Duden Abiturwissen Chemie
Duden Abiturwissen Chemie
Duden Abiturwissen Chemie
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Chemie
PAETEC
Verlag für Bildungsmedien Berlin - Frankfurt a. M.
Autoren
Arno Fischedick Prof. Dr. Andreas Link
Dr. Lutz Grubert Dr. G. Mederow
Dr. Annett Hartmann Prof. Dr. Sabine Müller
Dr. Horst Hennig Dr. Cordula Riederer
Dr. Bernd Kaiser Dr. Ulrich Riederer
Dr. Günter Kauschka Dr. Sven Scheurell
Prof. Dr. Erhard Kemnitz Dr. Martin Schönherr
Dr. E. Klawitter Dr. Rüdiger Simon
Ute Lilienthal Dr. Hartmut Vogt
Das Wort Duden ist für den Verlag Bibliographisches Institut & F. A.
Brockhaus AG als Marke geschützt.
© 2004 PAETEC Gesellschaft für Bildung und Technik mbH, Berlin und
Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim
Alle Rechte vorbehalten.
Nachdruck, auch auszugsweise, vorbehaltlich der Rechte, die sich aus
8 53, 54 UrhG ergeben, nicht gestattet.
Internet: www.schuelerlexikon.de
ISBN 3-411-00221-2
ISBN 3-411-00216-6 (Gesamtkassette)
3|
INHALTSVERZEICHNIS
11 Analyseverfahren .............-.2222222eeeeeeenenn
11.1 Klassische Analyseverfahren ............2222222r een
11.1.1 Qualitative anorganische Analyse .......2222cenneeeen
11.1.2 Analyse organischer Verbindungen ..............2222200.
11.2 Instrumentelle Analyseverfahren ............c2222222..
11.2.1 Elektrochemische Analysemethoden ..........22222220..
11.2.2 Chromatografische Analysemethoden .............2.2...
11.2.3 Spektroskopische Analysemethoden ...........2222220..
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8 Die Chemie - eine Naturwissenschaft
ä
Bereits beim Erkalten Einige im Urozean gelöste Substanzen wurden mithilfe der Sonnenener-
der Erdoberfläche gie, von Gewitterentladungen und anderen natürlichen Energieformen
fanden unzählige zu komplexeren chemischen Strukturen umgewandelt, die schließlich die
chemische Reaktio- Fähigkeit zur Selbstreproduktion erlangten. Aus den anfangs primitiven
nen statt, die u.a. zu
. . Lebensformen entwickelten sich höhere - bis schließlich zum Menschen.
verschiedenen Gestei-
rien, Oxiden, Salzen, Die Entstehung und Entwicklung des Lebens ist an biochemische Pro-
Wasser und zur Aus- Zesse wie die Bildung von Aminosäuren und Kohlenhydraten
bildung einer Gas- (75. 311 ff.), die Speicherung der Erbinformation in der DNA oder die
hülle führten. Herausbildung der Fotosynthese (/$S. 336) gebunden.
Die Chemie im Kanon der Naturwissenschaften
I
Jede Nahrung, die wir aufnehmen,
besteht aus unterschiedlichen che-
mischen Verbindungen oder Stoff- Das komplexe Zusam-
gemischen; in unserem Körper lau- menwirken chemi-
fen biochemische Reaktionen ab, scher Reaktionen und
biologischer Vor-
ohne die wir nicht lebensfähig wä-
gänge ist die Grund-
ren. Selbst das Lesen dieses Textes lage des Lebens.
ist ohne chemische Veränderungen
im Auge und innerhalb des Gehirns
nicht möglich.
Chemi
möglich wie die
strikte Trennung der
Chemie von den an-
deren Naturwissen-
Komplexchemie Allgemeine
Chemie schaften. Die Diszipli-
nen Thermodynamik,
Kinetik, Elektroche-
mie, theoretische und
Theoretische
Kernchemie werden
Chemie
auch unter dem
Oberbegriff physika-
lische Chemie zusam-
mengefasst.
10 Die Chemie - eine Naturwissenschaft
Man denke dabei an das Feuer, die Herstellung von Keramiken und Me-
tallen oder die chemischen Veränderungen von Naturstoffen zu Wein,
Essig u.a.m. Dabei nutzte man empirisches oder Erfahrungswissen ohne
die theoretischen Ursachen bzw. den Ablauf der chemischen Prozesse
wirklich zu kennen.
Erst vor ca. 2500 Jahren stellten sich einzelne Menschen die Frage nach
den Ursachen der natürlichen Zusammenhänge. Hier liegt die eigentli-
che Wiege der Wissenschaften. Weitere Meilensteine der Herausbildung
der Chemie waren die mittelalterliche Alchemie, die im 19. Jahrhundert
von der klassischen Chemie revolutioniert wurde. Diese lieferte die Basis
für die Entwicklung der modernen, heutigen Chemie.
Auch die Erschlie- Die mit dem Fortschritt der Naturwissenschaften einhergehende Ent-
Bung alternativer wicklung der Menschheit hat jedoch ihren Preis. Durch die zunehmende
Energiequellen ist Industrialisierung wurden die Ressourcen der Natur in immer stärkerem
ohne die Entwicklung Maße ausgebeutet, sodass ein Ende der Vorräte z.B. beim Erdöl
geeigneter Materia-
(75. 404) bereits absehbar ist. Außerdem wurden durch chemische In-
lien durch die Chemie
nicht möglich.
dustrie, Energieerzeuger und Fahrzeugverkehr riesige Mengen an
Schadstoffen freigesetzt, die unsere Umwelt nachhaltig belasten.
