.
Im Jahr 1805 wurde durch Thomas Young die Gleichung zur Berechnung des Kontakt-
oder Benetzungswinkels wie folgt aufgestellt (Harten 2014):
Der Kontaktwinkel nach der Youngsche Gleichung kann allerdings nur für glatte und
ebene Oberflächen gelten, da die topografischen Eigenschaften (Oberflächenrauheit der
Feststoffe) nicht berücksichtigt sind. In dem als Wenzel- oder Cassie-Baxter-Winkel
benannten Kontaktwinkel sind weitere Einflüsse berücksichtigt.
Die kapillaren Effekte der Benetzung sind materialabhängig. Die Benetzbarkeit eines
Stoffes mit Wasser wird durch den sich ausbildenden Benetzungswinkel bei Kontakt
zwischen den Stoffen beschrieben. Der Kontakt- bzw. Benetzungswinkel θ als Maß der
Benetzbarkeit ergibt sich aus:
556 J. Weber
>ƵŌ
tĂƐƐĞƌ
<ĂƉŝůůĂƌǁĂŶĚǀŽŶ
ƉŽƌƂƐĞŶĂƵƐƚŽī
Bei einem Kontaktwinkel von 0° ist eine vollständige Benetzbarkeit vorhanden. Bei einem
Randwinkel zwischen 0° und 90° ist eine unvollständige Benetzung auszugehen. Beträgt
der Randwinkel über 90° ist keine Benetzbarkeit möglich.
Bei Kapillaren von Mauerwerk kann davon ausgegangen werden, dass der Kontakt-
winkel θ bei Wasser überwiegend zwischen 10° bis 50° auftritt und somit eine Benetz-
barkeit zwischen beiden Materialien erfolgt. Hingegen ist u. a. eine Benetzbarkeit zwi-
schen Wasser mit Silikon nicht möglich, da sich der Kontaktwinkel > 90° ausbildet. Diese
Erscheinung der Kontaktwinkelausbildung > 90° wird bei den Injektionsverfahren mit
hydrophobierenden Injektionsmitteln ausgenutzt.
Die kapillaren Verhältnisse, die Benetzungsmöglichkeiten und die übrigen Randbedin-
gungen sind somit bei der Beurteilung von Feuchteschäden und der Beseitigung ihrer
Ursachen wichtig. Dabei sind noch bei weitem nicht alle Phänomene ausreichend wissen-
schaftlich untersucht und bekannt.
Kapillarwand
– + + –
*OHLFKVWURPTXHOOH
– + + –
– + + –
– + + – HOHNWUR
– + + –
RVPRWLVFKH
6WHLJK|KH
– + + –
– + + –
– + + –
5LFKWXQJ:DVVHU
WUDQVSRUW
x x
a b IHLQN|UQLJH0DWHULDOLHQ
Abb. 18.27 a Skizze der Elektroosmose. b Skizze vom Prinzip der Elektroosmose. (Cziesielski
2006)
+ Anode – Katode
Baupraktisch kann das elektroosmotische Wirkprinzip wie folgt erklärt werden (Cziesiel-
ski 2006):
Eine feinkörnige Materialprobe wird zusammen mit Wasser in ein U-förmiges geboge-
nes Glasrohr gebracht. So kann die Materialprobe als ein wassergefülltes Kapillarsystem
angesehen werden. Wird dann eine Gleichspannung angelegt, so findet ein Wassertrans-
port in Richtung des Potenzialgefälles statt. Dies zeigt sich im Ansteigen des Wassers an
dem Röhrenende, wo sich die Kathode befindet (Abb. 18.27b).
Alle übrigen Erscheinungen wirken mit der Elektroosmose in unterschiedlicher Inten-
sität gleichzeitig, sodass nie von einer Einzelwirkung der Osmose ausgegangen werden
kann.
558 J. Weber
– + + –
– + + –
– + + –
– + + –
– + + –
– + + –
– + + –
– + + –
x x
– + + + –
– + + + –
+
– + + –
– + + + –
– + + + –
– + + + –
x x
a = starre Helmholtzschicht
a b b a b = difusse Schicht
560 J. Weber
In dem Jahr 1807 sollen die Arbeiten über das Phänomen „Elektroosmose“ von Prof. Fre-
derik F. Reuß entstanden und im Jahr 1809 in Moskau veröffentlicht worden sein. Darin
wird beschrieben, dass durch das Anlegen einer elektrischen Gleichspannung Wasser in
porösen Baustoffen von der Pluspol (Anode) zum Minuspol (Pol mit Elektrodenüber-
schuss) transportiert wird.
Untersuchungen (Tenge 1980) ergaben, dass diese Transportrichtung prinzipiell nur
über einen längeren Zeitraum funktionierten, wenn:
Unter inert wird chemisch verstanden, dass die Elektroden, die mit potenziellen Reak-
tionspartnern in Verbindung stehen, nicht oder nur in in äußerst geringen Maße reagieren.
Zumindest bis ca. 1995 waren keine Elektroden bekannt, die nicht korrodierten. Aus
heutiger Literatur und vor allem aus Aussagen von Herstellern elektokinetischer Entfeuch-
tungsanlagen ist zu entnehmen, dass dieses Problem beseitigt ist und Elektroden mit den
notwendigen Eigenschaften herstellbar sind.
An den Grenzschichten zwischen zwei Stoffen mit unterschiedlichen dielektrischen
Eigenschaften tritt nach der Ceohnischen Regel eine Ladungstrennung auf. Es entsteht
ein Potenzialsprung. Der Stoff mit der kleineren Dielektrizitätskonstante (größere Isolier-
eigenschaften) nimmt eine negative Ladung an, der Stoff (welcher also leitfähiger ist) mit
der größeren Dielektrizitätskonstante (ε) nimmt hingegen eine positive Ladung an. Dies
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren561
wirkt sich in Kapillaren, die mit Wasser gefüllt sind, so aus, dass sich ein Potenzial ent-
wickelt. Man nennt es das Zeta-Potenzial (ξ).
Eine mit Wasser gefüllte Kapillare hat nach dem Modell (Wittmann 1977) eine Aus-
bildung der Ladungstrennung in der Grenzschicht nach der Skizze A:
Der positive Ladungsträger sammelt sich nach dem Modell von Wittmann (1977) in
der Nähe der Kapillarwand. In der Mitte der mit Wasser gefüllten Kapillare nimmt die
Ladungsdichte ab und das Potenzial kann sogar einen negativen Wert annehmen.
Nach Coehn existiert in einer Kapillare ein natürliches Potenzial (ξ). Wird nun eine Gleich-
spannung an die mit Wasser gefüllte Kapillare angelegt, so bewegen sich theoretisch die
positiven Ladungsträger des Wassers zur Katode. Dabei werden die Wassermoleküle, die
sich durch ihre Dipol-Eigenschaften an der Kapillarwand angelagert haben, mitgerissen.
Wenn alle Randbedingungen erfüllt sind, so entsteht an den Wandungen der Kapillare ein
Potenzialgefälle. Dabei muss die Gleichspannung kleiner als die Zersetzungsgrenzspan-
nung sein, d. h. die Gleichspannung muss < 1,229 V betragen.
Wenn die Kapillarwand infolge der Ladungstrennung negativ geladen ist, so muss das
Wasser in der Kapillare überwiegend eine positive Ladung aufweisen. Die unmittelbaren
Zusammenhänge der Ladungstrennung sind noch nicht restlos abgeklärt.
Zumindest ist voraus zu setzen, dass ein Zusammenhang zwischen
562 J. Weber
besteht. Die Oberflächenspannung des Wassers und die damit verbundene Fähigkeit die
Kapillarwand zu benetzen und den Kapillareffekt zu ermöglichen wird u. a. von nach-
folgenden verursacht:
Man kann davon ausgehen, dass mit der Verringerung des Radius der Kapillare, der Ein-
fluss der elektrischen Ladung auf das Wasser sich erhöht und umso stärker sich die Ober-
flächenspannung auf die Steigungshöhe des Wassers in der Kapillare auswirkt.
Es ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass für einen Wassertransport in einer
Kapillare eine Kraft erforderlich ist.
Der Versuch, die elektrokinetischen Effekte allgemeingültig in einer mit Kapillarwasser
beaufschlagten Mauerwerkswand zu beschreiben ist bis heute nicht gelungen. Beispiels-
weise ist bekannt, dass der Salzgehalt des Mauerwerkes für die elektrokinetischen Vor-
gänge im Mauerwerk von entscheidender Bedeutung ist. Wie sich der Salzgehalt in Bezug
auf Salzart und Salzkonzentration letztendlich tatsächlich auswirkt, muss noch weiter
erforscht werden, um allgemein baupraktische Lösungsansätze zur Mauerwerksentfeuch-
tung festlegen zu können.
Wenn Wasser in den Kapillaren aufsteigt und verdunstet sowie nach Coehn in der Regel
positiv geladen ist, so hinterlässt es in den Kapillarwänden eine negative Ladung. Diese
Ladung soll überwiegend 100 bis 300 mV betragen (Tenge 1980).
Die im Mauerwerk sich einstellende Strömungspotenziale werden überlagert von Eigen-
potenziale eines Mauerwerkes, das sich ergibt, weil das Fundament oder Teilbereiche der
Mauer sich im Erdreich befinden. Die Auswirkungen und Überlagerungen der einzelnen
Potenziale sind immer im Einzelfall und nur auf die dort bestehenden Randbedingungen
bezogen. Eine Verallgemeinerung ist nicht möglich.
Das grundlegende Wirkprinzip der passiven elektroosmotischen Anlagen ist, dass zwei
Elektroden ohne eine Fremdspannung ins Mauerwerk eingesetzt werden, die das vorhan-
dene Potenzial im Mauerwerk „kurzschließen“ sollen. Die Potenziale können gemessen
werden und liegen bei etwa 100–500mV. Das elektrische Potenzial entsteht, wenn Wasser
durch einen porösen Festkörper wie das Mauerwerk bzw. dessen Kapillaren strömt. Durch
den Kurzschluss soll erreicht werden, dass in dem zwischen den beiden Ebenen der Elek-
troden liegende Mauerwerkskörper keine Potenzialdifferenzen aufweist und damit auch
keine Wassertransporte mehr stattfinden.
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren563
REHUH6SHUUHEHQH(OHNWURGH (OHNWURGH
.XU]VFKOXOHLWXQJ .XU]VFKOXOHLWXQJ
XQWHUH6SHUUHEHQH(OHNWURGH (UGHU
.XU]VFKOXOHLWXQJ
PLW,VROLHUVFKODXFK
(OHNWURGHDXV
$OXPLQLXP
Der Hauptgrund des Versagens der theoretisch machbar erscheinenden Variante der
Bauwerkstrockenlegung ist vor allem im baupraktischen Bereich angesiedelt. Infolge der
sich aufbauenden elektrochemischen Potenziale zwischen den aus Metall hergestellten
Elektroden und dem feuchten, mit Salz belasteten Mauerwerk bildet sich ein galvani-
sches Element. Durch die elektrogalvanischen Einflüsse im Mauerwerk werden dann die
Oberflächen der teilweise blanken Metalldrähte zeitnah angegriffen. Das Ergebnis ist eine
geminderte Leitfähigkeit, die zu Funktionseinschränkungen der Anlage führt, ehe durch
die elektrogalvanischen Prozesse die Elektroden vollständig zerstört werden.
In einzelnen Schriften wird davon ausgegangen, dass die vorhandenen Potenziale im
Mauerwerk nicht für den kapillaren Wasseranstieg Ursache, sondern Auswirkung ist. Es
soll sich hierbei nur um eine verdrehte geschäftsfördernde Auslegung zwischen Ursache
und Wirkung bei den passiven Verfahren handeln (Arendt und Seele 2001). Diese Dar-
stellung wird durch Untersuchungen in Österreich, der damaligen DDR und in Tschechien
teilweise gedeckt. Dass der Wassertransport durch die im feuchten Mauerwerk befindli-
chen Potenziale gefördert wird, kann allerdings als gegeben eingestuft werden.
Fazit
Schlussendlich sind die Anlagen und Konstruktionen der Mauerwerksentfeuchtung auf
der Grundlage der passiven Elektroosmose nicht zum Stand der Bautechnik zu zählen, da
die Funktionstüchtigkeit nur kurzzeitig und ohne signifikante Wirkung festzustellen ist.
Eine Berücksichtigung dieses Verfahrens in der Planung und Ausführung bei Bauwerks-
instandsetzungen muss aus ingenieurtechnischer Sicht unterbleiben. Es sind auch keine
Untersuchungen auf diesem Gebiet bekannt, die in absehbarer Zeit zu neuen elektrophysi-
kalischen Erkenntnissen führen werden und eine andere Einschätzung zulassen.
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren567
Abb. 18.39 a–d Beispiele der Elektrodenverlegung im Mauerwerk bei der aktiven Elektroosmose
und die gewollte Wasserbewegung (Elkinet-Systeme)
Feldstärken von 10–12 V/m verwendet. Neuere Untersuchungen sollen belegen, dass
selbst bei 100 V/m der Kapillardruck nicht „neutralisiert“ werden kann. Beide Autoren
schließen daraus, dass die elektrophysikalischen Verfahren nicht mehr zu den nachträg-
lichen Horizontalsperren zu zählen sind (Balak und Pech 2008). Daraus folgt, dass die
teilweise mit sehr geringer Spannung und großen Elektrodenabständen arbeitenden elek-
troosmotischen Anlagen nicht signifikante Ergebnisse erzielen können (Venzmer 2003).
Damit der notwendige Stromfluss und eine Ladungstrennung im Mauerwerk erreicht
wird ist fast grundsätzlich eine Spannung von weit über 1,229 V anzusetzen. Eine sich
einstellende Elektrolyse im Mauerwerk ist dann nicht mehr auszuschließen, wobei die
baupraktischen Auswirkungen auf die Abdichtung bzw. Entfeuchtung noch zu untersu-
chen sind (Balak und Pech 2008).
Bei einer Einhaltung der für den jeweiligen Baustoff erforderlichen Mindestfeldstärke
und ausreichendem Stromfluss sowie einem ausreichenden Durchfeuchtungsgrad, der
nach jetziger Erkenntnis nicht unter 40 % liegt, scheint eine Abtrocknung von Mauerwerk
auf elektroosmotischen Wirkprinzipien zumindest in Grenzen möglich. Allerdings sind
die notwendigen Randbedingungen und grundsätzlich vorhandenen Einflussfaktoren in
der Praxis auf die elektroosmotischen Effekte noch nicht ausreichend bekannt. Die vorlie-
genden Ergebnisse aus Versuchen unter Laborbedingungen können zweifelsfrei nicht auf
die Praxis unverändert übertragen werden.
Der bekannte Nachteil der auf der Basis der Elektroosmose aufbauenden Anlagen ist,
dass zumeist durch die teilweise hohen Spannungen Salzwanderungen im Mauerwerk mit
oder alleinig stattfinden. Zudem verbleibt nach theoretischen Untersuchungen (Venzmer
2003) ein Durchfeuchtungsgrad von ca. 40 %, da durch den Austrocknungseffekt zur
Überwindung des elektrischen Widerstandes sehr hohe Spannungen notwendig werden
und vermutlich bei ca. 35 % des DFG eine Wasserbewegung zur Kathode endet. Eine
weitere Absenkung der Feuchte bis in den Bereich der Sorptionsfeuchte erscheint mittels
der Elektroosmose nicht möglich.
Problematisch bei dem Verfahren ist zudem das Verhalten der im Bestandsmauerwerk
befindlichen Salze. Bei der Anlegung einer Spannung werden zuerst die im Medium gelös-
ten Salze transportiert, ehe der gewollte merkliche Wassertransport zur Kathode eintritt.
Bei anderen Anlagen, an denen die am Mauerwerk angelegten Spannungen um die 20 V
betragen, kann ein Wassertransport im Sinne der Elektroosmose nicht erreicht werden.
Das Ziel dieser Entfeuchtungsanlagen ist eine positive Veränderung des Potenzials im
Mauerwerk, womit der kapillar aufsteigende Wassertransport unterbunden werden soll.
Die oberen Mauerwerksschichten können dann nach der Theorie bis zu einem Durch-
feuchtungsgrad von 20 % austrocknen. Eine wissenschaftlich sichere Beweisführung und
eine allgemeingültige Theorie zu diesem vermuteten Wirkprinzip ist noch nicht vorhanden.
Lediglich im Ergebnis eines Forschungsvorhabens (Balak 1996; Balak und Venzmer
2001) wurde bestätigt, dass elektrophysikalische Verfahren kapillare Wassertransporte
reduzieren bzw. unterbinden können. Hingegen wird die Theorie der Bewegung von
Kapillarwasser zur Kathode baupraktisch ausgeschlossen. Sollte sich diese Erkenntnis
durch die Praxis und weiterer notwendiger Laborversuche bestätigen, wäre dies ein erfolg-
versprechender Weg.
570 J. Weber
In Österreich wurde ab ca. 1986 eine „Kerasan-Anlage“ entwickelt. Sie beruhte eben-
falls auf dem anerkannten Prinzip der elektrokinetischen Verfahren und hatte damit auch
systembedingt die gleichen Probleme der Materialkorrosion an der Anode. Die Material-
probleme sollen nach Herstellerangaben seit 1997 gelöst sein.
Die jetzigen „Kerasan-Anlagen“ zur Mauerwerksentfeuchtung werden mit einer
Betriebsspannung von ca. 5 bis 15 V Gleichstrom betrieben. Das Ziel der Entfeuchtungs-
anlage ist nach Aussage der Entwickler, durch eine angelegte geringe Fremdspannung
die Kapillarkräfte bezüglich aufsteigender Feuchtigkeit im Mauerwerk mittels Potenzial-
veränderungen zu neutralisieren. Damit soll ein weiterer Wassertransport im Mauerwerk
verhindert werden und es kann eine Austrocknung der Wände über Diffusion erfolgen.
Das genannte Wirkprinzip ist bei strenger Auslegung der Definition nicht die klassische
Elektroosmose mit einem gezielten Wassertransport zur Kathode, obwohl eine Fremd-
spannung angelegt wird. Insofern ist die geringe Betriebsspannung von 5–15 V der sonst
notwendigen höheren Spannungen bei elektroosmotischen Anlagen für die Funktions-
tüchtigkeit ausreichend. Die tatsächlich sich abspielenden elektrophysikalischen Prozesse
in den Kapillaren bei der niedrigen Betriebsspannung sind laut Hersteller noch weitest-
gehend unbekannt (Abb. 18.40).
Die Anlage ist bezüglich der notwendigen Spannung und des Stromflusses in der gesam-
ten Betriebsphase auf Grundlage der örtlich vorzufindenden Gegebenheiten veränderlich
einzustellen. Der Stromfluss wird geringer, je höher der Widerstand im Mauerwerk durch
Austrocknung sich einstellt. Dieser Zusammenhang wird gleichzeitig zur Bestätigung des
Austrocknungseffektes und der Funktionstüchtigkeit der Anlage herangezogen.
Allerdings ist die Verwertbarkeit der so gewonnen Daten nur unter der Prämisse
möglich, dass die Elektroden auch voll funktionstüchtig sind und der Kontakt zwischen
Elektroden und Wand abgesichert ist. Die Voraussetzung des ungehinderten Stromflusses
zu den Elektroden kann durch Messungen in den zugänglichen Klemm- und Verbindungs-
dosen jeder Zeit erfolgen. Zugleich sind die Kontaktstellen zwischen Elektrode und Wand
zyklisch zu kontrollieren.
• Die durch Sachkundige ermittelte, notwendige und ausreichende Strom- und Feld-
stärke ist an jeder Stelle der Leitung durch Konstruktion und Material sicher zu stellen
• Eine hohe Dielektrizitätskonstante der Flüssigkeit
• Der vorhandene pH-Wert ≥ 8 ist zu überprüfen
• Geringe Salzbelastung (Chloride < 0,10 M-%; Sulfate < 0,25 M-%; Nitrate < 0,15 M-%)
• Das Zeta-Potenzial der Baustoffe (ξ-Potenzial) muss negativ sein
• Kein Vorhandensein von aufstauendem Sicker- oder Schichtenwasser bzw. Grundwas-
ser im vorliegenden Baugrund
• Feste Vermörtelung der korrosionssicheren Elektroden mit dem Mauerwerk
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren575
• Isolierung der Kontaktstellen mit geeigneten Materialien zur Vermeidung von salzbe-
lasteter Feuchtigkeit
• Nur Anlagen berücksichtigen, die zugängliche Kontaktdosen zur späteren Wartung
besitzen
• Der Stromfluss der Anlagen soll etwas 4 mA/m bis 8 mA/m betragen (ÖNorm 3355)
• Die Gleichspannung der Anlagen soll mindestens 5 V bis maximal 15 V betragen.
(ÖNorm 3355)
• Aufbringen von Wandputzen ist zu vermeiden
• Stromversorgung ist regelbar oder selbstregelnd zu gestalten
• ausreichender Luftaustausch nach Einbau der Anlage in den unmittelbaren angrenzen-
den Räumen ist abzusichern
• Kriechströme von vorhandenen elektrischen Anlagen sind zu unterbinden
• Vorhandensein von homogenem Mauerwerk, ohne störende nicht isolierte Leiter
(Stahlträger, Rohre usw.)
• Nur elektrophysikalisch vertretbare Elektrodenabstände sind zu berücksichtigen
Für die Minimierung des Risikos bezüglich des Versagens der Anlage kommen zu beach-
tende Faktoren hinzu:
zu unterrichten.
576 J. Weber
Fazit
Die mit Fremdspannungen und nach anerkannten elektrophysikalischen Wirkprinzipien
arbeitenden Anlagen haben eine Berechtigung im Einzelfall unter sehr eingegrenzten
Bedingungen bei der Bauwerksentfeuchtung eingesetzt zu werden.
Die üblicherweise verwendete Mindestfeldstärke von ca. 10–12 V/m und ein Durch-
feuchtungsgrad von über 40 % sind als Rahmenbedingung bei auf der Basis der Elektroos-
mose arbeitenden Anlagen einzuhalten. Teilweise werden Feldstärken von ca. 20–50 V/m
angewendet. Die notwendige bzw. optimale Feldstärke wird in der Literatur unterschied-
lich angegeben und ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend erforscht. Zudem hat die
Art und die Konzentration der Salze im Porenwasser einen erheblichen Einfluss auf den
mengenmäßig erzielbaren Wassertransport. Bei dem Vorhandensein von Caliumnitrat ist
auch mit einem gewissen Wassertransport zur Anode zu rechnen (Venzmer 2003).
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren577
Nach jetzigen Erkenntnissen ist eine Austrocknung des Mauerwerkes bis zur Sorp-
tionsfeuchte im Einzelfall mittels elektroosmotischer Wirkprinzipien nicht möglich, da
bei einem erreichten Durchfeuchtungsgrad von ca. 30–45 % die jetzigen auf dem Markt
befindlichen Anlagen in der Funktion beeinträchtigt werden oder ganz versagen. Bei
diesem Durchfeuchtungsgrad ist jedoch die Feuchtebelastung des Mauerwerkes im Ein-
zelfall noch derart hoch, dass die betreffenden Räume nicht für eine hochwertige Nutzung
geeignet sind. Insofern ist zumindest nicht davon auszugehen, dass die Anlagen als Alter-
native zu einer traditionellen Abdichtung ernsthaft in Betracht kommen.
Ob die Anlagen mit bis zu 15 V Betriebsspannung mit dem gewollten Wirkprinzip
der Beeinflussung des Mauerwerkpotenziales sich wissenschaftlich und vor allem allge-
meingültig erklären lassen und sich in der Langzeiterfahrung bewähren, kann noch nicht
abschließend eingeschätzt werden.
Vorerst sind die Anlagen mit einer gewollten Potenzialbeeinflussung bis zu 5 V und
ebenso die elektroosmotisch wirksamen Anlagen von über 15 V Betriebsspannung nicht
zum Stand der Technik bei der Bauwerksentfeuchtung einzustufen, da allgemeingültige
Einbauvoraussetzungen bzw. Randbedingungen für eine störungsfreie Funktion noch
fehlen und genügend positive Langzeiterfahrungen nicht vorliegen (Abb. 18.48 und 18.49).
Um den Stand der Bautechnik zu erlangen, bedarf es noch umfangreicher Untersuchun-
gen auf theoretischem und baupraktischem Gebiet. Mit alleinigen praxisnahen Untersu-
chungen von hauptsächlich praktisch ausgerichteten Anbietern wird ein allgemeingültiges
Wissen über die Anlagen kaum erreichbar sein. Es bedarf parallel einer Prüfung unter
„genormten“ Bedingungen des Labors, um den elektrophysikalischen Anlagen den Durch-
bruch zu verschaffen oder diesen endgültig die Nichteignung zu attestieren.
Sind die derzeit noch bestehenden Probleme der Kenntnisse über Einsatzdingungen, der
Materialbeschaffenheit und der Effektivität der Anlagen mit zumindest näherungsweisen
elektroosmotischen Effekten abgeklärt, so würde dem Planer und Bauausführenden eine
Technologie zur Entfeuchtung zur Verfügung stehen, welche keine statischen und irrever-
siblen Eingriffe in die Bausubstanz beim Einbau erfordern. Zudem sind die zu erwartenden
578 J. Weber
Kosten des Einbaues und der Betreibung der Anlagen gegenüber der herkömmlichen Ver-
fahren bei Wanddicken über 80 cm als geringer einzuschätzen.
Mit der Planung und Ausführung der Anlagen sollte allerdings zwingend ein Sachkun-
diger beauftragt werden. Ein Architekt oder Bauingenieur dürfte üblicherweise bei der
Bearbeitung elektrophysikalischer, elektrochemischer und bauchemischer Problemstel-
lungen überfordert sein. Nur durch eine fachliche Abwägung der Erfolgsaussichten im
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren579
Einzelfall sowie fachlicher Begleitung eines neutralen Sachkundigen auf diesem Gebiet ist
das ansonsten extrem hohe Versagensrisiko der Anlagen überschaubar zu gestalten.
Das derzeitige festzustellende Versagensrisiko und die Widersprüchlichkeiten der theo-
retischen Annahmen bei den Wirkprinzipien führen dazu, dass von vielen Sachkundigen
diese Anlagen nicht bei der Planung von Abdichtungsmaßnahmen berücksichtigt werden.
Wird sich letztendlich für den Einsatz der Anlagen ausgesprochen, sind die späteren,
relativ hohen einzuplanenden Wartungskosten schon bei der Ausschreibung zu berück-
sichtigen (Balak und Venzmer 2001). Die Vorteile liegen darin, dass der Anbieter als aus-
gewiesener Sachkundiger die Anlage im gesamten Wartungszeitraum betreut und dem
Bauherrn von Anfang an die Gesamtkosten für Einbau und Wartung der speziellen Anlage
bekannt sind. Nur dadurch ist abzusichern, dass der kostengünstigste Anbieter im Einbau-
u. Wartungszeitraum gefunden wird, welcher zugleich die Anlage in seinen Vorzügen und
Schwachstellen kennt.
Die wohl in der Bausanierung am häufigsten und mit außergewöhnlicher Härte konträr dis-
kutierten Entfeuchtungsverfahren erfolgt mittels Geräten, die einen Erfolg bei der Mauer-
werksentfeuchtung ohne derzeit vorhandenen wissenschaftlich anerkannten Theorien ver-
sprechen. Daher werden diese Geräte in der Baupraxis auch „Zauberkästchen“ genannt.
Um eine begrifflich eindeutige Abgrenzung zu den Geräten und Anlagen mit dem wis-
senschaftlich anerkannten elektroosmotischen Wirkprinzip zu schaffen, sollte man die
Geräte und Anlagen ohne elektroosmotischen Wirkprinzip als paraphysikalische Verfah-
ren zusammenfassen.
Die außerhalb der physikalischen Lehrmeinung propagierten Entfeuchtungsverfah-
ren auf der Basis hertzscher Wellen, sowie unerforschter Erdstrahlen, Skalarwellen und
Wirbelpotenzialen u. s. w. sind nicht nur äußerst umstritten, sondern werden bisher von
Bauphysikern aus Hoch- und Fachschulen als untauglich verworfen (Venzmer 1955;
Wittmann 1995). Selbst die ernsthaften Befürworter der Verfahren können derzeit keine,
einem wissenschaftlichen Maßstab standhaltende, allgemeingültige Theorie der Wirkprin-
zipien vorlegen. Es wird nur immer auf die positiven Praxiserfahrungen hingewiesen, die
jedoch nicht reproduzierbar sind.
Für den in der Bauphysik ohnehin nicht anerkannten Teilbereich der praktizierenden
Mauerwerksentfeuchtung kommt erschwerend hinzu, dass zum einen nicht wissenschaft-
lich ausgebildete und selbsternannte Sachkundige völlig abwegige Theorien als erforscht
hinstellen, wo keinerlei wissenschaftliche Vorarbeit betrieben wurde.
Zum anderen wird von den Befürwortern (meistens Hersteller und Vertreiber) die elek-
troosmotische Theorie aus der anerkannten Lehrphysik herausgegriffen und missbräuch-
lich für Erklärungsversuche gegenüber Laien als Kaufinteressierte benutzt. Als Beispiel
sei hier die „drahtlose Elektroosmose“ genannt, wo jedem Interessierten bereits beim
580 J. Weber
Dem Ideenreichtum der Begriffe sind keine Grenzen gesetzt. Dadurch werden jenen Ver-
fahren die Weiterentwicklung und der theoretische und praktische Durchbruch erschwert,
welche durchaus die klassische Physik als Grundlage der Forschung und Entwicklung
heranziehen und als eventuell erfolgversprechend einzustufen sind.
Die derzeit im Handel befindlichen Entfeuchtungsgeräte und Entfeuchtungsanlagen mit
paraphysikalischem Hintergrund werden in passive und aktive Geräte bzw. Anlagen ein-
gestuft. Die Untergliederung ist nur aus dem Fehlen einer realen Zuordnungsmöglichkeit
nach allgemein anerkannter Wirksamkeit entstanden.
Bei dem derzeitig unbefriedigenden Forschungs- und Wissensstand kann die Einschät-
zung zwischen „wirksamen“ und „unwirksamen“ Geräten nicht schlussendlich erfolgen.
Hierzu müssten Ergebnisse von derzeit noch nicht begonnenen aber notwendigen Unter-
suchungen im Labor und an Bestandsobjekten abgewartet werden.
Unter passiven Geräten werden all jene Geräte verstanden, welche vermutete Erd-
strahlen, unbewiesene Wirbel oder gravomagnetische bzw. gravokinetische Strahlen laut
Herstellerangaben ablenken, umlenken oder neutralisieren sollen. Dadurch wird eine ent-
sprechende Beeinflussung jener Kräfte versprochen, die zur Mauerwerksentfeuchtung bei-
tragen. Die Erklärungsversuche der jeweiligen Anbieter sind stellenweise recht mystisch
und grundsätzlich ohne wissenschaftlich anerkannten Hintergrund. Vielfach sind die Ver-
öffentlichungen von laienhafter Vorstellung über naturwissenschaftliche Vorgänge geprägt
(Abb. 18.50).
Die aktiven Geräte grenzen sich von den passiven Geräten dadurch ab, dass sie
gepulste und ungepulste Wellen in verschiedenen Frequenzen erzeugen und ausstrahlen,
die eine Entfeuchtung im Bestandsmauerwerk verursachen sollen. Durch die Einwirkung
von elektromagnetischen Wellen mit herstellerspezifisch ausgewählten Frequenzen auf
durchfeuchtetes Mauerwerk wird eine Veränderung der Transportrichtung der Wassermo-
leküle zum Erdreich hin versucht. Diese gewollte „Abwärtsbewegung“ der Wassermole-
küle in Verbindung mit Diffusionsvorgängen soll letztendlich den Effekt der Mauerwerks-
entfeuchtung bewirken (Abb. 18.51).
Da eine nachvollziehbare physikalische Erklärung auf wissenschaftlicher Basis zumin-
dest derzeit für beide Gerätetypen noch fehlt, wird stellenweise auf Veröffentlichungen von
582 J. Weber
namhaften Wissenschaftlern verwiesen. So werden u. a. Prof. Reuss und Prof. Ernst als
die Entwickler der theoretischen Grundlagen für die „drahtlose Elektroosmose“ oder der
„magnetokinetischen Mauerwerksentfeuchtungsverfahren“ zitiert. Bei näherer Prüfung
der benannten Theorien fehlt allerdings grundsätzlich der Zusammenhang zwischen dem
vermeintlichen Wirkprinzip der Mauerwerksentfeuchtung und der wissenschaftlich physi-
kalischen Darlegung der genannten Autoren.
Um den „Erklärungsnotstand“ hinsichtlich der Funktionsweisen der aktiven und pas-
siven Geräte und Anlagen nicht auffällig zu gestalten, werden zu den fehlerhaft zitierten
namhaften Wissenschaftlern in den technischen Stellungnahmen auch noch TÜV-Zerti-
fikate (TÜV Thüringen 2000) und Patente (Dietl 2001) werbewirksam eingesetzt. Dass es
sich bei den TÜV-Prüfungen fast ausschließlich nur um die Kontrolle der elektromagne-
tischen Verträglichkeit der Geräte auf die Umwelt (techn. Anlagen, Tiere und Menschen)
handelt, wird von den Anbietern der Geräte nur auf Nachfrage preisgegeben. Der TÜV
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren583
Wünschelrutengänger und Pendler, die sich als Radiästheten, also als „Strahlenfühlige“,
verstehen, werden über die Jahrhunderte verteilt immer wieder in Schriften genannt. Sie
wollen Strahlen feststellen können, die nach ihrem Verständnis über die Natur von anderen
Stoffen, und besonders aus dem Erdreich, abstrahlen. Daher werden die Strahlen im
deutschsprachigen Raum zusammenfassend auch heute noch als „Erdstrahlen“ bezeichnet.
In früheren Zeiten wurden die Erdstrahlen auch als „Od-Strahlung“ von den Strahlen-
gläubigen bezeichnet. Der Chemiker Carl Freiherr von Reichenbach (1788–1869) behaup-
tete, dass jede Materie, ob lebend oder tot, eine spezielle „Od-Strahlung“ entwickelt. Er
begann mit seinen Forschungen um die Jahre 1840 und glaubte, eine wesentliche Ent-
deckung auf dem Gebiet der Strahlenempfindlichkeit von Menschen zu machen. Die Ver-
suche waren rein „medizinischer“ Ziele unterworfen.
Die Geschichte der passiven Abschirm- und Entstrahlungsgeräte in all ihren Erschei-
nungsformen geht zurück auf das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts. Allerdings war der
584 J. Weber
geschichtliche Ursprung der Geräte nicht in der Physik sondern eher in der okkulten,
medizinisch und biologischen Sparte angesiedelt.
Der Sänger und Quellensucher Johann Mermet (??–1902) beobachtete bereits ab ca.
1880, dass nach seinem Verständnis durch unterirdische Wasserläufe Mensch und Tier
in ihrer Gesundheit negativ beeinträchtigt werden (Kritzinger 1933). Quellen zufolge hat
er die vermeintlich schädliche „Ausstrahlung“ aus sogenannten Wasseradern durch quer
darüber in den Boden steckende Metallspitzen zu beeinflussen versucht (Oberneder 1967).
Diese Arbeit von J. Mermet dürfte nach Dr. F. Wetzel die Geburtsstunde der Abschirm-
technik gewesen sein. Johann Mermet war der Vater des später bekannten und 1937 ver-
storbenen Westschweizer Wünschelrutengängers, Pfarrer Mermet.
Der Elektro- Ingenieur Franz Rychnowsky (1850–??) baute einen Ätheroid der 1900
zur Weltausstellung in Paris vorgestellt werden sollte. Aus persönlichen Gründen wurde
daraus nichts. Der Apparat erregte bei der heilungssuchenden Bevölkerung in Lemberg
große Aufmerksamkeit, was die ortsansässigen Ärzte mit Neid beobachteten. Rychnowsky
verlor durch Intrigen seine Genehmigung zur Führung einer Heilpraxis und verschwand
aus Gram für immer, ohne seine Entdeckung und Konstruktion für die Nachwelt veröffent-
licht zu haben (Schrödter 1983).
Prof. Oscar Korschelt (1841–1934?) als Vater der „Strahlungsgeräte“ brachte erstmals
ein zur Gesundheit förderliches „Sonnenätherstrahlgerät“ in den Handel, der sich bis 1933
ca. 20.000 Mal verkaufte (Kritzinger 1933). Das Gerät wurde durch ein Kaiserliches Deut-
sches Reichspatent geschützt. Der Physiker Hermann v. Helmholtz (1821–1894) bestritt
bereits damals die physikalische Wirksamkeit des Gerätes (Brüche 1962; Zeitschrift für
Radiästhesie 1954b). Im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme vom Patentamt
erklärte er, dass die behauptete Wirkung theoretisch unmöglich wäre (Zeitschrift 1954).
Trotz dieser Aussage wurde das Patent im Jahr 1891 unter der Nummer DRP 69 340
erteilt, weil dadurch ja gemäß Patentrecht nicht die beschriebene Wirkung bestätigt wird
(Abb. 18.52 und 18.53).
Die meisten Konstrukteure und die Konstruktionen der Geräte bis 1930 sind zum über-
wiegenden Teil nicht mehr belegt. Lediglich ein weiteres von Korschelt im Jahr 1890
gebautes Gerät wird detailliert beschrieben (Schrödter 1983). Es handelt sich hierbei um
einen zylindrischen Körper aus Buchenholz, indem im Wesentlichen zwei kreisförmige
löchrige Kupfersiebe gegenseitig verschiebbar eingeführt wurden. Die gesamte Konstruk-
tion ummantelte der Konstrukteur mit einem flaschenförmigen Gebilde aus Weißblech.
Die Kupferscheiben im Inneren wurden an ein Chromsäure- Element angeschlossen.
Die Konstruktion sollte nach eigener Auffassung Korschelts Kopfschmerzen und
Migräne beseitigen, sowie Atembeschwerden und andere Leiden mildern. Dieser Effekt
traf auch bei einigen der verkauften Geräte offenbar ein, obwohl die Wissenschaft bis
heute keine Erklärung hat, wenn man von suggestiven Phänomenen einmal absieht.
Auch der französische Physiker Georges Lakhovsky ging von gesundheitsbeeinflus-
senden Strahlen aus dem Erdreich aus. Durch seine Schriften von 1926 bis 1932 entwi-
ckelte er die „Erdstrahlen-Pathogenität“ und erklärte zum Beispiel die Krebsentstehung
durch Erdstrahlen eingängig. Der als Vorkämpfer der Radiästhesie und Mitentdecker der
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren585
: .
: .
FP
: :
: .
: .
mussten nach strengen Regeln auf einen „Reizstreifen“ ausgelegt bzw. in der Erde ver-
graben werden.
Dabei richtete sich allerdings das Hauptaugenmerk der gewollten Gerätefunktion auf
die Entstrahlung bzw. Entstörung physikalischer und biologischer Veränderungen in
Räumen. Die Erdstrahlen als Verursacher von Rheumatismus, Schlaflosigkeit, Nervosität,
Stoffwechselerkrankungen, Asthma, Epilepsie und vor allem Krebs sollten neutralisiert
und unschädlich gemacht werden. Die Nutzung der Geräte zur Mauerwerksentfeuchtung
(Jaeckel 1955; Zeitschrift für Radiästhesie 1954b) war in dieser Zeit allenfalls im Ansatz
ein Nebenprodukt und wurde nicht in den Vordergrund der Vermarktung gestellt (Wetzel
1933; Jaeckel 1955).
Ein recht schwunghafter Handel entstand kurzzeitig und erste spezialisierte Firmen
in der Schweiz und in Deutschland fingen mit der Massenproduktion an. In den Jahren
1932/1933 wurden ca. 200 verschiedene Gerätetypen in Deutschland verkauft (Wetzel
1933). Allein der „Wehrmeister-Apparat“ wurde in der Öffentlichkeit erheblich kritisiert
(Schumacher 1932), wobei es weniger um das Gerät selbst, als um die sich explosions-
artige Ausbreitung der Gesamtproblematik ging (Wetzel 1933). Das Gerät selber wurde
laut Quellen bereits bis zum Jahr 1931 ca. 20.000 Mal verkauft (v. Bühl 1931).
Durch die Veröffentlichung des Rutengängers Freiherr von Pohl im Jahr 1932 (von Pohl
1932) wurden mit der damaligen Technik nicht messbare „pathogene Erdstrahlen“ als
Krankheitserreger und vor allem als Krebserzeuger postuliert. Pohl stützt sich bei seinen
Thesen dabei auf die Theorien vom Physiker Lakhovsky. Diese Veröffentlichung war
letztendlich die Geburtsstunde der neuen Apparatetechnik in Deutschland. Es handelte
sich dabei um Geräte mit einer phantasievollen Anordnung von Metall und anderen Teilen,
die auch bei gutem Willen physikalisch keinen Sinn ergeben.
Logisch nachvollziehbar ist damit auch die Tatsache, dass der Vater der „krebserre-
genden“ Erdstrahlen, Freiherr v. Pohl, im Jahr 1928 ein Patent (DRP 526039) für sein
bereits konstruiertes Entstrahlungsgerät, der „Pohl’scher Flächenstrahler“, erhielt. Der
30 x 70 cm große Kasten aus Sperrholz kostete 130–133 Mark und enthielt nach Pomayer
und Fritsch nur einige Blechstreifen (W und K) (Wendte 1956).
Später handelte es sich um einen Kasten aus Sperrholz oder anderer Materialien, in
welchem sich Streifen und Platten aus Silber bzw. Kupfer befanden (Bühl 1931). Die
Strahlungswirkung der Pohl-Apparate sollte auf der Metallstrahlung von Feinsilber
und Kupfer beruhen. Die Abschirmmethode wurde als zentral angegeben, was soviel
bedeutet, als dass die Aufstellung der Geräte möglichst im Schwerpunkt der Reizstreifen
erfolgte.
Neben dem „Pohl´scher Flächenstrahler“ war auch eines der ersten Geräte dieser Zeit
das „Repulsor“ von P.C. Nussbauer in der Schweiz. Wann genau der Apparat auf den
Markt kam, ist nicht bekannt, kann aber auf ca. 1930 angesiedelt werden. Die biologi-
sche Wirksamkeit ist durch eine in einem Gefäß befindliche Kontaktmasse erklärt, die
„Unterstrahlung anzieht und sammelt bzw. in bestimmte Richtungen ablenkt“, sodass das
Gebäude strahlungsfrei ist. Eine physikalische Wirkung oder gar eine Mauerwerksent-
feuchtung ist nicht in der vorhandenen Literatur beschrieben.
588 J. Weber
Das bekannteste und am längsten sich auf dem Markt behauptende Abschirm- bzw.
Entstrahlungsgerät war der „Phylax-Apparat“ (Phylax-Apparatebau GmbH 1962). Sein
Verkauf kann von ca. 1932 bis ca. 1967 nachverfolgt werden. Die Konstruktion stammte
vom Wünschelrutengänger Hans Dannert, der sich schon seit den 20iger Jahren mit der
biologischen Seite des Wünschelrutenproblems beschäftigte und nach Möglichkeiten der
Neutralisierung der Reizstreifen suchte. Die Geräte wurden nach Versuchen von Dannert
und dem Befürworter der Abschirmapparate, dem Physiker Dr. Henrich, durch die „Phy-
lax-Apparatebau GmbH“ aus Hagen 1932 auf den Markt gebracht (Abb. 18.56).
Die Hauptbestandteile des Gerätes sind eine Spule aus verzinnten Kupferdraht und ein
Bosch- MP-Kondensator (Oberneder 1967). Nach dem Mediziner und Physiker Dr. Dr. J.
Wüst sollte ihre Wirkungsweise auf einer schwachen Aussendung von Ultrakurzwellen-
strahlung beruhen (Kopp 1965). Aus anderen Quellen wird das Wirkprinzip dahingehend
beschrieben, dass die vorhandenen Erdstrahlen durch die Konstruktion angesaugt und
durch eine Umwandlung in Wärme vernichtet werden (Schumacher 1932).
Die Wirksamkeit nach Oberneder soll wiederum darauf beruhen, dass die von nicht
näher beschriebenen Störgrößen ausgehenden niederfrequenten Impulse, von elektrischen
Leitungen, welche die entsprechenden Störfelder überqueren, aufgenommen und weiter
geleitet werden. Die in dem Gerät befindliche Spule soll durch induktive Kopplung im
gleichen Rhythmus erregt und zur Aussendung eigener entstörender Frequenzen veran-
lasst werden (Oberneder 1967). Letztendlich wird ein und dasselbe „Phylax-Gerät“ in der
Funktion immer völlig anders beschrieben, was sicher aus dem unterschiedlichen Ver-
ständnis zur Physik der einzelnen Autoren resultiert.
Richtig fachgerecht aufgestellt, sollte das „Phylax-Gerät“ die Milchproduktion der Kühe
um 20 % steigern, bei den im Gebäude befindlichen Einwohner die Müdigkeit vertreiben
und das Wohlbefinden erhöhen. Eine Prüfung der Funktionsweise durch eine nicht näher
beschriebene dt. landwirtschaftliche Kommission ergab, dass bei den Hausbewohnern
welcher die nicht messbaren sondern nur mutmaßlichen Strahlen orten konnte, sich auch
gleich Gedanken über deren Neutralisierung machte. Somit war letztendlich die Verbrei-
tung der damaligen Entstörungs- und Abschirmapparate ganz entscheidend von der Ent-
wicklung der Wünschelrutengänger und Pendler abhängig.
Die physikalisch ausgebildeten Wissenschaftler beschäftigten sich nicht ausführlich und
mit dem notwendigen Ernst mit den Phänomenen der Erdstrahlen. Sie verwiesen frühzei-
tig lächelnd auf die Lehrmeinung der Physik, (Weber 1905) die nicht einmal ansatzweise
die Problematik der Existenz von Erdstrahlen und deren Neutralisierung untersuchte.
So blieb das problematische Gebiet der Abschirmtechnik letztendlich ein Feld, welches
von den Wünschelrutengängern, Pendlern und Scharlatanen besetzt wurde, obwohl zumin-
dest eine neutrale wissenschaftliche Aufbereitung und Prüfung der Theorien sehr hilfreich
gewesen wäre.
Nach dem zweiten Weltkrieg waren nach anfänglicher Inaktivität ab dem Jahr 1949
wieder die ersten öffentlichen Auseinandersetzungen mit der Theorie der „Entstrahlungs-
und Abschirmtechnik“ festzustellen.
In Anbetracht der Aussagen von Kiess (1949) und Ernst kann durchaus vermutet werden,
dass bei den Zielstellungen der Experimente und Untersuchungen um 1938 zumindest
anfänglich ein gewisser Zusammenhang zwischen der paraphysikalischen „Erdstrahlen-
beseitigung“ und der wissenschaftlich anerkannten „elektrophysikalischen Entfeuchtung
von Mauerwerk“ bestand.
Im Jahr 1949 wird zum ersten Male der Versuch unternommen, offiziell und nachvoll-
ziehbar einen Zusammenhang zwischen elektroosmotischer Effekte im Mauerwerk und
der Abschirmung von Erdstrahlen herzuleiten. Der Radiästhes ist Kiss aus Lugano geht
davon aus (Kiess 1949), dass die Erfindung der elektrophysikalischen Trockenlegungs-
bzw. Entfeuchtungsverfahren auf der Grundlage von Kurzschluss bestehender Potenzial-
differenzen im Mauerwerk auf den Versuch, Erdstrahlen zu neutralisieren, zurückzufüh-
ren ist.
Die Trockenlegung von feuchten Grundmauern von einem Ostschweizer Unternehmen
mit „nach einer bestimmten Methode verlegter Kupferdrähte“ war für ihn eine Nebenwir-
kung. Zudem geht er auf die physikalischen Gesetzmäßigkeiten der aufsteigenden Feuchte
im Mauerwerk als Radiästhesist ein, sodass seine Veröffentlichung über die „Pendellehre“
damit bewusst oder unbewusst stellenweise den Schein der Wissenschaftlichkeit erhält.
Tatsächlich nimmt der Ostschweizer Paul Ernst als Erfinder der elektroosmotischen
Anlagen zur Mauerwerksentfeuchtung in seiner Patentschrift [A] auf die Erdstrahlen
Bezug. Er weist darauf hin, dass durch das damalige Fehlen wissenschaftlicher Theo-
rien bezüglich der aufsteigenden Feuchtigkeit im Mauerwerk, die Erdstrahlen als Ursache
benannt wurden. Daraus abgeleitet, versuchte man durch Aufstellung von bereits 1940 im
Handel erhältlichen Abschirmanlagen, die Problematik zu beherrschen. Ernst wies aber
gleichzeitig auf die Erfolglosigkeit derartiger Versuche hin.
Durch die Veröffentlichung (Kiess 1949) von Kiss angeregt, oder durch eine davon
unabhängige Entwicklung verursacht, erfolgte im Jahr 1950 der erste Versuch, die
Fragen der Radiästhesie und der damit im Zusammenhang stehenden Entstrahlungs- und
592 J. Weber
Abschirmtechnik aus rein physikalischer Sicht zu betrachten (Wendler 1950). Dass dies
nur unzureichend gelang, ist bereits an der damals herrschenden überaus positiven Ein-
stellung der Wünschelrutenforscher zur Funktionstüchtigkeit der „Phylax-Apparate“ und
ähnlichen Geräten erkennbar.
Die von der „Phylax-Apparatebau GmbH“ im Jahr 1950 und 1962 herausgegeben Bro-
schüren verweisen selber auf die physikalische Wirkung der Mauerwerksentfeuchtung.
Bis nach 1967 sind die „Phylax-Apparate“ die am weitesten verbreiteten und bekann-
ten Geräte mit einigen Veränderungen des Inhaltes der Kästchen im Handel erhältlich
gewesen.
Interessanterweise musste das „Phylax-Gerät“ mit der zentralen Abschirmmethode von
Rutengängern und Pendlern aufgestellt werden. Die Aufstellung der Geräte war angeblich
den Herstellern äußerst wichtig und es sollte bei geringfügigen Änderungen zu Funktions-
störungen kommen (Oberneder 1967). Dem Umstand der Wichtigkeit der Anordnung oder
gar einer Funktionsausübung widersprach der bekannte Physiker und Mitkonstrukteur des
Elektronenmikroskopes, Prof. Dr. Brüche.
In den ersten Jahren bestand der Apparat aus einem kurzgeschlossenen Ein- und Aus-
schalter sowie einer Spule aus Klingeldraht mit ca. 25 Windungen und einem Durchmes-
ser von ca. 12 cm. Zur Spule parallel geschaltet war noch ein Kondensator von 1000 pF
und ein Widerstand von 0,45 Ohm (Prokop 1957) (Abb. 18.59 und 18.60).
Die Schaltung der „Phylax-Apparate“ ist ein primitiver Schwingkreis, dessen Eigenre-
sonanz je nach Bauart mit 1.000.000–10.000.000 Hz (Prokop 1957) bzw. mit ca. 620 kHz
(Brüche 1962) angegeben wird. Die Hersteller des Gerätes gingen aber davon aus, dass die
für sie interessierende Strahlung aus einer „kippschwingähnlichen Pulsation“ des elektri-
schen Feldes von 1–10 Hz besteht. Insofern ist der Schwingkreis technisch nicht auf die
6FKDOWHU .DSD]LWlWS)
.XU]VFKOXVV 6SXOHaW
:LGHUVWDQG2a+
eigentlich selbst angegebene Eigenschaft der Strahlung abgestimmt. Eine Anregung des
Schwingkreises durch die Strahlung ist nicht möglich und der Apparat muss aus elektro-
physikalischer Sicht als unwirksam eingestuft werden.
Die von Rutengänger Wüst zur versuchten Ehrenrettung der „Phylax-Geräte“ behaup-
tete Wirkungsweise als UKW-Sender ist ebenfalls aus technischer Sicht nicht zu bestä-
tigen. In einem Gutachten, dass in einem Schweizer Prozess eine Rolle spielte, wurde
diese Vermutung ausgeschlossen. Der aus Spule und Kondensator bestehende laienhafte
Schwingkreis sendet keine schwachen und kurzen Ultrakurzwellen aus. Der Resonanz-
kreis ist auf Mittelwellen und nicht auf Kurzwellen abgestimmt. Der Kreis kann maximal
nur dämpfend auf eine einfallende Strahlung wirken (Brüche 1962).
Bei der weiter entwickelten Generation sollten sich die Geräte automatisch auf die
jeweiligen Einstrahlungen einstellen (Dietrich 1952). Der Schalter und die Erdungs-
buchse verschwanden, wobei der Grund dieser Neuerung ungewiss ist. Zum einen wird ein
Zusammenhang mit der öffentlichen Kritik von Brüche (Zeitschrift 1954) hinsichtlich der
technischen Funktionslosigkeit des Schalters und der Erdungsbuchse als Grund gesehen.
Zum anderen wird die Einstellung eines Diplom-Ingenieurs beim Hersteller der Geräte
mit dem Wegfall der sinnlosen aber visuell sichtbaren Teile in Verbindung gebracht.
Bei den Apparaten um 1950 war außer dem kurzgeschlossenen Schalter auch noch eine
Erdungsbuchse an dem Kästchen angebracht. Diese beiden völlig nutzlosen Utensilien
wurden nach elektrophysikalisch untersetzter Kritik von Sachkundigen bei den nächsten
Modellen „eingespart“ (Brüche 1962).
Resultierend aus der stichpunktartigen Bewertung kann also auch aus heutiger Sicht der
verbriefte Verkaufserfolg der „Phylax“ im Nachhinein nicht durch eine elektrophysika-
lische nachvollziehbare Wirkungsweise erklärt werden. Der Erfolg ist eher aus okkulten
und suggestiven Phänomenen ausreichend zu erklären.
In den 50er Jahren wurden auch wieder altbekannte und neue Abschirmgeräte auf dem
Markt angeboten. Eines der Geräte war der unter zur Hilfenahme verwendeter Mineralien
594 J. Weber
angebotene „Capic“ aus dem Jahr 1952. Der „Capic“ arbeitete nach dem Prinzip des
„CAP-Kompensators“ der seit ca. 1930 von Carl Piacenza aus Kempten vertrieben wurde.
Er hatte den ausgelobten Vorteil, dass er in verschiedenen Größen erhältlich war und in
seiner kleinsten Ausführung am Körper getragen werden konnte. Er sollte rein biologisch
wirksam.
1952 wurde dem Abschirmgerät „Räpax“ vom Konstrukteur Ing. Karl Gründer aus
Kaufering, welches bereits seit 1950 auf dem Markt auf sich aufmerksam machte, das
Patent erteilt (Abb. 18.61). Es handelte sich hierbei um ein Zentralgerät, welches aus einer
Anzahl von Kurzschlusskreisen, die miteinander verbunden sind, und deren Wirkung
durch Hochfrequenz-Eisenkerne verstärkt werden, besteht (Oberneder 1967).
Mit Blick auf den Umfang der Veröffentlichungen ist die zweite Schubphase der theo-
retischen Auseinandersetzung in den Jahren 1954 bis 1959 festzustellen. In dieser Zeit
geraten die Verfechter der Radiästhesie und die Kritiker aus der Schulphysik in erheb-
lichen Meinungsstreit. Zwar waren keine neuen wissenschaftlich verwertbaren Erkennt-
nisse auf dem Gebiet der „Erdstrahlen“ trotz der ansonsten enormen Entwicklung der
Physik aus den letzten 25 Jahren bekannt. Aber dieser Zeitraum ist durch die „Verwässe-
rung“ anerkannter und vermuteter Gesetzmäßigkeiten und durch eine hohe Aggressivität
der Meinungsäußerungen gekennzeichnet (Abb. 18.62).
Die Radiästheten geben nun offen zu, dass die notwendigen Kenntnisse des physikali-
schen Wesens der Erdstrahlen und Wünschelrutenphänomene noch völlig unbekannt sind
(Venzmer 1955; Wendler 1950) und verweisen auf die fehlende Messtechnik und andere
noch in der Physik ungeklärte Naturphänomäne. Gleichzeitig wurde eine bewusste oder
Einige Tage später habe ich durch Aufstellung eines AET- Gerätes die Räume entstört. Einige
Monate hindurch konnte man keine Veränderung bemerken..... Doch ein halbes Jahr später
wurde mir mitgeteilt, dass sich im Mauerwerk das Verschwinden des Hausschwammes durch
Auftrocknen bemerkbar mache. (Zeitschrift für Radiästhesie 1956)
In dieser oder ähnlich unspezifischen Art sind mehrere Veröffentlichungen in den 60- u.
70iger Jahren aus Fach- bzw. Naturzeitschriften, in Illustrierten und in Darstellungen
von Herstellern der Abschirmgeräte vorzufinden (Jaeckel 1955; Brüche 1962; Zeitschrift
für Radiästhesie 1956). Der eng mit dem Vertrieb von „Phylax-Geräten“ in der Schweiz
im Zusammenhang stehende Dr. J. Kopp attestierte noch im Jahr 1965, dass ein ständig
feuchter Keller innerhalb von 4 Tagen ausgetrocknet sei (Franke 1962). Selbst bei wohl-
wollender Betrachtung mit abgewandtem Blick auf die gesicherten Kenntnisse der Bau-
tentrocknung muss die Behauptung in den Bereich der Phantasie verwiesen werden.
Mit dem Hinweis auf Veröffentlichungen von Prof. Brüche (Prokop 1957) ist Dr. Kopp
aber von einem erwünschten Nebeneffekt der „Phylax-Geräte“ hinsichtlich der „Auf-
hebung der Bodenfeuchtigkeit“ mit gleichzeitigem Wohlfühl- und Wachheitseffekt der
Bewohner überzeugt (Kopp 1965). Beim Nachlesen der angegebenen Quelle von Brüche
ist allerdings festzustellen, dass Dr. Kopp falsch recherchiert und die dazugehörige Über-
schrift „Positive Laienbegutachtung“ der hier interessierenden Textstelle der Raument-
feuchtung überlesen hatte (Brüche 1962).
Die neue Dimension bezüglich des Einsatzes der Abschirm- und Entstörungsgeräte
zur Mauerwerksentfeuchtung muss zeitlich in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts gelegt
werden. Ab diesem Zeitpunkt wird intensiv für diesen Funktionseinsatz geworben und
die physikalische Einsatzmöglichkeit wird immer öfter in Veröffentlichungen vorgebracht
(Brüche 1962; Jaeckel 1955).
Zusätzlich zu den nicht überprüfbaren Aussagen der Wünschelrutengänger sind die
Konstruktionen und die Wirkprinzipien der im Handel befindlichen Geräte weiter tech-
nisch unlogisch oder gar nicht beschrieben. Zum einen liegt die Ursache in der gewollten
„Geheimhaltung“ und dem Schutz vor Nachbauten. Zum überwiegend anderen Teil ist
aber sicher die ungenügende ingenieurtechnische Ausbildung der meisten Rutengänger
und Pendler als Erklärung des Sachverhaltes zu vermuten.
Dass die Konstellation von Aussagen zwischen unauffälligen Erklärungsversuchen und
Veröffentlichungen mit Andeutungscharakter, gepaart mit erheblichen Geschäfts- und ent-
sprechend hohen Gewinnmöglichkeiten auch Scharlatane anzieht, ist nicht verwunder-
lich. So wurden noch im Jahr 1985 sogenannte „Feldveränderer“ angeboten, deren Inhalt
unverbundene Drähte oder einfach unverkabelte Spulen im ansonsten leerer Gehäuse
waren (Abb. 18.63).
Bei einem anderen Apparat zeigte sich nach der Öffnung des verschlossenen Gehäuses,
dass ca. ein Kilo rostige Nägel die Neutralisation der Erdstrahlen bewirken sollte (Grün
1996). Der Preis von 220 DM für diesen (im wahrsten Sinne des Wortes) Schrott und
damit der reine Gewinn ist beträchtlich.
Hingegen hat der Rutengänger Dr. Kritzinger das Aufstellen einer Schüssel mit rostigen
Nägeln zum Schutz gegen Erdstrahlen sogar empfohlen (Dietrich 1952). Der Preis für das
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren597
Dies wird schon durch die Veränderung des Personenkreises und der Namensnennung
der Geräte nach außen sichtbar. Waren früher Rutengänger und Pendler mit hauptsächlich
medizinischer Ausbildung unter den Herstellern und Vertreibern der Abschirmgeräte zu
finden, so erhöht sich nunmehr sprunghaft die Zahl des elektrotechnisch ausgebildeten
Personenkreises und der Ingenieure auf bautechnisch und elektrophysikalischen Gebieten.
Zugleich werden technische Termini immer häufiger verwendet und die Abschirm- und
Entstörungsgeräte werden jetzt „Entfeuchtungsgeräte“ genannt, um eine für Dritte sofor-
tige technische Zuordnung zu ermöglichen.
Dagegen grenzen die Rutengänger, Pendler und Baubiologen, die Hersteller der „Ent-
feuchtungsgeräte“ aus ihrem Kreis aus, in dem sie ihre weiterhin im Handel befindlichen
Entstörungs- und Abschirmgeräte unter dem Gesichtspunkt der geophatogenen Entstörung
verkaufen und keine bauphysikalischen Wirksamkeiten ernsthaft als Werbemittel nutzen.
Auch die Lobby der „Entfeuchtungsgeräte“ beschränkt sich in ihren Merkblättern
nunmehr fast ausschließlich auf ihr eigentliches Ziel der „Mauerwerksentfeuchtung“. Eine
Vermischung der Interessengruppen ist nur unter dem Mantel der Baubiologie dort vor-
handen, wo Hersteller und Vertreiber der Entfeuchtungsgeräte auch gleichzeitig Baumate-
rialien mit gewolltem baubiologischen Hintergrund anbieten. Einzige Ausnahme der sich
abgrenzenden Entwicklung ist, dass Hersteller von passiven Apparaten den Montageort
mittels Mutung mit der Wünschelrute festlegen wollen.
Die im wesentlichen abgeschlossene Trennung der ausgebildeten technischen und
medizinischen Kreise hat um 1990 auch zur Folge, dass vermehrt Anstrengungen für
einen physikalisch haltbaren Erklärungsversuch hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit der
Geräte unternommen werden. Physiker und Architekten mit Lehrauftrag an Deutschen
Einrichtungen stellen sich nur vereinzelt dem Problemkreis und erkennen die Möglichkeit
einer Existenz von noch nicht bewiesenen Strahlungen an (Neufert 1984; König 1986;
Meyl 1990, 2002).
Prof. Meyl entwickelt im Widerspruch zur offiziellen physikalischen Lehrmeinung
bezüglich der wirbellosen elektrischen Felder Theorien, die von den Befürwortern der Ent-
feuchtungsgeräte dankbar aufgenommen werden. Freilich geht Meyl über die Andeutung
derartiger Einsatzmöglichkeiten seiner theoretisch für existent gehaltenen Wirbel nicht
hinaus (Meyl 1990). Er stellt sich auf den Standpunkt, dass es sich hierbei um Erkennt-
nisse in der theoretischen Physik handelt und die Praxisbezogenheit von entsprechenden
Fachleuten zu erfolgen hat.
War die Trennung zwischen den technisch und medizinisch orientierten Herstellern und
Verkäufern von Abschirmapparaten gerade vollzogen, so wird ab 1990 bereits eine neue
interne Polarisierung im technisch ausgerichteten Personenkreis bezüglich der verwend-
baren Wirkprinzipien bei der Mauerwerksentfeuchtung erkennbar.
Zum einen sind Hersteller bestrebt auf dem Prinzip der Erdstrahlen oder sonstiger
imaginärer Strahlen und Wirbel weiter Geräte zur Entfeuchtung von Mauerwerk auf dem
Markt zu platzieren. Dabei wird sich allerdings neuer Wortschöpfungen bedient, die eines
gemeinsam haben, dass sie einen technischen Klang besitzen aber ihre Theorien inhaltlich
nicht auf Grundlagen der Lehrmeinung der Physik basieren.
600 J. Weber
werden können (Zeitschrift 2011). Das ist ein Anfang der neutralen wissenschaftlichen
Auseinandersetzung mit den praktisch beschriebenen Erfolgen der Mauerwerkstrocken-
legung durch die Gerätehersteller.
Bis zu ersten verwertbaren Erkenntnissen durch neutrale Wissenschaftler können
gewinnorientierte Händler weiterhin auch völlig nutzlose Geräte auf den Markt bringen,
sodass der verallgemeinernde Name der „Zauberkästchen“ sicher noch mehrere Jahre in
Anspruch genommen wird.
Die Darstellungen über die vermuteten Wirkprinzipien der Geräte umfasst im Wesentli-
chen die „Umlenkung“, „Ablenkung“ oder „Neutralisierung“ von irdisch und kosmischen
Strahlen oder Wirbeln. Bei einigen anderen Geräten werden hingegen Gravomagne-
tismus (Zusammensetzung von Gravitation und Magnetismus) und magnetokinetische
Effekte für die Bauwerksentfeuchtung herangezogen bzw. theoretisch nutzbar gemacht
(Mohorn 2002).
Die Begriffe wie Abschirmung, Entstrahlung und Entstörung im Zusammenhang mit
entsprechenden Apparaturen sind im Wesentlichen mit der selben inhaltlichen Bedeu-
tung in den Veröffentlichungen der anerkannten oder selbsternannten Fachleute versehen
(Oberneder 1967). Ebenso sind z. B. Erdstrahlen, Urenergie oder gravomagnetische
Felder nicht begrifflich eindeutig definiert. Dieser Sachverhalt ist bereits ein Ausdruck
der unübersehbaren Vielfältigkeit der Vorstellungen und Vermutungen über den Charakter
von Erd- und Urstrahlen, deren Wirkung und deren „Ablenkungs- oder Neutralisierungs-
möglichkeit“ (Abb. 18.61).
Zugleich ist es Beweis dafür, dass es an konkreter wissenschaftlicher Begriffsbestim-
mung vielfach fehlt. Erklärbar wird die beklagenswerte Tatsache dadurch, dass es sich
vor allem bei den Veröffentlichungen über die Gebiete der Radiästhesie und Entfeuch-
tungstechnik mit imaginären Strahlen und um überwiegend wissenschaftlich unerfahrene
Autoren handelt (Abb. 18.66). Diese sind von dem Vorhandensein der Strahlen und Wirbel
so überzeugt, dass sie jede, auch nur halbwegs erklärbare Theorie sofort ausgeschmückt
übernehmen.
Auf die Theorien der Radiästhesie über Erdstrahlen, Reizstreifen, Global- und Dia-
gonalgitter soll nicht weiter eingegangen werden. Es sei nur angemerkt, dass einzelne
anerkannte Physiker die Existenz der Wünschelrutenphänomene, und damit die Erdstrah-
len, nicht grundsätzlich als haltlos einstufen bzw. ganz ablehnen (König 1986; König
und Betz 1989). Der überwiegende Teil der wissenschaftlich ausgebildeten Fachleute ist
jedoch vom Nichtvorhandensein der unbewiesenen Strahlen überzeugt.
Da aber hier die bauphysikalischen Aspekte der Mauerwerksentfeuchtung im Vorder-
grund der Betrachtung stehen und nur in diesem Zusammenhang das Gebiet der Radiäs-
thesie gestreift wird, ist eine tief greifende Auseinandersetzung mit der Problematik auch
nicht zwingend erforderlich. Nur im Zusammenhang mit den im Rahmen der Radiästhesie
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren603
Mit viel Phantasie kann man zwischen den behaupteten „Wasseradern“ und besonders
intensiv ausgebildeten Kluftstrecken, Störungszonen oder durchfluteten Höhlengängen
Ähnlichkeiten entdecken. Allerdings folgen die realen geologischen Strukturen in ihrer
räumlichen Orientierung und Formgebung stets natürlichen Gesetzen, während die von
Rutengängern kartierten „Wasseradern“ meist regellos und oft in hydraulisch unmögli-
chen Anordnungen angegeben werden. Insofern sind „Wasseradern“ pseudowissenschaft-
liche Worthülsen, mit denen sich Vertreiber und Hersteller von „Zauberkästchen“ einen
fachkundigen, ja wissenschaftlichen Anstrich zu geben versuchen.
Die eindeutig negativen Bewertungen der Funktionstüchtigkeit der passiven Geräte
in den letzten 80 Jahren von anerkannten Wissenschaftlern (Meyl 1990) und sogar von
einigen ausgewiesenen Vertretern der Radiästhesie (Kopschina 1991) können auch aus
heutiger Sicht nur bestätigt werden. Unterstrichen wird diese Einschätzung dadurch, dass
selbst Befürworter der Abschirmmöglichkeit von Erdstrahlen einen erheblichen Vorbehalt
gegenüber physikalischen und chemischen Einflussmöglichkeiten der Strahlen besitzen
(Oberneder 1967).
Ab den 40er Jahren wurden Geräte verkauft, welche hauptsächlich nur die von Wün-
schelrutengängern immer wieder festgestellten geophatischen Erdstrahlen neutralisieren
oder um- bzw. ablenken sollten. Ziel war hier die Vermeidung von Krebs und anderer
negativer Einflüsse auf Menschen und Tiere. In diesem Zusammenhang wiesen dem Wün-
schelrutenphänomen nahestehende Autoren auf Entfeuchtungserscheinungen im Mauer-
werk beim Einbau von diversen Kästchen und Apparaten hin. Wissenschaftlich nachvoll-
ziehbar oder explizit zweifelsfrei überprüfbar unterlegt sind die Literaturhinweise nicht.
Trotzdem wurde immer wieder in die Richtung experimentiert, dass die kosmischen
bzw. nicht messbaren Strahlen und Wirbel als Wirkprinzip der Mauerwerksentfeuchtung
genutzt werden könnten.
Das Einsatzgebiet der passiven Geräte wird in den letzten Jahren auf Feuchtebelastung
im Mauerwerk, verursacht durch Erdfeuchte oder Wasser ohne hydrostatischen Druck,
begrenzt. Feuchtebelastungen im erdberührten Mauerwerk durch drückendes Wasser kann
nach eigenen Angaben der Hersteller daher nicht mit diesen Verfahren beeinflusst werden.
Grundvoraussetzung eines ernsthaften Angebotes einer Mauerwerksentfeuchtung müssten
demnach die genaue Kenntnis der Wasserbelastung im Baugrund und die konstruktiven
Gegebenheiten am Objekt sein. Allerdings wird selten ein Baugrundgutachten von den
Anbietern abgefordert, sodass von einer Kenntnis der tatsächlichen Baugrundverhältnisse
in den überwiegenden Fällen nicht ausgegangen werden kann.
Dass ein unter Strahlung ausgesetzter Körper in Resonanz gehen kann und dann Eigen-
strahlung entwickelt, ist in der Physik unbestritten. Gleichfalls ist es eine physikalische
Gesetzmäßigkeit, dass Spannung durch Änderung eines magnetischen Feldes in einer
Spule bzw. eines Transformators induziert werden kann.
Eines der heute noch im Handel befindlichen Geräte ist der CAP-Kompensator, welcher
die Wirkung der schädlichen Reizstreifen, wie sie z. B. über geotektonischen Verwer-
fungen im Erdaufbau auftreten sollen, ausgleicht (kompensiert). Ziel des Einsatzes vom
Gerät ist wiederum vorrangig die pathogenen Einwirkungen auf den Menschen durch das
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren605
Umfeld zu minimieren. Auf Nachfrage wird aber auch ein gewisser Einfluss auf die Ent-
feuchtung von Mauerwerk vom Anbieter bestätigt.
Der CAP-Kompensator bestand aus zwei evakuierten, mit bestimmten Wirkstoffen
gefüllten Glasröhren (Geißler'sche Röhren) von 25 cm Länge. Das ganze Aggregat ist in
Glaswolle in einem festen Gehäuse von 285 x 25 x 45 mm eingebettet und mit einer ein-
gelassenen Abdeckplatte aus mattiertem Glas mit klarem Sichtfenster abgeschlossen. Jetzt
besteht er aus zwei Vakuum-Röhrchen, welche in einem Zementgehäuse eingebaut sind.
Der Kompensator entwickelte sich geschichtlich aus der Praxis der Radiästesie. Im
Bereich eines jeden Reizstreifens (Erdstrahlen) oder einer geophatischen Emanation
befindet sich ein vibrierendes Erdkraftfeld, welches durch seine Schwingungen die Eigen-
schwingung des Wirkstoffes in den Röhren anregt. Es entsteht eine Interferenz der beiden
Wellenfelder wodurch die Raumstrahlen gedämpft werden, was entsprechende Auswir-
kungen auf Mensch, Tier und als Nebenprodukt auf die Mauerwerksfeuchte haben soll.
Die Verkürzung der Wellenlängen der „Bodenraumstrahlen“ sollen diesen Effekt verursa-
chen (Piancenza) (Abb. 18.67).
Ein seit 1983 aus Österreich stammender Generator vom Erfinder Mohorn soll exis-
tierende masse- und richtungslose, materiedurchdringende hochfrequente Urenergie zur
Entfeuchtung von Mauerwerk ausnutzen. Der Generator, der sich früher in einem Weiden-
korb und jetzt in futuristisch anmutenden Plastegehäusen befindet, wird an einer Decke
aufgehängt (Abb. 18.68).
Die Funktionsweise des Gerätes wird durch eine Erweiterung der Energieformen aus
der Lehrphysik mit nicht messbarer und bezüglich ihrer Existenz unbewiesener kosmi-
scher Urenergie sowie aus einem daraus resultierenden Gravomagnetismus erklärt. Dass
diese Energieformen in der Wissenschaft nicht anerkannt sind, wird vom Erfinder des
Generators, Ing. Wilhelm Mohorn aus Österreich, auch nicht bestritten. (Mohorn 2005)
(Abb. 18.69).
Ich kann ihnen nicht im Einzelnen erklären, was an der physikalischen Erklärung, die zur
Methode (der Geräte) geliefert wird, falsch ist. Um falsch zu sein, müsste die Erklärung
irgendeinen Sinn haben. Den kann ich aber nicht erkennen. Was er (der Erfinder) über seine
Methode schreibt, ist nicht falsch, sondern Unsinn. (Wielandt 2005)
Der an der Universität Stuttgart tätige Spezialist und andere ernsthafte Wissenschaftler
verwerfen grundsätzlich den Denkansatz des Erfinders von gravomagnetischer Energie
und somit die angedachte Wirkungsweise seines Mauerwerksentfeuchtungsgerätes.
Gleich welche funktionelle Grundlage geäußert wird bleibt in der Summe festzustel-
len, dass keine der Strahlen, Wirbel und magnetischen Effekte durch die hoch entwi-
ckelte Physik wissenschaftlich nachgewiesen sind (Müller 2001). Der einzige bisherige
„Nachweis“ erfolgte durch Mutungen von Wünschelrutengängern. Glaubt man an die
Existenz der unbewiesenen Phänomene und deren Nachweis durch die Wünschelrute
ist noch immer kein Zusammenhang zu Entfeuchtungsmöglichkeiten im Mauerwerk
hergestellt.
Außer dem Umstand, dass die Anbieter der Geräte immer wieder auf Erfolge der Ent-
feuchtung und auf nicht zweifelsfrei auszuwertende Referenzobjekte hinweisen, ist ein
eindeutiger und reproduzierbarer Beweis der Funktion der Geräte nicht erbracht. Selbst
den Geräteanbietern positiv gegenüberstehende „Fachautoren“ und „Sachkundige“ bestä-
tigen eine hohe Versagensrate. Sie leugnen auch nicht, dass eine Vielzahl von Scharlatanen
und Schwindlern den Markt stellenweise infiltrieren (Grün 1996).
608 J. Weber
Grundsätzlich ist für einen ausgebildeten und ernsthaften Techniker die kritische
Prüfung von dargestellten Gerätefunktionen auf naturwissenschaftlich belegten Grund-
lagen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang dürfte das Jahrhunderte alte physikalische
Grundgesetz der Physik bezüglich des „Kräftespieles“ zwischen vorhandener und ein-
zutragender Energie Beachtung finden. Demnach müsste ein höherer Energieeintrag ins
Mauerwerk erfolgen, als die für den Wassertransport in den Kapillaren verantwortliche
Energie tatsächlich vorhanden ist.
Diese rein theoretische Betrachtung der Funktionsvoraussetzung ist noch nicht einmal
im Ansatz bei den auf dem Markt befindlichen Geräten wissenschaftlich nachgewiesen.
Die Autoren aus dem Bereich der Grenzwissenschaften verweisen auf gewisse zu vermu-
tende Modelle, welche jedoch bestenfalls noch nicht einmal die Grenzen der Grundlagen-
forschung überschritten haben.
Offenbar sind die Erfinder der passiven Gerätetypen selber stellenweise noch nicht von
der Funktionstüchtigkeit ihrer Anlagen überzeugt. In einer Patentschrift aus dem Jahr
1984 [Y] für ein Gerät, wo keine Energiezufuhr mit Ausnahme jener des Erdfeldes not-
wendig erscheint, ist zu lesen:
Durch ein solches Gerät kann möglicherweise dem Aufsteigen von Feuchtigkeit im Mauer-
werk entgegengewirkt werden.
dass eine zeitnahe signifikante Einflussnahme auf Mauerwerk im Sinne der Entfeuchtung
durch den Gerätetyp zweifelsfrei nicht erfolgen kann. Dieses negative Ergebnis hinsicht-
lich gewollter Entfeuchtungserscheinungen deckt sich mit den früher durchgeführten
Experimenten im Labor und an Gebäuden (Müller 2000; Venzmer 1991).
Letztendlich kann nur die Feststellung von Professor Dr. H. L. König zitiert werden,
welcher das Phänomen der Wünschelruten nicht grundsätzlich ablehnt (König und Betz
1989) und trotzdem bezüglich der Entstrahlungs- und Abschirmgeräte zu dem eindeutigen
Schluss kommt (Dietl 2001):
Hier werden auf physikalischem, wie auch auf biologischem Gebiet Behauptungen aufge-
stellt, die naturwissenschaftlich unhaltbar sind. Sowohl durch eigene sauber durchgeführte
Experimente wie auch durch sachliche Überlegung kommt man immer wieder zum gleichen
Ergebnis: Alle diese Verfahren haben keinesfalls die besonderen Eigenschaften, die deren
Erfinder und Verkäufer ihnen zuordnen. Somit ist generell vor allen diesen Vorrichtungen ...
zu warnen. (König 1986b)
Die aktiven Verfahren unterscheiden sich im Wesentlichen von den passiven Verfahren
dadurch, dass nicht kosmische bzw. irdische unbewiesene Wellen und Wirbel oder Erd-
strahlen zur Erklärung des Wirkprinzips herhalten müssen. Von den Geräten werden je
nach Gerätetyp elektromagnetische Wellen unterschiedlicher Frequenzen ausgestrahlt,
welche unbestritten zum Grundwissen der Elektrophysik gehören (Abb. 18.73).
Die meisten theoretischen Erklärungsversuche der Anbieter sind derart, dass davon aus-
gegangen wird, dass durch die Aussendung elektromagnetische Wellen in unterschiedli-
cher Frequenzen die Ladungszustände in den mit Wasser gefüllten Kapillaren neutralisiert
oder beeinflusst werden.
610 J. Weber
Das damit u. a. angesprochene Strömungs- oder Zeta-Potenzial, welches durch die Bewe-
gung der Wassermoleküle in den Kapillaren von einem porösen Baustoffe infolge der elek-
trischen Ladung zwischen Kapillargrenzschicht und den Wassermolekülen entsteht, soll in
seiner Entstehung behindert werden. Nach der Aufhebung der Potenziale bzw. Kapillar-
kräfte sollen aus dem physikalischen Verständnis der Anbieter heraus entweder die freibe-
weglichen Wassermoleküle auf der Basis der Schwerkraft Richtung Erdreich absinken oder
bei dem Vorhandensein von Verdunstungsflächen in der Raumluft diffundieren. Dadurch
sollen die Bauteile langfristig bis zur Sorptions- bzw. Ausgleichsfeuchte abtrocknen.
Bezüglich der Theorie der möglichen Beeinflussung der Richtungsänderung von Was-
sermolekülen wird durch die Hersteller auf den Nobelpreisträger Prof. Dr. Richard Ernst
verwiesen (Gutzat 1995). Der Preis für R. Ernst wurde allerdings in Anerkennung des Bei-
trages zur Entwicklung der „Spektroskopie-Methode“ auf Grundlage der Kernresonanz
vergeben. In dieser Arbeit wird der Zusammenhang zwischen äußeren Magnetfeldern und
die damit verbundene Ausrichtung und die veränderten Energiezustände von Atomkernen
entwickelt. In keiner wissenschaftlich begründeten Veröffentlichung zu der Theorie über
Effekte der Kernresonanz oder der elektromagnetischen Wellen im Sinne von Prof. Ernst
ist von einer „Veränderung der Bewegungsrichtung“ der Wassermoleküle in Baustoffen
die Rede. Insofern kann sich nicht ernsthaft auf den Verfasser berufen werden, wenn es
sich um eine gewollte Änderung der Transportrichtung der Wassermoleküle im Mauer-
werk handelt (Abb. 18.74).
Die elektromagnetischen Wellen sind noch nicht im Zusammenhang mit der Zielstellung
einer Mauerwerksentfeuchtung umfassend und auf wissenschaftlich basierenden Grundla-
gen in ihrer Wirkung experimentell überprüft worden. Von den Anbietern der Geräte ist die
tatsächliche Ursache der angepriesenen Abtrocknung nicht theoretisch nachvollziehbar
erforscht. Die Aussicht auf Erfolg solcher grundsätzlichen Ziele wird von Fachwissen-
schaftlern derzeit als vernachlässigbar eingestuft.
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren611
Grund hierfür sind die fehlenden Ansätze bezüglich der Einflussmöglichkeit von Hertz-
schen Wellen (Mittel- und Langwellen) auf Kapillarwasser und Kapillarkräfte. Die Kapil-
larkräfte werden laut Arendt (Arendt und Seele 2001) hauptsächlich durch drei Faktoren
bestimmt:
• dem Kapillardurchmesser
• dem Benetzungswinkel zwischen Flüssigkeit und Kapillarwand (bei Wasser und silika-
tischen Flächen immer 0 Grad)
• der Oberflächenspannung der Flüssigkeit
Eine Vielzahl von Anbietern weisen ehrlicherweise darauf hin, dass die Wirkprinzipien
ihrer Anlagen noch weitestgehend unerforscht sind und sie augenblicklich nur über Erklä-
rungsversuche und Denkmodelle verfügen.
Die von den Herstellern der Geräte gepriesenen Erfolge in der Praxis sind derzeit hinsicht-
lich Ursache und Wirkung theoretisch nicht ernsthaft bewertbar. Der Hinweis, dass die Natur-
wissenschaften und auch die entwickelte Physik nicht alle bekannten Phänomene der Natur
vorerst ausreichend erklären kann, wird in diesem Zusammenhang immer unterstrichen.
Ob und wie durch elektromagnetische Wellen Einfluss auf die Kapillarkräfte auszuüben
ist, muss noch wissenschaftlich erforscht werden. Elektromagnetische Wellen besitzen
die Eigenschaft, dass bei dem Auftreffen auf einen Körper ein Teil absorbiert und ein
Teil reflektiert wird. Der absorbierte Teil der Wellen wird rein theoretisch zu einer Erwär-
mung des Körpers und einer Anregung zu Resonanzschwingungen von Wassermolekülen
führen. Die Auswirkung auf den Körper ist im Wesentlichen von der Wellenart und der
Feldstärke abhängig.
Bei Mikrowellen sind positive Ansätze zu vermuten, da diese in der Bautentrocknung
bereits erfolgreich in den letzten Jahrzehnten eingesetzt werden. Es kann jedoch davon
612 J. Weber
Ein Gerät der Firma „ECODRY“ verfolgt ebenfalls durch die Aussendung niederfre-
quenter, langwelliger elektromagnetischer Impulse das Ziel, dass diese mit der elektro-
statisch geladenen Feuchte im Mauerwerk in Resonanz tritt. Nach Meinung der Erfinder
handelt es sich um ein elektrokybernetisches System und wird wie folgt erklärt:
Das ausgesendete dynamische Magnetfeld soll bei seinem Auftreffen auf die Wassermoleküle
einen schwachen Energieeintrag einbringen, der ausreicht, die elektrochemische Harmonie
(Balance) der Wassermolekül-Cluster in den Kapillaren zu stören. Das pulsierende Magnet-
feld des Systems greift somit unmittelbar in die Molekularstruktur des Wassers in den Kapil-
laren ein. Die kapillare Saugkraft wird erheblich gemindert, die Gravitationskraft bekommt
das Übergewicht und „zieht“ die Wassermoleküle sowie ein Teil der gelösten Salze wieder
Richtung Erde. (Büsch 2011)
Bauwerk“ festzustellen war. Das Zertifikat war für 2010/2011 ausgestellt, ist aber wieder
zurückgenommen. Es gab Differenzen über die Beurteilung des Messverfahrens zwischen
den Vertragspartnern und über die Abhängigkeit von temporären Klimaeinflüssen mit der
vereinbarten Messmethode. Ein weiterer Versuch mit einer kontinuierlichen Aufzeich-
nung des Entfeuchtungsprozesses mit entsprechender Sensortechnik und mit Datalogger
sollte folgen (Abb. 18.82). Bisher sind neue Untersuchungsergebnisse nicht bekannt.
Ein weiteres Wirkprinzip außerhalb der hauptsächlich durch Hertzsche Wellen gekenn-
zeichneten Funktionsweisen sind impulsartig erzeugte Wellen, Skalarwellen (Meyl 2002)
oder „Wirbel mit entstehenden kugelartigen Gebilden, die weiterhin mit Lichtgeschwin-
digkeit rotieren“ (Vill 2002). Dabei basiert bei diesen Gerätetypen das Wirkprinzip auf
Theorien der konträr diskutierten Grundlagenforschung von Prof. Meyl (1990, 2002).
Nach dem theoretischen Wirkprinzip hat jeder Impuls einen Anteil von longitudinalen
Wellen. Falls die Existenz von den so genannten Skalar- oder Tesla- Wellen durch die wis-
senschaftliche Forschung bestätigt wird, der bisher nachgesagte Charakter der Wellen und
Wirbel auch tatsächlich eintritt und der Anteil der Hertzschen Welle beim Impuls durch
die Form der Spule gesenkt werden kann, dürfte eine weitere theoretisch mögliche Ent-
feuchtungsvariante für die Diskussion in der Fachwelt zur Verfügung stehen.
Eine kritische und experimentelle Auseinandersetzung mit der Idee der Skalar- oder
Tesla- Wellen ist nur von dem Erfinder Dipl. Ing. Werner Schwille in Kirchheim bei
München, einem auf dem Gebiet der Hochfrequenztechnik ausgebildeten Ingenieur, aus
den Jahren um 2011 bekannt. Die Basis des Modells ist, dass elektrische longitudinale
Wellen eine Beeinflussung des Kapillarwassers im Mauerwerk bewirken. Durch spezielle
Spulen und elektrotechnische Generatoren soll aktiv ein Anteil von longitudinalen Wellen
im Bereich der elektromagnetischen Impulse erzeugt und für eine Entfeuchtung im Mauer-
werk ausgenutzt werden. Die damaligen Untersuchungen sind durch den Einsatz privater
Mittel sehr eingeschränkt gewesen und man kann nur hoffen, dass sich die Wissenschaft
der Problematik von den Wellen und den Potenzialwirbel noch neutral annimmt.
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren617
Abb. 18.82 vom TÜV geprüftes Gerät mit Zertifikat. a Zertifikat. b Zertifikat
Nach Auskunft des Erfinders Schwille müssen bei diesem Verfahren gewisse Voraus-
setzungen vor Ort herrschen, die vor Inbetriebnahme des Gerätes elektrotechnisch geklärt
werden müssen. Erstens muss es sich bei einer zu entfeuchtenden Mauer um aufsteigende
Feuchtigkeit handeln, die durch eine fehlende Horizontalsperre direkt aus dem Erdreich
verursacht geworden ist.
Weiterhin muss dann messtechnisch ermittelt werden, dass die Mauer auch eine aus-
reichend niederohmige Verbindung zur Hauserde bzw. Fundamenterder besitzt. Die zu
sendende Welle muss überhaupt in der Lage sein, an eine geerdete und feuchte Mauer
anzukoppeln, um über die Erde bzw. Fundamenterder wieder zum Gerät zurückzukehren.
Die Aussendung der Welle muss kugelförmig erfolgen, um in allen Richtungen gleiche
Feldstärke zu erhalten. Frequenzen und Pulsformen müssen so erzeugt werden, dass die
618 J. Weber
Welle diese Bedingungen an eine Kopplung mit der Wand überhaupt vollzieht. Wenn
die Feldstärke nun eine bestimmte Höhe erreicht und damit eine Kopplung an die Wand
möglich macht, wird ein kleiner Stromfluss generiert, der die kapillare Feuchtigkeit so
beeinflusst, dass die Bindungskräfte in den Grenzschichten aufhebt und somit die aufstei-
genden Kräfte eliminiert. Der Erfinder Schwille gibt an, ein Gutachten erhalten zu haben,
was bei einem Einfamilienhaus einen Stromfluss von 7,85 mA nachweist (Abb. 18.83). Im
Keller eines Mehrfamilienhauses wurde nach Aufstellung des Gerätes keine Abtrocknung
des Mauerwerkes durch den Verfasser messtechnisch nachgewiesen. Das Mauerwerk war
durch aufsteigende Feuchtebelastung gekennzeichnet. Trotzdem erfolgte keine Feuchte-
reduzierung. Die Ursache des fehlenden Erfolges wurde nicht untersucht.
Der theoretische Ansatz, dass mittels gepulster bzw. ungepulster elektromagnetischer
Wellen oder durch longitudinaler Wellen eine Beeinflussung des Mauerwerkpotenziales
und andere für aufsteigende Feuchtigkeit im Mauerwerk verantwortlichen Kräfte möglich
ist, sollte für die Wissenschaft als erforschbar eingestuft werden. Eine vornehme Zurück-
lehnung des akademisch ausgebildeten Personenkreises mit Hinweis auf den derzeitigen
Stand der Wissenschaft ist für die Entwicklung der Bautechnik nicht hilfreich und bringt
weder Befürworter noch Kritiker der in Fachkreisen umstrittenen Anlagen einen entschei-
denden Vorteil (Abb. 18.84).
Nach dem Stande heutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse kann die beabsichtigte Wirkung
der Strahlungsgeräte nicht eintreten.
Anfang der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts beharrten einige Wissenschaftler ohne ernst-
hafte Beschäftigung mit der Sache darauf, dass die Apparate „Schwindel sein und einen
unerlaubten Eingriff in das Volksvermögen darstellen“. Zwei experimentelle Überprüfun-
gen an der Technischen Hochschule München durch Prof. Dr. von Angerer ab Mai 1932
und durch Prof. Dr. Walther Gerlach, ab Dezember 1932 am Lehrstuhl für Physik schienen
durch ihre negativen Ergebnisse die Meinung der überwiegend medizinisch ausgebildeten
Berufskollegen zu bestätigen (Wetzel 1933).
Aber auch Dr. A. Ebert von der Preußischen Geologischen Landesanstalt kam durch
Versuche im Jahr 1932 zu einem negativen Ergebnis (Venzmer 1955; Zeitschrift 1932).
Ziel der Versuche war es allerdings vorrangig die Wechselwirkung zwischen den postu-
lierten Erdstrahlen und den Abschirmgeräten aus der Blickrichtung der Wünschelruten-
gänger zu überprüfen (Wetzel 1933). Ob die Versuchsanordnungen und Randbedingungen
mit Recht durch Befürworter der Wünschelruten kritisiert wurden, ist im Nachhinein nicht
ernsthaft zu bewerten.
Letztendlich ist es erstaunlich, dass trotz der erheblichen Zweifel hinsichtlich der
Existenz der Erdstrahlen in dieser Zeit sich trotzdem der Apparatebau und Handel mit
Abschirmgeräten enorm ausbreitete. Dieser Umstand kann nur dadurch erklärt werden,
dass tatsächlich durch die vielen Veröffentlichungen über den geäußerten Zusammenhang
zwischen Erdstrahlen und Krebs (von Pohl 1932) der Bedarf für Abschirmgeräte in der
Bevölkerung künstlich und bewusst geschaffen wurde. Bei den hohen Gewinnanteilen von
bis zu 80 % pro verkauftem Gerät ist die intensive Werbung nicht verwunderlich.
Im Jahre 1953, in dem die spätere Trennung zwischen Wünschelrutengängern und
Technikern, die sich mit Abschirm- bzw. Entstörungsgeräten befassten, noch nicht einmal
ansatzweise vermutet werden konnte, hat ein bekannter Rutengänger die Gegebenheiten
so zusammengefasst:
Leider haben sich die wenigsten Rutengänger mit dem Wesen der Erdstrahlungsenergien
genügend vertraut gemacht; sie haben einfach drauflos experimentiert und die unmöglichsten
Abschirmapparate erfunden und eingebaut, manchmal um teures Geld. (Wetzel 1953)
Weiter wird von dem ansonsten zweifelsfreien Befürworter der Apparate darauf hingewie-
sen, dass durch diese „Basteleien“ die Misserfolge zwangsläufig nicht ausbleiben könnten
und zudem durch solche „wilde Abschirmerei“ das allgemeine Misstrauen gegen jedes
Abschirmverfahren genährt wird (Wetzel 1953). Dieser Umstand ist bis heute zu beklagen
(Abb. 18.85).
