Auch in diesem Jahr bespreche ich im Oktober jeden Mittwoch bis Halloween einen Gruselfilm für Kinder – weitere Vorschläge werden gerne angenommen! #horrorctober
Jack Skellington ist für seine Untertan_innen der „Kürbiskönig“, der unumstrittene Herrscher über und große Inspirator für alle Wesen in Halloween Town, der geographischen Verkörperung von allem, wofür Halloween steht. Hier leben Vampire, Monstren, ein verrückter Erfinder (und seine zusammengenähte, äußerst lebendige Puppe Sally), kleine und große Trickster, Schlangen und Kröten.
Wieder einmal haben sie ihr Fest erfolgreich hinter sich gebracht, aber als der Bürgermeister am nächsten Morgen an Jacks Tür klopft und klingelt, es gebe schließlich so viel zu tun und zu planen fürs kommende Halloween… da ist Jack nicht zuhause, zum Entsetzen und zur Sorge aller. Der skelettartige König wandert mit seinem Geisterhund Zero durch die Landschaft und bedauert melancholisch, dass es immer alles so gleichförmig sei, ihm etwas Einzigartiges fehle. Und unversehens landet er im Weihnachtsland, wo alles bunt und leuchtend ist, Geschenke vorbereitet werden und der Weihnachtsmann Wunschzettel studiert.
So etwas will er auch! Aber was bedeutet es nur? Jack macht sich daran, seine Gefolgsleute bekommen Aufgaben noch und nöcher: In diesem Jahr werden sie das Weihnachtsfest stemmen!
Ein etwas anderes Weihnachtsfest
Henry Selick stellt in seinem diesem „Grusical“ mit viel Gesang (zur wunderbar schaurigen Musik von Danny Elfman) und Stop-Motion-Bewegungen die Frage danach, wie man Weihnachten feiern kann und soll, wenn man dessen Kern allenfalls vom Hörensagen kennt – und dann auch noch den „Nikolaus“ per déformation professionelle als „Nikki-Graus“ missversteht. (Diese Frage wird übrigensin diesem Jahr Elise und das vergessene Weihnachtsfest im Kino etwas abgeändert auch stellen und ganz und gar anders beantworten.) Und weil die Geschenke nun von Schreck-Spezialist_innen verpackt werden, sorgen sie dann womöglich auch nicht immer nur für Begeisterung…
In leichtfertigeren Händen hätte dieses Projekt zum reinen Spektakel geraten können, gewissermaßen zum Grinch mit Spinnen und bösen Clowns, aber Selick arbeitet hier mit Produzent Tim Burton zusammen, auf dessen Idee der Film auch zurückgeht, man sieht es den Bildern in jedem Moment an, dieses Schräge, das auch Schrecklichem und Absonderlichem ihre je eigene, seltsame Schönheit geben will, das auch in der nur zusammengenähte Puppe den großen Geist und vor allem das mutige Herz sehen will.
Nicht jedes Kind verträgt Horror- oder Gruselfilme wirklich gut. Ich empfehle dringend: Film vorher selbst anschauen, aufs eigene Kind gucken und überlegen: Hält es das aus? Vielleicht besser im Hellen schauen als im Dunkeln? Lieber doch mit etwas ganz und gar Harmlosem einsteigen?
Oder anders gesagt: Burton und Selick suchen und finden die Schönheit auch im Morbiden, wie nebenbei wirkt das gemacht, am Ende kommt ein für seine Zeit revolutionär avancierter Animationsfilm heraus, einer der schönsten, die je gemacht wurden. (Burton hat diese Ästhetik, noch mehr mit seinem eigenen Touch, später für Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche noch einmal aufgenommen.)
Das ist, man muss es schon deutlich sagen, immer unterschwellig (und manchmal, pardon, sehr oberschwellig) gruselig – dafür sorgt allein schon die fahle Farbpalette, die selbst im Weihnachtsland nur gelegentlich wirklich freundlich-bunte Welten aufruft. Es gibt eine Vielzahl von Monstren und Krabbeltieren (bis hin zum Oogie-Boogie, einem wirklich fiesen Monster, das nur… aber ich greife vor). Es passiert nie etwas wirklich Böses, aber bedrohliche Momente gibt es reichlich, für kleine Kinder ist dieses eigentlich so vergnügliche Spektakel, das Halloween ebenso mit Leben erfüllt wie Weihnachten mit Untoten, wirklich noch nicht geeignet.
Grusical mit Herz
Die andere Seite der Medaille ist aber natürlich auch, dass Nightmare Before Christmas alles andere als eindimensional ist. Es geht hier um Liebe, den eigenen Platz in der Welt, Leidenschaft für das eigene Tun. Und um pure Schönheit, die eben nicht primär darin zu finden ist, dass alles gut, einfach und glatt ist.
Im Gegenteil: Auch das Verzerrte, oberflächlich Abstoßende, Knöchrige bringt seine eigene Schönheit, seinen eigenen Wert mit. Und Selick lässt Elfman, lässt Jack Skellington davon singen. Es ist ganz und gar wunderbar.
Nightmare Before Christmas (Tim Burton’s The Nightmare Before Christmas). USA 1993. Regie: Henry Selick, 73 Minuten. FSK 6, empfohlen ab 10 Jahren für nicht sehr sensible Gemüter. Kinostart: 8. Dezember 1994. (Der Film ist auf Disney+ als Teil der Flatrate vorhanden und bei zahlreichen Streaming-Anbietern als VoD abrufbar. Bestellen bei amazon.de, Streamen bei amazon.de.)
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
(Fotos: Disney)
Mentions