Überdüngung der Böden in der Landwirtschaft und die Nutzung von
Phosphaten als Komplexbildner in Waschmitteln führten z.B. zur Eutro-
phierung der Gewässer (7 S. 419). Verbindungen wie Fluorchlorkohlen-
wasserstoffe, die als Kühlmittel oder Treibgas verwendet wurden, verur-
sachen das Ozonloch über den Polkappen der Erde (/” S. 416).
Chemiker sind zweifellos mitverantwortlich für diese und andere Um-
weltschäden. Das Beispiel der Schwefeldioxidemissionen zeigt aber
auch, dass die Folgen industrieller Umweltschäden nur mithilfe der Na-
turwissenschaften wieder minimiert werden können. So wurde durch
die Entwicklung effektiver Abgasreinigungs- und Erdölentschwefe-
lungsanlagen die deutschlandweite Emission von Schwefeldioxid von
mehr als 6 Mio. Tonnen im Jahre 1970 auf 650 000 Tonnen im Jahre 2001
zurückgedrängt. Die ökologischen Folgen wie der saure Regen
(7 5. 414) und der Smog in Ballungsgebieten wurden deutlich reduziert.
Denk- und Arbeitsweisen in der Chemie
Ein Ziel der Chemie besteht darin, Zusammenhänge in der Natur zu er- Manchmal wird ein
kennen, Naturerscheinungen zu erklären und ihre Ursachen zu finden. und derselbe chemi-
Dazu werden chemische Prozesse beobachtet und Experimente durch- sche Begriff durch
geführt, über deren Ergebnisse sich die Chemiker untereinander verschiedene Wörter,
so genannte Syno-
verständigen. Zu diesem Zweck hat die Chemie in ihrem Entwicklungs-
nyme, bezeichnet.
verlauf ein spezifisches Begriffssystem herausgebildet.
Die Mehrzahl der Wie jeder Begriff ist auch eine Größe durch ihre Bedeutung gekenn-
wichtigen Größen in zeichnet. Die Bedeutung einer Größe gibt an, welche Eigenschaft von
der Chemie beschrei- Objekten beschrieben wird. Der Grad der Ausprägung dieser Eigen-
ben physikalische Ei- schaft wird quantitativ durch den Wert der Größe beschrieben. Um den
genschaften von Stof-
Wert einer Größe anzugeben, muss eine Einheit festgelegt werden. Der
fen und werden
deshalb physikalische
Wert einer Einheit ist das Produkt aus Zahlenwert und Einheit.
Größen genannt. Für jede Größe ist ein (in einigen Fällen auch mehrere) Formelzeichen
festgelegt, mit denen man naturwissenschaftliche Gesetze mathema-
tisch formulieren und handhaben kann.
7
leiten lassen.
daraus entnommen hat.
Die extensiven Größen nehmen dagegen mit dem Betrag der betrachte-
ten Stoffportion zu bzw. ab. Bildet man den Quotienten aus zwei exten-
siven Größen, erhält man wieder eine intensive Größe.
B Da die betrachteten Teilchen in der Physik und in der Chemie sehr Absolute Atommas-
klein sind, müsste man beim Vergleich der absoluten Atommassen sen liegen im Bereich
m, mit extrem kleinen Zahlenwerten arbeiten. Aus diesem Grund von 10* bis 10°! g.
wurde die relative Atommasse A, als Größe eingeführt, die sich auf Als Bezugsgröße für
die relative Atom-
die atomare Masseeinheit u (engl. unit) bezieht. Wie beim Helium
masse A, wurde 72
kann man die relative Atommasse jedes Elements berechnen. Die
der absoluten
relativen Atommassen der Elemente können im Periodensystem der Masse des Kohlen-
Elemente (/ S. 448) verglichen werden. stoffisotops "?C fest-
gelegt.
_ m,„(He)
A,(He) = :
1
uU= 72 "m,(?J)
_ 6,642-10-24g
Ardhie) = 1,66 - 10-24g u = 1,66: 10°?*g
A,(He) = 4,00
Gesetze
Naturgesetze unter- Wenn sich Zusammenhänge in der Natur unter gleichen Voraussetzun-
scheiden sich von ju- gen immer wieder einstellen und damit für eine Gruppe von Objekten
ristischen Gesetzen gelten, dann spricht man von gesetzmäßigen Zusammenhängen.
dadurch, dass sie un-
abhängig vom Willen
des Menschen existie-
ren und wirken. Juris-
tische Gesetze sind
vom Menschen will-
kürlich gesetzte, ver-
änderbare Normen.
a Ein stets wirkender Zusammenhang bei chemischen Reaktionen be-
steht darin, dass die Summe der Massen der Ausgangsstoffe gleich
der Summe der Massen der Reaktionsprodukte ist. Dieser Zusam-
menhang wird als Gesetz von der Erhaltung der Masse bezeichnet.
Weitere Gasgesetze Wissenschaftliche Gesetze bestehen in den meisten Fällen aus Bedin-
wurden von J.L. GAY- gungs- und Gesetzesaussagen. Die Bedingungen, unter denen ein Zu-
Lussac (1778-1850) sammenhang stets wirkt, nennt man Gültigkeitsbedingungen.
entdeckt. Er wies
nach, dass bei idealen
a R. BovYLE und E. MARIOTTE fanden bei Untersuchungen von Gasen
Gasen der Druck und
heraus, dass das Produkt aus Druck und Volumen konstant ist. Das
das Volumen propor-
tional zur Temperatur Gesetz von BoyLE und MARIOTTE gilt jedoch nur unter den Bedin-
sind: gungen, dass sich das Gas wie ein ideales Gas verhält und dass die
Temperatur ebenfalls konstant ist.
