Diese Filmkritik gehört zu meiner Berichterstattung vom LUCAS Kinderfilmfestival 2021 in Frankfurt a.M. Alle Filmbesprechungen und sonstigen Berichte von diesem Festival gibt es hier im Blog unter dem Tag #lucas.
In seinen Comics ist Pino „Glassboy“ – der Junge, den man vor allen Unfällen schützen muss, damit er nicht versehentlich in Tausend Stücke zerspringt. Draußen in der Wirklichkeit seiner italienischen Kleinstadt ist er Sprößling einer wohlhabenden Familie, der aber wegen seiner Hämophilie vor allen Unfällen und Widrigkeiten geschützt wird. Den Unterricht macht zuhause ein Privatlehrer, und statt draußen mit anderen Kindern zu spielen, hat er ein Zimmer voller Spielzeug und Bücher.
Allein schon aus Einsamkeit beobachtet er von seinem Balkon aus die Kinder auf dem zentralen Platz direkt nebenan – vor allem die SNERDs haben es ihm angetan, vier Freund_innen, die fest zueinanderhalten. Als deren Anführerin Mavi dann aber plötzlich auf seinem Balkon auftaucht und ihn anherrscht, er solle aufhören, sie auszuspionieren… und wenn er mitspielen wolle, solle er halt rauskommen und mitspielen… da setzt sich auf einmal einiges in Bewegung bei Pino, seinen Eltern und seiner Großmutter, vor allem aber bei den SNERDs Mavi, Ciccio, Mei Ming und Domenico.
Die SNERPs werden Pinos Bande – und halten zusammen
Glassboy, der auf dem LUCAS-Filmfestival auch als Pinos Bande beworben wird, ist ein seltsam ungelenkes Konstrukt. Die Grundprämisse ist mehr als charmant und lässt sich leicht ausdehnen zu unterschiedlichen Perspektiven auf Sicherheit und Lebensqualität, auf einen Konflikt zwischen Lebensfreude und Lebensdauer (wenn man es so platt machen möchte). Die sehr freundschaftlich-vertraut miteinander agierende Bande ist bezaubernd und von den jungen Darsteller_innen überzeugend gespielt, dazu gibt es noch eine gelegentlich angetippte sanfte Rivalität mit drei etwas älteren Jungs, die in dem Moment kein Gegeneinander mehr ist, in dem es um wirklich etwas geht (z.B. Pinos Gesundheit).
Da mag man es auch zunächst noch übersehen, dass diese Protagonist_innen nicht wirklich komplex gezeichnet sind und weitgehend bekannten Stereotypen entsprechen: das kluge Mädchen (mit asiatischer Mutter), der Möchtegern-Rapper mit blauer Haartolle, die Anführerin mit tragischem Familienhintergrund (deshalb die kurzen Haare, nicht etwa „weil ich will“) und schließlich, worst of all, der Dicke mit viel Appetit und ohne sonstige Eigenschaften.
Leider kann aber auch die Erzählung nicht wirklich halten, was sie verspricht. Dass vieles eher assoziativ angedeutet und nicht ausbuchstabiert wird (z.B. die Feindschaft zwischen Pinos und Mavis Vätern), ist durchaus ein Gewinn, aber der Konflikt zwischen Pinos Mutter und seiner Großmutter kann nicht wirklich überzeugen, die ganze Dramatik im letzten Drittel wirkt völlig überzogen, auch wenn es noch ein paar amüsante Momente gibt.
Nach einem guten Start verliert man leider sehr schnell das Interesse – da kann Samuele Rossi noch so gekonnt ein paar Running Gags unterbringen. Man schaut den Kindern gerne zu, den Erwachsenen schon nicht mehr so sehr, und über den sprunghaften Fortgang der Handlung lässt sich nur der Kopf schütteln.
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Glassboy. Italien/Schweiz/Österreich 2020. Regie: Samuele Rossi, 90 Min. Freigegeben ab 0, empfohlen ab 8 Jahren. Kinostart: 28. Oktober 2021. (Vorstellungen auf dem LUCAS-Filmfestival)
(Foto: Minerva Pictures Group/DFF/LUCAS Filmfestival)
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