Da das Wünschelrutenproblem und die damit bis vor ca. 80 Jahren eng verbundene Ent-
wicklung der Abschirmung- und Entstörungstechnik in den Bereich der Parawissenschaf-
ten eingestuft und somit von der ernsthaften Naturwissenschaft für nicht untersuchungs-
würdig gehalten wurde, blieb das Interesse der Beschäftigung in neutralen Fachkreisen
vernachlässigbar gering.
Bis ca. Anfang der 90er Jahre hinein waren nur wenige mit der Forschung vertraute
Wissenschaftler mit Problemen der Wünschelrutenphänomene und im speziellen mit der
Funktionsweise bzw. den Wirkprinzipien der Entstörungsapparate ernsthaft beschäftigt.
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren621
Abb. 18.85 Das Innenleben eines „Heinkel-Gerätes“ besteht aus einer Phantasieschaltung.
(Brüche 1962)
Diese Periode war eher dadurch gekennzeichnet, dass sich zum einen die selbsternann-
ten Fachleute ohne physikalische oder technische Ausbildung durch Veröffentlichungen
zu Wort meldeten. Die Autoren waren fast ausschließlich Wünschelrutengänger. Selbst
die Befürworter der Radiästhesie und der möglichen Abschirmung von Erdstrahlen und
Ähnlichem äußerten Befremden über diese Artikel und mahnten zeitweise energisch zur
Versachlichung.
Gerade die Artikel in der Vereinszeitung „Radiästhesie“, in der fast ausschließlich über-
zeugte Rutengänger und Pendler zu Wort kamen, waren nicht mehr zwischen wirklichen
und vermeintlichen Möglichkeiten auf dem Gebiet der Abschirmung zu unterscheiden.
Nach Ansicht des langjährigen 1. Vorsitzenden des Vereins der Radiästheten, Dr. Wetzel
(1888–1956), wird der Glaubhaftigkeit eines gesamten Berufszweiges durch derart utopi-
sche Erzählungen in verschiedenen Medien von Rutengängern über ihre Abschirmergeb-
nisse schweren Schaden zugefügt. Tatsächlich sind vielfach Ergebnisse bei der Aufstellung
von Abschirmgeräten beschrieben, die bei Abwägung aller auch möglichen Umstände,
eine zumindest halbwegs bodenständige Meinung vermissen lassen.
So lassen die Beschreibungen der Erhöhung der Milchproduktion bei Kühen durch die
Aufstellung eines Abschirmgerätes in einem Stallgebäude und der Wunsch des betreffen-
den Bauern noch ein weiteres Abschirmgerät zu erwerben (Kopp 1965), um die Produk-
tion noch effizienter zu gestalten, jeglichen Realitätssinn vermissen. Gleiches gilt für Ver-
öffentlichungen bezüglich des Einsatzes der Geräte mit dem Ziel, die Brennleistung von
Öfen und anderen Heizungen zu erhöhen oder eine schnelle Verbesserung der Atemluft zu
erhalten (Zeitschrift für Radiästhesie 1954).
Zum anderen ist dieser Zeitabschnitt aber auch von zahlreichen veröffentlichten
Abhandlungen gekennzeichnet, welche von einem akademisch ausgebildeten Personen-
kreis erstellt sind. Die fehlende Unvoreingenommenheit und Neutralität, die die Grundlage
glaubwürdiger Wissenschaftler ist, wertet die veröffentlichten Meinungen jedoch erheb-
lich ab. Hinzu kommt, dass auffallend viele Mediziner sich über physikalisch umfassende
622 J. Weber
und komplizierte Sachverhalte äußern, ohne außer ihrer Erfahrung als Wünschelruten-
gänger und praktizierende Mediziner über ein physikalisches Grundwissen zu verfügen.
So kann man ihren Arbeiten zwar einen gewissen Respekt entgegenbringen, eine wirk-
lich brauchbare Theorie zur Beschreibung der physikalischen Vorgänge bei der Abschir-
mung von Reizstreifen oder Entfeuchtung von Mauerwerk ist jedoch nicht einmal im
Ansatz bemerkbar.
Der auffälligste Radiästhet und kritische Verfechter von der Funktion der damaligen
Entstrahlungsgeräte war wohl der Mediziner Dr. Wüst (Wüst 1960). Er zweifelte an der
Wirksamkeit der Geräte zur Beseitigung von hauptsächlich geophatogene Problemen.
Nur als Randerfolg wird auch von ihm und anderen Autoren (Zeitschrift für Radiästhesie
1954) die Entfeuchtungen von Mauern mit angesprochen. Seine Veröffentlichungen sind
für den Fachbereich Bauphysik gar nicht verwertbar. Diese Einschätzung ist von allen Ver-
öffentlichungen verschiedener Autoren aus dem Winkel der Radiästhesie bis in die heutige
Zeit hinein zu verzeichnen. Im Vordergrund der Artikel standen die Probleme der Krebs-
bildung beim Menschen und der Fortpflanzung sowie Milchausbeute bei Tieren durch die
Neutralisation von Erdstrahlen (Abb. 18.86).
Der wohl bekannteste Physiker nach Hermann v. Helmholtz, welcher sich mit den Ent-
strahlungsgeräten auseinander setzte, war Prof. Dr. Brüche. Der Mitkonstrukteur des elek-
trostatischen Elektronenmikroskopes veröffentlichte 1962 eine umfangreiche Abhandlung
zum Problem der Wünschelrutenphänomene (Brüche 1962). Eine zitierte „Trockenlegung
von Räumen in zwei Kirchen“ wird bei ihm unter dem Titel „Positive Laienbegutachtung“
geführt und in keinster Weise in seiner Eigenschaft als Physiker kommentiert. Die nach-
folgenden Schlussbemerkungen geben Aufschluss über seine Gesamteinschätzung der
Wirkungsweise der Abschirmgeräte:
Abschirmgeräte sind bei unserer heutigen Kenntnis hinsichtlich der möglichen Wirksamkeit
völlig unverständlich; die angeblichen physikalischen Beweise der Wirksamkeit sind nicht
überzeugend. Es wird vermutet, dass in der Mehrzahl der positiven Beurteilungen Suggestiv-
wirkung oder Nebenumstände zur Täuschung geführt haben. (Brüche 1962)
Zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommt der Physiker Prof. Betz 1990 (Betz 1990),
welcher an der Ludwig- Maximilians-Universität in München lehrte und mit Prof. König,
die vom Bundesforschungsministerium finanzierte Studie über „Erdstrahlen“ leitete. In
dieser sehr umfassenden und in Deutschland einzigartigen Studie auf wissenschaftlicher
Basis werden die Erdstrahlen als Phänomen zur Forschung im Rahmen der etablierten Wis-
senschaften angemahnt. Die Möglichkeit einer effizienten Beeinflussung von Erdstrahlen
durch Abschirmgeräte wird hingegen als Unfug bezeichnet (König und Betz 1989).
Ab Mitte der 90er Jahre sind infolge der Trennung zwischen der Radiästhesie und den
Herstellern der Abschirmgeräte dahingehend Veränderung festzustellen, dass die teilweise
ingenieurtechnisch ausgebildeten Anbieter der Geräte ernsthafte Erklärungsversuche der
Wirkprinzipien unternehmen.
Unterstützung erhalten sie von einzelnen Physikern und Architekten, ohne dass diese
Wissenschaftler sich auf dem Gebiet der Mauerwerkssanierung explizit auskennen oder
sich „nur“ zur Grundlagenforschung auf diesem Gebiet bekennen. In einigen Passagen der
umfangreichen Veröffentlichungen werden die Auswirkungen angedachter und teilweise
theoretisch begründeter Phänomene für die Bauwerksentfeuchtung angerissen (Meyl
1990) oder zumindest die Möglichkeit der Existenz von noch unbewiesenen Strahlen dis-
kutiert (Benschowski 1997; König 1986; König und Betz 1989; Schauer 1988).
Es ist gegen Ende des 20. Jahrhunderts ein fast ausschließliches Abrücken von der früher
vertretenen „Erdstrahlentheorie“ bei den Anbietern der aktiven Entfeuchtungsgeräte fest-
zustellen. Das Wort „Erdstrahlen“ wird vermieden und durch verschiedene inhaltslose
Wortschöpfungen oder durch Termini aus der Grundlagenforschung ersetzt. Letztendlich
wird eine komplette Trennung von den Wünschelrutenphänomen vorgenommen, indem
wissenschaftliche oder paraphysikalische Erklärungsversuche an die Stelle der früheren
Theorien rücken. Diese „neuen“ Modelle haben allerdings das frühere Problem der Erklä-
rungsversuche nicht entscheidend verändert, da auch hier der exakte wissenschaftliche
Nachweis fehlt.
Nach geltender Lehrmeinung der Physik ist das elektrische Feld wirbelfrei. Ab 1990
unternimmt der Physiker Prof. Meyl den Versuch auch im elektrischen Feld Wirbel anzu-
nehmen. Um diese strikt von den wissenschaftlich anerkannten Wirbeln der Strömungs-
lehre zu trennen, werden sie von ihm als „hydrotische Wirbel“ in die Grundlagenfor-
schung eingeführt (Meyl 1990). Bei der Skizzierung der möglichen Auswirkung solcher
Wirbel auf noch unerforschte Phänomene in der Natur wird in der Veröffentlichung auch
ein eventueller Einfluss auf die Mauerwerksfeuchte angedeutet. In Wirbeln gebundene
Feuchtigkeit aus unterirdischen Wasserläufen soll danach die Mauerwerksfeuchtigkeit
verursachen.
Dieser als Diskussionsbeitrag für die Bauphysik angedachte Hinweis wird von Befür-
wortern der Entfeuchtungsgeräte sofort unkritisch aufgenommen und in eigenen Aufsät-
zen als wissenschaftlich fundiertes Wirkprinzip aufbereitet (Vill 2002). Damit wurde die
für die Grundlagenforschung bestimmte Andeutung zweckentfremdet und vorschnell für
die theoretische Erklärung des noch fehlenden Wirkprinzips der Entfeuchtungsapparate
herangezogen.
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren625
Völlig wertlos wird aber jede Arbeit, wenn sie nicht unvoreingenommen geleistet wird.
(Fritsch 1940)
Durch die überwiegend strikte Abwehrhaltung der Befürworter und Gegner bezüglich einer
experimentellen Zusammenarbeit wird sich in den nächsten Jahren ein Erkenntnisschub
626 J. Weber
Der Ansatz von den Befürwortern der passiven Entfeuchtungsgeräte ist technisch und
schon gar nicht aus physikalischen Gesetzmäßigkeiten heraus zu erklären.
Bis zum heutigen Tag hat die Einschätzung von Helmholtz vor mehr als 110 Jahren
immer noch volle Gültigkeit, dass nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand
eine beabsichtigende physikalische Wirkung der Geräte nicht erwiesen ist. Ob sich dies in
absehbarer Zeit ändert, ist bei den Geräten auf der Basis von erd- und kosmischer Strah-
lung nicht zu vermuten. Bei den Geräten mit elektromagnetisch Wellen muss die weitere
Entwicklung mit kritischen Blick abgewartet werden (Klecka 2005).
628 J. Weber
18.6.6 Qualitätssicherung
Aus vielfältig anderen Gründen sind alle erdenklichen und für Laien erklärbaren Geräte-
typen auf dem Markt. Angefangen von ernsthaft gemeinten aber unbewiesenen und eher
vermuteten Wirkprinzipien der gebauten Schaltkreise bis hin zu völlig abwegigen mysti-
schen Konstruktionen aus losen unverbundenen Kupferdrähten sowie unsinnigen primiti-
ven Geräteinhalten ist alles vorzufinden (Abb. 18.89).
Das dann noch „Geschäftemacher“ bei den sehr hohen und im Bauwesen untypischen
Gewinnspannen auf dem Gebiet der Mauerwerksentfeuchtung mitmischen, ist mit sehr
hoher Wahrscheinlichkeit auch bis in unsere heutige Zeit anzunehmen. Verfolgt man selbst
die Literatur der letzten Jahrzehnte von Anbietern der Geräte ist immer wieder von Schar-
latanen und Betrügern (Wetzel 1933; Brüche 1962) im Zusammenhang mit der Aufstellung
der Geräte die Rede. Diese Tatsache führte zu erheblichem Unmut in der eigenen Branche,
da die von der Wirkung überzeugten Anbieter sich in ihrem Handel geschädigt sehen.
Bereits in den 50er Jahren wurde daher ein Verein von Wünschelrutengängern gegründet,
der einen gewissen Qualitätsstandard der im Handel befindlichen Geräte absichern sollte.
Vorfahre der 1963 gegründeten und jetzt noch bestehenden ähnlich strukturierten
EURAFEM war die im Jahr 1954 gegründete „Arbeitsgemeinschaft Entstörungstechnik“
(AET). Dort schlossen sich Konstrukteure und Vertriebe zusammen, um endlich „Ordnung
und Sauberkeit in das deutsche Entstörungswesen zu bringen“ (Zeitschrift für Radiäs-
thesie 1954). Dies machte sich aus Sicht der Gründungsmitglieder und des Verbandes
der Ruten- und Pendelkunde e. V. aufgrund der ärgerlichen Wirkungslosigkeit der ange-
brachten Geräte und der den Markt belastenden „Nachbastler“ und Scharlatane notwendig
(Zeitschrift für Radiästhesie 1954).
Die Zielstellung der AET sollte dadurch erreicht werden, dass mittels einer Zertifizierung
von Geräten der Vereinsmitglieder deren Brauchbarkeit für Dritte aber vor allem für Laien
auf dem Gebiet nachgewiesen werden soll. Wodurch diese Absicherung zu begründen ist,
Abb. 18.89 Kraftfeldlinien zweier Spielzeugmagneten, die, in ein Holzkästchen eingegossen, ein
Entstrahlungsgerät ergeben sollen. (Brüche 1962)
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren629
kann aufgrund der fehlenden Nachweise und Prüfberichte nicht eingeschätzt werden. Es
bleibt aber zu vermuten, dass alle Gerätehersteller im Verein Mitglied waren und somit
ihre eigenen Produkte selber überprüften. Dass dadurch die positive Bewertung in der
Nähe von 100 % gelegen haben muss, ist naturgemäß.
Die 1963 gegründete „EURAFEM-Europäischer Arbeitskreis für Mauerwerkssanie-
rung e.V.“ gibt ihren aktiven Mitgliedern heute noch die Möglichkeit, selber entwickelte
Technologien und Geräte zertifizieren zu lassen. Die Mitglieder müssen drei Objektbe-
richte einreichen, die dann als Grundlage der Zertifizierung von einem Team des Vereins
geprüft werden (Homepage EURAFEM 2015, www.eurafem.eu/zertifizierung.html).
Das frühere und jetzige Verfahren der „Selbstreinigung“ ist daher wenig überzeugend
und führt sicher nicht zu einer neutralen Bewertung der Funktionstüchtigkeit der Geräte,
auch wenn man eine gewisse Ernsthaftigkeit des Vorhabens voraussetzt. Die Zielstellung
konnte unter dem Vereinsnamen „AET“ mit ihren Mitgliedern nicht näherungsweise
erreicht werden. Nur durch Zertifizierung sogenannte funktionstüchtige Geräte auf den
Markt zubringen, wird sicher auch in dem jetzigen aktiven Verein der „EURAFEM“ eine
bloße Wunschvorstellung bleiben.
Die von dem Verein ausgestellten Zertifikate halten einer wissenschaftlich durchgeführ-
ten Qualitätsprüfung nicht Stand. Allein schon das Fehlen „genormter“ Prüfungsvoraus-
setzungen, allgemein verbindlicher Vorschriften und die Nichtzulassung von neutralen
Sachkundigen an den Prüfungen lassen jede notwendige wissenschaftliche Sachlichkeit
vermissen. Hinzu kommt die Tatsache, dass für fast alle vermuteten und ausgelobten Phä-
nomene immer noch keine Messtechnik zur Verfügung steht (Oberneder 1967), auch wenn
ansonsten kleinste Teilchen aus dem Weltraum messtechnisch für den Physiker keine Pro-
bleme mehr darstellen (Abb. 18.90).
Um das Problem der Beweisführung der Funktionstüchtigkeit der Geräte über Phäno-
mene der Grenzwissenschaften bei öffentlichen Diskussionen in Zeitschriften und in der
Fachliteratur nicht allzu sehr beleuchten zu müssen, werden Textstellen oder Aussagen
von anerkannten Wissenschaftlern von den Vertretern der Geräte falsch zitiert oder ein-
seitig wiedergegeben (Bromm 2007). Bei intensiver Beschäftigung mit der diesbezüg-
lich angegebenen Literatur ist diese typische Handlung erkennbar. Ein Laie auf dem
Gebiet der Elektrotechnik oder Bauphysik wird diese falschen Interpretationen nicht
erkennen.
Zum Beispiel wird in einer Veröffentlichung von einem früheren Vertreter der „Phylax-
Geräte“ (Kopp 1965) in der Schweiz, der Miterfinder des elektrostatischen Elektronen-
mikroskops, Prof. Brüche, in seinen Textstellen in einer Art berücksichtigt, die mit Sicher-
heit von Brüche nie so gewollt war. Dass Brüche mehrmals den nachfolgenden Satz von
Helmholtz (Zeitschrift 1954) unterstrichen hatte und die Apparate „moderne Amulette“
nannte, wurde in dieser Veröffentlichung des Befürworters der Entstrahlungsgeräte über-
haupt nicht erwähnt:
Nach dem Stande heutiger wissenschaftlichen Erkenntnisse kann die beabsichtigte Wirkung
der Strahlungsgeräte nicht eintreten. (Prof. Brüche 1954 in Zeitschrift „Die Umschau“)
630 J. Weber
G. Venzmer vertrat 1955 die Ansicht, dass es tragisch sei, „ dass die Gesetzgebung der
Bundesrepublik keine Handhabe gibt, um unwissende, gutgläubige und geschäftlich
unerfahrene Menschen vor den mit den Erdstrahlen und ihrer „Abschirmung“ betriebenen
gemeinschädlichen Schwindel zu schützen“ (Venzmer 1955). Seit 1938 wurde die diesbe-
züglich zu schließende Lücke vom Amtsgerichtsrat W. Kallfelz angemahnt und bis heute
ist eine entsprechende Reaktion der Gesetzeshüter in der Sache ausgeblieben.
Dabei wird immer wieder rechtlicher Beistand von der einen oder anderen Seite gesucht.
Die bisherigen geführten Prozesse haben zu keiner eindeutigen Entscheidung geführt. In
den Jahren 1932–1934, in denen die Abschirmungsgeräte explosionsartig in den Handel
kamen, regte sich ein erbitterter Widerstand vonseiten der Lehrphysik und einiger Ämter.
Die Rechtsprechung sah keine Notwendigkeit den Verkauf der Apparate zu unterbinden.
Zivil- und Strafprozesse sind mit dem Hintergrund der Verunglimpfung und der Heilmit-
telverbreitung und nicht aufgrund der physikalischen Unbrauchbarkeit der Geräte geführt
worden.
In einem Prozess 1953 wurde dem Hersteller des Entstrahlungsgerätes „Phylax-Appa-
rate“ in den ersten Instanzen und beim Oberlandesgericht Celle zugestanden, dass ein Arzt
unter Strafandrohung keine geschäftsschädigenden Äußerungen mehr in der Öffentlichkeit
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren631
über das Entfeuchtungsgerät machen darf. Der Beklagte hatte in Aufsätzen von „Zauber-
kästchen“, „Geschäftemachern mit Entstrahlungsgeräten“ und von Geräten mit „völliger
Wirkungs- und Wertlosigkeit“ geschrieben. Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil ca. 8
Jahre später aufgehoben und sinngemäß festgestellt:
Der Hersteller solcher Geräte müsse sich schon eine derartige Kritik gefallen lassen, wenn er
nicht in der Lage ist, über die Wirkungsweise der Geräte irgendwelche Angaben zu machen,
die der exakten wissenschaftlichen Nachprüfung zugänglich sind. Der Bundesgerichtshof
meint ferner, dass die Kritik in einem Ton gehalten werden dürfe, die für den von dem Fabri-
kanten umworbenen Abnehmerkreis verständlich sei. (Brüche 1962)
Hingegen wurde ein strafrechtlicher Tatbestand des Betruges bei den Anbietern der Appa-
rate auch nicht gesehen (Zeitschrift für Radiästhesie 1956), da die Anbieter nicht den
grundsätzlichen Erfolg der Geräte behaupten und zudem bei einem Misserfolg die Wand-
lung (Rücknahme) oder Auswechslung der Apparate vornehmen. Es bleibt zu vermuten,
dass sich diese prinzipielle Handhabung der Rücknahme zum Ziel hat, dass man nicht
wegen Betruges gerichtlich belangt werden kann (Wetzel 1953). Die höchstrichterlich
gefällten Urteile in Deutschland in den 50er und 60er Jahren bestätigen diese Zielstellung.
Bis heute ist der Nachweis des vermuteten Betruges im Zusammenhang mit dem Vertrieb
von manch seltsamer Konstruktion bei den „Zauberkästchen“ fast aussichtslos.
Letztendlich hat aber die deutsche Gerichtsbarkeit sich dahingehend geäußert, dass
immer noch der wissenschaftlich eindeutige Beweis gegen oder zugunsten der Geräte
fehle und die Rechtssprechung nicht dazu da sei, diese „Lücke“ auszufüllen.
In Österreich wurde die Firma Aquapol im Jahr 2001 verurteilt, dem Käufer eines pas-
siven Gerätes den einst bezahlten Betrag, 4 % Zinsen und andere Auslagen zu ersetzen
(Urteil des Bezirksgericht Wolfsberg vom 10.10.2001, 4 C 548/00h). Der vom Gericht
beauftragte Sachverständige stellte keine Abtrocknung nach der in Österreich geltenden
ÖNorm fest. Er bezweifelte aufgrund seiner naturwissenschaftlichen Ausbildung mit dem
Schwerpunkt Physik und Chemie, dass es eine verlustfreie Energieübertragung gibt, was
ein Perpetuum mobile darstellen würde. Aber auch er schränkt in seinem Gutachten ein,
dass er nicht beurteilen kann, ob die allgemein anerkannten naturwissenschaftlichen Pos-
tulate auf das konkrete Gerät zu übertragen sind. Das Urteil wurde in der zweiten Instanz
bestätigt (Urteil des Landgericht Klagenfurt vom 01.02.2002, 4 R 16/02y). Ähnliche
Urteile sind auch bei aktiven Gerätetypen anderer Hersteller aus Österreich gefällt (Urteil
des Bezirksgerichtes Schwaz 2 c 1122/05g – 52 vom 19.06.2007).
Nach dem Jahr 2000 wurden mindestens drei Prozesse an deutschen Amtsgerichten
geführt, wobei nur zwei von technischem Interesse sind. Bei diesem Prozess vor dem
Amtsgericht Landau in der Pfalz wurde von einem Einfamilienhausbesitzer gegen den
Verkäufer eines aktiven Entfeuchtungsgerätes auf Rückzahlung des Kaufpreises geklagt,
da der garantierte Trocknungserfolg laut Garantieurkunde im Mauerwerk nach 3 Jahren
ausblieb. Der Beklagte wurde zur Kaufpreisrückerstattung und der Zahlung von Zinsen in
Höhe von 5 % verurteilt (Urteil des Amtsgericht Landau vom 14.11.2004, C 57/2002 4 R
16/02y).
632 J. Weber
Grundsätzlich kann derzeit ein Kauf und eine Aufstellung eines Mauerwerksentfeuch-
tungsgerätes nicht empfohlen werden. Wird ein Kauf trotz der äußerst geringen Erfolgs-
aussichten und fehlenden wissenschaftlichen Erklärungen der Wirkprinzipien gewünscht,
sollten nachfolgende Hinweise beachtet werden:
allein ist bereits eine Abweichung von den eigenen Forderungen an Sorgfaltspflichten
bei der Vorprüfung der Randbedingungen zum Einbau der Geräte.
Dies ist dahingehend von Interesse, dass die Garantiebedingungen bei dem Versagen
der Geräte teilweise nicht greifen. Einige Hersteller versuchen eine gewollte Rückab-
wicklung des Kaufes durch den Käufer durch die Behauptung zu unterbinden, dass
ihnen die wahren Wasserverhältnisse im Baugrund verschwiegen wurden. Daher sollte
bei dem Kauf und der Aufstellung der Geräte ein schriftlicher Nachweis bei den Ver-
tragspartnern vorliegen, wie die hydrologischen Verhältnisse sich am Objekt darstellen.
2) In den meisten Fällen, in denen die Geräte eingebaut werden, erfolgt vor oder im Zeit-
raum der Betriebsdauer eine Veränderung der Randbedingungen, welche den Feuchte-
haushalt der Mauer auch ohne ein derartiges Gerät beeinflussen. Hierzu zählen u. a.:
–– Nutzungsänderung der betreffenden Räume
–– verändertes Heizungs- und Lüftungsverhalten
–– Entfernung des vorhandenen Wandputzes
–– Herstellung von Wandputz mit einem Sanierputzsystem
–– Sanierung von Entwässerungs- u. Grundleitungen
–– veränderte hydrologische Verhältnisse auf dem Grundstück
Mehrfach versuchen auch die Verkäufer der Geräte die vorgenannten Sachverhalte zu
empfehlen, um eine indirekte Beeinflussung der Feuchtebeaufschlagungen im Mauer-
werk oder eine „Kaschierung“ der Feuchte im Wandbereich zu erreichen. Daher sollte
beim Kauf der Geräte vom Käufer eine Veränderung der Randbedingungen nicht voll-
zogen werden, um eine Vergleichbarkeit der gemessenen Feuchtewerte in den Kontroll-
messungen zu garantieren.
3) Dass die Entfeuchtungsgeräte (früher Entstrahlungsapparate) als zu teuer eingeschätzt
werden, ist für die Jahre 1930 bis 1956 attestiert (Venzmer 1955). Einzelne Geräte
wurden für 40,00 bis 120,00 Reichsmark Anfang der 40er Jahre verkauft. Die Her-
stellungskosten dürften damals ca. 10,00 Reichsmark kaum überschritten haben. In
den Jahren um 1954 wurde von Sachverständigen der Herstellungswert eines geprüften
Abschirmgerätes auf 3 bis 4 DM geschätzt. Der Verkaufspreis belief sich hingegen mit
einer Verkaufsprovision von 50,00 DM auf 120,00 DM (Prokop und Wimmer 1985;
Venzmer 1955).
Der Umstand des extremen Gewinnanteiles beim Handel mit den Geräten ist heute
noch zutreffend, da die Herstellungskosten auch jetzt kaum 20,00 bis 90,00 € pro Gerät
betragen. Der Kaufpreis liegt hingegen zwischen ca. 4.000,00–6.000,00 € pro Gerät.
Da ist selbst die „kostenlose“ Bauwerksanalyse und nach dem Geräteeinbau die ver-
sprochene Betreuung nicht geeignet, die Einschätzung der Kaufpreishöhe abzuändern.
4) Der Vertragspartner (Verkäufer) muss sich allumfassend von den örtlichen Gegeben-
heiten am Objekt überzeugen können. Er ist in die Lage zu versetzen, einen für not-
wendig gehaltenen Untersuchungsumfang am Objekt durchzuführen.
5) Die Mauerwerksdiagnose ist nach den gültigen WTA-Merkblättern durchzuführen. Es
ist ein Protokoll über den IST-Zustand anzufertigen und von beiden Vertragspartnern zu
unterzeichnen.
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren635
6) Im Vertrag ist die Erreichung der Ausgleichsfeuchte (Sorptionsfeuchte) bzw. die ver-
bleibende Feuchtebelastung der betreffenden Bauteile in einem definierten Zeitraum
und mit genauer Benennung des Abtrocknungszieles in M-% konkret festzulegen.
sich im Einzelfall vom Erfolg in der Sache überzeugen lassen. Damit tritt die Wertigkeit
der Erfolgsnachweise aus Referenzobjekten in den Hintergrund.
Da die paraphysikalischen Verfahren zweifelsfrei bis heute nicht zum Stand der Bautech-
nik zu zählen sind, hat dies Auswirkung auf ihre Berücksichtigung bei der Planung und
Ausführung von Entfeuchtungsmaßnahmen in und an öffentlichen Gebäuden. Die pas-
siven und aktiven Geräte ohne allgemeingültigen und anerkannten wissenschaftlichen
Hintergrund können unter Berücksichtigung der VOB und dem § 633 vom BGB nicht in
Ausschreibungen oder Vergabeverhandlungen bei öffentlichen Bauherren in irgendeiner
Art ausgeschrieben oder vereinbart werden (Weber und Wild 2004; Weber 2001).
Wenn ein Architekt oder ein anderer Vertragspartner bei einem öffentlichen Bauher-
ren den Einbau der Mauerwerksentfeuchtungsgeräte vorschlägt, dann sollte er erhöhte
Prüfungs- und Beratungspflichten beachten (Hafkesbrink 2001). Im Streitfall muss er
möglichst aktenkundig nachweisen, dass er auf die Nichteinhaltung der VOB durch den
Einsatz von nicht dem Stand der Technik entsprechenden Geräten verwiesen hat. Er schul-
det dann als Fachmann im Einzelfall den ausgebliebenen Erfolg, was zu erheblichen Scha-
denersatzansprüchen führen kann.
Wenn ein Gerät gekauft und zum Zwecke der Entfeuchtung von Mauerwerk eingebaut
wird, sollten nachfolgende Hinweise Beachtung finden:
• Es sollte immer auf die garantierte Rückgabemöglichkeit von mindestens 2–3 Jahren in
den Allgemeinen Geschäftsbedingungen geachtet werden.
• Man sollte zusätzlich eine 4 % höhere Verzinsung als den augenblicklichen Lombard-
satz bei den Banken für das eingesetzte Kapital vereinbaren, um bei der eventuellen
Rückgabe des Gerätes wegen Erfolglosigkeit keinen Kapitalschaden zu erleiden.
• Weiterhin könnte ein Teil der Kaufpreiszahlung auf einem gemeinsamen Konto der
Vertragsparteien für einen zu vereinbarenden Zeitraum hinterlegt werden.
Wenn der Geräteverkäufer bei den konkret vorherrschenden Randbedingungen von einem
erfolgreichen Einsatz seines Gerätes überzeugt ist, so geht er auf die gewünschten Zusatz-
vereinbarungen sicher ein.
Eine weitere Sicherheit kann dadurch erreicht werden, in dem ein Architekt oder Bau-
ingenieur als Sachkundiger vom Käufer eines Gerätes mit der Planung oder Bauüberwa-
chung beauftragt wird. Der Sachkundige schuldet u. a. eine Planungsleistung nach dem
Stand der Technik und Prüfung der Machbarkeit von geplanten Maßnahmen. Zudem ist
seine Leistung erfolgsgeschuldet. Verletzt er seine übernommenen Prüfungs- und Bera-
tungspflichten und bleibt der Erfolg der Entfeuchtung im Einzelfall aus, so hat das recht-
liche Konsequenzen.
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren637
18.7 Aussichten
Zusammenfassend ist der Stand der elektrophysikalischen Verfahren nach dem elekt-
roosmotischen Prinzip und/oder des Potenzialausgleichsverfahrens derart einzuschätzen,
dass jene Verfahren nach dem Grundprinzip der Lehrphysik aufgebaut aber die Rand-
bedingungen und die Einsatzmöglichkeiten noch nicht ausreichend erforscht sind. Hin-
sichtlich der Erforschung und der praktischen Entwicklung der Anlagen ist davon aus-
zugehen, dass in den nächsten Jahren keine neuen funktionstüchtigen Anlagen auf den
Markt gebracht werden. Waubke hat 1991 geäußert, dass elektrokinetische Verfahren
im Grundsatz wirksam sind. Es müssen jedoch weitere Erfahrungen vorliegen, um eine
schlussendliche Bewertung der Möglichkeiten vornehmen zu können. Die Forschung und
Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen.
Bezüglich der paraphysikalischen Verfahren ist unter Beachtung der Trennung zwi-
schen aktiven und passiven Verfahren davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren
kaum ein Durchbruch in der Erforschung der Phänomene und der Entwicklung praxis-
gerechter Anlagen erfolgen wird. Hierbei haben die aktiven Verfahren noch die größeren
Erfolgsaussichten, da zumindest vertretbare physikalische Ansätze teilweise vorhanden
sind. Bei den passiven Verfahren bleibt zu vermuten, dass auch ohne sinnvolle Erklärung
der Wirkungsweisen, die Geräte auf dem Markt weiter angeboten werden.
Der derzeit unbefriedigende Zustand der Zusammenarbeit zwischen den praxisorien-
tierten Herstellern der Geräte und dem wissenschaftlich ausgebildeten Personenkreis
muss überwunden werden. Nur durch eine verbesserte und erfolgsorientierte Zusammen-
arbeit ist jene für Geschäftemacher sich positiv auswirkende „Grauzone“ zu beseitigen.
Es wäre nicht nur wünschenswert sondern notwendig, wenn endlich auf beiden Seiten
der Wissenszyklus nach Fritsch (Fritsch 1994) Beachtung findet, der da lautet:
1. wissenschaftliche Entwicklung
2. labormäßige Erprobung
3. die praktische Umsetzung
4. der Rücklauf bzw. der Rückfluss aus der praktischen Umsetzung
A DRP Nr. 706388 Paul Ernst „Verfahren und Vorrichtung zur Entfeuchtung und
Trockenlegung von Gebäuden“, 1941
B Offenlegungsschrift Manfred Arnold „Verfahren und Anordnung zum Entfeuch-
ten eines Mauerwerkes“
C DRP Nr. 428453 Ludwig Motzke in Wien „Einrichtung zum Trocknen feuchter
Mauern“, 1926
D DRP Nr. 265321 Max Leser in München „Einrichtung zum Trocknen feuchter
Mauern“, 1912
E Deutsches Patentamt Auslegungsschrift 1904223 „Nichtmetallische Elektro-
den auf Graphitbasis für das elektroosmotische Austrocknen feuchter Mauern,
Erfinder Lebeda, Jaroslav, Opava (Tschechoslowakei) Offenlegungstag 06.08.70,
Bekanntmachungstag v. 06.05.76
F Internationales Patent WO 94/20702, W. Mohorn, Reichenau, „Gerät zum Trans-
port von Feuchte oder Salzen“, 1994
G Gebrauchsmuster DE 29822684 U 1 vom 10.6.99, W. Dutkewitz Aschersleben
„Mauerwerksentfeuchtung mit adäquat kugelförmigen Magnetfeld“
H Gebrauchsmusterschrift DE 202004006397 U 1 2004.08.12, A. Klingner, Hirsch-
stein, „Vorrichtung zur Entfeuchtung von Mauerwerk“
18 Physikalische Verfahren und elektrophysikalische Verfahren639
I Patentschrift AT 397 681 B vom 27.6.94 Wilhelm Mohorn „Gerät zur Erzeugung
von elektroosmotischen Effekten“
J Offenlegungsschrift DE 10058507 A1 vom 06.06.2002, Dutkewitz Wolfgang
„Vorrichtung zum induzierten, gerichteten Molekül- und Ionentransport in nicht-
kapillaren sowie insbesondere kapillaren Stoffen mittels dispergierter Elektroden
und netzunabhängiger Solarstromversorgung“
K Auslegeschrift 1160999 vom 09.01.1964, Kurt Karsch jun., „Hygroskopischer
Einsatz zum Entfeuchten von Mauerwerk od. dgl.“
L Auslegeschrift 1133870 vom 26.07.1962, Bruno Auerbach „Vorrichtung zum
Entfeuchten von Mauerwerk“
M Auslegeschrift 1104153 vom 06.04.1961, Heinz Austermann, „Mauerentfeuch-
tungsrohr mit Durchbrechungen“
N Patentschrift DDR 42467 vom 06.12.1965, Licencia Találmányokat Értékesitó
Vállalat Budapest, „Verfahren und Einrichtung zur Entfeuchtung bzw. Trocken-
haltung von wassergierigen Bauwerksteilen, insbesondere von Mauerwerk“
O Patentschrift DDR 43113 vom 05.02.1966, Johannes Zien, Schwerin, „Verfahren
zur Entfeuchtung und Trockenhaltung von Mauerwerk“
P Patentschrift DDR 26829 vom 21.01.1964, Günter Wagenmann, Leipzig, „Elek-
troosmotische Sperrung gegen aufsteigende Feuchtigkeit in Bauwerken“
Q Patentschrift DDR 33441 vom 05.11.1964, Erhart Garbade, Günter Wagen-
mann, Leipzig „Elektroosmotische Sperrung gegen aufsteigende Feuchtigkeit in
Bauwerken“
R Patentschrift DDR 44036 vom 23.12.1965, Erhart Garbade, Günter Wagen-
mann, Leipzig „Elektroosmotische Sperrung gegen aufsteigende Feuchtigkeit in
Bauwerken“
S Patentschrift DDR 50104 vom 05.10.1966, Zusatzpatent zum Patent 26829,
Erhart Garbade, Günter Wagenmann, Leipzig „Elektroosmotische Sperrung
gegen aufsteigende Feuchtigkeit in Bauwerken“
T Patentschrift DDR 47791 vom 20.04.1966, Dipl.- Ing. Klaus Ritter, Dresden,
„Vorrichtung zur elektroosmotischen Isolierung feuchter Bauwerke“
U Auslegungsschrift P 2311729.5-25 vom 12.06.75, Albert Bonneau, Rhone,
„Mauersonde für elektroosmotische Mauerwerkstrockenlegung“
V Auslegungsschrift P 1944435.0-25 vom 24.06.76, Baum & Garbade KG Leipzig,
„Vorrichtung zur elektroosmotischen Trockenlegung von Mauerwerk“
W Auslegungschrift P 2722985 vom 13.11.80, Institutul de Cercetari in Constructi
si Econnomia Bukarest, Verfahren zur Trockenlegung bzw. -haltung von Unter-
geschossmauerwerk durch aktive elektroosmotische Drainage“
X Patentschrift DE 19534512 C1 vom 12.12.96, Götz Becker, Hohlzylindrische
Anode für die elektroosmotische Sanierung von Bauwerken
Y Patenschrift DE 3112130 C2 vom 09.0.1984, Walter Wehrli und Prof. Hugo
Hubecek, „Gerät zur Entfeuchtung von Mauerwerk“
Z Gebrauchsmuster G 89 05 412.1 vom 03.08.89 „Elektronisches Gerät zur Ent-
feuchtung von Mauern“; Zöller,Ernst
640 J. Weber
Literatur
Als flankierende Maßnahmen sind Handlungen definiert, die die Wirkung einer Bauwerks-
abdichtung unterstützen. Flankierende Maßnahmen stellen somit ergänzende Möglichkei-
ten dar, Planungsziele zu erreichen.
Das heißt nach ÖNORM 3355: Maßnahmen, „die im Rahmen der Trockenlegung von
feuchtem Mauerwerk notwendig oder zumindest hilfreich sein können. Solche Maßnah-
men dienen vorzugsweise
C. Hecht (*)
Wien, Österreich
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© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 645
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_19
646 J. Weber et al.
Natur sein.
Es sind Maßnahmen zu unterscheiden, die sich auf
beziehen.
Nachdrücklich sei an dieser Stelle daran erinnert, dass bereits mehrfach in diesem
Buch darauf verwiesen wurde, dass Voruntersuchungen bei der Planung von Bauwerks-
abdichtungen im Bestand wesentlich und unumgänglich sind. Nur daraus kann abgeleitet
werden, welche Abdichtung und/oder welche flankierende Maßnahme zu ergreifen ist.
19.2 Dränung
Unter Dränanlagen versteht man ganz allgemein ein im Erdreich verlegtes, wasserablei-
tendes System, welches im Hoch- und Tiefbau, aber vor allem in der Landwirtschaft ein-
gesetzt wird. Da die Zielstellungen in der Landwirtschaft bezüglich Einsatz von Dränan-
lagen außer dem Grundsätzlichen nichts im Speziellen mit dem Hochbau gemein haben,
werden nachfolgend nur die im Bauwesen verwendeten Dränanlagen berücksichtigt.
Wasser verursacht erhebliche unterschiedliche Lastangriffe auf die Bauwerksabdich-
tung. Beim Versagen der Abdichtung sind kostenaufwendige Beseitigungen von Bauschä-
den die Folge. Daher muss die Einflussnahme des Wassers auf das Bauwerk möglichst vor
Erreichen der erdberührten Bauwerksabdichtung zielgerichtet beseitigt oder zumindest
abgeschwächt werden. Die im Baugrund vorhandene Wassermenge ist zeitlich veränder-
lich und wird im Einzelfall von der jeweiligen Niederschlagshöhe, der Größe und Örtlich-
keiten des Einzugsgebietes, der Durchlässigkeit und Schichtenfolge im Baugrund und der
Geländeneigung beeinflusst.
Grundsätzlich soll nur das im Erdreich vorhandene Stau- und Schichtenwasser durch
die Dränanlage beseitigt werden. Oberflächenwasser aus Regenfallrohren, Bodenein-
läufe von Kellertreppenpodesten, Lichtschachtabläufe usw. dürfen nicht durch Dränun-
gen erfasst und abgeleitet werden. Im Grundwasser darf generell keine Dränung verlegt
werden (Abb. 19.1).
19 Flankierende Maßnahmen647
'UlKQURKU
5LQJOHLWXQJ
5HLQLJXQJVURKU
5HJHQULQQH
EHL%HGDUI
)OlFKHQGUlQDJH
)XQGDPHQW
5HJHQIDOOURKU
*HIlOOH
*HIlOOH
5HJHQZDVVHU 'UlQZDVVHU
*UXQGOHLWXQJ VDPPHOVFKDFKW
5HJHQZDVVHU
.RQWUROOVFKDFKW 7DXFKSXPSH
6LFNHUVFKDFKW
]XP5HJHQZDVVHUVLHO
Das Wirkprinzip der Dränung besteht darin, dass mittels einer Sickerpackung das vor-
handene Stau- oder Schichtenwasser im Baugrund gerichtet in einem Dränrohr abgeleitet
werden soll. Die Sickerpackung ist mit geeigneten Maßnahmen vor Einschlämmung von
Feinbestandteilen aus dem Erdreich allseitig zu schützen, um eine langfristige Funktion
abzusichern.
Das im Dränrohr aufgefangene Wasser wird über dieses bis zu einer funktionieren-
den Vorflut vom Baugrund weg sicher abgeleitet. Die Vorflut kann aus einer natürlich
bestehenden Gegebenheit (z. B. Bach, Graben), aus dem öffentlichen Kanalsystem oder
auch aus einer Versickerungsanlage auf dem Grundstück bestehen.
Bei einem Anschluss an des öffentliche Entwässerungssystem muss immer von der
zuständigen kommunalen Verwaltung eine Genehmigung eingeholt werden. Dies ist in
den seltesten Fällen möglich.
Die Mindestanforderungen zur sicheren Planung und Ausführung von Dränanlagen
sind in der DIN 4095 relativ praxisnah und mit der Zielstellung der Funktionssicherheit
während des einzuplanenden Nutzungszeitraums beschrieben. Sie ist Grundlage für die
648 J. Weber et al.
Planung, Bemessung und Ausführung von Dränungen auf, an und unter erdberührten
Gebäuden. In ihr werden die Begriffe definiert, baupraktische Hinweise gegeben sowie
in Regel- und Sonderausführung zum Zwecke der möglichen Vereinfachung bei Planung
und Ausführung unterschieden. Wann der Regelfall zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus
den Richtwerten der Tabelle 1 bis 3 der Norm welche die dafür notwendigen örtlichen
Verhältnisse exakt beschreiben. Treffen die örtlich zu beachtenden Verhältnisse nicht zu,
so ist die Dränanlage nach den beschriebenen Festlegungen im Sonderfall zu planen und
auszuführen.
Der Hinweis im Anwendungsbereich der Norm, dass diese im Zusammenhang mit den
Maßnahmen zur Bauwerksabdichtung gilt, soll zweifelsfrei den Umstand festschreiben,
dass eine zusammenführende Berücksichtigung mit dem Abdichtungsgewerk gewollt ist
und die Dränung nicht isoliert betrachtet eine Abdichtungs- bzw. Trockenlegungsmaß-
nahme darstellt.
Die Dränung ist eine bekannte und vor allem zweifelsfrei bewährte Methode, um die
Wasserbelastung auf erdberührte Bauteile erheblich zu reduzieren und dadurch das Risiko
von Feuchtigkeitsschäden zu minimieren. Dies setzt allerdings für den Erfolg voraus, dass
die Dränanlage sachgerecht auf die örtlichen Gegebenheiten hin geplant, fachgerecht ein-
gebaut und vor allem in entsprechenden Wartungszyklen kontrolliert und gereinigt wird.
Als erster bedeutender Schritt der Planung ist erst einmal zu überprüfen, ob der Einbau
einer Dränage überhaupt technisch und ökonomisch sinnvoll oder möglich ist. Hierzu sind
die hydrologische Entwicklung, der zu erwartende Bemessungswasserstand, die Höhe der
Rückstauebene und die Wasserableitungsmöglichkeit auf dem Grundstück festzustellen.
Gerade im städtischen Bebauungsgebiet ist eine Berücksichtigung von Dränagen oftmals
wenig sinnvoll, da die Kommunen eine Einleitung von Dränwasser in das öffentliche
Kanalsystem schlichtweg verbieten. Auf das dann oftmals vorgenommene „Blinde Ein-
binden“ sollte der Planer und Ausführende grundsätzlich verzichten, auch wenn aus Kos-
tengründen der Bauherr darauf drängt. Erhebliche Strafen und Haftungsprobleme können
die Konsequenz sein.
Vielmehr sollte auf alternative Lösungen, wie Versickerungsschächte oder flächige Ver-
sickerungen, zurückgegriffen werden, wobei dann die Sickerschächte tiefer als die Fun-
damente herzustellen sind und ein ausreichender Abstand zum Gebäude zu beachten ist.
Eine Dränage bei vorhandener Bodenfeuchtigkeit ist unsinnig, da kapillar im Erd-
reich gebundenes Wasser nicht durch Dränagen abgeführt werden kann. Sie dürfen auch
nicht im Einflussgebiet des Grundwassers eingesetzt werden, da dies zu einer ständigen
unerlaubten Absenkung des Grundwassers führt. So bleibt das hauptsächliche Einsatz-
gebiet der Dränanlagen die gezielte und schnelle Abführung von vorhandenem Stau- und
Schichtenwasser aus dem Baugrund.
In der Altbausanierung ist auch die DIN 4095, wie jede andere DIN- Norm, nur in
Anlehnung sowie unter Beachtung der örtlichen Möglichkeiten und Zielstellungen zur
Planung und Ausführung heranzuziehen. Dabei ist die Einschätzung, dass der Inhalt der
Norm die Vermutung allgemein anerkannter Regeln zu sein, nicht berührt. Durchaus sind
aber Anpassungen im Einzelfall an die beschriebenen Mindestanforderungen aus der DIN
19 Flankierende Maßnahmen649
notwendig. Grund dafür sind die Unterschiede zwischen den Möglichkeiten und Zielen
der Dränagen im Neu- und Altbau.
Im Neubau dient die Dränanlage in Beachtung der DIN 18533 zur sicheren Vermeidung
von hydrostatischen Wasserangriffen auf die Abdichtung, damit die Bauwerksabdichtung
nicht als druckwasserhaltende Abdichtung geplant und ausgeführt werden muss. Ziel der
Berücksichtigung der Dränanlage in dem Gesamtkonzept der Bauwerksabdichtung ist
somit, eine weniger aufwendige und ansonsten kompliziert zu erstellende Bauwerksab-
dichtung zu planen und auszuführen, aber trotzdem die Funktionssicherheit bei oftmals
geringeren Baukosten gewährleisten zu können.
In der Altbausanierung werden Dränanlage hauptsächlich dann verwendet, wenn eine
druckwasserhaltende Abdichtung trotz Notwendigkeit durch die Baugrundverhältnisse
überhaupt nicht mit vertretbarem technischem und ökonomischem Aufwand erstellt
werden kann. Viele der nachträglich zu erstellenden Horizontalsperren sind grund-
sätzlich nicht für hydrostatische Wasserbelastungen geeignet, daher heißen sie ja auch
Sperren und nicht Abdichtungen. Insofern kommt der Dränanlage hier eine umfangrei-
chere Funktion als im Neubau zu. Da bereits eine kurzzeitige Funktionseinschränkung
einer Dränanlage zu einer ungeplant höheren Wasserbelastung führt und der Sicherheits-
faktor der Belastbarkeit bei nachträglichen Horizontalsperren sehr gering ist, werden
Schadensfälle sofort verursacht. Durch die unvermeidlichen und nicht „genormten“ ört-
lichen Gegebenheiten bei Gebäuden in Bestand werden die Planung und Ausführung
nicht einfacher ausgeführt.
Sind die Voraussetzungen den Bau einer Dränanlage gegeben, so sind die beschriebenen
Planungsgrundsätze und die Mindestanforderungen aus der überschaubaren DIN 4095 zu
berücksichtigen. Auch hier sollte der Grundsatz der „Mindestanforderungen“ beachtet
werden. Einige Materialhersteller bzw. -anbieter sind immer wieder der Ansicht, dass Ein-
spareffekte durch Reduzierung der in der DIN beschriebenen notwendigen Bauleistungen
durchaus vertretbar und ohne Funktionseinschränkung möglich sind. Dies betrifft vor allem
immer wieder die Anzahl und Anordnung der Spül- und Kontrollschächte (Abb. 19.2).
Mit Hinweis auf die heutigen, weiterentwickelten Prüf- und Reinigungsgeräte ist dieser
Personenkreis aus ehrenhaften Gründen der Kostenminimierung der Meinung, die Anzahl
der Schächte minimieren zu können. Dies kann zwar im Einzelfall durchaus sinnvoll
erscheinen, aber der Verantwortliche, welcher von den Planungs- und Ausführungsgrund-
sätzen der DIN abweicht, übernimmt erhöhte Beratungspflichten und verlässt den sicheren
Boden der allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik.
Die in der DIN 4095 festgelegte Mindestanforderung, bei jedem Richtungswechsel des
Dränrohres einen Spül- und Kontrollschacht vorzusehen, sollte in der Altbausanierung
grundsätzlich so verstanden und eingehalten werden, dass es den gesamten Bereich der
Ringleitung betrifft (Abb. 19.3).
Unter der Bodenplatte ist im Neubau normseitig immer eine Dränung vorgesehen. Der
Aufbau der Dränschicht ist abhängig von der Grundrissgröße und dem verwendeten Mate-
rial. In der Altbausanierung ist der dazu technisch notwendige und in der Norm geforderte
650 J. Weber et al.
'1
'1
]XU9RUIOXW
Dränrohr
0,5...1,0%
NW 100
DN 300
DN 100
DN 1000
(Übergabeschacht)
DN 300 DN 300
zur Vorflut bzw.
0,5...1,0%
Sickerschacht/
Versickerungsfläche
$XHQ ,QQHQ
%RGHQSODWWH
Abb. 19.4 Schnitt im Fundamentbereich bei fachgerechter Flächendränung. (Nach DIN 4095)
Ist eine sichere Wasserabführung aus dem Flächendrän unter der Bodenplatte nicht
möglich, so sollte im Einzelfall darauf verzichtet werden. Der konstruktive Schichtenauf-
bau mit einer Dränschicht unter der Bodenplatte hat dann nicht nur keinen Sinn, sondern
kann zu unkontrolliertem Wasserandrang führen.
Vorsicht ist bei der Altbausanierung bezüglich der Berücksichtigung von Dränanlagen
dann geboten, wenn aus denkmalpflegerischen Gesichtspunkten oder aus Kostengrün-
den eine Horizontalsperre und die Vertikalabdichtungen nicht ausgeführt werden und
stattdessen eine Dränage die Aufgabe übernehmen soll. Dränanlagen können grund-
sätzlich keine Absperr- bzw. Abdichtungsmaßnahme ersetzen. Vielmehr ist durch die
vorhandene Sickerschicht gegenüber den früheren Belastungen mit einer erhöhten Was-
serspende in dem Bereich des Wandfußes zu rechnen. Bei einem geplanten isolierten
Einbau einer Dränung ohne weitere Sperr- und Abdichtungsmaßnahmen ist demnach
zuerst zu überprüfen ob sich eine Verbesserung der Feuchtesituation im Mauerwerk
unter den neuen Bedingungen überhaupt einstellen kann. In der Baupraxis sind die
Erfahrungen dahingehend, dass nur im Einzelfall bei tiefergelegenen und zu sanieren-
den Fundamentbereichen diese „alternative“ Art sinnvoll erscheint. Dann ist aber auch
die mögliche Raumnutzung auf die raumseitig zu erwartenden bauphysikalischen Gege-
benheiten mit Restfeuchte im Wandaufbau an der erdberührten Außenwand entspre-
chend festzulegen.
Bei der Ausführung von Dränanlagen ist zu beachten, dass der Ersteller der Anlage
die ihm übergebenen Planungsunterlagen auf Übereinstimmung mit den tatsäch-
lichen Örtlichkeiten auf Machbarkeit überprüft. Insbesondere ist auf die sichere und
652
5RKUVFKHLWHOEHU2.
)XQGDPHQWE]ZXQWHUVWH
+RUL]RQWDODEGLFKWXQJ
$EGLFKWXQJ
)LOWHUVFKLFKW 'UlQURKU
'UlQVFKLFKW
b $XHQ ,QQHQ
+RUL]RQWDOVSHUUH
$EGLFKWXQJ
5RKUVRKOHXQWHU
)XQGDPHQW
Bezüglich der Wartung von Dränagen ist zu beobachten, dass die Voraussetzung für eine
sichere Funktion kaum angemessen vom Eigentümer berücksichtigt wird. Trotz fachge-
rechter Planung und Ausführung ist immer wieder in der Praxis festzustellen, dass das
Versagen bei Dränanlagen und die meistenteils daraus resultierende Überlastung der Bau-
werksabdichtung auf ungenügende Wartung der Anlagen zurückzuführen ist.
Aus baupraktischer Erfahrung sollten die Spül- u. Kontrollschächte sowie die Vorflut
alle 6 Monate visuell nach Ablagerungen untersucht werden. Empfehlenswert ist weiter-
hin, in einem Zyklus von ca. 8 Jahren die visuelle Überprüfung der Dränrohre durch ent-
sprechend spezialisierte Dienstleister vornehmen zu lassen, sofern keine Auffälligkeiten
bei der halbjährlichen Prüfung festgestellt wurden. Gemäß den jeweiligen Ergebnissen der
visuellen Prüfung sind entsprechende Spülungen vorzunehmen.
Nur unter Beachtung dieser notwendigen Wartungsarbeiten kann einer Funktionsein-
schränkung oder gar einem Versagen der Dränanlage und somit einem daraus meist resul-
tierenden kostenaufwendigen Schadensfall für den Eigentümer entgegengewirkt werden.
Allerdings sollte der verantwortliche Architekt oder Bauunternehmer spätestens zur Bau-
abnahme seine Beratungspflichten gegenüber dem Bauherren dahingehend ausschöpfen,
dass er diesen aktenkundig auf die notwendig auszuführenden Wartungsarbeiten hinweist.
Ansonsten könnte dies im Einzelfall zu einem Haftungsfall für den Verantwortlichen
führen.
19.3 Putze
19.3.1 Vorbemerkung
Der Verputz von feuchte- und salzgeschädigtem Mauerwerk ist seit jeher eine schwie-
rige Aufgabe. Viele Jahrzehnte wurde es hingenommen oder ignoriert, dass die üblichen
19 Flankierende Maßnahmen657
Kalk- oder Kalk-Zementputze nach vergleichsweise kurzer Zeit erneut schadhaft wurden.
Erst ab Mitte der 1970er Jahre gab es Versuche, durch chemische Zusatzmittel die Eigen-
schaften der auf der Baustelle gemischten Putzmörtel zu beeinflussen.
Das Herstellen der Putzmörtel auf der Baustelle war jedoch großen Schwankungen
unterworfen. Es wurden unterschiedliche Bindemittel und Zuschläge verwendet, die Her-
kunft, die Beschaffenheit, die Form und die Sieblinien der Zuschläge waren nicht oder
kaum kontrollierbar, und die Beigabe der Zusatzmittel erfolgte eher nach Gefühl. Dadurch
gab es beim Verputz der feuchte- und salzgeschädigten Mauerwerke nur mäßige Erfolge
und immer wieder Rückschläge.
Schrittweise wurde dann erkannt, dass nur durch eine detailliert geplante und sorgfäl-
tig überwachte Trockenmörtelproduktion in speziellen Mörtelwerken eine gleichmäßige
Qualität zu erreichen war. Diese Erkenntnis war der erste und wichtige Schritt zu einem
funktionstauglichen Material für den Verputz dieser schwierigen Untergründe. Weitere
Erkenntnisse und Erfahrungen folgten. Insbesondere sei hier der quantitative Einfluss der
Feuchte- und Salzbelastung im Mauerwerk, aber auch der qualitative Einfluss der Ver-
arbeitung dieser Werktrockenmörtel erwähnt.
Nach heutigem Kenntnisstand ist festzustellen, dass der Verputz von feuchte- und salz-
geschädigtem Mauerwerk grundsätzlich möglich ist und auch längerfristig funktionsfähig
sein kann. Voraussetzung dafür sind aber detaillierte Untersuchungen an der vorhandenen
Substanz, eine sorgfältige Auswertung der Untersuchungsergebnisse, die technisch rich-
tigen Schlussfolgerungen daraus und die Einleitung der erforderlichen Instandsetzungs-
maßnahmen am Mauerwerk. In diesem Zuge ist auch der für den speziellen Fall notwen-
dige Putzmörtel zu planen und auszuwählen.
Eine schnelle Austrocknung oder gar vollständige „Entfeuchtung“ des Mauerwerkes ist
nach dem Auftrag eines Putzes oder Putzsystems nicht möglich. Physikalische Gesetzmä-
ßigkeiten, die auch durch einen speziellen Verputz nicht umgangen werden können, lassen
nur eine längerfristige und schrittweise Austrocknung zu.
Die nachfolgenden Abschnitte sollen die verfügbaren Putzmörtel beschreiben und bei
der Auswahl der geeigneten Mörtel Unterstützung leisten.
kurze Zeit nach dem Verputz wieder Feuchteflecken an der Putzoberfläche bilden. Mit
dem Wasser werden jedoch auch die darin gelösten Salze aufgenommen und transpor-
tiert. Verdunstet das Wasser an der Putzoberfläche, kristallisieren die Salze aus, bilden
weiß-graue Ausblühungen und vergrößern dabei ihr Volumen. Dieser Kristallisations-
druck, der im Laufe der Standzeit durch hygroskopische Effekte regelmäßig erneut auf
den Putzmörtel einwirkt, kann das Baustoffgefüge sprengen, schädigt damit zunächst
die Putzoberfläche und sorgt mittelfristig für die völlige Zerstörung des Kalk- oder
Kalk-Zement-Putzmörtels.
Genau in diesem Punkt setzt die spezielle Rezeptierung der Sanierputze an. Durch
die Zugabe von Hydrophobierungsmitteln wird eine wasserabweisende Ausrüstung des
Mörtels über den gesamten Putzquerschnitt erreicht und dadurch die kapillare Wasser-
aufnahme reduziert. Die Verdunstungszone, an der sich Feuchteflecken und Salzaus-
blühungen bilden, liegt dadurch nicht mehr an der Putzoberfläche, sondern wird in den
Putzquerschnitt hinein verlagert. Schäden an der Putzoberfläche und eine hygroskopische
Feuchteaufnahme aus der Luft sind damit zunächst ausgeschlossen.
Parallel dazu ist Vorsorge zu treffen, dass die im Putzquerschnitt auskristallisierenden
Salze einen genügend großen Porenraum vorfinden. Ist dies gewährleistet, können sich
die Salze in den Poren ablagern, haben genügend Raum zur Verfügung, und der Kristal-
lisationsdruck kann keine „Sprengwirkung“ mehr entfalten. Erreicht wird der zusätzliche
Porenraum im Mörtel durch die Zugabe von Luftporenbildnern sowie durch sorgfältiges
Mischen und Verarbeiten vor Ort.
Die erhöhte Porosität sorgt im Zusammenwirken mit speziellen Leichtzuschlägen auch
für eine gute Wasserdampfdiffusionsfähigkeit der Sanierputze. Dies ist die Vorausset-
zung dafür, dass eine Austrocknung von Feuchte durch Diffusion ermöglicht wird und
der Sanierputz keine absperrende Wirkung aufbaut. Die zunehmende Füllung der Poren
mit Salzen hat nachweislich keinen Einfluss auf die Wasserdampfdiffusion durch den
Putzquerschnitt.
Aufgrund des großen Luftporengehaltes haben Sanierputze gegenüber klassischen
Kalk-Zementputzen außerdem eine geringere Wärmeleitfähigkeit. Je nach Hersteller sind
hier λ-Werte zwischen 0,14 und 0,20 W/m·K anzutreffen. Dies entspricht bereits den Wär-
meleitfähigkeiten hochwertiger Leichtputze mit geringen Rohdichten. Voraussetzung für
diese vergleichsweise geringe Wärmeleitfähigkeit ist jedoch, dass der Sanierputz trocken
bleibt.
Weitere Zusätze im Sanierputzmörtel verbessern die Wasserrückhaltung, die Verarbeit-
barkeit (vor allem den maschinellen Auftrag mit Putzmaschinen) und sorgen für eine gute
Haftung des Putzmörtels am feuchte- und salzgeschädigten Mauerwerk.
Um die Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit solcher Sanierputze zu optimieren, ist man
bereits frühzeitig zu einem mehrlagigen Putzauftrag übergegangen. Meist werden dabei
zwei, in besonderen Fällen auch drei Putzlagen aufgebracht. Diese Kombinationen werden
dann als Sanierputzsysteme bezeichnet. Hintergrund ist, dass die Eigenschaften der unter-
schiedlichen Putzlagen den Randbedingungen am Objekt angepasst werden sollen. Maß-
geblich dabei sind z. B. die Feuchte- und Salzbelastung, der Einsatzort, die Beschaffenheit
19 Flankierende Maßnahmen659
des Putzgrundes, ästhetische Anforderungen und anderes mehr. Die innere Putzlage wird
in Sanierputzsystemen als „Porengrundputz“ bezeichnet. Zur äußeren Putzlage verbleibt
es beim Begriff „Sanierputz“ (Abb. 19.10).
Aufgrund ihrer Eigenschaften sind Sanierputzsysteme auch in den spritzwasserbelas-
teten Sockelbereichen von Gebäuden einsetzbar. Dort müssen jedoch bei Planung und
Verarbeitung konkrete Regeln eingehalten werden, um die Funktionsfähigkeit gewähr-
leisten zu können. Verständliche und aussagekräftige Angaben zur Sockelausbildung sind
unter anderem in der Richtlinie (Richtlinie Fassadensockelputz/Außenanlage) dargestellt
(Abb. 19.11).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Sanierputze aufgrund ihrer speziellen Rezeptur
• nur eine geringe kapillare Leitfähigkeit aufweisen, Wasser kann in flüssiger Form den
Putzquerschnitt nicht durchdringen
• ein hohes Luftporenvolumen besitzen, darin können sich die Salze ablagern
• eine gute Wasserdampfdiffusion ermöglichen, um die schrittweise Austrocknung
feuchter Putzgründe zu gewährleisten.
gemacht, einheitliche Kriterien zur Herstellung, Planung und Anwendung der Sanierputze
aufzustellen. Dieses Merkblatt 2-9-04/D (WTA-Merkblatt 2-9-04/D) ist als ein einschlägiges
und maßgebliches Regelwerk anzusehen. Es beinhaltet die allgemein anerkannten Regeln
der Bautechnik für den Bereich der Sanierputzsysteme. Die Erstfassung des Merkblatts
erschien bereits 1985 und gestattet seitdem eine geregelte Anwendung und Ausführung.
Bei der WTA arbeitet ein Sachverständigenausschuss, der den Herstellern von Sanier-
putzen auf Antrag ein Zertifikat erteilt. Damit wird nach umfangreichen Prüfungen am
Produkt bestätigt, dass die im WTA-Merkblatt (WTA-Merkblatt 2-9-04/D) aufgelisteten
Anforderungen für den speziellen Sanierputz … des Herstellers … erfüllt werden. Für die
Baubeteiligten erhöht sich dadurch die Anwendungssicherheit, wenn zertifizierte WTA-
Sanierputzsysteme geplant und ausgeführt werden.
Planung
Eine Voraussetzung für die nachhaltige Funktionsfähigkeit von Sanierputzen ist eine sorg-
fältige Analyse des feuchte- und salzgeschädigten Mauerwerkes bzw. des Putzgrundes.
Der Durchfeuchtungsgrad, die Höhe der Salzbelastung und die Art der Schadsalze bestim-
men die Entscheidungen zur Auswahl des geeigneten Sanierputzes oder des Sanierputz-
systems. Einzelheiten zur Diagnose am Mauerwerk sind in den vorangehenden Kapiteln
dieses Buches detailliert beschrieben.
Häufig ist die Verwendung von Sanierputzen als flankierende Maßnahme zu sehen.
Priorität muss die vorherige Instandsetzung der feuchte- und salzgeschädigten Mauer-
werke besitzen. Erst wenn diese Maßnahmen abgeschlossen sind, kann der Auftrag der
Sanierputze erfolgen. Sanierputzsysteme können beispielsweise fehlende oder schadhafte
Abdichtungen der Mauerwerke nicht ersetzen.
Sollen Sanierputze nur auf geschädigten Teilflächen des Mauerwerkes eingesetzt
werden, ist im Zuge der Planung ein ausreichend breiter Sicherheitszuschlag in den unge-
schädigten Mauerwerksbereich hinein vorzusehen. Es ist damit zu rechnen, dass sich
nach dem Putzauftrag der momentan festgestellte Feuchtigkeitshorizont noch verschiebt.
Bewährt hat sich ein solcher Sicherheitszuschlag von etwa 50 bis 80 cm Breite über den
sichtbaren Feuchtehorizont hinaus.
In Bezug auf die Salzbelastung im Mauerwerk gibt das WTA-Merkblatt 2-9-04/D
(WTA-Merkblatt 2-9-04/D) detaillierte Hinweise zur Bewertung der vorzulegenden
Laborergebnisse (Tab. 19.1)
Aufgrund der ermittelten Werte wird der Gesamt-Versalzungsgrad als „gering“, „mittel“
oder „hoch“ eingestuft. Dabei ist der ermittelte höchste Gehalt an Salz-Ionen (unabhängig
ob Chlorid, Nitrat, oder Sulfat) maßgebend.
Mit dieser Drei-Stufen-Einordnung kann mithilfe einer weiteren Tabelle aus dem
WTA-Merkblatt (WTA-Merkblatt 2-9-04/D) die Entscheidung zum konkreten Putzaufbau
getroffen werden (Tab. 19.2).
Das WTA-Merkblatt liefert mit diesen Empfehlungen gut verständliche und anwend-
bare Hinweise für die Untergrundvorbehandlung, für die Zusammenstellung des Sanier-
putzsystems und für die auszuführenden Schichtdicken.
662 J. Weber et al.
a
Durch Voruntersuchungen zu ermitteln und zu bewerten
Ausführung
Die handwerklich sorgfältige Ausführung nach den Empfehlungen der Regelwerke ist eine
weitere Voraussetzung für die nachhaltige Funktionsfähigkeit des Sanierputzes. Dabei
sind neben den Regelwerken auch die Verarbeitungshinweise der Putzhersteller zu beach-
ten. Die Hersteller verfügen über das entsprechende Detailwissen zu ihren Produkten
und kennen durch zahlreiche Musterflächen, Beprobungen und Forschungen am eigenen
Material das Verhalten der Putze auf den feuchte- und salzgeschädigten Untergründen am
besten. Insofern ist die Umsetzung der Verarbeitungshinweise aus den technischen Merk-
blättern oder Produktdatenblättern der einzelnen Putze unumgänglich.
Zunächst steht die ordnungsgemäße Vorbereitung des Putzgrundes an, um eine ausrei-
chende Haftung des Putzes bzw. Putzsystems am Mauerwerk sicherstellen zu können. Alt-
putzreste werden abgeschlagen, mürber Fugenmörtel ausgekratzt (Tiefe etwa in doppel-
ter Fugenbreite) und die Mauerwerksfläche insgesamt gründlich trocken gereinigt (z. B.
19 Flankierende Maßnahmen663
Abb. 19.12 Gereinigtes und vorbereitetes Bruchsteinmauerwerk – grobe Fehlstellen und tief aus-
gekratzte Fugen sind noch auszuwerfen
mit einem Stahlbesen). Grobe Fehlstellen und tief ausgekratzte Fugen im Mauerwerk
werden mit Porengrundputz ausgeworfen, Unebenheiten und Vertiefungen egalisiert. Ist
das Mauerwerk bereits so stark beschädigt, dass eine sichere Haftung des Putzes infrage
zu stellen ist, müssen Putzträger angebracht werden. Hierzu stehen Matten aus Edelstahl-
oder Ziegeldrahtgewebe zur Verfügung (Abb. 19.12).
Zur Verbesserung der Putzhaftung ist in den meisten Fällen ein Spritzbewurf erfor-
derlich. Dieser zählt nicht als Putzlage sondern gilt als Maßnahme zur Putzgrundvorbe-
handlung. Der grobkörnige und ebenfalls als Trockenmörtel angebotene Spritzbewurf darf
nicht zu dick aufgebracht werden. Es wird sonst durch das zementgebundene Material
eine Feuchtigkeits-Sperrwirkung erzielt, die ja mit der Verwendung von Sanierputzsys-
temen gerade verhindert werden soll. Ein netz- oder warzenförmiger Auftrag mit einem
Bedeckungsgrad von < 50 % sollte daher angestrebt werden. Auf diesem Spritzbewurf ist
eine optimale Verkrallung und Haftung der nachfolgenden Putzlagen gewährleistet. Ent-
scheidende Hilfe in Bezug auf die Haftung leistet der Spritzbewurf vor allem auf glatten,
kaum saugenden Untergründen (z. B. Naturstein, hart gebrannte Verblendziegel, Beton).
Ausnahmefälle, in denen ein volldeckender Auftrag notwendig werden kann, geben die
Hersteller in ihren technischen Unterlagen vor. Dazu muss dann ein speziell dafür geeig-
neter Spritzbewurf verwendet werden.
664 J. Weber et al.
In Abhängigkeit des Versalzungsgrades folgt nun die erste Putzlage, der Sanierputz oder
Porengrundputz in der notwendigen Schichtdicke. Die Einhaltung der Schichtdicke ist
wichtig, weil sonst erforderlicher Porenraum zur Salzeinlagerung fehlt. Ist eine weitere
Putzlage geplant, muss die eingeebnete Oberfläche der ersten Lage mit einem geeigne-
ten Werkzeug horizontal aufgeraut werden (z. B. mit einem Putzkamm oder Sägeblatt).
Das Aufrauen dient der Haftungsverbesserung der nachfolgenden Putzlage und sollte erst
dann vorgenommen werden, wenn sich die Sinterhaut auf der Putzoberfläche gebildet hat.
Abhängig von den Witterungsbedingungen ist dies nach 10 bis 30 min der Fall. Bevor
weitere Schichten appliziert werden, ist dann eine ausreichende Trocknungs- und Erhär-
tungszeit einzuhalten. Als Orientierungswert sollte 1 Tag/mm Putzdicke angenommen
werden. Unter ungünstigen Bedingungen, z. B. in Kellerräumen mit niedrigen Temperatu-
ren, sind längere Erhärtungszeiten einzuplanen.
Es ist möglich, die abschließende Sanierputzlage bezüglich Oberflächenstruktur und
Farbton bereits an optische Vorgaben anzupassen. Einige Hersteller bieten hierzu Sanier-
putz-Trockenmörtel mit unterschiedlichen Korngrößen an, die entsprechend feine oder
grobe Strukturierungen ermöglichen. Auf Wunsch können Sanierputze außerdem in meh-
reren Tönen werkseitig eingefärbt werden.
Grundsätzlich wird empfohlen, die Porengrundputze und Sanierputze maschinell zu
verarbeiten. Dies ist vor allem in Bezug auf einen ausreichenden Luftporengehalt von
Vorteil. Ist die Verarbeitung mit Putzmaschinen unwirtschaftlich (z. B. bei Kleinflächen),
stellen die Hersteller speziell für die Handverarbeitung geeignete Sanierputze zur Ver-
fügung. Da der Luftporengehalt Einfluss auf die Frischmörtelrohdichte hat, kann mithilfe
einer Haushaltswaage während des Putzauftrags Qualitätssicherung betrieben werden:
Aus der laufenden Mischung wird Frischmörtel entnommen und in ein schüsselähnliches
Gefäß mit genau definiertem Volumen gefüllt. Das Gefäß inkl. Frischmörtel wird gewogen
und über eine vorbereitete Umrechnungstabelle der Luftporengehalt ermittelt. Alternativ
bieten die Hersteller einen Luftporenmesstopf an (auch Luftgehaltsprüfer genannt), mit
dessen Hilfe ebenfalls die Kontrolle des Luftporengehaltes ermöglicht wird. Weichen die
Werte vom Soll ab, ist der Mischvorgang anzupassen, der Wasserzusatz zu regulieren und
ggf. die Frischmörtel-Förderweite der Putzmaschine zu verkürzen. Auch wenn das alles
umständlich klingt – der Verarbeiter kann damit die Qualität seiner Sanierputzmischung
unter Kontrolle bringen.
Ebenso zu empfehlen ist, alle zu verwendenden Produkte im Sanierputzsystem von
einem Hersteller zu beziehen. Dadurch sind die Verträglichkeiten und die optimale
Haftung der Komponenten untereinander gesichert.
Abhängig von der Beschaffenheit des Untergrundes können Putzbewehrungen im
Sanierputz notwendig werden. Verwendung finden hier alkalibeständige Textilglas-Gitter-
gewebe, die möglichst im äußeren Drittel der letzten Putzlage zu platzieren sind. Empfoh-
len wird der Einbau einer Putzbewehrung über Materialwechseln im Untergrund, an den
Ecken von Wandöffnungen und immer dann, wenn Putzträger eingesetzt werden. Sind
außergewöhnlich hohe Putzdicken zu realisieren oder schwanken die Putzdicken sehr
stark, ist eine Putzbewehrung ebenfalls notwendig.
19 Flankierende Maßnahmen665
Abb. 19.13 Frisch verputzter Keller in einem Altbau: Kondensat in tropfbar-flüssiger Form hat
sich in größeren Mengen an der Gewölbedecke gebildet
666 J. Weber et al.
Maßnahmen zu ergreifen. Dies kann bedeuten, dass während des Abbindeprozesses die
Putzoberflächen mithilfe von Sprühnebel zu befeuchten sind, oder dass die Luftfeuchte
in Innenräumen durch maschinelle Trocknungsmaßnahmen auf unter 65 % abgesenkt
werden muss.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Sanierputze
• sorgfältig zu planen und auszuwählen sind, Basis dafür sind die notwendigen Vorunter-
suchungen am feuchte- und salzgeschädigten Mauerwerk
• nach den Empfehlungen der Regelwerke und den Vorgaben des jeweiligen Herstellers
zu verarbeiten sind und
• in Bezug auf die herrschenden Klimabedingungen nach der Fertigstellung überwacht
und ggf. nachbehandelt werden müssen.
a
Prüfverfahren DIN V 18550
Putzprofile in Sanierputzsystemen
Vor allem im Außenbereich werden von den ausführenden Unternehmen häufig Putzpro-
file eingesetzt, weil sie die Verarbeitung der Putze erleichtern und optisch ansprechende
Kantengestaltungen ermöglichen. Hierbei sind drei wichtige Punkte zu beachten:
Es sollten Profile aus Edelstahl gewählt werden. Einfache Profile aus verzinktem Stahl
können infolge der Feuchte- und Salzbelastung frühzeitig korrodieren (vor allem an den
Schnittkanten), was unweigerlich zu Putzschäden führen wird.
Außerdem dürfen die Profile nicht mit Gips oder gipshaltigen Materialien angesetzt
werden. Im Zusammenhang mit der vorhandenen Mauerwerksfeuchte und dem zement-
haltigen Sanierputz können Treibminerale entstehen, die Sprengwirkungen im Umfeld der
Befestigungspunkte auslösen. Dies gilt auch dann, wenn Sanierputze mit sulfatbeständi-
gen Bindemitteln Verwendung finden. Zum Befestigen der Profile sind generell gipsfreie
Ansetzmörtel zu verarbeiten.
An Denkmalobjekten ist die Anwendung von Putzprofilen grundsätzlich mit der zustän-
digen Denkmalbehörde abzustimmen. Häufig werden am Denkmal handwerklich histori-
sche Techniken zur Ausbildung von Kanten gefordert, z. B. das Einlatten.
Fazit
Mit Sanierputzen bzw. Sanierputzsystemen stehen Materialien zur Verfügung, die einen
über mehrere Jahre funktionsfähigen Verputz von feuchte- und salzgeschädigten Mauer-
werken ermöglichen. Voraussetzung dafür ist jedoch die Verwendung von bewährten und
geprüften Materialien, eine sorgfältige Planung aller Maßnahmen sowie eine handwerk-
lich und technisch ordnungsgemäße Ausführung.
Die Haltbarkeit und langfristige Funktionsfähigkeit von Sanierputzen können leider
nicht in konkreten Jahreszahlen angegeben werden. Es sind infolge der schwierigen Unter-
gründe zu viele Faktoren wirksam, die Einfluss auf die technische Lebensdauer haben. Die
Haltbarkeit kann deshalb sicher nicht unbegrenzt sein. Dem Autor sind Objekte bekannt,
an denen Sanierputzsysteme seit 21 Jahren auf feuchte- und salzgeschädigtem Mauerwerk
schadenfrei funktionsfähig sind.
19.3.3 Opferputze
Sehr deutlich weist der Name dieses speziellen Putzes auf seinen angestrebten Zweck hin:
Er soll zum Vorteil oder als Voraussetzung für die Instandsetzungsmaßnahme am feuchte-
und salzgeschädigten Mauerwerk „geopfert“ werden.
Opferputze werden an Mauerwerken eingesetzt, die eine außergewöhnlich hohe Salz-
und Feuchtebelastung aufweisen. Bei solch hohen Belastungen kann die technische
Lebensdauer eines Sanierputzsystems deutlich begrenzt sein.
Verbleibt das Mauerwerk dauerhaft ohne Verputz, sind Schäden am Mauerwerk infolge
des Kristallisationsdrucks oder durch Frosteinflüsse möglich.
Die extreme Salzbelastung im Mauerwerk in Abb. 19.14 zeigt, dass der Fugenmörtel
kaum noch existent ist und die Mauervollziegel bereits stark angegriffen sind.
Mit dem Aufbringen des Opferputzes wird der Schadmechanismus vom Mauerwerk
weg in den Putzquerschnitt hinein verlagert. Feuchte und Salze dringen in den Putz ein,
durchdringen ihn häufig recht schnell, erzeugen Feuchteflecken sowie Ausblühungen
an der Oberfläche und füllen die Poren im Putzquerschnitt. Entscheidend ist jedoch,
dass die Salzbelastung im Mauerwerk dadurch reduziert wird. Auf diese Weise kann ein
Zustand erreicht werden, der den anschließenden Verputz mit einem Sanierputzsystem
zulässt.
Mit Opferputzen können nicht nur klassische Ziegelmauerwerke, sondern auch geschä-
digte Werk- oder Natursteinoberflächen verputzt werden.
Bei kulturhistorisch wichtigen Mauerwerken bzw. Oberflächen sind Opferputze auch
als vorübergehender Schutz vor mechanischen Beschädigungen einzusetzen.
In Abhängigkeit der Feuchte- und Salzbelastung im Mauerwerk ist die Haltbarkeit der
Opferputze beschränkt. Sie liegt im Regelfall in einem Zeitfenster von wenigen Monaten
670 J. Weber et al.
bis wenigen Jahren. Auch aus diesem Grund ist es die Ausnahme, bei Opferputzen Ansprü-
che an die Struktur und Farbe der Oberflächen zu stellen.
Nach dem Entfernen des geschädigten Opferputzes werden erneute Beprobungen des
Mauerwerkes notwendig. Zu prüfen ist, ob die Salzbelastung soweit reduziert werden
konnte, dass nun ein Sanierputzsystem anwendbar ist. In Einzelfällen kann es sogar gelin-
gen, die Salzbelastung auf unschädliche Werte zu reduzieren, sodass auch übliche Kalk-
oder Kalk-Zementputze eingesetzt werden können.
Opferputze werden im WTA-Merkblatt 2-10-06/D (WTA-Merkblatt 2-10-06/D)
beschrieben und in verschiedene Putztypen unterteilt. Außerdem werden konkrete Kenn-
werte für verschiedene Eigenschaften aufgelistet. Eine darüber hinausgehende Normung
existiert in Deutschland nicht. Deshalb ist bei der Planung und Ausführung der Kontakt
mit dem jeweiligen Hersteller des Materials und/oder zu erfahrenen Restauratoren zu
suchen. Dort liegen die speziellen Detailerfahrungen zu den Produkten vor.
19.3.4 Kompressenputze
Diese Putze sind verwandt mit den Opferputzen und können als ein „Untertyp“ der Opfer-
putze bezeichnet werden. Angestrebt wird, über eine Kompressenwirkung die gezielte
Reduzierung des Salzgehaltes in den oberflächennahen Zonen des historisch wichtigen
19 Flankierende Maßnahmen671
Putzgrundes zu erreichen. Dazu muss der Putz spezielle Eigenschaften aufweisen, die
einen optimalen, kapillaren Wassertransport ermöglichen. Kompressenputze besitzen
meist eine sehr hohe Gesamtporosität von > 60 Vol.%.
Vorliegende Erfahrungen mit Kompressenputzen zeigen, dass ein ausreichendes Zeit-
fenster vorzusehen ist. Kurzfristig ist eine Verfrachtung der Schadsalze aus dem Putzgrund
in den Kompressenputz nicht erreichbar. Möglich ist, dass bereits nach einem Zeitraum
von wenigen Wochen ein erheblicher Salztransport stattfand, sodass der Putz entfernt und
erneuert werden muss. Dieser Vorgang ist solange fortzusetzen, bis die angestrebte Redu-
zierung der Salzbelastung im Putzgrund erreicht ist.
Der Salztransport in den Kompressenputz funktioniert nur, wenn das Mauerwerk
als Putzgrund einen ausreichenden Feuchtegehalt aufweist. Die Voraussetzung für den
Kapillartransport ist, dass unterschiedliche Durchfeuchtungsgrade im Putzgrund und in
den oberflächennahen Bereichen der Putzoberfläche vorliegen. Ohne diese Unterschiede
kommt der Transportmechanismus nicht in Gang. Da die Salze im Wasser gelöst trans-
portiert werden, ist ohne Wasser auch kein Salztransport möglich.
In der Konsequenz kann das bedeuten, dass Mauerwerke künstlich befeuchtet werden
müssen, um diesen Kapillartransport am Laufen zu halten. Die Befeuchtung erfolgt dann
auf der gegenüberliegenden Wandoberfläche oder auch über gezielte Injektionen in den
Kern des Mauerwerkes.
Der Kompressenputz soll einen geringen Eigensalzgehalt aufweisen. Dieser muss
bekannt sein, damit bei späterer Messung des Salzgehaltes der Kompresse der „Entsal-
zungserfolg“ abgeschätzt werden kann.
Die Anwendung von Kompressenputzen sollte unter fachkundiger Begleitung erfolgen.
Diese ebenfalls nicht genormten Putze werden im Regelfall ausschließlich an wichtigen
Baudenkmalobjekten Einsatz finden.
Im WTA-Merkblatt 3-13-01/D (WTA-Merkblatt 3-13-01/D) werden spezielle Kom-
pressenmaterialien und deren Anwendung beschrieben. An diesem Merkblatt ist eine fach-
liche Orientierung möglich, wenn Kompressenputze geplant und ausgeführt werden sollen
(Abb. 19.15).
Unter dieser Ziffer sollen die weit verbreiteten und üblicherweise für den Verputz von
Mauerwerken verwendeten Putzmörtel beschrieben werden. Es folgen Hinweise, inwie-
weit diese Materialien auch auf feuchte- und salzgeschädigtem Mauerwerk einsetzbar sind.
Kalkputze
Kalkgebundene Putzmörtel werden seit mehreren tausend Jahren an Bauwerken verwen-
det. Dabei waren und sind viele verschiedene Arten des Bindemittels Kalk im Einsatz. Es
gibt rein carbonatisch und hauptsächlich hydraulisch erhärtende Kalkputze. Dazwischen
existieren verschiedene Abstufungen. Zur Beeinflussung der Eigenschaften und zur Ver-
besserung der Haltbarkeit haben unsere Vorfahren dem Kalkputz Kasein, Tierhaare, Blut
672 J. Weber et al.
Abb. 19.15 Extreme Salzbelastung in einer Gewölbedecke – mögliches Einsatzgebiet für einen
Kompressenputz zur Entsalzung
und Pflanzenfasern beigemischt. Anwendung fand auch der Zusatz von Hydraulefaktoren
in Form von Trass- oder Ziegelmehl.
Der reine Kalkputz ist heute in der Anwendung selten. Häufig findet man Kombinatio-
nen mit anderen Bindemitteln oder Kalkputze mit organischen Zusätzen und Hydropho-
bierungsmitteln. Für spezielle denkmalpflegerische Aufgaben wird versucht, die Eigen-
schaften von Kalkputzen durch die Beigabe der oben genannten natürlichen Zusätze zu
modifizieren.
Kalkputze besitzen eine vergleichsweise geringe Druckfestigkeit, sehr gute Wasser-
dampf-Diffusionseigenschaften und eine hohe kapillare Leitfähigkeit. Hauptsächlich die
gute Kapillarität erschwert die Anwendung am feuchte- und salzgeschädigten Mauerwerk.
Feuchtigkeit aus dem Mauerwerk und die darin gelösten Salze können den Putzquerschnitt
vollständig durchdringen und an der Oberfläche erneute Schäden auslösen. Hinzu kommt,
dass unter dem Einfluss der Feuchtigkeit aus dem Mauerwerk der Carbonatisierungspro-
zess im Kalkputz behindert oder gar unmöglich gemacht wird. Der Putz erreicht dadurch
kaum die vorgesehene Festigkeit und ist entsprechend anfällig gegen mechanische Belas-
tungen. Im Außenbereich ist der Witterungseinfluss zu beachten. Kalkputze sind nicht
frostbeständig und haben ohne einen ausreichenden konstruktiven Witterungsschutz nur
19 Flankierende Maßnahmen673
Kalk-Zementputze
Der Unterschied zu den vorbeschriebenen reinen Kalkputzen besteht darin, dass durch
das Bindemittel Zement die hydraulische Erhärtung des Putzes überwiegt und dadurch
frühzeitig eine ausreichende Festigkeit und Witterungsbeständigkeit eintreten. Allerdings
weisen auch diese Putze ohne chemische Zusätze eine gute kapillare Leitfähigkeit auf,
sodass frühzeitig neue Schäden am Verputz des feuchte- und salzgeschädigten Mauer-
werkes zu erwarten sind.
674 J. Weber et al.
Kalk-Zementleichtputze
Diese Art von Kalk-Zementputzen wurde entwickelt, um die in den 1970er und 1980er
Jahren zunehmend verarbeiteten Hochlochziegelmauerwerke verputzen zu können. Die
Leichtputze zeichnen sich unter anderem durch eine geringe Druckfestigkeit und einen
geringen Elastizitätsmodul aus. Erreicht werden diese Eigenschaften im Wesentlichen
durch die Verwendung von organischen oder mineralischen Leichtzuschlägen.
Die kapillare Leitfähigkeit der Leichtputze ist ähnlich der oben beschriebenen Kalk-
Zementputze, sodass auch hier alsbald Schäden am Verputz des feuchte- und salzgeschä-
digten Mauerwerkes zu erwarten sind.
Zementputze
Rein zementgebundene Putze können hohe Druckfestigkeiten > 10 N/mm² erreichen und
sind daher für den großflächigen Verputz von Bestandsmauerwerken generell nur bedingt
geeignet. Es besteht das Risiko von intensiven Schwindrissbildungen, weil die auftreten-
den Schwindspannungen nicht vollständig in den meist weniger druckfesten Putzgrund
abgeleitet werden können (Abb. 19.17).
Zementputze weisen ein sehr dichtes Gefüge auf und besitzen nur geringe kapillare
Leitfähigkeiten. Die Wasserdampf-Diffusionsfähigkeit ist eingeschränkt. Werden solche
Putze auf feuchte- und salzgeschädigtes Mauerwerk appliziert, tritt eine Sperrwirkung
ein. Die im Mauerwerk vorhandene Feuchte kann nicht oder nur sehr begrenzt kapillar in
den Putz eindringen, ihn aber auf dem Diffusionsweg auch nur in sehr geringen Mengen
durchdringen. Das kann dazu führen, dass sich wegen der fehlenden Austrocknungsmög-
lichkeiten der Feuchtehorizont im Mauerwerk verschiebt und bislang trockene Bereiche
durchfeuchtet werden.
Weiterhin gehen Zementputze im Regelfall mit dem Putzgrund eine intensive Verbin-
dung ein. Müssen diese Putze wegen auftretender Schäden wieder entfernt werden, hat das
häufig die Zerstörung der äußeren Mauerwerksschichten zur Folge.
Fazit
Kalk-, Kalk-Zement-, Kalk-Zementleicht- und Zementputze sind für die Anwendung auf
feuchte- und salzbelastetem Mauerwerk in den meisten Fällen nicht geeignet. Ein mittel-
fristig funktionsfähiger Verputz kann aufgrund der Eigenschaften dieser Materialien nicht
gewährleistet werden. Ausnahmen sind möglich, wenn die Feuchte- und Salzbelastung
gering sind, vorab über Opfer- oder Kompressenputze eine entsprechende Reduzierung
der Salzbelastung ermöglicht wurde und/oder wenn die Druckfestigkeiten des zu verput-
zenden Mauerwerkes außergewöhnlich hoch sind. Genormt sind diese Putze in DIN EN
998-1 (2017-02) und in DIN 18550-1 (2014-12).
19.3.6 Entfeuchtungsputze
• Auf welchem Weg gelangt das Wasser aus dem Mauerwerk an die luftumspülte Ober-
fläche des Putzes und damit letztlich in die Atmosphäre?
• Was geschieht mit den Salzen, die in diesem Wasser gelöst sind und unweigerlich beim
Übergang des Wassers vom flüssigen und den gasförmigen Zustand auskristallisieren?
Nach den bisherigen Untersuchungen und Forschungsergebnissen, die seit mehreren Jahr-
zehnten gesichert sind, kann Wasser aus dem Mauerwerk auf zwei Wegen durch den Putz an
die luftumspülte Oberfläche dringen: Auf kapillarem Weg, d. h. in flüssiger Form, ermög-
licht durch eine bestimmte Porengeometrie und -anordnung im Putz, oder auf dem Weg der
Wasserdampfdiffusion im gasförmigen Zustand. Wird der Weg des flüssigen Wassers durch
die Kapillaren ermöglicht, werden die Salze in gelöster Form mitgeführt. An der Ober-
fläche des Putzes wird das Wasser verdunsten und die Salze auskristallisieren. Der unver-
meidliche Kristallisationsdruck, der durch hygroskopische Effekte und Witterungseinflüsse
verstärkt wird, verursacht Zerstörungen im Putz. Diese Lösung scheidet demnach aus.
Ein Hersteller von Entfeuchtungsputz gibt dazu an, dass diese Salze abzukehren/abzu-
saugen sind. Da dieses Procedere regelmäßig wiederholt werden muss, dürfte es eine
wenig praxistaugliche Lösung sein.
676 J. Weber et al.
• Ist die Wirksamkeit des vorgesehenen Entfeuchtungsputzes auf dem feuchte- und salz-
geschädigten Mauerwerk durch wissenschaftliche Untersuchungen und Forschungen
anerkannt?
• Sind das konkrete Material und dessen Anwendung unter normal ausgebildeten Bau-
technikern allgemein bekannt?
• Hat sich das konkrete Material in der Baupraxis ausreichend bewährt? Liegen hierzu
nachprüfbare Referenzen in ausreichender Menge vor?
Ist bereits eine dieser Fragen mit „Nein“ zu beantworten, müssen sich Planer und Ausfüh-
rende über das Risiko bewusst sein, wenn sie das Produkt trotzdem anwenden. Es würde
dann nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die unter dem Namen „Entfeuchtungsputze“,
„Feuchteregulierungsputze“ oder auch „Microporenputze“ angebotenen Produkte keine
Entfeuchtung des Mauerwerkes bewirken können. Das kann kein Putz leisten. Die Funk-
tionsweisen dieser Putze müssen kritisch hinterfragt, wissenschaftliche Prüfzeugnisse,
Bekanntheitsgrad, Praxisbewährung und Referenzen abgefragt werden. Letztlich ist
die Beurteilung entscheidend, ob das Material den allgemein anerkannten Regeln der
Technik entspricht und daher mit überschaubarem Risiko geplant und ausgeführt werden
kann.