2
1. 7” konstant p :V = konstant, wenn T = konstant
bei p = konstant Da Gesetze für eine Klasse von Objekten gelten, werden zu ihrer Formu-
lierung naturwissenschaftliche Fachbegriffe und Größen benutzt. Wenn
2. E= konstant
die Zusammenhänge zwischen den Größen quantitativ darstellbar sind,
dann werden die Gesetze in mathematischer Form erfasst.
bei V = konstant
1. Aus den Gesetzen von GAY-LUssAac sowie von BOYLE und MARIOTTE
lässt sich die Zustandsgleichung der idealen Gase ableiten.
Modelle ®
&
Der Chemiker kann mit seinen Sinnesorganen bestimmte Erscheinungen Als Modelle in der
erfassen, nicht jedoch die diesen Erscheinungen zugrunde liegenden Chemie können so-
Vorgänge, die auf atomar-molekularer Ebene ablaufen. Das Lösen und wohl materielle (ge-
Knüpfen chemischer Bindungen bleiben der unmittelbaren Beobach- genständliche) Ob-
tung auch mit modernen technischen Geräten verborgen. jekte als auch ideelle
(gedankliche) Vorstel-
Um dennoch Zusammenhänge erklären zu können, hat man Ersatzob-
lungen dienen.
jekte geschaffen, die ausgewählte Eigenschaften des real existierenden
Originals widerspiegeln. Diese Hilfsmittel dienen der Veranschaulichung
von Vorgängen in der Natur, Gesetzen und Theorien, sind aber nur ver-
einfachte Darstellungen der Wirklichkeit.
Ein Modell ist ein Ersatzobjekt zur Darstellung eines Originals, das
nur ausgewählte Eigenschaften und Zusammenhänge des Originals
adäquat widerspiegelt. Von den übrigen Merkmalen des realen Ob-
jekts wird abgesehen.
Ei
Da ein Modell eine Vereinfachung ist, die nicht alle Eigenschaften des Modelle sind nur in-
Originals erfassen kann, werden häufig verschiedene Modelle zum glei- nerhalb bestimmter
chen Objekt, z.B. zur Darstellung eines Moleküls, geschaffen. Grenzen gültig und
Je mehr Eigenschaften des Originals richtig dargestellt werden, um so zur Erklärung ausge-
wählter Zusammen-
leistungsfähiger, aber auch um so komplizierter sind die Modelle. Man
hänge geeignet.
nutzt daher in der Naturwissenschaft immer das Modell, welches sich
für die Erklärung eines Zusammenhangs am besten eignet.
Theorien
Ai
Naturwissenschaftli- Ein System wissenschaftlich gesicherter Aussagen zu einem ausgewähl-
che Theorien bauen ten Teilbereich der Chemie bezeichnet man als Theorie. Ein solches Sys-
in vielen Fällen auf- tem beinhaltet verbale und mathematische Aussagen ebenso wie Defi-
einander auf und sind nitionen, Gesetze und Modelle. Die Theorie muss entweder durch
dadurch miteinander
experimentelle Beobachtungen bestätigt oder durch andere bekannte
verbunden, dass
Theorien begründet werden.
wichtige Gesetze Be-
standteil mehrerer
Theorien sind. 3 Die Theorie der chemischen Bindung enthält Aussagen über das Zu-
standekommen der jeweiligen Bindungsart. Zur Veranschaulichung
der Atombindung, Ionenbindung bzw. Metallbindung werden un-
terschiedliche Modelle benutzt. Zur Erklärung der Atombindung
stehen heute drei Modelle (/S. 75 ff.) zur Verfügung, die die Wirk-
lichkeit in verschiedener Weise widerspiegeln.
Die Bindungstheorie basiert z.B. auf dem gesetzmäßigen Bestre-
ben der Materie nach einem stabilen energetischen Zustand, dem
Energieerhaltungssatz und den quantentheoretischen Gesetzen
zum Aufbau der Atomhülle.
Die Theorie ist durch das empirische Wissen über Struktur-Eigen-
schafts-Beziehungen chemischer Substanzen bestätigt. Aus der Bin-
dungstheorie lassen sich Voraussagen über das Reaktionsverhalten
und den praktischen Umgang mit Verbindungen ableiten.
Wissenschaftliche
Methoden sind Wege
des Erkennens.
Die Wahl der geeig- Das hauptsächliche Ziel des Erkenntnisgewinns besteht darin, Erschei-
neten Methode ist nungen in der Natur theoretisch zu verstehen und die Theorie zum Nut-
von entscheidender zen des Menschen anzuwenden. Die Entwicklung einer geschlossenen
Bedeutung im Er- Theorie zu einem Teilgebiet der Chemie ist ein komplexer und oft lang-
kenntnisprozess. In
wieriger Prozess. Durch Analysieren beobachteter Erscheinungen leitet
der modernen Che-
man eine Fragestellung ab. Diese kann mithilfe der theoretischen Me-
mie steht ein um-
fangreiches Arsenal thode, z.B. durch Recherchieren, in der wissenschaftlichen Literatur
experimenteller und oder in anderen Wissensgebieten beantwortet werden.
theoretischer Metho- In den Naturwissenschaften führt die Erkenntnis jedoch in erster Linie
den zur Verfügung. über das Experiment, mit dem wissenschaftliche Annahmen - die Hypo-
thesen — überprüft werden. Wird die Hypothese experimentell be-
stätigt, kann daraus eine neue Erkenntnis abgeleitet werden. Aber auch
wenn sich die Annahme als nicht zutreffend herausstellt, wird aus dem
Experiment eine Erkenntnis gewonnen.
Denk- und Arbeitsweisen in der Chemie 17
Wissenschaftliches
Begründen heißt, sich
aufrelativgesichertes
Wissen, d.h. empiri-
sche Erkenntnisse, be-
kannte Gesetze, Mo-
delle und Theorien zu
3 Eine falsche chemische Hypothese war die alchemistische „Phlogis- peziehen.
tontheorie”. Gestützt auf die Beobachtung, dass nicht alle Stoffe
brennbar sind, wurde die Annahme aufgestellt, dass nur solche
Stoffe verbrennen, die „Phlogiston” enthalten. Diese Hypothese
wurde experimentell durch A. LAvoisier (/ S. 197) widerlegt. Dieser
wies mithilfe der Waage nach, dass die Masse der Feststoffe bei der
Verbrennung durch Aufnahme von Sauerstoff während der Oxida-
tion zunimmt.
Hypothese bestätigt
Interpretieren,
Schlussfolgern
Vergleichen Auswerten
Recherchieren
einfache
Vorbereiten
Probleme
Voraussagen
Frage, Problem
Erklären,
Vergleichen,
Beschreiben
Beobachtungen
|
Die Chemie - eine Naturwissenschaft
5 Beobachten
Messen
a Bei der Destillation von Ethanol soll die Siedetemperatur des Alko-
hols bestimmt werden. Als Messgerät verwendet man ein Thermo-
Man berechnet den
Mittelwert, indem meter, das man in die Destillationsapparatur einbaut. Nach Beginn
man alle Messwerte der Destillation werden mindestens drei Messwerte von
addiert und durch die der Skala des Thermometers abgelesen und protokolliert.
Anzahl der Messun- Auf diese Weise lässt sich die Genauigkeit der Messung er-
gen dividiert. höhen.
2 78,2 °C x= 78,3 °C
Denk- und Arbeitsweisen in der Chemie 19
Beschreiben |
= Eine Elektrolysezelle besteht aus einer Anode und einer Katode, die
durch einen Elektrolyten leitend verbunden sind. Die Elektroden
sind an eine Gleichspannungsquelle angeschlossen, die Katode an
den negativen und die Anode an den positiven Pol. Durch Anlegen
einer elektrischen Spannung läuft eine chemische Reaktion ab.
Vergleichen
2.
4
Ethan Ethen
Schlussfolgerung:
Aufgrund der unterschiedlichen Bindungsverhältnisse unterschei-
den sich die Kohlenwasserstoffe Ethan und Ethen in ihrem chemi-
schen Reaktionsverhalten.
u 20 Die Chemie - eine Naturwissenschaft
Erklären
| Voraussagen
Das Eka-Silicium u Aus dem Vergleich der Eigenschaften der bereits bekannten Ele-
wurde 1886 von CLeE- mente der IV. Hauptgruppe des PSE konnte D.|. MENDELEJEW 1871
MENS WINKLER (1838 die Existenz eines zwischen Silicium und Zinn liegenden Elements
bis 1904) entdeckt voraussagen, das er Eka-Silicium nannte. Mit einer auch für heutige
und Germanium ge- Verhältnisse beeindruckenden Genauigkeit sagte er die Wertigkeit
nannt. (vierwertig), die Dichte (p = 5,5 g-cm”°), die relative Atommasse
(A, = 72), und viele andere physikalische und chemische Eigenschaf-
ten des Eka-Siliciums und seiner Verbindungen vorher.
Die Voraussage MENDELEJIEWS basierte auf der Anwendung des
Gesetzes der Periodizität (/ S. 64) der Eigenschaften der Elemente
im PSE und war dadurch wissenschaftlich begründet.
Denk- und Arbeitsweisen in der Chemie 21
Interpretieren
Beim Interpretieren
von Reaktionsglei-
chungen geht man
folgendermaßen vor:
- Formulieren des
Stoffumsatzes der
= nierpretieren Sie die Reaktionsgleichung der Ammoniaksynthese! Edukte und Pro-
dukte in ihren Ag-
400 °C, 30 MPa, Kat I I
N, (g) +3 H, () SZ 2 NH; (g) ArH? =-92 k) gregatzuständen
— Analysieren der
rn p?(NH3) Reaktionsart
P” p(N,)-p3(H,) - Betrachten des
chemischen Gleich-
1. Die Gase Stickstoff und Wasserstoff reagieren in einem Stoff- gewichts und der
mengenverhältnis von n(N,):n(H,) = 1:3 zu ebenfalls gasförmi- konkreten Reakti-
gem Ammoniak. Aus 4 mol Ausgangsstoffen entstehen 2 mol onsbedingungen
Reaktionsprodukt, sodass die Reaktion unter Volumenverklei- - Ableiten von
nerung stattfindet. Schlussfolgerun-
2. Da sich die Oxidationszahlen des Stickstoffs und des Wasser- gen unter Berück-
sichtigung thermo-
stoffs ändern, handelt es sich um eine Redoxreaktion. Stickstoff
dynamischer und
nimmt Elektronen auf und wird dabei reduziert, während Was-
kinetischer Beson-
serstoff unter Elektronenabgabe oxidiert wird. derheiten
3. Aus dem doppelten Reaktionspfeil und der Angabe einer
Gleichgewichtskonstante ist ersichtlich, dass es sich um eine
Gleichgewichtsreaktion handelt. Die Gleichgewichtskonstante
ist kleiner 1, sodass das Gleichgewicht unter den Reaktionsbe-
dingungen auf der Seite der Ausgangsstoffe liegt.