Entfeuchtungsputze sind nicht genormt. Merkblätter, Richtlinien o. ä. über diese Pro-
dukte existieren nicht. Bei der WTA arbeitet jedoch derzeit eine Arbeitsgruppe, die sich
mit diesen Putzen befasst. Zu Entfeuchtungsputzen soll ein WTA-Merkblatt veröffentlicht
werden.
19 Flankierende Maßnahmen677
Unter dieser Überschrift sollen Putzmörtel zusammengefasst werden, die für den Verputz
von feuchte- und salzgeschädigtem Mauerwerk aufgrund ihrer Zusammensetzung und
Eigenschaften nicht geeignet sind.
Gipsputz
Unter dem Einfluss von Feuchtigkeit können Gipsputze erweichen und die Haftung am
Putzgrund verlieren. Es besteht außerdem das Risiko von Treibmineralbildungen. Kaum
abschätzbar ist, wie sich die Gipsbindemittel unter dem Einfluss der bauschädlichen Salze
verhalten. Im Außenbereich sind Gipsputze wegen der Witterungsbelastungen ohnehin
nicht einsetzbar.
Diese Aussagen gelten auch für die Putze, die neben Gips weitere Bindemittel beinhal-
ten. Dies sind z. B. die Gips-Kalkputze, die Kalk-Gipsputze und die in der Schweiz sowie
den angrenzenden Regionen verbreiteten Gips-Zementputze.
Lehmputze
Lehmputze sind aufgrund ihrer feuchtigkeitsregulierenden Eigenschaften seit Ende der
1990er Jahre wieder verstärkt am Markt präsent. Eine entscheidende Eigenschaft dieser
Materialien ist jedoch, dass sie rein physikalisch durch Wasserabgabe erhärten. Der Erhär-
tungszustand kann durch Befeuchtung wieder vollständig rückgängig gemacht werden.
Bereits damit zeigt sich, dass Lehmputze auf feuchte- und salzgeschädigten Mauerwerken
vollständig ungeeignet sind. Sie würden in Abhängigkeit der Feuchtebelastung im Mauer-
werk nur sehr langsam oder gar nicht erhärten, wodurch bereits die Haftung am Putzgrund
infrage zu stellen ist. Hinzu kommt die Anfälligkeit gegenüber mechanischen Belastun-
gen. Außerdem dürfen Lehmputze nicht der direkten Bewitterung ausgesetzt und auch
nicht in Sockelbereichen verarbeitet werden.
Lehmputze sind für den Verputz von feuchte- und salzgeschädigtem Mauerwerk sowohl
im Außen- als auch im Innenbereich ungeeignet.
19.3.8 Zusammenfassung
Das Verputzen von feuchte- und salzgeschädigten Mauerwerken ist möglich, wenn durch
ausreichende Voruntersuchungen am Mauerwerk und die Wahl des geeigneten Putzmör-
tels die technisch notwendigen Rahmenbedingungen gegeben sind. Grundsätzlich ist
der Verputz nur als flankierende Maßnahme zu sehen. Die vorherige Instandsetzung des
Mauerwerkes, z. B. durch das An-/Einbringen nachträglicher Abdichtungen, muss Vorrang
haben und ist eine Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Putzes.
Als Putzmörtel auf feuchte- und salzgeschädigtem Mauerwerk haben sich in den letzten
Jahrzehnten Sanierputze und Sanierputzsysteme bewährt. Ihre Funktionsweise ist wissen-
schaftlich bewiesen und als richtig anerkannt, die Mörtel sind unter Bautechnikern allge-
mein bekannt, und es existieren zahlreiche und aussagekräftige Praxiserfahrungen an den
unterschiedlichsten Objekten und Baudenkmalen. Ein Zeichen der Praxisbewährung und
des Bekanntheitsgrades nicht nur in Deutschland ist die Aufnahme des Sanierputzmörtels
in die europäische Putznorm EN 998-1 (2003) im Jahr 2003, nachdem die Sanierputzsys-
teme seit 1985 nur durch das WTA-Merkblatt geregelt waren.
Sollen andere Putzmörtel Verwendung finden, ist sorgfältig zu prüfen, ob die Putzeigen-
schaften mit den speziellen Bedingungen auf feuchte- und salzbelasteten Untergründen
vereinbar sind und ob eine ausreichend lange Funktionsfähigkeit zu erwarten ist.
Putze gleich welcher Art können keine schnelle Austrocknung oder gar Entfeuchtung
des geschädigten Mauerwerkes bewirken. Es ist grundsätzlich nur ein schrittweiser Aus-
trocknungseffekt möglich.
Die schadenfreie Funktion von Putzen auf diesen geschädigten Mauerwerken ist
begrenzt. Die übliche Haltbarkeitsdauer aus dem Neubaubereich von mehreren Jahrzehn-
ten kann hier nicht in jedem Fall erwartet werden.
Ob und wie ein Raum zu belüften ist, wird durch gesetzliche Vorschriften, Komfortan-
sprüche, Geometrie und Lage des Raumes sowie letztendlich durch die geplante Nutzung
bestimmt.
Die Lüftung von Räumen spielt eine oftmals unterschätzte Rolle in und nach dem
Sanierungszeitraum. Durch eine ausreichende Lüftung wird die relative Luftfeuchte in der
Raumluft entscheidend verringert. Dadurch kann zum Beispiel schneller
Räume mit einfachen Mitteln zu belüften, ist durch die natürliche bzw. freie Lüftung
über Fenster und andere Öffnungen in den raumbegrenzenden Wänden möglich. Unter
einer natürlichen Lüftung versteht man den Luftwechsel, welcher sich durch den natür-
lichen Auftrieb der Luft infolge von Temperaturunterschieden und durch Wind einstellt.
Ein definierter Luftaustausch ist damit nicht möglich. Diese Art des Luftwechsels stößt
durch geometrisch ungünstige Gegebenheiten des Raumes (Raumtiefe/Raumgröße)
oder durch die Lage des Raumes im Gebäude (Innenraum) an die Grenzen der Effek-
tivität. Dann muss ein Luftaustausch über mechanische Lüftungsanlagen sichergestellt
werden.
Sind die örtlichen Gegebenheiten derart, dass von einer natürlichen Lüftung kein aus-
reichender Luftaustausch zu erwarten ist, kann eine Zwangslüftung notwendig werden.
Eine Zwangslüftung kann über Ventilatoren und weiteren Anlagenkomponenten
(Heizer, Filter usw.), die auf den Einzelfall abzustimmen sind, erreicht werden. Ein defi-
nierter Luftaustausch ist damit im Einzelfall möglich. Die Art der Lüftung ist wirtschaft-
lich und technisch ausreichend, um eine Bauteiltrocknung vorzunehmen und einen Luft-
wechsel in untergeordneten Räumen abzusichern.
Wird ein definierter Luftaustausch oder eine dauerhafte Entfeuchtung des Raumes
durch seine geplante Nutzung notwendig, reicht eine mit Ventilatoren betriebene Zwangs-
lüftung nicht mehr aus. Dann ist es wirtschaftlicher, eine sensorgesteuerte Lüftungsanlage
zu planen und einzubauen. Die Klimatisierung ist gegenüber der reinen Lüftung höher-
wertig. Sie wird überwiegend in Räumen mit anspruchsvoller Nutzung (Archiv, Biblio-
thek, Lager für feuchteempfindliche Güter usw.) notwendig.
Die Lüftungsanlagen besitzen zwei Sensoren, welche die relative Luftfeuchte und die
Raumlufttemperatur der Innenraumluft und der Außenluft messen. Damit können die
absolute Luftfeuchte und deren Differenz von der Innenraumluft und der Außenluft rech-
nerisch ermittelt werden. Die absolute Luftfeuchte lässt sich derzeit noch nicht messtech-
nisch ermitteln. Ist die absolute Luftfeuchte in der Innenraumluft größer als in der Außen-
luft, so öffnet ein Steuergerät eine Verbindung zur Außenluft. Ein ebenfalls eingeschalteter
Ventilator befördert die feuchte Innenraumluft ins Freie und führt trockenere Außenluft
in den Raum. Der Luftaustausch erfolgt nur so lange, wie eine signifikante Differenz der
absoluten Luftfeuchte zwischen Innen- und Außenluft besteht (Abb. 19.18).
19.5.1 Allgemein
Wie vor Beginn einer jeden Sanierungsmaßnahme, ist auch bei der Anwendung des I-Bau-
system © die Ursache des Schadens im Vorfeld zu ermitteln. Erweist sich die Anwen-
dung des I-Bausystem © als zielführend, so kann es bei Beachtung der Eigenschaften im
Rahmen der Sanierung angewendet werden.
680 J. Weber et al.
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19.5.2 Systembeschreibung
Auf den Bestandsuntergrund, gleich welcher Art, wird entweder eine Folie und/oder eine
Noppenbahn mit einer Noppenhöhe von ca. 1–2 cm aus unverrottbarem Kunststoff (z. B.
Polypropylen) aufgebracht. Unebenheiten werden so ausgeglichen und/oder überbrückt.
Wesentlich ist, dass ff. kein Luftaustausch zwischen dem Bestandsuntergrund und dem
Raum stattfindet! Somit
Auf dieses System kann ein Putzträger aufgedübelt werden, bzw. es werden Noppenbah-
nen mit verbundenen (aufgeschweißten) Putzträgern verwendet, um die Lasten des Putzes
aufzunehmen. Die so vorbereitete Fläche kann anschließend verputzt oder im Trockenbau
mit Platten verkleidet werden (Abb. 19.19).
In der Regel wird ein Sanierputz nach WTA verwendet, um die unterschiedlichen
Klima- und Temperaturdifferenzen auszugleichen. Um jedoch Kondenswasserbildung
(raumseitig bedingt!) bei höherwertigen Nutzungen zu vermeiden, soll oder muss die
Oberfläche erwärmt und/oder die Luftfeuchte abgesenkt werden. Dies kann z. B. dadurch
erreicht werden, dass das bestehende (oder ein anderes) Heizungssystem integriert wird.
Es reicht normalerweise aus, den Rücklaufstrang der Heizungsanlage an der Außenwand,
innenseitig am Boden-Wandanschluss entlang zu leiten. Andererseits kann die Raumluft-
feuchte mittels Luftentfeuchter derart reguliert werden, dass der Taupunkt an der Ober-
fläche nicht unterschritten wird.
19 Flankierende Maßnahmen681
Somit ergeben sich je nach Objekt und dessen Randbedingungen u. U. folgende Vorteile
gegenüber anderen Sanierungsmassnahmen:
• Das Aufgraben von außen entfällt, wenn die Feuchteeinwirkung vom System kompen-
siert werden kann. Eine statisch zu berücksichtigende Entlastung durch den fehlenden
Anpressdruck beim Aufgraben aus dem Erdreich findet nicht statt. Die Erschütterungen
durch die Verdichtung beim Wiederauffüllen entfallen.
• Der alte Verputz des Bestandes kann verbleiben, somit weniger Staub, Schmutz und
Bauschutt.
• Hinter dem System bleibt die Wand entsprechend ihres Feuchtegehaltes gleichmäßig
durchfeuchtet, ggf. vorhandene Salze bleiben dauerhaft in Lösung.
• Sehr zeitsparend. Die Oberflächen können ohne Wartezeiten fertiggestellt werden.
• Im Rahmen der Baumaßnahme wird wenig Wasser bzw. beim Trockenbau gar keines
in das Gebäude eingebracht.
• Die Luftfeuchtigkeit im Raum wird reduziert, da der Feuchteeintrag über die Wand-
oberfläche entfällt.
• Auf dem System kann „trocken“ weitergearbeitet werden und so z. B. die Wärmedäm-
mung verbessert werden.
19.5.3 Fazit
Wie bei jedem Sanierungssystem, sind hier ebenfalls die Randbedingungen zu beach-
ten. Wesentlich ist dabei die in der Wand verbleibende Feuchtigkeit. Diese Bedingun-
gen werden im Rahmen der Voruntersuchungen definiert, ein Sanierungskonzept und die
Sanierungsdetailplanung erstellt.
682 J. Weber et al.
Literatur
20.1 Allgemein
• Schulungen des planenden und ausführenden Personals für die entsprechenden Bau-
werksabdichtungen im Bestand;
• Zertifizierungen von Personen, Materialien und Prozessen (i. d. R auch als Dienstleis-
tungen bezeichnet);
• Aktuelle Prozessbeschreibungen der Abdichtungsmaßnahmen für die Ausführung der
Massnahmen;
• Eigenüberwachungen;
• Fremdüberwachungen;
• Projektzeitpläne;
• Begleitende Kontrollen auf der Baustelle (als Eigen- und/ oder Fremdüberwachung
möglich) und
• Dokumentationen der ausgeführten Maßnahmen.
Zur Qualitätssicherung gehören Transparenz und Effizienz deren Maßstab der Kunde dar-
stellt. Die Auswahl der Qualitätssicherungsmassnahmen obliegt den jeweiligen Firmen
C. Hecht (*)
Wien, Österreich
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 683
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_20
684 C. Hecht
20.2 Planer
Eine genaue Positionierung des Planers und seiner Aufgaben insgesamt wird in (ÖNorm
3355, 2017) gegeben. Zur Sicherstellung der zeitlich richtigen Zuordnung sind im Pro-
jektzeitplan die einzelnen Arbeiten (Zustandserhebung einschließlich Sanierungskonzept,
Sanierungsdetailplanung, Überwachung der Ausführung und Kontrolle der Wirksamkeit)
einzutragen. Mit diesen Aufgaben betraut wird ein Fachmann/eine Fachfrau für Bau-
werksdiagnose. Die organisatorische Zuordnung dieser Person, der mit der Erbringung
dieser zuvor genannten Arbeitspakete beauftragt wird, ist anhand einer exemplarischen
Aufbauorganisation für ein Großbauprojekt im Bild 16.1 dargestellt.
Nach (ÖNorm 3355, 2017) ist „Zur Sicherstellung der Unabhängigkeit des Fachmanns
für Bauwerksdiagnose … dieser nicht selbst mit der Ausführung der Mauerwerkstrocken-
legung zu beauftragen.“
Bei kleinen Projekten, Einzelmassnahmen o.ä. reduziert sich die „Zuordnung“ auf drei
Personenkreise: Bauherr, Fachmann/ -frau für Bauwerksdiagnose und die Ausführenden
(Abb. 20.1).
Abb. 20.1 Organisatorische Zuordnung des Fachmanns für Bauwerksdiagnose für ein Großbau-
projekt. (ÖNorm 3355, 2017)
20 Qualitätssicherung685
Vor Vergabe der Arbeiten ist die Eignung des Anwenders (der ausführenden Firma und der
verantwortlichen Person auf der Baustelle) zu prüfen. Im Sinne von (WTA-Merkblatt 4-6
2014) bedeutet dies, dass die ausführenden Unternehmen die Fachkunde durch entspre-
chende personenbezogene Qualifikationsnachweise belegen müssen. Das können z. B.
entsprechende Schulungsnachweise sein.
Personenbezogene Qualifikationsnachweise gelten nicht generell für das gesamte
Unternehmen!
Darüber hinaus kann die Fachkunde durch Referenzobjekte/-projekte nachgewiesen
werden. Die Angabe von Referenzobjekten ist in seiner Detaillierung und Informations-
tiefe nicht einheitlich geregelt, sodass dringend empfohlen wird, die entsprechenden
Angaben zu hinterfragen, wenn Unklarheiten bestehen.
20.4 Ausführung
Generell gilt, dass die Ausführung der planerischen Vorgaben sicherzustellen ist. Dies ent-
bindet den Ausführenden nicht von seiner Verantwortung, aufgrund seines Wissens Ver-
besserungen vorzuschlagen und/ oder auf planerische Mängel hinzuweisen.
In (WTA-Merkblatt 4-7-15 2015) und (WTA-Merkblatt 4-10 2015) heißt es zusammen-
fassend sinngemäß: Arbeitsabläufe und Randbedingungen sind zu dokumentieren. Jeder
Anwender hat sich im Rahmen der Eigenüberwachung während der Ausführung laufend
von der Einhaltung der planerischen Vorgaben einschließlich Merkblätter, Normen usw.
zu überzeugen und hierüber Aufzeichnungen zu führen. Bei der Ausführung dürfen nur
geprüfte Baustoffe verwendet werden. Prüfzeugnisse und Sicherheitsdatenblätter sind
beizubringen.
Weiters wird eine Fremdüberwachung durch einen geeigneten fachkundigen Ingenieur
empfohlen. Für die Fremdüberwachung sind die Aufzeichnungen der Eigenüberwachung
durch einen Fachplaner zu kontrollieren und ggf. weitere Prüfungen durchführen zu lassen.
Nach (WTA-Merkblatt 4-7-15 2015) hat die für die nachträgliche Abdichtungsmaß-
nahme verantwortliche Person während der Herstellung ständig auf der Baustelle anwe-
send zu sein!
Für die Dokumentation der ausgeführten Maßnahmen (z. B. Ausführungsprotokolle)
werden u. a. in (WTA-Merkblatt 4-7-15 2015; ÖNorm 3355, 2017 und WTA-Merkblatt
4-10 2015) Mindestangaben gemacht. Die Bilder 16.2 und 16.3 zeigen entsprechende Bei-
spiele (Abb. 20.2).
686 C. Hecht
Abb. 20.2 Allgemeiner Teil des Formblattes zur Dokumentation von Horizontalabdichtungen.
(ÖNorm 3355, 2017)
20.5 Erfolgskontrolle
Eine dem Wunsch bzw. dem Anspruch des Kunden gerecht werdende Qualität wird u. a.
mit dem Erfolg der ausgeführten Massnahmen assoziiert. Diese Erfolgskontrolle kann
durch vergleichende Messungen vor und nach der Massnahme erfolgen. Dabei ist auf
Vergleichbarkeit der Messmethoden, Messpunkte und Messwerte der Ursprungsmessung
mit der „End“-messung zu achten, wie z. B.:
Es wird dringend empfohlen, solche Messungen vor der Massnahme zu vereinbaren! Nur
so wird der Ausgangs- und der erreichte Zustand verglichen! (Abb. 20.3).
20 Qualitätssicherung687
Abb. 20.3 Formblatt zur Dokumentation von Injektionsarbeiten. (WTA-Merkblatt 4-10, 2015)
688 C. Hecht
Literatur
21.1 Vorbemerkung
Bei der Sanierung von Bestandsgebäuden erfolgt ein Eingriff in die Bausubstanz, welcher
zu Beschädigungen bzw. Beeinträchtigungen an angrenzenden Bauteilen und Freiflächen
führen kann. Daher ist es zwingend notwendig vor Beginn einer Baumaßnahme eine umfang-
reiche Dokumentation über den Zustand des betreffenden Objektes, der angrenzenden Bau-
teile, welche nicht saniert werden, sowie der umliegenden Umgebung vorzunehmen.
Ferner kann eine Beweissicherung notwendig werden, wenn es zu Störungen im Bau-
ablauf kommt bzw. eine Unterbrechung der Maßnahme erfolgt.
Auch Streitigkeiten zwischen den am Bau Beteiligten erfordern immer eine Sicherung
der Beweise vor Ort, bevor diese nicht mehr sichtbar sind, da diese zum Beispiel überbaut
werden und somit kein Zugang mehr möglich ist.
Die Statistik zeigt, dass immer mehr Zivilprozesse vor den Gerichten ausgefochten
werden. Würden bereits aussagekräftige Beweissicherungen von den am Bau Beteiligten
vorliegen, könnten viele Streitigkeiten bereits außergerichtlich geklärt werden, da dann
zweifelsfrei festgestellt werden kann, wer welchen Mangel zu verantworten hat.
Eine außergerichtliche Einigung ist zweifelsfrei kostengünstiger und erspart viel Zeit.
Das Ziel einer Beweissicherung ist es, allen Baubeteiligten, sowie Dritten, eine Rechts-
sicherheit zu schaffen und Streitigkeiten zu vermeiden.
V. Schulz (*)
Leipzig, Deutschland
e-mail: [email protected]
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 689
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_21
690 V. Schulz
Aufgabe der Beweissicherung ist, den IST-Zustand (Erstaufnahme vor der Sanierung) an
baulichen Anlagen und Freiflächen festzustellen, welche während der Sanierungsmaß-
nahmen besonderen Einwirkungen, wie Erschütterungen, Staubbelastungen, Verschmut-
zungen und anderen mechanischen und chemischen Einwirkungen ausgesetzt sind und
gegebenenfalls davon Schäden tragen können (Abb. 21.3 und 21.4).
21 Grundlagen der Beweissicherung691
Daher sind alle bereits vor der Sanierung vorhandenen Schäden an den baulichen
Anlagen und Freiflächen zu dokumentieren.
Während der Sanierung sind mögliche Einflüsse zu dokumentieren, welche Schäden
verursachen können, jedoch nicht im Zusammenhang mit der Baumaßnahme stehen.
Ist die Baumaßnahme abgeschlossen erfolgt eine erneute Beweissicherung, welche als
sogenannter Veränderungsnachweis dient.
Der Veränderungsnachweis belegt, ob es an den benachbarten Objekten und Bauteilen
zu Schäden gekommen ist, welche bei der Erstbegehung noch nicht vorhanden waren.
Dies lässt dann zuerst die Annahme zu, dass die Baumaßnahme die Ursache für die
entstandenen Schäden ist. Jedoch ist zu klären, ob diese neuen Mängel tatsächlich im
692 V. Schulz
Zusammenhang mit der Baumaßnahme stehen oder andere Einflüsse dazu geführt haben
können, was jedoch nicht Gegenstand einer Beweissicherung ist.
Wird die Beweissicherung nicht vom Auftraggeber der Sanierungsmaßnahme ausge-
schrieben und an einen unabhängigen Sachkundigen vergeben, ist es für die ausführenden
Firmen empfehlenswert eine eigene Beweissicherung durchzuführen. Dies dient dazu,
dass der Ausführende sich vor Ansprüchen des Auftraggebers bzw. des Eigentümers des
benachbarten Objektes schützen kann.
Ferner wird auch für die Eigentümer benachbarter Objektes empfohlen eine eigene
Beweissicherung vorzunehmen, sollte der Auftraggeber der Sanierungsmaßnahme keine
Beweissicherung in Auftrag gegeben haben.
Die Beweissicherung ist bereits in der Phase der Bauplanung auszuarbeiten und dient als
Grundlage für die Ausschreibung der Leistung.
Die Ausschreibung der Beweissicherung ist so detailliert auszuarbeiten, dass die Bieter den
genauen Umfang und Inhalt der Beweissicherung abschätzen können und der Auftraggeber
vergleichbare Angebote gemäß § 121 „Leistungsbeschreibung“ GWB (Gesetz gegen Wett-
bewerbsbeschränkungen) und § 7 „Leistungsbeschreibung“ VOL/A (Vergabe- und Vertrags-
ordnung für Leistungen-Allgemein Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen) erhält.
Bei der Vergabe der Leistung sollte beachtet werden, dass der Ausführende über beson-
dere Fachkenntnisse verfügt und unabhängig ist.
Sofern den ausführenden Fachfirmen bekannt ist, dass keine Beweissicherung durch
den Auftraggeber ausgeschrieben und vergeben wurde, so ist bereits bei der Angebots-
unterbreitung die Position „Beweissicherung“ mit einzukalkulieren.
Die Durchführung der Beweissicherung erfolgt gemäß der Ausschreibung, welche auf
Grundlage des Beweissicherungskonzeptes ausgearbeitet wurde.
Bei einer Beweissicherung erfolgt die Dokumentation von visuell erkennbaren Schäden,
ohne das besondere Hilfsmittel zum Einsatz kommen. Es ist jedoch zu beachten, dass der
Einsatz eines Gliedermaßstabes, einer Risslupe, eines Messschiebers, eines Rissbreiten-
messers oder eines Messkeiles keine besonderen Hilfsmittel darstellen.
694 V. Schulz
Abb. 21.5 malermäßige
Instandsetzung des Innenputzes
nach der Sanierungsmaßnahme
21 Grundlagen der Beweissicherung695
Die Beweissicherung aus der Erstbegehung ist dann mit der Beweissicherung nach der
Fertigstellung der Baumaßnahme zu vergleichen und zu beurteilen, ob es zu Veränderun-
gen an der Bausubstanz gekommen ist. Eine Beurteilung der Ursache für die zusätzlich
festgestellten Mängel, ist nicht Gegenstand der Beweissicherung.
Zivilrechtliche Grundlagen
22
Volker Hafkesbrink und Ulrich Kühne
Der Bauherr ist der Auftraggeber und Hauptvertragspartner, der die Erstellung eines Bau-
vorhabens nach seinen Vorstellungen verlangt und in diesem Zusammenhang mit den
unterschiedlichsten Personen Verträge abschließt.
Wesentlich sind dabei natürlich vor allem die Bauverträge, die er mit einzelnen Bau-
unternehmern abschließt. Bei Vereinbarung der VOB/B sind dem Bauherrn als Auftrag-
geber auch nach Vertragsschluss Möglichkeiten an die Hand gegeben, den geschlossenen
Vertrag nach seinen Vorstellungen zu modifizieren, z. B. den Bauentwurf zu ändern (§ 1
Abs. 3 VOB/B) oder unter bestimmten Voraussetzungen die Ausführung von Zusatzleis-
tungen zu verlangen (§ 1 Abs. 4 VOB/B). Ebenfalls ist er berechtigt, den Vertrag jederzeit
zu kündigen, § 649 Abs. 1 BGB, § 8 Abs. 1 VOB/B. Er muss dann jedoch die Vergü-
tung des Auftragnehmers unter Anrechnung der ersparten Aufwendungen zahlen. Grund-
sätzlich trifft den Auftraggeber die Vergütungspflicht für die empfangenen Leistungen.
Daneben treffen den Auftraggeber aber auch Mitwirkungspflichten. Er hat zum Beispiel
die not wendigen Ausführungsunterlagen zu übergeben (vgl. § 3 Abs. 1 VOB/B) und ihn
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 697
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_22
698 V. Hafkesbrink und U. Kühne
trifft die Obliegenheit, für die Durchführung des Bauvorhabens zu sorgen, also z. B. Bau-
genehmigungen einzuholen oder für die baulichen Voraussetzungen durch Vorgewerke zu
sorgen. Die gesamte Koordination des Bauablaufs obliegt dem Bauherrn.
Der Projektsteuerer ist enger Berater des Auftraggebers. Die HOAI enthielt in einer alten
Fassung in § 31 HOAI anschauliche Formulierungen, die das Tätigkeitsbild des Projekt-
steuerers beschreiben. Leistungen der Projektsteuerung werden danach von Auftragneh-
mern erbracht, wenn sie Funktionen des Auftraggebers bei der Steuerung von Projekten
mit mehreren Fachbereichen übernehmen. Hierzu gehören insbesondere:
1. Klärung der Aufgabenstellung, Erstellung und Koordinierung des Programms für das
Gesamtprojekt,
2. Klärung der Voraussetzungen für den Einsatz von Planern und anderen an der Planung
fachlich Beteiligten (Projektbeteiligte),
3. Aufstellung und Überwachung von Organisations-, Termin- und Zahlungsplänen,
bezogen auf Projekt und Projektbeteiligte,
4. Koordinierung und Kontrolle der Projektbeteiligten, mit Ausnahme der ausführenden
Firmen,
5. Vorbereitung und Betreuung der Beteiligung von Planungsbetroffenen,
6. Fortschreibung der Planungsziele und Klärung von Zielkonflikten,
7. laufende Information des Auftraggebers über die Projektabwicklung und rechtzeitiges
Herbeiführen von Entscheidungen des Auftraggebers,
8. Koordinierung und Kontrolle der Bearbeitung von Finanzierungs-, Förderungs- und
Genehmigungsverfahren.
Ein Projektsteuerer nimmt also nach dieser Beschreibung während des Bauablaufs ent-
scheidende Funktionen des Auftraggebers wahr. Die Tätigkeit des Projektsteuerers ist
geprägt von Kontroll- und Organisationsleistungen komplexer Art, die ihm Führungs-
oder Leitungsfunktionen einräumen. Im Vordergrund der Tätigkeit stehen Elemente des
persönlichen Vertrauens und sich daraus ergebende, schlecht überschaubare Risiken für
den Vertragspartner.
Projektsteuerer werden in der Regel bei größeren Bauvorhaben neben den Architekten
oder Sonderfachleuten hinzugezogen, um die Gesamtsteuerung der vielfältigen Gewerke
zu überwachen.
Im Rahmen der Bauwerksabdichtung werden Projektsteuerer z. B. bei terminlichen
Entscheidungen tätig. Die konkrete bauliche Überwachung der Arbeiten ist allerdings
Aufgabe des Bauüberwachenden.
22 Zivilrechtliche Grundlagen699
Für die Erstellung der Pläne, welche der Bauherr dem Auftragnehmer aushändigen muss,
und für die Schaffung der Grundlagen für die Beantragung der erforderlichen öffentlich-
rechtlichen Genehmigungen wird sich der Auftraggeber in der Regel eines Architekten
bedienen.1 Gleiches gilt für die Überwachung der Ausführung von Bauleistungen. Der
Leistungsumfang eines Architekten bemisst sich nach der konkreten Beauftragung, die
Vergütung nach den vertraglichen Vereinbarungen und nach den Regelungen der HOAI.
Der ausführende Unternehmer wird bereits bei der Angebotsabgabe mit den Leistun-
gen des Architekten in Kontakt kommen, da er aufgrund der regelmäßig vom Architek-
ten erarbeiteten Leistungsbeschreibung (z. B. Pläne, Leistungsverzeichnis) sein Angebot
abgibt. Im weiteren Verlauf wird der Unternehmer den Architekten vor allem als Bauüber-
wacher erleben. Zu beachten ist, dass der Architekt regelmäßig nicht berechtigt ist, den
Bauherrn rechtsgeschäftlich zu vertreten.
Für den Architekten ist die Frage der Abdichtung ein besonders haftungsträchtiges Pro-
blemfeld, weswegen dies in einem eigenen Kapitel dargestellt werden soll.
22.1.4 Sonderfachleute
Ohne die Einschaltung von Sonderfachleuten wie Bodengutachter, Geologen oder Sta-
tiker kann der Architekt oftmals seine Leistungen nicht ordnungsgemäß erbringen. Son-
derfachleute sind immer dann einzuschalten, wenn der Architekt mit seinen Kenntnissen
bestimmte Planungsfragen nicht beantworten kann.
Besonders bei den Fragen der Abdichtung wird eine Planung ohne Kenntnis der vor-
herrschenden Grundwasserverhältnisse nicht zu bewerkstelligen sein. Schon die Auswahl
der Abdichtungsmethode ist maßgeblich davon abhängig, ob z. B. mit drückendem Wasser
zu rechnen ist oder ob bei der Planung zukünftige Grundwasserspiegelerhöhungen eine
Rolle spielen können.
Hier werden in der Regel Bodengutachten zu erstellen sein. Bodengutachter sind regel-
mäßig Geologen, die anhand vorhandener oder durch Proben gewonnener Erkenntnisse
die Art der zu erwartenden Grundwasserverhältnisse bestimmen.
Bei der Altbausanierung ist oftmals auch an die Einbeziehung von Bausachverständigen
zu denken, die im Rahmen der Vorbegutachtung für den Auftraggeber den vorhandenen
Zustand z. B. des Mauerwerks ermitteln, um dann vorzuschlagen, welche Art der Abdich-
tung vorgenommen werden muss und welche begleitenden Maßnahmen zur Erreichung
des Nutzungszwecks erforderlich sind. Hinzu kommt die Frage nach Feuchteschäden in
der Bausubstanz und deren Beseitigung.
1
BGH, NJW 2000, 202, OLG Karlsruhe, IBR 2005, 385.
700 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Im weiteren Verlauf unserer Ausführungen wird ein Auftraggeber auch Besteller genannt
werden, der Auftragnehmer auch Unternehmer. Das gesetzliche Werkvertragsrecht nennt
nämlich die Vertragspartner Besteller und Unternehmer, nach der Terminologie der VOB/B
heißen sie Auftraggeber und Auftragnehmer.
Der Auftragnehmer ist der Vertragspartner, der das (Bau-)Werk zu erstellen hat. Auf-
grund der mannigfaltigen Spezialisierungen der einzelnen Auftragnehmer und des Bestre-
bens des Auftraggebers, für das gesamte Bauvorhaben einen einzigen Ansprechpartner zu
haben, haben sich eine Vielzahl von Vertragskonstellationen gebildet.
Will der Auftraggeber nicht einzelne und rechtlich selbstständige Verträge mit den ein-
zelnen Auftragnehmern der jeweiligen Gewerke schließen, kann er sich eines sogenannten
Generalauftragnehmers bedienen. Mit ihm schließt der Auftraggeber einen Werkvertrag
über die Erstellung sämtlicher Leistungen am Bauvorhaben. Der Generalunternehmer
schließt sodann mit einzelnen Subunternehmern rechtlich selbstständige Vertragsverhält-
nisse. Handelt es sich um ein größeres Bauvorhaben, ist es durchaus möglich, dass dieser
Subunternehmer den Auftrag wiederum an einen Subunternehmer weitergibt, was zu Ver-
tragsketten führen kann.
Ausschließlich mit der Abdichtung befasste Unternehmer werden in der Regel von den
Generalunternehmern als Nachunternehmer beauftragt werden, um deren Fachkompetenz
zunutzen.
Wesen des Werkvertrags Durch den Abschluss eines Werkvertrages verpflichtet sich
der Unternehmer zur Herstellung und Verschaffung des versprochenen, individuellen
Werks, d. h. zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges für seinen Auftraggeber. Die
Leistung des Unternehmers ist demnach geprägt durch die Herbeiführung des Arbeits-
erfolges bzw. die Herbeiführung eines erfolgsbezogenen Beitrags zur Verwirklichung der
Gesamtleistung.2 Unter der Herbeiführung eines bestimmten Erfolges als Wesensmerk-
mal des Werkvertrags ist regelmäßig nur das unmittelbar durch die Tätigkeit des Unter-
nehmers herbeizuführende Ergebnis, nicht auch der nach dem wirtschaftlichen Zweck
erhoffte endgültige Erfolg zu verstehen. Der Unternehmer übt seine Tätigkeit in eigener
Verantwortung und unter Einsatz eigener Arbeitsmittel oder Fachkenntnisse aus. Er trägt
das unternehmerische Risiko des Gelingens des Arbeitserfolgs.3 Bei Abdichtungsarbeiten
ist regelmäßig von einem Werkvertrag auszugehen. Geschuldet ist als werkvertraglicher
Erfolg die Anbringung und Herbeiführung der Abdichtung. Der Unternehmer wird – wenn
er keinen Nachunternehmer einsetzt – seine eigenen Arbeitsmittel und Fachkenntnisse
einsetzen, um eine wirksame Abdichtung herbeizuführen. Was konkret als Werkvertrags-
erfolg geschuldet ist, ist abhängig von der vereinbarten Beschaffenheit des Werks.
Der vom Unternehmer geschuldeten Leistung, also der Herbeiführung des vereinbar-
ten Erfolgs, steht im Idealfall die vertraglich vereinbarte Vergütung gegenüber. Eindeutig
ist das, wenn zur Erreichung der konkret vereinbarten Beschaffenheit (z. B. „Bauwerks-
abdichtung nach den anerkannten Regeln der Technik“) eine Pauschalvergütung verein-
bart wird. Das ist aber in der Praxis nicht zwingend deckungsgleich geregelt. Oftmals
wird nämlich die Vergütung für konkrete Arbeitsschritte vereinbart, wie sie z. B. in einem
Leistungsverzeichnis aufgeführt sind. Hier werden oftmals für einzelne Arbeitsschritte
Positionen mit Teilvergütungen gebildet. Oftmals werden hier Preise für eine bestimmte
Menge (z. B. pro m3, pro laufender Meter usw.) vereinbart; die Abrechnung hängt dann
von der konkret erbrachten Menge ab („Einheitspreisvertrag“). In solchen Fällen kommt
man im Wege der Vertragsauslegung zum Ergebnis, dass die vereinbarte Vergütung nur die
im Leistungsverzeichnis aufgeführten Leistungen abdeckt. Nun kommt es aber – z. B. auf-
grund ungenügender oder fehlerhafter Planungsgrundlagen – vor, dass diese Arbeitsschritte
2
BGH NJW 2002, 749.
3
Palandt/Sprau, Einf. v. § 631, Rn. 1.
702 V. Hafkesbrink und U. Kühne
nicht ausreichend sind, um den Erfolg, nämlich eine funktionsfähige Abdichtung, her-
beizuführen. Dann „passen“ vereinbarter Erfolg und der von der Vergütung abgedeckte
Leistungsumfang nicht zueinander. Dann ist zwar die Werkleistung mangelhaft, wenn der
Unternehmer den Erfolg nicht herbeiführt, andererseits schuldet der Unternehmer weiter-
gehende Arbeitsschritte nur gegen zusätzliche Vergütung. In einem solchen Fall muss ein
Unternehmer Bedenken gegen die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit des Leistungsver-
zeichnisses oder die Planung anmelden und dem Auftraggeber letztlich die Entscheidung
überlassen. Beauftragt der Auftraggeber nicht die erforderlichen weiteren Arbeitsschritte,
wird der Unternehmer von der Haftung für die ja gleichwohl mangelhafte Leistung frei.
Abgrenzung zum Kaufvertrag Beim Kaufvertrag schuldet der Verkäufer die Übereig-
nung und Übergabe des Kaufgegenstandes. Im Unterschied zum Werkvertrag ist beim
Kaufvertrag das Element der schöpferischen Leistung, der Herstellung, zurückgedrängt.
Kaufverträge spielen bei der Erstellung der Bauwerksabdichtung insoweit eine Rolle, als
ein Bauunternehmer, der Abdichtungsarbeiten ausführt, regelmäßig Baustoffe erwirbt und
insoweit mit Lieferanten Kaufverträge abschließt. Diese sind jedoch nicht Gegenstand des
vorliegenden Buchs. Die Erstellung der Bauwerksabdichtung selbst ist naturgemäß kein
Kaufvertrag.
Nähere Betrachtung verdienen Verträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von
Mauerentfeuchtungsgeräten abgeschlossen werden. Hier werden Geräte und/oder Anlagen
vertrieben, deren Betrieb im Rahmen und aufgrund elektrophysikalischer Vorgänge für
eine Reduzierung der Feuchtigkeit im Mauerwerk, also eine Trockenlegung, sorgen sollen.
Derartige Verträge sind als Kaufverträge einzuordnen, weil Gegenstand des Vertrags die
Veräußerung eines Gerätes (bewegliche Sache) ist, welches bestimmte technische Eigen-
schaften aufweisen soll. Dass aus Sicht des Käufers der Erwerb eines solchen Gerätes
nur in Verbindung mit der Erreichung eines bestimmten Erfolgs geschieht, nämlich der
Erreichung eines bestimmten Mauerwerkszustandes, ändert daran nichts. Der Thematik
solcher Verträge ist ein eigenes Kapitel gewidmet.
vorzunehmen. Hier muss dann sehr genau betrachtet werden, ob es sich um einen Werk-
vertrag oder um einen Dienstvertrag handelt. Wesentliche Auswirkungen der Unterschei-
dung zwischen Dienst- und Werkvertrag gibt es bei der erfolgsbezogenen Einstandspflicht
beim Werkvertrag. Nach Werkvertragsrecht haftet der Unternehmer nahezu uneinge-
schränkt auf Herbeiführung des Erfolgs, also auf Erfüllung. Bei Mängeln des Werkes hat
der Besteller den verschuldensunabhängigen Anspruch auf Nacherfüllung, dem folgend
Minderung oder Schadenersatz. Eine solche Verpflichtung ist im Dienstvertragsrecht nicht
vorgesehen. Hier bleibt es bei einem Schadenersatzanspruch nach den allgemeinen Vor-
schriften, im Recht der Kündigung. Im Gegensatz zum Werkvertrag, welcher in § 649
BGB bzw. § 8 VOB/B ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Auftraggebers vorsieht, ist
der Dienstvertrag entsprechend der Laufzeit des Vertrages an gesetzliche Kündigungs-
fristen gebunden. Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht in der Mängelhaftung.
22.2.2 Vertragsschluss
decken, dass all die Punkte, die geregelt werden sollen, übereinstimmend geregelt sind.
Die wesentlichen Vertragsbedingungen müssen übereinstimmend geregelt werden. Das
betrifft zumindest die geschuldete Leistung. Diese muss der Leistungsgegenstand hin-
reichend bestimmt sein bzw. bestimmbar sein. In der Praxis kommt es durchaus vor, dass
der Leistungsgegenstand erst durch eine nach Vertragsschluss übergebene Planung des
Auftraggebers definiert bzw. konkretisiert werden soll. Das ist zulässig, soweit dem Auf-
traggeber ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist. Das wiederum ist eine Frage der
Vertragsauslegung.
Die Erklärungen, die einen Vertrag zustande bringen, nennt das BGB Angebot – nicht
zu verwechseln mit Preisangeboten – und Annahme. Angebot ist dabei die Erklärung, die
alle zu regelnden Punkte abschließend aufführt, sodass es nur noch eines „ja“ bedarf.
Besonderheit des Werkvertragsrechts ist es, dass es weiterer Regelungen der Parteien
neben der geschuldeten Leistung eigentlich gar nicht bedarf, weil es im Gesetz Regelun-
gen hierzu gibt. Wegen der Vorschrift des § 632 Abs. 2 BGB ist die übliche Vergütung zu
zahlen, wenn vertraglich die Höhe der Vergütung eines Werkvertrages nicht bestimmt ist.
Auch einer Regelung dazu, wann die Bauleistung fertiggestellt sein muss, bedarf es nicht
zwingend, wenn die Parteien das bei Vertragsschluss nicht regeln wollen.
Aber: Selbstverständlich können und dürfen die Parteien alle Punkte, die ihnen wichtig
erscheinen, regeln wie z. B. Vergütungshöhe, Leistungszeit, Zahlungsmodalitäten. Wenn
eine der Parteien einen solchen Punkt regeln will, ist ein Vertrag solange nicht zustande
gekommen, wie eine Einigung hierüber nicht erzielt wurde. Das ergibt sich aus der gesetz-
lichen Regelung des § 154 Abs. 1 BGB.
Form Grundsätzlich bedarf es für einen wirksamen Bauvertrag nicht der Einhaltung einer
bestimmten Form. Es besteht also die Möglichkeit, dass ein Werkvertrag nur mündlich
geschlossen wird. Ein Vertrag kann darüber hinaus auch durch sogenanntes schlüssiges
Verhalten zustande kommen. Beispiel wäre, dass ein Bauherr die Erstellung der Bau-
werksabdichtung nach den anerkannten Regeln der Technik wünscht und – nach Erhalt
des Preisangebotes – den Auftragnehmer bittet, sofort zu beginnen, was dieser auch tut.
Von dem Abschluss nicht schriftlich fixierter Verträge ist wegen der sich regelmäßig
ergebenden Beweisschwierigkeiten dringend abzuraten. Zur späteren Darlegung z. B. des
geschuldeten Leistungsumfangs ist dringend eine Dokumentation erforderlich.
Der schriftliche Vertrag Wie bereits beim mündlichen Vertrag ausgeführt, bedarf es
auch bei einem schriftlichen Vertrag eines Angebots und der Annahme, um wirksam einen
Werkvertrag abschließen zu können.
In der Regel wird sich der Auftragnehmer bei Abdichtungsarbeiten das Objekt
anschauen, um dann aufgrund der vorzunehmenden Art und Weise der Abdichtung und
der von ihm eingeschätzten Fläche dem Auftraggeber ein Preisangebot unterbreiten zu
können.
Bei größeren Bauvorhaben wird es sodann Verhandlungen über den Vertragsinhalt
geben, welche in einem Verhandlungsprotokoll festgehalten werden.
22 Zivilrechtliche Grundlagen705
Sind diese Verhandlungen erfolgreich, kann dann ein schriftlicher Vertrag aufgesetzt
werden, welcher alle wesentlichen Vertragsinhalte beinhalten und auch die Vertragsunter-
lagen, also z. B. das Angebot und das Verhandlungsprotokoll, mit einbeziehen sollte.
Liegen Pläne vor, nach denen das Angebot erstellt worden ist, sollten diese ebenfalls
zum Vertragsinhalt gemacht werden. So ist es den Vertragsbeteiligten jederzeit möglich,
die Vereinbarungen nachzulesen und sich bei der Abwicklung des Vertrages entsprechend
zu verhalten.
22.3.1 Einleitung
Verträge werden nicht für jedes Bauvorhaben neu „ausgedacht“. Vielmehr wird regel-
mäßig von Vertragsparteien ganz oder teilweise auf bereits vorhandene Vertragskonzepte
zurückgegriffen, die vorformuliert zur Verfügung stehen. Naturgemäß gibt es Situationen,
die es dem einen Vertragspartner ermöglichen, Vertragsbedingungen zu „diktieren“. Es
gibt gewerbliche Auftraggeber wie auch Auftragnehmer, die ihnen günstig erscheinende
Regelungen generell einem Bauvertrag zugrunde legen wollen. Motivation ist dabei, für
eine Vielzahl von Regelungsfällen eine möglichst günstige Rechtssituation zu schaffen.
Die heute üblichen Bauverträge und die hierin enthaltenen Vertragsklauseln sind regel-
mäßig vorformuliert und werden vielfach von der Auftraggeberseite (gewerbliche und
öffentliche Auftraggeber) als Vertragsgrundlage vorgegeben. Im Fertighausbau und Bau-
trägergeschäft ist es allerdings oftmals der Unternehmer/Bauträger, der vorformulierte
Vertragswerke gegenüber Bauherren/Erwerbern vorgibt.
Durch vorformulierte Vertragsbedingungen versucht ein Verwender, viele Situationen
für ihn standardisiert günstig zu gestalten. Das kann zu nicht gerechtfertigten Nachteilen
für den Verwendungsgegner führen. Nachdem bis zu den 70er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts von der Rechtsprechung eine richterliche Kontrolle von vorformulierten
Vertragsbedingungen über § 242 BGB (Treu und Glauben) vorgenommen wurde, ist das
Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz)
geschaffen worden. Dieses Gesetz ist mit Wirkung zum 1. 1. 2002 in das BGB, nämlich
den §§ 305 ff. BGB, integriert worden.
§ 305 BGB regelt den Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und wie diese
in einen Vertrag einbezogen werden. § 305 b BGB legt den Vorrang individualvertragli-
cher Vereinbarungen vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen fest. § 305 c BGB hat zum
Inhalt, dass überraschende Klauseln nicht Vertragsinhalt werden und dass bei der Aus-
legung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Unklarheiten zulasten des Verwenders
gehen. § 306 BGB enthält die Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung.
706 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Durch die §§ 307 bis 309 BGB wird geregelt, dass bei einer unangemessenen Benach-
teiligung des Vertragspartners die Unwirksamkeit vorformulierter Vertragsklauseln die
Folge ist. Eine solche Benachteiligung kann auch darin liegen, dass Klauseln nicht klar
und verständlich (intransparent) sind. Die §§ 308, 309 BGB behandeln spezielle Rege-
lungsbereiche mit der Folge der Unwirksamkeit von Klauseln. § 309 BGB enthält Klau-
selverbote ohne Möglichkeit einer Wertung (§ 309 BGB), während § 308 BGB durch
die Verwendung ausfüllungsbedüftiger Begriffe („unangemessen lange Fristen“, „zumut-
bar“ usw.) jeweils eine rechtliche Wertung erfordert. Wenn ein Sachverhalt nicht unter die
§§ 308, 309 BGB fällt, kann sich die Unwirksamkeit einer Klausel aus der allgemeinen
Regelung des § 307 BGB ergeben. Dieser beinhaltet das allgemeine Verbot der Verwen-
dung unangemessen benachteiligender Klauseln. Entscheidender Maßstab, an dem Ver-
tragsklauseln danach zu messen sind, sind die gesetzlichen Regelungen des BGB, also ins-
besondere die Regelungen des Werkvertragsrechts in den §§ 631 ff. BGB. Dieser Maßstab
betrifft zunächst die Frage, wann eine unangemessene Benachteiligung vorliegt. Das ist
nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nämlich dann der Fall, wenn eine Regelung mit wesentlichen
Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist. Im Hinblick auf die
Rechtsfolgen einer unwirksamen Klausel sieht § 306 Abs. 2 BGB vor, dass sich der Inhalt
des Vertrags dann nach den gesetzlichen Vorschriften richtet.
Der rechtliche Umgang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist in den §§ 305 ff. BGB
geregelt. Was sind aber nun überhaupt AGB?
§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB formuliert: „Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für
eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei
(Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.“ Gemäß § 305
Abs. 1 Satz 3 BGB liegen AGB nicht vor, wenn sie individuell ausgehandelt sind.
4
BGH, BauR 2006, 106 = IBR 2005, 479; BGH, BauR 2006, 514 = IBR 2006, 78.
22 Zivilrechtliche Grundlagen707
5
BGH, NJW 1999, 2180, 2181 = BauR 1999, 785 (Ls.) = IBR 1999, 249.
6
BGH, NJW 1998, 2286; BGH, NJW 2002, 138.
7
BGH, NJW 1997, 135.
708 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Wie für das Merkmal „vorformuliert“ ist es auch bei dem Merkmal der Vielzahl so,
dass es nicht darauf ankommt, ob der Verwender selbst die Absicht hat, Klauseln in einer
Vielzahl von Fällen anzuwenden. Hat ein Dritter die Bedingungen vorformuliert, kommt
es auf dessen Vorstellung an. AGB können also auch vorliegen, wenn nur deren „Erfinder“
die Mehrfachverwendung beabsichtigte, der Verwender sie aber nur für einen einzigen
Vertrag verwenden will.
Beispiel Ein privater Bauherr legt dem Unternehmer, der Abdichtungsarbeiten aufgrund
der vom Bauherrn herrührenden Planung durchführen soll, einen Vertragsentwurf vor, der
grundsätzlich auf die VOB/B verweist.
Bei der VOB/B handelt sich um ein von dritter Seite (DVA) vorgefertigtes Klausel-
werk, das für eine vielfache Verwendung bestimmt ist; damit gilt für die VOB/B per se,
dass die Tatbestandsmerkmale der „für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Vertrags-
bedingungen“ erfüllt sind.8 Auch die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für
Bauleistungen der VOB/C – das sind die DIN 18 299 mit den Regelungen für Bauarbeiten
jeder Art und die folgenden DIN 18 300 ff. mit den gewerkespezifischen Regelungen –
sind, soweit sie den Vertrag regelnde Bestimmungen enthalten, Allgemeine Geschäfts-
bedingungen. Das ergibt sich zum einen wegen der vorformulierten Verweisung in § 1
Abs. 1 Satz 2 VOB/B, zum anderen auch, weil sie ebenfalls von dritter Seite für eine
Vielzahl von Anwendungsfällen konzipiert und vorformuliert sind.9 Zum Beispiel ent-
halten die Abrechnungsregelungen des jeweiligen Abschn. 5 der ATV vertragsrechtliche
Regelungen, sind also Vertragsbedingungen (s. o.). Sie nehmen Einfluss auf die Art der
Abrechnung, § 14 Abs. 2 Satz 2 VOB/B, und bestimmen letztlich damit auch den Preis für
die erbrachte Leistung.
Vermutung für Vorliegen von AGB Aus dem Inhalt und der Gestaltung der in einem
Bauvertrag vorgegebenen Bedingungen kann sich ein in einem Rechtsstreit von dem Ver-
wender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass sie zur Mehrfachverwendung vor-
formuliert worden sind.10 Das ist nach der Rechtsprechung des BGH der Fall, wenn ein
Bauvertrag zahlreiche formelhafte Klauseln enthält und nicht auf die individuelle Ver-
tragssituation abgestimmt ist.
Für den Verbrauchervertrag ist in diesem Zusammenhang die Regelung des § 310 Abs. 3
Nr. 2 BGB zu beachten. Ist der Verwendungsgegner Verbraucher, also kein Unternehmer,
genügt es für die Anwendung des AGB-Schutzes, wenn Vertragsbedingungen nur zur
einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Verbraucher wegen der Vorformulierung
keinen Einfluss nehmen konnte.
8
Vgl. K/M/von Rintelen, Einl. VOB/B, Rn. 38 und Rn. 44.
9
Den AGB-Charakter aller 5 Abschnitte der jeweiligen DIN bejahen z. B. Vogel, in Beck’scher
VOB-Kommentar, Syst V VOB/C, Rn. 3 ff., Rn. 16; K/M/von Rintelen, 6;1 VOB/B, Rn. 19a.
10
BGH, BauR 2004, 488.
22 Zivilrechtliche Grundlagen709
Beispiel Der Auftragnehmer gibt auf ein ihm übergebenes Leistungsverzeichnis ein
Angebot mit Einheitspreisen ab und verweist in einem Anschreiben darauf, dass er von
der Geltung der VOB/B ausgeht. Der gewerblich als Bauträger tätige Auftraggeber nimmt
dieses Angebot an, weist aber – was er regelmäßig tut – hierbei darauf hin, dass eine fiktive
Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B ausgeschlossen sei und dass auch eine Preisanpassung
nach § 2 Abs. 3 VOB/B abbedungen wird. Außerdem vermerkt er „Gewährleistungsfrist
fünf Jahre“. Die Arbeiten werden ausgeführt. Nach Vorlage der Schlussrechnung nimmt
der Auftraggeber eine Schlusszahlung vor, die den Anforderungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2
VOB/B entspricht. Der Auftragnehmer erklärt keinen Vorbehalt.
An dieser Stelle sei vorweggenommen, dass bei isolierter Betrachtung die Regelung
des § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, also der hier vorgesehene Ausschluss von Forderungen
bei unterbliebener Vorbehaltserklärung, gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt.12 In der vor-
liegenden Konstellation ist es wegen der Abänderungen durch den Auftraggeber darüber
hinaus so, dass die Regelungen der VOB/B der sogenannten Inhaltskontrolle unterlie-
gen (hierzu sogleich). Es kommt also im Beispielsfall tatsächlich darauf an, ob nun die
11
BGH, BauR 2006, 1012.
12
BGH, BauR 1998, 614, 615; BGH, BauR 2002, 775; BGH, BauR 2004, 66.
710 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Beispiel Der Auftragnehmer gibt ein Angebot mit dem Vermerk „Ausführung nach
VOB/B“ ab. Dem gewerblich tätigen Auftraggeber ist das recht, allerdings möchte er eine
Gewährleistungssicherheit vereinbaren, die erst nach dem Ablauf der Gewährleistungszeit
zurückgegeben werden soll. Hiermit ist der Auftragnehmer einverstanden.
Im letzten Beispielsfall kann man nicht davon ausgehen, dass der Auftraggeber Steller
der abgeänderten VOB/B ist. Von ihm ging der Einbeziehungswunsch nicht aus.16 All-
gemein kann man im Zweifel davon ausgehen, dass bei Abänderungen, die ihrerseits als
13
K/M/von Rintelen, Einl. VOB/B, Rn. 102; Ganten, in Beck’scher VOB-Kommentar, Einl. VOB
Teil B, Rn. 14.
14
Nicklisch/Weick, VOB/B, 3. Aufl., Einleitung, Rn. 55; Ganten, in Beck’scher VOB-Kommentar,
Einl. VOB Teil B, Rn. 16.
BGH, BauR 1991, 84, 85 = NJW-RR 1991, 275; ebenso insoweit K/M/von Rintelen, Einl. VOB/B,
15
Rn. 103.
16
K/M/von Rintelen, Einl. VOB/B, Rn. 104.
22 Zivilrechtliche Grundlagen711
17
Ganten, in Beck’scher VOB-Kommentar, Einl. VOB Teil B, Rn. 16.
18
BGH, Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13.
19
BGH, BauR 2003, 870.
20
Vgl. BGH, BauR 1998, 1094; OLG Frankfurt, BauR 1999, 51, 53.
712 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Beispiel Es wird eine Vertragsstrafe von 0,5 % der Auftragssumme pro Arbeitstag bei
Überschreiten des Fertigstellungstermins vereinbart bei 5 % Höchstgrenze. Der Auftrag-
nehmer weist den Auftraggeber (zu Recht) darauf hin, dass diese Vertragsstrafe unwirk-
sam ist und höchstens 0,3 % pro Arbeitstag betragen dürfe, worauf diese einvernehmlich
aufgrund von Verhandlungen auf 0,4 % pro Arbeitstag korrigiert wird.
Hätte der Auftragnehmer geschwiegen, wäre eine unwirksame Klausel vereinbart
worden, was dazu geführt hätte, dass gar keine Vertragsstrafe vereinbart worden wäre. Bei
einer unwirksamen Klausel gilt nämlich an Stelle dieser die gesetzliche Regelung. Es gibt
aber keine gesetzliche Regelung, wonach bei Überschreiten von Terminen eine Vertrags-
strafe in bestimmter Höhe zu zahlen ist. So aber streiten die Parteien letztlich darüber, ob
die Vertragsstrafe von 0,4 % nun einvernehmlich vereinbart wurde oder nicht.
21
BGH, BauR 2003, 870.
22
BGH, Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13
22 Zivilrechtliche Grundlagen713
• Besondere Vertragsbedingungen,
• Zusätzliche Vertragsbedingungen,
• Zusätzliche technische Vorschriften,
• Allgemeine technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (VOB/C),
• Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B),
• Standardisierte Leistungsbeschreibungen.
Keine AGB sind die Regelungen der VOB/A, weil es sich nicht um Vertragsbedingungen
handelt. Die VOB/A wird nicht Vertragsinhalt, sondern regelt lediglich das Vergabever-
fahren öffentlicher Auftraggeber bis zum Abschluss des Bauvertrages.
Regelungen der VOB/C, also der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen, sind,
soweit sie Vertragsbedingungen beinhalten, AGB. Das gilt z. B. für die Aufmaß- und
Abrechnungsregelungen. Die DIN 18 336 regelt Abdichtungsarbeiten. Die Auslegung der
VOB/C hat sich an den §§ 133, 157 BGB zu orientieren, also auch nach der Verkehrs-
sitte der beteiligten Verkehrskreise, soweit eine Auslegung nach Wortlaut und Sinn und
Zweck nicht zum Ziel führt. Kommentierungen zu ATV sind grundsätzlich keine alleini-
gen Auslegungsmittel, wenn es um die Auslegung der ATV durch den entsprechenden Ver-
kehrskreis geht. Vielmehr kommt es darauf an, wie der Verkehrskreis (also nicht nur der
Kommentar) Regelungen versteht.23 Eine Auslegung nach Sinn und Zweck der jeweiligen
Regelungen muss also auch für die Übermessungsregelungen erfolgen.24
AGB werden nicht ohne Weiteres Vertragsbestandteil. Sie müssen in den Vertrag einbezo-
gen werden. Das gilt auch für die VOB/B!
Personen, die selbstständig Bauleistungen erbringen, sind regelmäßig auch Unter-
nehmer im Sinne von § 14 BGB. Voraussetzung hierfür ist nämlich lediglich, dass eine
gewerbliche oder selbstständige Tätigkeit vorliegt. Ist der Auftragnehmer aber Unterneh-
mer, genügt zur wirksamen Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen eine aus-
drücklich oder stillschweigend zustande gekommene Vereinbarung über deren Geltung.
Die strengere Regelung des § 305 Abs. 2 BGB gilt dann nicht. Insbesondere die Aushändi-
gung der vorformulierten Vertragsbedingungen ist in diesem Fall entbehrlich; sie werden
23
Vgl. BGH, BauR 2004, 1438.
24
OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2004 – 22 U 82/04, IBR 2005, 135.
714 V. Hafkesbrink und U. Kühne
durch bloße Vereinbarung in den Vertrag einbezogen. Die VOB/B kann also bei Verträgen
zwischen Unternehmern durch entsprechende Bezugnahme Vertragsgrundlage werden.
Anders sieht das aus, wenn der Vertragspartner Verbraucher ist. Das kann bei Auftrag-
gebern von Abdichtungsarbeiten der Fall sein. Ist der Verwendungsgegner Verbraucher,
richtet sich die Einbeziehung der vorformulierten Vertragsbedingungen nach § 305 Abs. 2
und 3 BGB. Geschäftsbedingungen werden danach nicht allein durch bloße Vereinbarung
ihrer Geltung zum Vertragsbestandteil. Gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB muss der Ver-
wender dem Verwendungsgegner vielmehr „die Möglichkeit verschaffen, in zumutbarer
Art und Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen“. Das gilt auch für die VOB/B als
Sammlung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Der körperlichen Aushändigung von Ver-
tragsbedingungen, also auch der VOB/B, bedarf es auch nach dem Gesetzeswortlaut nicht.
Der Verwender muss aber zumindest vor Vertragsschluss angeboten haben, den Text der
VOB/B kostenlos zur Verfügung zu stellen. Dies soll nach vereinzelter Rechtsprechung
nicht gelten bei Auftraggebern, von denen die Kenntnis der VOB/B erwartet werden kann.
Beispiel Ein Tischlermeister lässt für sich privat ein Eigenheim errichten. Der Bauvertrag
nimmt auf die VOB/B Bezug und macht sie zum Vertragsinhalt. Der Text der VOB/B wird
nicht beigefügt.
Das OLG Hamm hat in diesem Fall die Frage der Einbeziehung bejaht, weil der Ver-
wender mit Sicherheit erwarten durfte, dass der Vertragspartner die VOB/B bereits kennt.25
Gegenüber einem im Baugewerbe tätigen Vertragspartner kann daher der Hinweis auf die
Geltung der VOB/B genügen. Das ist aber ein Ausnahmefall. Schwierig zu beantworten
ist die Frage der Einbeziehung der VOB/B, wenn ein Architekt mit der Vergabe von Bau-
arbeiten betraut ist.
Beispiel Der Unternehmer unterbreitet ein Angebot zur Durchführung von Abdichtungs-
arbeiten an einem Einfamilienhaus und vermerkt die Geltung der VOB/B. Der Architekt
hat umfassende Abschlussvollmacht für den nicht gewerblich tätigen Bauherrn und nimmt
das Angebot ohne Änderungen an.
Ist der Architekt rechtsgeschäftlich umfassend bevollmächtigt, wird das auch das Recht
umschließen, von sich aus und verbindlich für den Bauherrn mit dem Auftragnehmer die
VOB/B zu vereinbaren. Aber bei einem Verbraucher bedarf es zur wirksamen Einbezie-
hung gleichwohl nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB zusätzlich der Verschaffung der Möglich-
keit, von der VOB/B Kenntnis zu nehmen, und zwar durch den Verwender. Hier wird man
jedoch jedenfalls den Gedanken des § 166 BGB anwenden können, wonach es für die
Frage von Kenntnissen auf die Person des Vertreters ankommt.26 Selbst wenn man nicht
davon ausgehen müsste, dass der Architekt die einzelnen Regelungen der VOB/B kennt, so
kann bei diesem doch die jederzeitige Kenntniserlangung erwartet werden.
25
OLG Hamm, BauR 2004, 721 (Ls.) = NZBau 2004, 332.
26
OLG Düsseldorf, BauR 2005, 603 (Ls.) = IBR 2005, 1126 (nur online).
22 Zivilrechtliche Grundlagen715
Mitunter hat der Architekt nach seinem Vertrag auch die Vergabe vorzubereiten und
bei dieser mitzuwirken. Zu Letzterem gehört jedenfalls bei Bezugnahme auf die Leis-
tungsbilder der HOAI auch das Zusammenstellen der Vergabe- und Vertragsunterlagen,
vgl. Anlage 11 HOAI, Leistungsphase 7 a). Werden die Vertragsbedingungen vom Archi-
tekten zur Verfügung gestellt und geht jedenfalls auch vom Auftraggeber der Einbezie-
hungswunsch aus, dann ist auch in diesem Fall die potenzielle Kenntnis des Architekten
von den Regelungen der VOB/B dem Auftraggeber zuzurechnen. Es bleibt dann noch die
Konstellation, dass zwar ein Architekt für den Bauherrn im Rahmen von Planung und/
oder Überwachung tätig ist, aber eben nicht im Rahmen des Vertragsschlusses. In dieser
Konstellation wird man wiederum nur ganz ausnahmsweise von den besonderen Einbezie-
hungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB absehen dürfen.27
In Rechtsstreiten gehen bisweilen beide Prozessparteien bzw. deren Vertreter davon
aus, dass die VOB/B Vertragsgrundlage geworden sei, ohne dazu vorzutragen, wie die
Einbeziehung konkret erfolgt ist. Kann und muss ein Gericht dann hinnehmen, dass die
VOB/B der Entscheidung zugrunde zu legen ist? Der BGH verneint dies und verlangt,
dass die Einbeziehungsvoraussetzungen jeweils auch dargelegt sein müssen.28 Alleine der
Umstand, dass sich beide Parteien auf Regelungen berufen, genügt dabei nicht zur Beja-
hung der Einbeziehung der VOB/B.
Eine weitere – juristisch hoch interessante – Frage ist die, ob sich der Verwendungs-
gegner bei nicht wirksamer Einbeziehung zumindest auf ihm günstige Regelungen der
VOB/B berufen kann, z. B. ein Auftraggeber auf die Ausschlusswirkung des § 16 Abs. 3
Nr. 2 VOB/B. Es stellt sich also die Frage, ob sich der Verwender von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen darauf berufen kann, dass diese nicht einbezogen wurden.29 Dies
wird teilweise unter Hinweis auf § 242 BGB und den Gesichtspunkt widersprüchlichen
Verhaltens bejaht.30 Auch der BGH hat einen Verstoß in einem solchen Fall für möglich
gehalten, konnte das aber letztlich offenlassen. Die Frage der Einbeziehung würde damit
ebenso zulasten des Verwenders behandelt wie die, ob sich der Verwender auf die Unwirk-
samkeit von AGB berufen kann. Letzteres wird allgemein abgelehnt.
Einbezogen werden muss auch die VOB/C, also die Sammlung der Allgemeinen Tech-
nischen Vertragsbedingungen der DIN 18 299 ff.
27
Ing/Ko/Sienz, Anhang 4, Rn. 45.
28
BGH, BauR 1999, 1294; bestätigt in BGH, BauR 2003, 1599.
29
Vgl. hierzu jüngst Schenke, BauR 2011, 26 ff.
30
K/M/von Rintelen, Einl. VOB/B, Rn. 90.
716 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Privatmann – meint, dass diese selbstverständlich abzuziehen seien, weil sie auch nicht
bearbeitet worden seien. Der Auftragnehmer verweist auf die DIN 18 336 und die hier
enthaltenen „Übermessungsregelungen“ (Abschn. 5.2.1).
Langt es nun zur Einbeziehung der DIN 18 336, dass die VOB/B in § 1 Abs. 1 Satz 2
VOB/B die Geltung der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen anordnet? Bei
Verträgen mit in der Baubranche bewanderten Unternehmen dürfte die Verweisung in § 1
Abs. 1 Satz 2 VOB/B unproblematisch sein und zur Einbeziehung der VOB/C führen.31
Gegenüber Verbrauchern werden insoweit jedoch zu Recht Bedenken geäußert, was dazu
führt, dass die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB beachtet werden
müssen, was einen Hinweis auf die DIN 18 336 und die Möglichkeit der zumutbaren
Kenntnisverschaffung erfordert.32 Diskutiert werden kann dann nur noch, ob die VOB/C
als Verkehrssitte bei der übrigen Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157 BGB zu behan-
deln wäre. Das wird jedoch jedenfalls bei Verträgen mit Verbrauchern zu Recht abge-
lehnt.33 Im Beispielsfall kann die Einbeziehung von Kleinflächen in die Abrechnung
jedenfalls nicht mit der DIN 18 336 begründet werden. Es kommt dann auf die Auslegung
des Vertrags im Übrigen an.
Ist der Auftragnehmer Unternehmer, so finden die in § 305 Abs. 2 und 3 BGB beschrie-
benen engen Einbeziehungsvoraussetzungen keine Anwendung. Vielmehr genügt zur
wirksamen Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen eine ausdrücklich oder
stillschweigend zustande gekommene Vereinbarung über deren Geltung; sie werden durch
bloße Vereinbarung in den Vertrag einbezogen. Unternehmen im Sinne des BGB sind
dabei als Gegenbegriff zum Verbraucher gerade solche natürlichen oder juristischen Per-
sonen bzw. rechtsfähige Personengesellschaften, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder
selbstständigen beruflichen Tätigkeit handeln, §§ 13, 14 BGB. Hiervon kann bei Baufir-
men als Auftragnehmern grundsätzlich ausgegangen werden.
Überraschende Klauseln werden gem. § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil. Über-
raschend ist eine Klausel, die so ungewöhnlich ist, dass ein durchschnittlicher Auftragneh-
mer nicht mit ihr zu rechnen braucht und daher darauf vertrauen darf, dass sie in den vor-
formulierten Vertragsbedingungen des Auftraggebers nicht enthalten ist. Zweifel gehen
dabei gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Vorschrift ist nur bei Klau-
seln mit einem starken Überraschungsmoment anwendbar. Der Überrumpelungseffekt
Vogel, in Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/C, Syst V, Rn. 21; K/M/von Rintelen, § 1 VOB/B,
31
Rn. 19a.
Vogel, in Beck’scher VOB-Kommentar, VOB/C, Syst V, Rn. 22; K/M/von Rintelen, § 1 VOB/B,
32
Rn. 20.
33
K/M/von Rintelen, § 1 VOB/B, Rn. 22.
22 Zivilrechtliche Grundlagen717
kann sich entweder aus dem Inhalt einer Klausel oder auch aus der Position in den Ver-
tragsunterlagen ergeben.
Bei einem Einheitspreisvertrag ist z. B. folgende Formulierung überraschend34:
Auch bei einem Einheitspreisvertrag ist die Auftragssumme limitiert.
Zu beachten ist auch, dass AGB transparent formuliert sein müssen. Das Transparenzge-
bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB verpflichtet den Ver-
wender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspart-
ners möglichst klar und durchschaubar darzustellen, damit dieser sich bei Vertragsschluss
hinreichend über die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen klar werden kann. Das
hat der BGH für Fälle vor der Schuldrechtsmodernisierung aus dem Gebot von Treu und
Glauben abgeleitet.35 Das nunmehr auch gesetzlich normierte Transparenzgebot schließt
das Bestimmtheitsgebot ein. Dieses verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen
und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerecht-
fertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot
nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und
Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich
umschreibt.
Bleiben bei einer im Übrigen transparenten Klausel nach Ausschöpfung der in Betracht
kommenden Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel und sind mindestens zwei
Auslegungen rechtlich vertretbar, geht die Auslegung zugunsten des Klauselgegners aus.
Unklar ist bspw. die einem – vom Auftraggeber gestellten – Formularbauvertrag enthal-
tene Bestimmung:
Gewährleistung und Haftung des Unternehmers richtet sich nach der VOB bzw. dem
BGB.
Da bei dieser Klausel auch durch Auslegung keine eindeutige Aussage über die Gewähr-
leistungsregelung und die geltende Gewährleistungsfrist ermittelt werden kann, gilt gem.
§ 305 c Abs. 2 BGB die für den Auftragnehmer günstigere Regelung des § 13 VOB/B.36 Ist
jedoch zusätzlich vereinbart, „bei unterschiedlicher Auffassung gilt jeweils die günstigere
für den Bauherrn“, soll wiederum der Rückgriff auf gesetzliche Regelungen möglich sein,
also auch auf die gesetzliche Regelung des § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB. Das klingt wegen
der Unklarheitenregelung – Unklarheiten gehen ja grundsätzlich zulasten des Verwenders
– zwar etwas überraschend, lässt sich aber dadurch erklären, dass es bei der Klausel gar
keinen Zweifel daran geben kann, dass keine kürzere als die gesetzliche Verjährungsfrist
gemeint sein kann.
34
BGH, BauR 2005, 94.
35
BGH, BauR 2008, 508.
36
OLG Hamm, BauR 1988, 476; K/M/Weyer, § 13 VOB/B, Rn. 110.
718 V. Hafkesbrink und U. Kühne
sind nichtig, weil sie eine Umgehung der Regelung des § 306 Abs. 2 BGB enthalten.37 Im
Übrigen entsprechen Salvatorische Klauseln oftmals nicht dem Klarheitsgebot, das durch
§ 307 BGB geschützt ist.
Entsteht durch die Unwirksamkeit einer vorformulierten Vertragsklausel eine Lücke, so
ist umstritten, ob die unwirksame Regelung durch eine nachrangig vereinbarte Vertrags-
bedingung geschlossen werden kann.
Beispielsklausel Für den Fall unwirksamer Regelungen dieses Vertrages soll die jewei-
lige Bestimmung der VOB/B gelten.
Das OLG München hielt die Klausel wegen Verstoßes gegen die §§ 306 Abs. 1, 306a
BGB (damals noch §§ 6 Abs. 1, 7 AGBG) als unzulässigen Umgehungsversuch für
unwirksam.38 Der BGH hat die Frage bisher offengelassen.
Eine vorformulierte Vertragsklausel, die der Inhaltskontrolle nicht standhält, ist grund-
sätzlich insgesamt unwirksam. Es ist also nicht zulässig, unwirksame Klauseln auf einen
gerade noch wirksamen Inhalt zu reduzieren.39
Eine formularmäßige Vertragsstrafenklausel in einem Bauvertrag, wonach der Auf-
tragnehmer für jeden Arbeitstag eine Vertragsstrafe von 0,1 % der Auftragssumme bei
37
Palandt/Grüneberg, § 306, Rn. 15.
38
OLG München, NJW-RR 1988, 786.
39
Palandt/Grüneberg, § 307, Rn. 6.
22 Zivilrechtliche Grundlagen719
Aufträgen von über 1.000.000,00 € zu zahlen hat, ist also unwirksam, wenn die Klausel
keine Beschränkung nach oben aufweist.40 Dem Auftraggeber steht dann überhaupt kein
Anspruch auf eine Vertragsstrafe zu. Eine sogenannte geltungserhaltende Reduktion der
unwirksamen Klausel, etwa in dem Sinne, dass die Vertragsstrafe bei einem Auftragsvolu-
men von 1.000.000,00 € dann eben maximal in Höhe von 50.000,00 € berechtigt ist, gibt
es gerade nicht.
Von der sogenannten Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB sind Preis- und Leistungsver-
einbarungen ausgenommen. Gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gelten die §§ 307 bis 309
BGB nämlich nur für solche vorformulierten Vertragsbedingungen, die von Rechtsvor-
schriften abweichen oder diese ergänzen. Das Gesetz regelt nicht die Höhe der angemes-
senen Vergütung, sondern überlässt die Preisbildung den Vertragspartnern.
Preisabreden sind daher mit Ausnahme des Transparenzgebots nicht nach §§ 307 ff.
BGB zu überprüfen; die §§ 305 ff. BGB sind jedoch anwendbar.41 Umlageklauseln für
Baustrom, Bauwasser, Bauwesenversicherung sind als Preisabreden nicht auf unangemes-
sene Benachteiligung zu prüfen, wenn mit der Klausel ausschließlich die Erbringung einer
Leistung des Auftraggebers und das hierfür zu zahlende Entgelt geregelt sind. Anders
kann das jedoch sein, wenn durch Umlageklauseln z. B. die Voraussetzungen für einen
verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch umgangen werden.42
Der sogenannten Inhaltskontrolle (also der Prüfung, ob eine unangemessene Benachtei-
ligung vorliegt) gemäß §§ 307 ff. BGB sind grundsätzlich auch Leistungsbeschreibun-
gen entzogen. Leistungsbeschreibungen regeln nämlich unmittelbar Art und Umfang der
vertraglichen Hauptleistungspflicht und den dafür zu zahlenden Preis. Leistungsbeschrei-
bungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie keine Abweichung oder Ergänzung von
Rechtsvorschriften enthalten, sondern den Leistungsgegenstand in tatsächlicher Hinsicht
individualisieren.
Aber: Vorformulierte Leistungsbeschreibungen sind immerhin nach den §§ 305 ff.
BGB kontrollfähig. Vorformulierte Leistungsbeschreibungen können also insbesondere
überraschende Klauseln enthalten, die gem. § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil
werden. Außerdem kann eine Prüfung erfolgen, ob die Regelung transparent ist, § 307 I
S. 2 BGB, § § 307 Abs. 3 Satz 3 BGB.
40
BGH, BauR 1983, 80.
41
BGH, BauR 1999, 1290.
42
BGH, BauR 1999, 1290.
720 V. Hafkesbrink und U. Kühne
§ 307 BGB ist – vor allem im unternehmerischen Bereich – Kernstück der Inhaltskontrolle
und ein Auffangtatbestand, der erst im Anschluss an die Prüfung der übrigen Schutzbe-
stimmungen des BGB zu untersuchen ist.
Der Ausgangspunkt, dass die Grundnormen im BGB geregelt sind, ist von existentieller
Bedeutung bei der Prüfung allgemeiner Geschäftsbedingungen. In § 307 Absätze 1 und
2 BGB, welcher neben §§ 308 und 309 BGB die Unwirksamkeit bestimmter Geschäfts-
bedingungen regelt, heißt es wörtlich:
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Ver-
tragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass
die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen
wird, nicht zu vereinbaren ist, oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so
einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
Ganz zentrale Bedeutung hat § 307 Absatz 2 Ziffer 1. BGB. Bei der Prüfung von
Geschäftsbedingungen geht es also im Wesentlichen um Verstöße gegen gesetzliche Wer-
tungen. Verstöße „nur“ gegen Regelungen der VOB/B führen also nicht zur Unwirksam-
keit, wenn diese Abweichungen von Vorschriften des BGB enthält bzw. im Gesetz nicht
vorgesehene Regelungen aufführt. Das Abbedingen der Preisausgleichungsregelung für
erhebliche Mehrmengen in § 2 Abs. 3 VOB/B hat der BGH nicht für unwirksam gehalten,
weil es eine solche Regelung im Gesetz eben nicht gibt.43 Etwas anderes gilt natürlich,
wenn eine Regelung sowohl gegen die VOB/B als auch gegen das Gesetz verstößt. So ist
die Vereinbarung eines Bareinbehalts von 5 % der Abrechnungssumme nach Abnahme,
der nur durch eine sogenannte Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, ein
Verstoß gegen § 17 Abs. 4 Satz 3 VOB/B. Sie verstößt aber auch gegen gesetzliche Wer-
tungen, wonach die Vergütung mit Abnahme fällig wird. Diese gesetzliche Regelung kann
man in gewissen Grenzen „aufweichen“, aber eben nicht in der beschriebenen Form.44
Die Klausel ist also wegen des Verstoßes gegen gesetzliche Leitgedanken unwirksam und
nicht etwa, weil sie gegen die VOB/B verstößt. Die VOB/B ist kein Gesetz!
Zusammengefasst liegt also gemäß § 307 Abs. 2 BGB eine unangemessene Benach-
teiligung vor, wenn die vorformulierte Vertragsklausel mit wesentlichen Grundgedanken
der gesetzlichen Regelung, von der sie abweicht, nicht vereinbar ist oder sie wesentliche
Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, derart einschränkt,
dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. § 307 BGB gilt gem. § 310 Abs. 1
BGB grundsätzlich auch im unternehmerischen Verkehr.
43
BGH, BauR 1993, 723.
44
So schon BGH, BauR 1997, 829, seither ständige Rechtsprechung.
22 Zivilrechtliche Grundlagen721
§ 308 BGB und § 309 BGB gelten nicht unmittelbar im unternehmerischen Rechtsver-
kehr. Hieraus lassen sich jedoch immerhin Grundwertungen auch für eine Bewertung des
§ 307 BGB entnehmen.
§ 308 BGB nennt 7 typische Fallgruppen, in denen AGB-Klauseln möglicherweise zu
einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners führen und daher unwirksam
sein können. Die Unwirksamkeit der Klausel ist von einer richterlichen Wertung abhän-
gig. Ein Gericht muss bei seiner Wertung im Einzelfall die besondere Ausgestaltung der
vorformulierten Vertragsklausel, den Vertragstyp, die Interessenslage und den gesamten
Vertragsinhalt berücksichtigen.
Die in § 309 BGB genannten vorformulierten Vertragsklauseln sind im nicht-unterneh-
merischen Rechtsverkehr in jedem Falle, nämlich ohne Rücksicht auf die vertragstypische
Interessenslage, ungültig.
Die VOB/B (Abkürzung für Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B) ist
eine Auflistung von Vertragsregeln für die Abwicklung von Bauverträgen, die ihrerseits
nichts anderes als Allgemeine Geschäftsbedingungen sind, die vom DVA (Deutscher
Vergabe- und Vertragsausschluss für Bauleistungen), einem mit Auftraggebervertretern
und Auftragnehmervertretern besetzten Gremium, erarbeitet und laufend aktualisiert
werden, letztmalig im Jahr 2012.
Die vertraglichen Regelungen der VOB/B werden gegenüber anderen Geschäftsbedin-
gungen gesetzlich bevorzugt, also privilegiert. Dies galt früher für die Verkürzung der
gesetzlichen Gewährleistungsfrist (§ 309 Nr. 8 b) ff.) BGB, dies galt auch für die Abnah-
mefiktionen der VOB/B in § 12 Abs. 5 (§ 308 Nr. 5 BGB).
Der Bundesgerichtshof45 und die ganz überwiegende Literatur sind über diese verein-
zelten gesetzlichen Bevorzugungen der VOB/B hinausgegangen. Wegen der Ausgewogen-
heit des Gesamtwerks VOB scheide die Anwendung des damals noch geltenden AGBG
auf Bestimmungen der VOB/B insgesamt aus, also insbesondere auch die Generalklausel
des § 307 BGB, wenn diese Vertragsgrundlage war. Für den Verbraucherbereich ist diese
Privilegierung gesetzlich ausdrücklich aufgehoben worden.
Für den unternehmerischen Bereich ist sie ausdrücklich geregelt worden. § 310 Abs. 1
Satz 3 BGB lautet:
In den Fällen des Satzes 1 (Anmerkung: AGB gegenüber Unternehmern bzw. öffentlicher
Hand) findet § 307 Abs. 1 und 2 auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für
Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden
Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhalts-
kontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.
45
BGH, NJW 1983, 816.
722 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Auch im Rechtsverkehr mit Unternehmern führt jede noch so geringe Abweichung von
Regelungen der VOB/B durch andere Vertragsbedingungen dazu, dass die VOB/B nicht
als Ganzes Vertragsgrundlage ist.46
Aber Die Frage, ob die VOB/B als Ganzes Vertragsgrundlage ist, hat allein Bedeutung
für die Frage, ob Bestimmungen der VOB/B selbst einer Prüfung nach den §§ 305 ff.
BGB, insbesondere nach § 307 BGB, zu unterziehen sind. Die Frage, ob die Regelung, die
in die VOB/B eingreift, ihrerseits deshalb wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam
ist, hat hiermit nichts zu tun! Das ist oft genug nicht der Fall. Die Bedeutung des Begriffs
„VOB als Ganzes“ ist im Grunde mittlerweile in nurmehr wenigen, allerdings wesent-
lichen, Fällen relevant. Die Frage wird dann von erheblicher Bedeutung, wenn Auftrag-
nehmer oder Auftraggeber dringend darauf angewiesen sind, dass bestimmte Regelungen
der VOB/B gemäß § 307 BGB als unwirksam zu gelten haben.
Das kann z. B. die Wirkung der Schlusszahlungserklärung nach § 16 Abs. 3 Nr. 2
VOB/B sein.
46
So schon vor der gesetzlichen Neuregelung BGH, BauR 2004, 668.
47
BGH, BauR 1998, 614 ff.; BGH, BauR 2002, 775.
22 Zivilrechtliche Grundlagen723
• § 6 Abs. 6 VOB/B „Ausschluss entgangener Gewinn, wenn nicht Vorsatz oder grobe
Fahrlässigkeit gegeben sind“ könnte unwirksam sein wegen Verstoßes gegen § 307
BGB i. V. m. § 251 BGB; das ist streitig.
• § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 VOB/B in der Fassung vor 2012 „Frist für Schlusszahlung zwei
Monate“ könnte unwirksam sein, da nach dem BGB lediglich Abnahme Vorausset-
zung ist.48 Die Regelung könnte auch in umgekehrter Wirkungsweise zum Nachteil des
Auftragnehmers unwirksam sein, weil ja durch die Prüffrist auch die Verjährung des
Vergütungsanspruchs nach hinten verlagert wird (weil Fälligkeit Voraussetzung ist).49
• § 16 Abs. 3 Nr. 2–5 VOB/B „Ausschlusswirkung Schlusszahlung“ ist nach einhelliger
Auffassung unwirksam.50
Es ergibt sich, dass die Frage der „VOB als Ganzes“ jedenfalls für den Auftragnehmer nur
in einem gesicherten Fall zur Anwendung kommt.
Der Fall, dass ein Auftragnehmer Verwender der VOB/B sein sollte, ist zwar eher selten,
kommt bei Fertighausherstellern jedoch des Öfteren vor. Voraussetzung für die Einbezie-
hung der VOB/B als AGB ist aber, da es sich bei dem Auftraggeber in der Regel um einen
Laien handelt, dass diese dem Auftraggeber ausgehändigt wurde vor Vertragsschluss.
Unwirksame Regelungen zum Nachteil eines Auftraggebers könnten, wie bereits
erwähnt bei isolierter Betrachtung, folgende Bestimmungen sein.
Zu beachten ist, dass die VOB/B in bestimmten Bereichen nur Regelungen trifft für den
Fall, dass die Parteien von der Möglichkeit einer Vereinbarung Gebrauch machen, z. B.
Weder Vertragsstrafen noch Sicherheitseinbehalte sind vereinbart, nur weil die VOB/B
vereinbart wurde. Dies wird in der Praxis oft übersehen.
48
So zumindest OLG München, Baurechts-Report 10/94.
49
LG Magdeburg, IBR 2005, 188.
50
BGH, BauR 1998, 614, 615; BGH, BauR 2002, 775.
724 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Auch nach der BGH-Entscheidung vom 22. 1. 200451 und der gesetzlichen Neurege-
lung in § 310 Abs. 1 Satz 3 BGB, nach der davon auszugehen ist, dass jede Änderung
der VOB/B diese selbst überprüfbar macht, ist ungeklärt, ob und inwieweit die VOB/B
als Ganzes vereinbart ist, wenn die VOB/B zwar durchaus Regelungen anbietet, selbst
jedoch abweichende Regelungen ausdrücklich zulässt.52 Diese dürfte unter anderem auch
§ 13 Abs. 4 VOB/B (kurze Verjährung von Gewährleistungsansprüchen) betreffen, da die
Regelung ausdrücklich darauf abstellt, dass keine Verjährungsfrist im Vertrag vereinbart
wurde. Dies trifft auch für den Rückgabezeitpunkt einer Gewährleistungssicherheit zu,
§ 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Bedeutung der VOB als Gesamtwerk nur
Bedeutung hat im Hinblick auf die Beurteilung von Regelungen der VOB/B selbst. Liegt
eine Änderung der VOB/B vor, bedeutet dies zweierlei nicht:
Als Bestandteil des Vertrags gelten auch die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen
für Bauleistungen.
Die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen sind in der VOB/C mit der voran-
gestellten „allgemeinen“ DIN 18 299 (Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art)
und den weiteren „gewerkespezifischen“ DIN-Regelungen (DIN 18 300 bis DIN 18 451)
enthalten.
51
BGH, BauR 2004, 668.
52
Bormann/Grassnack/Kessen, BauR 2005, 463 ff.
22 Zivilrechtliche Grundlagen725
Der öffentliche Auftraggeber ist nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 VOB/A gehalten, bei Ausschrei-
bungen die Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung nach Abschn. 0 der
ATV zu beachten.
Die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen, also die allgemeine ATV DIN 18
299 und dem folgend auch die einzelnen „Gewerke-DIN“, sind wie folgt aufgebaut.
• In einem vorgezogenen Abschn. 0 sind Hinweise für das Aufstellen einer Leistungs-
beschreibung aufgeführt.
• In Abschn. 1 wird der jeweilige Geltungsbereich der DIN definiert.
• In Abschn. 2 erfolgen Ausführungen zu Stoffen und Bauteilen.
• In Abschn. 3 sind Vorgaben zur Ausführung festgelegt.
• In Abschn. 4 werden Nebenleistungen und Besondere Leistungen abgehandelt.
• Abschnitt 5 behandelt die Abrechnung.
Zu beachten ist, dass es sich bei den ATV nicht um typische, am Leitbild der DIN 820
ausgerichtete, DIN-Normen handelt. Sie erheben also von der Entstehung her bereits nicht
den Anspruch, wie dies ansonsten für DIN-Regelungen gilt. Sie sind nicht von Haus aus
vermutetermaßen anerkannte Regeln der Technik.53
Es handelt sich vielmehr um „atypische DIN-Normen“, die mit der Absicht geschaffen
und fortgeschrieben werden, einen Teil einer Vergabe- und Vertragsordnung zu formu-
lieren.54 Eine Vermutung, dass sie anerkannte Regeln der Technik darstellen, ist also mit
der DIN 18 299 bis 18 451 nicht per se verbunden. Punktuell können die ATV jedoch
sehr wohl als anerkannte Regeln der Technik zu qualifizieren sein.55 Das ist eine Frage
des Einzelfalls und kann letztlich im Zweifel in einem Rechtsstreit, jedenfalls was die
Klärung technischer Fragen angeht, nur durch Einholung eines Sachverständigengutach-
tens geklärt werden.
Die ATV haben den Charakter von Vertragsbedingungen und enthalten insoweit sehr
bedeutsame Regelungen, z. B. zu Aufmaß und Abrechnung von Bauleistungen. Sie werden
(s. o.) bei Vereinbarung der VOB/B über § 1 Abs. 1 VOB/B Vertragsbestandteil.
53
Motzke, in Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, Syst III, Rn. 2.
54
Motzke, a. a. O., VOB Teil C, Syst III, Rn. 60 ff.; Syst IV, Rn. 18.
55
Einzelheiten bei Motzke, a. a. O., VOB Teil C, Syst III, Rn. 60 ff., und Syst IV, Rn. 6 ff.
726 V. Hafkesbrink und U. Kühne
56
BGH, BauR 2004, 1438.
57
Vgl. zur DIN 18 336 z. B. Ulbrich/Braun, in Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, DIN 18 336.
58
BGH, BauR 2004, 1438.
59
Vgl. z. B. zu Abrechnungsregelungen der DIN 18 365 vgl. OLG Düsseldorf, BauR 2005, 440
(Ls.) = IBR 2005, 135.
60
Vogel, in Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, Syst V, Rn. 21 f.
61
Ablehnend z. B. Vogel, in Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, Syst V, Rn. 27.
22 Zivilrechtliche Grundlagen727
AGB regelmäßig vor dem Hintergrund möglicher Abweichungen von gesetzlichen Bestim-
mungen zu prüfen. Es kommt deshalb eine inhaltliche Überprüfung nur bei Regelungen
in Betracht, die von Rechtsvorschriften abweichen können. Dies kann bei den Abschn. 3
(Ausführung) und 5 (Abrechnung) in Betracht kommen.62 Bei den Abschn. 4 (Nebenleis-
tungen, Besondere Leistungen) soll es auf den Einzelfall ankommen und darauf, ob es sich
jeweils nur um eine kontrollfreie Leistungsbeschreibung handelt oder ob hier z. B. eine
Vergütung für eine ohnehin geschuldete Leistung geregelt wird. Ist Letzteres der Fall, soll
eine Inhaltskontrolle möglich sein.63
Soweit eine Inhaltskontrolle nach dieser Regelung in Betracht kommt, ist allgemein
darauf hinzuweisen, dass zunächst immer zu prüfen ist, wer die Einbeziehung der VOB/C
initiiert. Ist z. B. der Auftraggeber derjenige, der die VOB/B einbezieht und damit über
§ 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/B auch die VOB/C, dann kommt eine Inhaltsprüfung jedenfalls
insoweit nicht in Betracht, als der Auftraggeber die Meinung vertritt, die VOB/C weise
für ihn ungünstige Regelungen auf. Ist eine Prüfung möglich, weil der Auftragnehmer als
Verwender zu gelten hat, kann eine Unwirksamkeit von Aufmaß- und Abrechnungsrege-
lungen in Betracht kommen.64
62
Vogel, in Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, Syst V, Rn. 33.
63
Vogel, in Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, Syst V, Rn. 34.
64
Vogel, in Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, Syst V, Rn. 42.
sehr kritisch hierzu Vogel, in Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, Syst V, Rn. 25 unter
65
Die DIN 18 336 kann, wie die anderen Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen
auch, bei der Frage, ob zu vergütende Nachtragsleistungen vorliegen, grundsätzlich eine
gewichtige Rolle spielen.70
Der Bundesgerichtshof hat in einer Einzelfallentscheidung ausgeführt, dass bei der
Auslegung eines Vertrages die Regelungen der Allgemeinen Technischen Vertrags-
bedingungen, also der VOB/C insgesamt, zumindest unmittelbar keine Rolle spielen.71
Dies gelte insbesondere für die Frage, ob eine zusätzlich vergütungspflichtige Leistung
deshalb vorliegt, weil es sich nach den ATV um Besondere Leistungen handelt und im
67
Vgl. Motzke, in Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, Syst IV, Rn. 1.
68
Motzke, in Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, Syst IV, Rn. 13.
Vgl. OLG Saarbrücken, BauR 2000, 1332; vgl. allgemein zum Problem Motzke, in Beck’scher
69
Für Abdichtungsarbeiten gilt die DIN 18 336 Die DIN 18 336 gilt nach Abschn. 1.1 für
Abdichtungen mit Bitumen, Bitumenwerkstoffen, Metallbändern und Kunstoff-Dich-
tungsbahnen gegen Bodenfeuchtigkeit, nicht drückendes und drückendes Wasser. In
Abschn. 1.2 werden Arbeiten genannt, die nicht unter die DIN 18 336 fallen.
Wegen der genormten Stoffe und Bauteile wird auf die DIN 18 195-2 „Bauwerksab-
dichtungen-Stoffe“ verwiesen.
Die Ausführung selbst wird, wie bei allen anderen ATV auch, in Abschn. 3 geregelt.
Dabei erfolgen unter Abschn. 3.1 allgemeine Ausführungen. Abschnitt 3.2 behandelt die
72
BGH, BauR 2006, 2040 ff.; vgl. Kniffka/Koeble, 5. Teil Rn. 67.
73
BGH, BauR 1999, 37.
74
Vgl. hierzu Kniffka/Koeble, 5. Teil Rn. 76.
75
BGH, BauR 2008, 1131; Kniffka/Koeble, 5. Teil Rn. 77.
730 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Abdichtung gegen Bodenfeuchtigkeit. Abschnitt 3.3 behandelt die Abdichtung gegen nicht
drückendes Wasser. Abschnitt 3.4 regelt die Abdichtung gegen aufstauendes Sickerwas-
ser. Gegenstand von Abschn. 3.5 ist die Abdichtung gegen von außen drückendes Wasser,
Abschn. 3.6 behandelt die Abdichtung gegen von innen drückendes Wasser, Abschn. 3.7
behandelt die Abdichtung unter Intensivbegrünungen, Abschn. 3.8 die Abdichtung über
Bewegungsfugen, Abschn. 3.9 behandelt Anschlüsse an Durchdringungen, Übergänge und
Abschlüsse. Abschnitt 3.10 behandelt Abdichtungsanschlüsse an Bodenplatten-/Wandbe-
reich, Abschn. 3.11 behandelt Dämmstoff- und Trennschichten sowie Schutzlagen.
Die DIN 18 336 enthält unmittelbar keine Einschränkung dergestalt, dass diese nur
bei Abdichtungsarbeiten an einem Neubau anwendbar wäre. Der Geltungsbereich wird
alleine durch Abschn. 1 vorgegeben. Danach ist entscheidend, inwieweit Abdichtungen
mit Bitumen, Bitumenwerkstoffen, Metallbändern und Kunststoff-Dichtungsbahnen
gegen Bodenfeuchtigkeit, nicht drückendes und drückendes Wasser ausgeführt werden.
Insbesondere zu gebräuchlichen Herstellungsarten nachträglicher Horizontalabdich-
tungen trifft die DIN 18 336 keine Aussage. Ganz grundsätzlich gilt auch hier, dass bei
anderen als in Abschn. 1.1 aufgeführten Abdichtungsmaterialien eine Anwendbarkeit aus-
scheidet. Inwieweit bei diesen anderen Abdichtungsmaterialien die DIN 18 336 Ausdruck
einer Verkehrssitte sein kann, wäre Frage des Einzelfalls.
Rn. 256 f. unter Hinweis auf OLG Hamm, BauR BauR 1998, 1119 (Ls.) = IBR 1998, 354; OLG
Schleswig, BauR 1998, 1100 = IBR 1998, 149.
22 Zivilrechtliche Grundlagen731
Die Bestimmung des von den Parteien vereinbarten Leistungsumfangs ist eine der zen-
tralen Fragen jedes Bauvertrags. Man muss hier die Frage des geschuldeten Erfolgs im
Sinne der Mangelfreiheit des geschuldeten Werks unterscheiden von der Beantwortung
der Frage, welche Leistungen von der vereinbarten Vergütung abgedeckt sind. Nur
mit der zuletzt genannten Frage beschäftigen wir uns nachfolgend. Mit dem geschuldeten
Erfolg werden wir uns unter Abschn. 22.13 und vor allem unter dem Kapitel „Mängel-
ansprüche“ beschäftigen.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die vom Unternehmer/Auftragnehmer zu
erbringende Leistung zu beschreiben. Gesetzliche Schranken oder Vorgaben gibt es dabei
nicht. Die unmittelbar ausschließlich vergaberechtlich relevante Regelung des § 7 VOB/A
befasst sich mit der Beschreibung der Leistung. Die dort unter Abs. 9 bis 12 genannte
Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis ist gebräuchlich und liegt oftmals auch
Pauschalpreisverträgen zugrunde. Nach § 7 Abs. 9 VOB/A wird die Leistung in der
Regel durch eine allgemeine Darstellung der Bauaufgabe (Baubeschreibung) und ein in
Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis beschrieben. Auch hier kann, weil das
Leistungsverzeichnis aus sich heraus die Leistungen nicht konkret beschreibt, die Leis-
tung ohne Pläne oder andere Leistungsdarstellungen jedoch nicht sinnvoll beschrieben
werden.77
Die Bestandteile sind vom Grundsatz her zunächst ohne wechselseitige Rangfolge. Es
gibt also keine gesetzliche Regel, wonach z. B. Pläne vorrangig vor einem Leistungsver-
zeichnis sind oder umgekehrt. Auch die VOB/B enthält eine solche Regelung nicht. Es
gibt zwar z. B. in der VOB/B in § 1 Abs. 2 eine Rangfolgenregelung. Diese hilft jedoch
dann nicht weiter, wenn es um Widersprüche innerhalb der Leistungsbeschreibung geht,
die in § 1 Abs. 2 a) VOB/B als vorrangig aufgeführt ist. Pläne, Zeichnungen, Leistungsver-
zeichnis usw. sind jeweils ihrerseits Teile der Leistungsbeschreibung. Soweit ein Vertrag –
was natürlich zulässig ist – eine Rangfolgenregelung ausdrücklich vorsieht, ist diese bei
der Auslegung zu beachten. Auch dann muss ein Bauvertrag nach der Rechtsprechung
des BGH als sinnvolles Ganzes ausgelegt werden.78 Die Leistungsbeschreibung bzw.
Teile dieser können sowohl vom Auftraggeber herrühren als auch vom Auftragnehmer.
Inwieweit § 7 VOB/A Auswirkungen auf die Vertragsauslegung hat, wird weiter unten
behandelt.
77
K/M/Kapellmann, § 2 VOB/B, Rn. 65.
78
BGH, BauR 2003, 388.
732 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Beispiel Ein Auftragnehmer hat für einen Auftraggeber Sanierungsarbeiten an einer 1925
errichteten Doppelschleuse mit zwei Kammern und einer 1973 versetzt errichteten Ersatz-
schleuse zu einem Pauschalpreis zu erbringen. Der Vertrag kam aufgrund einer Ausschrei-
bung nach VOB/A zustande. Ihm liegt u. a. die VOB/B zugrunde. Wegen der Bewehrung
einer Schleusenwand führt das Leistungsverzeichnis auf, dass die Flächenbewehrung nach
der Zwangsbeanspruchung zu bemessen sei, mindestens aber eine angegebene Starke auf-
zuweisen habe. Die für die Bemessung der Zwangsbeanspruchung erforderliche Statik
hatte der Auftragnehmer als Vertragsleistung zu erbringen. Im Übrigen hatte der Auf-
tragnehmer nach seinem Vortrag aufwendigere Verankerungen als angenommen in den
Schleusenwänden anzubringen. Der Auftragnehmer verlangt u. a. für Mehrverbrauch an
Stahl sowie für umständlichere und aufwendigere Arbeiten für die Verankerungen zusätz-
liche Vergütung.79
Der BGH hat hier thematisiert, ob der Vertrag wegen der sich erst nachfolgend ergeben-
den Leistungsanforderungen die für einen Vertragsschluss notwendige Bestimmtheit der
Leistungspflichten beinhaltet. Das hat er bejaht, weil feststand, dass weitere Leistungen
des Auftragnehmers der vertraglich übernommenen Tragwerksplanung zu entsprechen
hatten. Damit sei der Vertragsinhalt hinreichend bestimmbar festgelegt. Für die Wirksam-
keit war auch nicht von Bedeutung, ob die damit eingegangenen Verpflichtungen kalku-
lierbar waren. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem ein Kalkulationsrisiko nicht
übernommen werden darf.
Diese Grundsätze muss man auf Abdichtungsarbeiten übertragen. Hier könnte das
wegen oftmals zur Zeit des Vertragsschlusses nicht ausreichend ermittelten Leistungs-
grundlagen sogar besonders relevant werden. Denkbar wäre z. B., dass es ein Auftrag-
nehmer übernimmt, eine regelgerechte Abdichtung gemäß einer nach Vertragsschluss vom
Auftraggeber vorzulegenden Detailplanung zu erstellen. Bei der Vereinbarung von Leis-
tung und Gegenleistung sind die Parteien bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit weitgehend
frei, alle erdenklichen Risiken zu übernehmen. Wenn die Auslegung zu einem für einen
Auftragnehmer nachteiligen Ergebnis kommt (was wegen der Risikoübernahme natürlich
sehr sorgfältig geprüft werden muss!), kann er dieses Auslegungsergebnis nicht mit dem
bloßen Hinweis darauf, dass er etwas nicht habe kalkulieren können, wieder beseitigen.
Das wird in der Praxis oftmals von Unternehmern verkannt.
Auch bei einem Bauvertrag, der nicht nach VOB/A ausgeschrieben worden ist, gilt als
Grundsatz, dass bei der Auslegung der Vertragsteil Vorrang hat, der sich speziell mit einer
bestimmten Thematik befasst. Die Auslegung kann z. B. ergeben, dass der Text einer Bau-
beschreibung Vorrang vor Zeichnungen hat, die ebenfalls Vertragsgrundlage sind.
79
Vgl. BGH, BauR 1997, 126
22 Zivilrechtliche Grundlagen733
80
BGH, BauR 2003, 388.
81
BGH, BauR 1999, 897.
82
z. B. Leupertz/Merkens, Handbuch Bauprozess, § 7 Rn. 11.
734 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Beispiel Im Rahmen eines Ausbauvertrags wird für die Kellerräume eine Wohnnutzung
vorausgesetzt. Der Bauherr lässt die Planung von einem Architekten erstellen, der eine
Abdichtung gegen nicht drückendes Wasser vorsieht. Diese Planung wird in ein konkretes
Leistungsverzeichnis umgesetzt, in welchem positionsweise dargestellt ist, wie die Leis-
tung zu erbringen ist. Es kommt zu Feuchtigkeitseinbrüchen, die darauf beruhen, dass
drückendes Wasser vorherrscht. Die Planung und – im Übrigen ordnungsgemäße – Umset-
zung durch eine Abdichtung gegen drückendes Wasser war nicht ausreichend. Die Einho-
lung eines Bodengutachtens hätte dies klären können.
In diesem Fall wäre es sicherlich verkürzt, anzunehmen, die Parteien hätten vertraglich
nur und ausschließlich eine Abdichtung gegen nicht drückendes Wasser vereinbart, sodass
auch nur der mit dieser Abdichtung erreichbare Erfolg vereinbart wäre. Grundsätzlich
richtet sich die Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157 BGB. § 157 BGB lautet:
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es
erfordern.
Der BGH83 geht bei der Vertragsauslegung grundsätzlich vom Wortlaut aus, dem er eine
besondere Bedeutung zumisst. Ebenso müssen jedoch bei der Vertragsauslegung die
Umstände des konkreten vertragsgegenständlichen Bauvorhabens berücksichtigt werden.84
Hier sind die konkreten Verhältnisse zu nennen und insbesondere die vom Besteller ver-
folgten Zwecke.85
Geht man von diesen Auslegungskriterien aus, wird man im Beispielsfall nicht davon
ausgehen können, dass die Vertragsparteien eine Abdichtung nur gegen nicht drücken-
des Wasser vereinbart haben. Nur dann käme man ja zu einer Beschränkung auf diese.
83
BGH, BauR 2003, 388.
84
BGH, BauR 1993, 595; BGH, BauR 2002, 935.
85
Kniffka/Koeble, 5. Teil, Rn. 73; BGH, BauR 1993, 595; BGH, BauR 2002, 935.
22 Zivilrechtliche Grundlagen735
Vielmehr geht der BGH davon aus, dass die Parteien – unausgesprochen – eine Ausfüh-
rung vereinbart haben, die geeignet ist, die beabsichtigte Wohnnutzung in den Kellerbe-
reichen zu erreichen.
Das OLG Rostock86 hat es so formuliert:
1. Der Auftragnehmer schuldet ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk. Dies
gilt auch, wenn die Parteien eine Ausführungsart vereinbart haben, mit der die geschuldete
Funktionstauglichkeit des Werkes nicht erreicht werden kann.
2. Ein Keller mit fortwährenden Feuchtigkeitseinbrüchen entspricht der geschuldeten Funk-
tionstauglichkeit nicht. Daher muss die Planung der Abdichtung eines Bauwerks bei ein-
wandfreier handwerklicher Ausführung zu einer fachlich richtigen, vollständigen und dauer-
haften Abdichtung führen.
In dem vom OLG Rostock entschiedenen Fall war eine Abdichtung gegen Bodenfeuchtig-
keit nach DIN 18 195 Teil 4 geplant und vom Auftragnehmer/Unternehmer auch umge-
setzt worden; notwendig war aufgrund der vorgefundenen Bodenverhältnisse eine solche
nach DIN 18 195 Teil 5 (gegen nicht drückendes Wasser).
Es ist ganz grundsätzlich festzuhalten, dass der Bundesgerichtshof in nahezu ständiger
Rechtsprechung davon ausgeht, dass bei der Frage des geschuldeten Leistungsumfangs
genau zu analysieren ist, welchen Erfolg die Parteien vereinbart haben. Ist dieser Erfolg
definiert, wobei die zweckentsprechende Bauwerksnutzung des Bestellers maßgeblich zu
berücksichtigen ist, sind alle Leistungen, die zur Erreichung dieses Erfolgs erforderlich
sind, geschuldet.87 Das gilt auch für Fälle nach dem 1. 1. 2002.88
Sind Arbeiten an einer Bauwerksabdichtung alleine oder auch im Zusammenhang mit
anderen Bauleistungen geschuldet, wird man – im Sinne einer vorausgeschickten Faust-
formel – in aller Regel davon ausgehen können, dass damit im Zweifel alle Arbeiten
zur Errichtung eines gegen eindringende Feuchtigkeit nach den anerkannten Regeln der
Technik dauerhaft geschützten Bauwerks geschuldet sind.89 Man muss sich als Unterneh-
mer vor der Einschätzung hüten, dass nur das vereinbart ist, was geschrieben oder gezeich-
net ist. Diese Schlussfolgerung ist in der Praxis sehr ernst zu nehmen. Bei konsequenter
Befolgung entstehen für den gewissenhaft handelnden Unternehmer auch keine Nach-
teile. Kommt er etwaigen Prüfungs- und Hinweispflichten nach, stellt er sich, obwohl er
nunmehr weitere Maßnahmen schuldet, wirtschaftlich nicht schlechter. Denn wie gesagt,
wir haben zunächst nur die Frage untersucht, was der Unternehmer schuldet und nicht, ob
das auch schon von der Vergütung abgedeckt ist.
Beschränkung des Erfolgs durch Handlungen des Bestellers?
In der Praxis tritt insbesondere bei Altbausanierungen das Problem auf, dass Räum-
lichkeiten auch nach erfolgter und fachgerecht durchgeführter Bauwerksabdichtung noch
86
BauR 2005, 441 (Leitsatz).
87
BGH, BauR 1995, 538; BGH, BauR 2000, 411; BGH, BauR 2002, 935.
88
BGH, Urteil vom 8.11.2007 – VII ZR 183/05, BauR 2008, 344.
89
So wohl auch BGH, BauR 2005, 545.
736 V. Hafkesbrink und U. Kühne
nicht sogleich die Voraussetzungen der vertraglich vereinbarten Nutzung erfüllen. Es stellt
sich die (untechnisch formulierte) Frage, wie trocken der jeweils zu erstellende Raum
sein muss. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass insbesondere bei fehlender Vereinbarung
die Bauleistung im Zeitpunkt der Abnahme die Eigenschaften aufweisen muss, die im
Rahmen des technisch Machbaren eine sofortige und einschränkungsfreie Nutzung nach
den vertraglichen Vereinbarungen ermöglichen muss. Maßgeblich ist auch insoweit die
Mangelfreiheit im Sinne von § 633 Abs. 2 BGB bzw. bei entsprechender Vereinbarung
nach § 13 Nr. 1 Satz 2 VOB/B.
Auch insoweit kommt es auf den Einzelfall und die Vertragsauslegung an. Hieraus
ergibt sich dann auch, welcher Zustand an Trockenheit geschuldet ist. Sind im Vertrag
dazu keine Regelungen erfolgt, was sich auch aus den Umständen ergeben kann, kann
vom Besteller nicht verlangt werden, dass er besondere Lüftungsmaßnahmen durchführt.
Insbesondere bei Erstellung oder Veräußerung von Wohnraum schuldet der Unternehmer
eine Gebrauchstauglichkeit der Wohnung, die besondere Lüftungsmaßnahmen des Erwer-
bers und einen erhöhten Heizaufwand nicht erfordert.90
Auch im Hinblick auf Trocknungsmaßnahmen bei durchfeuchtetem Mauerwerk sollten
deutliche Hinweise im Vertrag erfolgen, bis zu welchem Grad eine Mauerwerkstrock-
nung bis zur Abnahme durchgeführt wird und welche Maßnahmen eventuell danach
durchgeführt werden müssen. Ansonsten ist – bei fehlenden anderweitigen Anhaltspunk-
ten – davon auszugehen, dass der Besteller ein vollständig trockenes Mauerwerk erwarten
darf und dass keine eigenen Maßnahmen von ihm durchzuführen sind.
Sofern aus technischen Gründen weitere Maßnahmen erforderlich sind wie z. B. die
Auftragung eines Sanierputzes, der nur von begrenzter Haltbarkeit ist, sollte auch dies
ausdrücklich geregelt sein. Einem Laien müssen diese technischen Besonderheiten nicht
bekannt sein, sodass er – wiederum bei fehlenden anderweitigen Anhaltspunkten – die
Erwartung haben kann, dass bei Abnahme ein dauerhafter Putz vorhanden ist. Auch hier
kommt es natürlich auf jeden Einzelfall an, welche konkreten Erwartungen der Erwerber
haben darf. Pauschal lässt sich das Ergebnis einer Auslegung nie vorwegnehmen. Man
sollte hier als Unternehmer sehr vorsichtig sein bei der Formulierung des Leistungsum-
fangs. Bei Bestellern sollten im Zweifel technische Vorkenntnisse nicht unterstellt werden,
sodass es wieder auf objektivierbare Nutzungserwartungen ankommt.
Bei der Frage der Ermittlung des vereinbarten Leistungserfolgs ist bereits an dieser Stelle
darauf hinzuweisen, dass der Bundesgerichtshof davon ausgeht, dass auch die anerkann-
ten Regeln der Technik bei der Vertragsauslegung von zentraler Bedeutung sind. Ein
90
Vgl. BGH, BauR 2002, 1385: „Der Bauträger schuldet eine Gebrauchstauglichkeit der Wohnung,
die besondere Lüftungsmaßnahmen des Erwerbers und einen erhöhten Heizaufwand zur Vermei-
dung von Schimmelpilzbildung nicht erfordert.“.
22 Zivilrechtliche Grundlagen737
Auftraggeber/Besteller kann redlicherweise erwarten, dass das Werk zum Zeitpunkt der
Abnahme diejenigen Qualitäts- und Komfortstandards erfüllt, die auch vergleichbare
andere zeitgleich abgenommene Bauwerke erfüllen. Der BGH91 formuliert das wie folgt:
Dabei sind die anerkannten Regeln der Technik von erheblicher Bedeutung. Der Besteller
kann redlicherweise erwarten, dass das Werk zum Zeitpunkt der Abnahme diejenigen Qua-
litäts- und Komfortstandards erfüllt, die auch vergleichbare andere zeitgleich fertiggestellte
und abgenommene Bauwerke erfüllen. Der Unternehmer sichert üblicherweise stillschwei-
gend bei Vertragsschluss die Einhaltung dieses Standards zu. Es kommt deshalb im Allgemei-
nen auf den Stand der anerkannten Regeln der Technik zur Zeit der Abnahme an.
Bei einem VOB/B-Vertrag gelten die anerkannten Regeln der Technik ohnehin als verein-
bart. Dies ergibt sich unter anderem aus § 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/B, aus § 13 Abs. 1
VOB/B sowie auch aus § 13 Abs. 7 Nr. 2 b) VOB/B, nach Auffassung des BGH auch aus dem
Hinweis auf die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen in § 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/B.
Es ist sicherlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Vertragsparteien eine Ausfüh-
rung abweichend von den Regeln der Technik vereinbaren. Motivation für eine solche Abwei-
chung können ganz unterschiedlicher Natur sein, so zum Beispiel Kostengründe. Wichtig
ist jedoch der Hinweis, dass eine solche Abweichung auch tatsächlich vereinbart sein muss.
Hierfür wird die Festlegung einer bestimmten Ausführungsart alleine nicht genügen.92 Zu
den Anforderungen einer Vertragsauslegung, wonach die Parteien eine Abweichung von den
anerkannten Regeln der Technik vereinbart haben, führt der BGH93 wie folgt aus:
Die Auslegung eines VOB/B-Vertrages, die Parteien hätten abweichend von den genannten Rege-
lungen der VOB/B vereinbart, dass die anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten werden
müssen, ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Die Parteien können eine entspre-
chende Abweichung von der VOB/B ausdrücklich vereinbart haben oder es muss aufgrund
gewichtiger für die Auslegung relevanter Umstände feststehen, dass sie entgegen den genannten
Regeln der VOB/B konkludent oder stillschweigend eine entsprechende vertragliche Vereinba-
rung getroffen haben. Die Vereinbarung einer bestimmten Ausführungsart, die den anerkannten
Regeln der Technik nicht genügt, reicht allein für eine derartige Auslegung nicht aus.
Die Einhaltung der Regeln der Technik wie überhaupt der geschuldete Leistungsumfang
werden oftmals zweifelhaft und fraglich sein bei Arbeiten an einem bestehenden Bauwerk,
insbesondere also bei der Altbausanierung.
91
BGH, Urteil vom 14.5.1998 – VII ZR 184/97, BauR 1998, 872.
92
BGH, Urteil vom 16.7.1998 – VII ZR 350/96, BauR 1999, 37.
93
BauR 1999, 37.
738 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Dabei ist im Grundsatz unerheblich, ob nun ein Grundstück veräußert wird, auf dem ein
(angeblich) jüngst umfassend saniertes Gebäude steht, oder ob ein Unternehmer die Sanie-
rung eines Bauwerks verspricht, welches bereits im Eigentum des Bestellers steht. Der
BGH94 wendet – verkürzt formuliert – Werkvertragsrecht in bestimmten Fällen auch auf
eine Grundstücksveräußerung mit aufstehendem Bauwerk an, welches umfassend saniert
wird. Auf Einzelheiten gehen wir nicht ein. Der BGH wendet Werkvertragsrecht an, wenn
es bei einer Grundstücksveräußerung mit einem aufstehenden Altbau um Sanierungsarbei-
ten mit erheblichem Umfang geht, sodass bei wertender Betrachtung ein dem Neubau ver-
gleichbarer Fall anzunehmen ist. Dabei wird Werkvertragsrecht auch auf die unbearbeitete
Bausubstanz angewandt, wenn die Sanierungsarbeiten vom Umfang her einem Neubau
gleichkommen.
Wichtig ist die soeben zitierte Entscheidung, weil der Bundesgerichtshof in Fällen, bei
denen im Rahmen der Sanierung nachweislich Bauteile bearbeitet worden sein sollen, die
grundsätzliche Erwartung des Erwerbers – der dann der Besteller/Auftraggeber im Sinne
des Werkvertrags ist – in die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik zur Zeit der
Sanierung formuliert hat. Der 2. amtliche Leitsatz dieser Entscheidung lautet:
2. Verspricht der Veräußerer eines Altbaus eine Sanierung bis auf die Grundmauern, darf
der Erwerber dies grundsätzlich dahin verstehen, dass der Veräußerer zu diesem Zweck im
Rahmen des technisch Möglichen die Maßnahmen angewandt hat, die erforderlich sind, um
den Stand der anerkannten Regeln der Technik zu gewährleisten. Etwas anderes kann sich
ergeben, wenn die berechtigte Erwartung des Erwerbers unter Berücksichtigung der gesam-
ten Vertragsumstände, insbesondere des konkreten Vertragsgegenstands und der jeweiligen
Gegebenheiten des Bauwerks darauf nicht gerichtet ist.
94
BGH, Urteil vom 16.12.2004 – VII ZR 257/03, BauR 2005, 542.
95
BGH, BauR 2005, 544.
22 Zivilrechtliche Grundlagen739
Die Vorinstanz96 hatte – wie viele andere Gerichte in vergleichbaren Fällen auch – Ansprü-
che abgelehnt, weil eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien über die Frage der
Abdichtung des Hauses gegen Erdfeuchte durch eine Horizontalsperre nicht ersichtlich
gewesen sei. Die Bauträgerin habe keine neue Bausubstanz geschaffen, sondern lediglich
vorhandene Bausubstanz saniert und renoviert. Dies sei den Erwerbern bekannt gewesen.
In einem solchen Fall könne sich der Erwerber aber lediglich darauf einrichten, dass die
durchgeführten Arbeiten mangelfrei seien. Der BGH hat für den Fall anders entschieden,
dass tatsächlich vom „Veräußerer“ eine grundlegende Sanierung versprochen worden war.
Er formuliert an der entscheidenden Stelle wie folgt:
Bei dieser Begründung berücksichtigt das Berufungsgericht nicht hinreichend die berechtig-
ten Erwartungen, die ein Erwerber an einen Altbau stellen darf, der nach den vertraglichen
Vereinbarungen bis auf die Grundmauern saniert worden sein soll. Verspricht der Veräußerer
eines Altbauobjekts eine so weitgehende und umfassende Sanierung, darf der Erwerber dies
grundsätzlich dahin verstehen, dass der Veräußerer zu diesem Zweck im Rahmen des tech-
nisch Möglichen die Maßnahmen angewandt hat, die erforderlich sind, um den Stand der
anerkannten Regeln der Technik zu gewährleisten. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn
die berechtigte Erwartung des Erwerbers unter Berücksichtigung der gesamten Vertragsum-
stände, insbesondere des konkreten Vertragsgegenstands und der jeweiligen Gegebenheiten
des Bauwerks, darauf nicht gerichtet ist.
Verpflichtet sich ein Bauträger zur umfassenden Modernisierung und Renovierung eines
Altbaus im erforderlichen Umfang, schließt das im Zweifel alle Maßnahmen ein, die für eine
umfassende Modernisierung und Renovierung erforderlich sind. Dem steht nicht entgegen,
dass einzelne Maßnahmen nicht in der Baubeschreibung aufgeführt sind.
Beide Urteile betreffen einen Bauträgervertrag. Bei diesem werden vom Bauträger übli-
cherweise Planung und Bauausführung gegenüber dem Erwerber übernommen. Deshalb
wird üblicherweise hier davon ausgegangen, dass ein Erwerber zu Recht die Erwartung
einer schlüsselfertigen und vollständigen Erstellung eines den anerkannten Regeln der
Technik entsprechenden Bauwerks haben darf. Wenn zur Erreichung dieses Zustands
Maßnahmen erforderlich sind, die in der Baubeschreibung nicht ausdrücklich erwähnt
sind, wird der Bauträger diese Maßnahmen in aller Regel schulden, ohne dass er hierfür
zusätzliche Vergütung erhalten kann.98
96
OLG Düsseldorf, BauR 2003, 1911 ff.
97
BauR 2003, 396, BGH, Beschluss vom 24.10.2002 – VII ZR 249/01 (Revision nicht angenommen).
98
Grziwotz/Koeble/Vogel, Handbuch Bauträgerrecht, 4. Teil, Rn. 10.
740 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Die Urteile sind für die Rechtsfolgen einer versprochenen umfassenden Sanierung
sicherlich sehr bedeutsam. Auch hier muss man sich davor hüten, Rückschlüsse auf den
üblichen Inhalt von Vereinbarungen zu ziehen.
Das Ergebnis der Anwendbarkeit des Werkvertrags beantwortet nicht alle Fragen zur
Bauwerksabdichtung. Ob nun konkret (als Beschaffenheit des Bauwerks) vereinbart
wurde, Arbeiten an der Bauwerksabdichtung vorzunehmen, ist Frage der Auslegung der
Erklärungen und Umstände des Einzelfalls. Hier kann es keine Verallgemeinerungen
geben. Allgemein lässt sich nur festhalten, dass der versprochene Leistungsumfang umso
umfangreicher wird, je mehr Umstände dafür sprechen, dass der Erwerber eine umfas-
sende Untersuchung und Bearbeitung aller Bauteile erwarten darf. Hierfür können auch
Erklärungen des Bauträgers im Zusammenhang mit der Vermarktung (Prospekte oder
sonstige Unterlagen, in denen ein Objekt „vermarktet“ wird) herangezogen werden, wobei
diese im Einzelfall dann natürlich auch bewiesen werden müssen. Dass hier bei der Aus-
legung unterschiedlichste Ergebnisse die Folge sein können, belegt die Vielzahl von ver-
öffentlichten Entscheidungen.
Wenn der Bauträger nur eine Herstellung der Bauwerksabdichtung verspricht, dann ist
jedenfalls insoweit Werkvertragsrecht anwendbar.99
Wichtig ist noch der Hinweis, dass die anerkannten Regeln der Technik in aller Regel
auch ohne gesonderte Erwähnung geschuldet sind. In umgekehrter Richtung begrenzen
diese allerdings nicht zwingend den Leistungsumfang. Es ist immer eine Auslegung der
Erklärungen, Umstände usw. vorzunehmen. So hat der BGH100 ausdrücklich entschieden:
1. Ein Mangel im Sinn des Werkvertragsrechts liegt nicht nur dann vor, wenn die Werkleis-
tung nicht den Regeln der Technik entspricht, sondern schon dann, wenn das Werk von der
Beschaffenheit abweicht, die es für den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch haben muss.
Wir haben bisher vor allem die Frage geklärt, wie der Vertrag im Hinblick auf den zu
erreichenden Erfolg auszulegen ist.
Zusätzliche Leistungen nicht abgedeckt bei Festlegung auf Ausführungsart Für den Auf-
tragnehmer mindestens ebenso interessant wie die Frage des Leistungsumfangs ist die
99
BGH, BauR 2006, 99 ff.
100
BGH, Urteil vom 21.9.2004 – X ZR 244/01, BauR 2004, 1941.
22 Zivilrechtliche Grundlagen741
Frage der Vergütung der Leistungen. Es geht also um die Frage, ob die im Vertrag bereits
vereinbarte Vergütung – Pauschalpreis, Vergütung nach Einheitspreisen, Stundenlohn –
alle Leistungen, die zur Erreichung des Erfolgs erforderlich sind, bereits abdeckt oder ob
der Auftragnehmer/Unternehmer hierfür eine gesonderte Vergütung erhält.
Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass die Parteien bereits im Vertrag selbst die für
die Erbringung des Leistungserfolgs zu zahlende Vergütung sogleich auch abschließend
vereinbart haben und dass diese dann auch mit den ausdrücklich vereinbarten Leistungen
korrespondiert. Wie aber ist zu verfahren, wenn sich herausstellt, dass die Parteien einen
„trockenen Keller“ vereinbart haben, dieser aber mit den konkret und ausdrücklich verein-
barten Leistungen nicht zu erreichen ist? Bleibt es dann bei der vertraglich vereinbarten
Vergütung? Hierzu gilt Folgendes:
Wenn das Bausoll im Hinblick auf den zu erreichenden Erfolg einmal ermittelt ist, muss
damit noch nicht abschließend auch die Vergütung bereits geregelt sein. Wie eingangs
bereits angedeutet, ist die Frage, inwieweit der Unternehmer hierfür eine gesonderte Ver-
gütung erhält, damit noch nicht zwingend beantwortet.
101
Bestätigt vom BGH, BauR 2006, 2042; BGH, BauR 1999, 37; so auch schon BGH, BauR 1984,
395 ff., für den Fall einer konkret beschriebenen Abdichtungsart, die jedoch nicht für ausreichend
trockenen Keller sorgte.
742 V. Hafkesbrink und U. Kühne
ist, liegt eine zusätzliche Leistung im Sinne von § 1 Abs. 4 i. V. m. § 2 Abs. 5 oder § 2
Abs. 6 VOB/B vor und ist der zusätzliche Vergütungsanspruch unter den weiteren recht-
lichen Voraussetzungen der jeweils anzuwendenden Vertragsordnung gerechtfertigt.102
Liegt eine Anordnung oder Vereinbarung zur Ausführung der weitergehenden Leistung
nicht vor, ist der Unternehmer auf Ansprüche nach § 2 Abs. 8 VOB/B oder nach dem
BGB wegen Geschäftsführung ohne Auftrag oder wegen ungerechtfertigter Bereicherung
geltend. Macht der Auftraggeber in einem solchen Fall (zu Recht!) Sachmängelansprüche
geltend, führen die – ja an und für sich von Anfang erforderlichen – zusätzlichen Vergü-
tungsansprüche zum Einwand der „Sowieso-Kosten“.103
Die Festlegung der Vergütung auf eine Ausführungsart wird immer dann nicht anzu-
nehmen sein, wenn diese eben gerade offengeblieben ist und es dem Besteller/Auftragge-
ber/Erwerber nur auf den Erfolg „egal wie“ ankommt (und nicht auf die Ausführungsart,
die dem Auftragnehmer überlassen bleibt), also bei jedweder funktioneller Leistungsbe-
schreibung, insbesondere bei Bauträgerverträgen. Auch hier kann jedoch im Einzelfall
anderes gewollt sein, nur muss es dann auch ganz klar zum Ausdruck kommen.
Umgang mit den Mehrkosten gegenüber der konkret beschriebenen Ausführungsart bei
geschuldetem weitergehendem Erfolg
Zu klären ist nun, wie mit den Mehrkosten umzugehen ist, die zwingend anfallen, weil
„nur“ die konkret beschriebene Ausführungsart umgesetzt wurde, obwohl zur Erreichung
des vertraglich geschuldeten Erfolgs ganz andere und/oder zusätzliche Leistungen erfor-
derlich sind. An und für sich ist dies eher eine Frage der Vergütung oder auch Gewähr-
leistung, wir wollen dies jedoch bereits an dieser Stelle kurz abhandeln, um klarzustel-
len, warum die erfolgsorientierte Vertragsauslegung für einen gewissenhaft vorgehenden
Unternehmer nicht so nachteilhaft ist.
Hier ist zunächst im Einzelfall zu prüfen, inwieweit der Unternehmer seiner Pflicht zur
Prüfung der Leistungsbeschreibung nachgekommen ist und etwaige Bedenken geäu-
ßert hat. Was der Unternehmer insoweit zu tun hat, wird gesondert dargestellt. Musste
er Bedenken nicht haben und hat er deshalb auch keine angemeldet, wird man zum
Ergebnis kommen müssen, dass eine Haftung für den Mangel nicht gegeben ist. Ist die
Abnahme noch nicht erklärt, können zusätzliche Leistungen zwar vom Unternehmer ver-
langt werden, sind aber dann auch zusätzlich zu vergüten. Hat der Unternehmer Beden-
ken pflichtwidrig nicht angemeldet, kommen Mängelansprüche gegen ihn durchaus in
Betracht. Allerdings sind gleichwohl die Mehrkosten an ihn zu zahlen, die bei korrekter
Ausschreibung von Anfang an zu zahlen gewesen wären. Hier kommt der Rechtsgedanke
des „Vorteilsausgleichs“ und der „Sowieso-Kosten“ zum Tragen. Soweit zusätzliche Leis-
tungen erbracht werden müssen, hätten diese von Beginn an bereits bei Vertragsschluss
in Auftrag gegeben und vor allem auch bezahlt werden müssen. Diesen Vorteil hat der
Auftraggeber auszugleichen. Dem Auftragnehmer/Besteller steht insoweit ein Anspruch
auf Zuschuss zu, sodass in einem Prozess eine Verurteilung zur Nacherfüllung Zug um
102
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Teil, Rn. 78.
103
BGH, BauR 1984, 395 ff.
22 Zivilrechtliche Grundlagen743
Zug erfolgt. Außerhalb eines Rechtsstreits wird üblicherweise dem Auftragnehmer ein
Anspruch auf Sicherheitsleistung zugebilligt.104
Wie aber ist zu verfahren, wenn die konkret beschriebene, aber eben nicht ausreichende,
Leistung umgesetzt wurde und eben nicht nur höhere Kosten durch zusätzliche Leistungen
entstehen, die gleichzeitig ausschließlich zu einem Vorteil des Auftraggebers/Bestellers
führen? Wie ist zum Beispiel mit den alleine beim Unternehmer zusätzlich anfallenden
Kosten zu verfahren? Hier wären zum Beispiel die Entfernung bzw. Beseitigung der vor-
handenen, letztlich aber mangelhaften, Leistung zu nennen. Wie ist mit den zusätzlichen
Kosten des Unternehmers bei der Baustelleneinrichtung zu verfahren? Was ist mit seinem
Deckungsbeitrag? Letztlich wird man zum Ergebnis kommen müssen, dass zumindest in
dem Fall, dass der Unternehmer keinerlei Bedenken haben musste (hierzu später), der-
artige Mehrkosten dem Auftragnehmer erstattet werden müssen. Hier kann zum einen der
Rechtsgedanke des § 645 BGB angewandt werden, wonach der Unternehmer bei einer
durch eine Anordnung des Bestellers eingetretenen Verschlechterung oder beim Unter-
gangs des Werks der Unternehmer einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der
Vergütung verlangen kann. Unmittelbar ist die Regelung nicht einschlägig, allerdings
unseres Erachtens von ihrem Rechtsgedanken her. Diese Privilegierung kann allerdings
nur zum Tragen kommen, wenn der Unternehmer tatsächlich etwaigen Nebenpflichten
nachgekommen ist, die darin bestehen, dass er die Leistungsbeschreibung geprüft hat und
bei Bedenken auf diese auch hingewiesen hat.
Wir haben oben festgestellt, dass es im Einzelfall so sein kann, dass dem Auftragnehmer/
Unternehmer ein zusätzlicher Vergütungsanspruch zustehen kann, wenn zusätzliche Maß-
nahmen zur Erreichung eines nicht ausdrücklich vereinbarten Erfolgs erforderlich sind.
Für den Fall, dass die Parteien eine konkrete Ausführungsart vereinbart haben, mit der
z. B. die ebenfalls vertraglich vereinbarten anerkannten Regeln der Technik nicht erreicht
werden können, können sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durchaus
zusätzliche Vergütungsansprüche für den Auftragnehmer/Unternehmer ergeben, wenn er
im Sinne einer weitergehenden Erfolgshaftung zusätzliche Maßnahmen schuldet.105
Eine zusätzliche Vergütung scheidet jedoch immer dann aus, wenn sich durch Ausle-
gung bereits ergibt, dass sich die vertraglich vereinbarte Vergütung auch auf Leistungen
erstreckt, die nicht ausdrücklich erwähnt werden. Eine solche Auslegung ist regel-
mäßig dann vorzunehmen, wenn der Besteller eine umfassende Erwartung im Hinblick
auf die zu erbringenden Leistungen haben darf. Dies wird z. B. bei einem Bauträger-
vertrag regelmäßig der Fall sein, weil hier im Allgemeinen der Bauträger das Risiko der
104
BGH, BauR 1984, 395 ff.
105
BGH, BauR 1999, 37; BGH, BauR 1984, 395 ff.
744 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Vollständigkeit der Leistungen vertraglich übernimmt und die Vergütung im Zweifel alle
erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung des Vertragszwecks, also der funktionsgerech-
ten Nutzung auf der Grundlage der anerkannten Regeln der Technik, abdeckt.106
Eine solche Übernahme eines Vollständigkeitsrisikos kommt grundsätzlich immer in
Betracht, wenn der Erfolg nach funktionalen Kriterien beschrieben wird und die hierfür
zur Verfügung stehenden Wege offen sind.107 Es gibt auch keinen Rechtssatz dahingehend,
dass dies bei einem öffentlichen Auftraggeber nicht möglich sein soll, sodass ein Auf-
tragnehmer/Unternehmer auch bei öffentlichen AG das Vollständigkeitsrisiko übernehmen
kann.108 Ein möglicher vergaberechtlicher Verstoß gegen Ausschreibungsgrundsätze des
§ 7 VOB/A ist hiervon völlig unabhängig und führt – bei klarem Auslegungsergebnis –
nicht dazu, dass die Risikoübernahme durch den AN unwirksam wäre.109
Im Einzelfall kann bei Auftragsvergabe der öffentlichen Hand die – rein vergaberechtli-
che – Regelung des § 7 VOB/A zugunsten eines Auftragnehmers bei Auslegungszweifeln
herangezogen werden.110 Bei der Auslegung ist vom durchschnittlich sorgfältigen111 Emp-
fänger/Bieter auszugehen und davon, wie dieser die Leistungsbeschreibung nach Treu
und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen darf. Maßgeblich ist der
betreffende Bieter-/Empfängerkreis.112 Maßgebend ist dabei das Verständnis des objekti-
vierten Bieterkreises.113
Der Bieter darf auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsunterlagen ver-
trauen. In Verbindung hiermit darf er bei fehlenden anderen Anhaltspunkten davon aus-
gehen, dass der öffentliche AG den Grundsätzen des § 7 VOB/A genügen will.114 Fehlen
also Anhaltspunkte für die Ermittlung bestimmter völlig ungewöhnlicher Umstände, muss
der Bieter auch keine völlig ungewöhnlichen Umstände („ungewöhnliches Wagnis“)
unterstellen oder ermitteln, selbst dann, wenn es andererseits für „normale“ Umstände an
positiven Erkenntnissen fehlt. Dies dürfte Ausfluss der Anwendung von § 7 VOB/A sein
106
Grziwotz/Koeble/Vogel, Handbuch Bauträgerrecht, 4. Teil, Rn. 10.
107
Vgl. hierzu Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil, Rn. 81 ff.
108
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Teil, Rn. 81; BGH, BauR 1997, 126.
109
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Teil, Rn. 81.
110
Vgl. z. B. BGH, BauR 1994, 236; BGH, BauR 1997, 466.
111
K/M/Kapellmann, § 2 VOB/B Rn. 111.
112
BGH, BauR 1994, 236.
BGH, BauR 1993, 595, 596 f.; BauR 1994, 236 (Wasserhaltung II); BauR 2002, 935
113
(Konsoltraggerüst).
114
BGH, BauR 1994, 236 (Wasserhaltung II).
22 Zivilrechtliche Grundlagen745
(Auslegungshilfe).115 Dass dieser dann auch bei privaten AG als Auslegungshilfe heran-
gezogen werden darf, wird oftmals vertreten, erscheint aber nicht gesichert.116 Hier sei
auch Rechtsprechung erwähnt, die eine Art Unklarheitenregelung bei Auslegung heran-
zieht. Nicht durch Auslegung zu behebende Unklarheiten sollen danach zulasten desjeni-
gen gehen, der die Leistungsbeschreibung vorgibt bzw. erstellt hat. Auch diese These ist
nicht gesichert.
Früher stand außer Frage, dass bei einer Auslegung des Bausolls auch die sogenannten
ATV (Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen) der VOB/C ein wichtiger Anhalts-
punkt sind oder sogar maßgeblich sind bei der Bestimmung von Nebenleistungen, die von
den Einheitspreisen mit abgegolten sind, und Besonderen Leistungen, die bei fehlender
positionsweiser Aufführung nicht ohne Weiteres von Einheitspreisen abgegolten sind. Für
den Fall, dass der Vertrag bereits geschlossen ist und die VOB/B einbezogen wurde, gelten
die jeweiligen ATV über § 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/B ohnehin.
Bei einer Auftragvergabe durch öffentliche Auftraggeber ist § 7 Abs. 1 Nr. 7 VOB/A
von Bedeutung. Leistungen, für die nach Abschn. 0 der jeweiligen DIN eine gesonderte
Position vorzusehen ist bzw. die nach Abschn. 4 eine besondere Leistung darstellen, gelten
als Leistungen, die bei nachträglicher Anordnung gesondert zu vergüten sind. Dass ein
Bieter bei einem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich davon ausgehen darf, dass die
ATV Bedeutung haben und angewandt werden, ergibt sich unter anderem aus § 7 Abs. 1
Nr. 7 VOB/A (Umkehrschluss).117
Der BGH118 meinte in einer Einzelfallentscheidung, dass die ATV bei der Auslegung
des vereinbarten Leistungsumfangs und der hierfür geschuldeten Vergütung keine ent-
scheidende Bedeutung hätten. Entscheidend sei, welcher Leistungsumfang aufgrund der
konkreten Umstände vereinbart ist bei der Auslegung der vertraglichen Willenserklä-
rungen. Immer seien die §§ 133, 157 BGB das Maß der Dinge und nicht die ATV, die
ihrerseits auch wieder nur Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellten. Der BGH hat
jedoch inzwischen auch wieder klargestellt, dass die ATV der VOB/C bei der Auslegung
zu beachten sind.119
Es gibt gleichwohl keine zwingende Grundregel, dass Besondere Leistungen des
Abschn. 16.4.2 der DIN 18 336 (Abdichtungsarbeiten), die in einem Leistungsverzeichnis
115
K/M/Kapellmann, § 2 VOB/B Rn. 122.
116
K/M/Kapellmann, § 2 VOB/B Rn. 122.
117
K/M/Kapellmann, § 2 VOB/B Rn. 86.
118
BGH, BauR 2002, 935.
BGH, BauR 2006, 2040 ff.; ebenso jüngst BGH, Beschluss vom 10.4.2014 – VII ZR 144/12,
119
nicht aufgeführt sind, aber von Anfang an erforderlich waren, immer zu einem Vergü-
tungsanspruch nach § 2 Nr. 6 VOB/B führen müssen. Denn wenn die Leistungsbeschrei-
bung eindeutig (das ist aber oftmals zweifelhaft) Besondere Leistungen beinhaltet und nur
eine besondere Position nicht vorhält, dann hilft ein etwaiger Verstoß gegen die Ausschrei-
bungspflichten nicht weiter.120
Eine weitere Frage ist die, ob bei der Auslegung zum Leistungsinhalt die Erkennbarkeit
erforderlicher Leistungen eine Rolle spielt.
120
BGH, BauR 2014, 1150.
121
BGH, BauR 2008, 1131.
22 Zivilrechtliche Grundlagen747
weitere, sofern diese zur Erreichung des geschuldeten Erfolgs erforderlich sind. Auch bei
Einheitspreisverträgen gibt es Möglichkeiten, konkrete Leistungsbeschreibungen durch
„pauschale“ Elemente zu erweitern. Solche Leistungserweiterungen können individuell
vereinbart sein, sie können aber auch in AGB enthalten sein. Soweit solche Regelungen
hinreichend klar im Rahmen einer Individualvereinbarung formuliert sind, sind rechtli-
che Schranken für Leistungserweiterungen bei Individualvereinbarungen abgesehen von
einem Verstoß gegen die guten Sitten oder gesetzlichen Verboten nicht zu erkennen.122
Auch der BGH ist der Auffassung, dass ein Auftragnehmer nahezu jedes nur erdenkliche
Risiko übernehmen kann. Insbesondere kommt es für die Wirksamkeit einer vertraglichen
Regelung nicht darauf an, ob ein Auftragnehmer vertraglich übernommene Verpflichtun-
gen kalkulieren kann.123
Bei vorformulierten Leistungserweiterungen, die als AGB an den §§ 305 ff. BGB zu
messen sind, wird mit den unterschiedlichsten Argumenten befürwortet, dass vorformu-
lierte Leistungserweiterungen wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein
können. Bei Einheitspreisverträgen werden mitunter in Positionstexten Leistungen „ver-
packt“, die ansonsten in gesonderten Leistungspositionen ausgeschrieben werden.
Beispiel So mag es z. B. bei Abdichtungsarbeiten heißen, dass alle Aussparungen ein-
zukalkulieren sind. Der Auftragnehmer kann weder Plänen noch sonstigen Unterlagen
entnehmen, welche Arbeiten in welchem Umfang anfallen werden.
Ob Regelungen in Positionstexten, die unmittelbar das Verhältnis von Preis und Leis-
tung betreffen, wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1
BGB unterliegen, ist fraglich. Entscheidend ist, ob eine Preis- bzw. Leistungsvereinbarung
vorliegt oder eine Preis- bzw. Leistungsnebenabrede. Im Beispielsfall wäre wohl von Ers-
terem auszugehen. Hier wird man dann im Einzelfall sehr genau zu prüfen haben, ob eine
transparente Regelung im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB i. V. m. § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB vorliegt. Ist die Risikoverlagerung deutlich erkennbar, hilft dem Auftragnehmer auch
das Transparenzgebot nicht weiter.
Im Einzelfall kann das Verbot überraschender Klauseln nach § 305 c Abs. 1 BGB
zugunsten des Auftragnehmers zur Unwirksamkeit der Klausel führen. Für den Fall, dass
solche weitergehenden Leistungen („in nachfolgend beschriebene Wandpositionen sind
sämtliche erforderlichen Anschlüsse an angrenzende Bauteile einzukalkulieren“) in Vor-
bemerkungen zu einem Leistungsverzeichnis formuliert sind, kann das nicht anders zu
beurteilen sein. Auch dann betrifft die Klausel unmittelbar das Verhältnis von Preis und
Leistung. Noch weiter geht es, wenn ausgehend von einer vom Auftraggeber herrühren-
den Leistungsbeschreibung durch Individualvereinbarung oder durch AGB nicht konkret
benannte weitere Leistungen im Vertrag zum Leistungsinhalt „erhoben“ werden. Diese
122
Vgl. K/M/Kapellmann, § 2 VOB/B, Rn. 244.
BGH, BauR 1997, 126; besonders drastisch OLG Düsseldorf, NJW-RR 2003, 1324 = IBR 2003,
123
345.
748 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Problematik wird zumeist bei Pauschalpreisverträgen diskutiert, ist aber auch bei Einheits-
preisverträgen denkbar.
124
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Teil, Rn. 199.
125
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Teil, Rn. 199.
126
OLG Oldenburg, Urteil vom 6.5.2010 – 8 U 190/09; ebenso OLG Koblenz, BauR 2007, 763.
22 Zivilrechtliche Grundlagen749
– bestehend aus einer Vielzahl möglicher die Leistung bestimmender Elemente – diese
Maßnahmen nicht vorsieht, muss der Auftragnehmer auf diese Diskrepanz hinwiesen. Tut
er dies nicht, kommt eine Sachmängelhaftung in Betracht, an der sich der Besteller/Auf-
traggeber unter Umständen wegen unzureichender Vorgaben beteiligen muss. Zusätzlich
kann ein Vorteilsausgleich für Maßnahmen in Betracht kommen, um die das Bauvorhaben
von vorneherein teurer gewesen wäre. Musste der Auftragnehmer keine Bedenken haben,
werden auch sämtliche Maßnahmen zu vergüten sein, die nunmehr zusätzlich erforderlich
sind.
Muss der Auftragnehmer Bedenken gegenüber der Leistungsbeschreibung haben, z. B.
weil er erkennt, dass diese Leistungen nicht genügen und z. B. gegen die anerkannten
Regeln der Technik verstoßen, hilft ihm also eine Bedenkenanzeige. Es ist dann Sache des
Auftraggebers/Bestellers, wie er mit dieser Bedenkenanzeige umgeht. Entscheidet er sich
für weitere (an und für sich ja infolge Auslegung ohnehin geschuldete) Maßnahmen, muss
er die Vergütung in jedem Fall zahlen. Alternativ kann der Auftraggeber/Besteller auch die
Bedenken zum Anlass nehmen, den Vertrag endgültig auf die regelwidrige Ausführung
zu beschränken. Sachmangelansprüche gegen den Unternehmer sind dann trotz Vorliegen
eines Mangels nicht gegeben.
Je allgemeiner und offener eine Leistungsbeschreibung gehalten ist, umso schwieriger
wird die Vertragsauslegung. Es müssen dann alle Umstände des Bauvorhabens berücksich-
tigt werden. Dies gilt auch und insbesondere bei der Altbausanierung. Der BGH hat sehr
weitgehende Pflichten des Unternehmers (also regelmäßig des Bauträgers) dann ange-
nommen, wenn eine grundlegende Sanierung versprochen wurde. Dann sind nahezu alle
Bauteile in einem den aktuellen Regeln der Technik entsprechenden Zustand herzustellen.
Anders sieht dies aus, wenn eine derart grundlegende Sanierung nicht versprochen wird.
Scheidet für die Erbringung der Bauwerksabdichtung gegen drückendes Wasser ein
zusätzlicher Vergütungsanspruch aus jedem erdenklichen Gesichtspunkt aus, kann im
Einzelfall ein Schadensersatzanspruch (§§ 311, § 241 BGB) in Betracht kommen. Ein
Anspruch zugunsten des Auftragnehmers scheidet jedoch immer dann aus, wenn er als
Fachmann ohne Schwierigkeiten die Unstimmigkeiten in der Leistungsbeschreibung
erkannt hat oder hätte erkennen können. Dann fehlt es bereits an dem entsprechenden Ver-
trauen des Unternehmers, mit welchem die Schadensersatzansprüche begründet werden.127
Er muss für diesen Fall Unklarheiten aufklären.
In der Regel wird bei einem Bauvertrag eine ausdrückliche Vergütung vereinbart sein. Nur
für den Fall, dass eine Vergütung nicht vereinbart ist, schließt das Gesetz in § 632 Abs. 2
127
KG, IBR 2003, 1027 – nur online; BGH, BauR 1988, 338, 339; BGH, BauR 1994, 236.
750 V. Hafkesbrink und U. Kühne
BGB diese Regelungslücke und ordnet an, dass der Besteller an den Unternehmer für den
herbeigeführten Erfolg eine übliche Vergütung zu zahlen hat.
Haben jedoch die Parteien eine Vergütung vereinbart, werden die jeweiligen Verträge
nach der Art der marktüblichen Berechnungsfaktoren für die Vergütung unterschieden.
Als hauptsächliche Erscheinungsformen haben sich der Einheitspreisvertrag und der Pau-
schalpreisvertrag durchgesetzt. Denkbar ist auch ein Stundenlohnvertrag (häufiger aber als
Vergütung für einzelne Leistungen) sowie ein Selbstkostenerstattungsvertrag.
22.7.1 Einheitspreisvertrag
Das Wesen des Einheitspreisvertrages Gegenstand der Preisvereinbarung bei einem Ein-
heitspreisvertrag ist nicht (nur) die vom Auftragnehmer zu erbringende Gesamtleistung,
sondern eine Vielzahl von technischen und wirtschaftlich einheitlichen Teilleistungen, in
die die vorgesehene Gesamtleistung gedanklich zerlegt wird. Die Einheitspreise sind Ein-
zelpreise, die von den Vertragsparteien für die jeweilige Teilleistung je Mengeneinheit
festgelegt werden.
Maßgebliches Instrument eines Einheitspreisvertrages ist deshalb die Leistungsbe-
schreibung in der Form eines Leistungsverzeichnisses. In diesem Leistungsverzeichnis
wird die aufgegliederte Leistung beschrieben und für jede einzelne Teilleistung ein Preis,
der sogenannte Einheitspreis, vereinbart. Multipliziert mit den Mengen, den sogenannten
Vordersätzen, ergibt sich dann der für die Teilleistung vertraglich vereinbarte und zu leis-
tende Teilpreis, der Positionspreis. Die Summe der Teilpreise wiederum ergibt dann die
für die Gesamtleistung zu zahlende Vergütung.
Entgegen der in der rechtlichen Literatur vertretenen Auffassung ist der Einheitspreis-
vertrag jedoch nicht immer dann anzunehmen, wenn keine eindeutige Vereinbarung der
Bauvertragsparteien hinsichtlich der Vergütungsart zu ermitteln ist.128 Da der Einheits-
preisvertrag nicht die Regel darstellt, hat der Auftragnehmer, wenn er nach Einheitspreisen
abrechnen will, eine solche Vereinbarung darzulegen und zu beweisen, wenn der Auftrag-
geber eine andere Vergütungsabrede, z. B. die einer Pauschalsumme, konkret behauptet.
Auch hier zeigt sich, dass die genaue und ausführliche Dokumentation der vertragli-
chen Vereinbarungen dringend geboten ist. Im Vertragstext sollte ausdrücklich vereinbart
werden, welche Art des Vertrages geschlossen wird und welches Leistungsverzeichnis und
damit welche Einheitspreise zum Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung gemacht
werden. Bei Abdichtungsarbeiten werden in der Regel Einheitspreise für die entsprechen-
den Quadratmeter der jeweils anzubringenden Abdichtungen vereinbart werden müssen.
In der Leistungsbeschreibung sollte deshalb explizit angegeben werden, welcher Preis
pro Quadratmeter der anzubringenden Abdichtung vertraglich vereinbart werden soll. Die
128
BGH BauR 1981, 388, 389.
22 Zivilrechtliche Grundlagen751
exakte Beschreibung der Leistung – wie oben ausgeführt – ist Grundvoraussetzung für
eine nachvollziehbare und prüfbare Abrechnung.
Sofern vertragliche Einheitspreise existieren und damit die Abrechnung nach dem Ein-
heitspreisvertrag vereinbart wurde, bestimmt sich die zu zahlende Vergütung nach den
tatsächlich ausgeführten Mengen und Leistungen und nicht etwa nach den im Leistungs-
verzeichnis ausgeführten Mengen.129
129
H/R/R/Riedl, § 2 VOB/B Rn. 70 b.
130
Zum Meinungsstand Kniffka/Jansen/von Rintelen, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht,
Stand 12.1.2015, § 631 Rn. 323 f.
131
BGH BauR 2003, 1207, 1208; BGH BauR 2003, 1892, 1897.
752 V. Hafkesbrink und U. Kühne
dem die VOB/B nicht vereinbart worden ist, bei verdeckten Leistungen ein gemeinsames
Aufmaß zu erstellen ist, insbesondere ob der Unternehmer gehalten ist, dem Auftragneh-
mer zu einem gemeinsamen Aufmaß aufzufordern. Nach Auffassung des OLG Köln132 ist
auch bei Geltung der Regelung des BGB der Auftragnehmer verpflichtet, den Auftrag-
geber zur Vornahme eines gemeinsamen Aufmaßes aufzufordern. Im Unterschied zum
VOB-Vertrag ist jedoch im BGB-Vertrag die Prüfbarkeit einer Schlussrechnung nicht
Fälligkeitsvoraussetzung. Gleichwohl müssen natürlich die zutreffenden Mengen auch
hier nachgewiesen werden. Eine Werklohnklage muss nicht zwingend an einem fehlenden
Aufmaß scheitern, wenn feststeht, dass das Aufmaß nicht mehr genommen werden kann
oder dem Unternehmer aus anderen Gründen die Vorlage eines Aufmaßes nicht möglich
oder zumutbar ist.133 Kann der Unternehmer im Prozess die für die Feststellung des Preises
notwendigen Mengen nicht anhand eines Aufmaßes darlegen, können diese auch ander-
weitig ermittelt werden. Der Unternehmer genügt seiner Darlegungslast, wenn er alle ihm
zur Verfügung stehenden Umstände mitteilt, die Rückschlüsse auf den Stand der erbrach-
ten Leistungen ermöglichen. Zulässig sind dann zur Beweiserhebung alle Beweismittel,
insbesondere auch der Augenschein oder ein Fotobeweis. Im Zweifel muss der Richter die
erbrachten Mengen schätzen.134
Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass grundsätzlich der Auftragnehmer
dafür vortrags- und beweisbelastet ist, welche Leistungen er konkret erbracht hat. Ein
gemeinsames Aufmaß kann insbesondere beim BGB-Vertrag eine prozessual wesentlich
bessere Ausgangslage schaffen als sich der „Gefahr“ einer richterlichen Schätzung auszu-
setzen. Insbesondere bei Abdichtungsarbeiten dürfte eine Schätzung durch den Richter mit
hohen Risiken verbunden sein. Vor diesem Hintergrund sollte bei solchen Maßnahmen der
Versuch eines gemeinsamen Aufmaßes unternommen werden. Ist dieses nicht möglich,
sollte unter Zuhilfenahme von Zeugen ein Aufmaß des Auftragnehmers erstellt werden.
132
OLG Köln, NJW 1973, 2111.
133
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Teil, Rn. 221
134
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Teil, Rn. 199; BGH, BauR 2004, 1443.
135
BGH, BauR 1975, 282, 283; BGH, BauR 1990, 605; h. M.
22 Zivilrechtliche Grundlagen753
Belege beizufügen.136 Erforderlich und ausreichend ist es, dass der AG ohne Schwierig-
keiten eine genaue Differenzierung zwischen den einzelnen Leistungselementen vorneh-
men kann.137 Die Prüfbarkeit ist jedoch auch abhängig vom Auftraggeber. Ist der Auf-
traggeber selbst Bauunternehmer oder bedient er sich zur Abwicklung des Bauvorhabens
eines Architekten, so ist die Rechnung dann prüfbar, wenn sie von einem Fachmann nach-
vollzogen werden kann. Ist der Auftraggeber dagegen keine fachkundige Person, so hat
der Bauunternehmer die Abrechnung genauer zu erläutern. Dies bedeutet aber nicht, dass
der Bauunternehmer gehalten ist, dem Auftraggeber zunächst die grundlegenden Regeln
der Abrechnung eines Bauvorhabens erklären zu müssen.138
Der Auftraggeber hat die Schlussrechnung sogleich daraufhin durchzusehen, ob sie
prüfbar aufgestellt ist. Er kann nicht den in § 16 Abs. 3 Abs. 1 VOB/B genannten zweimo-
natigen Prüfungszeitraum verstreichen lassen und dann die Rechnung mit dem Hinweis
zurückschicken, sie sei nicht prüffähig. Es besteht vielmehr die Pflicht, die Rechnung
unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, zu prüfen und bei fehlender Prüfbarkeit
dieses dem Auftragnehmer mitzuteilen.139
Der BGH hat sich grundlegend zu Fragen der Prüffähigkeit und der hiermit verbun-
denen Frage der Fälligkeit und der Verjährung befasst.140 Nunmehr gilt allgemein, dass
es am Auftraggeber ist, Bedenken gegen die Prüfbarkeit zu äußern, wofür ihm früher ein
Zeitraum von zwei Monaten zur Verfügung stand.141 Tut er dies nicht, ist ihm die Berufung
auf fehlende Prüfbarkeit wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ver-
wehrt. Das ist jetzt in der VOB/B so auch ausdrücklich geregelt, § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 3
VOB/B, wobei nunmehr grundsätzlich nur von einer Prüffrist von 30 Tagen nach Zugang
der Schlussrechnung auszugehen ist, § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 VOB/B. Der Auftraggeber
kann sich dabei nicht auf einen allgemeinen Hinweis auf fehlende Prüffähigkeit zurück-
ziehen, sondern die Rüge muss den Auftragnehmer konkret in die Lage versetzen, die
erforderlichen Angaben nachzuholen.142 Fehlt es an Einwendungen, wird die Forderung,
über die nicht prüfbar abgerechnet wurde, binnen 30 Tagen nach Zugang der Rechnung
fällig. Die Forderung kann auch vor Ablauf der Rügefrist fällig werden, wenn für den AN
erkennbar wird, dass sich der AG nicht auf fehlende Prüfbarkeit wird berufen können.
Dies kann der Fall sein, wenn der AG das Prüfungsergebnis vor Ablauf der Prüffrist mit-
teilt, ohne sich auf fehlende Prüfbarkeit zu berufen.143
136
OLG Brandenburg, Urteil vom 16.2.2005 – 4 U 12/02, IBR 2005, 1218.
137
OLG Düsseldorf, BauR 2001, 1137, 1139.
138
OLG München, BauR 1993, 346.
139
Ing/Ko/Locher, § 14 Abs. 1 VOB/B, Rn 9.
140
BGH, BauR 2004, 816 für Architektenvertrag; BauR 2004, 1937 für VOB-Werkvertrag.
141
BGH, BauR 2004, 816.
142
BGH, BauR 2004, 816.
143
BGH, BauR 2004, 816.
754 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Bei nur teilweiser Prüfbarkeit kann sich teilweise Fälligkeit ergeben, es sei denn, der
prüfbare Teil wäre durch Abschlagszahlungen aufgezehrt.144 Ist die Schlussrechnung nur
teilweise nicht prüfbar, hat der Auftraggeber entsprechend § 16 Abs. 3 Nr. 1 S. 5 VOB/B
das unbestrittene Guthaben als Abschlagszahlung sofort auszuzahlen; ein Unterschied zur
BGH-Rechtsprechung ergibt sich dann nicht. Die Verjährung des Vergütungsanspruchs
beginnt jedoch erst nach vollständig prüfbarer Abrechnung, weil die Frage der Verjährung
nur einheitlich bestimmt werden kann.145
Streng von der Prüfbarkeit zu unterscheiden ist, ob die in der Schlussrechnung auf-
geführten Leistungen tatsächlich erbracht worden sind, die Schlussrechnung also auch
richtig ist. Allein aus der Prüfbarkeit ergibt sich nicht, dass die Leistungen richtig abge-
rechnet sind. Dies ist in einem zweiten Schritt zu prüfen.
BGB-Vertrag Ist die Geltung der VOB/B vertraglich nicht vereinbart, ist die Prüfbarkeit
der Schlussrechnung nicht Fälligkeitsvoraussetzung. Die Vergütung wird gem. § 641 BGB
mit Abnahme der Leistung fällig. Anders sieht das bei Abschlagszahlungen aus. Nach
§ 632a Abs. 1 Satz 3 BGB sind Leistungen durch eine Aufstellung nachzuweisen, die eine
rasche und sichere Beurteilung der Leistungen ermöglichen muss.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch anerkannt, dass jedenfalls
dann, wenn in einem BGB-Vertrag Abschlagszahlungen vereinbart werden, der Unter-
nehmer seine Leistungen abrechnen muss. Bei Vereinbarung von Voraus- oder Abschlags-
zahlungen hat der Besteller nämlich ein berechtigtes Interesse daran, dass der Unterneh-
mer die ihm ab Abnahme zustehende endgültige Vergütung unter Berücksichtigung der
geleisteten Voraus- oder Abschlagszahlungen in einer endgültigen Rechnung abrechnet.
Die Verpflichtung des Unternehmers, dem Besteller die genannten Rechnungen zu ertei-
len, folgt aus dem vorläufigen Charakter der Voraus- oder Abschlagszahlungen.146 Dies
bedeutet jedoch nicht, dass die Erteilung einer solchen Schlussrechnung Fälligkeitsvor-
aussetzung des Vergütungsanspruchs im BGB-Vertrag ist und damit z. B. erst die Verjäh-
rung auslösen würde.147
Wichtig ist die Erkenntnis, dass auch beim BGB-Vertrag der Auftragnehmer vortrags-
und beweisbelastet für seinen Anspruch im Streitfall ist. Eine nachvollziehbare, unter
Beifügung eines Aufmaßes erstellte Rechnung erleichtert deshalb die Durchsetzung der
Vergütungsansprüche. Insbesondere bei Abdichtungsarbeiten, deren Umfang in der Regel
im gerichtlichen Verfahren nur mittels eines neuen Aufmaßes mit einer kompletten Frei-
legung der Abdichtungsmaßnahmen ermittelbar ist, muss größte Sorgfalt auf die Nach-
vollziehbarkeit der Abrechnung gelegt werden. Je detaillierter der Auftragnehmer seinen
144
BGH, BauR 2004, 816.
145
BGH, BauR 2004, 816.
146
BGH, NJW 2002, 1567; BGH, BauR 1999, 635.
147
Andere Auffassung Kleine-Möller/Merl/Oelmaier, § 10 Rn. 64.
22 Zivilrechtliche Grundlagen755
Leistungsumfang beschreiben kann, umso größer ist der Aufwand des Bestellers, Gegen-
argumente gegen die Vergütung des Auftragnehmers darzulegen.
22.7.2 Pauschalpreisvertrag
Der auf den ersten Blick hinsichtlich der Vergütung und Abrechnung einfach erscheinende
Pauschalpreisvertrag führt in der Praxis immer wieder zu Unsicherheiten und Fehlvor-
stellungen hinsichtlich des Umfangs der Vergütung. Wie bereits oben ausgeführt, wird in
einem Pauschalpreisvertrag für einen bestimmten Leistungsumfang eine bestimmte Ver-
gütungssumme vereinbart. Daraus folgt, dass bei einer genauer bestimmten Leistung ein
bestimmter Vertragspreis als Vergütung geschuldet ist. Bei der Abrechnung entfällt somit
die Notwendigkeit des Aufmaßes.
Gewarnt werden muss jedoch vor der Auffassung: „pauschal ist pauschal“. Mit diesem
Argument soll in der Praxis der Auftragnehmer in der Regel um Vergütungsansprüche
hinsichtlich der zusätzlichen Leistungen, also Leistungen, die über die dem Pauschal-
preis zu Grunde liegende Leistungsbeschreibung hinausgehen, gebracht werden. Es lohnt
sich, auch bei einem Pauschalpreisvertrag die rechtlichen Hintergründe zu kennen. Der
Pauschalpreisvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass für eine – mitunter allgemeiner –
umschriebene und durch den vereinbarten Leistungserfolg definierte zusammengefasste
Gesamtleistung im Voraus ein bezifferter Geldbetrag als Vergütung festgelegt wird.
Die Pauschalierung der Leistung bedeutet rechtlich und wirtschaftlich, dass die Höhe
der vereinbarten Vergütung bei unveränderter Leistung grundsätzlich unabhängig ist von
den tatsächlich erbrachten Mengen. Da sowohl die Leistung als auch die Vergütung im
Vorhinein festgelegt sind, bedarf es einer detaillierten Abrechnung mittels eines Aufmaßes
nicht mehr.
Nach Abschluss und Abnahme der Arbeiten rechnet der Auftragnehmer wie folgt ab:
Einbringung einer Horizontalsperre pauschal 10.000,00 €
Zzgl. MwSt. 19 % 1.900,00 €
Summe: 11.900,00 €
Einer größeren Detailliertheit bedarf es für die Abrechnung nicht. Das gilt aber nur, wenn
die Leistung gleich bleibt, also weder geändert wurde noch mit Zusatzleistungen ergänzt
wird. Wann und in welchem Umfang eine zusätzliche Vergütung oder Mehrvergütung ver-
langt werden kann, wird ausführlich in einem speziellen Kapitel behandelt.
756 V. Hafkesbrink und U. Kühne
22.7.3 Stundenlohnvertrag
Beim Stundenlohnvertrag vereinbaren die Vertragsparteien, dass die für die Herbeiführung
des Erfolges notwendigen Arbeitsstunden mit einem Stundenlohn vergütet werden. Hier
ist insbesondere darauf zu achten, dass tatsächlich noch ein Werkvertrag und nicht bereits
ein Dienstvertrag vorliegt.
Bei Abdichtungsarbeiten dürften Stundenlohnverträge eher die Ausnahme sein. Hinzu-
weisen ist jedoch auf die Regelung des § 2 Abs. 10 VOB/B. Die Stundenlohnvergütung
muss als solche vereinbart sein. Kommt vor der Ausführung der Arbeiten keine Vereinba-
rung über den Stundenlohn zustande und lässt sich eine solche Vereinbarung nach Durch-
führung der Arbeiten nicht mehr nachträglich herbeiführen, besteht im VOB/B-Vertrag
kein Anspruch des Auftragnehmers auf Abrechnung nach den geleisteten Stunden. Der
Auftraggeber schuldet dann unter Umständen eine sich aus § 2 Abs. 5 bzw. § 2 Abs. 6
VOB/B ergebende Vergütung.
Ist eine Stundenlohnvereinbarung getroffen worden, regelt § 15 VOB/B das Procedere
der Abrechnung. Über den geleisteten Aufwand inklusive der verbrauchten Materialien ist
werktäglich oder wöchentlich mittels Stundenlohnzetteln abzurechnen. Der Auftraggeber
hat die Stundenlohnzettel unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von sechs Werktagen
nach Zugang an den Auftragnehmer zurückzureichen und in dieser Frist Einwendungen
gegen die Abrechnung zu erheben. Lässt der Auftraggeber die Frist verstreichen, gelten
die Stundenlohnzettel und die darauf ausgewiesenen Leistungen als von ihm anerkannt.
22.7.4 Selbstkostenerstattungsvertrag
22.8.1 Abschlagszahlungen
22.8.1.1 Allgemeines
Im Bauwesen ist – wegen der vom Unternehmer bzw. Auftragnehmer zu erbringenden Vor-
leistungen – die Leistung von Abschlagszahlungen eine zweckbedingte Notwendigkeit.
Deshalb regelt im VOB/B-Vertrag § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B zwingend, dass Abschlagszah-
lungen auf Antrag des Auftragnehmers in Höhe des Wertes der jeweils nachgewiesenen
22 Zivilrechtliche Grundlagen757
• mit der Kündigung des Vertrags.151 Der Auftragnehmer ist dann gehalten, seine Leis-
tungen abschließend abzurechnen. Allerdings muss auch eine Abnahme erfolgt sein.152
• wenn die Schlussrechnung entweder bereits übersandt ist153 oder die Voraussetzungen für
die Erstellung einer Schlussrechnung wegen Fertigstellung des Bauwerks gegeben sind.154
148
BGH, NJW 1986, 1683.
149
BGH, Urteil vom 9.12.2010 – VII ZR 7/10, IBR 2011, 138.
150
Ausführlich Leinemann/Leinemann § 16 Rn. 18.
151
F/K/Z/G/Zanner, § 16 VOB/B, Rn. 45.
152
BGH, BauR 2006, 1294.
153
BGH, NJW 1985, 1840.
OLG Nürnberg, NZBau 2000, 509; OLG Celle, OLGZ 75, 320; OLG Zweibrücken, BauR 1980,
154
Die bloße Übersendung einer Schlussrechnung wird aber auch bei einer Kündigung den
Übergang auf Abschlagszahlung dann nicht ausschließen, wenn die Leistung des Auftrag-
nehmers nicht abnahmereif ist.155
In den genannten Fällen hat der Übergang zur Schlussrechnung zur Folge, dass sowohl
der Verzug als auch die Verzinsung der Forderung in Höhe der berechtigten Abschlags-
rechnung endet.156
Offen ist also wohl nur der Fall, dass zwar eine Abnahme nicht zu bejahen ist, wohl aber
die Abnahmereife. Hier ist aber wohl davon auszugehen, dass das Ende der Vorleistung in
dem einen wie in dem anderen Fall zu bejahen ist und im Übrigen der Schritt von Abnah-
mereife zur Abnahme nicht sehr groß ist, vgl. § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB.
Der BGH hat bislang ausdrücklich offengelassen, ob der Auftragnehmer die Auszah-
lung eines unbestrittenen Guthabens (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 S. 5 VOB/B) verlangen kann. Diese
Regelung bezieht sich jedoch wohl auf die Verpflichtung zur Zahlung des unbestrittenen
Guthabens bei Verzögerungen über den Prüfungszeitraum hinaus.
Wenn ein Auftraggeber nach Erteilung der Schlussrechnung die Abschlagsrechnung
anerkannt hat, soll nach teilweise vertretener Auffassung auch die Abschlagsrechnung
noch gesondert geltend gemacht werden können.157
Auch wenn eine Klage auf Abschlagszahlung bereits anhängig ist, bevor die Voraus-
setzungen zur Schlussrechnungsreife vorliegen, soll nach vereinzelter Rechtsprechung die
weitere gerichtliche Geltendmachung möglich sein, wenn ansonsten unvertretbare pro-
zessuale Ergebnisse die Folge wären.158 Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen, wenn
mit dem BGH159 davon auszugehen ist, dass eine Abschlagsforderung untergeht und der
Verzug endet. Ein Bedürfnis für eine gleichwohl mögliche Klage ist nicht denkbar. Ein
Anspruch auf Abschlagszahlung kann allerdings weiter geltend gemacht werden, wenn
die Abnahmefähigkeit wegen wesentlicher Mängel zu Recht verweigert wird. Es erfolgt
dann bei Bestehen von Mängeln und einem hieraus resultierenden Leistungsverweige-
rungsrecht je nach den von den Parteien vorgetragenen Kosten zur Mängelbeseitigung
eine Verurteilung Zug um Zug.160
155
BGH, BauR 2000, 1482.
156
BGH, BauR 2004, 1146.
157
OLG Köln, NJW-RR 1992, 1438 für das Architektenhonorar.
OLG Hamburg, Urteil vom 30.12.2003 – 11 U 152/03, IBR 2004, 192; ähnlich OLG Bamberg,
158
Nachweis der vertragsgemäßen Leistungen Der Auftragnehmer ist gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1
Satz 1 VOB/B verpflichtet, die Leistungen, für die er eine Abschlagszahlung verlangt,
nachzuweisen. Voraussetzung ist deshalb, dass die Abschlagsrechnung vom Auftragneh-
mer so aufgestellt wird, dass sie für den Auftraggeber prüfbar ist. Die Aufstellung und die
Prüfbarkeit müssen so sein, dass sie eine rasche und sichere Beurteilung der Leistungen
ermöglichen. Bei einem Pauschalpreis (für den Abbruch von mehreren Gebäuden ohne
Einzelpreise und ohne Mengenangaben) soll es nach vertretener Auffassung zur Prüf-
barkeit genügen, dass der Umfang der erbrachten Leistung mit einem Prozentsatz der
geschuldeten Gesamtleistung bezeichnet wird, da der Auftraggeber jederzeit und ohne
große Mühe in der Lage sei, durch Augenschein auf dem Grundstück (gegebenenfalls
mit Unterstützung eines Fachmanns) festzustellen, ob die geschuldete Leistung zu einem
161
BGH, BauR 2003, 1561.
162
F/K/Z/G/Zanner, § 16 VOB/B, Rn. 39.
760 V. Hafkesbrink und U. Kühne
bestimmten Prozentsatz erbracht ist oder nicht. Auf diese Auffassung163 sollte man sich
nicht verlassen. Vielmehr wird es sich für Auftragnehmer empfehlen, weitere Angaben zur
Prüfbarkeit von Rechnungen zu machen. Auch wenn man als Auftragnehmer einen Pau-
schalvertrag letztlich abschließt, um sich das Aufmaß zu ersparen, sollte dieses fortlaufend
erstellt werden. Wenn nämlich ein solches Vertragsverhältnis gekündigt wird, was in der
Praxis durchaus vorkommt, ist das Aufmaß zwingend zu erstellen.
§ 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B sieht nicht zwingend vor, dass der Auftragnehmer in der
Abschlagsrechnung jeweils die gesamten erbrachten Leistungen kumulativ aufführt. Es
genügt deshalb nach der VOB/B, wenn der Auftragnehmer in den jeweiligen Abschlags-
rechnungen die neu von ihm seit der letzten Abschlagsrechnung ausgeführten Leistungen
aufnimmt. Die erstgenannte Methode hat sich jedoch in der Praxis eingebürgert und wird
von vielen Auftraggebern vorgeschrieben.
Abschlagszahlungen für Stoffe und Bauteile § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 VOB/B bestimmt,
dass als Leistungen i. S. v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 auch die für die geforderte Leistung
eigens angefertigten und bereitgestellten Bauteile sowie die auf der Baustelle angeliefer-
ten Stoffe und Bauteile gelten. Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 632a Abs. 1
Satz 5 BGB.
Voraussetzung ist in jedem Fall, dass dem Auftraggeber nach seiner Wahl an den Stoffen
oder Bauteilen das Eigentum übertragen ist oder eine entsprechende Sicherheit gegeben
wird. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Bauteile, für die die Abschlagszahlung bean-
tragt wird, eigens für die vertragliche Leistung angefertigt und bereitgestellt wurden.164
Bei diesen eigens angefertigten und bereitgestellten Bauteilen ist es nicht erforderlich,
dass diese auch bereits auf der Baustelle angeliefert worden sind. Es genügt deshalb, dass
diese Bauteile beispielsweise bis zu ihrer Verwendung auf der Baustelle in der Fertig-
teilfabrik des Auftragnehmers oder seines Subunternehmers oder sonstigen Beauftrag-
ten lagern. Eine Konkretisierung in Bezug auf das bestimmte Bauvorhaben ist in jedem
Falle erforderlich. Dies bedingt zwangsläufig, dass gerade bei Serienprodukten, für die
eine Abschlagszahlung verlangt wird, auch äußerlich sichtbar sein muss, dass diese nicht
mehr zu der allgemeinen Vorratshaltung des Auftragnehmers gehören. Dies geschieht
am zweckmäßigsten dadurch, dass der Auftragnehmer die Teile für die vertragsgemäße
Leistung aus der Vorratshaltung räumlich aussondert und sie durch Markierungen und
Angaben (nämlich für welches Bauvorhaben sie bestimmt sind) entsprechend kennzeich-
net. Die Anlieferung von Stoffen oder Bauteilen auf der Baustelle selbst bedeutet noch
nicht, dass der Auftraggeber auch das Eigentum hieran erwirbt, sodass eine weitere Hand-
lung erforderlich ist.
Sofern allerdings der Auftraggeber vereinbarungsgemäß auf die Gegenstände, die
auf der Baustelle angeliefert und zum Einbau bestimmt sind, nach Prüfung auf der Bau-
stelle an den Auftragnehmer Abschlagszahlungen von 90 % leistet, so kann hierin eine
163
OLG München, 9 U 3511/94.
164
BGH, NJW 1986, 1682.
22 Zivilrechtliche Grundlagen761
Übereignung an den Auftraggeber durch schlüssige Erklärung der Parteien liegen, und
zwar auch dann, wenn die Schlussabnahme vereinbarungsgemäß erst später stattfindet.
Der Auftragnehmer hat gegen den Auftraggeber einen Anspruch darauf, dass dieser die
Wahl (Eigentumsübertragung oder Sicherheitsleistung) trifft.
Wenn für auf der Baustelle angelieferte Stoffe oder Bauteile Abschlagszahlungen ver-
langt werden, ist erforderlich, dass der Auftragnehmer diese Stoffe und Bauteile besonders
in dem Antrag auf Leistung einer Abschlagszahlung bezeichnet, damit der Auftraggeber in
der Lage ist, seinerseits zu überprüfen, für welche Stoffe oder Bauteile er Abschlagszah-
lungen leisten soll. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Höhe, sondern auch hinsichtlich des
Umfanges der auf der Baustelle angelieferten Stoffe oder Bauteile. Der Eigentumserwerb
des Auftraggebers richtet sich nach den §§ 929 ff. BGB.
165
Leinemann/Leinemann, § 16 Rn. 30.
762 V. Hafkesbrink und U. Kühne
166
Leinemann/Leinemann, § 16 Rn. 55.
167
BGH, NJW 1986, 1684.
22 Zivilrechtliche Grundlagen763
Auftragnehmers sind und nicht als Abnahme von Teilen der Leistung gelten. Deshalb
gelten vom Auftraggeber geleistete Abschlagszahlungen auch nicht als Anerkenntnis
des Auftraggebers hinsichtlich des mit der Abschlagsrechnung geforderten Vergütungs-
anspruches. Vom Auftraggeber bezahlte Abschlagsrechnungen beinhalten grundsätzlich
keine Vermutung für die Berechtigung der darauf geleisteten Abschlagszahlung. Dies gilt
insbesondere bezüglich der in Abschlagsrechnungen gemachten Mengenangaben.
Abschlagsrechnungen gewinnen an Bedeutung, wenn sie bei Fälligkeit vom Auftrag-
geber nicht bezahlt sind und auch die vom Auftragnehmer gesetzte angemessene Nachfrist
zur Bezahlung gem. § 16 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 VOB/B erfolglos geblieben ist. In diesen
Fällen ist der Auftragnehmer berechtigt, seine Arbeiten bis zur Zahlung einzustel-
len (§ 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B). Außerdem kann der AN nach der Bestimmung des § 9
Abs. 1 Nr. 2 b VOB/B den Vertrag kündigen. Bei diesen Maßnahmen ist größte Vor-
sicht geboten, denn das Vorhandensein von Mängeln führt auch ohne Geltendmachung
zu einem Leistungsverweigerungsrecht. Bei einer nach diesen Vorschriften erfolgten Ein-
stellung der Arbeiten oder der Kündigung des Vertrages können sich erhebliche Schäden
und entsprechende Ansprüche des Auftraggebers oder des Auftragnehmers ergeben. Aus
der Rechtspflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit der Partner eines Bauvertra-
ges heraus, müssen die Parteien zwar den Kontakt miteinander suchen, um Meinungs-
verschiedenheiten aus dem Weg zu räumen. Man wird aber gleichwohl nicht verlangen
können, dass ein Auftraggeber unverzüglich die Mängel benennen muss, auf die er einen
Einbehalt stützen will. Dies ist mit der Rechtsprechung des BGH168 kaum zu vereinbaren.
Der Auftragnehmer seinerseits muss andererseits auf einen spezifizierten Mängelvortrag
eingehen, auch zur Höhe der Mängelbeseitigungskosten Stellung nehmen. Für ein anders
zu bestimmendes Leistungsverweigerungsrecht trägt der Auftragnehmer nämlich die Dar-
legungs- und Beweislast.
168
BGH, BauR 2003, 1561; vgl. nur BGH, BauR 2005, 1152.
764 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Durch die Nennung des Wertzuwachses könnte ein Unterschied zur Regelung in § 16
Abs. 1 VOB/B bestehen. Gemeint ist jedoch hier wie da nicht ein objektiv ermittelter Wert,
sondern die (anteilige) vertraglich vereinbarte Gegenleistung.169
Der Gesetzgeber hat in § 632a Abs. 1 S. 2 und 3 BGB geregelt, dass wegen unwe-
sentlicher Mängel die Abschlagszahlung nicht verweigert werden darf, sondern nur ein
zweifacher Mängeleinbehalt gemäß § 641 Abs. 3 BGB zulässig ist. Der Gesetzgeber hat
insoweit für Abschlagsforderungen die gleichen Voraussetzungen wie für die Abnahme
aufgestellt.170 Bei Mängeln, die den Grad der Unwesentlichkeit überschreiten, besteht der
Anspruch auf Abschlagszahlung nicht, weil dies der Wertung des § 640 Abs. 1 S. 2 BGB
widersprechen würde.171
Wegen Abschlagszahlungen für Stoffe und Bauteile kann auf die Ausführungen zur
Regelung in der VOB/B verwiesen werden.
Der Anspruch des Auftragnehmers auf die Schlusszahlung wird alsbald nach Prüfung und
Feststellung der vom Auftragnehmer vorgelegten Schlussrechnung fällig, spätestens innerhalb
von 30 Tagen nach Zugang. Die Prüfbarkeitsvoraussetzungen haben wir bereits behandelt.
Der Schlusszahlung des Auftraggebers im Sinne der VOB/B kommt besondere Bedeu-
tung zu, da mit ihr unter bestimmten Voraussetzungen weitere Forderungen vonseiten des
Auftragnehmers ausgeschlossen werden können. Die vorbehaltlose Annahme der Schluss-
zahlung schließt nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B Nachforderungen aus, wenn der Auftrag-
nehmer über die Schlusszahlung schriftlich unterrichtet und auf die Ausschlusswirkung
hingewiesen wurde.
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Schlusszahlung vorliegt, kommt es nicht darauf
an, ob sie ausdrücklich als solche bezeichnet wird.172 Für den Auftragnehmer muss nur
eindeutig und zweifelsfrei zu erkennen sein, dass mit dieser Zahlung des Auftraggebers
die letzte Zahlung zur Abrechnung des Bauvorhabens getätigt wurde. Hierzu reicht es aus,
dass der Auftraggeber erklärt, mehr wolle er nicht zahlen.
169
Kniffka/von Rintelen, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 12.1.2015, § 632 a Rn. 11.
170
Kniffka/von Rintelen, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 12.1.2015, § 632 a Rn. 14.
Kniffka/von Rintelen, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 12. 1. 2015, § 632 a Rn. 14,
171
Erforderlich ist zunächst eine vom Auftragnehmer oder vom Auftraggeber unter den
Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 VOB/B ordnungsgemäß erstellte Schlussrechnung.
Des Weiteren muss der Auftraggeber auf diese Schlussrechnung eine Schlusszahlung
geleistet oder unter Hinweis auf geleistete Zahlungen weitere Zahlungen endgültig und
schriftlich abgelehnt haben (vgl. § 16 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B). War die Schlussrechnung
nicht prüfbar, so kann der Auftraggeber gleichwohl eine Schlusszahlung mit allen Konse-
quenzen auf die nicht prüfbare Schlussrechnung leisten, da der Auftragnehmer sich nicht
zu seinen Gunsten auf die fehlerhaft aufgestellte Rechnung berufen kann.173
Der Auftraggeber muss den Auftragnehmer nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B schriftlich
darauf hinweisen, dass es sich bei der von ihm geleisteten Zahlung um die Schlusszahlung
handelt und dass der Auftragnehmer mit Nachforderungen ausgeschlossen ist, wenn er
nicht innerhalb von 28 Tagen nach Zugang der Mitteilung einen Vorbehalt erklärt und
diesen innerhalb von weiteren 28 Tagen begründet. Seiner Belehrungspflicht entspricht
der Auftraggeber nicht schon dadurch, dass er einfach auf die Regelung des § 16 Abs. 3
Nr. 2, 5 VOB/B hinweist. Vielmehr wird verlangt, dass die Belehrung in konkreter Form
und grundsätzlich in Verbindung mit der Unterrichtung von der Schlusszahlung zu erfol-
gen hat.174, wobei der Auftraggeber möglichst den Wortlaut der Bestimmung des § 16
Abs. 3 Nr. 5 VOB/B wiederholen soll.175
Dementsprechend kommt bspw. der Formulierung „Als Anlage erhalten Sie einen
Scheck zur Verrechnung und zum Ausgleich aller offenen Forderungen. (…) Mit dem
Einlösen des Schecks erkennt der Auftragnehmer die Abrechnung in vollem Umfang an“
keine Ausschlusswirkung zu.176 Sind die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, wird der
Auftragnehmer mit seinen über die tatsächlich geleistete Schlusszahlung hinausgehenden
Forderungen ausgeschlossen, falls er nicht rechtzeitig einen Vorbehalt erklärt und diesen
fristgerecht begründet. Die Ausschlusswirkung erfasst nach § 16 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B auch
solche Ansprüche, die vom Auftragnehmer bereits früher gestellt aber noch immer unerle-
digt sind. Nicht erfasst werden dagegen Ansprüche die nicht bestritten wurden und die
noch nicht fällig sind, wie z. B. der Anspruch auf Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes.177
22.8.2.2 Vorbehaltserklärung
Der dem Auftraggeber gegenüber nach § 16 Abs. 3 Nr. 5 VOB/B innerhalb von 24 Werk-
tagen nach Zugang der Schlusszahlung und der entsprechenden Belehrung zu erklä-
rende Vorbehalt bedarf keiner besonderen Form und muss auch nicht zwingend das Wort
173
BGH, BauR 1987, 329; OLG Frankfurt, BauR 1988, 615.
174
Nach OLG Dresden BauR 2000, 279 f. sollten die Hinweise sogar in einem Schreiben erfolgen.
175
siehe auch das Formulierungsbeispiel bei Leinemann, VOB/B, § 16, Rn. 183.
176
KG, BauR 2001, 108.
Die Ausschlusswirkung ist für den Auftragnehmer jedenfalls insofern nicht aussichtslos hinzu-
177
nehmen, als es natürlich der Einbeziehung der VOB/B als Ganzes bedarf; hierzu sogleich. Siehe
auch Leinemann/Leinemann, VOB/B, § 16, Rn. 169 ff.
766 V. Hafkesbrink und U. Kühne
„Vorbehalt“ enthalten.178 Erforderlich ist lediglich, dass für den Auftraggeber erkennbar
ist, dass trotz Annahme der Schlusszahlung noch weitere Forderungen aus dem Bauvertrag
geltend gemacht werden.179 Die Vorbehaltserklärung kann gegenüber dem Auftraggeber
oder seinem Bevollmächtigten erfolgen. Der Architekt ist immer dann zur Entgegennahme
des Vorbehalts befugt, wenn er mit der Bauabrechnung befasst ist und mit Wissen und
Wollen des Auftraggebers mit den Auftragnehmern die Auseinandersetzung über deren
Werklohnforderungen führt.180 Aus Beweisgründen sollte der Vorbehalt immer schriftlich
und sowohl gegenüber Architekten als auch gegenüber dem Bauherren erklärt werden.