4. Die Reaktion wird bei einer Temperatur von 400 °C und einem
Druck von 30 MPa durchgeführt. Aufgrund der Volumenverklei-
nerung wirkt sich der hohe Druck positiv auf die Bildung des
Ammoniaks aus. Die Reaktion ist exotherm, da die Reaktionsen-
thalpie AgH® negativ ist. Bei der Bildung von 2 mol Ammoniak
werden 92 kJ Wärme freigesetzt. Infolge der exothermen Reak-
tion wirken sich hohe Temperaturen ungünstig auf den Anteil
von Ammoniak im Gleichgewicht aus.
5. Die Verwendung eines Katalysators weist darauf hin, dass die
Reaktion unter Normalbedingungen (T = 298K, p = 101,3 kPa)
nur relativ langsam abläuft. Die notwendige Beschleunigung
der Umsetzung ist der Grund für die hohe Reaktionstemperatur.
ER Sue
ke ne Fr
nitrobenzen als Beispiel Masse von Harnstoff dass die Energiebilanz des
für den Verlauf der elek- durch quantitative organi- Lösungsvorgangs von Am-
trophilen Substitution sche Elementaranalyse moniumnitrat und festem
5pgAr an aromatischen oder Bestimmung der Kaliumhydroxid in Wasser
Verbindungen Schmelzpunkterniedri- unterschiedlich ist
gung
. Analyse der Struktur . Bestimmung der Neutrali- . Überprüfen der angenom-
w
2. Experimentieranordnung Geräte:
Als nächstes ist ein Versuchsaufbau Bürette (V= 50 ml)
zu planen, mit dem die notwendi- Pipette (V= 10 ml)
gen Beobachtungen gemacht und Pipettierhilfe
die Aufgabe gelöst werden kann. 3 Erlenmeyerkolben
Dazu ist eine Liste der benötigten (V= 250 ml)
Geräte und Chemikalien zu erstel- — Stativ und Bürettenhalter
len und diese zu beschaffen.
Chemikalien:
— Salzsäure (c,= 0,1 mol: 1)
- Natronlauge
- Phenolphthaleinlösung
(ethanolisch, w = 0,1 %)
— destilliertes Wasser
3. Arbeitssicherheit
Bei der Planung des Experiments ist Natronlauge und Salzsäure sind ätzende Stoffe. Es
auf maximale Sicherheit zu achten muss mit Schutzbrille gearbeitet werden. Bei Haut-
und zu prüfen, welche Gefahren kontakt müssen die Chemikalien gründlich abgewa-
von den verwendeten Chemikalien schen werden. Die ethanolische Indikatorlösung ist
ausgehen. Außerdem ist der Ver- entzündlich.
suchsaufbau vor Beginn des Experi- Die Konzentration aller Lösungen ist jedoch so ge-
ments durch einen Lehrer abneh- ring, dass sie über das Abwasser entsorgt werden
men zu lassen. können.
24 Die Chemie - eine Naturwissenschaft
Messung 1 2 3
Beobachtung:
Der Farbumschlag der Titration erfolgte bei allen
drei Versuchen innerhalb eines sehr kleinen Volu-
menintervalls von wenigen Tropfen.
Denk- und Arbeitsweisen in der Chemie
tr?
n];, =n3
cı' V} =6' V,
V, = V
:V
G =
1 v,
Ergebnis:
Die Stoffmengenkonzentration der analysierten
Natronlauge beträgt 0,232 mol - I".
7. Fehlerbetrachtung Fehlerbetrachtung:
Zur Fehlerbetrachtung ist zunächst Folgende Fehler können das Messergebnis beein-
zu überprüfen, welche Fehler wäh- flusst haben:
rend des Experiments aufgetreten - eine fehlerhafte Konzentrationsangabe der zur
sein können: Danach wird abge- Titration benutzten Salzsäure
schätzt ob und wie das Messergeb- - die zu schnelle Zugabe von Natronlauge am Um-
nis durch diese Fehler beeinflusst schlagpunkt, das so genannte „Übertitrieren”
wurde. Anhand dieser Abschätzung - Fehler beim Ablesen und Dosieren der Volumina
lässt sich das experimentelle Ergeb- an der Bürette bzw. der Pipette
nis bewerten. - unsaubere Glasgeräte
Durchführung:
- 3 ml Hex-1-en werden in ein Reagenzglas gefüllt
- mit der Pipette wird tropfenweise Bromwasser dazugegeben
— das Reagenzglas wird verschlossen und das Gemisch aus Hex-1-en und Bromwasser
vorsichtig geschüttelt
Beobachtungen:
- braunes Bromwasser mischt sich nicht mit farblosem Hex-1-en, es bilden sich zwei Flüs-
sigkeitsschichten heraus
- durch vorsichtiges Schütteln des Reagenzglases wird das Gemisch langsam heller, bis
es sich vollständig entfärbt
- nach Beendigung der Reaktion bilden sich wieder zwei Flüssigkeitsschichten heraus,
die beide farblos sind
Auswertung:
1. Die Bildung eines Zweiphasen-Gemisches beruht darauf, dass Wasser und Hex-1-en
aufgrund der unterschiedlichen Polarität der Moleküle nicht mischbar sind.
2. Das Bromwasser wird durch folgende chemische Reaktion entfärbt:
CH3-CH,
-CH, -CHz-CH=CH, +Br3a ——> CH3-CH,
-CH, -CH>-CHBr-CH;Br
Es handelt sich bei der Reaktion um eine elektrophile Addition (/ S. 266) des
Brommoleküls an die C = C-Doppelbindung des Alkens.