22.8.2.3 Vorbehaltsbegründung
Für die Begründung des Vorbehalts besteht nach § 16 Abs. 3 Nr. 5 S. 2 VOB/B eine weitere
Frist von 28 Tagen. Wird innerhalb dieser Frist der Vorbehalt nicht eingehend begründet
und auch keine prüfbare Rechnung über die vorbehaltenen Forderungen eingereicht, so
wird der erklärte Vorbehalt wieder hinfällig.
Die Frist zur Vorbehaltsbegründung beginnt gem. § 16 Abs. 3 Nr. 5 Satz 2 VOB/B am
Tag nach Ablauf der in Satz 1 genannten 28 Tage.
Hatte der Auftragnehmer bereits eine prüfbare Schlussrechnung aufgestellt, so muss er
weder seine Schlussrechnung erneut aufstellen noch begründen. Insoweit reicht der von
ihm erklärte Vorbehalt innerhalb der ersten 28-Tage-Frist.181 Für den Regelfall ist somit
davon auszugehen, dass eine eingehende Vorbehaltsbegründung nicht erforderlich ist,
wenn Einheitspreise oder Massen bei der Schlussrechnungsprüfung vom Auftraggeber
gekürzt werden. Dann reicht es aus, den Vorbehalt fristgerecht einzulegen.182 Problema-
tisch wäre der Fall zu behandeln, dass die schlusszahlungsgleiche Erklärung ausschließ-
lich Gegenforderungen des Auftraggebers beinhaltet. Hierüber kann der Auftragnehmer
nicht prüfbar abrechnen, also wird er auch keinen Vorbehalt begründen müssen.
Die Einrede der vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung ist für den Auftragnehmer
meist nicht so gefährlich, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Dies ist darauf
zurückzuführen, dass die Bestimmung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B gegen § 307 BGB
verstößt, wenn die VOB/B nicht „als Ganzes“ vereinbart ist.183 Da aber durch Besondere
Vertragsbedingungen (BVB) oder Zusätzliche Vertragsbedingungen (ZVB) oftmals die
Bestimmungen der VOB abgeändert werden, ist die so modifizierte VOB nicht mehr nach
§ 310 Abs. 1 Satz 3 BGB privilegiert und die einzelnen Bestimmungen können anhand des
178
BGH, BauR 1983, 476.
179
BGH, BauR 1974, 349.
180
BGH, BauR 1977, 356.
181
BGH, BauR 1980, 178.
182
OLG Karlsruhe, BauR 1989, 208.
183
Vgl. nur BGH, BauR 1991, 210.
22 Zivilrechtliche Grundlagen767
§§ 305 ff. BGB überprüft werden. Damit ist in aller Regel auch die Einrede der vorbehalt-
losen Annahme der Schlusszahlung gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B für den Auftraggeber
ausgeschlossen.184
22.8.3 Skonto
Bei der Abrechnung von Bauvorhaben gibt es oftmals Streit um Skonti. Das Skonto ist
definiert als prozentualer Abzug vom Rechnungsbetrag, der bei sofortiger oder kurzfris-
tiger Zahlung gewährt wird.185 Aus § 16 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B ergibt sich, dass Skonto von
einer Rechnungssumme nur dann in Abzug gebracht werden kann, wenn es hierüber eine
ausdrückliche Vereinbarung gibt. Lediglich die Vereinbarung der VOB begründet noch
keinen Anspruch auf Skonti.
22.8.3.1 Skontovereinbarung
Eine Skontovereinbarung muss hinreichend klar formuliert sein. Dazu gehört insbeson-
dere die Festlegung, für welchen Zeitraum für eine Zahlung Skonto gewährt wird.186 Übli-
cherweise ist der Rechnungseingang Maßstab für den Fristbeginn.
Deshalb sollten die Parteien zweckmäßigerweise festlegen, wo die Rechnung einzuge-
hen hat, insbesondere ob der Eingang der Rechnung beim bauleitenden Architekten oder
beim Auftraggeber selbst erforderlich ist. Maßgeblich ist daher der Rechnungseingang bei
derjenigen Stelle, bei der der Auftragnehmer die Rechnung nach dem Vertrag einzureichen
hat. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass das Ende der Frist in gleicher Weise eindeu-
tig zwischen den Parteien festgelegt wird.
Ebenso sollte genau festgelegt werden, welche Zahlungen die Skontoabrede umfasst.
Wird diesbezüglich keine Regelung getroffen, so kann nicht davon ausgegangen werden,
dass Skonto für Vorauszahlungen, Abschlagszahlungen, Teilschlusszahlungen und
Schlusszahlungen gelten soll. Vielmehr ist dann im Zweifel anzunehmen, dass lediglich
auf die Schlusszahlung ein Skontoabzug zulässig ist.187 Ist die Gewährung von Skonti auf
Abschlags- und Schlusszahlung (oder ist allgemein die Rede von Zahlungen) vereinbart,
ist bei der Frage nach der Skontogewährung auf die einzelne Zahlung abzustellen.
Zahlt der Auftraggeber die Schlussrechnung verspätet, so sind die Skonti bei den
zuvor fristgerecht geleisteten Abschlagszahlungen dennoch zu Recht in Abzug gebracht
184
Siehe zur Relativierung der Ausschlusswirkung und den Rechtsfolgen einer mangelnden Verein-
barung der VOB/B als Ganzes im Zusammenhang mit § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B Leinemann, VOB/B,
§ 16, Rn. 169 ff.
185
OLG Düsseldorf, BauR 1992, 783.
186
BGH, BauR 2000, 1754, 1755.
187
OLG Düsseldorf, BauR 1992, 783.
768 V. Hafkesbrink und U. Kühne
188
OLG Köln, NJW-RR 1990, 525.
189
OLG Hamm, NJW-RR 1995, 856.
190
KG, BauR 2005, 764 (Ls.) = IBR 2005, 187.
191
BGH, BauR 1998, 398.
192
OLG Düsseldorf, BauR 2000, 729, 730.
193
OLG Düsseldorf, BauR 2001, 1268, 1269.
OLG Düsseldorf, BauR 1992, 783, 784; OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 1485; vgl. BGH, BauR
194
Unwirksam soll auch eine Klausel sein, die Skonto auf Zahlungen von x Tagen nach
Fälligkeit vorsieht, weil Skontoabzüge üblicherweise nur für Vorfälligkeitszahlungen ver-
einbart werden.195 Diese Frage ist jedoch streitig.
22.9 Nachträge
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Parteien für die zu erbringende Leistung
eine Vergütung vereinbart haben. Problematisch sind die Fälle, in denen die ursprünglich
vereinbarte Leistung sich anders darstellt, also während des Bauablaufs sich Änderungen,
entweder durch den Bauherrn oder durch die Örtlichkeiten, ergeben.
Grundsätzlich ist erst einmal die vertraglich geschuldete Leistung zu ermitteln. Im
Kapitel „Die vereinbarte Leistung“ wurden die Grundsätze der Leistungsbeschreibung
und der Leistungsermittlung eingehend erläutert. Daraus folgt, dass Vergütungsnach-
träge sich im Wesentlichen auf drei verschiedene Tatbestände stützen können, nämlich
auf angeordnete Leistungsänderung, beauftragte zusätzliche Leistungen oder auftragslos
erbrachte geänderte oder zusätzliche Leistungen.
Das Werkvertragsrecht des BGB kennt grundsätzlich die Möglichkeit des Nachtrags,
anders als die Regelung der VOB/B, nicht.
LG Berlin, BauR 1986, 700; Leinemann/Leinemann, § 16 Rn. 191; a. A. OLG Karlsruhe, BauR
195
Vergütung. Auch in diesem Fall gilt, dass, wenn eine Vergütungsvereinbarung nicht getrof-
fen worden ist, die übliche Vergütung des § 632 BGB gilt.
Verzichten die Parteien auf die Vereinbarung der VOB/B, ist beiden Parteien dringend
anzuraten, bei Abweichungen vom Vertrag dies genau zu dokumentieren. Sollen zusätzli-
che oder geänderte Leistungen ausgeführt werden, müssen diese, genau wie der ursprüng-
liche Leistungsumfang, so genau wie möglich beschrieben und ein entsprechender Preis
vereinbart werden.
Die VOB/B enthält in den Regelungen des § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B ausdrücklich die
Möglichkeit des Auftraggebers, auch nach Vertragsschluss auf den Leistungsumfang Ein-
fluss zu nehmen und diesen abzuändern. Mit den Regelungen des § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B
korrespondieren die Regelungen zur zusätzlichen Vergütung in § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B.
Angeordnete Leistungsänderung, § 1 Abs. 3 VOB/B Beim VOB-Vertrag bleibt es dem
Auftraggeber nach § 1 Abs. 3 VOB/B vorbehalten, den Bauentwurf einseitig zu ändern.
Zeitpunkt, Grund und Zweck der Änderung sind grundsätzlich unbeachtlich.198 Vorausset-
zung für den Anspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B ist immer, dass tatsächlich eine Anordnung
vorliegt.
197
BGH, BauR 1991, 1663.
198
Leinemann, Die Bezahlung, Rn. 78.
22 Zivilrechtliche Grundlagen771
Jedoch ist das Änderungsrecht des Auftraggebers nicht uneingeschränkt. Schon der
Wortlaut des § 1 Abs. 3 VOB/B bezieht sich ausdrücklich auf den Bauentwurf. Zum
Bauentwurf gehören alle die Leistungen, die der Auftraggeber inhaltlich nach dem ver-
traglichen Leistungssoll zu fordern berechtigt ist, also insbesondere die wörtliche Leis-
tungsbeschreibung, Pläne oder Muster. Nicht notwendig muss der Bauentwurf mit dem
Leistungssoll identisch sein. Nicht zum Bauentwurf gehören der zeitliche Ablauf, Verein-
barungen zur Abnahme, Gewährleistung oder Sicherheitsleistungen.
Ebenfalls nicht von § 1 Abs. 3 VOB/B abgedeckt ist das Recht, eine völlige Neuerstel-
lung zu fordern, da der Wortlaut dem Auftraggeber nur das Recht der Änderung gibt. Teil-
weise können die Grenzen zwischen Änderung und Neuerstellung fließend sein.
Die Grenze der Anordnungsbefugnis liegt in der Billigkeit und damit dem Willkürver-
bot. Unverhältnismäßig wird insbesondere dann eine Anordnung des Auftraggebers sein,
wenn der Betrieb des Auftragnehmers nicht auf die Erbringung dieser Leistungen ein-
gerichtet ist.
Einer speziellen Form bedarf die Anordnung der Bauentwurfsänderung nicht. Aus
Gründen der späteren Nachvollziehbar- und Beweisbarkeit empfiehlt es sich jedoch, sich
die Anordnungen gegenzeichnen zu lassen und somit zu dokumentieren.
Bei einer rechtmäßigen Anordnung ist der Auftragnehmer verpflichtet, den Leistungs-
erfolg aufgrund des geänderten Bauentwurfs zu erbringen. Ob dem Auftragnehmer für die
geänderte Leistung auch eine zusätzliche Vergütung zusteht, ist keine Frage des § 1 Abs. 3
VOB/B, sondern richtet sich nach § 2 Abs. 5 VOB/B bzw. § 2 Abs. 7 Nr. 2 VOB/B.
Zusätzliche Leistungen, § 1 Abs. 4 VOB/B Nach der Regelung des § 1 Abs. 4 VOB/B
hat der Auftragnehmer auch nicht vereinbarte Leistungen auf Verlangen des Auftragge-
bers auszuführen, wenn diese zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich
werden. Eine Verpflichtung, solche Leistungen auszuführen, besteht nur dann nicht, wenn
der Betrieb des Auftragnehmers zur Erbringung der Leistungen nicht eingerichtet ist. Das
Recht des Auftraggebers ist an zwei Voraussetzungen geknüpft. Der Betrieb des Auf-
tragnehmers muss auf die zusätzlichen Leistungen eingerichtet sein und die Leistungen
müssen erforderlich sein, um den vertraglichen Zweck zu erfüllen. Das Anordnungsrecht
des Auftraggebers entfällt somit, wenn der Auftragnehmer sachlich und fachlich nicht in
der Lage ist, diese Leistung auszuführen. Darüber hinaus muss die zusätzliche Leistung in
technischer Hinsicht für mangelfreie Erbringung der vertraglichen vereinbarten Leistung
erforderlich sein.
In der Praxis werden die einzelnen Anordnungen nur schwer auseinander zu halten sein,
da mit jeder Änderung des Bauentwurfs auch eine zusätzliche Leistung einhergeht.
Leistungsänderungen oder zusätzliche Leistungen ohne Anordnung des Auftraggebers
Nach § 2 Abs. 8 VOB/B sind Leistungen, die der Auftragnehmer ohne Auftrag erbringt
oder eigenmächtig ausführt, nicht zu vergüten, ja auf Verlangen des Auftraggebers zurück-
zubauen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Auftraggeber diese Leistungen nachträglich
anerkennt.
772 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Führt der Auftragnehmer aufgrund § 1 Abs. 3 oder 4 VOB/B geänderte oder zusätzliche
Leistungen aus, stehen ihm unter den Voraussetzungen von § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B sowie
bei einem Pauschalpreisvertrag § 2 Abs. 7 Nr. 2 VOB/B zusätzliche Vergütungsansprüche
zur Seite.
Geänderte Leistungen, § 2 Abs. 5 VOB/B Grundsätzlich korrespondiert § 2 Abs. 5
VOB/B mit dem Anordnungsrecht des Auftraggebers nach § 1 Abs. 3 VOB/B. Nach § 2
Abs. 5 VOB/B ist bei einer Änderung des Bauentwurfs, die die Grundlagen des Preises
für eine vertraglich vorgesehene Leistung ändert, ein neuer Preis unter Berücksichtigung
der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren, die vor Ausführung getroffen werden sollte.
Geänderte Leistungen sind solche Leistungen, die nach dem Bauvertrag eigentlich hätten
erbracht werden müssen, aber nun in abweichender Form zur Ausführung gelangen.
§ 2 Abs. 5 VOB/B stellt nicht auf die Änderungen der Bauleistung, sondern auf die
Änderung der „Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung“ ab,
die durch eine „Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers“
verursacht wird. Es ist daher immer zu ermitteln, ob eine Änderung der preislichen Grund-
lagen vorliegt. Das Abstellen auf die Preisgrundlagen ermöglicht es dem Auftragnehmer
auch, bei Vorliegen einer Änderung des Bauentwurfs nicht nur die bei den konkret betrof-
fenen Positionen entstehenden Mehrkosten zu berechnen, sondern auch eventuelle Folge-
kosten, die sich daraus für andere, von der Änderung betroffene Bauleistungen ergeben,
wie beispielsweise Baustellengemeinkosten, Transportkosten etc.199
Abgrenzung § 2 Abs. 5 zu § 2 Abs. 6 Bisweilen bereitet die Abgrenzung geänderter
Preisgrundlagen nach § 2 Abs. 5 VOB/B zu den zusätzlichen Leistungen nach § 2 Abs. 6
VOB/B Schwierigkeiten. Die Probleme sind bereits zur Abgrenzung von § 1 Abs. 3 und
§ 1 Abs. 4 VOB/B aufgezeigt worden. Weil die Reglung des § 2 Abs. 5 VOB/B mit der
des § 1 Abs. 3 VOB/B korrespondiert, kann bei § 2 Abs. 5 VOB/B nur eine Änderung der
Leistungen in Betracht kommen, die bereits Vertragsgegenstand waren – wenn auch teil-
weise in abgewandelter Form. Nach § 2 Abs. 6 VOB/B sind auf jeden Fall die Leistungen
zu vergüten, die im ursprünglichen Vertrag nicht angelegt waren.
Wird beispielsweise eine ursprünglich zu verputzende Außenwand auf Wunsch des Bau-
herrn mit einer Klinkerverblendung versehen, so liegt darin eine Änderung im Sinne von
§ 2 Abs. 5 VOB/B; ebenso handelt es sich um Änderungseingriffe, wenn die ursprünglich
mit Abdichtungsbahnen zu erbringende Abdichtung nunmehr mit einer Bitumen-Dickbe-
schichtung ausgeführt werden soll.
Zusätzliche Leistungen liegen hingegen vor, wenn beim Wiederverfüllen des Aushubs
gleichzeitig der Mutterboden ausgetauscht werden soll. Ebenso sind Mehrstärken bei-
spielsweise beim Putzauftrag als zusätzliche Leistungen anzusehen.
199
Ing/Ko/Keldungs, § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 6; siehe auch Leinemann/Schoofs, § 2 VOB/B,
Rn. 206 ff.
22 Zivilrechtliche Grundlagen773
Die Abgrenzung zu § 2 Abs. 6 VOB/B und der hier grundsätzlich erforderlichen Anmel-
dung von Mehrkosten vor der Ausführung ist zwischenzeitlich allenfalls noch im Sinne
einer Obliegenheitsverletzung des Auftragnehmers relevant.200 Nach der zitierten Ent-
scheidung des BGH ist die eigentlich notwendige Ankündigung entbehrlich, wenn sie im
konkreten Fall für den Schutz des Auftraggebers entbehrlich und damit ohne Funktion
ist. Trotz dieser Entscheidung sollten die Auftragnehmer zusätzliche Vergütungsansprü-
che grundsätzlich anmelden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Insbesondere wenn
Privatpersonen oder Nicht-Bauunternehmen Auftraggeber sind, besteht die Gefahr, dass
gerade nicht von der Schutzfunktion der Ankündigung abgesehen werden kann.
Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnung Eine geänderte Leistung kann Art
und Umfang des herzustellenden Bauwerkes, Ort und Zeit der Ausführung und auch die
Art und Weise der Leistungserbringung betreffen.201
Voraussetzung eines Vergütungsanspruches nach § 2 Nr. 5 VOB/B ist zwingend, dass
eine Anordnung des Auftraggebers vorliegt. Voraussetzung für eine Anordnung ist stets,
dass der Auftraggeber oder sein Bevollmächtigter, z. B. der Architekt, Kenntnis von den
geänderten Umständen hat.202 Ist dies der Fall, muss die Anordnung weder schriftlich noch
ausdrücklich erklärt werden. Es kommt auch die stillschweigende Anordnung infrage,
z. B. dann, wenn der Auftraggeber eine geänderte Ausführungsplanung übergibt.203
Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nicht jede Übergabe von Plänen automatisch
eine Anordnung im Sinne von § 1 Abs. 3 VOB/B darstellt. Eine Anordnung muss grund-
sätzlich vom Willen des Auftraggebers getragen sein. Ohne eine besondere Vollmacht ist
der Architekt nicht bevollmächtigt, Änderungen des Bauentwurfs gegenüber den Auf-
tragnehmern anzuordnen. Ordnet der Architekt ohne den Willen des Auftraggebers eine
Änderung an, führt dies nicht zu einem Vergütungsanspruch, weil es an dem Merkmal
„Anordnung“ fehlt.
Wer oder was die Änderung veranlasst hat, ist grundsätzlich irrelevant; hat ein Auftrag-
nehmer beispielsweise Bedenken nach § 4 Abs. 3 VOB/B angemeldet und ändert der Auf-
traggeber daraufhin den Bauentwurf, um den Bedenken des Auftragnehmers Rechnung zu
tragen, liegt dennoch eine Änderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B vor.
Ein Vergütungsanspruch besteht dann nach § 2 Abs. 5 VOB/B nicht, wenn der Auf-
tragnehmer eigenmächtig aus seiner Sicht notwendige Änderungen am Bauentwurf vor-
nimmt. In einem solchen Fall ist er darauf angewiesen, dass der Auftraggeber die Leistung
anerkennt.
200
BGH, BauR 1996, 542, 543.
BGH, NJW 1968, 1234, 1235; BGH, NJW-RR 1986, 1149; Kleine-Möller/Merl/Oelmaier, § 10,
201
Rn. 455.
202
OLG Düsseldorf, BauR 1991, 774.
203
Leinemann/Schoofs, § 2, Rn. 181.
774 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Beispiel Die Vertragsparteien vereinbaren eine Abdichtung eines Kellers gegen nichtdrü-
ckendes Wasser. Im Rahmen der begonnenen Ausschachtungsarbeiten wird bekannt, dass
der Lastfall drückendes Wasser vorliegt.
Ändert der Auftragnehmer nunmehr die Art und Weise der Ausführungsart auf eine
Abdichtung gegen drückendes Wasser, erstellt er zwar ein mangelfreies Werk. Eine zusätz-
liche Vergütung für die Mehrkosten kann er vorbehaltlich des Anerkenntnisses des Auf-
traggebers jedoch nicht verlangen. Will der Auftragnehmer sich richtig verhalten, muss er
den Auftraggeber darauf hinweisen (§ 4 Abs. 3 VOB/B), dass ein anderer Lastfall vorliegt.
Der Auftraggeber muss dann entscheiden, wie er weiter verfährt und welche Anordnungen
er trifft. Nötigenfalls muss der Auftragnehmer eine Behinderungsanzeige dem Auftragge-
ber übersenden, wenn dieser keine Entscheidung trifft.
Problematisch ist, ob auch bei Bauzeitverlängerung ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B
bestehen kann. Eine Änderung des Bauentwurfs im Sinne des § 1 Abs. 3 VOB/B liegt nicht
vor, da der Bauablauf, wie oben bereits ausgeführt, nicht zum Bauentwurf zu zählen ist.
Die herrschende Auffassung in der Rechtsprechung beruft sich auf das Tatbestandsmerk-
mal der „anderen Anordnung“ in § 2 Nr. 5 VOB/B, welches grundsätzlich weit auszulegen
sei. Betroffen seien Art und Weise der Bauausführung und die Bauzeit.204 Hier ist vieles
streitig.
204
OLG Düsseldorf, BauR 1996, 115, 116: OLG Frankfurt, BauR 1997, 523
205
Hierzu jüngst OLG Dresden, Urteil vom 15.1.2015 – 9 U 764/14, IBRRS 2015, 0261
22 Zivilrechtliche Grundlagen775
(auch) die Preiskalkulation des Nachunternehmers zugrunde gelegt werden. In der Regel
wird der Auftragnehmer jedoch die Kalkulation des Nachunternehmers nicht kennen.
Es wäre also letztlich vom Auftragnehmer sogar auf ein allgemeines Kostenermittlungs-
system zur Ermittlung der ursprünglichen Kalkulation zurückzugreifen und diese fortzu-
schreiben.206 Es genügt nicht, lediglich die Nachunternehmerangebote vorzulegen.
Zu beachten ist ferner, dass auch Nachlässe, die der ursprünglichen Preisabrede
zugrunde liegen auch den Preis nach § 2 Abs. 5 VOB/B beeinflussen und deshalb bei der
Preisanpassung zu berücksichtigen sind.207 Das sieht auch der BGH jedenfalls dann so,
wenn es im Vertrag heißt, dass ein Nachlass auf alle Einheitspreise zu gewähren sei.208
Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 5 VOB/B muss die Preisanpassung durch eine der
Vertragsparteien verlangt werden. Die Preisanpassung erfolgt nicht automatisch, sondern
kann von einem der Vertragspartner verlangt werden. Kommt eine Einigung nicht zustande
oder beteiligt sich ein Vertragspartner nicht an einer Preisfindung, steht dem anderen Ver-
tragspartner ein klagbarer Anspruch auf die Preisänderung zu.
Können sich die Parteien nicht einigen, entscheidet im Zweifel das Gericht, wobei regel-
mäßig ein Sachverständigengutachten wegen der Preisermittlung eingeholt werden muss.
Ein Ankündigungserfordernis des Anspruchs auf geänderte Vergütung besteht nicht.
Auch muss die Preisanpassung nicht zwingend vor der Ausführung der Leistungen ver-
einbart werden, da nach § 2 Abs. 5 VOB/B dies nur vor Ausführung erfolgen „soll“. Die
Vereinbarung vor Beginn der Arbeiten ist deshalb nicht Anspruchsvoraussetzung.209
206
K/M/Kapellmann, § 2 VOB/B, Rn. 227.
OLG Hamm, BauR 1995, 564, 565; OLG Düsseldorf, BauR 1993, 474, 480; Leinemann/Schoofs,
207
§ 2 Rn. 217; a. A. K/M/Kapellmann, § 2 VOB/B, Rn. 167; Kapellmann, NZBau 2000, 59; Ing/Ko/
Keldungs, § 2 Abs. 5 Rn. 9; G/J/M/Jagenburg, § 2 Nr. 5 VOB/B Rn. 107.
208
BGH, BauR 2003, 1892.
209
BGH, NJW-RR 1991, 534, 535; BGH NJW-RR 1986, 1149
210
BGH, BauR 2004, 1613.
776 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Vergütungsberechnung Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen über die Preis-
ermittlung für die vertraglichen Leistungen und den für die besondere Leistung anfallenden
211
BGH, BB 1961, 989.
212
OLG Düsseldorf, BauR 2005, 438.
22 Zivilrechtliche Grundlagen777
besonderen Kosten. Wie bei § 2 Abs. 5 VOB/B sind die ursprünglichen Kostenfaktoren
fortzuschreiben, sofern sie fortwirken.
Im Übrigen sind dieselben Grundsätze wie bei § 2 Abs. 5 VOB/B anzuwenden.
Leistungsverweigerungsrecht Auch hier wird man daher wiederum auf das Verhalten des
Auftraggebers abstellen müssen, um im Wege einer Abwägung zu einer Beantwortung
der Frage zu gelangen, ob eine Leistungsverweigerung des Auftragnehmers gerechtfertigt
sein kann oder nicht. Vereitelt der Auftraggeber eine mögliche Einigung oder verschließt
sich sämtlichen Versuchen, wird man auch hier zu einem Leistungsverweigerungsrecht
des Auftragnehmers – zweckmäßigerweise nach vorheriger Nachfristsetzung – kommen
müssen.
Keinesfalls besteht ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn der Auftragnehmer die Kal-
kulationsgrundlagen nicht offenlegt bzw. keine Prüfungszeit gewährt.
Zu einer Leistungsverweigerung kann dem Auftragnehmer deshalb nur in Ausnahme-
fällen und nur bei endgültiger Verweigerung der zusätzlichen Vergütung durch den Auf-
traggeber geraten werden.
Unabhängig von einer Anordnung des Auftraggebers hat der Auftragnehmer nach § 2
Abs. 3 VOB/B unter Umständen einen Anspruch auf Anpassung der Einheitspreise, wenn
der vertragliche Mengenansatz um mehr als 10 % überschritten wird. Im BGB gibt es
eine solche Regelung nicht, sodass man sich nur auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage
berufen könnte. Das ist nur ganz selten möglich.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass § 2 Abs. 3 VOB/B nur im Einheitspreisvertrag und
nicht im Pauschalpreisvertrag gilt.
§ 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ist nur in den Fällen anwendbar, in denen die Vordersätze des
Leistungsverzeichnisses falsch sind. Nicht angewandt werden kann § 2 Abs. 3 VOB/B
bei Massenänderungen aufgrund Planveränderungen oder überhaupt bei nachträglicher
Leistungsänderung.
Überschreiten die ausgeführten Mengen den vertraglich vereinbarten Umfang um mehr
als 10 %, so ist für den Teil der Leistung, der über die 10 % hinausgeht, ein neuer Preis zu
vereinbaren.
Beispiel Die Parteien vereinbaren die Durchführung von Abdichtarbeiten. Hierbei gehen
sie davon aus, dass bei Ausschachtarbeiten 100 qm Bodenaushub beseitigt werden müssen.
Es stellt sich heraus, dass zur Durchführung der Arbeiten jedoch 120 qm Bodenaushub
notwendig sind.
Für 10 qm ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Gemeinkosten, die sich im
Ergebnis nicht ändern werden, zu vereinbaren.
778 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Bei Mengenunterschreitungen gilt § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B. Auch hier kann auf Ver-
langen ein neuer Preis zu vereinbaren sein, jedoch nur soweit der Auftragnehmer nicht
durch Erhöhung der Mengen in anderen Positionen einen Ausgleich erhält. Will der Auf-
tragnehmer einen höheren Preis bei Mengenunterschreitungen geltend machen, muss er
wiederum seine Urkalkulation offen legen.213
Ausgangspunkt Der Pauschalpreis kann nach der Maßgabe des § 2 Abs. 7 VOB/B Ände-
rungen erfahren. Als Grundregel kann zunächst einmal festgehalten werden, dass die Pau-
schalierung grundsätzlich nur das Massenrisiko erfasst, d. h. das Risiko, dass die angege-
benen Mengen sich – ohne dass nachträgliche Eingriffe des Auftraggebers vorliegen – als
nicht zutreffend erweisen.
Preisanpassungsmöglichkeiten ergeben sich aus § 2 Abs. 7 VOB/B.
§ 2 Abs. 7 Nr. 2 VOB/B gibt die maßgebende Richtung an, dass nämlich die Regelungen
des § 2 Abs. 4–6 VOB/B unberührt bleiben, d. h., der Auftragnehmer hat uneingeschränkt
Ansprüche bei Teilkündigungen, Änderungen und zusätzlichen Leistungen. Deshalb
bleibt auch kein Raum, eine Erheblichkeitsschwelle für die Annahme einer Preisänderung
zu verlangen. Dieser Rechtsprechung vereinzelter Oberlandesgerichte ist der Bundesge-
richtshof ausdrücklich entgegengetreten.214
213
OLG Schleswig, BauR 1996, 265.
214
BGH, ZfBR 2003, 31 bei Abweichung von 2,48 %; Leinemann/Schoofs, § 2 Rn. 206; a. A. noch
BGH, BauR 1972, 118, 119 zu einer alten Fassung der VOB/B (nämlich ohne § 2 Ziffer 7 Abs.1 Satz
4); a. A. auch der X. Zivilsenat des BGH, BauR 2002, 787, 790.
215
So jedenfalls Kapellmann/Schiffers, Bd. 2, Rn. 311 ff.
22 Zivilrechtliche Grundlagen779
dem wohl zuzustimmen, allerdings ist Vorsicht geboten, weil die Rechtsprechung in der-
artigen Fällen durchaus zurückhaltend ist und eine nachträgliche Anordnung des Auftrag-
gebers jedenfalls nicht vorliegt.
Im Übrigen werden Mengenänderungen in der Regel auf einen Fehler in der Ausschrei-
bung zurückzuführen sein, sodass dann auch wieder an einen entsprechenden Ausgleich
im Rahmen eines Schadenersatzanspruchs zu denken sein könnte.
Vertragsänderungen nach § 2 Abs. 5 VOB/B
Änderung Grundproblem bei solchen Ansprüchen ist im Pauschalpreisvertrag oftmals
die Beurteilung, ob eine Änderung überhaupt vorliegt oder die Leistung nicht bereits vom
Vertrag umfasst ist. Hier wird nun die bereits im Rahmen des Leistungsumfangs erläu-
terte Frage der Detailliertheit der Leistungsbeschreibung relevant. Liegt dem Vertrags-
schluss eine vollständige und detaillierte Leistungsbeschreibung bzw. eine solche, die sich
einen solchen Anschein gibt, zugrunde, sind regelmäßig nur die in den Vertragsunterlagen
genannten Leistungen von der Pauschalvergütung umfasst.
Jede noch so kleine Änderung gibt dem Auftragnehmer das Recht, eine zusätzliche
oder jedenfalls andere Vergütung zu verlangen. Problematisch sind die Fälle, in denen der
geschuldete Leistungsumfang gerade nicht detailliert beschrieben ist. Hier ist es wesent-
lich schwieriger, den Leistungsumfang zu bestimmen.
Festzuhalten bleibt jedoch, dass der gebräuchliche Satz „pauschal ist pauschal“ schlicht
falsch ist. Vielmehr ist bei einem Pauschalpreisvertrag für eine fest umrissene Leistung ein
konkreter Gesamtpreis vereinbart. Ändert sich die umrissene Leistung, ist dies auch bei
der Vergütung zu berücksichtigen.
Berechnung der Mehrvergütung Wenn es sich bei den Leistungen um eine echte Leis-
tungsmehrung gegenüber der ursprünglichen Leistung des Hauptvertrags handelt, ist die
alte Hauptvertragsleistung nach Maßgabe der Pauschale und die Mehrleistung zu Einheits-
preisen nach den Regeln des § 2 Abs. 4–6 VOB/B abzurechnen.216 Der Auftragnehmer ist
nicht verpflichtet, auch die Mehrleistung nach Maßgabe der alten Pauschale zu berechnen.
Wenn in der Eingriff des Auftraggebers in den Vertrag zu Minderleistungen führt, wird
der verbleibende Teil der Leistungen, der noch zur Ausführung gelangt, zu Einheitspreisen
abzurechnen sein. Eine Berechnung erfolgt analog zu den Vorschriften bei gekündigtem
Pauschalpreisvertrag.
216
Leinemann/Leinemann, § 2 Rn. 617 ff.
780 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Soweit einige Stimmen in Literatur und Rechtsprechung (basierend auf einer älteren
Fassung der VOB und des Fehlens der Regelung des § 2 Abs. 7 Nr. 2 VOB/B) für beide
Nachtragsmöglichkeiten das Erfordernis eines erheblichen Eingriffs in die Preisgrundlage
verlangen, ist dies bereits vom Wortlaut der Regelung nicht zutreffend.217 Liegt ein detail-
liertes Leistungsverzeichnis vor, ist der Leistungsumfang eindeutig begrenzt. Jede noch so
geringe Mehrleistung hat der Auftragnehmer jedenfalls nicht umsonst versprochen.
Auch durch sogenannte Vollständigkeitsklauseln („mit der Vergütung sind alle Leistun-
gen abgegolten, die zur kompletten Leistung erforderlich sind“) wird der Auftraggeber
jedenfalls bei einem Detailpauschalvertrag um die Vergütungspflicht nicht herumkom-
men. Derlei Klauseln werden üblicherweise für unwirksam gehalten, § 307 BGB, da der
Auftraggeber mit dem Leistungsverzeichnis seiner Planungspflicht nachkomme und das
Risiko einer falschen Planung nicht im Nachgang abwälzen kann.218
BGH, ZfBR 2003, 31 = BauR 2003, 1892 bei Abweichung von 2,48 %; Leinemann/Schoofs, § 2
217
Rn. 206.
218
OLG Koblenz, BauR 1997, 143.
219
BGH, BauR 1996, 250, 251.
220
BGH, Urteil vom 30.6.2011 – VII ZR 13/10, BauR 2011, 1646.
22 Zivilrechtliche Grundlagen781
Wird jedoch – wie auch immer man Grenzen festlegen mag – die Zumutbarkeitsgrenze
überschritten, stellt sich die Frage, ob bei einer Preisanpassung lediglich die überstei-
genden Prozentsätze zu verändern sind oder die gesamte Position. Der BGH hatte eine
Regelung zu entscheiden, die von ihm so ausgelegt wurde, dass auch eine positionsweise
Abweichung von mehr als 5 % auszugleichen war. Der BGH221 führt hierzu aus:
Bei einer etwaigen Preisbildung wird zu beachten sein, dass die Parteien das Risiko von 5 %
Mehr- und Mindermassen jeweils übernommen haben. Ein neuer Preis darf diese Risikover-
teilung nicht abändern. Mindermassen finden bei der Bildung des neuen Preises deshalb nur
insoweit Berücksichtigung, als sie 5 % der geschätzten Massen überschreiten.
Es ist den Parteien also unbenommen, selbst die Grenzen festzulegen, bei denen eine
Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist. Sieht man hiervon ab, scheint jedoch der BGH
einen Ausgleich nur für die Abweichungen jenseits der Erheblichkeitsschwelle vorneh-
men zu wollen.
Unterschiedlich behandelt wird auch die Frage, ob bereits deutliche Mehraufwen-
dungen bei einer einzelnen Position oder aber – insofern ohne Kompensation – nur eine
Gesamtmehrbelastung zu Preisanpassungen führt.222
Schon während des Bauablaufs können Probleme auftreten, die einer Regelung bedürfen.
So können bereits vor Bauabnahme Mängel am Bauwerk erkennbar werden und es stellt
sich sodann die Frage, welche Rechte der Auftraggeber in diesem Falle hat.
Weiterhin ist das Werkvertragsrecht von der Vorleistungspflicht des Auftragnehmers
geprägt. Gerade bei größeren Bauvorhaben ist es deshalb wirtschaftlich zwingend erfor-
derlich, dass bereits vor Abnahme der Leistungen Zahlungen durch den Auftraggeber
geleistet werden. Nur so ist der Auftragnehmer in der Lage, Material zu bestellen, Mit-
arbeiter zu entlohnen und Subunternehmer zu beauftragen.
221
BauR 2004, 82.
Vgl. bspw. OLG Brandenburg, BauR 2001, 1915, 1916 sowie OLG Zweibrücken, BauR 1989,
222
746, 747
782 V. Hafkesbrink und U. Kühne
§ 4 Abs. 7 Satz 1 VOB/B Nach der Vorschrift des § 4 Abs. 7 VOB/B hat der Auftragnehmer
bereits vor Abnahme erkannte Mängel auf eigene Kosten durch mangelfreie Leistungen
zu ersetzen. Entsteht durch die Mangelhaftigkeit oder Vertragswidrigkeit des Werks ein
Schaden, so hat der Auftragnehmer diesen ebenfalls zu ersetzen. Kommt der Auftragneh-
mer seiner Pflicht zur Beseitigung des Mangels nicht nach, so kann ihm der Auftraggeber
eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und androhen, bei fruchtlo-
sem Ablauf der Frist den Auftrag zu entziehen.
Voraussetzung für den Anspruch nach § 4 Abs. 7 VOB/B ist eine mangelhafte oder
vertragswidrige Leistung des Auftragnehmers. Für die Frage der Mangelhaftigkeit
gelten die allgemeinen Regeln. Grundsätzlich hat der Auftragnehmer vor Abnahme zu
beweisen, dass sein Werk mangelfrei ist. Die Mangelbeseitigungspflicht des Auftragneh-
mers besteht, sobald er die fehlende Vertragsgemäßheit oder den Mangel seiner Leistun-
gen erkannt hat.223
Lässt eine Nachbesserung einen befriedigenden Erfolg nicht erwarten, ist das Werk neu
herzustellen. Der Auftragnehmer ist nur dann berechtigt, die Neuherstellung zu verwei-
gern, wenn der dafür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig ist.224 Unverhältnismäßig
ist die Mangelbeseitigung dann, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand in keinem Verhält-
nis zu dem für den Auftraggeber daraus resultierenden Vorteil steht. Die Beweislast dafür,
dass die Arbeiten mangelfrei sind, obliegt dem Auftragnehmer im Rahmen des § 4 Abs. 7
VOB/B ebenso wie für die Behauptung, es läge ein unverhältnismäßig hoher Aufwand vor,
der die Verweigerung der Mängelbeseitigung rechtfertige.225
§ 4 Abs. 7 Satz 2 VOB/B Parallel zur Mängelbeseitigung ist der Auftragnehmer gegenüber
dem Auftraggeber verpflichtet, den aus der Mangelhaftigkeit entstehenden Schaden zu
ersetzen. Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist, dass der Auftragnehmer den
Mangel zu vertreten hat und sich der Schaden adäquat kausal auf den Mangel zurückfüh-
ren lässt. Der Umfang des Schadensersatzanspruches ergibt sich aus den allgemeinen Vor-
schriften des § 249 BGB. Insbesondere im Rahmen einer Bauverzögerung kann das Risiko
des Auftragnehmers bedeutend anwachsen. Vorstellbar ist, dass der Generalunternehmer
mit dem Bauherrn einer Vertragsstrafe vereinbart hat, welche sich auf die Gesamtabrech-
nungssumme bezieht. Verschuldet nunmehr der Nachunternehmer durch einen Mangel die
Bauverzögerung, kann der Schadensersatzanspruch durchaus die Höhe der Vergütung des
Nachunternehmers erreichen oder gar übersteigen.
223
K/M/Merkens § 4 Rn. 158.
224
Leinemann/Leinemann § 4 Rn. 115.
225
BGH, BauR 1996, 856, 859.
22 Zivilrechtliche Grundlagen783
Kündigungsrecht des Auftraggebers Kommt der Auftragnehmer seiner Pflicht zur Män-
gelbeseitigung nicht nach, ist der Auftraggeber berechtigt, nach Fristsetzung den Vertrag
zu kündigen, §§ 4 Abs. 7 Satz 3, 8 Abs. 3 VOB/B. Der Auftraggeber muss also den Auf-
tragnehmer zunächst auffordern, die Mängel zu beseitigen. Die Aufforderung muss ein-
deutig und konkret formuliert sein und eine angemessene Frist enthalten. Darüber hinaus
muss deutlich gemacht werden, dass bei fruchtlosem Fristablauf die Kündigung des Ver-
trags zu erwarten ist. Verstreicht die Frist fruchtlos, kann der Vertrag gekündigt werden.
Die Kündigung ist grundsätzlich schriftlich an den Auftragnehmer zu versenden.
22.10.2 BGB-Vertrag
Das BGB sieht ausdrücklich Mängelansprüche vor Abnahme nicht vor, regelt aber auch
nicht ausdrücklich, ab wann die Sachmängelansprüche überhaupt gelten sollen. Von daher
werden im juristischen Schrifttum auch alle möglichen Anwendungszeitpunkte vertreten.
Es gibt grundsätzlich mehrere denkbare Möglichkeiten, wie ein Bauvertrag vor Erfüllung
der beiderseitigen Vertragspflichten beendet werden kann.
22.11.1.1 Anfechtung
Ein BGB-Vertrag wie auch ein VOB-Vertrag können nach § 119 BGB (Irrtumsanfechtung)
und nach § 123 BGB (Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung) beendet werden.226
Die Anfechtung führt dazu, dass der Vertrag als Grundlage für die Erbringung von Leis-
tungen mit der wirksamen Anfechtungserklärung rückwirkend beseitigt wird, § 142 BGB.
22.11.1.2 Rücktritt
Eine weitere Möglichkeit ist der Rücktritt. Dieser führt zu einer Rückabwicklung des
ansonsten wirksam geschlossenen Vertrags. Der Rücktritt ist denkbar vor erfolgter
Abnahme, aber auch – als mögliche Folge bei Sachmängeln – nach erfolgter Abnahme.
Letzteres unterscheidet den Rücktritt von der Kündigung, die ausschließlich vor erfolgter
Abnahme erfolgen kann. Sowohl die Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB wie auch die
vertraglichen Kündigungsregelungen des § 8 VOB/B sehen vor, dass eine Kündigung vor
Vollendung des Werks erfolgt.
226
Leinemann/Franz, § 8, Rn. 28 ff.
784 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Damit der Rücktritt als sogenanntes Gestaltungsrecht ausgeübt werden kann, muss
ein sogenannter Rücktrittsgrund vorliegen. In einigen Vorschriften des BGB ist geregelt,
dass ein Besteller in einer bestimmten Situation vom Vertrag zurücktreten kann. Beson-
ders wichtig ist dabei der Rücktritt als Recht, wenn Mängel beim Bauvertrag vorliegen.
§ 634 Nr. 3 BGB räumt dem Besteller ausdrücklich das Recht ein, gemäß §§ 636, 323 und
326 Abs. 5 BGB vom Vertrag zurückzutreten. Die Möglichkeit des Rücktritts räumt dem
Besteller die allgemeinere Regelung nach § 323 Abs. 1 BGB ein. Danach kann, wenn bei
einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertrags-
gemäß erbringt, ein Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist
zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten. Ein Rücktritt
vom Vertrag ist nicht jederzeit möglich, sondern es ist immer ein Rücktrittsgrund erfor-
derlich. Der Rücktritt führt in der Abwicklung dazu, dass die empfangenen Leistungen
zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben sind, § 346 Abs. 1 BGB.
Ist das nicht möglich, ist Wertersatz zu leisten.
Wie ein Rücktritt abgewickelt wird, wenn er denn einmal wirksam erklärt wurde, ist in
den §§ 346 ff. BGB im Einzelnen geregelt. Grundsätzlich sind im Falle des Rücktritts die
empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszu-
geben. Ist die Rückgewähr nicht möglich, haben die Parteien Wertersatz zu leisten. Bei
Bauverträgen ist der Besteller regelmäßig auch Grundstückseigentümer. Weil ein Rücktritt
naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden ist, sieht die VOB/B ein Rücktrittsrecht nicht
vor, also grundsätzlich auch nicht bei Sachmängeln. Das respektiert grundsätzlich auch
der BGB-Gesetzgeber, wenn er bei Bauleistungen nach § 309 Nr. 8 bb) BGB bei Bau-
leistungen den Ausschluss des Rücktrittsrechts begünstigt. Bei Bauträgerverträgen führt
ein Rücktritt jedoch grundsätzlich nicht zu den besagten Schwierigkeiten, weil selbst bei
erfolgtem Eigentumserwerb dieser rückgängig gemacht würde. Deshalb ist der Ausschluss
des Rücktrittsrechts in Bauträgerverträgen durch AGB nicht wirksam regelbar.227
22.11.1.3 Kündigung
Vom Rücktritt zu unterscheiden ist die Kündigung des Bauvertrages vor Fertigstellung der
Leistung durch den Auftragnehmer. Diese ist unter anderem in § 649 BGB sowie in §§ 8
und 9 VOB/B geregelt.
Die VOB/B-Regelungen zur Kündigung gehen den gesetzlichen Regelungen in ihrem
Anwendungsbereich vor. Liegt also z. B. ein Fall vor, wonach der Auftraggeber wegen
Mängeln oder auch Terminverzug kündigen könnte, gehen die Kündigungsregelungen des
§ 8 Abs. 3 VOB/B der gesetzlichen Regelung zum Rücktritt vor.228
Eine wirksam ausgesprochene Kündigung beendet den Bauvertrag – anders als der
Rücktritt – für die Zukunft, nicht für die Vergangenheit.229 Nach Abnahme der Bauleistung
227
BGH, IBR 2006, 676.
228
K/M/Lederer, § 8 VOB/B, Rn. 6.
229
Werner/Pastor, Rn. 1290.
22 Zivilrechtliche Grundlagen785
durch den Besteller/Auftraggeber ist eine Kündigung – anders als ein Rücktritt – begriff-
lich nicht mehr denkbar.230
Das wirksam gekündigte Bauvertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftrag-
nehmer wandelt sich in ein Abrechnungsverhältnis um, wobei sich gegenüberstehende
Forderungen nicht etwa im Wege einer Verrechnung saldiert werden. Hier kann rechts-
technisch gegebenenfalls die Aufrechnung erklärt werden. Ansprüche des Auftragnehmers
sind abzurechnen.231 Gegenansprüche des Auftraggebers wie z. B. ein Vertragsstrafenan-
spruch können zur Aufrechnung anstehen. Die Konstruktion einer Verrechnung lehnt der
BGH grundsätzlich ab.232
Ein wirksam gekündigter Bauvertrag berührt die Ansprüche des Auftraggebers auf
Mangelbeseitigung hinsichtlich der bereits erbrachten Teilleistungen nicht.233 Bei einer
Kündigung hat der Auftragnehmer grundsätzlich die Möglichkeit bzw. das Recht auf Män-
gelbeseitigung. Der Auftraggeber kann im Gewährleistungsfall also nicht ohne Weiteres
zur Ersatzvornahme schreiten. Eine Ausnahme könnte nur dann zu bejahen sein, wenn
das Vertrauen des Auftraggebers so nachhaltig erschüttert wäre, dass eine weitere Nach-
besserung nicht zumutbar wäre. Das unterscheidet den gekündigten Bauvertrag von dem
Vertrag, der wegen nicht innerhalb einer gesetzten Frist erbrachter Sicherheitsleistung
und abgelaufener Nachfrist als aufgehoben gilt. Hier wird zwischenzeitlich vom BGH ein
Mangelbeseitigungsrecht des Unternehmers/Auftragnehmers nicht mehr angenommen,
sondern er nimmt an, dass der Vergütungsanspruch bei Mängeln gemindert ist.234
Form der Kündigung Die Kündigung eines VOB-Vertrages bedarf – anders als dies § 649
BGB vorsieht – gemäß § 8 Abs. 5 VOB/B stets der Schriftform; das Schriftformerforder-
nis ist Wirksamkeitsvoraussetzung.235 Die Kündigungserklärung muss dabei den Willen
des Erklärenden, den Vertrag vorzeitig beenden zu wollen, zweifelsfrei zum Ausdruck
bringen.
Bei Fehlen einer ausdrücklichen Kündigungserklärung oder auch einer schriftlicher
Kündigung kann, jedenfalls wenn sich der Vertragspartner auf die Folgen der Kündigung
einlässt, von einer Vertragsaufhebung auszugehen sein.236 Die Rechtsprechung beurteilt
die Rechtsfolgen im Rahmen einer so anzunehmenden Vertragsaufhebung oftmals
danach, wie es zur Vertragsaufhebung gekommen ist. Mit anderen Worten steht eine
230
Kniffka/Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 12.01. 2015, § 649 Rn. 30.
Zu den Abrechnungsmodalitäten im gekündigten Einheitspreis- bzw. Pauschalpreisvertrag vgl.
231
Teilkündigung Abtrennbare Teile eines Bauvertrages können nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz
2 VOB/B jeweils für sich gekündigt werden, wenn die VOB/B Vertragsgrundlage wurde
und wenn dies bei der Kündigung zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht wird. Das BGB
sieht eine Teilkündigung nicht vor. Dem Interesse des Bestellers, in geeigneten Fällen den
Vertrag mit dem Unternehmer fortzusetzen und gleichwohl aufgetretene Mängel durch
einen Dritten auf Kosten des Unternehmers beseitigen lassen zu können, versucht die
VOB/B dadurch Rechnung zu tragen, dass sie es ermöglicht, die Entziehung des Auftrags
„auf einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistung“ zu beschränken.
Der BGH versteht den Begriff der in sich abgeschlossenen Leistung wie den in § 12
Abs. 2 VOB/B (Teilabnahme).239 Leistungsteile innerhalb eines Gewerks stellen grund-
sätzlich keinen in sich abgeschlossenen Teil der Leistung dar, auf den die Entziehung des
Auftrags nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B beschränkt werden kann.240 Dies kann –
so der BGH – bei klarer räumlicher oder zeitlicher Trennung der Leistungsteile eines
Gewerks anders zu beurteilen sein, wobei eine ausreichende räumliche Trennung etwa
dann angenommen werden kann, wenn die Leistungsteile an verschiedenen Bauwerken,
etwa an mehreren zu errichtenden Häusern, zu erbringen sind. Hat ein Auftragnehmer
die Heizungs- und die Sanitärinstallation für ein Bauvorhaben zu erbringen, so kann der
Vertrag hinsichtlich der Heizungsinstallation wohl unabhängig von der restlichen Leistung
gekündigt werden.241 Eine Teilkündigung dergestalt, dass der Vertrag bei Leistungen wie
der vorgenannten Art hinsichtlich einzelner zu errichtender Etagen gekündigt und im Hin-
blick auf andere aufrechterhalten bleiben soll, wäre demgegenüber unzulässig, weil eben
keine in sich abgeschlossene Teile anzunehmen wären. Eine unberechtigte Teilkündigung
stellt ihrerseits eine Vertragsverletzung dar.
237
Vgl. z. B. OLG Köln, BauR 2003, 1578.
238
BGH, BauR 2001, 1577; BGH, BauR 2000, 1479.
239
BGH, BauR 2009, 1736.
240
BGH, BauR 2009, 1736.
241
Schoofs/Hafkesbrink, Bauvertrag und Bauprozess, Rn. 546.
22 Zivilrechtliche Grundlagen787
242
Zu den nicht in der VOB/B enthaltenen Beendigungsregelungen Leinemann/Franz, § 8, Rn. 4 ff.
243
Ing/Ko/Vygen, vor §§ 8, 9 VOB/B, Rn. 21.
244
BGH, BauR 2003, 689, 691.
245
BGH, BauR 2006, 1294 ff. = IBR 2006, 432.
246
BGH, BauR 2003, 689, 691.
788 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Nach der Kündigung konnte ein Auftragnehmer nach bislang geltender Rechtspre-
chung keine Abschlagszahlungen mehr verlangen, sondern musste seine Vergütung mit
der Schlussrechnung geltend machen247 Das wurde damit begründet, dass mit der Kün-
digung ein Abrechnungsverhältnis begründet werde. Hier ist allerdings zu beachten, dass
der BGH248 nunmehr die Fälligkeit der Vergütung auch beim gekündigten Vertrag von der
Abnahme abhängig macht. Auch hier wird man deshalb daran denken müssen, das Vor-
gehen aus einer Abschlagsrechnung für zulässig zu halten, solange der Auftragnehmer im
Hinblick auf den erbrachten Leistungsteil vorleistungspflichtig ist. Das ist grundsätzlich
der Fall, wenn der Abnahme auch beim gekündigten Vertrag wesentliche Mängel ent-
gegenstehen. Bei einem nicht gekündigten Vertrag hat der BGH seit jeher die Möglichkeit
der Geltendmachung einer Abschlagsrechnung bejaht.249
In § 8 VOB/B sind verschiedene Kündigungstatbestände geregelt, auf deren Grundlage der
Auftraggeber zur Kündigung des Bauvertrages berechtigt ist.
Gemäß § 8 Abs. 1 VOB/B kann der Auftraggeber jederzeit kündigen. Eines besonde-
ren Kündigungsgrundes bedarf es nach dieser Vertragsbedingung nicht.
In § 8 Abs. 2–4 nennt die VOB/B drei Kündigungstatbestände, nach denen ein Auftrag-
geber aus wichtigem Grund den Bauvertrag kündigen kann. Die dort geregelten Gründe
liegen in der Person des Unternehmers bzw. in dessen Verhalten.
247
Kandel, in Beck’scher Online-Kommentar, § 16 Nr. 1, Rn. 8.
248
BGH, BauR 2006, 1294 ff. = IBR 2006, 432.
249
BGH, BauR 2000, 1482.
250
Vgl. z. B. BGH, BauR 1993, 458, 463 f.
22 Zivilrechtliche Grundlagen789
Neben diesen in § 8 Abs. 2–4 VOB/B geregelten Kündigungstatbeständen ist die Kündi-
gung eines Bauvertrages durch den Auftraggeber auch aus anderen wichtigen Gründen
möglich. Die Kündigung aus wichtigem Grund kann in einem Bauvertrag – richtet er sich
ausschließlich nach dem BGB oder wurde zusätzlich die VOB/B vereinbart – nicht aus-
geschlossen werden. Grundsätzlich liegt ein wichtiger Kündigungsgrund immer dann vor,
wenn das vertragliche Vertrauensverhältnis durch schuldhaftes Verhalten schwer verletzt
oder gar zerstört ist.
22.11.2.1 Die „jederzeitige“ Kündigung (§ 8 Abs. 1 VOB/B und § 649 BGB)
§ 8 Abs. 1 VOB/B berechtigt den Auftraggeber – im Gegensatz zum Auftragnehmer – bis
zur Vollendung der Leistung den Vertrag jederzeit zu kündigen. Insoweit wird von dem
freien Kündigungsrecht des Auftraggebers in Abgrenzung zum außerordentlichen Kündi-
gungsrecht gesprochen. Die freie Kündigung bedarf keiner Begründung oder Fristsetzung.
Der Kündigungstatbestand in § 8 Abs. 1 VOB/B entspricht der gesetzlichen Regelung
in § 649 BGB. Zusätzlich hat der Gesetzgeber nunmehr im Hinblick auf die Vergütung
der nicht erbrachten Leistungen (= Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen) eine
Vermutung geregelt, wonach dem Unternehmer 5 % der insoweit ausstehenden Vergütung
zustehen.
Das freie Kündigungsrecht nach § 8 Abs. 1 VOB/B bzw. § 649 BGB ist individualver-
traglich abdingbar. Eine entsprechend vorformulierte Klausel (des AN) verstößt gegen
die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB, insbesondere § 307 BGB.251 § 649 BGB ist gesetz-
liches Leitbild. Unwirksam ist auch eine Klausel, in der sich der Auftragnehmer im Falle
der freien Kündigung die volle Vergütung ohne jeglichen Abzug versprechen lässt252
oder wenn der Auftraggeber (in Auftraggeber-AGB) nur verpflichtet sein soll, die bisher
erbrachten Leistungen zu vergüten, oder wenn weitere Ansprüche des Auftragnehmers
inkl. Schadensersatz ausgeschlossen werden.253
Grundsätzliches zu ersparten Aufwendungen im Sinne von § 649 Satz 2 BGB bzw. § 8
Abs. l Nr. 2 Satz 2 VOB/B
Im Falle der freien Kündigung gemäß § 8 Abs. 1 VOB/B bzw. § 649 BGB muss der
Auftraggeber dem Auftragnehmer die volle vereinbarte Vergütung zahlen. Dabei muss
sich freilich der Auftragnehmer das abziehen lassen, was er infolge der Beendigung des
Vertrages an Kosten erspart oder aber durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft
und seines Betriebes erwirbt bzw. zu erwerben böswillig unterlässt.254
Die Berechnung der Werklohnforderung des Unternehmers nach einer freien Kündigung
des Bauvertrages durch den Auftraggeber bereitet dann keine größeren Schwierigkeiten,
wenn der Auftragnehmer mit der Erbringung der Werkleistungen noch nicht begonnen hat.
251
BGH, BauR 1999, 1294, 1295; h. A.
252
BGH, BauR 1973, 260.
253
BGH, BauR 1997, 1036; BGH, IBR 2007, 541.
254
Siehe hierzu auch Leinemann/Franz, § 8, Rn. 82 ff.
790 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Kündigt der Auftraggeber unter diesen Umständen einen Bauvertrag aus einem Grund,
den der Unternehmer nicht zu vertreten hat, kann dieser jedenfalls den Reingewinn als
Vergütung verlangen. Die Höhe des Reingewinns hängt vom Einzelfall – in der Regel von
der Kalkulation des Unternehmers – ab.
Zu beachten ist, dass nach zutreffender Auffassung:
• die kalkulierten AGK (Allgemeine Geschäftskosten) in der Regel nicht erspart sind,
weil diese für einen fixen Zeitraum im Voraus fix kalkuliert werden. Die kalkulier-
ten Allgemeinen Geschäftskosten gehören nicht zu den ersparten Aufwendungen, da
der Auftragnehmer seine allgemeinen Betriebsmittel (Geschäftsmiete etc.) für den
betreffenden Zeitraum endgültig zugeordnet hat, sodass sie nicht mehr erspart werden
können.255
• nach der umstrittenen Rspr. des BGH256 das Wagnis erspart sein kann, Gewinn jedoch
nie
• Baustellengemeinkosten dann erspart sein können, wenn sie angefallen wären und
nun nicht mehr aufgewendet werden müssen, z. B. ein angemieteter Bagger usw.
Handelt es sich jedoch um eigenes Gerät, Personal usw. ist diese Frage nicht mehr
einfach zu beantworten. Wenn dieses nicht kurzfristig abgebaut werden kann, ist es
nicht erspart,257
• Personalkosten zwar grds. erspart sein können, dies jedoch in aller Regel für fest ange-
stelltes Personal nicht gilt, weil dieses nicht „freigesetzt“ werden kann. Der AN ist
hierzu bei kurzfristigen Engpässen auch nicht verpflichtet. Hierzu muss er auch nicht
vortragen.258
• bei Materialkosten kommt es darauf an, inwieweit der AN dieses anderweitig verwen-
den kann. Gegebenenfalls wird dieses nicht als erspart abgesetzt, muss aber dann dem
AG herausgegeben werden.259
Ein „Füllauftrag“ kann einen anderweitigen Erwerb darstellen, der dann auch der Ver-
gütung entgegengehalten werden kann. Gleiches gilt für ohnehin bereits akquirierte Auf-
träge, die nun vorgezogen werden können, was jedoch in der Baupraxis eher selten ist,
weil die Termine fremdbestimmt werden.260 Problematisch wäre dies auch dann, wenn
in dem Zeitraum, in welchem der vorgezogene Auftrag abgearbeitet wird, nunmehr kein
Auftrag vorhanden ist.
255
Vgl. zu Einzelheiten K/M/Lederer, § 8 VOB/B, Rn. 30 ff.
256
BGH, BauR 1998, 185, 186; ablehnend K/M/Lederer, § 8 VOB/B, Rn. 36.
257
K/M/Lederer, § 8 VOB/B, Rn. 38.
258
BGH, NZBau 2000, 82.
259
OLG Hamm, BauR 1988, 728; OLG Frankfurt, NJW-RR 1987, 979.
260
BGH, BauR 1996, 382, 383 f.
22 Zivilrechtliche Grundlagen791
Im Hinblick auf die ersparten Aufwendungen kommt es darauf an, welche Aufwen-
dungen tatsächlich entstanden wären. Wären bei Durchführung höhere Aufwendungen
entstanden als sie der Auftragnehmer kalkuliert hätte, kommt es also auf die tatsächliche
und nicht auf die nur kalkulierte Entwicklung an.261
Im Hinblick auf den Umfang ersparter Aufwendungen war bis zur gesetzlichen Neu-
regelung in § 649 BGB grundsätzlich der Besteller/Auftraggeber darlegungs- und
beweisbelastet. Diesem fehlen jedoch regelmäßig die Kenntnisse zur Kalkulation seines
Vertragspartners. Da nur dieser in der Lage ist, vorzutragen und zu beziffern, was er
sich in diesem Sinne als Aufwendungen anrechnen lassen muss, hat er hierzu auch vor-
zutragen und die Aufwendungen bzw. den Erwerb durch anderweitige Verwendung der
Arbeitskraft zu beziffern.262 Eröffnet der Auftragnehmer seine Kalkulationsgrundlagen,
ist es dem kündigenden Auftraggeber dann auch ohne weitere Schwierigkeiten möglich,
hinsichtlich des noch nicht erbrachten Leistungsumfangs darzulegen, in welcher Grö-
ßenordnung der Auftragnehmer im Hinblick auf diesen Teil Aufwendungen erspart hat.
Im Hinblick auf vom Unternehmer angeschafftes aber noch nicht zur Herstellung des
Bauwerks verwendetes Material muss etwa der Auftraggeber darlegen, dass der Auftrag-
nehmer dieses Material in absehbarer (zumutbarer) Zeit anderweitig verwenden kann. Ist
eine solche Verwendung dieses Materials möglich, muss sich der Auftragnehmer dies als
ersparte Aufwendungen anrechnen lassen.263 Der Auftraggeber/Besteller war im Übrigen –
nachdem der Auftragnehmer die Vergütungsgrundlagen dargelegt hat – bei den nicht
erbrachten Leistungen darlegungs- und beweispflichtig hinsichtlich der Umstände, die
den vom Auftragnehmer beanspruchten Restwerklohn mindern.264 Nach der Neuregelung
in § 649 Satz 3 BGB (zum 01.01.2009) wird jedoch vermutet, dass dem Unternehmer
5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden
vereinbarten Vergütung zustehen. Aus der gesetzlichen Neuregelung wird von einer
vertretenen Auffassung abgeleitet, dass diejenige Vertragspartei, die zu ihren Gunsten
behauptet, die ersparten Aufwendungen und der anderweitige Erwerb (bzw. böswillig
nicht gemachte Erwerb) betrügen weniger (Unternehmer) bzw. mehr (Besteller) als 95 %
des auf die offene Restleistung entfallenden Werklohns, hierfür darlegungs- und beweis-
pflichtig ist.265
Unternehmer insbesondere im Fertighausbereich versuchen, die Vergütung für nicht
erbrachte Leistungen mittels vorformulierter Vertragsbedingungen zu pauschalieren. Der
BGH266 hat im Rahmen eines Fertighausvertrags eine Vertragsklausel für zulässig erachtet,
die lautet:
261
BGH, BauR 2005, 1916.
262
K/M/Lederer, § 8 VOB/B, Rn. 56.
263
Werner/Pastor, Rn. 1296.
264
BGH, BauR 1996, 382; Ing/Ko/Vygen, § 8 Nr. 1 VOB/B, Rn. 40.
265
Kniffka/Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 12.1.2015, § 649 Rn. 99.
266
BGH, IBR 2006, 382.
792 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Erfolgt eine Kündigung gleich aus welchem Grund, ohne dass sie von W. Haus (= Unterneh-
mer) zu vertreten ist, hat W. Haus das Recht, eine pauschale Vergütung bzw. einen pauscha-
lierten Schadensersatz in Höhe von 10 % des zur Zeit der Kündigung vereinbarten Gesamt-
preises zu verlangen, sofern nicht der Bauherr oder W. Haus im Einzelfall andere Nachweise
erbringen.
Eine solche Klausel in einem Vertrag über die Errichtung eines Fertighauses ermöglicht
wirksam bei freier Kündigung des Bestellers eine pauschale Abrechnung in dieser Höhe,
wenn der Unternehmer nicht daneben noch weitere Ansprüche geltend macht.
Die Abrechnung der erbrachten und nicht erbrachten Leistungen Schwierigkeiten bei der
Bemessung der Vergütung, die der Unternehmer nach einer freien Kündigung des Bau-
vertrages durch den Auftraggeber beanspruchen kann, ergeben sich immer dann, wenn
die Bauleistungen bereits teilweise erbracht sind. Die nachfolgenden Überlegungen zur
Abrechnung der erbrachten Leistungen beanspruchen Gültigkeit für alle Fälle eines nicht
beendeten Bauvertrags.
In diesen Fällen kann zwar der Auftragnehmer sofort nach der Kündigung Aufmaß und
Abnahme der bereits erbrachten Leistung verlangen, unverzüglich danach muss er gemäß
§ 8 Abs. 6 VOB/B allerdings auch eine prüfbare Schlussrechnung über die ausgeführten
Leistungen vorlegen.267
Die Schlussrechnung muss grundsätzlich differenzieren zwischen den erbrachten und
den nicht erbrachten Leistungen. Nach herrschender Auffassung muss für die ausgeführte
Teilleistung eine Teilvergütung ermittelt werden, um von der dann verbleibenden Rest-
vergütung die ersparten Kosten oder anderweitigen Erwerb in Abzug zu bringen, um
schließlich ersteren Betrag mit und letzteren ohne Mehrwertsteuer in Rechnung stellen
zu können.268
Wurde vom Auftraggeber ein Einheitspreisvertrag gekündigt, so bereitet es weniger
große Schwierigkeiten, den bereits erbrachten Leistungsumfang anhand des – im güns-
tigsten Fall gemeinsam erstellten – Aufmaßes schlusszurechnen.
Weit größer sind die Schwierigkeiten in der Berechnung des bereits erbrachten Leis-
tungsumfanges dann, wenn zwischen den Vertragspartnern ein Pauschalpreisvertrag
geschlossen wurde. Wird dieser gekündigt, liegt es in der Natur der Sache, dass auch
dann, wenn ein von beiden Vertragsseiten als richtig erachtetes Aufmaß vorliegt, die Höhe
der Vergütung für die bereits erbrachten Leistungen nicht immer einfach zu berechnen
ist. Das Problem liegt darin, dass die Parteien ja nur eine Vergütung für die Gesamtheit
der (zunächst) vom Vertrag erfassten Leistungen vereinbart haben und eben keine Teil-
vergütungen für einzelne Leistungen. Nach der Kündigung ist aber nun die Vergütung für
267
Unzulässig ist allerdings die Durchsetzung der Unterbrechung der Baufortführung durch einen
Dritten im Wege einer einstweiligen Verfügung zum Zwecke des Aufmaßes von Seiten des Auftrag-
nehmers, vgl. OLG Düsseldorf, BauR 2001, 1270.
268
Vgl. K/M/Lederer, § 8 VOB/B, Rn. 24.
22 Zivilrechtliche Grundlagen793
den erbrachten Leistungsteil zu ermitteln. Wenn ein Pauschalpreis vereinbart ist, lässt sich
die Höhe der Teilvergütung nach einer Kündigung nur nach dem Verhältnis des Werts der
erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalvertrag geschuldeten Gesamt-
leistung errechnen.269
Für eine schlüssige Werklohnklage aus einem gemäß § 8 Abs. 1 VOB/B, § 649 BGB
gekündigten Pauschalpreisvertrag ist z. B. die bloße Behauptung nicht ausreichend, dass
beispielsweise 86 % der vertraglich vereinbarten Bauleistungen erbracht worden sind und
dass deshalb 86 % des vereinbarten Brutto-Pauschalpreises zzgl. der nicht ersparten Auf-
wendungen hinsichtlich der übrigen 14 % netto verlangt werden können.
Vom Bauunternehmer wird in der Rechtsprechung verlangt, dass er auch bei einem
Pauschalpreisvertrag anhand von nachträglich zu ermittelnden „Teilpreisen“ seinen Ver-
gütungsanspruch im Hinblick auf den erbrachten Teil der gesamten Werkleistung darlegt.
Der BGH270 formuliert das wie folgt:
Der Unternehmer muss deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten
Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen.
Soweit zur Bewertung der erbrachten Leistungen Anhaltspunkte aus der Zeit vor Vertrags-
schluss nicht vorhanden oder nicht ergiebig sind, muss der Unternehmer im Nachhinein im
Einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu
bewerten sind. Die Abgrenzung zwischen erbrachten Leistungen und nicht erbrachten Leis-
tungen und deren Bewertung muss den Besteller in die Lage versetzen, sich sachgerecht zu
verteidigen.
Dies bedeutet, dass der Werkunternehmer gehalten ist, die Gesamtleistung in Leistungs-
teile aufzugliedern, denen dann auf der Basis der Pauschalvergütung Teilvergütungen
zugeordnet werden können.271 Wenn der Auftragnehmer eine solche Aufgliederung nicht
bei Vertragsschluss vorgenommen hat, muss er eine nachträgliche Kalkulation erstellen.272
Oftmals wird dem Auftragnehmer ein Leistungsverzeichnis zur Vorlage eines Angebo-
tes zur Verfügung gestellt, welches dieser zunächst auf der Basis von Einheitspreisen und
angegebenen Mengen „verpreist“. Haben die Parteien eines Werkvertrages auf der Grund-
lage eines nach Einheitspreisen aufgeschlüsselten Angebotes des Unternehmers einen
Pauschalpreis, insbesondere durch eine Abrundung, vereinbart, so kann dieses Angebot
ein brauchbarer Anhaltspunkt sein, um die Vergütung für die bis zur Kündigung des Ver-
trages erbrachten Leistungen zu berechnen.273 Hier sind jedoch Besonderheiten zu berück-
sichtigen. Zum einen ist zu prüfen, ob das Leistungsverzeichnis je nach Fallgestaltung
wirklich alle auf Vergütungsseite geschuldeten Leistungen erfasst. Zum anderen ist zu
prüfen, inwieweit die im Leistungsverzeichnis angegebenen Mengen auch bei unterstellter
269
BGH, BauR 1995, 691.
270
BGH, BauR 2000, 1186.
271
BGH, BauR 1995, 691, 692; BGH, BauR 1999, 1294, 1295.
272
BGH, BauR 1999, 635, 637; Leinemann/Franz, § 8 Rn. 69.
273
BGH, BauR 1996, 846.
794 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Vertragserfüllung zutreffen. Ist das nicht der Fall, muss der zunächst angegebene Einheits-
preis (abzüglich der Pauschalierungsabrundung) angepasst werden.
Die Rechtsprechung des BGH274 lässt es zu, dass die erbrachten Leistungen nach
Aufmaß abgerechnet und wegen der nicht erbrachten Leistungen Ansätze des Leistungs-
verzeichnisses herangezogen werden. Ein Problem entsteht jedoch, wenn die ursprüngli-
chen Mengenansätze falsch sind. Letztlich wird man um eine Schätzung nach § 287 ZPO
nicht herumkommen. Kalkuliert der Auftragnehmer z. B. eine Leistung irrtümlich nicht
ein, weil er denkt, sie sei nicht geschuldet, kann die Schlussrechnung des Auftragnehmer
gleichwohl prüfbar sein. Der Auftragnehmer muss dann allerdings Tatsachen vortragen,
die eine Schätzung durch das Gericht ermöglichen.275
Überhaupt – das gilt für den erfüllten wie auch für den vorzeitig beendeten Vertrag
– muss ein Gericht grundsätzlich in die Sachprüfung auch beim gekündigten Vertrag ein-
steigen, wenn eine Schlussrechnung vorliegt und innerhalb einer Prüffrist keine substan-
ziellen Einwände vom Auftraggeber vorgebracht wurden. Grundsätzlich hat der BGH276
aktuell noch einmal wie folgt klargestellt:
Im Übrigen lässt der BGH es auch zu, dass bei geringfügig erbrachten Leistungen eine
Abgrenzung der erbrachten von den nicht erbrachten Leistungen nicht vorgenommen
werden muss, wenn der Auftragnehmer insgesamt so tut, als seien gar keine Leistungen
erbracht worden.277
Zur Thematik der Schätzung gehört auch der Fall, dass eine Schlussrechnung unmög-
lich geworden ist, weil der Auftragnehmer in Vermögensverfall geraten ist. Die Klage darf
dann nicht wegen Fehlens einer prüfbaren Schlussrechnung abgewiesen werden, sondern
der Auftragnehmer muss dann zur Höhe die notwendigen Tatsachen vortragen, die eine
Schätzung ermöglichen.278
Die vorgenannten Grundsätze zur Abrechnung gelten im Hinblick auf die erbrachten
Leistungen für alle Kündigungsmöglichkeiten.
274
BGH, BauR 1996, 382, 383.
275
BGH, BauR 2004, 1441; BGH, BauR 2004, 1937.
276
BGH, Urteil vom 13.7.2006 – VII ZR 68/05, BauR 2006, 1753 = IBR 2006, 539.
277
BGH, BauR 2005, 385.
278
BGH, BauR 2004, 1937.
22 Zivilrechtliche Grundlagen795
279
Korbion/Hochstein, VOB-Vertrag, Rn. 276.
280
K/M/Lederer, § 8 Rn. 65.
281
BGH, BauR 1986, 336, 337.
OLG Düsseldorf, IBR 2006, 674 ausdrücklich für Kündigung nach Eröffnung mit abl. Anm.
282
Schmitz.
283
BGH, Urteil vom 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BauR 2013, 769.
OLG Karlsruhe, IBR 2006, 398; Schmitz, Die Bauinsolvenz, 3. Aufl. 2004, Rn. 52 ff., 321 ff.,
284
525 ff.
285
Ing/Ko/Vygen, § 8 Nr. 2 Rn. 12.
286
K/M/Lederer, § 8 Rn. 75.
796 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Der Auftragnehmer hat in den Fällen, in denen der Auftraggeber wegen Vermögensver-
falls den Bauvertrag kündigt, keinen Anspruch auf die vertraglich vereinbarte volle Ver-
gütung abzüglich des Ersparten; die bis zur Kündigung bereits ausgeführten Leistungen
werden vielmehr nach § 6 Abs. 5 VOB/B abgerechnet. Es sind also die bereits ausgeführ-
ten Leistungen nach den Vertragspreisen abzurechnen.
In Ausnahmefällen sind dem Auftragnehmer die Kosten zu vergüten, die ihm bereits
tatsächlich entstanden und in den Vertragspreisen des nicht ausgeführten Teils der Leistun-
gen enthalten sind.287 Einen Anspruch auf Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen
wie im Falle der freien Kündigung hat der Auftragnehmer nicht.
Einem Anspruch des Auftragnehmers auf Vergütung wegen Gerätenutzung (vgl. hierzu
§ 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B) kann der Auftraggeber keinen Schadensersatzanspruch wegen
Mehrkosten im Wege der Aufrechnung entgegenhalten.288
Der Auftraggeber kann im Falle der Kündigung nach § 8 Abs. 2 VOB/B hinsichtlich des
nicht ausgeführten Restes der Leistungen Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen
(§ 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B). Der Ersatzanspruch geht auf den vollen Restschaden und
besteht nicht etwa im beschränkten Umfang wie in § 6 Abs. 6 VOB/B vorgesehen.
Im Hinblick auf die Gewährleistung hinsichtlich des erbrachten Leistungsumfangs kann
der Auftraggeber auch nicht im Falle der Insolvenz des Auftragnehmers unmittelbar zur
Ersatzvornahme schreiten. Auch der Auftragnehmer, über dessen Vermögen ein Insol-
venz- oder Vergleichsverfahren eröffnet wurde, ist zunächst zur eigenständigen Mängel-
beseitigung berechtigt.
287
Leinemann/Franz, § 8 VOB/B, Rn. 116.
288
BGH, BauR 2001, 245, 247.
22 Zivilrechtliche Grundlagen797
Im Hinblick auf die zweite Fallgruppe, d. h. dann, wenn der Auftragnehmer mit der
Vollendung der Leistung in Verzug gerät, muss beim Auftragnehmer ein Verschulden hin-
sichtlich der nicht rechtzeitigen Herstellung der Leistung vorliegen.
Hinsichtlich § 5 Abs. 3 VOB/B ist es erforderlich, dass der Auftraggeber zu Recht
Abhilfe verlangt und der Auftragnehmer diesem Verlangen nicht unverzüglich nachge-
kommen ist.289 In dieser Hinsicht ist kein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers
gefordert, wohl aber bei der Frage der Unverzüglichkeit.
Über die vorgenannten Fälle hinaus kann der Auftraggeber den Bauvertrag auch dann
kündigen, wenn der Auftragnehmer der Pflicht zur Beseitigung eines während der Ausfüh-
rung entstandenen Mangels nicht nachkommt, der Auftraggeber ihm dazu eine angemes-
sene Frist gesetzt hat und damit die Erklärung verbunden hat, dass er dem Auftragnehmer
nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehe, § 8 Abs. 3 VOB/B i. V. m. § 4
Abs. 7 VOB/B.
Hat der Auftraggeber nach fruchtlosem Fristablauf den Bauvertrag wirksam gekündigt,
kann er im Hinblick auf die Kündigungsfolgen zwischen zwei Möglichkeiten wählen.
Er kann zunächst – unbeschadet seiner Ansprüche auf Ersatz des etwa entstehenden
weiteren Schadens – zunächst den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zulasten des
Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen lassen, § 8 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 VOB/B. Die
Beauftragung des Dritten kann auch schon vor der Entziehung des Auftrages erfolgen; der
Auftraggeber muss allerdings dann Sorge dafür tragen, dass der beauftragte Drittunterneh-
mer seine Arbeiten erst nach der rechtmäßigen Auftragsentziehung beginnt.290
Im Rahmen der Durchführung der Ersatzvornahme kann der Auftraggeber zur Weiter-
führung der Arbeiten durch den Dritten Geräte, Gerüste, auf der Baustelle vorhandene
andere Einrichtungen, vorhandene Stoffe oder Bauteile des gekündigten Auftragnehmers
gegen angemessene Vergütung in Anspruch nehmen, § 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B. Dazu kann
der Auftraggeber im Einzelfall sogar verpflichtet sein, denn er ist gehalten, die Höhe der
Ersatzvornahmekosten möglichst gering zu halten.291
Einen möglicherweise entstehenden Mehrpreis muss der gekündigte Auftragnehmer
ersetzen. Über einen solchen Mehrpreis und seine anderen Ansprüche muss der Auftrag-
geber dem Auftragnehmer spätestens binnen zwölf Werktagen nach Abrechnung mit dem
Drittunternehmer eine Aufstellung zusenden, § 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B.
Mehrkosten (kein Schadensersatz, sondern verschuldensunabhängiger Aufwendungs-
ersatzanspruch) berechnen sich wie folgt:
• nach Möglichkeit Aufmaß der erbrachten Leistungen erstellen und hiervon die noch zu
erbringenden abgrenzen, Anspruch des Auftragnehmer nach § 8 Abs. 6 VOB/B.
• Erstattung der Mehrkosten, die durch den Vergleich zwischen Vergütung des gekündig-
ten Auftragnehmers und der dem Dritten zu bezahlenden Vergütung berechnet werden.
289
Vgl. zu einem solchen Fall KG, BauR 2005, 1219 (Ls.) = IBR 2005, 1105.
290
BGH, BauR 1995, 545.
291
Korbion/Hochstein, VOB-Vertrag, Rn. 280.
798 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Dem Auftragnehmer wiederum steht ein Anspruch auf Auskunft und Abrechnung gemäß
§ 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B über Mehrkosten zu, bei dessen Nichterfüllung ein Schadens-
ersatzanspruch entstehen kann. Diesen Anspruch kann er klageweise geltend machen.295
Die Möglichkeit einer Stufenklage (Auskunft und anschließende Bezifferung) im Hin-
blick auf die eigene Vergütung hat der BGH abgelehnt.296
Wenn der Auftraggeber, aus den Gründen, die zur Entziehung des Auftrags geführt
haben, kein Interesse mehr an der Ausführung der noch nicht erbrachten Restleistungen
hat, ist er anstelle einer Ersatzvornahme berechtigt, auf die weitere Ausführung zu ver-
zichten und vom gekündigten Auftragnehmer Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu
verlangen. Den Wegfall seines Interesses muss der Auftraggeber beweisen und darlegen.
Der Ersatzanspruch setzt Verschulden des Auftragnehmers voraus.
Nach wirksamer Entziehung des Auftrages kann der gekündigte Auftragnehmer nur den
Anteil der vereinbarten Vergütung verlangen, der seinen bisher erbrachten Leistungen ent-
spricht; eine Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen steht dem Auftragnehmer frei-
lich nicht zu (§ 8 Abs. 6 VOB/B).
292
OLG Hamm, BauR 2001, 1607.
293
BGH, BauR 2003, 877, 879.
294
BGH, BauR 1989, 462, 464; BGH, BauR 1985, 569.
295
BGH, BauR 2002, 1253.
296
BGH, BauR 2002, 1253.
297
Siehe im Einzelnen Leinemann/Franz, § 8, Rn. 175 ff.
22 Zivilrechtliche Grundlagen799
298
BGH, BauR 1976, 139.
299
BGH, BauR 2003, 1889; bestätigt durch BGH, BauR 2004, 1613.
300
BGH, BauR 2004, 1613.
800 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Gemäß § 9 VOB/B kann der Auftragnehmer in zwei Fällen den Bauvertrag kündigen.
Neben diesen beiden Fällen (Verletzung von Mitwirkungspflichten, § 9 Abs. 1 Nr. 1
VOB/B und Zahlungsverzug des Auftraggebers oder sonstiger Schuldnerverzug, § 9
Abs. 1 Nr. 2 VOB/B) sind weitere Kündigungsgründe denkbar; insofern ist auch die Rege-
lung im § 9 VOB/B nicht abschließend.
Der Auftragnehmer kann sich etwa auch dann vom Vertrag lösen, wenn sich der Auf-
traggeber weigert, eine im Einzelfall berechtigte Anpassung des Vertrages wegen Wegfalls
der Geschäftsgrundlage mitzutragen. Schließlich kann der Auftragnehmer dann kündigen,
wenn der Auftraggeber bei der Vertragsabwicklung eine solche Unsicherheit in das Ver-
tragsverhältnis bringt, dass dem vertragstreuen Auftragnehmer eine Aufrechterhaltung des
Vertrags unzumutbar wird. Auch für den Auftragnehmer muss also eine Kündigung aus
wichtigem Grund möglich sein, wenn eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzu-
mutbar ist. Das ist ein Ausnahmefall, dessen Voraussetzungen der Auftragnehmer darlegen
muss.
301
OLG Düsseldorf, BauR 1988, 478. Siehe im Einzelnen Leinemann/Hildebrandt, § 9, Rn. 8.
OLG Düsseldorf, BauR 1988, 478, 479, sehr problematisch wegen der regelmäßig trotz Bedenken
302
Zu beachten ist, dass dem Auftraggeber – anders als umgekehrt beim Auftragnehmer –
kein Verschulden nachgewiesen werden muss. Voraussetzung ist lediglich, dass der Auf-
tragnehmer zur Leistung fähig und bereit ist, er die Mitwirkung des Auftraggebers ver-
langen kann, seine eigene Bauleistung anbietet und den Auftraggeber zur Mitwirkung auf-
fordert und dessen Mitwirkung gleichwohl unterbleibt.
Nach berechtigter Kündigung des Vertrages durch den Auftragnehmer hat dieser einen
Anspruch auf Abrechnung nach den Vertragspreisen und einen vom Verschulden des Auf-
traggebers unabhängigen Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB.
Über den Rahmen des § 642 BGB hinausgehende Ansprüche bleiben unberührt, das
Gleiche gilt für § 9 Abs. 3 VOB/B.
Zulässigkeit, Voraussetzungen und Form der Kündigung Bei einer Kündigung nach § 9
Abs. l Nr. 1 bzw. 2 VOB/B müssen die besonderen Vorschriften des § 9 Abs. 2 VOB/B
besonders beachtet werden. Der Auftragnehmer muss danach zunächst ohne Erfolg eine
angemessene Frist zur Vertragserfüllung gesetzt und erklärt haben, dass er nach frucht-
losem Ablauf der Frist den Vertrag kündigen werde.305
Beide Erklärungen müssen miteinander verbunden sein. Eine Fristsetzung ist allerdings
dann entbehrlich, wenn eine ernstliche und endgültige Weigerung des Auftraggebers hin-
sichtlich der Vertragserfüllung vorliegt; in dieser Hinsicht ist jedoch der Auftragnehmer
beweispflichtig.306
304
BGH, BauR 2003, 1561 (ständige Rechtsprechung).
305
Vgl. zu diesem Erfordernis LG Berlin, Urteil vom 14.2.2007 – 105 O 114/05, IBR 2007, 1092.
306
BGH, BauR 1975, 136.
802 V. Hafkesbrink und U. Kühne
22.12.1 Abnahmewirkungen
Übergang vom Erfüllungs- in das Gewährleistungsstadium Mit der Abnahme geht der
Bauvertrag vom Erfüllungs- in das Gewährleistungsstadium über. Dies bedeutet, dass dem
Auftraggeber nun keine Ansprüche mehr zustehen, die auf die Erfüllung des Vertrages
gerichtet sind, sondern dass ihm lediglich noch die sogenannten Sachmängelansprüche
verbleiben. Dies dürfte jedoch ein eher theoretischer Ansatz sein. Ist nämlich ein Mangel
vorhanden, muss dieser zumindest vom Grundsatz her vom Auftragnehmer mit allen
erdenklichen Mitteln beseitigt werden. Ist die Beseitigung eines Mangels nur in Form
22 Zivilrechtliche Grundlagen803
einer Neuherstellung möglich, ist diese geschuldet. Auf irgendwelche Billiglösungen, die
den vertragsgerechten Zustand nicht erreichen, muss sich ein Bauherr nicht verweisen
lassen.307
Ist also z. B. eine Abdichtung gegen drückendes Wasser erforderlich und hat der Unter-
nehmer nachweislich oder unbestritten nur eine Abdichtung gegen Bodenfeuchtigkeit
erstellt, dann hilft ihm die Abnahme wenig. Auch wenn nunmehr eine vollständig neue
Leistung erbracht werden muss und die erstellte Leistung nicht im Geringsten verwendet
werden kann, ist im Rahmen der Nacherfüllung die Abdichtung gegen drückendes Wasser
vollständig und mangelfrei zu erbringen. Diese rechtliche Auffassung wurde bisweilen
kritisiert, ist aber einhellige Auffassung und nicht angreifbar.308
Der eher theoretische Ansatz, dass die Abnahme das Gewährleistungsstadium „einläu-
tet“, bringt einem Unternehmer allein keinen Vorteil. Wichtiger sind die nachfolgenden
Punkte.
Beweislastumkehr Wichtiger für den Unternehmer ist z. B. die Beweislastumkehr als
Folge der Abnahme.
307
Vgl. BGH, BauR 2003, 1209.
308
BGH, BauR 1998, 123.
804 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Weiter ist mit der Frage der Beweislast verbunden, dass in einem Zivilprozess derjenige
den Vorschuss für Zeugen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu
zahlen hat, der die Beweislast trägt. Das ist ein praktisch durchaus bedeutsamer Anwen-
dungsfall der Beweislast. Insbesondere bei Abdichtungsmängeln können ganz erhebliche
Gutachterkosten anfallen. Nach erfolgter Abnahme muss also in aller Regel der Auftrag-
geber bzw. Besteller den Vorschuss für ein Sachverständigengutachten einzahlen, wenn es
um das Vorliegen von Mängeln geht.
Ausnahme zur Beweislastumkehr bei Abnahme? Es gibt einen ganz entscheidenden
Umstand, der nicht zur Beweislastumkehr führt.
Hierzu folgendes Fallbeispiel Bei der Abnahme werden vom Besteller Feuchtigkeitser-
scheinungen an Kelleraußenwänden gerügt, die durch Ausführungsfehler verursacht sein
sollen. Ein entsprechender Vorbehalt wird ausdrücklich in das Abnahmeprotokoll auf-
genommen, wobei im Übrigen die Abnahme erklärt wird. Es kommt zum Rechtsstreit.
Der Auftragnehmer ist der Auffassung, Ursache des Mangelbildes sei ein für ihn nicht
erkennbar gewesener Planungsfehler. Er habe die Planung ordnungsgemäß umgesetzt. Im
Prozess, den der Bauherr im Hinblick auf die Zahlung eines Kostenvorschusses für die
Mangelbeseitigung angestrengt hat, kommt der Sachverständige zum Ergebnis, es lasse
sich nicht feststellen, ob ein alleine ursächlicher Planungsfehler vorliegt oder alleine
ursächliche Ausführungsfehler vorliegen. Dass beide zusammen zum Mangelbild geführt
haben, schließt er aus. Sollte es am Planungsfehler liegen, sei dieser tatsächlich nicht für
den Auftragnehmer erkennbar gewesen.
Natürlich ist das ein eher theoretischer Fall. Die Entscheidung hängt davon ab, wer
die Beweislast trägt. Früher war man überwiegend der Meinung, nach Abnahme treffe
den Auftraggeber ausnahmslos die volle Beweislast für das Vorliegen von Mängeln. Dies
wurde vor allem mit der Regelung des § 363 BGB begründet, der in der Tat lautet:
Hat der Gläubiger eine ihm als Erfüllung angebotene Leistung als Erfüllung angenommen, so
trifft ihn die Beweislast, wenn er die Leistung deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will,
weil sie eine andere als die geschuldete Leistung oder weil sie unvollständig gewesen sei.
Der BGH sieht dies anders bei solchen Mangelumständen, die bei Abnahme vorbehalten
wurden.309 Dabei bedeutet „Vorbehalt“, dass der Auftraggeber zu erkennen gibt, dass er
bestimmte Mängel nicht hinnehmen will. Das Wort „Vorbehalt“ muss also nicht verwen-
det werden.310
Auch und gerade wegen dieser Besonderheit ist es aus Sicht eines Bauherrn nahezu
unverzichtbar, den Zeitpunkt der Abnahme nicht zu „verpassen“. Es ist aus Sicht eines
Bauherrn oder auch einer diesen beratenden Person äußerst nachteilig, den Abnahmezeit-
punkt verstreichen zu lassen.
309
BGH, BauR 1997, 129, 130.
310
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 640, Rn. 77.
22 Zivilrechtliche Grundlagen805
In der Praxis ist zu beobachten, dass mitunter Auftraggeber nach einer „Vogel-Strauß-
Taktik“ gerade in diesem Zeitpunkt schlicht untätig bleiben und z. B. die Durchführung
einer verlangten oder vereinbarten förmlichen Abnahme ablehnen oder verzögern. Dies
ist unvernünftig, weil man nunmehr als Auftraggeber die Erklärung von Vorbehalten ver-
absäumt, die dafür sorgen könnten, dass trotz Abnahme die Beweislast für Mängel beim
Auftragnehmer bleibt.
Unseres Erachtens stellt es auch einen Haftungsgrund gegenüber dem Architekten dar,
wenn dieser bei beauftragter Leistungsphase 8 (nach Anlage 11 HOAI) schuldhaft den
Zeitpunkt verabsäumt, zu dem Vorbehalte zu erklären sind. Hier muss eine entsprechende
Beratung erfolgen.
Nur im Einzelfall können nach erfolgter Abnahme zugunsten des AG die Regeln des
ersten Anscheins greifen, wenn der AG alle möglichen Mangelursachen außerhalb des
Verantwortungsbereichs des AN ausschließen kann.311 Der sogenannte Beweis des ersten
Anscheins kommt in seinen Wirkungen denen der Beweislastumkehr sehr nahe.
Exkurs § 4 Abs. 10 VOB/B – Technische Abnahme Die Abnahme nach § 4 Abs. 10 VOB/B
dient der Vorbereitung der späteren endgültigen Abnahme und vermag als sogenannte „tech-
nische Abnahme“ nicht alle Abnahmewirkungen auszulösen.312 § 4 Abs. 10 VOB/B lautet:
Der Zustand von Teilen der Leistung ist auf Verlangen gemeinsam von Auftraggeber und
Auftragnehmer festzustellen, wenn diese Teile der Leistung durch die weitere Ausführung
der Prüfung und Feststellung entzogen werden. Das Ergebnis ist schriftlich niederzulegen.
Die Wirkungen einer solchen gemeinsamen Feststellung sind in § 4 Abs. 10 VOB/B nicht
genannt. Einigkeit besteht im juristischen Schrifttum dahingehend, dass die sogenannte
technische Abnahme weder zum Gewährleistungsbeginn noch zum sogenannten Gefahr-
übergang führen kann.