Fehlerbetrachtung:
Brom reagiert nicht nur mit ungesättigten organischen Verbindungen, sondern auch
mit einigen anderen Reduktionsmitteln z.B. SO,. Diese würden die Nachweisreaktion
zwar stören, beim durchgeführten Experiment kann ihre Anwesenheit in den verwen-
deten Chemikalien aber ausgeschlossen werden.
Stöchiometrie 27
1.3 Stöchiometrie
'o
Die Stöchiometrie ist die Lehre von der Berechnung der Zusammen-
setzung chemischer Verbindungen sowie von den Massen-, Volu- Um in der Stöchiome-
men- und Ladungsverhältnissen chemischer Reaktionen. trie nicht mit extre-
men Zahlenwerten
rechnen zu müssen,
wurde die Stoffmen-
Die Eigenschaften von Stoffen und der Verlauf von Reaktionen hängen
ge als Größe einge-
nicht nur von der Art der Stoffe, sondern auch von der Anzahl der Teil- führt. Die Konstante
chen im System ab. Die absoluten Massen von Atomen und Molekülen N, trägt den Namen
liegen zwischen 10°?* und 102° g und können mit der Waage nicht be- des italienischen Che-
stimmt werden. Folglich enthalten schon kleine Stoffportionen wie 1g mikers A. AVOGADRO
.d |
“
Kohlenstoff oder 10 ml Wasser eine enorm große Anzahl von Teilchen. (1776-1856). |
i
Bei der Angabe der Stoffmenge müssen die Teilchen, auf die sich die An- Die molare Masse von
gabe bezieht, immer benannt werden, z.B. 1 mol H, bedeutet 1 mol Verbindungen kann
Wasserstoffmoleküle. Die Stoffmenge bzw. die Objektmenge ist die mithilfe des PSE aus
wichtigste Größe für die quantitative Beschreibung chemischer Systeme. den relativen Atom-
massen der Elemente
Das Verhältnis der Stoffmengen chemischer Reaktionspartner wird
berechnet werden,
durch die Reaktionsgleichung wiedergegeben.
aus denen die Verbin-
Experimentell kann die Stoffmenge nicht direkt bestimmt werden, son- dung aufgebaut ist:
dern nur die Masse oder das Volumen von Stoffportionen. Der Zusam-
menhang zwischen der Stoffmenge und diesen extensiven Größen wird IM| = |£A,| = |F {
über die molare Masse bzw. das molare Volumen hergestellt.
Die molaren Größen sind stoffspezifische Konstanten, die aus Tabellen A, - relative Atom-
direkt entnommen oder berechnet werden können. Mit ihrer Hilfe kön- mas
nen die einfach messbaren Massen und Volumina von Stoffen ineinan- fr relative Formel-
der umgerechnet werden. masse
Zusammensetzungsgrößen
ä
Aus den verschiede- Häufig bestehen chemische Systeme aus mehreren Stoffen, z.B. eine
nen Zusammenset- wässrige Lösung von Natronlauge oder Gasgemische wie Luft. Die Reak-
zungsgrößen kön- tivität der Natronlauge wird durch ihren Gehalt an Natriumhydroxid be-
nen mithilfe der stimmt, während die oxidierende Wirkung von Luft von ihrem Sauer-
molaren Größen wie-
stoff- und Ozongehalt abhängt.
der die Stoffmengen
berechnet werden.
Die Zusammensetzung von Stoffgemischen wird durch Zusammenset-
zungsgrößen angegeben. Dabei benutzt man für Feststoffe und Gasge-
mische meist Anteilsgrößen, da die Masse von Feststoffen und der Druck
oder das Volumen von Gasen sehr einfach gemessen werden können.
Analyse:
Bei 9(O,) = 0,21 enthalten 100 Liter Gas 21 Liter O, und 79 Liter N..
Die Stoffmengen können aus den Volumina mit der idealen Gas-
gleichung berechnet werden. Aus den Stoffmengen erhält man die
Massen mithilfe der molaren Massen von O, und N,.
Ideale Gasgleichung:
p:V=n-R-T Lösung: n(0,) =? nn n(N,) = on
_ 0,859 mol
x(0) = (0,859 + 3,23) mol
= 0,21
_ 27,59 _
o(O;) = 07,5 + 90,5) g = 0,233
Ergebnis:
Der Stoffmengenanteil x(O,) des idealen Gasgemisches beträgt
21,0 Vol.-% und ist gleich dem Volumenanteil. Der Massenanteil
des schwereren Sauerstoffs, w(O,) = 23,3 Gew.-%, ist größer als der
Stoffmengenanteil.
Für Lösungen ist die gebräuchlichste Zusammensetzungsgröße die Wenn Chemiker von
Stoffmengenkonzentration, weil aus dieser Größe die Stoffmenge ei- der Konzentration ei-
nes gelösten Stoffes direkt aus dem Volumen der Lösung ermittelt wer- ner Lösung sprechen,
den kann. Der Gehalt des gelösten Stoffes kann aber auch als Massen- ist damit fast immer
die Stoffmengenkon-
anteil oder Massenkonzentration angegeben werden.
zentration gemeint.
= Für eine Titration werden 100 ml einer Natronlauge mit einer Kon-
zentration von c(NaOH) = 0,1 mol - I"! benötigt.
Wie groß ist die Einwaage an festem Natriumhydroxid?
Analyse:
Zur Lösung nutzt man die Gleichungen zur Berechnung der Stoff-
mengenkonzentration und der molaren Masse. Beide Gleichungen
werden nach der Stoffmenge umgestellt und gleichgesetzt.