Aber Ein Teilaspekt der Abnahme wird sehr wohl berührt, nämlich der der Beweislast.
Gemeinsame Feststellungen bei einer technischen Abnahme führen zur Beweislastum-
kehr!313 Es ist also davon auszugehen, dass der AG beweisbelastet dafür ist, dass entgegen
der gemeinsamen Feststellungen andere Umstände vorliegen sollen. Für die Praxis kann
also bei vereinbarter VOB/B einem Unternehmer nur dringend angeraten werden, bei
Abdichtungsarbeiten rechtzeitig gemeinsame Feststellungen im Sinne von § 4 Abs. 10
VOB/B zu beantragen. Bei der Bauwerksabdichtung handelt es sich naturgemäß oftmals
um Leistungen, die nachfolgend verdeckt werden. Die vertikale Abdichtung wird z. B.
in aller Regel durch Auffüllung verdeckt. Zu beachten ist auch, dass § 14 Abs. 2 Satz 3
VOB/B den Auftragnehmer unter dem Stichpunkt „Abrechnung“ zur rechtzeitigen Bean-
tragung gemeinsamer Feststellungen verpflichtet.
311
Leinemann/Jansen, § 12 Rn. 55.
312
BGH, NJW 1968, 1524.
313
Leinemann/Leinemann, § 4 Rn. 193.
806 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Beispiel Es war eine Abdichtung gegen drückendes Wasser vereinbart. Der Unternehmer
hat nur eine Abdichtung gegen nicht drückendes Wasser hergestellt. Er behauptet, es sei
nach Vertragsschluss eine „schlankere“ Ausführung gegen entsprechende Vergütungsredu-
zierung vereinbart worden. Nach erfolgter Abnahme zeigen sich nun Feuchtigkeitsschäden.
Man könnte nun (s. o.) behaupten, dass der Besteller die volle Beweislast dafür trägt, dass
der Unternehmer die Verantwortung für den Mangel trägt. Dies würde an und für sich auch
die Beweislast dafür umfassen, dass die vom Unternehmer behauptete Vertragsänderung
314
Leinemann/Leinemann, § 4 Rn. 194; Ing/Ko/Oppler, § 4 Abs. 10 Rn. 9.
315
Einschränkend deshalb auch Ing/Ko/Oppler, § 4 Abs. 10 Rn. 9.
316
K/M/Merkens, § 4 VOB/B, Rn. 225.
317
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 12.1.2015, § 640 Rn. 15 ff.
318
BGH, BauR 2003, 1383.
319
Vgl. BGH, BauR 2003, 1383; so auch schon BGH, BauR 1995, 92.
22 Zivilrechtliche Grundlagen807
nicht vereinbart wurde. Der Besteller müsste also demzufolge beweisen, dass eine Ände-
rung nicht vereinbart wurde.
Dies sieht der BGH anders.320 Liegen Mangelerscheinungen vor und beruhen diese
darauf, dass vom ursprünglich vereinbarten Leistungsumfang abweichend ausgeführt
wurde, muss der Auftragnehmer die Vertragsänderung beweisen.
Beweislast für vor Abnahme beseitigte Mängel Kurz beleuchtet werden soll die praktisch
wichtige Frage, inwieweit der Unternehmer, dessen Werkleistung nicht abgenommen
worden ist, die Beweislast für die vertragsgerechte Ausführung auch dann trägt, wenn die
angeblichen Mängel vom Auftraggeber beseitigt worden sind. Hier sollte ein Unternehmer
zumindest die Rechtsprechung des BGH kennen, wonach der Unternehmer, der Vergütung
fordert, die Darlegungs- und Beweislast für die Mängelfreiheit seiner Leistung auch dann
trägt, wenn die Mängel beseitigt sind und der Besteller diese Mängel zuvor gegenüber dem
Unternehmer gerügt hat.321 Hierzu wurden aus dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung
auch gegenteilige Auffassungen vertreten. In einer fehlenden oder unzureichenden Doku-
mentation der durch Ersatzvornahme beseitigten angeblichen Mängel kann nach Auffas-
sung des BGH eine Beweisvereitelung liegen, wenn das Vorliegen von Mängeln erst im
Laufe der Mängelbeseitigungsarbeiten überprüft werden kann und der Auftraggeber dem
Auftragnehmer keine dahingehenden Feststellungen ermöglicht. Beruht die Beweisver-
eitelung außerdem auf einer Verletzung der Kooperationspflicht des Auftraggebers, kann
hieraus eine Umkehr der Beweislast für das Vorliegen der Mängel zu seinen Lasten folgen.
Das sind also recht enge Voraussetzungen, bei denen eine Beweislastumkehr in Betracht
kommen kann.322 Angesichts der Rechtsprechung und wohl auch im Übrigen herrschen-
den Auffassung sollte man als Unternehmer für den Fall von anstehenden Ersatzvornah-
men jede erdenkliche Maßnahme der Dokumentation vornehmen.
320
Vgl. BGH, BauR 2003, 1383; so auch schon BGH, BauR 1995, 92.
321
BGH, BauR 2009, 237.
322
BGH, BauR 2009, 237.
323
Ulbrich/Braun, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, DIN 18 336, Rn. 141.
324
Ulbrich/Braun, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, DIN 18 336, Rn. 141.
808 V. Hafkesbrink und U. Kühne
sollte von Unternehmern bedacht werden, dass Gerichte, von Sachverständigen als deren
Hilfspersonen beraten, diesen Verpflichtungen erhöhte Bedeutung zumessen.325 Hierzu
gehören auch Prüfungen zur Qualitätskontrolle von auf die Baustelle gelieferten Baustof-
fen. Hier kann auch nach Abnahme eine Beweislastumkehr zulasten des Auftragnehmers
in Betracht kommen.
Beginn der Verjährungsfrist für Sachmängelansprüche Die Verjährungsfrist für die Sach-
mängelansprüche des Auftraggebers beginnt nach § 634 a Abs. 2 BGB wie auch nach § 13
Abs. 4 Nr. 2 VOB/B grundsätzlich mit der Abnahme. Das ist sicherlich eine ganz wesent-
liche Wirkung und Rechtsfolge, die mit der Abnahme verbunden ist.
Gefahrübergang Mit der Abnahme geht auch die sogenannte Gefahr für die abgenom-
mene Bauleistung gemäß § 644 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. nach § 12 Abs. 6 VOB/B auf den
Auftraggeber über.
Was ist gemeint mit dem Begriff „Gefahr“?
Der Jurist kennt zwei Arten der „Gefahr“. Gemeint ist mit dem Begriff der Gefahr
immer eine bestimmte Störung der Vertragsabwicklung, nämlich die Beschädigung und/
oder Zerstörung der Leistung, die keine der Parteien zu vertreten hat.
Hier ist zunächst der Begriff der Leistungsgefahr zu klären.326 Gemeint ist der Umstand,
dass die Leistung teilweise oder auch vollständig untergeht bzw. beschädigt wird und
neu hergestellt werden muss, auch wenn keine der Parteien ein Verschulden trifft. Diese
Leistungsgefahr trägt vor Abnahme grundsätzlich immer der Auftragnehmer. Der Auftrag-
nehmer muss vor Abnahme grundsätzlich erneut leisten, auch wenn die Leistung unver-
schuldet untergeht.327 Das ergibt sich aus seiner unveränderten Pflicht zur Herstellung des
Werks, § 631 Abs. 1 BGB. Eine Ausnahme würde nur gelten, wenn die Leistung gemäß
§ 275 Abs. 1 BGB unmöglich würde. Das ist aber sicherlich nur ganz selten der Fall. Nach
Abnahme trägt die Leistungsgefahr alleine der AG. Das ist gemeint, wenn es zuweilen
heißt, dass sich das Werk auf das abgenommene Werk konkretisiert.
Eine andere Frage ist die, ob und wie die beschädigte/zerstörte Leistung bezahlt wird
und wie dann auch die erneute Leistungserbringung zu bezahlen ist. Dies soll durch den
Begriff Vergütungsgefahr geklärt werden. Dieser regelt die Frage, ob der Auftraggeber die
vereinbarte Vergütung auch bei vorzeitiger Beschädigung oder beim vorzeitigen Unter-
gang der Leistung zu zahlen hat. Nach der Abnahme hat der Besteller die Leistung unein-
geschränkt zu bezahlen und der Unternehmer ist nicht zur Neuherstellung verpflichtet,
wenn das Werk aus nicht vom Auftragnehmer zu vertretenden Umständen beschädigt oder
zerstört wird. Diese Vergütungsgefahr (und nur diese!) geht nach § 644 BGB auch vor
Abnahme über, wenn sich der AG in Annahmeverzug befindet. Gleiches gilt nach § 645
325
Ulbrich/Braun, Beck’scher VOB-Kommentar, VOB Teil C, DIN 18 336, Rn. 141.
326
K/M/Merkens, § 12 VOB/B, Rn. 112.
327
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 644 Rn. 4.
22 Zivilrechtliche Grundlagen809
BGB in den hier geregelten Fällen. Die Leistungsgefahr bleibt beim AN auch in diesem
Fall bis zur Abnahme! Er muss also auch in den Fällen des § 644 und § 645 BGB erneut
leisten. Die Vergütung für die vollständig erbrachte bzw. unbeschädigte Leistung richtet
sich dann nach den vertraglichen Vereinbarungen. Für die Vergütung der beschädigten
Leistung wiederum gilt § 645 BGB. Auch § 7 VOB/B regelt nur diese Frage der Vergütung!
In den Fällen von §§ 644, 645 BGB wie auch von § 7 VOB/B können wir festhalten,
dass der Unternehmer – soweit die Voraussetzungen des Gefahrübergangs vorliegen – auf
Verlangen des Bestellers auch bei untergegangenen Leistungen erneut leisten muss. Er
erhält aber dann zweimal Vergütung, einmal für die beschädigte Leistung, andererseits für
die schlussendlich vollständig erbrachte Leistung.
Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass in der Rechtsprechungspraxis eine messer-
scharfe Trennung dieser zwei „Seiten einer Medaille“ mitunter nicht vorgenommen wird.
Möglicher Ausschluss von Vertragsstrafen Eine verwirkte Vertragsstrafe kann der Auf-
traggeber nur verlangen, wenn er sich diese bei der Abnahme ausdrücklich vorbehalten
hat, § 341 Abs. 3 BGB, § 11 Abs. 4 VOB/B. Der Vorbehalt muss also grundsätzlich bei
und nicht vor oder nach der Abnahme erklärt werden. Die Beweislast für den erklärten
Vorbehalt liegt beim Auftraggeber.328
Bei einer förmlichen Abnahme ist der Vorbehalt in die Niederschrift aufzunehmen, bei
der fiktiven Abnahme ist er innerhalb der Fristen des § 12 Abs. 5 VOB/B (12 bzw. 6 Werk-
tage) zu erklären. Bei der schlüssig erklärten Abnahme ist der Vorbehalt bis zu dem Zeit-
punkt zu erklären, zu welchem das Verhalten die Abnahmeerklärung darstellt.
In der Praxis wird von gewerblichen Auftraggebern dieses Vorbehaltserfordernis durch Ver-
tragsbedingungen hinausgeschoben bis zur Schlusszahlung. Klauseln lauten schlicht z. B.:
Der Vorbehalt der Vertragsstrafe kann bis zur Schlusszahlung erklärt werden.
Ein solches Hinausschieben bis zur Schlusszahlung ist wiederholt vom BGH329 auch in
vorformulierten Vertragsbedingungen für zulässig erachtet worden, auch wenn damit der
Vorbehalt auf unabsehbare und sehr lange Zeit nach Abnahme hinausgeschoben werden
kann. Man kann das letztlich damit rechtfertigen, dass ja im Übrigen immer auch die
weiteren Voraussetzungen der Vertragsstrafe vorliegen müssen, sodass der Anspruch nur
wegen des fehlenden Vorbehalts scheitern würde.
Möglicher Ausschluss von Sachmängelansprüchen
Grundsätzliches; so gut wie nie gegebener Ausschluss aller Sachmängelansprüche
Laienhaft wird des Öfteren formuliert, ein Auftraggeber habe Leistungen abgenommen
und dabei seien bestimmte Mängel erkennbar gewesen, weshalb Ansprüche ausgeschlos-
sen seien. Das ist in dieser Allgemeinheit falsch. Vor allem wird vielfach übersehen, dass
ein Schadensersatzanspruch auch bei Kenntnis von Mängeln nach der gesetzlichen Rege-
lung nicht ausgeschlossen ist!
328
OLG Frankfurt, Urteil vom 25.5.2005 – 1 U 172/04, BauR 2005, 1522 (Ls.); BGH, BauR 1977, 280.
329
BGH, BauR 2003, 870.
810 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Nimmt der Auftraggeber ein mangelhaftes Werk trotz Kenntnis eines Mangels ab, kann
er sich die verschuldensunabhängigen Sachmängelansprüche aus § 634 Nr. 1 bis 3 BGB
(Nacherfüllung, Selbstvornahme unter Aufwendungsersatz, Rücktritt oder Minderung)
nur erhalten, wenn er sie sich bei der Abnahme vorbehalten hat. Mit der Abnahme kann
also bei unterlassenem Vorbehalt der Verlust einiger Sachmängelansprüche verbunden
sein, aber eben auch nicht aller.
§ 640 Abs. 2 BGB lautet:
Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk gemäß Absatz 1 Satz 1 ab, obschon er den
Mangel kennt, so stehen ihm die in § 634 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Rechte nur zu, wenn er
sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält.
Bei einem VOB-Werkvertrag findet sich ein Hinweis auf zu erklärende Vorbehalte in § 12
Abs. 5 Nr. 3 VOB/B. Bei einer Abnahme ohne Vorbehalt (trotz Kenntnis) sind somit die
Ansprüche nach § 13 Absätze 5 und 6 VOB/B (Mängelbeseitigung einschließlich Selbst-
vornahme und Kostenvorschuss, Minderung) ausgeschlossen! Bei einem BGB-Vertrag
sind ebenfalls „nur“ die Ansprüche nach § 634 Nr. 1 bis 3 BGB ausgeschlossen, also
Nacherfüllung, Ersatzvornahmekostenerstattung, Rücktritt und Minderung.
Kenntnis Erforderlich ist für den Ausschluss der vorgenannten Ansprüche außerhalb des
Schadensersatzes positive Kenntnis des Auftraggebers vom Mangel. Ein bloßes „Kennen-
müssen“ reicht nicht aus. Auch das wird in der Baupraxis mitunter verkannt. Das Bekannt-
sein von Mängeln wird kaum einmal vom Auftragnehmer bewiesen werden können. Das
bloße Kennen von Erscheinungsbildern bedeutet insoweit noch nicht die Kenntnis, dass
insoweit auch Mängel vorliegen.
Kennt also der Besteller zwar den Umstand, dass die Vertikalabdichtung eine bestimmte
Schichtendicke hat, kann ihm aber die Kenntnis der hieraus resultierenden Mangelhaftig-
keit nicht nachgewiesen werden, ist ein Anspruchsausschluss nicht gegeben.
Bereits an der fehlenden Kenntnis scheitert der in der Praxis oft von Unternehmern/
Auftragnehmern bemühte Ausschluss von Ansprüchen. Dafür genügt es nicht einmal, dass
die Mangelhaftigkeit der Bauwerksabdichtung für jedermann offensichtlich war. Der Auf-
traggeber und nicht irgendein Dritter muss die Mängel positiv erkannt haben!
Wir werden erörtern, dass es in aller Regel ein „Eigentor“ des Unternehmers ist, wenn
dieser den Besteller bzw. Anfraggeber darauf verweist, dass dieser ja die Mängel gekannt
hat oder hätte erkennen können und dass er deswegen keine Nacherfüllung verlangen
könne. Damit lehnt der Auftragnehmer nämlich unter Umständen schlüssig eine Nacher-
füllung ernsthaft und endgültig ab, abgesehen davon, dass damit der Mangel in aller Regel
gar nicht in Abrede gestellt wird.
Selbst bei erkannten Mängeln kein vollständiger Anspruchsausschluss Auch wenn ein
Vorbehalt wegen bekannter Mängel nicht erklärt wurde, können von einem Verschul-
den des Auftragnehmers abhängige Ansprüche, also vor allem Schadensersatzansprü-
che, weiter geltend gemacht werden! Nur in ganz besonderen, vom Auftragnehmer zu
22 Zivilrechtliche Grundlagen811
beweisenden, Ausnahmefällen können auch Umstände vorliegen, die den Schluss nahele-
gen, dass der Auftraggeber auf Sachmängelansprüche verzichtet, wenn er einen Vorbehalt
bei bekannten Mängeln nicht erklärt. Das wird kaum einmal in Betracht kommen.
Mängelbeseitigungskosten (unabhängig von der tatsächlichen Beseitigung bemisst
sich danach oftmals der „kleine“ Schadensersatz statt der Leistung) können somit bei
Verschulden des Auftragnehmers auch dann noch als Schadensersatz vom Auftraggeber
geltend gemacht werden, wenn er sich seine Gewährleistungsrechte bei Abnahme nicht
vorbehalten hat. Es ist also ein (durchaus verbreiteter) Irrtum, wenn ein Auftragnehmer
meint, Nachbesserungskosten könnten bei bekannten Mängeln nicht im Wege des Scha-
densersatzes verlangt werden.
Was geschieht nun, wenn ein Auftraggeber dem Auftragnehmer vor Abnahme alle
möglichen Mängel nennt, jedoch keinen Vorbehalt bei der Abnahme erklärt? Kann er
sodann – ohne dem Auftragnehmer Gelegenheit zur Nachbesserung zu gewähren – sofort
Schadensersatz verlangen? Das würde voraussetzen, dass nicht nur der Auftraggeber
keine Nacherfüllung verlangen kann, sondern auch der Auftragnehmer nicht nachbes-
sern darf, selbst wenn er dies möchte. Das wird im Ergebnis überwiegend nicht ange-
nommen. Es wird vielmehr die Auffassung vertreten, dass der Auftraggeber zumindest
verpflichtet ist, eine angebotene Nachbesserung anzunehmen.330 Dabei wird letztlich
argumentiert, dass der Auftragnehmer durch ein Versäumnis des Auftraggebers, nämlich
den unterlassenen Vorbehalt, nicht schlechter gestellt werden darf als bei einem erklärten
Vorbehalt.331 Voraussetzung soll die ernsthafte Bereitschaft des Auftragnehmers hierzu
und die unverzügliche, sachgerechte Nachbesserung durch den Auftragnehmer sein. Im
Ergebnis besteht also wohl doch ein Nachbesserungsrecht des Auftragnehmers. Allerdings
muss dieser dann auch rasch tätig werden. Es ist im Übrigen der Vollständigkeit halber
darauf hinzuweisen, dass es auch Stimmen gibt, die ein Nacherfüllungsrecht des Auf-
tragnehmers ablehnen.332 Kontraproduktiv ist jedenfalls die in der Praxis immer wieder
anzutreffende Auffassung von Auftragnehmern, der Auftraggeber könne wegen der ihm
bekannten Mängel keine Nachbesserung/Nacherfüllung verlangen. Diese Erklärung kann
im Einzelfall nämlich zulasten des Unternehmers so ausgelegt werden, dass eine Nach-
besserungsaufforderung ihm gegenüber überflüssig ist, weil er ohnehin nicht nachbessert.
Jedenfalls aber bietet er damit keine Nacherfüllung an, was ihm ja nach der vorgenannten
günstigen Auffassung möglich wäre. Der Besteller muss ihn also in diesem Fall nach allen
Auffassung nicht zur Nacherfüllung auffordern; er kann sofort Schadensersatz verlangen.
Und das sind nun einmal regelmäßig die Mangelbeseitigungskosten, auch wenn der Auf-
traggeber gar nicht nachbessern will!
330
Dafür im Sinne eines Nachbesserungsrechts K/M/Havers, § 12 VOB/B, Rn. 52; ebenso Leine-
mann/Jansen, § 12 Rn. 49.
K/M/Havers, § 12 VOB/B, Rn. 52 „AG stünde besser da“; ähnlich Leinemann/Jansen, § 12
331
Verzinsung und Ende der Schutzpflichten Als weitere Wirkung ist der Werklohn gesetz-
lich zu verzinsen, was sich aus § 641 Abs. 4 BGB ergibt. Die Schutzpflichten des Auftrag-
nehmers nach § 4 Abs. 5 VOB/B enden.335
333
Vgl. zu dieser gesetzlichen Regelung Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand
12.1.2015, § 641 Rn. 13 ff.
334
BGH, BauR 2004, 1940.
335
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 640 Rn. 14.
22 Zivilrechtliche Grundlagen813
Gesetzliche Definition? Grund für Abnahmeerfordernis Im Gesetz ist der Begriff der
Abnahme nicht definiert oder erläutert. In § 640 BGB heißt es lediglich:
(1) 1 Der Besteller Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzu-
nehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. 2
Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. 3 Der Abnahme
steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer
bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist.
Der Gesetzgeber setzt die Definition des Begriffs „Abnahme“ als bekannt voraus. Auch
die VOB/B hat zwar in § 12 eine recht umfangreiche Regelung getroffen über die Art bzw.
das Verfahren, wie die Abnahme vorgenommen werden kann, eine Definition findet sich
jedoch auch hier nicht.
Dass beim Werkvertrag überhaupt eine Abnahme stattzufinden hat im Gegensatz zu
anderen Verträgen, hängt damit zusammen, dass beim Werkvertrag der Unternehmer einen
Erfolg schuldet. Beim Kaufvertrag genügt die bloße Übergabe der Sache, weil der Ver-
käufer primär die Eigentumsverschaffung schuldet und bei Vertragsabschluss die Sache,
um die es geht, in der Regel bereits fertig vorliegt. Beim Dienstvertrag werden eben nur
Dienste geschuldet, unabhängig von einem Erfolg.
Beim Werkvertrag wird indes die Sache erst hergestellt, sodass bei Vertragsschluss
regelmäßig nicht bekannt ist, ob die später erbrachte Leistung dem vertraglichen Willen
der Vertragsparteien entspricht, insbesondere natürlich dem Willen des Auftraggebers/
Bestellers.
Selbstverständlich haben auch bei anderen Verträgen Schlechtleistungen rechtliche
Folgen. Beim Kaufvertrag gibt es ebenso wie beim Werkvertrag Sachmängelansprüche.
Die werkvertraglichen Regelungen verweisen auch des Öfteren auf die kaufvertraglichen
Regelungen. Bei anderen Verträgen wie z. B. Dienstverträgen kommen zumindest Scha-
densersatzansprüche in Betracht, wenn Vertragspflichten schuldhaft verletzt werden.
Leinemann/Jansen, § 12 Rn. 101 unter Hinweis auf BGH, BauR 1973, 192, 193; BGH, BauR
336
Ob ein Auftraggeber zumindest berechtigt wäre, das nicht abnahmefähige Werk abzu-
nehmen, ist streitig.
Eine Kündigung des Vertrags schließt die rechtsgeschäftlichen Abnahmeformen im
Sinne einer Billigung der gesamten geschuldeten Leistung als im Wesentlichen vertrags-
gerecht naturgemäß aus. Durch die Kündigung wird ja gerade verhindert, dass die gesamte
vereinbarte Leistung zur vertraglich vereinbarten Ausführung kommt. Anders ist dies
jedoch im Hinblick auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen zu beurteilen. Der
BGH hat zwischenzeitlich klargestellt, dass die wesentlichen Abnahmewirkungen auch
beim gekündigten Vertrag mit Abnahme eintreten.338 Dies gilt für den Beginn der Verjäh-
rung von Sachmängelansprüchen und die Beweislastumkehr, aber auch für die Fälligkeit
der Vergütung.
Die (beim Bauvertrag ohnehin kaum mögliche) körperliche Hinnahme der Leistung allein
als Leistungserfüllung reicht beim Werkvertrag nicht aus, weil dem Besteller die Möglich-
keit eingeräumt wird, zu überprüfen, ob das Werk auch ordnungsgemäß erstellt wurde.
Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung bedeutet Abnahme beim Werk-
vertrag nicht nur die körperliche Entgegennahme des Leistungsgegenstands, sondern auch
und vor allem die ausdrücklich oder stillschweigend erklärte Billigung als der Haupt-
sache nach vertragsgemäße Leistungserfüllung.339 Die Abnahme stellt also nichts anderes
dar als genau diese Erklärung. Wenn man diese Definition verinnerlicht hat, lassen sich
die meisten Fälle, bei denen nur ein schlüssiges Verhalten des Bestellers vorliegt, ohne
Weiteres lösen.
Es bedarf nicht zwingend der ausdrücklichen Äußerung des Bestellers („Ich billige die
Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht.“ oder „Die Leistungen werden abgenom-
men.“), vielmehr genügt auch ein konkludentes, also schlüssiges Verhalten.
Selbst wenn bei der Abnahme schwerwiegende Mängel vorliegen, kann der Auftrag-
geber die Abnahme erklären, er muss es natürlich nicht. Tut er es, treten die Wirkungen
der Abnahme ein. Wenn der Auftraggeber nun die Abnahme erklärt, obwohl er dazu nicht
verpflichtet wäre, muss er auch die erforderlichen Vorbehalte (Vertragsstrafe, Mängel)
erklären, um nicht bestimmter Rechte verlustig zu gehen.
338
BGH, BauR 2003, 689.
339
So schon das Reichsgericht in RGZ 107, 343.
22 Zivilrechtliche Grundlagen815
Wie soeben ausgeführt, kann der Besteller die Abnahme ausdrücklich oder auch schlüs-
sig erklären.
Im Falle der ausdrücklichen Abnahme gibt der Auftraggeber ausdrücklich zu verstehen,
dass er das Werk abnimmt. Einfaches Beispiel wäre, dass ein Formular mit der Überschrift
„Abnahme“ verwendet wird, in welchem dann angekreuzt wird: „Die Leistung wird abge-
nommen“. Eine ausdrückliche Abnahme erfolgt in der Regel im Rahmen der förmlichen
Abnahme, die in § 12 Abs. 4 VOB/B eine eigene vertragliche Regelung erfahren hat. Bei
öffentlichen Auftraggebern wird die ausdrückliche Abnahme der Regelfall sein, da im
Vertrag zumeist die Durchführung einer förmlichen Abnahme vorgesehen ist und diese in
der Regel auch durchgeführt wird.
Neben der tatsächlich erklärten (sei es ausdrücklich oder auch durch schlüssiges Ver-
halten) Abnahme gibt es auch die sogenannte fiktive Abnahme. Hinter diesem Begriff
verbirgt sich der Umstand, dass eine ausdrückliche oder schlüssige Abnahmeerklärung
gerade nicht vorliegen muss, sondern fingiert wird. Die Erklärung der Abnahme mit z. T.
unterschiedlichen Folgen wird als gegeben unterstellt, eben fingiert.
Voraussetzungen der förmlichen Abnahme In sehr vielen Verträgen wird – oftmals formu-
larmäßig durch den Auftraggeber vorformuliert – die Erklärung der Abnahme im Rahmen
eines förmlichen Verfahrens vereinbart. Diese wird verkürzt als förmliche Abnahme
bezeichnet. Die förmliche Abnahme findet in einem VOB/B-Vertrag außerdem dann statt,
wenn eine Partei dies verlangt, § 12 Abs. 4 VOB/B. Dieses Verlangen erfolgt oft bereits
im Vertrag selbst durch eine entsprechende Regelung (z. B. „Es findet in jedem Fall eine
förmliche Abnahme statt.“). Dann ist das förmliche Abnahmeverlangen im Vertrag bereits
geregelt bzw. verlangt.
816 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Bei einer vereinbarten förmlichen Abnahme wird gleichzeitig eine fiktive Abnahme
ausgeschlossen sein, jedenfalls die nach § 12 Abs. 5 VOB/B.340
Verhältnis der förmlichen Abnahme zur „formlosen“ Abnahme Auch wenn die Erklä-
rung der Abnahme im Rahmen einer förmlichen Abnahme vereinbart sein mag, ist es dem
Besteller/Auftraggeber unbenommen, die Abnahme gleichwohl außerhalb des Verfahrens
zu erklären. Tut er dies ausdrücklich, ist kaum darüber zu diskutieren, ob nun die Abnah-
mewirkungen nur deshalb ausgeschlossen sind, weil ja eine förmliche Abnahme verein-
bart wurde. Wir meinen, dass es der Besteller/Auftraggeber jederzeit in der Hand haben
muss, die Abnahme mit allen Rechtswirkungen auch außerhalb eines förmlichen Verfah-
rens zu erklären. Die Frage ist nur, ob er das getan hat. Eine vorschnelle Annahme der
Abnahmeerklärung verbietet sich, weil ja gerade eine förmliche Abnahme vereinbart ist.
Nichts anderes kann dann gelten, wenn sich nachweisen lässt, dass der Besteller/Auf-
traggeber durch schlüssiges Verhalten die Abnahme erklärt hat. Die herrschende Auffas-
sung im Schrifttum und in der Rechtsprechung sieht dies ähnlich und weist darauf hin,
dass die Parteien einvernehmlich das Erfordernis der förmlichen Abnahme aufheben bzw.
ändern können und dass dann wiederum eine schlüssige Abnahme in Betracht kommt.341
Dies soll z. B. anzunehmen sein, wenn die Parteien nach Vorlage einer Schlussrechnung
monatelang nicht auf das förmliche Verfahren der Abnahme zurückkommen.342
Ein Auftraggeber wird also durch Vereinbarung bzw. Verlangen einer förmlichen
Abnahme im Ergebnis den Folgen einer schlüssig erklärten Abnahme nicht entgehen
können. Bei der Prüfung einer schlüssigen Abnahme ist aber zu bedenken, dass die Par-
teien eben eine förmliche Abnahme vereinbart haben. Eine Billigung als im Wesentlichen
vertragsgerecht kann also durch schlüssiges Verhalten erst dann angenommen werden,
wenn gleichzeitig anzunehmen ist, dass auf die Durchführung einer förmlichen Abnahme
verzichtet wurde. Solange man einen Verzicht auf die förmliche Abnahme nicht annehmen
kann, wird man – gleichgültig welches Verhalten man beurteilt – eine schlüssige Erklä-
rung, dass die Leistung als vertragsgerecht entgegen genommen werden soll, schlechter-
dings nicht annehmen können. Im Einzelfall kann schon aufgrund von Mängelrügen von
einem Verzicht nicht ausgegangen werden.343
Beispiel Wenn die Leistung über einen längeren Zeitraum in Gebrauch genommen wurde
oder auch dem eigenen Auftraggeber übergeben wurde, wird man an einen Verzicht auf
die Durchführung der förmlichen Abnahme denken können.
Entschieden hat dies der BGH für den Fall, dass der Auftraggeber mehrere Monate auf
eine Schlussrechnung und hierauf erfolgte Mahnungen geschwiegen hat.344 Da es sich um
Ausnahmetatbestände handelt, ist Zurückhaltung geboten. So soll nach einer Entscheidung
340
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 640 Rn. 92.
341
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 640 Rn. 58.
342
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 640 Rn. 60.
343
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 640 Rn. 60.
344
BGH, BauR 1977, 344.
22 Zivilrechtliche Grundlagen817
des OLG Düsseldorf vom 20. 11. 1998345 die bloße Anforderung einer Schlussrechnung
durch den Auftraggeber/Besteller noch kein Verzicht auf die förmliche Abnahme sein,
weil zur Legung der Schlussrechnung nur die Fertigstellung der Arbeiten erforderlich sein
soll, nicht jedoch die Abnahme. Im entschiedenen Fall waren jedoch ohnehin fortwährend
Mängel gerügt worden, die auch als wesentlich einzustufen waren, nämlich Unebenheiten
am Außenputz. Ansonsten wäre die Auffassung des OLG Düsseldorf jedenfalls bei einem
VOB/B-Vertrag zumindest zweifelhaft. Allgemein wird vertreten, dass die Schlussrech-
nung mit abnahmereifer Fertigstellung zu legen sei.346 Geht auch ein Auftraggeber hiervon
aus, könnte man in der Anforderung zumindest einen Ansatz auch für eine schlüssige
Abnahme erkennen.
345
BGH, BauR 1999, 404 ff.
346
Leinemann/Hilgers, § 14 Rn. 51.
347
BGH, BauR 1989, 727.
348
OLG Bamberg, BauR 1998, 892: nach 6 Monaten keine Berufung auf förmliche Abnahme, wenn
in diesem Zeitraum förmlich abzunehmen war; OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.9.2002, IBR 2003,
669; jüngst auch OLG Jena, Urteil vom 25.5.2005 – 4 U 159/02, IBR 2005, 527.
349
Werner/Pastor, Rn. 1355.
818 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Die förmliche Abnahme im Rechtsstreit Fraglich ist, wie mit der vereinbarten förmlichen
Abnahme umzugehen ist, wenn der Besteller erst im Rechtsstreit einwendet, dass eine
förmliche Abnahme vereinbart worden sei und diese nicht durchgeführt wurde.
Wendet in einem Rechtsstreit der Auftraggeber ein, es müsse eine förmliche Abnahme
durchgeführt werden, werden zu diesem Einwand unterschiedliche Auffassungen vertre-
ten. Eine Auffassung meint, dass für den Fall, dass keine Mängel vorgetragen werden, das
Verlangen nach einer förmlichen Abnahme treuwidrig sein soll.
Ganz grundsätzlich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es in der Tat Rechtsprechung
gab, die es als ausreichend erachtet hat, dass vom Auftragnehmer gar nichts zur Abnahme
vorgetragen wurde. Wurden vom Besteller keine Mängel vorgetragen, kam es auf die
Abnahme eben nicht an.350 Ist jedoch vereinbart, dass eine Abnahme förmlich durchzu-
führen ist, bestehen gegenüber dieser Auffassung Zweifel. Die Auffassung kann bei ver-
einbarter förmlicher Abnahme nur dann zutreffend sein, wenn tatsächlich die Parteien
auf diese Abnahmeform verzichtet haben oder wenn eben eine Berufung auf fehlende
Abnahme treuwidrig wäre. Von daher hat das OLG Schleswig351 auch konsequent eine
Vergütungsklage abgewiesen, wenn eine förmliche Abnahme vereinbart bzw. verlangt
worden war, diese aber nicht durchgeführt worden ist. In einem solchen Fall könnte man
allenfalls daran denken, dass der Auftragnehmer durch seine Klageeinreichung schlüssig
auch die Abnahme verlangt. Im Übrigen dürfte es zutreffend sein, dass der Auftragnehmer
zumindest eine Frist zur Abnahme gesetzt hat.
Regelungen zur Durchführung der förmlichen Abnahme Wie ein förmliches Verfahren
dann durchzuführen ist, ist oft vertraglich nicht geregelt. Dies ist unschädlich, wenn die
Parteien die VOB/B vereinbart haben. Dort heißt es in § 12 Abs. 4:
1. Eine förmliche Abnahme hat stattzufinden, wenn eine Vertragspartei es verlangt. Jede
Partei kann auf ihre Kosten einen Sachverständigen zuziehen. Der Befund ist in gemeinsamer
Verhandlung schriftlich niederzulegen. In die Niederschrift sind etwaige Vorbehalte wegen
bekannter Mängel und wegen Vertragsstrafen aufzunehmen, ebenso etwaige Einwendungen
des Auftragnehmers. Jede Partei erhält eine Ausfertigung.
2. Die förmliche Abnahme kann in Abwesenheit des Auftragnehmers stattfinden, wenn der
Termin vereinbart war oder der Auftraggeber mit genügender Frist dazu eingeladen hatte. Das
Ergebnis ist dem Auftragnehmer alsbald mitzuteilen.
Zweck der förmlichen Abnahme ist es, gemeinsame Feststellungen zu treffen. Dies hat
sicherlich den Vorteil, frühzeitig Meinungsverschiedenheiten zu klären oder jedenfalls
solche herauszuarbeiten. Weiter können Beweisschwierigkeiten und Unklarheiten durch
gemeinsame Feststellungen reduziert werden. Insoweit ergeben sich Parallelen zum
gemeinsamen Aufmaß. Vorbehalte müssen im Rahmen der förmlichen Abnahme in die
Niederschrift selbst aufgenommen werden, was ebenfalls Unklarheiten beseitigt.
OLG Hamm, BauR 1993, 741; zitiert von Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand
350
Die Regelungen beschränken sich letztlich darauf, dass jede Partei einen Sachverstän-
digen hinzuziehen kann, der Befund in gemeinsamer Verhandlung schriftlich niedergelegt
wird und dass in diesen Vorbehalte wegen Mängeln und Vertragsstrafen aufzunehmen sind
wie auch Einwendungen des Auftragnehmers. So spärlich diese Regelungen auch sein
mögen, sie sind bei vereinbarter förmlicher Abnahme umzusetzen, wenn die förmliche
Abnahme von Anfang vereinbart ist oder wenn sie eben von einer Vertragspartei verlangt
wird.
Zur förmlichen Abnahme sollte ein Termin gemeinsam festgelegt werden, bei dem
beide Parteien – grundsätzlich – anwesend sein müssen. Eine einseitige Festlegung durch
entsprechende Einladung ist möglich, wobei die abzunehmende Leistung exakt bezeich-
net werden muss. Als angemessene Ladungsfrist wird gemeinhin die von § 12 Abs. 1
VOB/B (12 Werktage) angenommen. Sofern ein Termin nicht bestimmt wird trotz entspre-
chender Anregung des Auftragnehmers, ist der Auftragnehmer berechtigt, den Auftrag-
geber zu mahnen. Abgesehen hiervon kann dann gleichzeitig die Fiktion des § 640 Abs. 1
Satz 3 BGB eintreten, wenn nämlich die angemessene Frist abläuft.
Sofern auch eine Mahnung erfolglos bleibt, kann der Auftragnehmer eine Frist zur
Bestimmung des Termins und zur Erklärung der Abnahme bestimmen, sofern er dies
nicht schon vorher getan hat. Mit Fristablauf liegt dann sowohl Gläubigerverzug als auch
Schuldnerverzug vor. Aufgrund des Schuldnerverzugs ist der Auftragnehmer im Wege des
Schadensersatzes (§ 286 BGB i. V. m. § 280 BGB) dann so zu stellen, als hätte der Auf-
traggeber seine Verpflichtung erfüllt. Letztlich führt dies dann dazu, dass die Verjährungs-
frist für Sachmängelansprüche beginnt und sich die Beweislast umkehrt. Aufgrund von
§ 640 Abs. 1 Satz 3 BGB, der bei dieser Konstellation ja ohnehin zur Abnahme führt, kann
der Umweg über den Schuldnerverzug allenfalls noch eine Rolle spielen, wenn § 640
Abs. 1 Satz 3 BGB individualvertraglich abbedungen wurde.
Eine Abnahme in Abwesenheit des Auftraggebers kann der Auftragnehmer anders als
der Auftraggeber (§ 12 Abs. 4 Nr. 2 VOB/B) nicht durchführen. Dies wird vor dem Hinter-
grund klar, dass die Abnahme schließlich eine Erklärung des Auftraggebers ist.
Die Hinzuziehung eines Sachverständigen ist freigestellt. Jede Partei hat die Kosten
des Sachverständigen zu tragen.
Das Abnahmeprotokoll Der Befund, also festgestellte Mängel nebst etwaigen Einwen-
dungen des Auftragnehmers, ist in schriftlicher Niederschrift aufgrund gemeinsamer Ver-
handlung festzuhalten, also in gleichzeitiger Anwesenheit beider Vertragsteile. Beide Par-
teien haben die Möglichkeit, gleichberechtigt zu Wort zu kommen.
In dem Protokoll sind Vorbehalte wegen bekannter Mängel sowie wegen einer etwa
verwirkten Vertragsstrafe aufzunehmen. Ohne Aufnahme in das Protokoll sind diese Vor-
behalte nicht wirksam erklärt! Auch wenn die Vertragsparteien irrig davon ausgehen, einer
Aufnahme in das Protokoll bedürfe es nicht, ändert dies nichts an der fehlenden Erklärung.
Bei der Erstellung des Protokolls ist daher größte Vorsicht geboten.
Dies mag bei Sachmängelansprüchen unter Umständen nicht so gravierend sein, da
der Schadenersatzanspruch nach §§ 634 Nr. 4 BGB, 13 Abs. 7 VOB/B bei Vorliegen von
820 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Auch mit solchen Formulierungen muss noch kein Anerkenntnis des Auftragnehmers
oder eine gemeinsame Feststellung zum Ausdruck kommen, weil ja nicht vergessen werden
darf, dass eine Abnahme erfolgt und dass aus Sicht des Auftragnehmers der Auftraggeber
gezwungen ist, Vorbehalte zu erklären. Auch hier kann also die Unterschrift des Auftrag-
nehmers zum Ausdruck bringen, dass er die Vorbehalte nur zur Kenntnis nimmt. Hier
lässt sich das Ergebnis einer späteren richterlichen Auslegung allerdings schon nicht mehr
sicher voraussagen. Deshalb sollte ein Auftragnehmer auf eine Klarstellung drängen für
den Fall, dass er die Auffassung des Auftraggebers über das Vorliegen von Mängeln nicht
teilt. Er muss dann auf anderer Protokollformulierung bestehen oder seine Unterschrift mit
Einschränkungen versehen (z. B. „Mangelpunkte werden zur Kenntnis genommen“). Der
Auftragnehmer sollte und muss ungeprüft auch nicht etwa zum Ausdruck bringen, dass er
die Mangelbehauptungen ablehnt. Dies könnte nämlich dazu führen, dass er im Ergebnis
sein Nacherfüllungsrecht verliert, weil eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverwei-
gerung angenommen wird. Ist dies der Fall, kann der Auftraggeber auch ohne weitere
Fristsetzungen zur Selbstvornahme schreiten.
Regelmäßig werden auch Angaben zum Beginn, zur Dauer und zum Ende der Gewähr-
leistungsfrist gemacht. Auch hier ist Vorsicht geboten.
Beispiel Die Parteien haben einen Vertrag geschlossen auf der Grundlage der VOB/B.
Hierzu ist es gekommen, weil keine Zeit für den Auftraggeber war, ein ausgeklügeltes
Vertragswerk auszuformulieren. Vielmehr wurde ein Angebot des Auftragnehmers unter
352
BGH, BauR 2000, 1758.
22 Zivilrechtliche Grundlagen821
Hinweis darauf, dass die VOB/B Vertragsgrundlage wird, schlicht angenommen. Bei der
Abnahme am 12. 5. 2005 werden nun im Protokoll an entsprechender Stelle handschrift-
lich Daten eingegeben, sodass es heißt: „Beginn der Gewährleistung: 13. 5. 2005 – Ende
der Gewährleistung: 12. 5. 2010.“
An und für sich wäre bei Vereinbarung der VOB/B eine vierjährige Frist zugrunde-
zulegen. Der Auftraggeber wird nunmehr einwenden, dass die Gewährleistungsfrist ver-
längert wurde. Ein solcher Fall kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls entschieden
werden. Die VOB-Stelle Sachsen-Anhalt353 hatte in einem umgekehrten Fall, dass irrtüm-
lich die Gewährleistungsfrist verkürzt wurde, die Möglichkeit einer Anfechtung erwogen.
Hier ist allerdings im Einzelfall zu prüfen, ob überhaupt eine Vertragsänderung vorliegt.
Dazu müssten die Erklärungen nämlich im Bewusstsein abgegeben worden sein, über-
haupt eine vertragsrelevante Erklärung vorzunehmen. Üblicherweise sollen nämlich die
Angaben im Abnahmeprotokoll aus Sicht des Auftragnehmers nur klarstellende Funktion
haben. Liegen keine Anhaltspunkte dazu vor, dass eine Vertragsänderung gewollt war,
kann man auch nicht ohne Weiteres von einer Vertragsänderung ausgehen. Hier kommt es
jedoch maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an.
Im Falle einer schlüssigen Abnahme erklärt der Auftraggeber zwar nicht ausdrücklich
„Ich nehme ab.“ oder „Ich billige die Leistungen als im Wesentlichen vertragsgerecht
erbracht.“, jedoch lässt sich aus dem an den Tag gelegten Verhalten für einen objektiven
Dritten eindeutig der Erklärungsgehalt entnehmen, dass der Auftraggeber die Leistung des
Auftragnehmers als im Wesentlichen vertragsgerecht annehmen will.
Nicht zu verwechseln ist die schlüssige Abnahme mit der sogenannten fiktiven
Abnahme, auch wenn gemeinsame Anknüpfungspunkte vorliegen können, wie z. B. bei
der Ingebrauchnahme.
Als geradezu klassisches Beispiel für eine stillschweigende Abnahme durch schlüssiges
Verhalten wird die beanstandungslose Benutzung des Leistungsgegenstands genannt. Da
jedoch das heranzuziehende Verhalten eindeutig sein muss, muss mehr hinzukommen als
nur der Beginn der Nutzung. Ganz sicher kann der Beginn der Nutzung dann keine Rele-
vanz haben, wenn die Ingebrauchnahme nur unter dem Druck der Verhältnisse geschieht
(Beispiel: Bezug eines Hauses, weil die Mietwohnung zu einem bestimmten Zeitpunkt
gekündigt wurde und der Möbelwagen vor der Haustür steht). Die Rechtsprechung ist sich
zwischenzeitlich darüber einig, dass in der Regel ein bestimmter Zeitraum verstrichen sein
muss, in welchem der Besteller die Leistung geprüft haben muss. Wie lange dieser Zeit-
raum sein muss, bevor eine schlüssige Abnahme vorliegt, hängt vom Einzelfall ab.
353
IBR 2001, 171 mit Anmerkung Schelle, der auf eine versehentliche Falschbezeichnung hinweist
und die möglicherweise hieraus folgende Irrelevanz anderer Angaben als aus dem Vertrag ersichtlich.
822 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Weiteres Beispiel für eine Abnahme durch schlüssiges Verhalten kann die Vornahme
der vollständigen oder nahezu vollständigen Zahlung des Werklohnes sein. Beim Bezug
ist Folgendes zusätzlich zu beachten. Um das Merkmal „Billigung der Leistung als ver-
tragsgerecht“ hinreichend zu berücksichtigen, wird man dem Besteller eine gewisse Nut-
zungsdauer als Prüfungszeitraum einräumen müssen. Erst danach kann aus der Nutzung
der eindeutige Schluss gezogen werden, es handele sich um eine Entgegennahme des
Leistungsobjekts als im Wesentlichen vertragsgemäß. Es muss hier jeweils das Verhalten
analysiert werden.
Beachtet werden sollte auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. 6.
1999354, die im Leitsatz lautet:
Der Einzug in das Bauwerk oder dessen Nutzung sind jedenfalls dann keine hinreichende
Grundlage für eine konkludente Abnahme, wenn der Auftraggeber vor dem Einzug oder der
Nutzung die Abnahme zu Recht auf Grund von Mängeln verweigert hat, die zum Zeitpunkt
des Einzugs oder der Nutzung nicht beseitigt worden sind. Der Auftraggeber ist in einem
derartigen Fall nicht gehalten, beim Einzug oder mit dem Beginn der Nutzung die Abnahme-
verweigerung zu wiederholen.
Dieser Grundsatz gilt bei jeglicher schlüssigen Abnahme. Werden wesentliche Mängel
eingewandt, kann selbst die jahrelange Nutzung nicht als schlüssige Abnahme gewertet
werden. Dies hat der BGH klargestellt.355 Es lassen sich nun beliebig weitere Handlungen
aufzählen. Immer wird ein Gericht im Einzelnen exakt untersuchen, ob durch das Verhal-
ten wirklich eindeutig die Abnahme zum Ausdruck kommt.
Als Beispiel der Abnahme kommen auch Handlungen des Bestellers in Betracht, die
auf Leistungen des Unternehmers zwingend aufbauen. Beanstandet der Besteller die Leis-
tungen der Vertikalabdichtung nicht und lässt er dann die Außenanlagen errichten, kann
hiermit zum Ausdruck kommen, dass er die Leistungen des Unternehmers als vertrags-
gerecht billigt.
Die fiktive Abnahme ist im Gegensatz zur stillschweigenden Abnahme keine rechts-
geschäftliche Abnahme, auch wenn dies oft verwechselt wird. Es handelt sich streng
genommen um gar keine Abnahme im Sinne der mehrfach erläuterten Billigung durch
den Besteller/Auftraggeber, weil es auf die Erklärung überhaupt nicht ankommt. Es wird
vielmehr die Abnahme fingiert oder anders ausgedrückt unterstellt, ohne dass es auf den
Willen des Auftraggebers ankäme.
354
BGH, BauR 1999, 1186 ff.
355
BGH, BauR 2004, 670.
22 Zivilrechtliche Grundlagen823
Gesetzliche Abnahmefiktion des § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB Bei Vereinbarung der förm-
lichen Abnahme bzw. bei einem entsprechenden Verlangen danach kann eine fiktive
Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B – zumindest zunächst – nicht in Betracht kommen.356
Das ist herrschende Auffassung. Bei vereinbarter förmlicher Abnahme soll dem Auftrag-
geber zunächst das Recht eingeräumt sein, die Abnahme in einem förmlichen Verfahren
entweder ausdrücklich zu erklären oder diese ausdrücklich zu verweigern. Dem wider-
spräche es, wenn die Abnahmemöglichkeiten des § 12 Abs. 5 VOB/B, die ja ein Abnahme-
verlangen gerade nicht voraussetzen, eingreifen könnten.
Wie aber verhält es sich mit der gesetzlich nunmehr in § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB gere-
gelten Abnahmefiktion? § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB lautet wörtlich:
Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom
Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist.
Selbstverständlich muss es für den Auftraggeber möglich sein, trotz Einführung des § 640
Abs. 1 Satz 3 BGB die Durchführung einer förmlichen Abnahme wirksam zu verein-
baren, sodass diese zunächst auch durchgeführt werden müsste. Die Durchführung der
förmlichen Abnahme steht auch gar nicht im Widerspruch zur Abnahmefiktion des § 640
Abs. 1 Satz 3 BGB. Allerdings ist darauf zu achten, dass man bei der Ermittlung der Ange-
messenheit der Frist des § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB den Umstand berücksichtigen muss,
dass die Durchführung der Abnahme aufgrund der vertraglichen Vereinbarung förmlich
erfolgen muss. Gleiches gilt, wenn die Durchführung der förmlichen Abnahme vom Auf-
traggeber nach § 12 Abs. 4 VOB/B verlangt wird. In diesen Fällen ist die Frist, binnen
derer abgenommen werden muss, länger zu bemessen, als wenn keine förmliche Abnahme
vereinbart oder auch verlangt wäre.
Nach zutreffender Auffassung soll § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB gesetzliches Leitbild sein,
sodass diese Abnahmefiktion vom Auftraggeber auch nicht abbedungen werden kann,
jedenfalls nicht durch vorformulierte Vertragsbedingungen.357
Das heißt, der Unternehmer/Auftragnehmer kann die ohne Zweifel bestehenden Rechts-
unsicherheiten dazu,
schlicht und ergreifend dadurch ausräumen, dass er gemäß § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB den
Besteller nach abnahmefähiger Fertigstellung ausdrücklich dazu auffordert, seine Leistun-
gen binnen angemessener Frist abzunehmen.
356
BGH, BauR 1984, 167.
357
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 640 Rn. 85.
824 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Kommt der Besteller dieser Aufforderung nicht nach, gilt die Abnahme als erfolgt
mit nahezu sämtlichen Wirkungen! Eine Ausnahme gilt nur für den möglichen Verlust
von Ansprüchen wegen bekannter Mängel. Der Besteller verliert diese bei der fiktiven
Abnahme nach § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht, auch wenn er keinen Vorbehalt erklärt.
§ 640 Abs. 2 BGB verweist eben nur auf § 640 Abs. 1 Satz 1 BGB. Wie mit Vertragsstra-
fenansprüchen zu verfahren ist, ist streitig.
Streitig ist auch, wer zu beweisen hat, dass die Abnahmevoraussetzungen bei der
Abnahmeaufforderung gemäß § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB auch vorliegen. Hier scheint der
Gesetzeswortlaut dafür zu sprechen, dass der Unternehmer die Beweislast dafür trägt.
Auch diese Frage ist streitig. Hier wird auch vertreten, dass auf die Situation abzustellen
sei, wie Sie zur Zeit des Abnahmeverlangens vorlag. Waren zu diesem Zeitpunkt Mängel
nicht in Erscheinung getreten, sollen die Abnahmewirkungen oder jedenfalls die Beweis-
lastumkehr eintreten.358 Auf diese Auffassung wird man sich als Unternehmer jedoch
angesichts des Gesetzeswortlauts nicht verlassen können. Die Regelung des § 640 Abs. 1
Satz 3 BGB gilt auch beim VOB/B-Vertrag.
Abnahmefiktionen des § 12 Abs. 5 VOB/B Nachfolgend sollen die Abnahmefiktionen des
§ 12 Abs. 5 VOB/B dargestellt werden. Es müssen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 5
VOB/B vorliegen und es muss die Leistung nach herrschender Auffassung zumindest im
Wesentlichen fertiggestellt sein.
Bevor Einzelheiten der fiktiven Abnahme erörtert werden, sei bemerkt, dass im gewerb-
lichen Rechtsverkehr die fiktive Abnahme des § 12 Abs. 5 VOB/B keine große Rolle spielt.
Üblicherweise – jedenfalls wenn das Angebot an Bauleistungen die Nachfrage überwiegt –
„diktiert“ der Auftraggeber die Einzelheiten des Vertrags durch Allgemeine Geschäfts-
bedingungen. In diesen wird oftmals die fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B aus-
geschlossen. Nach zutreffender Auffassung ist dies zwar für die gesetzliche Fiktion des
§ 640 Abs. 1 Satz 3 BGB wirksam nicht möglich359, für die Abnahmefiktionen des § 12
Abs. 5 VOB/B aber sehr wohl.
Zuweilen wird auch nicht ausdrücklich die fiktive Abnahme des § 12 Abs. 5 VOB/B
ausgeschlossen (der öffentliche Auftraggeber darf dies ohne Weiteres auch nicht, wenn
er nach der VOB/A vergibt), sondern es wird im Vertrag selbst bereits das Abnahmever-
langen nach § 12 Abs. 4 VOB/B gestellt bzw. es wird – ohne dass ausdrücklich die fiktive
Abnahme ausgeschlossen wäre – die Durchführung der förmlichen Abnahme vereinbart.
Beides schließt grundsätzlich eine fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B aus, weil
dies dem Verlangen nach förmlicher Abnahme widerspräche. Hier kommt eine fiktive
Abnahme, so sie nicht ohnehin ausgeschlossen ist, allenfalls in Betracht, wenn der Bestel-
ler sich nach Treu und Glauben nicht auf die Durchführung der förmlichen Abnahme
berufen kann.
358
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 640 Rn. 65.
359
Gegen vollständiges Abbedingen z. B. Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand
12.1.2015, § 640 Rn. 71.
22 Zivilrechtliche Grundlagen825
Auf die zwei Fälle der fiktiven Abnahme des § 12 Abs. 5 VOB/B soll daher nur kurz
eingegangen werden. Beide Fälle können nur eintreten, wenn
• weder die Abnahme berechtigt verweigert wurde nach § 12 Abs. 3 VOB/B
• noch eine ausdrückliche Abnahme verlangt wurde, unabhängig davon, ob eine förm-
liche Abnahme verlangt wird.
Wird keine Abnahme verlangt, so gilt die Leistung als abgenommen mit Ablauf von 12 Werk-
tagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung.
Wird keine Abnahme verlangt und hat der Auftraggeber die Leistung oder einen Teil der Leis-
tung in Gebrauch genommen, so gilt die Abnahme nach Ablauf von 6 Werktagen nach Beginn
der Nutzung als erfolgt, wenn nichts anderes vereinbart ist. Die Benutzung von Teilen einer
baulichen Anlage zur Weiterführung der Arbeiten gilt nicht als Abnahme.
Typischer Beispielsfall ist der bereits erwähnte Bezug eines Hauses bzw. der Einzug in ein
neu errichtetes bzw. um- oder ausgebautes Gebäude. Weitere Beispiele, die im Übrigen
auch für eine schlüssige Abnahme Bedeutung haben können, sind z. B. die Freigabe einer
Brücke oder Straße für den Verkehr, die Inbetriebnahme eines Kraftwerks, die Aufnahme
der Fabrikation oder beispielsweise die Inbetriebnahme einer zu verlegenden Leitung.
Ein oft vorkommender Fall ist der, dass Leistungen eines Subunternehmers von dessen
Auftraggeber gar nicht selbst genutzt werden. Hier wird man im Rahmen der Inbenut-
zungnahme darauf abstellen müssen, dass der Auftraggeber (Haupt- oder Generalunter-
nehmer) die Leistungen seinem eigenen Auftraggeber zur Benutzung überlässt und dieser
sie nutzt.361
Die Inbenutzungnahme von Leistungen zur Weiterführung von Arbeiten gilt nicht
als Abnahme, was z. B. für die Nutzung eines Rohbaus zum Ausbau gilt. Generell gilt,
360
z. B. BGH, NJW 1971, 831.
361
So jedenfalls KG, BauR 1973, 244.
826 V. Hafkesbrink und U. Kühne
dass sich der Gebrauch auf einen Zweck beziehen muss, der sich aus dem Endzweck der
bestimmungsgemäßen Errichtung ergibt (Wohnen im Haus, Fahren auf der Straße usw.).
Allerdings kann der Umstand, dass Leistungen des Unternehmers zur Fortführung
anderer Arbeiten benutzt werden, durchaus als Anhaltspunkt für eine schlüssige Abnahme
in Betracht kommen.
Bei der fiktiven Abnahme nach beiden Fällen des § 12 Abs. 5 VOB/B ist zu beachten,
dass die Regelungen des § 12 Abs. 5 Nr. 1, 2 VOB/B als Allgemeine Geschäftsbedin-
gungen an sich gegen § 308 Nr. 5 BGB verstoßen. Gegenüber Verbrauchern können sie
ohnehin nicht wirksam vereinbart werden wegen § 310 Abs. 1 Sätze 1–3 BGB. Ledig-
lich dann, wenn die VOB „ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt“ einbezogen wurde,
greift die Ausnahmeregelung des § 310 Abs. 1 Satz 3 BGB ein. Gegenüber Verbrauchern
sind die Bestimmungen über die fiktive Abnahme also nach § 308 Nr. 5 BGB unwirk-
sam, gegenüber anderen Personen kann bei inhaltlicher Abweichung von Regelungen der
VOB/B Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB in Betracht kommen.
362
OLG Hamm, BauR 1993, 741.
22 Zivilrechtliche Grundlagen827
Anspruch auf Abschlagszahlung geltend machen, allerdings nur Zug um Zug gegen
Mängelbeseitigung.363
Auch nach dem BGB kann die Abnahme nur wegen wesentlicher Mängel verweigert
werden. Dies ergibt sich aus § 640 Abs. 1 Satz BGB:
Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden.
Nach der VOB/B kann die Abnahme nur wegen wesentlicher Mängel bis zur Beseitigung
verweigert werden. Dies ergibt sich aus § 12 Abs. 3 VOB/B:
Wegen wesentlicher Mängel kann die Abnahme bis zur Beseitigung verweigert werden.
Der Begriff „wesentlich“ birgt, wie man sich unschwer vorstellen kann, Raum für Aus-
legungen. Versuche, den Begriff zu definieren, scheitern in der Regel daran, dass inhalt-
lich wiederum auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgegriffen wird. Rechtsstreite
wurden und werden im Hinblick auf die Schlusszahlung oft an dem Punkt entschieden, ob
Abnahmereife vorliegt. Einigermaßen sicher lässt sich der Ausgang eines Rechtsstreits nur
prognostizieren, wenn Entscheidungen von Obergerichten zu bestimmten Sachverhalten
bereits vorliegen.
Für die Wesentlichkeit eines Mangels sind Art, Umfang und die Auswirkungen eines
Mangels maßgebend. Falsch wäre es, mittels fester Beseitigungskosten bei Mängeln eine
Grenze festzumachen, mit der die Wesentlichkeit überschritten ist. Diese können jedoch
durchaus ein Indiz für das Vorliegen wesentlicher Mängel darstellen. So hat das OLG
Hamburg364 dem Umstand, dass die Beseitigungskosten 10 % des vereinbarten Werklohns
ausmachen, entscheidende Bedeutung zugemessen.
Ist die Funktionalität eines Bauwerks fühlbar beeinträchtigt, so wird ein Mangel in aller
Regel wesentlich sein.365
Als Beurteilungskriterien können gelten
Zu beachten ist auch, dass eine Vielzahl von im Grunde für sich betrachtet unwesentlichen
Mängeln wieder zur Abnahmeverweigerung führen können.
363
BGH, BauR 2000, 1482.
364
OLG Hamburg, BauR 2003, 1590.
365
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 640 Rn. 39.
828 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Frage, ob ein zur Abnahmeverweige-
rung berechtigender wesentlicher Mangel vorliegt, eine Einzelfallentscheidung ist.
Man wird bei Arbeiten an der Bauwerksabdichtung allerdings nach den vorstehend dar-
gestellten Kriterien bei Gerichten sehr strenge Anforderungen an die Abnahmereife vor-
aussagen können. Dies liegt unter anderem daran, dass die Abdichtung eines Gebäudes für
den Bestand und die dauerhafte ungestörte Nutzung von zentraler Bedeutung ist. Es ist
davon auszugehen, dass Gerichte hier sozusagen von Natur aus zur Annahme wesentlicher
Mängel neigen werden.
Prüfungsrecht des Auftraggebers Allgemeines
Besonders zu untersuchen ist noch der Fall, dass ein Unternehmer die Abnahme ver-
langt, der Auftraggeber jedoch einwendet, dass er die Leistungen gar nicht prüfen könne,
weil sie z. B. verdeckt wurden. Das wäre ja z. B. der Fall, wenn die Baugrube nach Anbrin-
gung der vertikalen Abdichtung wieder mit Erdreich aufgefüllt wurde. Ist dann von einer
Abnahmepflicht des Auftraggebers auszugehen oder kann dieser die Abnahme unter
Hinweis auf die nicht mögliche Prüfung verweigern?
Mit der Abnahme ist ein Rechtsinstitut geschaffen worden, mit dem der Besteller Gele-
genheit bekommen soll, die Leistung daraufhin zu überprüfen, ob sie vertragsgerecht
erbracht worden ist.366
Ist nun die Leistung zum Zeitpunkt des Abnahmeverlangens nicht mehr auf Vertrags-
gerechtheit zu prüfen, wird man ohne Weiteres nicht von einer Abnahmepflicht ausgehen
können. In vielen DIN-Regelungen der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen
sind Verfahrensregelungen getroffen, die eine solche technische Prüfung erleichtern oder
vorbereiten. Auch die DIN 18 336 sieht in Abschn. 16.3.1.3 eine erneute gemeinsame
Überprüfung vor. Hier ist allerdings nicht einfach nachzuvollziehen, warum der Wort-
laut „erneut“ verwendet wird. Grundsätzlich ist die Vertragsregelung rechtlich schwierig
einzuordnen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine gemeinsame Prüfung
der Abdichtung keine Rechtswirkungen auslösen würde. Die VOB/B trifft in § 4 Abs. 10
durchaus eine Regelung (vgl. oben 16.1.2.4). Es dürfte also davon auszugehen sein, dass
jedenfalls in Fällen, in denen der Auftragnehmer eine solche technische Abnahme verlangt
hat, es Sache des Auftraggebers ist, wie er die Vertragsgerechtheit prüfen will, zumal ihm
nach § 12 Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 VOB/B die Hinzuziehung eines Sachverständigen freigestellt
ist. Jedenfalls kann dies nicht zulasten des Auftragnehmers gehen.
Überhaupt kann es ja nur um die Kosten der Überprüfung gehen, soweit eine Prüfung
möglich ist. Ist eine technische Prüfung allerdings gar nicht mehr bei Abnahme möglich,
stellt sich in der Tat die Frage, ob der Auftraggeber zur Abnahme verpflichtet ist, wenn
er zuvor darüber informiert wurde, dass die Leistungen nunmehr verdeckt werden, und er
zu einer technischen Begehung aufgefordert wurde. Schweigt der Auftraggeber in einer
solchen Situation, kann er sich unseres Erachtens nach bei einem Abnahmeverlangen nicht
auf die fehlende Prüfung berufen.
366
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 640 Rn. 4.
22 Zivilrechtliche Grundlagen829
Beispiel Der Auftragnehmer teilt dem Auftraggeber nach Erstellung der Vertikalabdich-
tung mit, dass er am nächsten Tag mit der Verfüllung beginnen werde. Der Auftraggeber
reagiert nicht.
Gleiches gilt z. B., wenn sogar der Auftraggeber zum „Verdecken“ der Leistung aufgefor-
dert hat, ohne auf eine Prüfung zu drängen. Noch eindeutiger dürfte es sein, wenn der Auf-
tragnehmer zu einer technischen Begehung aufgefordert hat. Umso wichtiger ist es aus Sicht
eines Auftragnehmers, eine solche dann auch zu verlangen. In diesen Fällen dürfte es also am
Auftraggeber sein, wie er die Ordnungsgemäßheit von Leistungen überprüft. Es ist ihm sicher
unbenommen, Prüfungen vorzunehmen, nur muss er dies auf eigene Rechnung vornehmen.
Ist dies allerdings nicht erfolgt (also Mitteilung durch Auftragnehmer, dass Leistungen ver-
deckt werden oder Aufforderung durch Auftraggeber, dies zu tun) und hat der Auftragneh-
mer nicht in der entscheidenden Situation darauf hingewiesen, dass die Leistungen verdeckt
werden, wird man dem Auftraggeber demgegenüber das Recht zubilligen müssen, die Leis-
tung zu überprüfen. Dies dürfte dann auch beinhalten, dass der Auftraggeber geeignete Prüf-
stellen benennen darf, die der Auftragnehmer dann auf eigene Kosten „freizumachen“ hat.
Alternativ würde man eine Abnahmepflicht des Auftraggebers wohl erst nach Ablauf eines
Zeitraums annehmen können, zu dem sich erfahrungsgemäß wesentliche Mängel zu zeigen
pflegen. Diese Problematik wird in der juristischen Literatur kaum diskutiert. Insbesondere
aber bei Abdichtungsarbeiten dürfte dies ein sehr praxisrelevantes Thema sein.
Erfolg erst später prüfbar Bei bestimmten Bauleistungen wird man den eigentlich
geschuldeten Erfolg, z. B. die dauerhaft funktionierende Abdichtung des Bauwerks, erst
einige Zeit nach Fertigstellung der Leistungen wirksam prüfen können. Kann nun der
Auftraggeber sich nach erfolgter Fertigstellungsmitteilung darauf zurückziehen und die
Abnahme erst zu dem Zeitpunkt erklären, zu welchem er mit einiger Sicherheit den –
objektiv geschuldeten – Erfolg bejahen kann?
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Einerseits wird man dem Auftraggeber zubil-
ligen müssen, dass eine Prüfung des geschuldeten Erfolgs überhaupt möglich sein muss.
Andererseits wird man einem Auftragnehmer nicht ohne Weiteres zumuten können, nach
erfolgter Fertigstellung einen nicht absehbaren weiteren Zeitraum zuwarten zu müssen.
Die rechtliche Lösung könnte dergestalt erfolgen, dass bei Ausführung einer Bauleis-
tung, die den anerkannten Regeln der Technik zuzuordnen ist, es für die Abnahme auf
die Prüfung der Übereinstimmung ankommen muss, ohne dass die letzte Sicherheit dafür
vorliegt, dass der geschuldete Erfolg eintritt. Ansonsten müsste man ein Bauwerk immer
bei Abnahme „künstlich“ einer entsprechenden Wasserbelastung aussetzen, was praktisch
nicht immer möglich sein wird. Es bleibt dann allerdings immer noch die Unsicherheit,
dass nicht geprüft werden kann, ob denn die gewählte Abdichtungsart (gegen drückendes
Wasser, nicht drückendes Wasser usw.) der tatsächlichen Beanspruchung gerecht wird.
In aller Regel schuldet der Auftragnehmer ja nicht nur die ordnungsgemäße Ausführung
einer konkret festgelegten Ausführungsart, sondern einen Erfolg. Jedenfalls wenn die
Festlegung der Ausführungsart vom Auftraggeber „herrührt“, sollte diese Unsicherheit bei
Abnahme offenbleiben können.
830 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Bei Wahl einer Ausführungsart, die nicht zu den anerkannten Regeln der Technik gehört,
könnte dies anders zu beurteilen sein. Das dürfte bei den horizontalen Abdichtungen wohl
bei allen Ausführungsarten außer den mechanischen der Fall sein. Ernsthafter Betrach-
tung bedürfen jedoch wohl ohnehin nur die Injektagen, weil bei den elektrophysikali-
schen Abdichtungen wissenschaftlich bereits die theoretischen Anwendungsgrundlagen
kaum als gesichert bezeichnet werden können. Bei den Injektagen dürften Unsicherheiten,
warum diese Abdichtungsarten nicht zu den anerkannten Regeln der Technik gehören,
auf den vielfältigen Problemen der praktischen Anwendung beruhen, unter anderem auch
auf dem Zustand des vorhandenen Mauerwerks. Von daher dürfte eine Abnahmepflicht
bereits mit Fertigstellung der Leistung zumindest problematisch sein. Hier wird man an
eine Abnahmepflicht mit erfolgter Fertigstellung nur dann denken können, wenn die Fest-
legung der Technik auf den Auftraggeber zurückzuführen ist.
Ansonsten wird man Vertragsparteien nur empfehlen können, Regelungen zur Überprü-
fung des Leistungserfolgs zu treffen, z. B. regelmäßige Messungen nach Abnahme. Auch
wäre daran zu denken, die Wirkungen der Abnahme modifiziert zu regeln, wenn der Erfolg
mit Fertigstellung der Leistung nicht sicher beurteilbar ist.
Das Verfahren der Fertigstellungsbescheinigung des vormaligen § 641 a BGB hat sich in
der Praxis nicht durchsetzen können, weil es sehr hohe Anforderungen stellt. Mit Wirkung
zum 1. 1. 2009 wurde es gesetzlich gestrichen und könnte nunmehr nur noch vertraglich
vereinbart werden.
367
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 640, Rn. 42.
22 Zivilrechtliche Grundlagen831
Das BGB-Werkvertragsrecht setzt in § 641 Abs. 1 Satz 2 zwar die Möglichkeit einer
Abnahme von Teilleistungen voraus. Das BGB gewährt dem Unternehmer jedoch selbst
keinen Anspruch auf Abnahme von Teilleistungen. Es muss also eine Teilabnahme ver-
traglich vereinbart sein.
Wurde die VOB/B unverändert Vertragsgrundlage, ist nach § 12 Nr. 2 eine Abnahme
von Teilleistungen vorgesehen. Nach § 12 Nr. 2 VOB/B sind auf Verlangen des Auftrag-
nehmers in sich abgeschlossene Teile der Leistung besonders abzunehmen. Bevor hier
weitere Ausführungen erfolgen, sei auf den in der Praxis sehr häufigen Umstand verwie-
sen, dass
Teilabnahmen vertraglich ausgeschlossen sind. Dies dürfte auch zulässig sein, nachdem
die Teilabnahme gesetzlich bislang nicht geregelt ist. Immerhin: Der öffentliche Auftrag-
geber ist vergaberechtlich gehalten, die VOB/B unverändert zur Vertragsgrundlage zu
machen. (Tut er dies nicht, ist der Ausschluss der Teilabnahme nicht unwirksam!)
Im Fall des § 12 Abs. 2 VOB/B handelt es sich um eine echte rechtsgeschäftliche
Abnahme mit den gleichen Wirkungen wie eine Gesamtabnahme368. Voraussetzung für
eine Teilabnahme ist, dass es sich um eine abgeschlossene Teilleistung handelt, die sich in
ihrer Gebrauchsfähigkeit für sich alleine beurteilen lässt.
Dies wird man beispielsweise bei einem abgrenzbaren Teilgewerk wie der Heizungs-
anlage oder bei einem von mehreren Bauwerken (z. B. ein Haus bei mehreren beauftragten
Häusern) bejahen können. Bei der Errichtung von Wohnungseigentum ist es gleichfalls
möglich, Sonder- und Gemeinschaftseigentum getrennt abzunehmen.369
368
BGH, NJW 1968, 1524.
369
BGH, BauR 1983, 753.
370
BGH, BauR 1989, 322 ff.; BauR 1995, 234.
832 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Zulässig ist es nur, die Abnahme der Nachunternehmerleistung um eine gewisse, hin-
reichend bestimmte Zeit hinauszuschieben, wenn dies aus objektiv anerkennenswerten
Gründen gerechtfertigt ist. Als äußerste Grenze dürften 2 Monate gelten. Einen Zeitraum
von vier bis sechs Wochen hat der BGH für zulässig gehalten.371
In jedem Fall ist aber erforderlich, dass der Zeitpunkt der hinausgeschobenen Abnahme
vom Nachunternehmer klar erkennbar und von ihm entweder herbeiführbar oder jeden-
falls berechenbar ist372. Dass es hier Grenzen des Gestaltungsspielraums für den Auftrag-
geber geben muss, liegt daran, dass eben unterschiedliche Rechtsfolgen an die Abnahme
geknüpft sind.
Eine Möglichkeit für den Generalunternehmer, Unterschiede der Gewährleistungsfris-
ten zwischen seinen Vertragspartnern handhabbar zu machen, ist die, mit den Subunter-
nehmern längere Gewährleistungsfristen zu vereinbaren. Ein Verstoß gegen § 307 BGB
dürfte z. B. nicht vorliegen, wenn der Hauptunternehmer gegenüber dem Nachunterneh-
mer die gesetzliche Gewährleistungsfrist von 5 Jahren um eine kurze Zeitspanne verlän-
gert, um Mängelrügen, die er kurz vor Ende der Gewährleistungszeit vom Bauherr erhält,
noch an den Nachunternehmer weitergeben zu können373.
Wird der Bauvertrag aus einem der in § 8 VOB/B genannten Gründe oder nach § 649 BGB
gekündigt, so war eine Abnahme erbrachter Teilleistungen für die Fälligkeit eines gege-
benenfalls bestehenden Zahlungsanspruches des Auftragnehmers nicht erforderlich374,
weil durch die Kündigung automatisch ein Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien
entsteht.
Der Auftragnehmer kann aber nach § 8 Abs. 6 VOB/B Aufmaß und Abnahme der von
ihm ausgeführten Leistungen alsbald nach Kündigung verlangen.
Insbesondere hat die Abnahme den Zweck, feststellen zu lassen, welche Leistungsteile
als vertragsgemäß gebilligt werden und aufgrund welcher Mängel Abzüge von der Ver-
gütung zu erwarten sind.
Darüber hinaus bildet die Abnahme den Zeitpunkt des Beginns der Verjährungsfrist
wegen der sich aus den Mängeln ergebenden Ansprüche des Bauherren.
Auch bei einem gekündigten Vertrag wird geprüft, wann die Voraussetzungen der
Abnahme der erbrachten Leistungen vorliegen. Dann beginnt die Gewährleistungsfrist,
dreht sich die Beweislast um usw.375 Die Wichtigkeit der soeben zitierten Entscheidung
371
BGH, BauR 1989, 324.
372
BGH, NJW 1997, 394.
373
OLG Düsseldorf, BauR 1994, 111.
374
BGH, NJW 1987, 382; BGH, BauR 1995, 545.
375
BGH, BauR 2003, 689, 691.
22 Zivilrechtliche Grundlagen833
kann gar nicht genug betont werden. Vor der BGH-Entscheidung bestand Unsicherheit bei
der Frage, wann Sachmängelansprüche verjähren, wann sich die Beweispflicht umkehrt
usw. Die Frage ist geklärt. Wenn die Abnahme der erbrachten Leistungen zu bejahen ist,
treten sämtliche Wirkungen auch ein. Das hat der BGH nunmehr auch für die Frage der Fäl-
ligkeit der Vergütung klargestellt, und zwar entgegen seiner früheren Rechtsprechung.376
Auch beim gekündigten Vertrag sollte also der Unternehmer die Regelung des § 640
Abs. 1 Satz 3 BGB beachten und zur Abnahme auffordern.377
22.13.1 Allgemeines
Unterschied BGB-Vertrag und VOB-Vertrag bei Mängeln vor Abnahme Es ist bei der Dar-
stellung von Mängelansprüchen ganz grundsätzlich zu unterscheiden, ob dem Vertrag die
VOB/B zugrundegelegt wurde oder ob sich die Sachmängelansprüche nach den gesetz-
lichen Regelungen des BGB richten.
376
BGH, BauR 2006, 1294 ff.
377
Kniffka/Pause/Vogel, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 640 Rn. 70.
378
Vgl. nur BGH, BauR 1997, 1027.
379
BGH, BauR 2000, 1479; BGH, BauR 2000, 1863.
834 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Einleitung Der Begriff des Sachmangels wird sowohl nach dem BGB als auch nach der
VOB/B negativ umschrieben. Ausgangspunkt ist die Erfolgshaftung des Auftragnehmers
und seine Verpflichtung, dem Auftraggeber das Werk frei von Sachmängeln zu verschaf-
fen. Gemäß § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB ist das Werk zunächst frei von Sachmängeln, wenn
es die vereinbarte Beschaffenheit hat.
§ 13 Abs. 1 Satz 2 VOB/B stellt ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Abnahme ab und
formuliert, dass die Leistung zur Zeit der Abnahme frei von Sachmängeln ist, wenn sie
die vereinbarte Beschaffenheit hat und den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
380
Vgl. OLG Celle, BauR 2003, 1406, OLG Koblenz, NJW-RR 2004, 1670.
381
Einschränkend aber z. B. Kniffka/Krause-Allenstein, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015,
§ 634 Rn. 8.
382
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 2.
383
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 2 unter Hinweis auf BGH, Urteil 06.06.2013 – VII ZR 255/12.
22 Zivilrechtliche Grundlagen835
Hieraus ergibt sich aber kein Unterschied zur Regelung im BGB. Auch beim BGB-Ver-
trag kommt es wegen der Mangelfreiheit auf den Zeitpunkt der Abnahme an. Auch beim
BGB-Vertrag wird im Zweifel stillschweigend die Einhaltung der anerkannten Regeln der
Technik versprochen. Wir haben dies bereits bei der Darstellung des vereinbarten Leis-
tungsumfangs erörtert. Haben die Parteien auf eine genaue Beschaffenheitsvereinbarung
verzichtet, so ist das Werk gemäß § 633 Abs. 2 Satz 2 BGB bzw. nach § 13 Nr. 1 S. 3
VOB/B frei von Sachmängeln, wenn es sich
Der Mangelbegriff der VOB/B unterscheidet sich nicht von dem des BGB. § 633 Abs. 1
BGB nennt noch die Verpflichtung des Auftragnehmers, dem Auftraggeber das Werk aus-
drücklich frei von Rechtsmängeln zu verschaffen. Eine Definition des Rechtsmangels
liefert § 633 Abs. 3 BGB. Auch im VOB-Bauvertrag dürfte jedoch ein Mangel zu bejahen
sein, wenn ein Rechtsmangel vorliegt. Falsch- oder Zuwenig-Lieferungen im Sinne von
§ 633 Abs. 2 Satz 3 BGB spielen in der Baupraxis nur eine untergeordnete Rolle, sodass
sich auch hieraus kein gravierender Unterschied ergibt.
Zusammenfassend ist ein Werk insbesondere dann mangelhaft, wenn
Die Rechtsprechung zur Mangelhaftigkeit der Werkleistung zur Rechtslage vor dem 1. 1.
2002 kann im Wesentlichen auch weiterhin herangezogen werden.
384
Vgl. BT-Drucks. 14/6040, 212.
836 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Bei den Rechtsfolgen ist sicherlich danach zu differenzieren, von wem die Leistungs-
beschreibung stammt: Hat der Auftraggeber oder dessen Planer die Leistungsbeschrei-
bung vorgegeben, so muss der Auftragnehmer die Leistungsbeschreibung – soweit zumut-
bar – dahingehend überprüfen, ob das Werk auf dieser Grundlage mangelfrei ausgeführt
werden kann und dem Auftraggeber anderenfalls seine Bedenken anzeigen. Die Zumut-
barkeit bestimmt sich dabei nach den von einem sachkundigen Unternehmer erwarteten
„normalen“ Kenntnissen, die auf dem neuesten Stand der Technik sein müssen. Musste
der Auftragnehmer danach Bedenken nicht haben, dürfte dem Auftraggeber gleichwohl
ein Anspruch auf Erfüllung zustehen, allerdings wird man dem Auftragnehmer zumindest
mit dem Rechtsgedanken des § 645 BGB die Vergütung für die bereits erbrachte man-
gelhafte Leistung zubilligen müssen. Darüber hinaus steht dem Auftragnehmer auch ein
Vergütungsanspruch für die schlussendlich dann vertragsgemäß erbrachte Leistung zu.
Da sich die bisherige Vergütungsvereinbarung nur auf die mangelhafte Leistung bezog,
sind auch sämtliche etwa weitergehenden Maßnahmen zu vergüten. Das wären also
„Sowieso-Kosten“.
Hat der Auftragnehmer die Leistung zuvor selbst beschrieben und war dies nicht sach-
gemäß, so wird eine Vergütung für die mangelhafte Leistung ausscheiden und der Auf-
tragnehmer ist verpflichtet, die vertraglich geschuldete Leistung mangelfrei zu erbrin-
gen. Werden zur Erreichung eines mangelfreien Zustands nun aufwendigere Leistungen
erforderlich, so kommt es darauf an, ob die ursprüngliche Vergütungsvereinbarung nur
die konkret beschriebene Leistung abdecken sollte. Dann wären aufwendigere Maßnah-
men zusätzlich (aber auch nur einmal) zu vergüten. War die Vergütung – was durch Aus-
legung aller Umstände und Unterlagen zu ermitteln ist – nicht auf die konkrete Leis-
tung beschränkt, so stehen dem Auftragnehmer keine zusätzlichen Vergütungsansprüche
zu. Dies dürfte insbesondere bei Bauträgerverträgen der Fall sein oder grundsätzlich bei
sogenannten „Globalpauschalverträgen“, bei denen der Auftragnehmer Planungsaufgaben
übernommen hat.
Nichteinhaltung der anerkannten Regeln der Technik Die anerkannten Regeln der Technik
sind für jeden Bauvertrag – gleich, ob er alleine nach den Regelungen des BGB oder auch
auf der Grundlage der VOB/B geschlossen wird – von zentraler Bedeutung.
Diese haben Bedeutung für die Frage, welche Leistungen geschuldet sind und ob die
Leistung eines Auftragnehmers/Unternehmers vertragsgemäß ist. Dabei geht es zumeist
um die Behandlung von Sachmängelansprüchen.
Welche Bedeutung die Regeln der Technik haben, wurde daher bereits im Kapitel zum
vereinbarten Leistungsumfang erörtert. Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass bei
jedem Bauvertrag, also auch bei einem solchen, bei dem die VOB/B nicht vereinbart ist,
der Auftraggeber im Zweifel auf die Einhaltung der Regeln der Technik vertrauen darf.385
385
BGH, Urteil vom 14.5.1998 – VII ZR 184/97, BauR 1998, 872.
22 Zivilrechtliche Grundlagen837
Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die Vertragsparteien eine Ausführung abwei-
chend von den Regeln der Technik vereinbaren. Wichtig ist jedoch der Hinweis, dass
eine solche Abweichung auch tatsächlich und nachweislich vereinbart sein muss. Hierfür
genügt alleine die Festlegung einer bestimmten Ausführungsart nicht.386 Genau dies wird
zu Unrecht von vielen Auftragnehmern und auch von Baujuristen so angenommen!
Bei einem VOB/B-Vertrag gelten die anerkannten Regeln der Technik ohnehin als ver-
einbart. Dies ergibt sich unter anderem aus § 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/B, aus § 13 Abs. 1
VOB/B sowie auch aus § 13 Abs. 7 Nr. 2 b) VOB/B, nach Auffassung des BGH auch aus
dem Hinweis auf die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen in § 1 Abs. 1 Satz 2
VOB/B.
Wir haben bereits festgehalten, dass sich Nachteile für den Auftragnehmer, der seinen
Pflichten zur Prüfung und Mitteilung von Bedenken ordnungsgemäß nachkommt, in aller
Regel nicht ergeben.
Einhaltung auch vor Abnahme Sowohl nach § 13 Abs. 1 VOB/B als auch nach § 633 BGB
haftet der Auftragnehmer dafür, dass seine Leistung zum Zeitpunkt der Abnahme den
anerkannten Regeln der Technik entspricht. Selbstverständlich besteht diese Verpflichtung
auch schon vor Abnahme. Im VOB/B-Vertrag ergibt sich dies ausdrücklich aus § 4 Abs. 2
Nr. 1 Satz 2 („Dabei hat er die anerkannten Regeln der Technik und die gesetzlichen und
behördlichen Bestimmungen zu beachten.“). Ist dies nicht der Fall, kann der Auftraggeber
nach § 4 Abs. 7 VOB/B vorgehen. Im BGB-Vertrag kann der Auftraggeber jedenfalls bei
Fälligkeit der Bauleistung zu Sanktionen übergehen, in Ausnahmefällen auch vorher („auf
Mangel muss zwingend aufgebaut werden“, „besonders schwerwiegender Mangel“).
Einhaltung der Regeln der Technik muss nicht genügen Die bloße Befolgung der anerkann-
ten Regeln der Technik schließt die Annahme eines Mangels nicht von vornherein aus.387
Beispiel Die Parteien eines Bauvertrags vereinbaren bei bindigem Boden und nicht drü-
ckendem Wasser eine Bauwerksabdichtung mit Dichtungsbahnen. Der Auftragnehmer
führt die Abdichtung in Übereinstimmung mit der DIN 18 195 und den anerkannten
Regeln der Technik fachgerecht mit einer Bitumendickbeschichtung aus.
Es soll an dieser Stelle unterstellt werden, dass die Bitumendickbeschichtung den
anerkannten Regeln der Technik entspricht. Die Parteien haben vorliegend jedoch vertrag-
lich etwas anderes vereinbart. Selbstverständlich ist bei einer solchen Ausführung grund-
sätzlich ein Mangel zu bejahen, weil eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffen-
heit vorliegt. Welche Rechte hieraus resultieren, mag an dieser Stelle offenbleiben.
Grundsätzlich ist also festzuhalten: Der Unternehmer erfüllt nicht allein dadurch, dass
er anerkannte Regeln der Technik einhält, seine Leistungspflicht, wenn vertraglich eine
386
BGH, Urteil vom 16.7.1998 – VII ZR 350/96, BauR 1999, 37.
387
BGH, BauR 2004, 1941.
838 V. Hafkesbrink und U. Kühne
andere Beschaffenheit vereinbart ist. Ist eine solche nicht vereinbart, schuldet er aber jeden-
falls – sozusagen als vom Besteller stillschweigend zu Recht erwarteter Mindeststandard –
die Einhaltung der Regeln der Technik. Wenn aufgrund der Leistungsbeschreibung indes
eine andere Beschaffenheit vereinbart sein sollte, also insbesondere eine Abweichung von
den anerkannten Regeln der Technik, ist der Auftragnehmer gehalten, auf Abweichungen
hinzuweisen. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 3 VOB/B. Auch im BGB-Vertrag ist dies eine
„Pflicht“ des Auftragnehmers, die zu Sachmängelansprüchen führen kann.
Definition anerkannte Regeln der Technik Es gibt zwei Gruppen der anerkannten Regeln
der Technik. Neben denjenigen Regeln, die jedem Baubeteiligten ohne besondere Fach-
kenntnisse bekannt sein und daher von ihm eingehalten werden müssen, geht es auch um
diejenigen anerkannten Regeln der Technik, die im speziellen Fach des Auftragnehmers
im Rahmen seines technischen Tätigkeitsbereiches beachtet werden müssen.388
Allgemein lassen sich die anerkannten Regeln der Technik bestimmen als technische
Regeln für den Entwurf und die Ausführung von Bauwerken, die zum einen in der Wissen-
schaft als theoretisch richtig anerkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem
Kreise der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten
Erkenntnisstand vorgebildeten, Techniker durchweg bekannt und auf Grund fortdauern-
der praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt
sind.389
DIN-Normen nicht zwingend allgemein anerkannte Regeln der Technik Besonders rele-
vant sind dabei DIN-Normen, denen nach allgemeiner Auffassung eine Vermutung dafür
zukommt, dass sie die aktuellen allgemein anerkannten Regeln der Technik wiederge-
ben.390 Diese Vermutung ist allerdings widerleglich, was insbesondere dann erfolgreich
möglich ist, wenn sich die anerkannten Regeln der Technik aufgrund neuer technischer
Entwicklungen wie z. B. neuer Bauweisen, verändern, aber eine Überarbeitung der ein-
schlägigen DIN-Normen noch nicht stattgefunden hat. Denkbar ist aber auch, dass eine
neue DIN (noch) nicht die anerkannten Regeln der Technik wiedergibt. Entscheidend sind
immer die tatsächlich anerkannten Regeln der Technik. Der BGH391 hat dies wie folgt
formuliert:
(3) Rechtsfehlerhaft sind auch die Erwägungen des Berufungsgerichts zu den anzuwenden-
den DIN-Normen. Es verkennt die Rechtsnatur und Bedeutung der DIN-Normen (a) sowie
den Begriff der anerkannten Regeln der Technik (b).
a) Die DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit
Empfehlungscharakter (BGH, Urteil vom 6. Juni 1991-I ZR 234/89 = NJW-RR 1991, 1445,
1447; Klein, Einführung in die DIN-Normen, 10. Aufl. 1989, S. 13; Dresenkamp, Die all-
gemeinen Regeln der Technik am Beispiel des Schallschutzes SchlHA 1994, 165, 166). Das
388
Leinemann/Schliemann, § 13 VOB/B, Rn. 27.
389
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil, Rn. 34.
390
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil, Rn. 34.
391
BGH, BauR 1998, 872.
22 Zivilrechtliche Grundlagen839
Berufungsgericht entnimmt die Mangelfreiheit ohne Weiteres einer DIN-Norm. Es legt damit
DIN-Normen eine ihnen nicht zustehende Rechtsnormqualität bei.
b) Auch die Frage, was unter anerkannter Regel der Technik zu verstehen ist, beurteilt das
Berufungsgericht ebenso unzutreffend wie schon der Sachverständige F. überwiegend danach,
welche DIN-Norm aktuell ist.
Maßgebend ist nicht, welche DIN-Norm gilt, sondern ob die Bauausführung zur Zeit der
Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht. DIN-Normen können die
anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben. Für den hier
zu beurteilenden Bereich des Luftschallschutzes ist naheliegend, dass die bewerteten Schall-
dämm-Maße des Entwurfs von 1984 für Wohnungstrennwände und Wohnungstrenndecken,
der den Werten der DIN 4109 Ausgabe 1962 entsprach, nicht mehr den anerkannten Regeln
der Technik genügten. Dazu gibt es hinreichende Anhaltspunkte im veröffentlichten Schrift-
tum (Kötz, Der bauliche Schallschutz in der Praxis, ZSW 1988, 89; Ertel, Festschrift für
Soergel, 1993, S. 315). In der DIN 4109 Ausgabe November 1989 (S. 28) wird auch darauf
hingewiesen, dass der Inhalt der DIN 4109 Ausgabe 1962 vollständig überarbeitet und dem
Stand der Technik angepasst wurde.“
Gelingt einem Auftraggeber der Nachweis, dass die vom Auftragnehmer bei der Errich-
tung des Werkes beachteten einschlägigen DIN-Normen nicht mehr oder noch nicht den
allgemeinen anerkannten Regeln der Technik entsprechen, kann im Einzelfall trotz der
DIN-gerechten Ausführung ein Mangel vorliegen.392 Dieser Nachweis wird allerdings – da
es sich nicht um eine Rechtsfrage handelt – im Zweifel nur durch ein Sachverständigen-
gutachten geführt werden können.
Altbausanierung und anerkannte Regeln der Technik Entscheidend ist auch für alle
Fälle der Altbausanierung, dass auch hier in aller Regel im Zweifel die aktuell gel-
tenden anerkannten Regeln der Technik einzuhalten sind. Dies hat der BGH wie folgt
klargestellt:393
Verspricht der Veräußerer eines Altbauobjekts eine so weitgehende und umfassende Sanie-
rung, darf der Erwerber dies grundsätzlich dahin verstehen, dass der Veräußerer zu diesem
Zweck im Rahmen des technisch Möglichen die Maßnahmen angewandt hat, die erforderlich
sind, um den Stand der anerkannten Regeln der Technik zu gewährleisten. Etwas anderes
kann sich ergeben, wenn die berechtigte Erwartung des Erwerbers unter Berücksichtigung der
gesamten Vertragsumstände, insbesondere des konkreten Vertragsgegenstands und der jewei-
ligen Gegebenheiten des Bauwerks, darauf nicht gerichtet ist.