Gesucht: m(NaOH)
Gegeben: c(NaOH) = 0,1 mol: I! Der gelöste Stoff be-
V(Lösung) = 100 ml sitzt immer ein eige-
M(NaOH) = 40,0 g: mol - I" nes Volumen. Des-
halb dürfen nicht
. , _ m(NaOH) _ . einfach 100 ml Was-
Lösung: n(NaOH) = MINaOH) ” c(NaOH) : V(NaOH)
ser zur Herstellung
von 100 ml Lösung
m(NaOH) = M(NaOH) - c(NaOH) - V(NaOH)
verwendet werden,
m(NaOH) =4,0g sondern es muss vor-
sichtig mit Wasser auf
Ergebnis: das Gesamtvolumen
Um 100 ml einer 0,1 M Natronlauge herzustellen, müssen 4,0 g fes- der Lösung aufgefüllt
tes Natriumhydroxid eingewogen werden. werden.
Die Chemie - eine Naturwissenschaft
Mischungsrechnen
Das Mischen von Lösungen unterschiedlicher Konzentrationen oder das
Verdünnen hoch konzentrierter Lösungen sind alltägliche Aufgaben,
z.B. in der chemischen Analytik oder in der chemischen Industrie (Chlor-
Alkali-Elektrolyse, / S. 400)
Den Gesamtgehalt w(i) eines Stoffes in einer Mischung oder das Massen-
verhältnis m: m;, in dem die Teillösungen gemischt werden müssen,
werden mit der Mischungsgleichung berechnet.
Analyse:
Die Summe der Massen Salzsäure m; und Wasser m, beträgt 1 kg.
Um anstelle des Mas- Die Beziehung m; = 1 kg - m, setzt man in die Mischungsgleichung
senverhältnisses der ein und stellt nach m; um. Da Wasser kein Chlorwasserstoff enthält,
Lösungen das Volu- beträgt w»(HCI) = 0. Dementsprechend vereinfacht sich die Rech-
menverhältnis zu er- nung mit der Mischungsgleichung.
halten, muss man die
Massen mithilfe der
Dichten in die Volu-
Gesucht: mı:m,
mina umrechnen.
Gegeben: wa,(HCI) = 0,37 © (HCI)=0
o(HCI) = 0,05 kKı+m=1kg
m, =135 g
Beide Rechenwege
führen zum gleichen
Ergebnis.
m; =1kg-m; =865g
Ergebnis:
Um eine 5 Gew.-%ige Salzsäure herzustellen, gibt man 865 g Was-
ser in ein Becherglas und fügt vorsichtig 135 g konzentrierte
37 Gew.-%ige Salzsäure dazu.
Stöchiometrie 31
Die Ausbeute chemi- Die Ausbeute, n, eines Reaktionsproduktes wird in Prozent angegeben
scher Reaktionen darf und kann sowohl aus den Stoffmengen als auch aus den Massen der
nicht mit dem Umsatz Produkte berechnet werden.
verwechselt werden.
Die Ausbeute be-
= Aus 100g reinem Silicium soll durch Überleiten von Chlor Sili-
zieht sich immer auf
cium(IV)-chlorid hergestellt werden.
die Reaktionspro-
dukte. Der Umsatz
Wie viel Silicium(IV)-chlorid erhält man, wenn die Ausbeute der Re-
gibt dagegen an, wel- aktion 90 % beträgt?
che Menge Aus-
gangsstoffe tatsäch- Analyse:
lich zu Reaktions- Die stöchiometrische Berechnung der Masse SiCl, mit der Verhält-
produkten umgesetzt nisgleichung liefert die theoretische Produktmenge. Aufgrund der
worden ist. 90%igen Ausbeute der Chlorierung ist die tatsächlich erhaltene
Masse an SiCl, kleiner.
ı a —
1:-28,1 g-mol" 1:169,9 g-mol”"
100g - Mineor.
28,1 g-mol”! 100g - 169,9 g:mol-!
_ 100g - 169,99-:mol-! _
M theor.“Big.
= mon 604,6. g
Berechnungen zu
Mreal = 7° M theor. = 0,90 : 604,6. q
Ausbeute und Um-
satz chemischer Reak-
Mreal = 544,2 9
tionen stellt man ins-
besondere bei
industriellen Synthe- Ergebnis:
severfahren an Bei einer 90%igen Ausbeute der Reaktion mit Chlor erhält man aus
(7 5. 393 ff.). 100 g Silicium 544,2 g Silicium(IV)-chlorid.
2.1 Kernchemie
Elementarteilchen Nach dem rutherfordschen Atommodell (/S. 49) bestehen Atome aus
wie Protonen, Neu- dem Masse enthaltenden Kern und einer nahezu masselosen Elektro-
tronen und Elektro- nenhülle. Die experimentell ermittelten Radien von Atomkernen liegen
nen sind kleinste Bau- im Bereich von 10°'* bis 10°"? m. Im Vergleich dazu liegen die Atom-
steine der Materie.
durchmesser bei 10°'° m
Atomkerne sind aus positiv geladenen Protonen und neutralen Neutro-
nen aufgebaut. Diese Kernbestandteile werden als Nukleonen bezeich-
net. Sie gehören gleichzeitig zu den Elementarteilchen.
Z N A
Die Atome eines Elements enthalten zwar immer die gleiche Protonenan-
zahl, aber nicht die gleiche Anzahl von Neutronen im Kern. Dadurch kön-
nen die Massenzahlen der Atome eines Elements variieren.