Immer dann, wenn eine umfassende oder gar vollständige Sanierung geschuldet ist,
werden die aktuell geltenden Regeln der Technik geschuldet sein. Wir meinen, dass im
Zweifel deren Einhaltung bei einem Vertrag über eine nachträgliche Bauwerksabdichtung
grundsätzlich immer geschuldet ist. Sollte hier eine Unterschreitung von den Parteien
gewollt sein, muss dies schon deutlich zum Ausdruck kommen. Die bloße Nennung oder
Bezeichnung einer Ausführungsart wird angesichts der Erfolgshaftung nicht genügen,
392
OLG Hamm, NJW-RR 1998, 668.
393
BGH, BauR 2005, 542.
840 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Beispiel Ein Architekt wird mit dem Umbau einer ca. 100 Jahre alten, nicht unterkel-
lerten Gaststätte in Wohnungen beauftragt. Nach dem Bezug der Wohnungen kommt es
in den Erdgeschossräumen zu aufsteigender Feuchtigkeit. Gerichtlich bestellte Sachver-
ständige stellen als Ursache das Fehlen einer Horizontalsperre unterhalb der Außenwände
sowie dem Estrich auf der Bodenplatte gemäß DIN 18 195 fest. Der Auftraggeber verlangt
vom Architekten die Mehrkosten für den nachträglichen Einbau der Horizontalsperre. Der
Architekt meint, die DIN 18 195 gelte nicht für Altbauten. Im Übrigen lagen bis zum
Umbau keine Beschwerden über eingedrungene Feuchtigkeit vor, die auch im Zeitpunkt
des Umbaus nicht festzustellen war.397
Das OLG Schleswig hat die Frage nach der Anwendbarkeit der DIN offengelassen.
Der Architekt schulde die Planung und Bauleitung für die Herstellung von zum Wohnen
geeigneter Räume in dem früheren Gaststättengebäude. Er habe seine Planung an dem
auszurichten, was für einen diesen Anforderungen genügenden Umbau erforderlich ist.
Unabhängig von einer einschlägigen DIN sei für die Wohnräume eine wirksame Abdich-
tung gegen Bodenfeuchtigkeit erforderlich gewesen. Jedenfalls müsse bei einem 100 Jahre
alten Haus damit gerechnet werden, dass die Isolierung nicht vorhanden oder nicht mehr
394
Vgl. OLG Hamburg, IBR 2000, 598 (mit Anmerkung Kamphausen) zur Vorgängernorm DIN
4117.
395
Kamphausen, IBR 2000, 598.
396
OLG Schleswig, Urteil vom 31.7.2009 – 3 U 80/08, IBR 2010, 321.
397
OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.3.2004 – 22 U 121/03, IBRRS 51505.
22 Zivilrechtliche Grundlagen841
einwandfrei sei. Der Architekt sei deshalb verpflichtet, das Vorhandensein und die Wirk-
samkeit der Isolierung zu untersuchen, gegebenenfalls Abdichtungsmaßnahmen zu emp-
fehlen und ihren ordnungsgemäßen Einbau zu beaufsichtigen.
Für die nachträgliche horizontale Abdichtung wird es einschlägige DIN-Regelungen
überdies gar nicht geben. Hier geben möglicherweise WTA-Merkblätter die anerkannten
Regeln der Technik wieder.
Zum Teil wird man hier von anerkannten Regeln der Technik vor dem Hintergrund
der obigen Definition auch gar nicht sprechen können. Bei welcher Art der nachträgli-
chen horizontalen Abdichtung, außer den mechanisch hergestellten, kann schon behauptet
werden, sie sei theoretisch als richtig bestätigt und in dem Kreise der für die Anwendung
der betreffenden Regeln und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch
geeignet, angemessen und notwendig anerkannt? Hier werden sich keine allgemeinen
Aussagen treffen lassen. Vielmehr dürfte auf den konkreten Anwendungsfall abzustellen
sein.
Im Übrigen können auch Herstellerrichtlinien eine Rolle spielen. So kann der Herstel-
ler eines Produkts z. B. empfehlen, dass dieses nur bei Neubauten und nicht bei Altbau-
ten eingesetzt werden soll, weil es im Altbau vielfach unebene Untergründe gebe. Die
Abweichung von Herstellerempfehlungen oder Richtlinien führt dann zur Mangelhaftig-
keit einer Werkleistung, wenn daraus eine Ungewissheit über die Risiken des Gebrauchs
ent-steht.398 Geht es um einen Verstoß gegen Herstellervorschriften bei Anwendung – z. B.
Mindestschichtdicke einer Spachtelmasse 3–5 mm -, stellt sich die Frage, ob die Einhal-
tung vereinbarte Beschaffenheit ist. Das wird man mangels abweichender Vereinbarung
als stillschweigend vereinbart annehmen können. Nach einer Entscheidung des OLG Jena,
setzt die Annahme einer stillschweigenden Beschaffenheitsvereinbarung im Einzelfall
zumindest voraus, dass dem Besteller die Einhaltung der Herstellervorschrift unabhän-
gig vom Erfolg (im Fall ging es um ein dauerhaft einheitliches Fassadenbild) erkennbar
wichtig ist, wofür es keine Vermutung gibt. Das OLG Jena ist dann gleichwohl von der
Vermutung eines Mangels ausgegangen, die aber im konkreten Fall widerlegt worden sei
(Anm.: obwohl der gerichtliche Sachverständige den Verstoß gegen anerkannte Regeln der
Technik angenommen hat).399
Prüfpflichten; sich während der Ausführung ändernde Regeln der Technik Da die anerkann-
ten Regeln der Technik einem ständigen Wandel unterliegen, muss sich der Auftragnehmer
fortlaufend anhand einschlägiger Quellen wie Büchern, Fachzeitschriften, Fortbildungs-
veranstaltungen etc. über den aktuellen Stand der Bautechnik generell sowie in seinem
Fachgebiet informieren. Wir meinen, dass ein Mangel bereits grundsätzlich zu bejahen ist,
wenn gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen wird. Eine andere Frage wäre
bei einem möglichen Nachweis durch einen Auftragnehmer, dass ein Schadensrisiko nicht
398
OLG Schleswig, Urteil vom 31.7.2009 – 3 U 80/08, IBR 2010, 321.
399
OLG Jena, Urteil vom 27.7.2006 – 1 U 897/04, BauR 2009, 669.
842 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Theoretisches Beispiel Der Auftragnehmer führt beim Lastfall nicht drückendes Wasser
die Bauwerksabdichtung entsprechend dem Leistungsverzeichnis teilweise mit einer Bitu-
mendickbeschichtung aus. Vor oder auch während der Ausführung ändern sich nun die
anerkannten Regeln der Technik dergestalt, dass die Bitumendickbeschichtung nicht mehr
Regel der Technik ist. Der Auftraggeber verweigert die Abnahme.
Hinsichtlich der damit verbundenen Rechtsfolgen ist danach zu differenzieren, ob die
Vertragsparteien und insbesondere der Auftragnehmer die Veränderung der anerkannten
Regeln der Technik während der Ausführung bis zur Abnahme bemerkt haben.
Werden die während der Ausführung eintretenden Regeländerungen nicht bemerkt und
baut der Auftragnehmer nach veralteten Regeln, so geht dies grundsätzlich allein zulasten
des Auftragnehmers. Ein Wandel bei den anerkannten Regeln der Technik fällt ausschließ-
lich auf der Leistungsseite in den Risikobereich des Auftragnehmers. Insoweit ist wiede-
rum die Erfolgshaftung des Unternehmers angesprochen. Dieser Haftung kann er nur ent-
gehen, indem er seiner Pflicht zur Prüfung der Sachlage nachkommt und gegebenenfalls
Bedenken anmeldet. Es stellt sich dann die Frage, wie mit der bereits teilweise erstellten
Leistung und deren Vergütung umzugehen wäre, wenn sich der Auftraggeber für eine Aus-
führung nach den aktuell geltenden Regeln entscheidet. Hier dürfte unseres Erachtens
jedenfalls für den Fall, dass der Auftragnehmer seinen Pflichten zur Beobachtung der Ent-
wicklung der Regeln der Technik nachgekommen ist, wieder der Gedanke des § 645 BGB
zum Tragen kommen. Der Auftraggeber hat mit seiner Planungsvorgabe und Anordnung
dafür gesorgt, dass die Leistung nicht brauchbar ist. Er muss sie dann auch vergüten.
Eine weitere im juristischen Schrifttum diskutierte Frage ist dann die, ob ein Unter-
nehmer auch bei sich ändernden Regeln der Technik ohne Rücksprache mit dem Bauherrn
etwa zusätzliche oder geänderte Maßnahmen durchführen kann und die hierfür entstehen-
den Mehrkosten verlangen kann. Das kann er wohl nur, wenn die weiteren Voraussetzun-
gen für einen Anspruch vorliegen. Letztlich wird es darauf ankommen, ob die Leistungen
VOB/B, Rn. 35.
22 Zivilrechtliche Grundlagen843
dem Interesse und (mutmaßlichen) Willen des Bauherrn entsprechen. Hier sollte man als
Unternehmer vorsichtig sein und eine Klärung herbeiführen.
Für die Ausführung nach den geänderten neuen Regeln der Technik wird bei konse-
quenter Anwendung der BGH-Rechtsprechung401 zur Festlegung der Ausführungsart dem
Auftagnehmer ein zusätzlicher Vergütungsanspruch zustehen, wenn die neuen Regeln
umgesetzt werden und zu Mehraufwand führen. Dies gilt allerdings auch nur dann, wenn
tatsächlich wie in unserem Beispiel eine Ausführungsart eindeutig festgelegt wurde. Das
ist wiederum durch Vertragsauslegung zu ermitteln.
Der Auftraggeber trägt die Beweislast für einen Verstoß gegen die anerkannten Regeln
der Technik nach Abnahme, soweit es nur um diese geht. Hat der Auftragnehmer dabei
nachweislich die einschlägigen DIN-Normen eingehalten, muss der Auftraggeber nach-
weisen, dass die allgemeinen anerkannten Regeln der Technik nicht mehr oder noch nicht
den DIN-Vorschriften entsprechen.
Gerichtlicher Umgang In aller Regel wird ein Gericht die anerkannten Regeln der
Technik nicht selbst feststellen können, sondern sich hierzu eines Sachverständigengut-
achtens bedienen.
Dabei ist zu beachten, dass es selbstverständlich nicht auf die persönliche Auffassung
des Sachverständigen ankommt, sondern dieser letztlich eine Aussage zu treffen hat, ob
eine bestimmte Ausführung, eine bestimmte Technik, ein Baustoff von Wissenschaft und
Lehre für richtig befunden wird und auch von der Mehrzahl der praktischen Anwender
für angemessen u. notwendig anerkannt wird.
Dass dies für die Abdichtung mit Bitumendickbeschichtung bei bindigen Böden und
nicht drückendem Wasser von Gerichten unterschiedlich beurteilt wurde, sei hier erwähnt.
Das OLG Schleswig402 hatte diese Abdichtungsart als anerkannte Regel der Technik ein-
geordnet. Das OLG Bamberg hatte dies mehrfach verneint.403
Für den Lastfall drückendes Wasser hat das OLG Brandenburg für einen Fall aus dem
Jahr 2005 entschieden, dass eine vertikale Abdichtung von Kellerwänden gegen drücken-
des Wasser mit einer zweilagigen Bitumendickbeschichtung weder der DIN 18 195 noch
den anerkannten Regeln der Technik entspricht und deshalb mangelhaft ist.404 Für den Last-
fall drückendes Wasser hätte es nach den anerkannten Regeln der Technik einer Abdich-
tung gemäß DIN 18 195–196, Ausgabe 1983 und 2000 bedurft. Für diesen Lastanfall
sei dort eine Abdichtung mit Bitumendickbeschichtung gegen drückendes Wasser nicht
gelistet, d. h., sie ist nicht zulässig. Nach den Feststellungen des Sachverständigen werde
die Planung und Ausführung von Abdichtungen in zwei Werken geregelt, der DIN 18 195
und der Richtlinie für die Planung und Ausführung von Abdichtungen erdberührender
401
BGH, BauR 1999, 37.
402
BauR 1998, 1100; ebenso OLG Hamm, IBR 1998, 337.
403
U. a. OLG Bamberg, IBR 1999, 131.
404
OLG Brandenburg, Urteil vom 14.6.2006 – 13 U 18/04, BauR 2008, 567.
844 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Abweichen von der vorgestellten und üblichen Beschaffenheit Haben die Parteien die
Beschaffenheit nicht vereinbart, so ist das Werk sowohl gemäß § 633 Abs. 2 Satz 2 BGB
als auch nach § 13 Abs. 1 Satz 3 VOB/B frei von Sachmängeln, wenn es sich für die
vertraglich vorausgesetzte Verwendung oder für die gewöhnliche Verwendung eignet
und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der
Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann. Bei Fehlen einer Beschaffenheitsver-
einbarung kommt es also in erster Linie auf die von den Parteien angenommene Eignung
für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung an. Es ist seit jeher Rechtsprechung
des BGH, dass die Qualität des Werkes daran zu messen ist, ob es von der Beschaffenheit
abweicht, die es für den vertraglich festgesetzten Gebrauch haben muss.406 Erst wenn die
Parteien nicht bestimmt haben, wie das Werk verwendet werden soll, kommt es auf die
Eignung für die gewöhnliche Verwendung und zudem auf die übliche und vorgestellte
Beschaffenheit an.
Über die Frage der Eignung eines Werkes für die vertraglich vorausgesetzte bzw.
gewöhnliche Verwendung wird regelmäßig nur durch Einholung von Sachverständigen-
gutachten entschieden werden können.
Nacherfüllung Vorrang kommt auch im BGB dem Anspruch auf Nacherfüllung (früher:
Nachbesserung) zu, der in § 634 Nr. 1 i. V. m. § 635 BGB geregelt ist. Wegen des Vorrangs
der Nacherfüllung setzen die übrigen Mängelansprüche grundsätzlich den erfolglosen
405
OLG Brandenburg, Urteil vom 14.6.2006 – 13 U 18/04, BauR 2008, 567.
406
BGH, BauR 1989, 462, 464 m. w. N.
22 Zivilrechtliche Grundlagen845
Ablauf der zur Nacherfüllung gesetzten angemessenen Frist voraus, solange das Nach-
erfüllungsverlangen nicht ausnahmsweise entbehrlich ist.
Verlangt der Besteller Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist, so steht dem
Unternehmer nach § 635 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Wahlrecht zu, ob er den Mangel besei-
tigt oder ein neues Werk herstellt. § 635 Abs. 2 BGB stellt klar, dass der Unternehmer
die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Trans-
port-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, selbst zu tragen hat. Der Unternehmer kann
die Nacherfüllung gemäß § 635 Abs. 3 BGB verweigern, wenn diese nur mit unverhältnis-
mäßigen Kosten bzw. unverhältnismäßigem Aufwand möglich oder ihm unzumutbar ist.
Rücktritt Der Besteller kann auch vom Vertrag zurücktreten. Gemäß § 634 Nr. 3 BGB
richten sich die Voraussetzungen für den Rücktritt nach den allgemeinen Vorschriften der
§§ 323, 326 Abs. 5 BGB. Das Werkvertragsrecht selbst enthält in § 636 BGB lediglich
eine Sonderregelung, nach der die Fristsetzung zur Nacherfüllung – über die in den §§ 323
Abs. 2, 281 Abs. 2 BGB geregelten Fälle hinaus – entbehrlich ist, wenn der Unternehmer
die Nacherfüllung gemäß § 635 Abs. 3 BGB verweigert oder wenn die Nacherfüllung
fehlgeschlagen oder dem Besteller unzumutbar ist. Ausnahmsweise kann der Besteller
bereits vor Fälligkeit der Leistung – im Bauvertrag also vor dem vertraglich vereinbarten
Fertigstellungstermin – zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen
des Rücktritts eintreten werden, § 323 Abs. 4 BGB. Hat der Unternehmer bereits teilweise
geleistet, beschränkt sich das Rücktrittsrecht auf den noch nicht geleisteten Teil, während
der Besteller nur dann vom ganzen Vertrag zurücktreten kann, wenn er an der Teilleistung
kein Interesse hat, § 323 Abs. 5 S. 1 BGB. Zudem berechtigen unerhebliche Mängel nicht
zum Rücktritt, § 323 Abs. 5 S. 2 BGB.
Minderung Statt zurückzutreten, kann der Besteller die Vergütung durch Erklärung
gegenüber dem Unternehmer mindern, § 634 Nr. 3 i. V. m. § 638 Abs. 1 S. 1 BGB. Die
Minderung ist – anders als der Rücktritt wegen des Ausschlussgrundes des § 323 Abs. 5
S. 2 BGB – auch bei unerheblichen Mängeln zulässig.
846 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Schadensersatz Schließlich kann der Besteller gemäß § 634 Nr. 4 i. V. m. den allgemeinen
Vorschriften der §§ 280, 281, 283 und 311 a BGB Schadensersatz oder nach § 284 BGB
Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen. Diese Ansprüche setzen – anders als alle
vorgenannten Ansprüche! – gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB Verschulden voraus, wobei der
Unternehmer darlegen und beweisen muss, dass er den Mangel nicht zu vertreten, also
nicht vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Schadensersatz kann neben dem Rücktritt
verlangt werden, § 325 BGB. Beseitigt der Auftragnehmer die Mängel nicht oder nicht wie
geschuldet innerhalb der Frist und verlangt der Auftraggeber für die Schäden wegen eines
Mangels am Werk selbst Schadensersatz statt der Leistung (früher: wegen Nichterfüllung)
gemäß § 281 Abs. 1 S. 1 BGB, so darf und kann der Unternehmer nicht mehr selbst tätig
werden, § 281 Abs. 4 BGB. Hat der Unternehmer bereits eine Teilleistung erstellt, ist der
sog. „große“ Schadensersatz unter Rückgabe des halbfertigen Werkes nur möglich, wenn
der Besteller kein Interesse hieran hat, § 281 Abs. 1 S. 2 BGB. Bei unerheblichen Mängeln
scheidet der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung ganz aus, § 281 Abs. 1 S. 3
BGB. Nach der Sondervorschrift des § 636 BGB ist die Fristsetzung zur Mängelbeseiti-
gung über die Fälle des § 281 Abs. 2 BGB (endgültige und ernsthafte Verweigerung der
Nacherfüllung durch den Unternehmer/besondere Umstände) hinaus entbehrlich, wenn
der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert oder wenn die Nacherfüllung
fehlgeschlagen oder dem Besteller unzumutbar ist. Einer Fristsetzung bedarf es auch nicht
für den Ersatz der sog. Mangelfolgeschäden, für die § 280 Abs. 1 BGB die Anspruchs-
grundlage bildet. Hierunter fällt auch der Schadensersatzanspruch nach den §§ 280 Abs. 1
und 2, 286 BGB im Falle des Verzuges des Unternehmers mit der Mängelbeseitigung.
Bevor man die Frage von Hinweis- und Prüfpflichten klärt, ist in jedem Einzelfall der
Umfang der Planungspflichten zu klären, die die Beteiligten treffen. Das Gelingen von
Abdichtungsarbeiten hängt maßgeblich davon ab, ob im Vorfeld die Voraussetzungen
und Grundlagen für die Abdichtung hinreichend geklärt wurden. Dies betrifft zum einen
die bestehenden Boden- und Wasserverhältnisse des Umfeldes, die bei Unsicherheiten in
aller Regel durch Sonderfachleute wie Baugrund- bzw. Bodengutachter ermittelt werden
müssen. Dies betrifft zum anderen aber den Zustand des vorhandenen Gebäudes, also die
Analyse des Gebäudes bzw. des Mauerwerks. Hierzu sind in aller Regel Untersuchungen
erforderlich, die ohne besondere Absprache ein Auftragnehmer, der nur die Bauleistungen
zur Abdichtung zu erbringen hat, nicht leisten muss.
Es sind Umstände betroffen, die üblicherweise ein Architekt im Rahmen der Grundla-
genermittlung (Leistungsphase 1, vgl. Anlage 11 zu den §§ 33 und 38 Absatz 2 HOAI) zu
klären hat. Die Pflicht des Architekten besteht bei ungeklärten Verhältnissen darin, gegen-
über dem Bauherren Bodenuntersuchungen und Baugrundbeurteilungen durch einen
22 Zivilrechtliche Grundlagen847
Fachingenieur anzuregen. Jedenfalls aber bei Leistungsphase 2, also der Vorplanung, sind
diese Punkte zu klären.407
Etwas anderes gilt jedoch bereits dann, wenn ein nicht durch einen Architekten bera-
tener Bauherr vertraglich mit einem Unternehmer die Erstellung einer nachträglichen
ordnungsgemäßen Bauwerksabdichtung vereinbart. Verspricht in einem solchen Fall
ein Unternehmer die Erbringung der Abdichtung, kann er sich selbstverständlich nicht
darauf zurückziehen, dass eine falsche beziehungsweise dass gar keine Planung vorliegt.
In einem solchen Fall übernimmt ein Unternehmer selbst die planerischen Aufgaben und
muss dann auch die Grundlage für die von ihm zu erbringende Leistung klären. Liegt ein
Bodengutachten vor, muss der Unternehmer, der planerische Aufgaben erbringt, ebenso
wie ein Architekt dieses nur mit seinen eigenen Fachkenntnissen überprüfen. Eine fach-
spezifische Untersuchung ist dagegen nicht erforderlich. Hinzuweisen ist dann auf „offen-
kundige Fehler“.408
In aller Regel wird dem Auftragnehmer eine Planung zur Verfügung gestellt. In einem
VOB/B-Vertrag sind dem Auftragnehmer die Ausführungsunterlagen zu übergeben. § 3
Abs. 1 VOB/B lautet wörtlich:
Die für die Ausführung nötigen Unterlagen sind dem Auftragnehmer unentgeltlich und recht-
zeitig zu übergeben.
Diese Planungsunterlagen hat der Unternehmer dann zu prüfen. Wegen der Anforderun-
gen an diese Prüfung nehmen wir auf die nachfolgenden Ausführungen Bezug. Soweit
dem Unternehmer auch die eingangs erwähnten Voruntersuchungen, also insbesondere
Baugrundgutachten und Bauwerksanalyse, zur Verfügung gestellt werden, hat er auch
diese nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen zu prüfen.
407
Vgl. Lo/Ko/Frik, Kommentar zur HOAI, 9. Aufl., § 15 Rn. 91.
408
Lo/Ko/Frik, Kommentar zur HOAI, 9. Aufl., § 15 Rn. 91.
409
Palandt/Sprau, § 633 Rn. 4.
848 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen
der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe
oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber
unverzüglich – möglichst schon vor Beginn der Arbeiten – schriftlich mitzuteilen; der Auf-
traggeber bleibt jedoch für seine Angaben, Anordnungen oder Lieferungen verantwortlich.
Der Wortlaut scheint nahe zu legen, dass keine gesonderte Prüfpflicht des Auftragnehmers
besteht, sondern dieser zur Anzeige von Bedenken nur verpflichtet ist, wenn er solche
auch tatsächlich hat. Das ist indes zu kurz gedacht. Die absolut herrschende Auffassung
im Schrifttum und in der Rechtsprechung geht davon aus, dass der Pflicht zur Anzeige von
Bedenken eine Prüfpflicht vorausgeht.411
Wir haben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der geschuldete Leistungs-
erfolg sich nicht alleine aus einem Leistungsverzeichnis ergeben muss, sondern unab-
hängig hiervon der erkennbare Verwendungszweck eine weitere bedeutende Rolle spielt,
ebenso die anerkannten Regeln der Technik. Ein Unternehmer darf sich keineswegs darauf
beschränken, die Vorgaben eines Leistungsverzeichnisses umzusetzen. Stellt er Widersprü-
che zwischen Leistungsverzeichnis und dem Verwendungszweck oder den anerkannten
Regelnder Technik fest, muss er entsprechend § 4 Abs. 3 VOB/B reagieren und unverzüg-
lich schriftlich Bedenken anzeigen. Es ist eben nicht so, dass der Leistungserfolg alleine
durch das Leistungsverzeichnis definiert wird.
Allgemeine Grenzen der Prüfpflicht Definiert und begrenzt wird die Prüfpflicht wie
folgt: Maßgeblich ist die geschuldete vertragliche Leistung einerseits und die objektiv
zu beurteilende Sachkenntnis des Auftragnehmers andererseits.412 Im Hinblick auf Letz-
tere gilt, dass das branchenübliche Fachwissen als gegeben unterstellt wird.413 Darüber
hinausgehende Spezialkenntnisse eines Sonderfachmanns sind nicht zu unterstellen.414 Je
weitergehend sich ein Unternehmer als Fachmann präsentiert, desto weiter gehen auch
410
OLG Celle, NJW-RR 2002, 594.
411
BGH, BauR 2000, 262, 264.
412
Vgl. F/K/Z/G/Zanner, § 4 VOB/B, Rn. 146.
413
BGH, BauR 1991, 79, 80.
Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil, Rn. 46; OLG Düsseldorf, BauR 2001, 638;
414
Form und Inhalt der Bedenkenanzeige, Reaktion des Auftraggebers Die Bedenkenanzeige
muss unverzüglich und schriftlich erfolgen. Unverzüglich bedeutet dabei, dass der Auf-
tragnehmer, nachdem er den Mangel der Ausführungsunterlagen, Vorleistungen, erkannt
hat, beziehungsweise nachdem er ihn hätte erkennen müssen, ohne schuldhaftes Zögern
die Bedenken auch äußert.
Die Bedenkenanzeige hat schriftlich zu erfolgen, wobei dies in einem BGB-Vertrag
nicht geregelt ist. Ist die Bedenkenanzeige nicht schriftlich erfolgt, kommt es darauf an, ob
der mündlich erteilte Hinweis klar, vollständig und erschöpfend erfolgt ist.419
Es wird immer wieder beobachtet, dass sich ein Auftragnehmer darauf beschränkt,
auf einen Umstand hinzuweisen und hierbei nur das Wort „Bedenken“ verwendet. Bei-
spiel für eine völlig unzureichende Bedenkenanzeige wäre z. B., dass der Unternehmer
ohne Angabe von Tatsachen „auf mangelhafte Vorleistungen“ oder „einen mangelhaften
415
BGH, BauR 1993, 79, 80.
416
So OLG Bamberg, IBR 2001, 111.
417
BGH, BauR 2001, 1414 zu Fliesenarbeiten.
418
BGH, BauR 1995, 538.
419
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 48 ff.
850 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Untergrund“ verweist. Auch wenn dies völlig klar sein sollte, ist in der Praxis oftmals
von unzureichenden Bedenkenanzeigen auszugehen. Die Bedenkenanzeige muss inhalt-
lich so klar sein, dass der Auftraggeber erkennt, welche konkreten Gefahren mit einem
bestimmten Zustand verbunden sind. Mit anderen Worten muss dem Auftraggeber die
Tragweite der Nichtbefolgung klargemacht werden.420 Angesichts der Rechtsfolgen, die
mit einer ordnungsgemäßen Bedenkenanzeige verbunden sind, kann die Wichtigkeit gar
nicht genug betont werden. Eigene Lösungsvorschläge muss der Unternehmer dabei nicht
unterbreiten.421
In der Praxis werden Bedenkenanzeigen regelmäßig dem bauüberwachenden Archi-
tekten vorgelegt. Jedenfalls, wenn sich der Architekt den Bedenken verschließt, muss der
Auftraggeber unmittelbar mit den Bedenken konfrontiert werden.422
420
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 50.
421
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 50.
422
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 51.
22 Zivilrechtliche Grundlagen851
Bevor nun die Sachmängelansprüche im Einzelnen behandelt werden, soll kurz auf den
Einwand des unverhältnismäßigen Mangelbeseitigungsaufwandes eingegangen werden.
Dieser führt gemäß § 635 Abs. 3 BGB bzw. § 13 Abs. 6 VOB/B dazu, dass eine Nacherfüllung
durch den Bauherrn bzw. Auftraggeber nicht verlangt werden kann. In einem solchen Fall
kann der Auftraggeber auch keine Kostenerstattung für Ersatzvornahmen verlangen. Eine
Minderung kann in diesem Fall nicht nach den Nacherfüllungskosten bemessen werden.423
Ähnliches gilt wohl auch für den Schadensersatz, der zudem Verschulden voraussetzt. Dieser
richtet sich zwar grundsätzlich nach den Beseitigungskosten, auch hier kann der Unverhält-
nismäßigkeitseinwand greifen, wenn auch über die Regelung des § 251 Abs. 2 BGB.424
Es darf nicht verkannt werden, dass der Einwand eines unverhältnismäßigen Aufwan-
des bei Arbeiten an der Bauwerksabdichtung kaum einmal in Betracht kommen kann.
Allgemein wird Unverhältnismäßigkeit angenommen, wenn mit der Nacherfüllung erziel-
ter Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem ver-
nünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht.425 Das Interesse
des Auftraggebers an vertragsgemäßer Erfüllung steht dabei im Vordergrund. Die Unver-
hältnismäßigkeit kann immer nur dann angenommen werden, wenn das Interesse des
Auftraggebers an einer Mangelbeseitigung objektiv gering ist. Bereits dies wird man bei
Abdichtungsarbeiten ganz grundsätzlich nicht annehmen können, weil es um die Funk-
tionsfähigkeit des Werkes geht. Ist diese jedoch spürbar beeinträchtigt, kann eine Nach-
erfüllung regelmäßig nicht wegen hoher oder auch extrem hoher Nacherfüllungskosten
verweigert werden.426 Von daher kommt es bereits nicht mehr zur Verhältnismäßigkeits-
prüfung, auch wenn im Einzelfall ein ganz erheblicher Nachbesserungsaufwand die Folge
ist. Selbst der Umstand, dass die Nacherfüllungskosten die vereinbarte Vergütung errei-
chen oder aber auch deutlich übersteigen, ist in diesem Zusammenhang dann nicht mehr
relevant.427 Als Faustformel kann man festhalten, dass der Einwand der Unverhältnismä-
ßigkeit regelmäßig wohl nur bei sogenannten Schönheitsfehlern in Betracht kommt.428
423
BGH, BauR 2003, 533.
424
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 97.
425
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 97; BGH, BauR 1997, 638; BGH, BauR 1995, 546.
426
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 97.
427
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 97.
428
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 97.
852 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Liegen grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vor, ist dies zusätzlich bei der Frage, ob Unver-
hältnismäßigkeit vorliegt, zu berücksichtigen. Allerdings scheidet auch dann der Einwand
der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung nicht von vornherein aus.429
Es stellt sich weiter die Frage, ob der Auftraggeber diesen Einwand vorwegnehmen
kann und die Vergütung mindern darf.
Beispiel Es wird ein geringfügiger Mangel vom Auftraggeber festgestellt ohne funktio-
nell erhebliche Auswirkungen. Der Auftraggeber zieht einen bestimmten Betrag von der
Schlussrechnung ab mit dem Kommentar „Minderung“.
Das ist nicht möglich. Auftraggeber verkennen, dass es sich um ein Recht des Auf-
tragnehmers handelt, ob er eine Nachbesserung wegen unverhältnismäßigen Aufwandes
ablehnt. Der Auftraggeber kann dies nicht entscheiden. Der Auftragnehmer kann aller-
dings dieser Minderung zustimmen. Dies sollte er immer dann, wenn klar ist, dass der
Mangel von ihm verursacht wurde und ein erheblicher Nachbesserungsaufwand im Raum
steht. Es besteht nämlich die Gefahr, dass zu Recht Nacherfüllung verlangt wird. Haben
die Parteien einvernehmlich eine Minderung vereinbart, dürfte damit in aller Regel ein
Nacherfüllungsanspruch ausgeschlossen sein. Hier ist dann auf die konkreten Umstände
des Einzelfalls abzustellen.
429
BGH, BauR 2006, 377.
430
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 2.
431
So der BGH in ständiger Rechtsprechung, z. B. BGH, BauR 2002, 784; BGH, BauR 1999, 899.
22 Zivilrechtliche Grundlagen853
Der Inhalt des Nacherfüllungsanspruchs Inhaltlich muss die Nacherfüllung dem Auftrag-
geber ein vertragsgemäßes Werk verschaffen. Wie der Auftragnehmer der Nacherfüllungs-
pflicht nachkommt, ist ihm überlassen. Der Auftragnehmer kann entscheiden, ob er Nach-
erfüllung leistet durch Mangelbeseitigung oder durch Neuherstellung, § 635 Abs. 1 BGB.
Art und Weise der Nacherfüllung bestimmt er.434
Eine von vornherein erkennbar ungeeignete Maßnahme kann der Auftraggeber ableh-
nen.435 Ebenso ablehnen kann der Erwerber eine Mängelbeseitigungslösung, durch die der
Mangel nicht nachhaltig beseitigt wird.436 Er muss sich insoweit auch nicht Vorschlägen
beugen, die für den verbleibenden Minderwert einen finanziellen Ausgleich vorsehen.437
Auch dies ist in der Praxis häufig, wobei oftmals wiederum der Einwand des unverhältnis-
mäßigen Aufwandes im Hinblick auf die vollständige Mangelbeseitigung bemüht wird.
Dieser Einwand geht zumeist fehl. In aller Regel wird ein Auftragnehmer unterliegen.
Dies gilt auch in dem Fall, in dem eine nicht vollständig zur Nachbesserung führende
Sanierung angeboten wird und im Übrigen ein finanzieller Ausgleich. Auch wenn dies
wirtschaftlich im Einzelfall nicht sinnvoll erscheint oder vom Auftragnehmer als schika-
nös empfunden wird. Eine „Billiglösung“ lässt sich nur einvernehmlich erzielen.
Verlangt ein Auftraggeber Maßnahmen, die untauglich oder unnötig sind, befreit dies
den Auftragnehmer nicht von seiner Pflicht zur Nacherfüllung. Er hat vielmehr die nach
seiner Auffassung taugliche Maßnahme der Mängelbeseitigung anzubieten.438
432
BGH, BauR 1998, 632.
433
BGH, BauR 1997, 133.
434
BGH, BauR 1973, 317.
435
Kniffka/Krause-Allenstein, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 635 Rn. 24.
436
BGH, NJW-RR 1997, 1106.
437
BGH, BauR 2003, 1209.
438
BGH, BauR 1998, 123.
854 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Die Nachbesserungsverpflichtung umfasst nicht nur die Pflicht, die eigene mangelhafte
Leistung nachträglich in einen mangelfreien Zustand zu versetzen. Sie umfasst auch alle
anderen Arbeiten am eigenen Gewerk, die vorbereitend und im Nachgang erforderlich
sind, um den Mangel an der eigenen Leistung zu beheben.
Soweit Schäden an anderen Bauteilen eintreten, die mit der eigentlichen Nacherfüllung
nichts zu tun haben, haftet der Auftragnehmer bei Verschulden auf Schadensersatz. Mit
der eigentlichen Nacherfüllung hat dies dann nichts zu tun.
Sowieso-Kosten, Zuschuss, Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers wegen Vergü-
tung? Grundsätzlich zu berücksichtigen sein können beim Umfang des Nacherfüllungs-
anspruchs Sowieso-Kosten bei der Mängelbeseitigung.
Dabei handelt es sich um solche Kosten, um die die Bauausführung von vornherein bei
ordnungsgemäßer Ausführung für den Auftraggeber teurer geworden wäre. Wurde z. B.
eine konkrete Ausführungsart (Abdichtung gegen nicht drückendes Wasser) beschrieben,
ist aber nunmehr eine gegen drückendes Wasser erforderlich, sind die reinen Mehrkosten
im Wege des Vorteilsausgleichs auszugleichen. Zur Beurteilung von „Sowieso-Kosten“ ist
eine sehr genaue Analyse der vertraglichen Regelungen erforderlich. Nur durch die ver-
traglichen Regelungen lässt sich ermitteln, ob dem Auftraggeber nun ein Vorteil zukommt,
den er ohne die Mangelbeseitigung nicht hätte.
Dieser Vorteilsausgleich ist bei allen Ansprüchen durchzuführen! Dies wird beim Nach-
erfüllungsanspruch nur mittels Zuschusszahlung zu bewerkstelligen sein, bei den anderen
Ansprüchen reduziert sich dieser. Hat nun der Auftraggeber durch eine mangelhafte
Planung zum Mangel beigetragen und haftet der Auftragnehmer nur, weil er Bedenken
nicht geäußert hat, kommt eine weitere Beteiligung des Auftraggebers beim Nacherfül-
lungsanspruch in Betracht bzw. bei den weiteren Ansprüchen eine weitere Reduzierung.439
Der Auftragnehmer ist auch bei Vorliegen von Sowieso-Kosten grundsätzlich zur Nach-
erfüllung verpflichtet und darf diese nicht von einer Zuzahlung abhängig machen. Aller-
dings wird er einen Anspruch auf Leistung einer Sicherheit haben.440 Bei den sonstigen
Ansprüchen wird der Zahlungsanspruch gekürzt. Dieses Recht muss der Auftragnehmer
darlegen und beweisen. Er kann im Übrigen die Nacherfüllung außergerichtlich auch
wegen ausstehender Vergütung wohl nicht verweigern, sondern er muss zunächst einmal
nachbessern.441
439
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 55.
440
BGH, BauR 1984, 395.
So jedenfalls Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 61 unter Hinweis auf BGH, BauR 1984, 310 (Ls.) = BauR
441
1984, 395 ff.
22 Zivilrechtliche Grundlagen855
deshalb erlischt.442 Da die Rechtsprechung des BGH in der Rechtspraxis „das Maß aller
Dinge“ ist, hilft es dem Unternehmer in aller Regel auch nicht, dass es Oberlandesgerichte
gibt, die vom BGH abweichend entschieden haben, wie z. B. das OLG Hamm.443
Es ist dem Auftraggeber jedoch unbenommen, eine nach Fristablauf angestrengte Nach-
erfüllung anzunehmen. Hierdurch rückt der Besteller von der gesetzten Frist ab und es
werden hierdurch einvernehmlich die Folgen des Fristablaufs aufgehoben. Es ist den Par-
teien unbenommen, einvernehmlich die Folgen des Fristablaufs aufzuheben.444 Geht der
Besteller auf die angebotene Nacherfüllung ein, so wird das Rechtsverhältnis wohl wieder
insgesamt in den Zustand zurückversetzt, in dem es sich vor Ablauf der zunächst gesetzten
Frist zur Nacherfüllung befand. Zur Geltendmachung weitergehender Rechte als Nach-
erfüllung wird es dann einer erneuten Fristsetzung bedürfen.
Zeitliche Grenzen des Nacherfüllungsanspruchs? Unmöglichkeit, Unverhältnismäßig-
keit Der Nacherfüllungsanspruch des Auftraggebers geht durch Ablauf einer angemessen
Frist zur Nacherfüllung nicht unter. Zwischen den einzelnen Mängelrechten besteht viel-
mehr ein Wahlrecht des Auftraggebers.445
Ist die Nacherfüllung objektiv unmöglich, ist der Nacherfüllungsanspruch nach § 635
Abs. 3 BGB i. V. m. § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Dabei ist Unmöglichkeit nur anzu-
nehmen, wenn der Mangel auch nicht durch Neuherstellung nachhaltig zu beseitigen ist,
also in der Praxis ein kaum auftretender Fall.
Der Auftragnehmer kann die Nacherfüllung schließlich verweigern und damit den
Anspruch des Unternehmers auf Nacherfüllung ausschließen, wenn die Nacherfüllung nur
mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, § 635 Abs. 3 BGB (s. o.). Dass es nach § 275
Abs. 2 und 3 BGB noch die Fälle des groben Missverhältnisses zum Leistungsinteresse
des Gläubigers gibt, § 275 Abs. 2 BGB, bzw., dass der Unternehmer die Nacherfüllung
persönlich zu erbringen hatte und sie ihm unzumutbar wäre, § 275 Abs. 3 BGB, sei der
Vollständigkeit halber erwähnt. In der Praxis spielen diese Leistungsverweigerungsrechte
keine Rolle.
Das Recht zur Selbstvornahme
Einleitung Besteht ein Nacherfüllungsanspruch, kann der Auftraggeber nach Ablauf
einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung den Mangel auf Kosten des Auftragnehmers
selbst beseitigen. Die hierfür notwendigen Aufwendungen kann der Auftraggeber ersetzt
verlangen, § 637 Abs. 1 BGB. Der Auftraggeber muss insoweit nicht in Vorlage gehen,
sondern kann vom einstandspflichtigen Bauträger einen Vorschuss in Höhe der voraus-
sichtlichen Mängelbeseitigungskosten verlangen, § 637 Abs. 3 BGB.
Voraussetzungen Bestehen Nacherfüllungsanspruch, Exkurs Bauhandwerkersiche-
rung Erste Voraussetzung für ein Selbstbeseitigungsrecht nach § 637 Abs. 1 BGB ist das
442
BGH, BauR 2003, 693.
443
OLG Hamm, Urteil vom 1.2.2005 – 19 U 93/04, IBR 2005, 1161.
444
OLG Stuttgart, IBR 2005, 422.
445
Palandt/Sprau, § 637 BGB, Rn. 5.
856 V. Hafkesbrink und U. Kühne
446
Offen aber Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 174.
447
BGH, IBR 2005, 198.
448
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 191.
22 Zivilrechtliche Grundlagen857
Beispiel Es werden Mängel der Abdichtung gerügt. Nachdem diese nicht beseitigt
werden, lässt der Auftraggeber diese – ohne eine Frist gesetzt zu haben – durch Drittunter-
nehmer beseitigen.
Liegen die Voraussetzungen einer Selbstvornahme nicht vor, scheiden Erstattungs-
ansprüche des Auftraggebers aus jedem denkbaren Gesichtspunkt aus. Das ist ständige
Rechtsprechung des BGH.451
Es gibt gesetzlich geregelte und von der Rechtsprechung entschiedene Ausnahmefälle,
bei denen eine Frist nicht gesetzt werden muss. Diese Fälle werden von Auftraggebern
-oftmals als „letzter Strohhalm“ – herangezogen. Einer Fristsetzung bedarf es nicht, wenn
• die Nacherfüllung fehlgeschlagen oder dem Auftraggeber unzumutbar ist, § 637 Abs. 2
BGB, oder
• der Auftragnehmer die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert hat, § 323
Abs. 2 Nr. 1 BGB, oder
• besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine
sofortige Selbstvornahme rechtfertigen, § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB.
Der weitere Fall des § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist praktisch wenig relevant.
Unzumutbar im Sinne des § 637 Abs. 2 BGB ist die Fristsetzung nur in Ausnahme-
fällen, die der Auftraggeber zu beweisen hat. Dies kommt in Betracht, wenn der Auftrag-
geber zu Recht kein Vertrauen mehr in die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers haben
muss, was nur ausnahmsweise der Fall sein kann.452
449
BGH, BauR 2000, 98.
450
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 191.
451
z. B. BGH, BauR 1988, 208; Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 135.
452
Vgl. OLG Koblenz, BauR 2002, 1110.
858 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Steht – vom Auftraggeber zu beweisen – fest, dass der Auftragnehmer die gesetzte Frist
nicht einhalten wird, muss der Erwerber nicht länger zuwarten, da sich dies als bloße
Frömmelei darstellen würde.453
Die ernsthafte und endgültige Verweigerung kommt indes in der Praxis sehr häufig
vor, wenn nämlich ein Auftragnehmer das Vorliegen von Mängeln bestreitet bzw. grund-
sätzlich zum Ausdruck bringt, er sei schon dem Grunde nach nicht nacherfüllungsver-
pflichtet.454 Ob hierfür auch das Verhalten des Auftragnehmers nach Fristablauf herhalten
kann, ist zumindest zweifelhaft. In aller Regel werden bei fehlender Fristsetzung oder
bei Nachbesserungen vor Fristablauf seine Einlassungen dahin gehen, dass ein Anspruch
primär wegen der fehlenden Fristsetzung abgelehnt wird.
453
BGH, BauR 2002, 1847.
454
BGH, BauR 1990, 466.
455
BGH, BauR 1991, 329.
456
OLG Frankfurt, ZfBR 1992, 70.
457
OLG Bamberg, Urteil vom 1.4.2005 – 6 U 42/04, IBR 2005, 1284.
22 Zivilrechtliche Grundlagen859
Der Vorschussanspruch Der Auftraggeber kann gem. § 637 Abs. 3 BGB vom Auftrag-
nehmer für die zur Beseitigung der Mängel erforderlichen Aufwendungen Vorschuss
verlangen.
Der Vorschuss kann verlangt werden für die voraussichtlichen Kosten der Mängelbe-
seitigung. Der Mangel darf zum Zeitpunkt der Vorschussforderung nicht bereits beseitigt
worden sein. In diesem Fall ist der Auftraggeber nämlich gehalten, die entstandenen Auf-
wendungen zu beziffern, anstatt einen nur geschätzten Vorschuss geltend zu machen.461
Dies ist insbesondere dann relevant, wenn die Nachbesserung durchgeführt wurde, die
Kosten jedoch noch nicht abschließend erfasst wurden.
Hinsichtlich der Höhe des Vorschusses gelten im Wesentlichen die Grundsätze wie
beim Erstattungsanspruch, wobei die Anforderungen an die vorzunehmende Kostenschät-
zung aufgrund der ja ohnehin bestehenden Abrechnungspflicht nicht hoch sind. Hierüber
hat prozessual letztlich ein Sachverständiger zu befinden462.
Stellt sich später heraus, dass der erhaltene Vorschuss nicht ausreicht, kann nachgefor-
dert werden.463 Dies ergibt sich aus der Natur des Vorschusses.
Der erhaltene Kostenvorschuss muss binnen angemessener Frist abgerechnet werden.
Erfolgt dies nicht, wird er zweckwidrig oder nur teilweise verbraucht, ist er sogar zurück-
zuzahlen464. Es kommt auf den Einzelfall an, in welcher Frist die Abrechnung zu erfolgen
hat, wobei diese natürlich auch nachgeholt werden kann.
Minderung und Rücktritt
Einleitung Das Rücktrittsrecht ergibt sich aus §§ 634 Nr. 3, 323 Abs. 1 BGB. Die Min-
derung ist in § 638 BGB geregelt. Der fruchtlose Ablauf einer angemessenen Frist zur
Nacherfüllung ist ausreichend zur Geltendmachung.
458
BGH, NJW 1973, 46.
459
BGH, NJW 1973, 46.
460
BGH, BauR 1987, 97.
461
BGH, BauR 1982, 66.
462
BGH, BauR 1999, 631.
463
OLG München, NJW-RR 1994, 785.
464
BGH, BauR 1984, 406.
860 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Häufig wird sich für die Berechnung der Minderung der Minderwert nach dem Betrag
bestimmen, der zur Beseitigung des Mangels aufgebracht werden muss. Dies gilt jedoch
nicht, wenn die Nacherfüllung vom Unternehmer zu Recht wegen Unverhältnismäßigkeit
abgelehnt werden darf.465
Der Rücktritt Der Rücktritt kann nach Fälligkeit des Leistungsanspruchs bereits bei
fruchtlosem Ablauf einer angemessen Frist zur Nacherfüllung verlangt werden bzw. bei
deren Entbehrlichkeit.
Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ist zur Geltendmachung des Rücktritts unter den
gleichen Voraussetzungen entbehrlich wie bei der Selbstvornahme.
Ausgeschlossen ist ein Rücktritt unter den in § 323 Abs. 5, Abs. 6 BGB genannten
Fällen.
Ist ein Mangel unerheblich, ist ein Rücktritt ausgeschlossen, § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB.
Hier soll Ähnliches gelten wie für die Beurteilung der Abnahmefähigkeit, also wäre ein
Rücktritt nur bei wesentlichen Mängeln möglich.466 Die Annahme nur unerheblicher
Mängel ist bei Abdichtungsmängeln nur ausnahmsweise möglich.
Ist der Auftraggeber für den zum Rücktritt berechtigenden Umstand allein oder über-
wiegend verantwortlich, oder befindet sich der Besteller zum Zeitpunkt des Eintritts des
vom Auftragnehmer nicht zu vertretenden Umstands in Annahmeverzug, ist auch hier
der Rücktritt ausgeschlossen, § 323 Abs. 6 BGB. Überwiegend verantwortlich für einen
Mangel kann der Auftraggeber sein, wenn Planungsfehler vorliegen und der Auftragneh-
mer nur Bedenken nicht angezeigt hat.
Die Rechtsfolgen des geltend gemachten Rücktritts ergeben sich aus den §§ 346 ff.
BGB. Die ausgetauschten Leistungen sind zurückzugewähren, etwa gezogene Nutzungen-
herauszugeben. In der Praxis wird jedenfalls dann, wenn der Auftraggeber Grundstücks-
eigentümer ist, der Rücktritt nur über Wertersatz nach § 346 Abs. 2 BGB bewerkstelligt
werden können. Wegen dieser Schwierigkeiten der Rückabwicklung sieht die VOB/B ein
Rücktrittsrecht nicht vor. Keine Schwierigkeiten gibt es beim Bauträgervertrag (Grund-
stück wird mit Bauleistungen verschafft), da hierbei ja die empfangenen Bauleistungen
mit dem Grundstück ohne Zerstörung zurückgewährt werden können.
Die Minderung Geltend gemacht werden kann der Minderungsanspruch erst, wenn der
Auftragnehmer nicht mehr selbst zur Nachbesserung berechtigt ist, also mit fruchtlosem
Ablauf der angemessenen Frist zur Nacherfüllung oder deren Entbehrlichkeit.
Minderung kann („statt zurückzutreten“) erst verlangt werden, wenn sämtliche Voraus-
setzungen vorliegen, die auch zum Rücktritt berechtigen. Dabei kann allerdings Minde-
rung – anders als der Rücktritt – auch für einen unerheblichen Mangel verlangt werden,
§ 638 Abs. 1 Satz 2 BGB.
465
BGH, BauR 2003, 533, 534.
466
Vgl. Palandt/Sprau, § 636 BGB, Rn. 6.
22 Zivilrechtliche Grundlagen861
Maßgebend für die Berechnung der Minderung ist der Zeitpunkt „des Vertragsschlus-
ses“, § 638 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die Vergütung ist dann in dem Verhältnis herabzusetzen, in
welchem der Wert des Werks in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden
haben würde.
In aller Regel entspricht die Höhe der Minderung den Kosten einer etwaigen Mängelbe-
seitigung zuzüglich eines merkantilen und/oder technischen Minderwerts.467
Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer/Auftragnehmer die Nacherfüllung wegen Unver-
hältnismäßigkeit verweigern darf.468 Ist die Werkleistung wertlos, kann im Wege der Min-
derung die Vergütung auf Null gesetzt werden und eine etwa gezahlte Vergütung zurück-
verlangt werden (vgl. § 638 Abs. 4 BGB).469
Auch dem Minderungsanspruch kann der Auftraggeber dem Grunde nach Sowieso-
Kosten und eine Mitverursachung des Mangels durch den Auftraggeber entgegenhalten.
Der Schadensersatzanspruch Der Auftraggeber kann wegen Mängeln der Leistung Scha-
densersatz gem. §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB geltend machen. Über § 634 Nr. 4 i. V. m.
§§ 280 f. BGB werden sämtliche Schadensersatzansprüche abgewickelt. Nach dem Gesetz
sind zwei Schadensersatzansprüche zu unterscheiden, nämlich
• einmal der Schadensersatz neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB), der die Mangel-
folgeschäden erfasst470 und die reinen Mangelbeseitigungskosten nicht abdeckt, und
• andererseits der Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 Abs. 3, 281 BGB), der als
kleiner Schadensersatz (Differenzmethode) oder als großer Schadensersatz geltend
gemacht werden kann.
Schadensersatz neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) Die Mangelhaftigkeit der Werk-
leistung ist sowohl eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 BGB als auch eine Leis-
tung „nicht wie geschuldet“ im Sinne des § 281 BGB. Die Schadensersatzansprüche der
§§ 280 ff. BGB sind in aller Regel auf Geld gerichtet. Dem Auftraggeber infolge eines
Mangels entstehende Schäden, die durch eine Mängelbeseitigung nicht beseitigt werden
können, werden nach § 280 BGB ohne weitere förmliche Voraussetzungen ersetzt, und
zwar neben dem weiter bestehenden Leistungsanspruch. Das sind die Schäden, die durch
Nachbesserung nicht verhindert werden können, wie z. B. Verdienstausfall, Gutachterkos-
ten, Rechtsanwaltskosten und Hotelkosten.471
467
BGH, NJW-RR 1997, 688.
468
OLG Celle, BauR 1998, 401; BGH, BauR 2003, 533, 534.
469
Kniffka/Krause/Allenstein, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 638 Rn. 20.
470
Kniffka/Krause/Allenstein, ibr-online-Kommentar, Stand 12.1.2015, § 636 Rn. 40.
471
BGH, BauR 2000, 1190.
862 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Ersetzt werden hierüber die Schäden, die am Bauwerk als Folgeschäden eingetreten
sind, z. B. weil sie zwangsläufig am sonstigen Eigentum des Bestellers entstehen. Das
können bei mangelhafter Abdichtung Schäden am Wandanstrich, an Tapeten und an ver-
legten Teppichfußböden sein.472
Schadensersatz statt der Leistung aus § 281 BGB Der Auftraggeber ist beim Schadens-
ersatz statt der Leistung so zu stellen, als ob der Bauvertrag ordnungsgemäß erfüllt worden
wäre.473
Den Mangelschaden selbst, d. h. den für die Mangelbeseitigung erforderlichen Betrag,
kann der Auftraggeber einschließlich der mit der Nacherfüllung verbundenen Verzöge-
rungsschäden unter den Voraussetzungen des § 281 BGB stets als Schadensersatz statt der
Leistung ersetzt verlangen. Das ist der sogenannte „kleine“ Schadensersatz, bei welchem
der Auftraggeber die mangelhafte Leistung behält.474 Was manchem Auftragnehmer nicht
bewusst ist, ist der Umstand, dass der Besteller den Mangel nicht beseitigen muss. Zur
Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs bedarf es nicht einmal der Absicht der
Beseitigung! Es werden also fiktive Beseitigungskosten zugrunde gelegt.
Verbleibt beim kleinen Schadensersatz nach der völligen und ordnungsgemäßen Man-
gelbeseitigung ein technischer oder merkantiler Minderwert, weil bei einem großen Teil
des Publikums vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden eine den
Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb besteht, kann auch dieser ersetzt ver-
langt werden neben den Mangelbeseitigungskosten.475
Der Schadensersatzanspruch statt der ganzen Leistung aus § 281 BGB kann ebenfalls
geltend gemacht werden. Hierbei will der Auftraggeber die Bauleistung nicht behalten
und es wird berechnet, wie sich die Vermögenssituation bei ordnungsgemäßer Erfüllung
entwickelt hätte. Das ist der sogenannte „große“ Schadensersatz. Der Schaden wird nach
der sogenannten Differenzmethode im Rahmen eines Abrechnungsverhältnisses berech-
net, der Werklohnanspruch entfällt. Die Zahlung der Vergütung kann der Erwerber ver-
weigern, die bereits gezahlte Vergütung zurückfordern. Zugunsten des Auftraggebers wird
vermutet, dass die vom Auftragnehmer zu erbringende Leistung der vereinbarten Zahlung
gleichwertig war. Geleistete Zahlungen kann er also als Mindestbetrag immer verlangen.476
Ferner hat der Erwerber Anspruch auf Ersatz sämtlichen Schadens, der ihm durch den
Vertrag und seine Nichterfüllung entstanden ist. Einschränkungen ergeben sich aus § 281
Abs. 1 Satz 3 BGB. Danach kann der Auftraggeber Schadensersatz statt der ganzen Leis-
tung nur bei erheblichen Mängeln verlangen.
472
BGH, BauR 1990, 466.
473
Palandt/Sprau, § 636 BGB Rn. 13.
474
Palandt/Sprau, § 636 BGB Rn. 13.
475
BGH, BauR 1991, 744.
476
Vgl. Palandt/Grüneberg, § 281 BGB Rn. 23; BGH, NJW 1998, 2360, 2364.
22 Zivilrechtliche Grundlagen863
Nach der Abnahme hat der Auftraggeber im Falle eines Mangels die nachfolgenden Män-
gelansprüche des § 13 VOB/B:
Entsprechend den Regelungen nach dem BGB genießt der Anspruch auf Nacherfüllung
Vorrang vor den übrigen Mängelansprüchen.
In Abweichung zum BGB-Werkvertragsrecht sieht § 13 VOB/B kein Rücktrittsrecht
vor! § 13 Abs. 3 VOB/B enthält die bereits dargelegte Haftungsfreistellung. Danach
haftet der Auftragnehmer nicht, wenn ein Mangel auf die Leistungsbeschreibung oder auf
Anordnungen des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen
Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Auftragneh-
mers zurückzuführen ist und der Auftragnehmer gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B Bedenken
angezeigt hat.
Mängelbeseitigungsanspruch, § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 VOB/B Gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 1
S. 1 VOB/B ist der Auftragnehmer verpflichtet, alle während der Verjährungsfrist her-
vortretenden Mängel, die auf vertragswidrige Leistung zurückzuführen sind, auf seine
Kosten zu beseitigen, wenn es der Auftraggeber vor Ablauf der Verjährungsfrist verlangt.
Voraussetzung des Nachbesserungsanspruchs ist damit neben einem Mangel im Sinne
des § 13 Abs. 1 VOB/B lediglich ein Mängelbeseitigungsverlangen des Auftraggebers,
wobei eine mündliche Mängelrüge ausreicht. Verjährungsrelevante Wirkung (eigenstän-
dige 2jährige Verjährung für Mangelbeseitigungsanspruch) hat jedoch nur die schrift-
liche Rüge. Im Übrigen gelten keine Unterschiede zur gesetzlichen Ausgestaltung des
Nacherfüllungsanspruchs.
477
BGH, NJW 1992, 1500.
478
BGH, NJW 1993, 1793.
864 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Selbstvornahme und Kostenerstattung, § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B Es ergeben sich keine
Unterschiede zur gesetzlichen Regelung. Unerheblich ist insbesondere, ob der Auftrag-
nehmer die Unterlassung der Mängelbeseitigung zu vertreten hat. Auch muss – obwohl
der Wortlaut dies nahelegen könnte – keine Schriftform eingehalten werden, d. h. Mängel-
rüge und Fristsetzung können mündlich erfolgen. Beweisen muss die Fristsetzung aller-
dings der Auftraggeber. Schreitet der Auftraggeber zur Selbstvornahme, ohne dass die
Voraussetzungen erfüllt sind, kann er die hieraus resultierenden Mehrkosten grundsätzlich
nicht erstattet verlangen.
Zum Umfang der Kostenerstattung und zum Anspruch des Auftraggebers auf Zahlung
eines Vorschusses auf die Kosten der Selbstvornahme wird auf die obigen Ausführungen
verwiesen.
Anspruch auf Schadensersatz, § 13 Abs. 7 VOB/B Soweit der Auftragnehmer einen Mangel
zu vertreten hat, also Verschulden vorliegt, kommt eine zusätzliche Haftung auf Schadens-
ersatz in Betracht. Der Schadensersatzanspruch des Auftraggebers besteht dann neben den
Ansprüchen auf Mängelbeseitigung, Kostenerstattung bzw. -vorschuss oder Minderung.
Nach der Vorschrift des § 309 Nr. 7 a) und b) BGB sind Haftungsausschlüsse und
-begrenzungen für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesund-
heit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung beruhen, sowie für sonstige Schäden,
die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung beruhen, in AGB unwirksam. Nach § 13
Abs. 7 Nr. 2 VOB/B haftet der Auftragnehmer bei vorsätzlich oder grob fahrlässig verur-
sachten Mängeln für alle Schäden und nach Nr. 1 bei fahrlässig verursachten Mängeln für
die Schäden aus der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit.
479
BGH, BauR 2003, 533, 534.
22 Zivilrechtliche Grundlagen865
Soweit und solange die Voraussetzungen für eine Haftung nach § 13 Abs. 7 Nr. 1 und 2
VOB/B nicht vorliegen, besteht ein Schadensersatzanspruch – in Abweichung zum BGB-
Werkvertragsrecht – nach § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B nur bei wesentlichen Mängeln, die
die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigen, sofern der Auftragnehmer schuldhaft
gehandelt hat. Der Anspruch nach Nr. 3 ist dabei auf Ersatz solcher Schäden gerichtet, die
einer Nachbesserung nicht zugänglich sind oder etwa andere Gewerke betreffen.480 Über
den Wortlaut hinaus betrifft § 13 Abs. 7 Nr. 3 Satz 1 VOB/B nicht nur den Schaden an der
baulichen Anlage, zu deren Herstellung, Instandhaltung oder Änderung die Leistung dient,
selbst, sondern auch den sogenannten engen Mangelfolgeschaden,481 während der entfern-
tere Mangelfolgeschaden über § 13 Abs. 7 Nr. 3 Satz 2 VOB/B ersetzt wird.
§ 13 Abs. 7 Nr. 3 Satz 1 VOB/B gewährt einen Anspruch auf Ersatz des Differenz-
schadens zwischen der tatsächlichen und der geschuldeten Vermögenslage (sog. „kleiner
Schadensersatz“). Der Auftraggeber kann daher entweder den mangelbedingten Minder-
wert des Werkes oder die Kosten der Mängelbeseitigung verlangen. Zu den Mängelbesei-
tigungskosten können gegebenenfalls noch ein technischer oder merkantiler Minderwert,
entgangener Gewinn482 und mängelbedingte Mehraufwendungen,483 Verdienstausfall und
Gutachterkosten484 sowie die Kosten einer Schadensminderung geltend gemacht werden.
Nach der Rechtsprechung des BGH können zudem auch bloße entgangene Nutzungsmög-
lichkeiten ohne konkreten Schadensnachweis geltend gemacht werden, wenn der Auftrag-
geber infolge eines deliktischen Eingriffs in das Eigentum die Sache für die Dauer der
Beseitigung eines behebbaren Mangels nicht nutzen kann. Dies gilt aber nur für solche
Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typi-
scherweise angewiesen ist (s. o.).485
§ 13 Abs. 7 Nr. 3 Satz 2 a)–c) VOB/B regelt u. a. die besonderen Voraussetzungen für
den Ersatz der sonstigen Schäden. Dieser Anspruch kommt in Betracht, wenn ein wesent-
licher, vom Auftragnehmer zu vertretender und die Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigender
Mangel vorliegt und dieser auf einem Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik
beruht oder in dem Fehlen einer vertraglich vereinbarten Beschaffenheit besteht. Das
Gleiche gilt, wenn der Auftragnehmer den Schaden durch eine Haftpflichtversicherung
abgedeckt hat oder dies hätte tun können.
480
BGH, NJW 1986, 922 f.
481
Vgl. BGH, BauR 1972, 311, 313; 1982, 489 f.
482
BGH, BauR 1978, 402 f.
483
BGH, BauR 1992, 504 f. (dauerhaft höhere Stromkosten).
484
BGH, BauR 1971, 51, 53; 1985, 83 f.
BGH (Großer Senat), BauR 1987, 312, 314. Der Nutzungsausfall eines privaten Schwimmba-
485
des gilt nicht als in diesem Sinne „kommerzialisiert“, vgl. BGH (VII. Senat), BauR 1980, 271,
273; anders dagegen der Ausfall eines Tiefgaragenplatzes zu einer Eigentumswohnung, BGH (VII.
Senat), NJW 1986, 427 f.
866 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Liegen diese besonderen Voraussetzungen vor, hat der Auftraggeber die Möglichkeit
zu wählen, ob er die mangelhafte Leistung behält oder ablehnt: Behält er die Leistung,
bleibt er zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, kann aber den Ersatz des
Minderwertes der Leistung sowie der sonstigen mangelbedingten Schäden beanspru-
chen (s. o.: „kleiner Schadensersatz“). Weist er das Werk zurück, kann er die Zahlung
der Vergütung verweigern und den durch die Nichterfüllung des ganzen Vertrages ein-
getretenen Schaden ersetzt verlangen (s. o. „großer Schadensersatz“). Hat der Auftrag-
geber die Vergütung bereits (teilweise) geleistet, so stehen ihm diese und die mit dem
Vertragsschluss verbundenen nutzlosen Aufwendungen als Mindestschaden zu. Der
Anspruch erfasst die Kosten der Neuherstellung und die weiteren adäquat verursachten
Schäden.
Die Schadensersatzansprüche aus § 13 Abs. 7 VOB/B verjähren grundsätzlich nach den
Regelfristen des § 13 Abs. 4 VOB/B i. V. m. den Fristen des § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 und 3
VOB/B. Allerdings gelten gemäß § 13 Abs. 7 Nr. 4 VOB/B die gesetzlichen Verjährungs-
fristen (§§ 634 a, 195, 852 BGB), soweit sich der Auftragnehmer durch eine Versicherung
geschützt hat oder hätte schützen können oder soweit ein besonderer Versicherungsschutz
vereinbart ist.
22.13.8 Verjährung
• die für die Erneuerung und den Bestand eines Gebäudes von wesentlicher Bedeutung
sind,
• sofern die eingebauten Teile mit dem Gebäude fest verbunden werden.
Der BGH stellt klar, dass bei der Neuerrichtung eines Gebäudes vorgenommene Auf-
grabungs-, Isolierungs-, Drainageverlegungs- und Wiederverfüllungsarbeiten stets als
„Arbeiten bei Bauwerken“ angesehen werden. Soweit in dem entschiedenen Fall das Kel-
leraußenmauerwerk neu isoliert worden sei, sei das Isoliermittel zwangsläufig mit dem
schon vorhandenen Gebäude fest verbunden worden. Die Drainagestränge seien zwar im
Wesentlichen nur in die Kiesbettung im Bereich der Fundamente gelegt worden. Diese
Einbettung und ihr Anschluss an die ihrerseits mit dem Gebäude fest verbundene Abwas-
serleitung reichten jedoch aus, auch ihre feste Verbindung mit Boden und Gebäude zu
bejahen. Denn das müsse nach der Gesamtanlage beurteilt werden, die hier aus dem gegen
Eindringen von Feuchtigkeit zu sicherndem Gebäude besteht. Eine spätere Trennung der
Drainagestränge vor Beendigung der Nutzungszeit der Gesamtanlage war nicht gewollt,
sodass auch § 95 BGB eingreife.
Schließlich hat der BGH die seinerzeit mit 5000 DM netto berechneten Leistungen auch
ihrem Umfang nach mit Arbeiten an Neubauten gleich gestellt. Abgesehen von der nicht
völlig bedeutungslosen Vergütung seien die Arbeiten erforderlich für die Abdichtung des
Kellers gewesen und damit für die Erhaltung oder Wiederherstellung der uneingeschränk-
ten Benutzbarkeit des Hauses.487
Es kann also festgehalten werden, dass nahezu jeder Werkvertrag, der nachträglich
durchgeführte Arbeiten an der Bauwerksabdichtung betrifft, der fünfjährigen Verjäh-
rungsfrist unterliegt, sofern nicht völlig unbedeutende Ausbesserungsarbeiten an einer
bestehenden Abdichtung mit nahezu vernachlässigenswerter Vergütung vereinbart sind.
Dies gilt – nun ausdrücklich geregelt – auch bei Planungs- und Überwachungsleistun-
gen für Bauwerke.
Verjährungsfrist bei arglistig verschwiegenen Mängeln
Allgemeines zur sogenannten Regelverjährung Ansprüche verjähren grundsätzlich
in der sogenannten regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren. Die
486
BGH, NJW 1984,168.
487
Vgl. insgesamt zu den vorstehenden Ausführungen: BGH, NJW 1984, 168.
868 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Regelverjährung von drei Jahren gilt überraschenderweise gemäß § 634 a Abs. 3 BGB
auch dann, wenn der Unternehmer einen Mangel der in § 634 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB
genannten Werke arglistig verschweigt. Dies bedeutet natürlich nicht, dass nun Ansprüche
wegen verschwiegener Mängel früher als nach fünf Jahren verjähren können. Beim Ver-
schweigen von Mängeln an Bauwerken tritt die Verjährung vielmehr frühestens nach fünf
Jahren ein, was § 634 a Abs. 3 Satz 2 BGB auch klarstellt.
Das heißt, dass bei arglistig verschwiegenen Mängeln die Verjährungsfrist frühestens
nach fünf Jahren ab Abnahme endet, im Einzelfall jedoch deutlich später. Hinzuweisen
ist noch auf § 199 Abs. 2 BGB, der letztlich zu einer Höchstgrenze der Verjährungsdauer
bei arglistig verschwiegenen Mängeln führt. Auch bei der sogenannten Regelverjährung,
unter die ja als Ausnahme von sonstigen Sachmängelansprüchen solche fallen, bei denen
arglistiges Verschweigen zu bejahen ist, gilt die Höchstgrenze einer 30jährigen Verjäh-
rung, soweit es sich um Schadensersatzansprüche handelt, die auf der Verletzung des
Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen.
Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren in zehn Jahren von ihrer Entstehung an
bzw. ohne Rücksicht auf ihre Entstehung in 30 Jahren von dem schadensauslösenden
Ereignis an, wobei die frühere Frist maßgeblich ist, § 199 Abs. 3 BGB.
Andere Ansprüche als Schadensersatzansprüche, also z. B. Nacherfüllungsansprüche,
Kostenvorschussansprüche usw., verjähren bei arglistig verschwiegenen Mängeln in zehn
Jahren von ihrer Entstehung an. Diese Höchstgrenzen sind erforderlich, wenn und weil die
gemäß § 199 Abs. 1 BGB erforderliche sogenannte subjektive Komponente, also Kenntnis
oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umstände, z. T. ja erst
nach vielen Jahren vorliegen könnte. Liegt diese vorher vor, endet auch die Regelverjäh-
rung vorher.
entstanden ist. Im Hinblick auf die Verjährung des Kostenvorschussanspruchs wird die
Mangelkenntnis entscheidend sein.
Arglist Die Entschließung des Bestellers, eine Abnahme zu erklären, hängt entscheidend
davon ab, welche Mängel das Werk hat. Der Besteller kann grundsätzlich erwarten, dass
der Unternehmer ihn über Mängel des Werkes aufklärt. Eine Ausnahme könnte allenfalls
für ganz geringfügige Mängel bestehen.488
Fraglich ist, ob sich der Besteller die Mangelkenntnis des Architekten zurechnen lassen
muss, sodass die Arglist zu verneinen wäre. Ist der Mangel der Werkleistung so schwer-
wiegend, dass der Unternehmer nicht damit rechnen kann, dass der Besteller das Werk
abnimmt, wenn er aufgeklärt worden wäre, kommt es nicht darauf an, ob der für den
Besteller bei der Abnahme auftretende Architekt den Mangel bemerkt und sogar geduldet
hat.489 Letztlich ist dann davon auszugehen, dass der Architekt in einem solchen Fall seine
Vertretungsmacht missbraucht und der Unternehmer dies auch weiß.
Arglist liegt vor, wenn dem Unternehmer bewusst ist, dass dem Besteller ein Mangel unbe-
kannt sein könnte und dass dieser das angebotene Werk bei Kenntnis des Mangels nicht als
Vertragserfüllung annehmen werde, also dass er nicht abnehmen würde.490 Arglist liegt immer
vor, wenn unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben eine Offenbarungs-
pflicht des Unternehmers anzunehmen ist und der Unternehmer dieser nicht nachkommt.
Dabei reicht es aus, dass der Unternehmer die vertragswidrige Ausführung gekannt hat.
488
Kniffka/Schulze-Hagen, ibr-online-Kommentar Stand 12.1.2015, § 634 a Rn. 47.
489
Kniffka/Schulze-Hagen, a. a. O.; BGH, NJW 1977, 516.
490
Kniffka/Schulze-Hagen, a. a. O.
491
BGH, BauR 1986, 215.
492
BGH, BauR 2002, 1401.
493
Kniffka/Schulze-Hagen, a. a. O., Rn. 50.
870 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass es im Einzelfall schwer beweisbar sein kann,
ob der Unternehmer einen Mangel für möglich gehalten hat. Arglistig handelt jedoch auch,
wer auf Fragen des Erwerbers ohne tatsächliche Anhaltspunkte ins Blaue hinein unrichtige
Angaben über die Mängelfreiheit macht.494
Von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob und inwieweit sich der Unternehmer die
Kenntnis seiner Mitarbeiter zurechnen lassen muss. Nach der Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs muss sich der Unternehmer die Arglist solcher Mitarbeiter zurechnen
lassen, deren er sich bei der Erfüllung seiner Offenbarungspflicht gegenüber dem Besteller
bedient495, also folgende:
• Die Personen, derer sich der Unternehmer bei der Abnahme bedient, wie z. B. der Bau-
leiter des Unternehmers oder anderes Führungspersonal.
• Die Kenntnis der Mitarbeiter, die die Leistungen unmittelbar erbracht haben, muss sich
der Unternehmer dagegen grundsätzlich nicht zurechnen lassen. Eine Ausnahme wird
gemacht, wenn ohne das Wissen und die Mitteilung des ausschließlich mit der Her-
stellung befassten Arbeiters der Unternehmer gar nicht im Stande wäre, seine Offen-
barungspflicht zu erfüllen.496
Danach muss sich der Unternehmer die Kenntnis eines Kolonnenführers zurechnen lassen,
der weiß, dass die nötige Schichtdicke bei der Abdichtung nicht aufgebracht wurde. Der
Unternehmer muss sich nach diesen Grundsätzen auch die Arglist des Subunternehmers
sowie der Repräsentanten des Subunternehmers zurechnen lassen.497
494
Kniffka/Schulze-Hagen, a. a. O., Rn. 58; BGH, NJW 1981, 864.
495
BGH, BauR 1992, 500.
496
Kniffka/Schulze-Hagen, a. a. O., Rn. 52.
497
Kniffka/Schulze-Hagen, a. a. O., Rn. 54.
498
BGH, BauR 1992, 412.
499
Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 151.
22 Zivilrechtliche Grundlagen871
Wann aber liegt nun ein Sachverhalt vor, der den Schluss zulässt, dass der Unternehmer
schlecht organisiert ist? Muss der Besteller/Auftraggeber die einzelnen (ihm regelmäßig
nicht bekannten) Tatsachen darlegen, aus denen sich die mangelhafte Organisation ergibt?
Die Rechtsprechung geht hier in bestimmten Fällen von Beweiserleichterungen aus. Ein
solcher Fall liegt vor, wenn ein Mangel so augenfällig und schwerwiegend ist, dass ohne
Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Baustelle nicht richtig organisiert war
und der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre.500
Beispiel Bei einem im Hochwassergebiet der Elbe liegenden Grundstück wird vom Gene-
ralunternehmer, der die Planung und Errichtung von Bauwerken schuldet, eine ordnungs-
gemäße Entwässerung weder geplant noch erstellt. Die Drainage weist zahlreiche Aus-
führungsfehler auf. Ein Bodengutachten wurde vor der Planung nicht eingeholt. Unter
Hinweis darauf, dass es sich bei der Abdichtung des Kellers von vornherein um ein beson-
ders wichtiges Gewerk handele, wurde die Art der Mangelhaftigkeit als Indiz für eine
fehlerhafte Organisation gewertet.501
Einem Architekten wurde der Umstand, dass er bei seiner Planung Auskünfte über
Grundwasser nicht eingeholt hatte, als Organisationsverschulden mit entsprechender Ver-
jährungsfristverlängerung angelastet.502 Verneint wurde ein arglistiges Verschweigen im
Rahmen eines sogenannten Organisationsverschuldens in einem Fall, in welchem ein Bau-
träger bei der Abdichtung von Balkonen und Terrassen ein vom Hersteller hierzu emp-
fohlenes, aber nicht DIN-gerechtes Material verwendet hatte. Die Tatsache, dass dieses
zu dünn aufgetragen worden sei, sei kein augenfälliger Mangel, der den Schluss auf eine
unzureichende Organisation der Bauwerkserrichtung zulasse.503
500
BGH, BauR 1992, 500; Kniffka/Koeble, 6. Teil, Rn. 152.
OLG Naumburg, BauR 2004, 1476; BGH, Beschluss vom 17.6.2004 – VII ZR 345/03 (Nicht-
501
Verlängerung und Verkürzung der Verjährung Den Vertragspartnern steht es frei, eine Ver-
längerung der Verjährung auf bis zu 30 Jahre ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn zu
vereinbaren, § 202 Abs. 2 BGB. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen,
wonach die Verjährungsfrist für die Arbeiten des Nachunternehmers erst mit der Übergabe
des Gewerkes vom Generalunternehmer an den Bauherrn bzw. am Tage der Abnahme des
Gesamtbauwerkes beginnen soll, ist unwirksam.504 Im Übrigen wird es für zulässig gehal-
ten, die Verjährungsfrist in angemessenem Umfang zu verlängern, wenn dies durch die
Umstände der jeweiligen Bauleistung geboten ist, z. B. weil Mängel des entsprechenden
Gewerks spät erkannt werden können.505 Es ist durchaus vorstellbar, dass auch eine deut-
liche Verlängerung der Verjährungsfrist bei Abdichtungsarbeiten über 5 Jahre hinaus für
zulässig erachtet wird.
In AGB darf grundsätzlich gemäß (§ 309 Nr. 8 b) ff.) BGB die Verjährung von Ansprü-
chen wegen eines Mangels an einem Bauwerk nicht erleichtert und in den übrigen Fällen
nicht auf weniger als ein Jahr verkürzt werden. Etwas anderes kann bei Verträgen zwischen
„Nichtverbrauchern“ gelten bzw. wenn die AGB vom Verbraucher selbst gestellt werden.
• die Klageerhebung,
• die Zustellung des Mahnbescheides,
• die Aufrechnung im Prozess,
• die Zustellung der Streitverkündung,
504
BGH, BauR 1989, 322 ff.
505
Verlängerung der Verjährung auf 10 Jahre bei Flachdacharbeiten, BGH, BauR 1996, 707.
22 Zivilrechtliche Grundlagen873
Damit ist verbunden, dass während der Zeit der Hemmung bis sechs Monate danach die
Verjährung nicht weiter läuft. Wird ein eingeleitetes Verfahren nicht mehr betrieben,
so endet gemäß § 204 Abs. 2 S. 2 BGB die Hemmung sechs Monate nach der letzten
Verfahrenshandlung.
Für sämtliche gerichtliche Maßnahmen gilt die sogenannte „Symptom-Theorie“. Es
genügt, dass die Mangelerscheinungen konkret beschrieben werden. Mögliche Mangel-
ursachen müssen also nicht benannt werden. Eine herbeigeführte Hemmung oder Unter-
brechung der Verjährung bezieht sich dann auf alle Mängel, deren Ursache bereits zu der
gerügten Mangelerscheinung geführt hat. Die Symptomtheorie führt außerdem dazu, dass
gleichartige Mängel, die zu der Mangelerscheinung führen können, räumlich umfassend
erfasst sind.
Es müssen wegen der Symptomtheorie bei Feuchtigkeitserscheinungen keine Ver-
mutungen über die Beschaffenheit der Abdichtung im Einzelnen angestellt werden. Es
müssen nur die Feuchtigkeitserscheinungen so konkret angegeben werden und räumlich
zugeordnet werden, dass der Auftragnehmer erkennen kann, was letztlich von ihm ver-
langt wird.
Haftungsausschluss Gemäß § 639 BGB kann sich der Unternehmer auf eine Vereinba-
rung, durch welche die Rechte des Bestellers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder
beschränkt werden (Haftungsausschluss), dann nicht berufen, wenn er den Mangel arg-
listig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit des Werkes übernommen
hat. Soweit die Haftung für Mängelansprüche in AGB eingeschränkt oder ausgeschlossen
werden soll, sind die Vorgaben in § 309 Nr. 7 und 8 BGB zu beachten. Außerhalb der
VOB/B kann eine Verkürzung der Verjährungsfrist nicht in AGB vereinbart werden. In
Bauträgerverträgen ist eine Verkürzung nicht möglich, weil in diesen die VOB/B nicht
völlig unberührt zugrunde gelegt werden kann.
Verjährung bei Vereinbarung der VOB/B
Grundsätzliches Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 und 2
VOB/B für Bauwerke vier Jahre, für Arbeiten an einem Grundstück und für die vom Feuer
berührten Teile von Feuerungsanlagen zwei Jahre und für feuerberührte und abgasdäm-
mende Teile von industriellen Feuerungsanlagen ein Jahr, sofern die Parteien keine abwei-
chende Vereinbarung getroffen haben. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass es
durchaus streitig ist, ob man als Unternehmer gegenüber einem Verbraucher eine kürzere
Verjährungsfrist vereinbaren kann, selbst bei vollständiger Vereinbarung der VOB/B.
Abweichend hiervon beträgt die Regelfrist bei maschinellen und elektrotechnischen/elek-
tronischen Anlagen oder Teilen davon, bei denen die Wartung Einfluss auf die Sicherheit
und Funktionsfähigkeit hat, zwei Jahre, wenn der Auftraggeber sich dafür entschieden hat,
dem Auftragnehmer die Wartung für die Dauer der Verjährungsfrist nicht zu übertragen,
§ 13 Abs. 4 Nr. 2 VOB/B.
874 V. Hafkesbrink und U. Kühne
In der Praxis wird die Verjährungsfrist oftmals auf mindestens fünf Jahre verlängert,
was selbstverständlich ohne Weiteres möglich ist. Ist die Verjährungsfrist allgemein ver-
längert, gilt dies für alle vereinbarten Leistungen, also auch für alle an und für sich deut-
lich kürzeren Fristen! Dies ändert natürlich nichts an dem Umstand, dass ein Mangel auch
auf einen Ausführungsfehler des Unternehmers zurückzuführen sein muss.
Gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 3 VOB/B beginnen die Regelfristen erst mit der Abnahme der
gesamten Leistung; für in sich abgeschlossene Teile der Leistung beginnen sie mit der
Teilabnahme.
506
BGH, BauR 1987, 84, 85.
507
OLG Koblenz, IBR 2005, 317, zur „alten“ VOB-Regelverjährung von zwei Jahren.
508
Leupertz, IBR 2005, 317.
509
BGHZ 57, 7, 10 ff.; BGH, IBR 2005, 317, allerdings für gesetzlich geregelte Unterbrechung.
22 Zivilrechtliche Grundlagen875
insbesondere also auch, dass die Verjährungsfrist drei Jahre beträgt nach Kenntnis bezie-
hungsweise Kennenmüssen der anspruchsbegründenden Umstände, mindestens jedoch
fünf Jahre nach Abnahme.
Sind für einen Mangel – was in der Praxis häufig vorkommt – mehrere Beteiligte verant-
wortlich, kann eine gesamtschuldnerische Haftung in Betracht kommen. Haben Mängel
ihre Ursache in verschiedenen Gewerken und führt die allein mögliche Sanierungsmaß-
nahme zu einer Beseitigung des Mangels insgesamt, weil nicht nach Verursachungsbeiträ-
gen unterschieden werden kann, besteht eine gesamtschuldnerische Haftung beider Unter-
nehmer.510 Gleiches gilt, wenn Mängel in wirtschaftlich sinnvoller Weise nur einheitlich
beseitigt werden können.511
Zwischen Haupt- und Subunternehmer besteht im Verhältnis zum Auftraggeber kein
Gesamtschuldverhältnis, da der Subunternehmer keine vertraglichen Beziehungen zu
diesem hat. Der Hauptunternehmer kann den für den Mangel verantwortlichen Subunter-
nehmer allerdings auf Haftungsfreistellung gegenüber dem Auftraggeber in Anspruch
nehmen.
Nach der Rechtsprechung des BGH haften Architekt und Unternehmer gegebenen-
falls als Gesamtschuldner.512 Der Bauherr kann beide auf den vollen Betrag in Anspruch
nehmen, etwa wenn der bauleitende Architekt wegen eines Bauaufsichtsfehlers und der
Unternehmer wegen eines Mangels seines Gewerkes verantwortlich sind.
Eine Besonderheit gilt, wenn ein Planungs- oder Koordinationsfehler des Architek-
ten vorliegt und der Unternehmer diesen Fehler nicht entdeckt bzw. den Bauherren nicht
darauf hingewiesen hat. Der Bauherr kann dann entweder den Architekten auf den vollen
Betrag in Anspruch nehmen, sodass sich dieser im Innenverhältnis an den Unternehmer
halten muss, oder er kann den Unternehmer in Anspruch nehmen, muss sich aber hier
das Verschulden des Architekten gemäß den §§ 254, 278 BGB als eigenes Verschulden
anrechnen lassen. Für ein Planungsverschulden des Architekten seines Auftraggebers
muss auch der Hauptunternehmer im Verhältnis zu seinem Nachunternehmer einstehen.
Der Einwand des Mitverschuldens (§ 254 BGB) führt im Rahmen der Ansprüche auf
Kostenerstattung und -vorschuss sowie Minderung und Schadensersatz von vornherein
zur Kürzung des Anspruchs um den Mitverschuldensanteil des Auftraggebers. Im Rahmen
des Anspruchs auf Mängelbeseitigung ist über § 254 BGB eine Anspruchskürzung in
Natur nicht umsetzbar. Hier steht dem Unternehmer gemäß § 242 BGB ein entsprechender
OLG Frankfurt, Urteil vom 22.6.2004 – 14 U 76/99, IBR 2004, 518.; BGH, Beschluss vom
510
Sanierungen, Umbauten und Modernisierungen von Altbauten bergen nicht nur für die
bauausführenden Auftragnehmer und Bauträger besondere Haftungsrisiken. Auch für
Architekten ist in diesen Fällen das Haftungsrisiko erhöht, weil dann gegenüber Neu-
bauten regelmäßig eine intensivere Planung und Bauaufsicht erforderlich wird und häufig
Probleme auftreten, die bei Baubeginn nicht vorhersehbar sind.
Werden Planungsleistungen oder die Bauüberwachung mangelhaft ausgeführt, stellt
sich unmittelbar die Frage, welchen Ansprüchen sich der Architekt oder der Ingenieur
ausgesetzt sieht. Dieses Kapitel soll auf besonders haftungsträchtige Problemkreise bei
der Abdichtung im Rahmen der Altbausanierung aufmerksam machen und Möglichkei-
ten aufzeigen, welche Ansprüche der Auftraggeber des Architekten geltend machen kann,
wenn der Mangelfall eingetreten ist.
513
BGH, BauR 1984, 395 ff.
22 Zivilrechtliche Grundlagen877
Vordergrund. Der Architekt muss die vom Auftraggeber geäußerten Wünsche aufnehmen.
Die Wünsche müssen hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit und der anfallenden Kosten
geprüft werden und gegebenenfalls auf Vor- und Nachteile hingewiesen werden.
Beispiel Ein Architekt wurde mit den Arbeiten für den Bau eines Mehrfamilienhauses
beauftragt. Dabei wusste der Architekt, dass der Baugrund mit Bauschutt aufgefüllt war.
Das OLG Hamm514 verlangte von dem Architekten, dass er bereits in der Leistungsphase
1 den Auftraggeber auf ein zu erstellendes Bodengutachten hinweisen muss, um dann die
erforderlichen Kosten abschätzen zu können.
Der Architekt muss den wirtschaftlichen Rahmen des Auftraggebers klären und die
wirtschaftlichen Möglichkeiten mit den Wünschen des Auftraggebers vergleichen. Nach
der Rechtsprechung des BGH ist eine Planung bereits dann mangelhaft, wenn sie die wirt-
schaftlichen Belange des Auftraggebers außer Acht lässt.515 Insbesondere bei Altbauten
besteht die Gefahr der Kostenexplosion, wenn nicht bereits im Vorfeld geklärt ist, welche
Sanierungsmaßnahmen tatsächlich erforderlich sind.
Bereits zu Beginn des Vertragsverhältnisses muss der Architekt auf das Risiko neuarti-
ger, noch nicht erprobter Baustoffe hinweisen. Kommt er dieser Hinweispflicht nicht nach
und zeigen sich im Verlaufe des Baus Mängel, die allein auf die neuen Baustoffe zurück-
zuführen sind, stellt dies bereits einen Mangel der Architektenleistungen dar.516
Der Architekt kann sich in solchen Fällen nur dann einer Haftung entziehen, wenn
bewiesen wird, dass der eingesetzte Baustoff zur Zeit der Planung als unbedenklich galt
und auch der Fachliteratur keine Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit zu entnehmen
waren.
Beispiel Ein Architekt legt die Verwendung von ECB-Bahnen zur Dachabdichtung seiner
Planung zugrunde. Diese ECB-Bahnen wurden ab 1970 häufig zur Dachabdichtung ver-
wendet. Erst im Juli 1985 hatte es erste kritische Stimmen in der Fachliteratur zu diesem
Baustoff gegeben.
Das OLG Hamm517 lehnte eine Haftung des Architekten wegen eines Planungsfehlers
ab, da zum Zeitpunkt der Beratung Anfang 1985 der Baustoff noch als zuverlässig gelten
durfte. Die Entscheidung hätte auch zulasten des Architekten ausgehen können, wenn es
bereits Stimmen in der Literatur gegeben hätte, die Bedenken gegen die Verwendung der
ECB-Bahnen geäußert hätten.
Ähnliche Probleme wären so lange denkbar gewesen, wie die Bitumen-Dickbeschich-
tung noch nicht in der entsprechenden DIN beschrieben war und die Stimmen hinsichtlich
deren Wirksamkeit noch überwogen.
514
OLG Hamm, NJW-RR 1997, 1310.
515
BGH, BauR 1999, 1319; BGH BauR 1998, 354.
516
BGH, BauR 1976, 66.
517
OLG Hamm, BauR 2003, 567.
878 V. Hafkesbrink und U. Kühne
518
BGH, BauR 1999, 934; BauR 1999, 1195.
519
BGH, BauR 1998, 577.
520
BGH, BauR 2001, 823; OLG Düsseldorf, BauR 2000, 1358.
22 Zivilrechtliche Grundlagen879
Beispiel Der Architekt wurde mit der Planung und Durchführung einer Tiefgarage beauf-
tragt. Als Abdichtung wurde eine Ringdrainage gelegt. Weder eine weiße noch eine schwarze
Wanne wurden veranlasst. Nach Fertigstellung der Tiefgarage drang drückendes Wasser
über die Bodenplatte ein. Die Leistung des Architekten stellt sich als mangelhaft dar.
Die Planung muss den nach Sachlage notwendigen Schutz gegen drückendes Wasser
vorsehen. Dabei sind die Grundwasserstände zu berücksichtigen, die in langjähriger
Beobachtung nur gelegentlich erreicht worden sind. Die Planung der Abdichtung eines
Bauwerkes muss bei einwandfreier Ausführung zu einer fachlich richtigen, vollständigen
und dauerhaften Abdichtung führen.521 Hierbei muss der Architekt auch Grundwasser-
stände berücksichtigen, die in einem Zeitraum von 20 Jahren auch nur gelegentlich auf-
getreten sind.522
Der Architekt ist gehalten, soweit er nicht in der Lage ist, die Feststellungen zu den
Grundwasserverhältnissen selbst zu treffen, sich eines Sonderfachmanns zu bedienen.
Der Architekt sollte in die Ermittlung der Grundwasserverhältnisse besondere Sorgfalt
legen, da nach der ständigen Rechtsprechung er haftet, wenn sich seine ursprünglichen
Annahmen des Lastfalls und die sich daraus ergebende Auswahl der Abdichtungsmaß-
nahme als falsch herausstellen. Deshalb ist der Architekt auch gehalten, die Feststellungen
des Sonderfachmanns auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen.
An die Überprüfung der Sonderfachleute durch Architekten dürfen jedoch nicht zu hohe
Anforderungen gestellt werden. Der Architekt haftet nur dann, wenn der Fehler des Son-
derfachmanns mit einem normalerweise bei Architekten vorhandenen Wissen erkennbar
war. Der Architekt muss nicht die spezifischen Kenntnisse eines Sonderfachmanns haben.
Nach der bereits zitierten Entscheidung des BGH523 hatte sich der Architekt auf die
Erkenntnisse eines renommierten Sachverständigen verlassen, die sich im Ergebnis jedoch
als falsch herausstellten. Der BGH stellt zwar fest, dass die Leistung des Architekten
mangelhaft war, da seine Planung eine nicht funktionstüchtige Abdichtung vorsah. Da in
dem entschiedenen Fall der Bauherr Schadenersatz begehrte, konnte sich der Architekt
befreien, da ein eigenes Verschulden nicht nachzuweisen war.
Jedoch kann auch dann eine Haftung in Betracht kommen, wenn der Architekt den
Bauherrn vor Vorschlägen der Sachfachleute nicht warnt. In einem vom OLG Dresden524
entschiedenen Fall sollte die herkömmliche Abdichtung durch eine thermische Trocken-
haltung durch Verlegung von nicht unisolierten Heizleitungen in den Außenwänden ein-
gebaut werden. Die Abdichtung war undicht. Das OLG wies darauf hin, dass es eine
Verpflichtung des Architekten sei, auf nicht erprobte Verfahren und deren Risiken hinzu-
weisen. Vorliegend hatte dies der Architekt getan, weshalb er für die Kosten der nun zu
erstellenden „herkömmlichen“ Abdichtung nicht haftete.
521
BGH, BauR 2001, 823; BGH, BauR 2000, 1330, OLG Düsseldorf, BauR 2005, 442; OLG
Rostock, BauR 2005, 441.
522
OLG Düsseldorf, BauR 2005, 442.
523
BGH, BauR 2001, 823.
524
OLG Dresden, IBR 2003, 486.
880 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Das Zusammenfassen der Pläne sowie der Beiträge der Sonderfachleute und das Stellen
der Anträge ist insgesamt kaum haftungsträchtig. Entsprechendes gilt auch für das Ein-
reichen des Baugesuchs. Die eigentlichen Haftungsfragen betreffen bereits die Entwurfs-
planung, die Gegenstand des Baugesuchs wird.
Sind die Planungsphase und die Vergabe abgeschlossen, bestehen Haftungsrisiken des
Architekten vor allem in einer mangelhaften Bauüberwachung. Hierbei ist vorab darauf
hinzuweisen, dass keineswegs immer der Architekt neben dem bauausführenden Hand-
werker für jede Art von Baumängeln haftet.
525
BGH, BauR 2000, 1330.
526
OLG Düsseldorf, IBR 2004, 704.
527
OLG Düsseldorf, a. a. O., OLG Düsseldorf, BauR 2002, 652.
22 Zivilrechtliche Grundlagen881
Bei einfachen und weniger wichtigen Arbeiten, die in der Regel von den bauausführen-
den Handwerkern ohne besondere Überwachung ordnungsgemäß und fachgerecht ausge-
führt werden, bedarf es durch den Architekten keinesfalls einer ständigen oder permanen-
ten Überwachung. Es reicht aus, wenn er sich durch Stichproben von der fachgerechten
Ausführung überzeugt und bei Feststellung von Mängeln die erforderlichen Schritte ein-
leitet. Zu solchen einfachen und weniger wichtigen Arbeiten gehören z. B. Malerarbeiten,
das Errichten einer Klärgrube, das Verlegen von Fußböden oder Platten oder allgemein
übliche Holzarbeiten oder Fassadenanstricharbeiten.528
Treten jedoch schon im Bauablauf offensichtliche Mängel zu Tage, hat der BGH ent-
schieden, dass es einer erhöhten Aufmerksamkeit des Architekten bedarf und er eine
gesteigerte Überwachungspflicht auch bei einfacheren Arbeiten innehat.
Bei wichtigen und kritischen Bauabschnitten muss der Architekt die Bauüberwachung
mit einer besonders intensiven Sorgfalt betreiben. Typische Gefahrenquellen müssen den
Architekten zu besonders sorgfältiger Überwachungstätigkeit veranlassen.529
Als Bauleistungen, die besondere Gefahrenquellen mit sich bringen und damit eine
verstärkte Überwachungstätigkeit des Architekten erfordern, sind vor allem sämtliche
Abdichtung- und Isolierungsarbeiten530, Ausschachtungsarbeiten oder der Bestandsschutz
beim Umbau zu nennen. Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen auch die Anschlüsse von
Dichtungsfolien sowie die Durchbrüche durch solche Folien und Beschichtungen. Unter-
lässt der Architekt in diesen beispielhaft genannten Fällen eine gesteigerte Bauüberwa-
chung, stellt sich seine Architektenleistung als mangelhaft dar.
Neben den tatsächlich auf der Baustelle vorzunehmenden Bauüberwachungstätigkeiten
haftet der bauüberwachende Architekt auch dann, wenn er die Ausführungsplanung eines
anderen Architekten nicht überprüft und auf Fehler hinweist.531
Im Rahmen der Bauüberwachung haftet der Architekt immer auf Schadensersatz. Eine
Nacherfüllung ist schon systematisch ausgeschlossen. Die Höhe des Schadensersatzes
kann bei Fehlern in dieser Leistungsphase erheblich sein. Größere Mängel werden sich in
der Regel nur durch aufwendige Sanierungen bzw. einen Rückbau beseitigen lassen. Die
Kosten dafür bleiben beim Bauüberwacher.
Die Nacherfüllung Der Auftraggeber kann grundsätzlich – wenn das möglich ist – Nach-
erfüllung verlangen. Der Architekt kann dann den Mangel beseitigen oder ein neues
Werk, also eine neue Planung, erstellen. Im Rahmen der Nacherfüllung trägt der Architekt
528
KG, NJW-RR 2001, 1167.
529
BGH, BauR 2000, 1513.
530
LG Berlin, IBR 2005, 228.
531
OLG Köln, IBR 2003, 485.
882 V. Hafkesbrink und U. Kühne
sämtliche zum Zweck der Nacherfüllung notwendigen Aufwendungen, wie z. B. Wege-
kosten und Arbeitskosten. Gerade die Arbeitskosten schlagen bei einem Architekten ganz
erheblich zu Buche, wenn er z. B. einen Teil der Genehmigungsplanung neu erstellen
muss.
Die Nacherfüllung kann nur dann verweigert werden, wenn sie nur mit unverhältnis-
mäßigen Kosten möglich ist. Ein Verweigerungsrecht soll dem Architekten dann zustehen,
wenn die Folgen der Mangelbeseitigung in keinem Verhältnis zu den aufzuwendenden
Kosten stehen.532 Wann dies der Fall ist, richtet sich auch nach dem Verschulden des Archi-
tekten/Ingenieurs bei der Herbeiführung des Mangels.533 Grobe Fehler führen zu einer
erheblich geänderten Abwägung, welche Kosten noch verhältnismäßig sind.
Ebenfalls ausgeschlossen ist die Nacherfüllung, wenn diese unmöglich oder unzumut-
bar ist. Der Fall, dass die Nacherfüllung nicht mehr möglich ist, wird dem Architekten
sehr häufig begegnen. Immer dann nämlich, wenn bereits mit der Bauausführung nach den
Plänen begonnen worden ist, kommt eine Nacherfüllung nicht mehr infrage. Der Architekt
schuldet eine Ausführungsplanung, welche geeignet ist, einen den Vorschriften entspre-
chenden Bau errichten zu können. Diese Leistung ist bei bereits begonnener Bauausfüh-
rung nicht mehr nachholbar, weil sie gerade vor derselben geschuldet gewesen war.
Dasselbe Problem stellt sich bei Mängeln in der Bauüberwachung. Die Leistung kann
nur einmal erbracht werden. Ist die Bauüberwachung fehlerhaft und wird dadurch ein
nicht den vertraglichen Regeln – einschließlich aller zu berücksichtigenden technischen
Regeln – entsprechender Bau errichtet, lässt sich dieser Fehler nur durch einen Neubau
beseitigen. Eine Nachholung der erstmaligen Bauüberwachung ist nicht möglich. Bietet
der Architekt den Rückbau auf eigene Kosten an und überwacht er dann den Bauablauf
ordnungsgemäß, ist dies nicht mehr die vertraglich geschuldete Leistung. Es ist eine neue
Leistung im Rahmen des Schadenersatzes.
Es wurden in Kap. 13.5 aus technischer Sicht Verfahren und Geräte behandelt, die ver-
sprechen, auf elektrokinetische, elektromagnetische oder teilweise auf paraphysikalische
Arten die Entfeuchtung von Mauerwerk zu erreichen. Verschiedene im Handel zu findende
Geräte sollen nach den teils plakativen Aussagen und Versprechungen ihrer Hersteller auf
Wirkprinzipien beruhen, die wissenschaftlich nicht erklärt und bisher nicht belegt werden
532
BGHZ 96, 111, 123.
533
OLG Düsseldorf, BauR 2001, 1922.
22 Zivilrechtliche Grundlagen883
konnten. Diese in der Fachliteratur zum Teil als „Zauberkästchen“ beschriebenen Geräte
beschäftigen nunmehr seit ca. 10 Jahren immer wieder auch Gerichte in Wettbewerbsstrei-
tigkeiten. Ein gegen Hersteller und Vertreiber der Geräte gerichteter Vorwurf lautet: „Die
angepriesenen Geräte halten nicht das, was in Werbeanzeigen versprochen wird.“
Vorrangig Wettbewerbsverbände haben auf der Grundlage des zum 1. 1. 2002 in Kraft
getretenen Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) die darin geschaffene Möglichkeit
genutzt und auf Unterlassung irreführender Werbung – mit überwiegendem Erfolg –
geklagt. Die Verfahren richten sich gegen die Hersteller und deren Handelspartner solcher
Geräte. Sie zielen darauf, die Verbreitung von Werbeaussagen wegen des Vorwurfes der
bewussten Irreführung zu untersagen.
Die Verbände werfen den Herstellern vor, die von ihnen veröffentlichten Werbeaussa-
gen würden sich vorrangig an großteils fachunkundige Bauherren richten und bei diesen
die Fehlvorstellung erwecken, es könne mit den angepriesenen Geräten eine spürbare
Wirkung gegen Mauerfeuchte erzielt werden, was jedoch falsch sei, weil es sich bei den
angepriesenen Methoden zur „Gebäudetrockenlegung“ um gänzlich ungeeignete Verfah-
ren handele.
Die Hersteller widersprechen und verweisen ihrerseits auf umfangreiche Referenzlisten,
Zertifizierungen und eingeholte Gutachten. In den bisher veröffentlichten Entscheidungen
haben die klagenden Verbände in der Großzahl der Fälle gewonnen, zumeist wegen der
Zuordnung der Beweislast.
Die Gerichte sind in ihren Entscheidungen davon ausgegangen, dass der interessierte
Kunde voraussetzt, dass die von den Herstellern angebotene Methode in der Praxis
nach bestimmten Standards erprobt ist, tatsächlich funktioniert, die ihr zugeschriebene
Wirkung entfaltet und damit den allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik entspricht.
Denn dies sei der Mindeststandard, zu dem sich ein Bauunternehmen bei Abschluss eines
Werkvertrages zumindest stillschweigend verpflichtet.534 Lässt das beworbene Trockenle-
gungssystem eine fundierte, technisch bzw. physikalisch nachvollziehbare Grundlage ver-
missen, wird der interessierte Kunde in den durch die Gewerbeaussagen hervorgerufenen
Erwartungen in das Produkt getäuscht. In diesem Fall ist der Tatbestand der Irreführung
nach § 5 Abs. 1 UWG erfüllt, denn die Werbeangabe ist geeignet, bei den angesprochenen
Verkehrskreisen, an die sich die Werbung richtet, konkrete Fehlvorstellungen hervorzu-
rufen und diese zu falschen Entscheidungen zu beeinflussen.535
Auf dieser Grundlage musste von den Gerichten die Frage geklärt werden, ob denn die
angebotenen Geräte und Wirkungsweisen tatsächlich funktionieren oder nicht. Prozessual
stellte sich daneben die Frage – die für den Ausgang der Prozesse schließlich maßgeb-
lich war -, welche Partei das Funktionieren oder Nicht-Funktionieren der beworbenen
Methoden darzulegen und zu beweisen hat und zu wessen Nachteil sich die Nichterweis-
lichkeit auswirkt. Auch in Wettbewerbsstreitigkeiten gilt der allgemeine prozessrechtliche
534
LG Cottbus, Urteil vom 23. 2. 2010 – 11 O 48/09, BeckRS 2010, 10622.
535
LG Cottbus, Urteil vom 23. 2. 2010 – 11 O 48/09, BeckRS 2010, 10622.
884 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Grundsatz, dass die Partei, die ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die rechtsbegründen-
den Tatsachen, hier also die Unrichtigkeit der Werbeaussagen, darzulegen und zu bewei-
sen hat.536
Das Oberlandesgericht Naumburg537 geht in seiner Entscheidung vom 29. Mai 2009
von einer Beweiserleichterung zu Gunsten der Kläger (also den Wettbewerbsverbänden)
aus. Nach seiner Auffassung kommen dem Unterlassungsgläubiger Darlegungs- und
Beweiserleichterungen zugute, wenn es um die Aufklärung von Tatsachen geht, die – wie
auch hier – in den Verantwortungsbereich des werbenden Beklagten fallen. Denn gerade
bei Werbebehauptungen fehle dem außerhalb des Geschehensablaufs stehenden Kläger
oftmals eine genaue Kenntnis der entscheidenden Tatumstände, da es sich zumeist um
innerbetriebliche, rechtserhebliche Tatsachen handele, sodass es ihm nicht möglich sei,
den Sachverhalt von sich aus aufzuklären. Der Hersteller verfüge in der Regel über diese
Kenntnisse und könne die notwendige Aufklärung ohne Weiteres leisten. Da der Nach-
weis der Unrichtigkeit von Werbeangaben häufig besonders schwierig ist, hat das OLG
Naumburg die Obliegenheit, die für die Beurteilung der Irreführungsgefahr maßgeben-
den, innerbetrieblichen Umstände näher darzulegen und die erforderliche Aufklärung zu
leisten, beim beklagten Vertriebspartner des Herstellers gesehen.
Der Kläger in diesem Verfahren hatte zudem glaubhaft dargelegt, dass die Wirkungs-
weise der von dem Verfügungsbeklagten angepriesenen Trockenlegungsmethode in den
Fachkreisen höchst umstritten sei und ganz überwiegend als untauglich abgelehnt werde.
Die vom Verfügungsbeklagten hiergegen vorgebrachten Gutachten konnten das Gericht
nicht von der Wirksamkeit der beworbenen Methoden überzeugen. Das Gericht ist daher
davon ausgegangen, dass die Behauptung irreführend sei.
Ein weiterer Ansatz, dem neben dem Oberlandesgericht Naumburg auch das Ober-
landesgericht Bamberg538 gefolgt ist, ist eine vollständige Umkehr der Darlegungs- und
Beweislast hin zum werbenden Hersteller.539 Hiervon sind der Bundesgerichtshof540 und
verschiedene Oberlandesgerichte541 in Fällen sog. „vergleichender Systemwerbung“ im
Gesundheitswesen bereits früher ausgegangen. In diesem Bereich ist mehrfach entschie-
den worden, dass der Werbende, der sich auf eine fachlich umstrittene, wissenschaftlich
nicht abgesicherte Behauptung stützt, ohne dabei die Gegenansicht in seiner Werbung
auch nur zu erwähnen, die Verantwortung für die objektive Richtigkeit seiner Angaben
536
BGH, NJW-RR 2001, 1392.
537
OLG Naumburg, Urteil vom 29.5.2009 – 10 U 56/08, BeckRS 2009, 22016.
538
OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 29.10.2009 – 3 U 126/09, BeckRS 2010, 10613.
539
Kritisch: OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.7.2009 – I-20 U 20/09, BeckRS 2009, 87778.
BGH, NJW 1958, 1235; BGH, NJW-RR 1991, 1391; BGH, GRUR 2002, 273; BGH, GRUR
540
2009, 75.
OLG Saarbrücken, OLGR 2006, 831; OLG Frankfurt, OLGR 2007, 140; OLG Hamburg,
541
übernommen hat. Er muss seine Behauptung dann im Streitfall – entgegen der eigent-
lichen Beweisregel – unter Umständen beweisen.
In einem Fall, den zweitinstanzlich das OLG Düsseldorf542 zu entscheiden hatte, war es
dem Verfügungskläger sogar gelungen, glaubhaft zu machen, dass das beworbene Gerät
nicht die in der Werbung suggerierte Wirkung entfaltet. Auf eine Beweislastumkehr oder
Beweiserleichterung brauchte das OLG Düsseldorf daher nicht zurückgreifen.
In sämtlichen veröffentlichten Entscheidungen ist es den beklagten Produktherstellern
und Vertriebspartnern nicht gelungen, zur Überzeugung der Gerichte wissenschaftlich
fundiert und nachvollziehbar die Wirkungsweise der von ihnen angebotenen Produkte
darzulegen und zu beweisen, weshalb den Anträgen im Verfügungsverfahren bzw. den
Klagen stattgegeben und die Verbreitung der dort angegriffenen Werbeaussagen untersagt
wurde (Tab. 16.1).
Rechtliche Schwierigkeiten ergeben sich, wenn Bauherren im Falle des Nicht-Funk-
tionierens der Verfahren/Geräte gegen ihre jeweiligen Vertragspartner vorgehen wollen.
Welche Rechte dem Erwerber gegen seinen Vertragspartner zustehen, richtet sich dabei
maßgeblich nach der Art des Vertrages und den darin übernommenen Leistungspflichten.
Bei unseren Recherchen sind wir dabei – mit großen Abweichungen im Detail – reinen
Kaufverträgen, Mischverträgen mit kauf- und dienstvertraglichen Elementen sowie klassi-
schen Werkverträgen begegnet. Teilweise wurden darin nur die Geräte verkauft, teilweise
wurde angeboten, die Geräte noch in Betrieb zu nehmen, teilweise wurde die Trocken-
legung mithilfe der Geräte versprochen.
Die vorzufindenden Verträge sind in ihrer jeweiligen Ausgestaltung derart facetten-
reich und unterschiedlich, dass wir hierauf nicht im Detail eingehen können, da dies den
Umfang des Werkes und dessen Ziel übersteigen würde.
Sollten Erwerber gegen ihre Vertragspartner vorgehen wollen, ist daher die Beteiligung
durch einen erfahrenen Baujuristen anzuraten.
542
OLG Düsseldorf, BeckRS 2009, 87778.
886 V. Hafkesbrink und U. Kühne
22.16.1 Kaufrecht
Regelmäßig problematisch war, dass ein Bauunternehmer, der mangelhaftes Material ver-
baute, zwar einen gesetzlichen Anspruch auf Neulieferung der mangelhaften Sache gegen
den Verkäufer hatte, einen Anspruch auf Erstattung von Ausbau- und Einbaukosten aber
nur bei Verschulden. Diese Leistungen schuldet aber der Werkunternehmer seinerseits
regelmäßig seinem Vertragspartner (= Besteller oder Auftraggeber) im Rahmen der Nach-
erfüllung der Werkleistung.
Die kaufvertragliche Nacherfüllungsverpflichtung ist in § 439 BGB normiert.
§ 439 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. regelt hierzu:
Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine
andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, ist der Verkäufer im Rahmen
der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfer-
nen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder geliefer-
ten mangelfreien Sache zu ersetzen.
Abschlagszahlungen Nach der alten Fassung des § 632a Abs. 1 Satz 1 BGB können
Abschlagszahlungen nur verlangt werden, wenn und soweit ein Wertzuwachs im Vermö-
gen des Bestellers vorliegt. Außerdem darf kein wesentlicher Mangel vorliegen, § 632a Abs.
1 Satz 2 BGB. Ist das nicht der Fall, ist der Anspruch auf Abschlagszahlung nicht gegeben.
Nunmehr hat der Gesetzgeber die Geltendmachung von Abschlagszahlungsansprüchen
erleichtert. Nunmehr kann der Unternehmer eine Abschlagszahlung in Höhe des Wertes
der von ihm erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen verlangen, § 632a
Abs. 1 Satz 1 BGB n. F. Auch bei wesentlichen Mängeln können Zahlungen verlangt
werden, der Besteller kann bei allen Mängeln nur die Zahlung eines angemessenen Teils
des Abschlages verweigern. Hierbei wird auf die Regelung des § 641 Abs. 3 BGB verwie-
sen, wonach in der Regel das Doppelte der Beseitigungskosten angemessen ist. Nur klar-
stellend ist die Regelung in § 632a Abs. 1 Satz 3 BGB n. F., wonach die Beweislast für die
vertragsgemäße Erbringung der Leistung bis zur Abnahme beim Unternehmer verbleibt.
Fiktive Abnahme Nach der alten Fassung des § 640 Abs. 1 Satz 3 steht es der Abnahme
gleich, wenn der Besteller die Leistung binnen angemessener Frist nicht abnimmt, obwohl
Abnahmereife gegeben ist. Als problematisch an dieser Regelung wird empfunden,
dass die Beweislast für die Abnahmereife beim Unternehmer liegt und Mängel jederzeit
22 Zivilrechtliche Grundlagen887
nachträglich eingewandt werden können. Nach § 640 Abs. 2 BGB in der neuen Fassung
gilt nun die Leistung als abgenommen, wenn der Besteller nicht innerhalb der vom
Unternehmer gesetzten angemessenen Frist nach Fertigstellung die Abnahme nicht unter
Angabe eines Mangels verweigert. Bei Verbrauchern muss allerdings eine Belehrung in
Textform über die Folgen einer nicht bzw. ohne Mangelangabe verweigerten Abnahme
erfolgen, § 640 Abs. 2 Satz 2 n. F.
Kündigung aus wichtigem Grund Der Gesetzgeber hat die nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs grundsätzlich mögliche Kündigung aus wichtigem Grund in § 648a
BGB n. F. geregelt. Anders als bei der sogenannten „freien“ (jederzeit möglichen) Kün-
digung des Bestellers (§ 649 BGB a. F. = § 648 BGB n. F.) ist eine Kündigung aus
wichtigem Grund gem. § 648a Abs. 1 Satz 2 BGB n. F. möglich, wenn dem kündigen-
den Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der
beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung
des Werks nicht zugemutet werden kann. Bei Pflichtverletzungen, auf die die Kündigung
gestützt werden soll, ist wegen der Verweisung in Absatz 3 auf § 314 Abs. Abs. 2 und 3
BGB im Regelfall eine vorherige Fristsetzung zur Abhilfe bzw. Abmahnung erforderlich.
Nach § 648a Abs. 2 BGB n. F. ist auch eine Teilkündigung möglich. Anders als die
VOB/B, die eine Teilkündigung nur bei in sich abgeschlossenen Leistungen ermöglicht (§
8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B), sieht § 648a Abs. 2 BGB n. F. eine Kündigung für abgrenz-
bare Teile vor, ist also weiter gefasst.
Ähnlich wie § 8 Abs. 6 VOB/B für den Auftragnehmer in jedem Falle einer Kündigung
sieht § 648a Abs. 4 Satz 1 BGB n. F. vor, dass jede Vertragspartei von der anderen verlan-
gen kann, dass diese an einer gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes mitwirkt.
Verweigert eine Vertragspartei die Mitwirkung oder bleibt sie einem vereinbarten oder
einem von der anderen Vertragspartei innerhalb einer angemessenen Frist bestimmten
Termin zur Leistungsstandfeststellung fern, trifft sie die Beweislast für den Leistungs-
stand zum Zeitpunkt der Kündigung, § 648a Abs. 4 Satz 2 BGB n. F. Das gilt nicht, wenn
die Vertragspartei infolge eines Umstands fernbleibt, den sie nicht zu vertreten hat und den
sie der anderen Vertragspartei unverzüglich mitgeteilt hat, § 648a Abs. 4 Satz 3 BGB n. F.
Definition Bauvertrag § 650a Abs. 1 Satz 1 BGB n. F. definiert den Bauvertrag als einen
Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau
eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Die Instandhaltung eines Bau-
werks ist ein Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den
bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist, § 650a Abs. 2 BGB n. F.
888 V. Hafkesbrink und U. Kühne
Anordnungsrecht des Bestellers Besonders wichtig ist die erstmalige gesetzliche Normie-
rung eines (einseitigen) Anordnungsrechts zugunsten eines Bestellers. Die VOB/B sieht
ein solches einseitiges Änderungsrecht in § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B vor. Bei Anwendung
der gesetzlichen Regelungen blieb bislang nur eine einvernehmliche Änderung; nur in
Ausnahmefällen wurde ein einseitiges Änderungsrecht nach Treu und Glauben (§ 242
BGB) für möglich gehalten. Nunmehr hat das Gesetz in § 650b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m.
§ 650b Abs. 2 Satz 1 BGB n. F. die Möglichkeit des Bestellers normiert, dass dieser eine
Änderung des vereinbarten Werkerfolgs (§ 631 Abs. 2 BGB) vornehmen kann oder eine
Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist, § 650b Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 650b Abs. 2 Satz 1 BGB n. F. Begehrt der Besteller eine Änderung
im Sinne der genannten Änderungen, soll Einvernehmen über Änderung und hiermit ver-
bundene Mehr- oder Mindervergütung angestrebt werden. Umfasst die Leistungspflicht
des Unternehmers auch die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, bedarf es nach
der gesetzlichen Regelung nur der Einigung über die Änderung, § 650b Abs. 2 Satz 5 BGB
n. F. Zunächst ist der Unternehmer verpflichtet, ein Angebot über die Mehr- oder Minder-
vergütung zu erstellen, im Falle einer Änderung nach § 650b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB n.
F. (Änderung Werkerfolg) jedoch nur, wenn ihm die Ausführung der Änderung zumutbar
ist, § 650b Abs. 2 Satz 2 BGB n. F. Trägt der Besteller die Verantwortung für die Planung
des Bauwerks oder der Außenanlage, ist der Unternehmer nur dann zur Erstellung eines
Angebots über die Mehr- oder Mindervergütung verpflichtet, wenn der Besteller die für
die Änderung erforderliche Planung vorgenommen und dem Unternehmer zur Verfügung
gestellt hat, § 650b Abs. 2 Satz 4 BGB n. F.
Erzielen die Parteien binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim
Unternehmer keine Einigung nach Absatz 1, kann der Besteller die Änderung in Text-
form anordnen, § 650b Abs. 2 Satz 1 BGB n. F.
Einstweilige Vergütung bei Änderungen und deren Vergütung Sowohl zur Frage der
Änderung selbst wie auch zur Vergütungshöhe und – ganz wichtig – wohl auch zu Zah-
lungen sieht das Gesetz in § 650d BGB n. F. eine vereinfachte Durchführung von Eil-
verfahren vor. Es bedarf nämlich für den Erlass einer Einstweiligen Verfügung keines
Verfügungsgrundes.
22.16.4 Verbraucherbauvertrag
In Kap. 3 zum Untertitel Werkvertrag werden gesonderte Regelungen für den Verbrau-
cherbauvertrag aufgeführt.
Baubeschreibung Der Unternehmer hat den Verbraucher gem. § 650j BGB n. F. über die
sich aus Artikel 249 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ergebenden
Einzelheiten in der dort vorgesehenen Form zu unterrichten, es sei denn, der Verbrau-
cher oder ein von ihm Beauftragter macht die wesentlichen Planungsvorgaben. Art. 249
EGBGB sieht vor, dass dem Besteller rechtzeitig vor Abgabe seiner Vertragserklärung
eine Baubeschreibung in Textform zur Verfügung zu stellen ist (Art. 249 EGBGB §
1), in der die wesentlichen Eigenschaften des Werks in klarer und verständlicher Weise
darzustellen sind (Art. 249 EGBGB § 2 Abs. 1 Satz 1). Die Baubeschreibung hat darüber
hinaus auch verbindliche Angaben zur Bauzeit zu enthalten (Art. 249 EGBGB § 2 Abs.
2). Der Inhalt der Baubeschreibung muss klar und für einen Verbraucher mit durchschnitt-
lichen Kenntnissen verständlich sein (BT-Drs. 18/8486, Seite 74). § 650k Abs. 1 BGB n. F.
sieht vor, dass die Angaben der Baubeschreibung in Bezug auf die Bauausführung Inhalt
des Vertrags werden, es sei denn, die Vertragsparteien haben ausdrücklich etwas anderes
vereinbart. § 650k Abs. 2 BGB n. F. legt Auslegungskriterien bei unklarer bzw. unvoll-
ständiger Baubeschreibung fest.
Erstellung und Herausgabe von Unterlagen § 650n Abs. 1 BGB n. F. regelt, dass der
Unternehmer rechtzeitig vor Beginn der Ausführung einer geschuldeten Leistung die-
jenigen Planungsunterlagen zu erstellen und dem Verbraucher herauszugeben hat, die
22 Zivilrechtliche Grundlagen891
dieser benötigt, um gegenüber Behörden den Nachweis führen zu können, dass die Leis-
tung unter Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgeführt
werden wird. Nach § 650n Abs. 2 BGB n. F. hat der Unternehmer spätestens mit der
Fertigstellung des Werks die Unterlagen zu erstellen und dem Verbraucher herauszuge-
ben, die dieser benötigt, um gegenüber Behörden den Nachweis führen zu können, dass
die Leistung unter Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften aus-
geführt worden ist.
Unabdingbarkeit Abweichungen von den §§ 650i bis 650l und 650n BGB n. F. sind unzu-
lässig, § 650o BGB n. F.
In Untertitel 2 werden in den §§ 650p ff. BGB n. F. gesonderte Regelungen für den Archi-
tekten- und Ingenieurvertrag eingeführt.
22.16.6 Bauträgervertrag
Definition Bauträgervertrag In § 650u Abs. 1 Satz 1 BGB n. F. findet sich die – inhalt-
lich nicht neue – Definition zum Bauträgervertrag. Ein Bauträgervertrag ist danach ein
Vertrag, der die Errichtung oder den Umbau eines Hauses oder eines vergleichbaren Bau-
werks zum Gegenstand hat und der zugleich die Verpflichtung des Unternehmers enthält,
dem Besteller das Eigentum an dem Grundstück zu übertragen oder ein Erbbaurecht zu
bestellen oder zu übertragen. Wegen der Bauverpflichtung wird grundsätzlich auf die
Regelungen zum Werkvertrag und zum Bauvertrag verwiesen. Nach § 650u Abs. 2 BGB
n. F. werden allerdings einige Regelungen von der Anwendung ausgeschlossen, kurioser-
weise auch die Regelung des § 648a BGB zur Kündigung aus wichtigem Grund. Nach
bisheriger Rechtslage hatte der Bundesgerichtshof die Kündigung aus wichtigem Grund
im Bauträgervertrag für zulässig erachtet.
Abschlagszahlungen Wie nach voriger Rechtslage auch wird – über den Umweg der
„Abschlagszahlungsverordnung“ – wegen Abschlagszahlungen des Bauträgers auf die
Regelungen der MaBV verwiesen, § 650v BGB n. F.
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WTA-Merkblatt 4-7: Nachträgliche
mechanische Horizontalsperre 23
Jürgen Weber und Volker Hafkesbrink
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 895
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_23
896 J. Weber und V. Hafkesbrink
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23 WTA-Merkblatt 4-7: Nachträgliche mechanische Horizontalsperre897
Kurzfassung
Dieses WTA-Merkblatt befasst sich mit nachträglichen mechanischen Horizontalsperren
gegen kapillar aufsteigende Feuchtigkeit. Die Anwendung setzt Voruntersuchungen zur
Klärung der individuellen Bauwerksbedingungen, wie zum Beispiel die Erarbeitung einer
fundierten Feuchteanalyse und die Mitarbeit eines erfahrenen Planungsingenieurs für den
speziellen Fall voraus. Es werden Verfahren, Werkstoffe und Randbedingungen für den
Einsatz der nachträglichen mechanischen Horizontalsperre präzisiert.
Abstract
This WTA-Recommendation deals with mechanical horizontal barriers against capillary
rising damp to be installed in existing buildings. The application of this technique requi-
res preliminary tests in order to determine specific conditions of the building. A detailed
moisture analysis and cooperation of an expe-rienced design engineer may be necessary
for instance. Different techniques, materials and boundary conditions for the installation
of mechanical horizontal barriers for existing buildings are outlined.
Key Words: Masonry restoration, horizontal barriers for existing buildings, horizontal
barrier, moisture barrier, blocking layer, drying, sealing, capillary rising damp
Résumé
L’objet de la présente recommandation est la réalisation de barrières mécaniques contre
l’humidité ascendante par capillarité dans les murs en maçonnerie. La réalisation d’une
telle barrière suppose qu’une investigation des conditions spécifiques du bâtiment soit
faite, telle que l’analyse du profil d’humidité dans la maçonnerie. Le soutien d’un ingéni-
eur expert en la matière est nécessaire. Les techniques, les matériaux utilisés est les condi-
tions d’application et d’exécution des barrières mécaniques sont exposés.
23.1 Einleitung
Schäden durch kapillar aufsteigende Feuchte aus dem Baugrund sind im Sockelbereich,
im Keller oder im Erdgeschoss von Altbauten häufig festzustellen. Als Ursache werden in
vielen Fällen nicht vorhandene oder unwirksam gewordene horizontale Bauwerksabdich-
tungen diagnostiziert.
898 J. Weber und V. Hafkesbrink
Zur Behebung haben sich mechanische Verfahren seit vielen Jahrzehnten in der Praxis
bewährt (Honsinger und Kirchberg 1999).
Das nachfolgende Merkblatt dient als Ergänzung nationaler und internationaler Regel-
werke und soll dazu beitragen, Unsicherheiten bei Planung und Ausführung nachträg-
licher mechanischer Horizontalsperren zu beseitigen, um die Qualität dieser Maßnahmen
zu sichern. Bei fachgerechter Planung und Ausführung ist die Wirksamkeit der Sperre
gegen kapillar aufsteigende Feuchte sichergestellt.
23.2 Vorbemerkung
23.3 Planung
Die Festlegung des Instandsetzungsziels und des Zeitpunktes seines Erreichens ist
Bestandteil der Planung. Die Entscheidungsgrundlagen und alle weiteren Anforderungen
sind zu dokumentieren.
Sind zum Erreichen des Instandsetzungsziels flankierende Maßnahmen erforderlich,
müssen sie bei der Planung berücksichtigt werden ggf. unter Hinzuziehung von Sonder-
fachleuten. Die Beachtung der Wirtschaftlichkeit, des Umweltschutzes und des Denkmal-
schutzes erfordern u. U. Sonderbauweisen.
Zu beachten ist, dass der nachträgliche Einbau einer mechanischen Horizontalsperre
einen Eingriff in das Tragwerk darstellt. Ein Tragwerksplaner ist hinsichtlich der stati-
schen Beurteilung des Bau- und Endzustandes hinzuzuziehen.
Die Übergänge zwischen den verschiedenen Abdichtungsstoffen sind im Detail zu
planen.
Der Ausführende übernimmt neben der üblichen Ausführungsverantwortung auch die
Planungsverantwortung, wenn auf eine unabhängige Fachplanung verzichtet werden soll.
23.4 Voruntersuchungen
23.4.1 Allgemeines
23.4.2 Bauwerkszustand
• Schadensbilder/Schadensformen
Art, Lage, Ausmaß, Besonderheiten
• Konstruktion
Regelquerschnitt von Wand, Decke und Boden, Anschlüsse, Bewegungsfugen, Durch-
dringungen, Zugänglichkeit, Standsicherheit, Fugenlage und Abmessung
• Vorhandene Abdichtungen
Art, Lage, Zustand, Mängel und deren Ursachen, frühere Instandsetzungen
• Baugrund
HGW (höchster möglicher Grundwasserstand, nach amtlicher Auskunft), Bodenver-
hältnisse (Durchlässigkeit)
900 J. Weber und V. Hafkesbrink
Salze in M-%
• Salzgehalt, qualitativ oder halbquantitativ
Konstruktion, Statik
• Statische Ausnutzung, (Schub Biegung; Exzentrizität)
• Erschütterungsrelevante Risiken
• Homogenität, Hohlräumigkeit, Wandaufbau
• Belastungsveränderungen
• Gründungsverhältnisse
• Abmessungen von Lagerfugen
• Steinfestigkeit
• Mörtelfestigkeit
23.5 Sanierungskonzept
Auf der Grundlage der Voruntersuchungen und der Sanierungsziele ist das Sanierungskon-
zept zu erstellen. Dieses hat das Verfahren, die zu verwendenden Baustoffe, den Sperrhori-
zont, die flankierenden Maßnahmen und die Überprüfung festzulegen (siehe Abschn. 23.9
und 23.10).
23.6 Verfahrenstechnik
23.6.1 Grundlagen
Für die mechanischen Horizontalsperren gilt grundsätzlich, dass die Standsicherheit des
Bauteiles während und nach der Durchführung der Maßnahmen gewährleistet sein muss.
Weiterhin müssen im Zuge der Arbeiten entstandene Hohlräume kraftschlüssig geschlos-
sen werden.
23 WTA-Merkblatt 4-7: Nachträgliche mechanische Horizontalsperre901
23.6.2 Maueraustauschverfahren
Dieses mehrstufige Verfahren stellt die älteste Art der Einbringung einer nachträglichen
horizontalen Sperre dar. In Abhängigkeit von den statischen Gegebenheiten wird das
Mauerwerk abschnittsweise in seinem gesamten Querschnitt entfernt, eine Horizontal-
sperre eingelegt und zur planmäßigen Lastabtragung wieder kraftschlüssig ergänzt.
23.6.3 Blecheinschlagverfahren
Bei diesem einstufigen Verfahren (Trennen und Sperren in einem Arbeitsgang) werden
gewellte Stahlplatten ohne Öffnen des Mauerwerkes in die Mörtelfugen überlappend bzw.
ineinander greifend eingeschlagen.
Durchdringungen quer zur Sperrebene, wie z. B. Rohrleitungen, sind besonders zu
berücksichtigen.
Für die Anwendung ist eine durchgehende Lagerfuge von 6 mm Dicke erforderlich. Die
Anwendbarkeit ist abhängig vom Mauerwerksquerschnitt und von der Mauerwerksart.
Eine Einschränkung der Anwendbarkeit kann sich durch die Reibung bzw. nicht ver-
dichtbaren Mörtel beim Einschlagen der Stahlbleche ergeben.
Die Stahlplatten sind pneumatisch oder hydraulisch mit hohen Frequenzen (z. B. 1000
bis 1500 Schlägen pro Minute) einzubringen, um u. a. eine Versetzung des Mauerwerkes
in Schlagrichtung auszuschließen. Setzungen des Mauerwerks können ausgeschlossen
werden, da beim hochfrequenten Einschlagen der Platten der Fugenmörtel verdichtet wird
(ca. 10–20 %). Rissbildungen infolge Vibrationen können nicht ausgeschlossen werden.
902 J. Weber und V. Hafkesbrink
Der Eindringwiderstand wird z. B. durch die Verwendung von Platten mit Pfeilspitzen-
profil vermindert.
Die Funktion der Sperre ist auch im Bereich der Plattenstöße sicherzustellen.
Bei Schneide- und Sägeverfahren handelt es sich um mehrstufige Verfahren, bei denen
in der ersten Stufe die Trennung des Mauerwerks erfolgt, in der zweiten Stufe die Sperr-
schicht eingelegt und abschließend die Fuge geschlossen wird.
Die Trennung des Mauerwerks erfolgt in Trocken- oder Nassschnittverfahren mit einer
Mauerfräse, Mauerkettensäge oder einer Diamantseilsäge. Keine Einschränkung besteht
hinsichtlich Mauerwerksart und -querschnitt. Bei mehrschaligem Mauerwerk sind ggf.
gesonderte Maßnahmen erforderlich.
Die Schnittfuge ist zu reinigen. Bei starken Unebenheiten im Schnittverlauf, z. B bei
Naturstein- oder Mischmauerwerk, muss ein Glattstrich ausgeführt werden, um das voll-
flächige Aufliegen der Sperre sicherzustellen.
Danach erfolgt das Einbringen der Sperrschicht. Dabei ist auf statische Einflüsse wie
Gewölbeschub oder sehr hohe Druckbelastung gesondert zu achten.
Anschließend erfolgt das Schließen der Restfuge, hier unterscheidet man drei Varianten:
• Auskeilen mit Plastikkeilen über den gesamten Querschnitt der Mauer in ausreichenden
Abständen und Verfüllen mit geeignetem schwindfreiem Mörtel. Bei diesem Verfahren
sind besonders die punktuelle Belastung der Sperrschicht und die Standsicherheit des
Objektes bei Teilflächenpressung zu berücksichtigen. Beim Einbringen der Keile ist
eine Beschädigung der Sperrschicht unbedingt zu vermeiden (ÖNORM B 3355 2006).
• Kraftschlüssiges raumfüllendes Schließen mit geeignetem schwindfreiem Mörtel unter
Druck über den gesamten Mauerwerksquerschnitt.
• Kaltschlüssiges, raumfüllendes Auskeilen mit Plastikkeilplatten über den gesamten
Mauerquerschnitt, in zwei Keillagen. Auf die eingelegte untere Keillage wird die obere
Keillage stoß- und keilversetzt eingeschlagen.
23.6.5 Kernbohrverfahren
Der Einbau ist bei fast allen Mauerwerksarten möglich. Durch überlappende Kernbohrun-
gen, bei denen die hergestellten Hohlräume mit geeignetem Dichtmörtel verfüllt werden,
entsteht eine durchgängige Sperrebene im Mauerwerk. Die Funktionstauglichkeit des
Mörtels ist nachzuweisen.
Es werden parallele Bohrungen in gleichen Achsabständen über die gesamte Mauertiefe
geführt. Die Bohrlöcher werden gereinigt und mit Mörtel verfüllt. Nach dem kraftschlüs-
sigen Aushärten des Verfüllmörtels wird das dazwischen liegende Mauerwerk ausgebohrt
und in gleicher Weise geschlossen.
23 WTA-Merkblatt 4-7: Nachträgliche mechanische Horizontalsperre903
23.7.1 Grundlagen
Die Wahl des Baustoffes für die mechanische Horizontalsperre wird vom fachkundigen
Ingenieur festgelegt und hängt maßgeblich von den Ergebnissen der Voruntersuchungen
(Abschn. 23.4) und dem gewählten Verfahren (Abschn. 23.6) ab.
Die Baustoffe müssen wasserundurchlässig und wasserbeständig sowie beständig
gegenüber chemischer und mechanischer Belastung sein. Insbesondere müssen folgende
Bedingungen erfüllt sein:
Bei eingebauten Sperrschichten ist sicherzustellen, dass die Materialien vollflächig auf-
liegen, um punktuell erhöhte Pressungen zu vermeiden.
Die wasserdichte Verbindung der mechanischen Horizontalsperre mit einer anderen
Abdichtungsebene erfordert eine detaillierte Ausführungsplanung und ggf. Sonderbau-
weisen mit speziellen Baustoffen.
23.7.2 Mörtel
23.7.3 Edelstahlplatten
des Edelstahls). In besonderen Fällen kann die Resistenz des Werkstoffes durch spezielle
(zeitraffende) Laboruntersuchungen oder Langzeitversuche vor Ort des Einsatzes mit den
anfallenden Medien nachgewiesen werden.
Der Werkstoff 1.4016 ist ein ferritischer Chromstahl. Seine Korrosionsbeständigkeit
gegenüber schwach konzentrierten oxydierenden (Salpetersäure) und nichtoxydierenden
(Schwefelsäure) Säuren reicht in den meisten Anwendungsfällen aus, mit Ausnahme von
Halogenid-, insbesondere Chloridbelastungen mit höheren Konzentrationen.
Der Werkstoff 1.4301 ist ein austenitischer Chrom-Nickelstahl. Seine Korrosionsbe-
ständigkeit ist höher als bei dem Werkstoff 1.4016, insbesondere auch gegenüber den
halogenhaltigen Angriffsmedien (z. B. Chloriden).
Die Werkstoffe 1.4401, 1.4436 und 1.4571 sind austenitische Chrom-Nickel-Molyb-
dänstähle, die i. A. eine ausreichend große Korrosionsbeständigkeit gegenüber halogen-
haltigen Medien (Chloriden) aufweisen.
Die Edelstahlplatten sind mit speziell geeigneten Trenn- und Schleifscheiben zu
schneiden, wobei auf die erreichte Temperatur im Plattentrennbereich zu achten ist. Wird
diese überschritten (Rotglühen), entstehen in diesem Bereich blaue Trennflächen und
Grate, welche nicht mehr korrosionsbeständig sind und sorgfältig abgeschliffen werden
müssen.
Bei Schneide- und Sägeverfahren werden in der Regel ebene Platten eingelegt. Diese
müssen über eine ausreichende Schubtragfähigkeit im eingebauten Zustand verfügen.
Für das Blecheinschlagverfahren sind die Edelstahlplatten sowohl wegen der Festigkeit
an der Eindringvorderkante und am Einschlagende als auch wegen ihrer Gesamtfestigkeit
(Beulen und Knicken) gewellt auszuführen.
Die Plattenabmessungen sind von den örtlichen Gegebenheiten und Anforderungen
abhängig und in der Planung vorzugeben. Verfahrensspezifische Besonderheiten sind zu
beachten!
23.7.4 Kunststoffplatten
23.7.5 Abdichtungsbahnen
23.8 Ausführung
Die Anforderungen für die Ausführung der mechanischen Horizontalsperren gegen kapil-
lar aufsteigende Feuchtigkeit sind in Tab. 23.2 zusammengefasst.
Es ist zu beachten, dass für die Aufstellung der Geräte und die Lagerung des Materials
ausreichend Raum zur Verfügung steht.
a
Die Vorgaben der Berufsgenossenschaft u. a. sind immer einzuhalten.
906 J. Weber und V. Hafkesbrink
Die mechanische Horizontalsperre ist mindestens 300 mm oberhalb des höchsten anzu-
nehmenden Grundwasserstandes (HGW) anzuordnen.
Bei den gewählten Abdichtungsmaterialien ist besonders auf die Anbindung zu anderen
Horizontal- u. Vertikalsperren und den Anschluss an Durchdringungen der Sperrebene
(Rohre, Leitungen etc.) im Mauerwerk zu achten.
Muss die Sperrschicht aufgrund von örtlichen Gegebenheiten (z. B. Keller in Hang-
lage) in höhenversetzten Ebenen eingebracht werden, sind die Sperrebenen miteinander
zu verbinden.
Die mechanische Horizontalsperre darf nur von Firmen des Bauhauptgewerbes (bzw.
landes-spezifische Konzession u. ä.) ausgeführt werden (Literatur Urteil der 7. Kammer für
Handelssachen des Landesgerichtes Essen vom 05.08.1994 ist sinngemäß anzuwenden).
• Entfeuchtung/Bauteiltrocknung,
• Salzreduktion,
• Beheizung, Raumlüftung oder Klimatisierung,
• Vertikalabdichtung innen/außen,
• Einbinden an vorhandene Abdichtungen,
• Abführen von Oberflächenwasser,
• Sanierputz gem. WTA-Merkblatt (DIN 4123 2013),
• Wärmedämmung,
• Sicherung gegen Spritzwasser,
• Sockelausbildung,
• Dränung,
• Mauerwerksverfestigung.
23.10 Qualitätssicherung
Vor Vergabe der Arbeiten ist die Eignung des Anwenders zu prüfen.
Die Qualitätssicherung beginnt mit der Planung und endet mit dem Ablauf der Gewähr-
leistungsfrist. Die Ausführung der planerischen Vorgaben ist sicherzustellen. Arbeitsab-
läufe und Randbedingungen sind zu dokumentieren. Jeder Anwender hat sich im Rahmen
der Eigenüberwachung während der Ausführung laufend von der Einhaltung dieses Merk-
blattes zu überzeugen und hierüber Aufzeichnungen zu führen. Bei der Ausführung sind
neben anderen Planungsvorgaben besonders die Festlegungen über die Schnittebenen, die
Kraftschlüssigkeit und die Auswahl der Baustoffe zu beachten. Es dürfen nur geprüfte und
23 WTA-Merkblatt 4-7: Nachträgliche mechanische Horizontalsperre907
für die spezielle Anwendung geeignete Baustoffe verwendet werden. Prüfzeugnisse und
Sicherheitsdatenblätter sind beizubringen.
Vor Beginn der Arbeiten ist die Erfahrung auf dem speziellen Gebiet der mechanischen
Horizontalsperre der ausführenden Firma und der verantwortlichen Person auf der Bau-
stelle durch entsprechende Qualifikationsnachweise zu überprüfen. Die verantwortliche
Person hat während der Herstellung der nachträglichen mechanischen Horizontalsperre
ständig auf der Baustelle anwesend zu sein.
Eine Fremdüberwachung durch einen geeigneten fachkundigen Ingenieur wird empfoh-
len. Für die Fremdüberwachung sind die Aufzeichnungen der Eigenüberwachung durch
einen Fachplaner zu kontrollieren und ggf. weitere Prüfungen zu veranlassen.
23.11 Wirksamkeitskontrolle
Fv − Fn
W= ⋅100
Fv − A
Die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Verhinderung oder Begrenzung des kapillaren Auf-
steigens von Feuchtigkeit ist gegeben,
Zu beachten ist, dass durch mechanische Horizontalsperren nach WTA der Feuchte-
transport durch die planmäßige Abdichtungsebene absolut und 100 %-ig unterbunden
wird. Für die Wandtrocknung sind i. d. R. flankierende Maßnahmen gemäß Abschn. 23.9
erforderlich.
908 J. Weber und V. Hafkesbrink
Literatur
Bromm, E. (1997). Verfahren gegen aufsteigende Feuchtigkeit. Internationale Zeitschrift für Bau-
instandsetzen (IZB), 1(4).
DIN 18195. (2000). Bauwerksabdichtungen. Berlin: DIN Deutsches Institut für Normung e.V.,
Beuth Verlag.
DIN 4123. (2013). Ausschachtungen, Gründungen und Unterfangungen im Bereich bestehender
Gebäude. Berlin: Beuth Verlag.
Honsinger, D. J., & Kirchberg, B. (1999). Säge gegen Wasser. Bautenschutz + Bausanierung, (7).
ÖNORM B 3355. (2006). Teil 1–3, Trockenlegung von feuchtem Mauerwerk. Wien: Österreichisches
Normungsinstitut.
Simlinger, C. (2001). Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit von nachträglich eingebauten Horizontal-
abdichtungen, FAS – Schriftenreihe Heft 11. In H. Venzmer (Hrsg.). Berlin: Verlag Bauwesen.
Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landesgerichtes Essen vom 5.8.1994: 47 O 168/94
(Richter Johannemann, Handelsrichter von Marienfeld und Mikus)
23 WTA-Merkblatt 4-7: Nachträgliche mechanische Horizontalsperre909
WTA Merkblatt 2-9-04/D. (2005). Sanierputzsysteme (überarbeitete Fassung vom Oktober 2004,
ersetzt Merkblatt 2-2-91/D und 2-6-99/D). München: Wissenschaftlich-Technische Arbeitsge-
meinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V.
WTA Merkblatt 4-10. (2013). Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen gegen kapilla-
ren Feuchtetransport. München: Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bau-
werkserhaltung und Denkmalpflege e. V.
WTA Merkblatt 4-6. (2014). Nachträgliches Abdichten erdberührter Bauteile. München: Wissen-
schaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V.
WTA Merkblatt 5-20. (2009). Gelinjektion. München: Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemein-
schaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V.
WTA-Merkblatt 4-5-99/D. (1999). Beurteilung von Mauerwerk – Mauerwerksdiagnostik. München:
Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege
e. V.
WTA-Merkblatt 4-10: Injektionsverfahren
mit zertifizierten Injektionsstoffen gegen 24
kapillaren Feuchtetransport
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 911
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6_24
912 J. Weber und V. Hafkesbrink
,QMHNWLRQVYHUIDKUHQPLW]HUWLIL]LHUWHQ 0HUNEODWW
,QMHNWLRQVVWRIIHQJHJHQNDSLOODUHQ
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24 WTA-Merkblatt 4-10: Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen…913
Kurzfassung
Dieses WTA-Merkblatt befasst sich mit der Mauerwerksinjektion zur nachträglichen
Reduzierung kapillar aufsteigender Feuchte. Der Erfolg von WTA-Injektionsverfahren
wird im Wesentlichen durch die richtige Planung und die sorgfältige Ausführung mit
WTA-zertifizierten Injektionsstoffen bestimmt. Es werden die Wirkprinzipien und die
Verarbeitungsbedingungen der jeweiligen Injektionsstoffe erläutert. Planern und Verarbei-
tern soll die Möglichkeit gegeben werden, marktübliche Injektionsstoffe gegen kapillare
Mauerfeuchte bezüglich ihrer Eigenschaften und speziellen Anwendung zu beurteilen.
Das Merkblatt enthält die Prüfkriterien zur vergleichenden Beurteilung der Wirksamkeit
der einzelnen Injektionsstoffe sowie deren Anwendungsgrenzen. Des Weiteren werden die
erforderlichen flankierenden Maßnahmen und die Qualitätskontrolle für die Injektionsver-
fahren beschrieben.
Abstract
This WTA-Recommendation deals with injection of masonry to reduce capillary moisture
suction and rise. The success of injection procedures according to WTA Recommendation
is determined by the careful exe-cution, using WTA certified injection products. Desig-
ners and practitioners should have the possibility to evaluate the performance and special
application features of injection products against rising moisture. The Recommendation
presents the testing criteria for the evaluation of the action and effectiveness of an injection
product, as well as of its application limits. Moreover, the necessary additional measures
and quality control aspects for injection products are described.
Résumé
Cette Prescription Technique WTA traite l’injection des maçonneries pour réduire la
montée capillaire de l’eau et de l’humidité dans la maçonnerie. Le succès d’une injec-
tion suivant la Prescription WTA dépend d’une exécution soigneuse, et de l’utilisation
de produits certifiés par la WTA. Les auteurs de projet et les praticiens doivent avoir la
possibilité pour évaluer la performance et les aspects spéciaux d’application des produits
d’injection. La Prescription Technique présente les critères d’essai pour l’évaluation de
l’action et de l’efficacité d’un produit d’injection, de même que de ses limites d’appli-
cation. En plus, les mesures nécessaires additionnelles et les aspects de la contrôle de la
qualité sont décrites.
914 J. Weber und V. Hafkesbrink
24.1.1 Anwendungsbereich
Dieses Merkblatt beschäftigt sich mit der Mauerwerksinjektion zur nachträglichen Reduzie-
rung kapillarer Feuchte mit WTA-zertifizierten Injektionsstoffen (WTA-Injektionsstoffe).
Die Anwendungsbereiche liegen in Sockelhöhe oberhalb der Geländeoberfläche sowie
in den Kellerinnen- und Kelleraußenwänden unterhalb des vor kapillarer Feuchtigkeit zu
schützenden Mauerwerks. Prinzipiell muss die Mauerwerksinjektion mit ausreichendem
Abstand (≥ 30 cm) oberhalb des Grund- oder Stauwasserstandes erfolgen. Mauerwerksin-
jektionen sind generell wie alle übrigen Horizontalsperrverfahren nicht im Druckwasser-
bereich bzw. als Abdichtung gegen Druckwasser einsetzbar.
24.1.2 Ziele
Ziel der WTA-Injektionsverfahren ist es, den Feuchtetransport über die kapillaren Poren-
kanäle so weit herabzusetzen, dass das Mauerwerk ausgehend von der Injektionszone die
umgebungsbedingte Ausgleichsfeuchte erreicht, die eine planmäßige Nutzung ermög-
licht. Die Ausgleichsfeuchte stellt sich bei Mauerwerk durch Feuchteaustausch mit der
umgebenden Luft ein. Sie ist abhängig vom Wandbaustoff, von der relativen Luftfeuchte
und vom Salzgehalt des Mauerwerks. Der kapillare Feuchtenachschub über die wirksame
Injektionszone muss demgemäß nicht generell vollständig unterbunden werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, ist es erforderlich, die in dem WTA-Merkblatt präzisierten
verfahrens- bzw. injektionsstoffspezifischen Anforderungen vollständig zu erfüllen.
24 WTA-Merkblatt 4-10: Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen…915
verwendet.
Die Anlage B “Produktprofil von Injektionsstoffen“ (Anhang) enthält die zurzeit ein-
gesetzten WTA-Basis-Injektionsstoffe und deren Eigenschaften und dient der vergleichen-
den Wirksamkeitsbeurteilung.
Die in Anlage B zusammengefassten WTA-Basis-Injektionsstoffe haben sich seit
Jahren zur Injektion von kapillar durchfeuchtetem Mauerwerk bewährt und wurden von
Fachleuten als allgemein anerkannt eingestuft. Es werden die Merkmale zur Unterschei-
dung der WTA-Injektionsstoffe beschrieben. Die Unterteilung ist notwendig, da sich die
WTA-Injektionsstoffe in der Zusammensetzung der Wirkstoffe, dem Wirkprinzip, der Ein-
bringart und dem Reaktionsmechanismus unterscheiden können.
Aus der Einteilung gemäß Anlage B wird deutlich, dass die Wirksamkeit von WTA-
Injektionsstoffen auf nachfolgenden unterschiedlichen Wirkprinzipien beruht (siehe
Abb. 24.1):
• Kapillarporenverstopfung,
• Kapillarverengung,
• Poren-Hydrophobierung,
• Kombination aus Kapillarporenverengung bzw. -verstopfung und Poren-Hydrophobie-
rung
916 J. Weber und V. Hafkesbrink
Wirkprinzip 1: Kapillarporenverstopfung
Verstopfen des Porensystems durch Einbringen des WTA-Injektionsstoffes.
Wirkprinzip 2: Kapillarporenverengung
Durch Einbringen des WTA-Injektionsstoffes wird der Porenquerschnitt verengt. Hier-
durch wird das kapillare Saugvermögen herabgesetzt. Der kapillare Wasserdurchsatz wird
herabgesetzt, der Austrocknungseffekt basiert auf der größeren Verdunstungsmenge im
Vergleich zur kapillar nachtransportierten Wassermenge.
Wirkprinzip 3: Poren-Hydrophobierung
Die Kapillarwände werden durch den WTA-Injektionsstoff wasserabweisend ausgeklei-
det, wobei der Querschnitt der Kapillarporen weitestgehend erhalten bleibt. Dadurch wird
der Kapillartransport unterbrochen.
24.3.1 Grundlagen
Für einen kontrollierten Sanierungserfolg sind alle Anforderungen, die in diesem WTA-
Merkblatt ausführlich beschrieben werden, zu erfüllen.
Folgende Maßnahmen sind vor Anwendung der WTA-Mauerwerksinjektion durchzu-
führen:
24.3.2 Voruntersuchungen
Der Durchfeuchtungsgrad (DFG) ist gemäß dem Stand der Technik zu ermitteln WTA-
4-11-02/D. Erst der DFG ermöglicht eine Auswahl geeigneter Injektionsstoffe bzw. deren
Einbringverfahren und bestimmt die Anwendungsgrenzen. Der DFG dient ebenso zur
Wirksamkeitskontrolle nach der Injektionsmaßnahme.
1
Gilt nicht für WTA-Injektionsverfahren mit Vortrocknung auf ca. 0 %-Feuchte. Hierfür reicht
die Prüfung des massebezogenen Feuchtegehaltes (M.-%) zur Bauteilzustandserfassung und
Wirksamkeitskontrolle.
918 J. Weber und V. Hafkesbrink
Der Quotient beider Werte multipliziert mit 100 ergibt den DFG in %. Diese Kennwerte
sind in Form von horizontalen und vertikalen Feuchteprofilen in repräsentativen Berei-
chen stichhaltig zu ermitteln.
Bei vorhandener Salzbelastung ist es wichtig, den Anteil der hygroskopischen Feuchte
am DFG im Baustofflabor zu bestimmen. Weitere Ursachen von Durchfeuchtungen (z. B.
Tauwasser, Havarieschäden) erfordern ggf. zusätzliche Untersuchungen und Maßnahmen.
Neben der Feuchtebilanz sind in repräsentativen Bereichen die bauschädlichen Salze
nach Art, Anteil und Verteilung, insbesondere Sulfate, Chloride und Nitrate, zumindest
halbquantitativ, zu ermitteln.
Die vorgenannten Kennwerte sind deshalb wichtig, weil sich der Anteil von aufstei-
gender Feuchte am Gesamt-Durchfeuchtungsgrad nicht ohne weiteres am Bauwerk direkt
bestimmen lässt.
Nach der Auswertung der Voruntersuchungen kann sich herausstellen, dass eine Mauer-
werksinjektion nach dem WTA-Merkblatt als alleinige Maßnahme zur Feuchtereduzie-
rung nicht erfolgversprechend wäre und deshalb nur in Kombination mit weiteren Maß-
nahmen zum Erfolg führt.
24.3.3 Fachplanung
Verantwortlich für die Fachplanung ist der so genannte »Fachplaner« oder gemäß Lan-
desbauordnung NRW der »Entwurfsverfasser«. Er muss nach Sachkunde und Erfahrung
geeignet sein, die Ausführungsplanung der nachträglichen Bauwerksabdichtung in allen
Details zu bewältigen. Der Entwurfsverfasser ist für die Vollständigkeit und Brauchbar-
keit seines Sanierungsplans verantwortlich. (BauO NRW 2000). Wenn z. B. aus Kosten-
gründen ein Fachplaner oder Entwurfsverfasser nicht beauftragt werden soll, übernimmt
i. d. R. der ausführende Betrieb diese Verantwortlichkeiten und haftet schließlich in vollem
Umfang für Planungsfehler und Folgeschäden.
Für die WTA-Injektionsverfahren stehen verschiedene WTA-zertifizierte Injektions-
stoffe mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung und charakteristischen Eigen-
schaften zur Verfügung.
Im Rahmen der Fachplanung ist zunächst das Instandsetzungsziel, das favorisierte
Injektionsverfahren, der WTA-Injektionsstoff und somit das injektionsstoffabhängige
WTA-Wirkprinzip gemäß Abschn. 24.2 festzulegen.
24 WTA-Merkblatt 4-10: Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen…919
Der Bohrlochabstand ist festzulegen. Er richtet sich nach der Saugfähigkeit des
Mauerwerks, dem Injektionsverfahren und den Fließeigenschaften des WTA-Injektions-
stoffes. Die Bohrlochreihe wird ein- oder mehrreihig angeordnet. Der Bohrlochabstand
wird von Bohrlochmitte zu Bohrlochmitte festgelegt (Achsmaß). Es ist sicherzustellen,
dass durch die Bohrlochabstände und die Minderung des Mauerwerkquerschnittes (Bohr-
lochabstand min. 10 cm; max. 12,5 cm) die Standsicherheit nicht gefährdet wird (siehe
Abb. 24.2 und 24.3).
Die Festlegung des Instandsetzungsziels und der Zeitraum seines Erreichens ist
Bestandteil der Planung und ist zu dokumentieren.
Die Leistungsfähigkeit des favorisierten Injektionsverfahrens und des WTA-Injektions-
stoffes ist auf die am Bauwerk vorherrschenden speziellen Randbedingungen abzustim-
men. Wesentliche Merkmale und die Anwendungsgrenzen von WTA-Injektionsstoffen
sind dem WTA-Zertifikat und dem Technischen Merkblatt zu entnehmen.
Bei der Planung ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Ausführung der Mauer-
werksinjektion die Restfeuchte aus dem Baustoff verdunsten muss. Dabei kann es zu Aus-
blühungen, d. h. zur Kristallisation von wasserlöslichen Salzen an der Baustoffoberfläche
kommen (vgl. Abschn. 24.5 Flankierende Maßnahmen).
Abb. 24.2 Schematische Darstellung der Anordnung der Bohrlöcher für die drucklose
Bohrlochinjektion
920 J. Weber und V. Hafkesbrink
Abb. 24.3 Schematische Darstellung der Anordnung der Bohrlöcher für die Druckinjektion
24.3.4 Probeinjektionen
24.4 WTA-Mauerwerksinjektion
24.4.2 WTA-Injektionsverfahren
24.4.2.1 Grundlagen
Nachfolgend werden die prinzipiellen Verfahrenstechniken zum Einbringen von WTA-
Injektionsstoffen beschrieben. WTA-Injektionsstoffe sind so einzusetzen, dass eine weit-
gehend gleichmäßige Wirksamkeit über die injizierten Mauerwerksvolumen gewährleistet
ist.
Vor der Injektion ist sicherzustellen, dass der Injektionsstoff nicht, wie zum Beispiel in
klüftigem Mauerwerk, unkontrolliert abfließen kann. Das kann zum Beispiel durch eine
an die speziellen Randbedingungen des Mauerwerks angepasste Hohlraumverfüllung oder
die Anwendung hohlraumüberbrückender Verfahren erreicht werden. Mithilfe einer Pro-
beinjektion (vgl. Abschn. 24.3.4) kann das Mauerwerk dahingehend überprüft und ein-
gestellt werden.
Im Anschluss an die Durchführung der Injektion müssen oberhalb der Injektionszonen
hinreichende Trocknungsbedingungen vorhanden sein. In der Regel soll nach rd. zwei
Jahren das Planungsziel bzw. der vereinbarte Feuchtegehalt des Mauerwerks erreicht
werden. Gegebenenfalls sind zusätzliche flankierende Maßnahmen erforderlich.
Die Verträglichkeit aller für die Mauerwerksinjektion vorgesehenen Baustoffe ist unter
Berücksichtigung des erklärten Nutzungsanspruches der betroffenen Räume zu gewähr-
leisten. Im Einzelfall können spezielle Analysen zum Nachweis der Bauwerksverträglich-
keit erforderlich werden.
922 J. Weber und V. Hafkesbrink
24.4.2.3 Druckinjektion
Bei Druckinjektionen (Niederdruckinjektionen) wird maschinell ein Druck zur Verteilung
des WTA-Injektionsstoffes im Baustoff erzeugt. Die Bohrlochanordnung kann ein- oder
mehrreihig versetzt sein. Der Abstand der Bohrlochachsen wird aufgrund der zu erwar-
tenden minimalen Eindringtiefen der Injektionsstoffe festgelegt. Ein Regelabstand von
10 cm bis 12,5 cm ist einzuhalten. Abweichungen sind ausnahmsweise möglich, wenn
der Nachweis der Wirksamkeit nach Probeinjektionen erbracht wurde. Bei mehrreihiger
Anordnung ist ein Höhenversatz von 8 cm nicht zu überschreiten. Die Neigung der Bohr-
kanäle muss je nach Verfahren und örtlichen Gegebenheiten hergestellt werden (siehe
Abb. 24.3).
Die Injektion hat mit kontinuierlichem, auf das Bauteil abgestimmten Druck zu erfolgen.
Auf die weitgehend gleichmäßige Verteilung des WTA-Injektionsstoffes ist zu achten.
Der Materialverbrauch richtet sich in erster Linie nach dem Porenvolumen der Baustoffe
und der Beschaffenheit des Mauerwerkgefüges. Der Druck im Bauteil ist solange zu
halten, bis eine ausreichende Ausbreitung des Injektionsstoffes und somit eine gleichmä-
ßige Wirkzone gewährleistet ist.
24 WTA-Merkblatt 4-10: Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen…923
24.4.2.4 Geräte
Als Bohreinrichtungen sind erschütterungsarme Bohrgeräte zu bevorzugen. Durch geeig-
nete Geräte ist dafür Sorge zu tragen, dass ein dem Verfahren und dem Bauteil angepass-
ter Neigungswinkel möglichst genau eingehalten wird. Das vorhandene Bohrmehl muss,
z. B. durch Absaugen oder Ausblasen, soweit entfernt werden, dass die Stoffaufnahme
nicht beeinträchtigt wird.
Die Injektion erfolgt verfahrensbedingt durch geeignete Injektionsgeräte (z. B. Vor-
ratsbehälter, Druckbehälter, Membran-, Kolben- oder Schneckenpumpen) unter Einsatz
von auf das jeweilige Verfahren abgestimmtem Zubehör (z. B. Schläuche, Packersysteme,
Druckanzeige).
• nachträgliche Vertikalabdichtung; bei Zutritt von Wasser über vertikale Flächen im erd-
berührten Bereich oder im Sockelbereich sind Vertikalabdichtungen erforderlich WTA-
Merkblatt 4-6-05/D.
• Sanierputz; die durch den Trocknungsprozess oberhalb der Mauerwerksinjektion aus-
kristallisierenden Salze können in einen Sanierputz eingelagert und somit von der Bau-
teiloberfläche ferngehalten werden.
Vor Beginn der Arbeiten sind die Parameter des Verfahrens, wie zum Beispiel Mate-
rialverbrauch, Anordnung der Bohrlöcher, zusätzliche und flankierende Maßnah-
men, festzulegen. Für die Festlegung der Verfahrensparameter sind Probeinjektionen
erforderlich.
Die Qualitätskontrolle während der Injektion hat durch Überwachung der planmäßigen
Parameter zu erfolgen. Die dafür mindestens zu erfassenden Parameter sind in der Anlage
C aufgeführt und analog zu protokollieren.
Eine Erfolgskontrolle kann durch vergleichende Feuchtemessungen erfolgen. Dabei ist
auf Vergleichbarkeit (Messstellen oberhalb und unterhalb der Horizontalsperre, klimati-
sche Verhältnisse, Nutzung usw.) mit der Ursprungsmessung zu achten.
Der Erfolg aller durchgeführten Maßnahmen ist dann gegeben, wenn das Planungsziel
im vorgegebenen Zeitraum erreicht wurde. Wenn nicht anders vereinbart, gilt ein Zeitraum
von zwei Jahren.
Jede WTA-Mauerwerksinjektion ist nach einer abgestimmten Frist nach Fertigstellung
einer kritischen Qualitätskontrolle zu unterziehen.
Mit dem Erscheinen des WTA-Merkblattes 4-10 wird Planern und Verarbeitern weiter-
hin die Möglichkeit gegeben, marktübliche Injektionsstoffe gegen kapillaren Feuchte-
transport bezüglich ihrer Eigenschaften und Anwendungsgebiete zu vergleichen und zu
beurteilen. Hierfür werden nachfolgend Prüfkriterien zur Beurteilung der Wirksamkeit
24 WTA-Merkblatt 4-10: Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen…925
Der Wirkungsgrad und somit die Erfolgschancen der so genannten passiven elektro-
physikalischen Verfahren zur Mauerentfeuchtung, wie z. B. die passive Elektroosmose,
variieren unter seriöser wissenschaftlicher und baupraktischer Betrachtungsweise in der
Bewertung eher als erfolglos. Die Funktionsunfähigkeit des Verfahrens basiert grundsätz-
lich nicht nur auf der anerkannten Lehrmeinung der Physik und wird durch die WTA zur
Mauerentfeuchtung als nicht brauchbar eingestuft."
Der Einsatz von passiven Verfahren zur Mauerentfeuchtung wird durch die WTA nicht
empfohlen.
A.1 Prüfverfahren
Mit der nachfolgend beschriebenen Prüfung wird die Funktionsfähigkeit einer Mauer-
werksinjektion zur Reduzierung von kapillar aufsteigender Feuchte unter realitätsnahen
Bedingungen beurteilt. Die Beurteilung der Funktionsfähigkeit erfolgt – je nach Prüfauf-
bau – anhand der Veränderung der vom Probekörper aufgenommenen oder abgegebenen
oder im Probekörper vorhandenen Feuchte. Da der aus der Injektion resultierende Trock-
nungseffekt auch von den klimatischen Randbedingungen abhängt, können die im Labor
erzielten Werte bzgl. Dauer der Trocknung und Restfeuchte i.d.R. nicht auf Bauwerke
übertragen werden. Hinweise bezüglich der Reaktion der Injektionsstoffe und damit der
zeitlichen Entwicklung der Wirksamkeit verschiedener Injektionsstoffe sind in Anlage B
gegeben.
Im Rahmen der Prüfung wird mit drei Prüfkörpern die Situation in kapillar durchfeuch-
tetem Mauerwerk modellhaft nachgestellt. Der zu prüfende Injektionsstoff wird nach Her-
stellerangaben in zwei Prüfkörper eingebracht. Anschließend wird die Wirksamkeit des
Injektionsstoffes zur Reduzierung des kapillaren Feuchtetransports untersucht. Aufgrund
der Vielzahl auf dem Markt befindlicher Injektionsstoffe und -verfahren können die Prü-
fungen an Mauerwerksprüfkörpern wahlweise in den drei Stufen DFG 60 %, DFG 80 %
oder DFG 95 % durchgeführt werden, siehe Tab. 24.1 und 24.3. Die Wirksamkeitsprüfung
mit einem DFG von 95 % (bzw. 80 %) ersetzt in der Regel eine Prüfung bei niedrigerem
DFG.
Die Festlegung des DFG 60 %, DFG 80 % oder DFG 95 %, für den der Injektionsstoff
geprüft wird, erfolgt durch den Hersteller und wird im Prüfprotokoll und Zertifikat ausge-
wiesen. Eine Reduzierung des DFG, die durch das Einbringverfahren des Injektionsstoffes
bedingt ist, ist zulässig und muss im Protokoll angegeben werden.
In der folgenden Tab. 24.1 ist der Prüfablauf zusammenfassend dargestellt.
Ein DFG von annähernd 100 % stellt sich ein, wenn der Prüfkörper bis zur Gewichts-
konstanz Wasser kapillar aufnehmen kann.
24 WTA-Merkblatt 4-10: Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen…927
Tab. 24.3 Formblatt zur Erfassung der Mindestprüfangaben zur Erlangung eines WTA-Zertifikates
3URGXNWNHQQ]HLFKQXQJ 0LQGHVWDQJDEHQ
3URGXNWQDPH
6WRIIEDVLV
:LUNSULQ]LS
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EHUGHP5HIHUHQ]SUIN|USHUMH ! !
QDFK3UIYHUIDKUHQ
A.2 Prüfkörper
Zur einheitlichen Prüfung sind bei der Herstellung der Mauerwerksprüfkörper ausschließ-
lich die nachfolgend angegebenen Ziegel und Mörtel zu verwenden. Alle prüfrelevanten
Parameter sind zu dokumentieren und im Prüfbericht anzugeben.
A.2.1 Ziegel
Es sind Vollziegel eines Herstellers zu verwenden. Genaue Angaben über Bezugsmöglich-
keiten sind im Internet unter www.wta-gmbh.de er-hältlich. Die einzusetzenden Ziegel
besitzen folgende Materialeigenschaften:
24 WTA-Merkblatt 4-10: Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen…929
(unter Atmosphärendruck)
Porosität P ~ 30 Vol-%
Wasseraufnahmekoeffizient w ~ 10 kg/m²h^°,5
A.2.2 Mörtel
Der einzusetzende, kellengerechte Mörtel richtet sich nach dem Typ des Prüfkörpers
(siehe Tab. 24.2) und wird in Anlehnung an die landesspezifische Umsetzung der Normen
EN 196-1 und EN 197-1 hergestellt. Bei Berücksichtigung der darin enthaltenen Angaben
und den in der Tab. 24.2 angegebenen Mischungsverhältnissen ist eine für die Prüfungen
ausreichende Vergleichbarkeit gegeben.
Abb. 24.4 Schematische Darstellung eines Prüfkörpers für die drucklose Injektion; Bohrkanäle
einreihig mit einem Neigungswinkel von 20°
930 J. Weber und V. Hafkesbrink
Die Bohrkanäle können bis zu einem Neigungswinkel von 45° eingebracht werden und
dürfen die untere und obere Ziegellage nicht berühren. Die Bohrkanalabstände (mittig
gemessen) müssen dabei in einem Abstand von 10 cm bis 12,5 cm liegen, die Bohrkanal-
durchmesser dürfen 30 mm nicht überschreiten. Das Bohrlochraster wird im Prüfbericht
angegeben.
Das Bohrmehl ist nach den Bohrungen mit ölfreier Druckluft aus den Bohrlöchern zu
blasen.
Beim Einbringen der Bohrkanäle ist sicherzustellen, dass der Verbund zwischen Ziegel
und Mörtel sowie der damit verbundene kapillare Feuchtetransport nicht unterbrochen
wird, andernfalls ist der Probekörper für die Prüfung nicht zulässig.
Für Transportzwecke empfiehlt es sich, die Prüfkörper auf vorbereiteten Tragehilfen zu
erstellen. Für die Prüfung ist zu gewährleisten, dass Wasser an die Unterseite der Prüfkörper
gelangt. Dies ermöglichen entsprechende Unterlagen, wie z. B. Distanzstücke, Gitterroste.
Die Prüfkörper für DFG 60 % und 80 % sind zunächst mit einem Temperaturanstieg von
maximal 5 K/h auf 60°C zu erwärmen und bei dieser Temperatur bis zur Massekonstanz
zu lagern. Nach Abkühlung auf Raumtemperatur werden die Prüfkörper bis zur Sättigung
im Wasser gelagert. Die dem Prüfkörper bis zum Erreichen der Sättigung zugegebene
Wassermenge ist zu erfassen. Auf der Basis der gemessenen Wasseraufnahme wird rech-
nerisch die Wassermenge bestimmt, die zur Einstellung des vorgegebenen DFG erforder-
lich ist.
Die für eine Prüfung bei DFG 95 % vorgesehenen Prüfkörper erhalten bis zur Injektion
eine wasserdampfdichte Umhüllung.
Zur Einstellung eines DFG 60 % bzw. DFG 80 % sind die Prüfkörper bis zur Mas-
sekonstanz zu trocknen und anschließend mit der errechneten Wassermenge allseitig zu
befeuchten. Wahlweise besteht die Möglichkeit, die gesättigten Prüf-körper bis zum vor-
gesehenen DFG zu trocknen. Erst nach Erreichen der errechneten Wassermenge erhalten
alle Prüfkörper eine wasserdampfdichte Umhüllung. Zum Erreichen einer weitgehend
gleichmäßigen Feuchtigkeitsverteilung im Prüfkörper ist in Abhängigkeit von der Prüf-
körpergröße eine Lagerung von 28 bis 56 Tagen notwendig.
Vorbereitende Maßnahmen für die Injektion, die im Wesentlichen dazu dienen, einen weit-
gehend reproduzierbaren und zugleich praxisgerechten Zustand zu erreichen, wie z. B.
eine Verdämmung, um ein unkontrolliertes Abfließen des Injektionsstoffes zu verhindern,
sind zulässig und im Prüfbericht anzugeben.
Die Injektion erfolgt nach Einstellung des DFG auf der Grundlage der Hersteller-
vorgaben durch einen Vertreter oder Beauftragten des Herstellers in einer von der WTA
anerkannten Prüfstelle. Alle prüfrelevanten Daten sind zu protokollieren und im Prüfbe-
richt aufzuführen.
Erfordert die Wirksamkeit eines Injektionsstoffes eine gesonderte Behandlung des Prüf-
körpers vor oder während der Injektion (z. B. Trocknung des Mauerwerks vor der Injek-
tion), kann dies unter den folgenden Bedingungen erfolgen:
932 J. Weber und V. Hafkesbrink
• Die gesonderte Behandlung muss in den Verarbeitungshinweisen der Hersteller für den
ent-sprechenden Injektionsstoff enthalten sein.
• Der Prüfbericht muss diese gesonderte Behandlung beinhalten.
Der Hersteller muss für die Zertifizierung nachweisen, dass diese beiden Bedingungen
eingehalten werden.
A.5.1 Allgemeines
Je nach Durchfeuchtungsgrad unterscheidet sich die Vorgehensweise nach der Injektion.
A.6 Wirksamkeitsprüfung
A.6.1 Allgemeines
Anhand der Wirksamkeitsprüfung soll der prinzipielle Nachweis erbracht werden, dass
durch eine Injektion mit dem Injektionsstoff in Verbindung mit dem entsprechenden Injek-
tionsverfahren der kapillare Wassertransport im Mauerwerk mindestens auf eine zulässige
Menge (siehe Abschn. 24.1.2) reduziert wird. Der im Rahmen der Prüfung resultierende
Trocknungseffekt ist dabei nur in Verbindung mit den im Labor vorhandenen klimatischen
Bedingungen zu interpretieren (sie-he hierzu Abschn. A.1, Absatz 1).
Die Wirksamkeitsprüfung beginnt, nachdem die Prüfkörper an allen Seitenflächen
eine wasserdampfdichte Umhüllung erhalten haben. Das ist sowohl durch den Einsatz
von Folie oder das Aufbringen einer wasserdampfdichten Beschichtung möglich. Somit
24 WTA-Merkblatt 4-10: Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen…933
stehen lediglich die Unterseite der unteren Ziegelschicht als definierte Wasseraufnahme-
fläche sowie die Oberseite der oberen Ziegelschicht als definierte Verdunstungsfläche zur
Verfügung.
Die Wirksamkeit von Injektionsstoffen und -verfahren ist von unterschiedlichen Rah-
menbedingungen und Einflussfaktoren abhängig, die in Tab. 24.3 (Mindestangaben für
Prüfberichte) genannt werden. Der Prüfbericht muss diese Angaben in tabellarischer Form
enthalten und ist Teil der für die Zertifizierung vorzulegenden Unterlagen. Zur Charakte-
risierung der Anwendungsbereiche müssen diese Bedingungen immer definiert werden.
Sind keine zusätzlichen Maßnahmen erforderlich, muss dieser Umstand neben der Unter-
scheidung, ob die Injektion mit Druck oder drucklos erfolgte, angegeben werden.
Es ist in jeder Phase der Prüfung darauf zu achten, dass die Lagerungs- und Prüf-
bedingungen für die injizierten Prüfkörper und den Referenzprüfkörper gleich sind.
Die Wirksamkeitsprüfung erfolgt zerstörungsfrei durch die nachfolgend aufgeführten
Messverfahren.
A.6.2 Verdunstungsmessung
Auf der Oberseite der Prüfkörper wird durch das Aufsetzen einer „Glocke“ ein abgeschlos-
sener Raum geschaffen, der erforderlich ist, um die aus dem Prüfkörper diffundierende
Feuchte aufzunehmen (siehe Abb. 24.6). Um die Menge der diffundierenden Feuchte zu
erfassen, wird z. B. ein Behälter mit Silica Gel in die „Glocke“ gestellt. Durch regelmäßi-
ges Wiegen des Silica Gels wird die Menge der über die Oberfläche abgegebenen Feuchte
erfasst. Zusätzlich sollte zur Erfassung und Dokumentation des Klimas in der „Glocke“
ein Klima-Datenlogger aufgestellt werden.
Da die aufnehmbare Feuchtemenge des Silica Gels begrenzt ist, muss in regelmäßigen
Abständen das Gel gewechselt werden. Dies gilt im Besonderen für den Referenzprüfkörper.
Weitere Details können der folgenden Abb. 24.6 entnommen werden.
A.6.3 Mikrowellenmesstechnik
Vor Beginn der Prüfungen sind an allen Prüfkörpern die Messpunkte auf der Längsseite
vor- und rückseitig zu kennzeichnen, damit die Änderungen des Feuchtegehaltes immer an
den gleichen Stellen gemessen werden. Die Messungen an den großen Prüfkörpern begin-
nen in der 2. Schicht und enden in der 6. Schicht von unten gezählt. Je Ziegelschicht und
Seite sind jeweils drei Messpunkte festzulegen, sodass je Messzeitpunkt 30 Messungen
erfolgen (15 Messpunkte auf jeder Längsseite, siehe Abb. 24.7).
Für die Feuchtemessungen wird ein Mikrowellenfeuchtigkeitsmessgerät mit Volumen-
messkopf eingesetzt. An jedem Messpunkt werden 10 Einzelwerte aufgenommen, deren
Mittelwert protokolliert und bewertet wird. Alle Prüfungen werden gleichermaßen an den
injizierten Prüfkörpern sowie am Referenzprüfkörper durchgeführt.
Das eingesetzte Mikrowellenfeuchtigkeitsmessgerät muss vor jeder neuen Prüfung an
neuen Prüfkörpern kalibriert werden. Zur Kalibrierung müssen Vergleichsmessungen an
einem Vergleichsprüfkörper durchgeführt werden, dessen realer Feuchtegehalt über Darr-
Prüfungen bestimmt wird. Dafür hat sich ein Probekörper aus sechs Ziegeln (je 24 cm lang
und breit, drei Schichten hoch) als geeignet erwiesen.
Beim Prüfkörpereinbau ist darauf zu achten, dass der Kunststoffbehälter durch den
Deckel dicht verschlossen ist. Dies gilt in gleichem Maße für die Abdichtung vom Prüf-
körper zum Behälterdeckel. Beim ersten Befüllen und jedem Nachfüllen des Systems mit
Wasser sind sämtliche Abdichtungen auf ihre Dichtheit zu überprüfen.
Die Wirksamkeit des geprüften Injektionsstoffes gilt als nachgewiesen, wenn die beiden
folgenden Kriterien erfüllt sind:
2
Wert der Mittelwertkurve längstens sechs Monate nach Beginn der Wirksamkeitsprüfung
3
Mittelwert der 30 Messstellen nach Beginn der Wirksamkeitsprüfung
4
Gilt nicht für WTA-Injektionsverfahren mit Vortrocknung auf ca. 0 %-Feuchte. Hierfür reicht
die Prüfung des massebezogenen Feuchtegehaltes (M.-%) zur Bauteilzustandserfassung und
Wirksamkeitskontrolle.
Injektionsstoff Produktbasis Primärer Wirkstoffgehalt Reaktions- Härtung/Trocknung
Wirkungs- mechanismus
mechanismus
Alkalisilikat/ Alkalisilikat/ kapillarverengend, ≥ 20 Massen- % Reaktion mit CO2, produktspezifische
Alkalimethyl- Alkalimethylsiliconat hydrophobierend Aushärten durch Salzbildung
siliconat Kondensation
Epoxidharz Alkalisilikat/ kapillarverstopfend 100 Massen- % Polymerisations- keine Bildung von bau-
Alkalimethylsiliconat reaktion und umweltschädlichen
Nebenprodukten
Paraffin Kohlenwasser- kapillarverstopfend 100 Massen- % Erkalten keine Bildung von bau-
stoffverbindung und umweltschädlichen
Nebenprodukten
Polyacrylatgel Acrylat/ kapillarverstopfend ≥ 40 Massen- % radikalische keine Bildung von bau-
Methacrylat Polymerisation und umweltschädlichen
Nebenprodukten
Polyurethangel Polyurethan- kapillarverstopfend ≥ 10 Massen- % Polymerisationsreaktion vernetztes Polymer,
prepolymer mit Feuchte Freisetzen von org.
Lösemitteln
Polyurethanharz Polyurethanharz kapillarverstopfend 100 Massen- % Polymerisationsreaktion keine Bildung von bau-
Anlage B – Produktprofil von Injektionsstoffen
Nebenprodukten
938 J. Weber und V. Hafkesbrink
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Literatur
(Aufgrund der Fülle von einschlägigen Fachartikeln zu diesem Thema wird hier auf eine vollstän-
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Sachverzeichnis
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018 941
J. Weber, V. Hafkesbrink (Hrsg.), Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20512-6
942Sachverzeichnis
I M
Impuls-Sprühverfahren, 276 Mangel, 166, 171, 293, 294, 296, 656,
Injektion, 109, 445, 457, 911 685, 740
drucklose, 176, 177 Wesentlichkeit, 827
Injektionscreme, 176–178 Mängelanspruch (Siehe auch Sachmängelan-
Injektionsstoff, 40, 124, 125, 136, 138, 176, spruch), 731, 742, 783
182, 184, 188, 189 Mängelbeseitigungsanspruch, 781, 782,
Injektionsverfahren, 40, 51, 108, 111, 124, 847, 863
130, 157, 176, 178, 179, 184, 187, 190 Massenabweichung, 777
Innenabdichtung, 9, 15, 179–181 Maßnahme
flankierende, 136, 165, 175, 184, 209,
K 248–252, 265, 279–282, 322, 350, 356,
Kapillarverengung, 258, 260, 261 645–681
Kapillarverstopfung, 258, 260–262 Materialeigenschaft, 321, 345–348, 354, 355,
Kapillarwirkung, 558 360, 361, 369, 370, 928
Kaufvertrag, 702, 813, 886 Materialentnahme, 120, 124, 128, 139,
Kautschuk, 345, 354 145–148, 293, 576
Kerasan-Anlage, 570, 571 Maueraustauschverfahren, 177, 221,
Kerasan-Verfahren, 537, 538, 542, 543 238–240, 901, 905
Kernbohrverfahren, 221, 239–241, 901 Mauerwerksanalyse, 107, 119–138
Klausel, 705, 706 Mauerwerksdiagnose, 120, 138, 161, 164, 634
Kontaktwinkel, 66–68, 298, 301, 555, 556 Mauerwerksinjektion, 215, 217, 325, 457,
Korschelt-Gerät, 584, 585 913–915, 917–919, 921–924
Kostenerstattung, 750, 756 Minderung, 608, 703, 722, 780, 810, 845, 852,
Kündigung, 700, 703, 757, 758, 832 859–861, 863, 864, 871
Kündigungsregelung, 783, 784, 787 Mitverschulden, 875
Kunststoff Mitwirkungspflicht, 697, 800, 801
Dichtungsbahn, 357, 358, 730
thermoplastischer, 346, 354, 428 N
kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschich- Nacherfüllung, 703, 742, 803, 810, 811, 844,
tung (KMB), 244, 309, 318, 320–345 845, 850–852
Abdichtung, 7, 174, 248, 311 Nacherfüllungsanspruch, 846, 852
Nachtrag, 728, 761, 769–781
L Nachtrocknung, 184, 209, 210, 265
Ladungskompensationsverfahren, 565 technische, 282
Lastangriff, 646 Nachunternehmer, 700, 774, 775
Lastfall, 118, 247, 322–325, 330, 449, 730, 774 Nassschichtdicke, 313, 323, 325, 332
Leistung Naturton, 309, 311, 369–374
mangelhafte, 702, 731, 733, 743, 782, 801, NF-Feuchtemessgerät, 151, 152
806, 833, 836 Nutzungsklassen, 168–171
Leistungsbeschreibung, 693, 699, 713, 719,
725, 727, 729, 731, 733, 742–744 P
Leistungsvereinbarung, 719, 747 Paraffin, 13, 178, 263
Leistungsverzeichnis, 225, 247, 252, 253 Patent, 237, 275, 529, 533, 536, 542
Lüftung, 50, 184–186, 196, 198, 201, Pauschalpreisvertrag, 731, 748, 750, 755
205, 211 Perimeterdämmplatte, 375, 376, 378
Lüftungsgraben, 526–529 Permeabilität, 64, 73, 74, 560
Lüftungskanal, 526, 528, 530–532 pH-Wert, 65, 105, 132, 135, 136, 156
Lüftungszylinder, 532 Phylax-Apparat, 588, 592, 623, 630
944Sachverzeichnis
Planung, 7–9, 25, 30, 98, 99, 105, 107, 108, Schlusszahlung, 709, 710, 722, 723, 764–767
110, 111, 115–119, 150, 161–187 Schneide-Sägeverfahren, 217, 218, 222,
Planungsfehler, 283, 804, 860, 877, 918 223, 225
Planungsphase, 242–246 Schneideverfahren, 248, 905
Polymerbitumen, 8, 11, 309, 310, 321, Schuldnerverzug, 800, 801, 819
345–354 Schutz
Polyurethanharz, 262, 265, 429, 503, 915, 937 mechanischer, 326, 368, 374–379
Pont du Gard, 2 Schutzschicht, 374
Potenzialausgleichsverfahren, 637 Schwarze Wanne, 315
Potenzialdifferenz, 61, 62, 64, 548, 549, 552, Schweißverfahren, 352, 353, 437
558 Selbstkostenerstattungsvertrag, 750, 756
Projektmanager, 698 Sickerwasser
Projektsteuerer, 698 aufstauendes, 82, 117, 118, 330, 364, 730
Prüfung, 136, 137, 190, 206, 220, 273 nichtstauendes, 82, 85, 117, 398
Silan, 56, 262, 265, 275
Q Siliconmikroemulsion, 262, 263, 265, 922
Qualitätssicherung, 289–294, 322, 334, 628, Siloxan, 56, 262, 265, 275, 937
629, 683–687 Skalarwellen, 545, 579, 616
Skonto, 767–769
R Skontoklausel, 768
Rammverfahren, 220, 232 Sonderfachleute, 136, 699, 846, 879, 880
Raumnutzung, 165–171 Sorptionsfeuchte, 122, 198, 199, 209, 569, 635
Restsaugfähigkeit, 125 Strahlentrocknungsverfahren, 201, 204, 205
Reuss, F.F., 545, 548, 558, 582 Stundenlohnvertrag, 750, 756
Rohrdurchführung, 332–334, 336, 346, 351,
514 T
Rücktritt, 783, 784 Teilabnahme, 831
Teilleistung, 831
S Tragwerksuntersuchung, 136
Sachmängelanspruch (Siehe auch Mängelan- Trocknungstechniken, 199
spruch), 742, 749, 783, 787, 802, 808–811,
813, 814, 819, 833, 834, 842, 847, 850, U
852–875 Unklarheit, 685, 705, 716, 717, 729, 733, 745
Sägeverfahren, 177, 215, 217, 222, 225, 230, Untergrund, 13, 71, 73, 78, 81, 85, 89, 91, 98,
231, 901, 902, 904 104, 181, 312, 316–320
Salzanalyse, 57, 130–135, 242, 575, 576 Unternehmer, 656, 697
Salzbelastung, 57, 112, 125, 130–133, 162, Untersuchung
174, 175, 211, 266, 576, 661, 669–672, 918 elektrophysikalische, 156
Salzentfernung, 537
Salzreduzierung, 538 V
Salzumwandlung, 538 Verfahren
Sanierputz, 37, 54, 133, 134, 174, 182, 184, aktives, 208, 546–548, 550, 551
251, 322, 350, 356, 407, 408 akustisches, 144, 155
Sanierungskonzept, 107, 110, 134, 136, 143 elektrochemisches, 537–544
Schadensersatz, 702, 719, 722, 723, 746, 748 elektroosmotisches, 208, 545
Schichtendicke, 55, 307, 312, 313, 331, 332, elektrophysikalisches, 523
334, 341 galvanisches, 549, 565
Schleierinjektion, 183, 188, 257, 311, 388, hygrometrisches, 144, 153, 154, 155
445, 457 paraphysikalisches, 525, 544, 547
Sachverzeichnis945
W
Wanne
braune, 315, 316, 370, 373
schwarze, 315
weiße, 315, 316
Wasser
nichtdrückendes, 90–92, 95, 96, 118, 774
Wasseraufnahme, 37, 40–45, 51
Wasserbeanspruchung, 116–119, 179, 188, 306
Wasserbelastung, 115, 116, 118, 127, 128,
382, 483
Wassergehalt, 39, 40, 50–52, 120–123
Werkvertrag, 166, 676, 700–705
Wettbewerbsabrede, 798
Witterungsverhältnisse, 194, 326, 327
Z
Zahlung im Bauvertrag, 698, 704, 756–768
Zementsuspension, 218, 247, 253, 263–266,
448
Zwangslüftung, 185, 528, 679