Kernkräfte
Die Kernkraft hat eine stärkere Wirkung als die elektrostatische Ab- Die Energieumsätze
stoßung zwischen den gleich geladenen Protonen, wirkt jedoch über bei Kernreaktionen
eine deutlich kleinere Entfernung als diese Abstoßungskräfte. Daraus sind bedeutend hö-
her als bei chemi-
folgt, dass mit größer werdendem Kern und zunehmender Zahl von Nu-
schen Reaktionen. Sie
kleonen Energie durch die starke Kernkraft gewonnen wird.
sind z.B. mehr als
Da die starke Kernkraft aber nur zwischen dicht beieinander liegenden
100000 mal größer
Nukleonen wirkt, wird der Effekt der Abstoßung zwischen den Proto- als die Energie von
nen mit steigender Protonenzahl immer größer. Deshalb kann ein 285 kJ-mol-', die bei
Atomkern nicht beliebig groß werden, sondern erreicht ein Optimum der Bildung von Was-
der Stabilität, in dem diese beiden gegenläufigen Kräfte „ausbalan- ser aus Wasserstoff
ciert” sind. Die Konsequenz dessen ist, dass alle Atomkerne, die mehr und Sauerstoff freige-
als 84 Protonen besitzen, instabil sind. setzt wird.
Generell sind Kerne mit geraden Protonen- und Neutronenzahlen stabi-
ler als solche mit ungeraden Protonen- und Neutronenzahlen. Die Neu-
tronen bewirken vermutlich den Zusammenhalt der Protonen im Kern.
Trägt man die Neutronen- und Protonenzahlen stabiler Nuklide gegen-
einander auf, wird deutlich, dass mit zunehmender Kernladungszahl Z
die notwendige Zahl der Neutronen zur Kernstabilisierung schnell an-
steigt. Der punktiert dargestellte Bereich wird als Zone der Stabilität be-
zeichnet. Innerhalb dieser Zone befinden sich alle bekannten stabilen
Atomkerne. Das Verhältnis zwischen Neutronen- und Protonenzahl be-
stimmt wesentlich die Art des radioaktiven Zerfalls eines Nuklids
(75. 37).
Häufigkeit stabiler Nuklide
rt
Zahl der Neutronen (N)
N
So
I man nachgewiesen,
| dass Nuklide der Mas-
100 -Den
mer mr un
a senzahlen 2, 8, 20, 50,
I
I 82 und 126 beonders
I stabil sind. Deshalb
oo
Oo
206
|
20 40 60 80 100 Zahl der Protonen (Z)
36 Kernchemie und Entstehung der Elemente
3He oder
2a ı pr
+1 —1 +2 —1 +1
Radioaktiver Zerfall
Die Abgabe von Ele- Je nach Art der beim spontanen Zerfall von Atomkernen ausgesendeten
mentarteilchen bzw. Strahlung unterscheidet man zwischen drei grundlegenden Zerfallsar-
das Aussenden radio- ten. Beim «-Zerfall entstehen o-Teilchen, 3 He. Beim ß-Zerfall werden ß-
aktiver Strahlung be- Teilchen, entweder Elektronen, .} e, oder Positronen, }e, an die Umge-
zeichnet man auch als
bung abgegeben.
Emission.
Bei den Elektroneneinfangreaktionen werden keine Teilchen, sondern
radioaktive y-Strahlen ausgesendet. y-Strahlen sind energiereiche elek-
tromagnetische Wellen hoher Frequenz, die auch als energiereiche Pho-
tonen bezeichnet werden. Sie werden als 9 ysymbolisiert und sind Trä-
ger der überschüssigen Energie, die bei der Stabilisierung von Kernen
abgegeben wird.
In biologischen Syste- Die Energie radioaktiver Strahlung reicht aus, um chemische Bindungen
men führt Radikalbil- spalten oder Substanzen ionisieren zu können, wodurch instabile, au-
dung zur Störung der Berordentlich reaktive Teilchen entstehen. Dabei werden Radikale ge-
normalen Zellfunkti- bildet, die so reaktiv sind, dass sie eine Vielzahl anderer Substanzen an-
onen und somit zu
greifen und ebenfalls in Radikale umwandeln.
eklatanten biologi-
schen Auswirkungen
der radioaktiven Das bei einem radioaktiven Zerfall gebildete Element ist meist ebenfalls
Strahlung. radioaktiv und zerfällt selbst weiter. Eine solche Serie aufeinander fol-
gender, auch verschiedenartiger Kernreaktionen, in deren Ergebnis ein
radioaktives Nuklid in ein stabiles Isotop überführt wird, bezeichnet
man als radioaktive Zerfallsreihe.
Kernchemie 37 g
De ei e en
- Kernumwandlung unter 3U —> ’%Th + He
Aussendung von ca-Teilchen,
3He 3% Th —> Ra + He
- Abnahme der Massenzahl A
um A und der Kernladung- | %Ra —> ®%#Rn + He
zahl Z um 2 Einheiten
— typisch für radioaktive Ele- Po —> °&Pb + ?He
mente mitA>209 und Z>83
o-Teilchen
Künstliche Kernumwandlung
ERNEST RUTHERFORD ERNEST RUTHERFORD war der erste, der 1919 über die Umwandlung von
(1871-1937) war ein Stickstoff zu Sauerstoff berichtete. Durch Beschuss des Stickstoff-14
britischer Physiker. (N) mit a-Teilchen, die RUTHERFORD aus dem Zerfall von ?4Po erhielt,
Für die Erklärung der wurde die erste künstliche Kernumwandlung möglich:
Radioaktivität (Zer-
fallstheorie) erhielter
EN + 3He — 30 + ıH
1908 den Nobelpreis
für Chemie.
In der Folgezeit wurden Tausende weitere Kernumwandlungen unter-
sucht. Bei diesen Reaktionen wird das Projektil, z.B. ein «-Teilchen, von
dem beschossenen Kern aufgenommen und kurz danach ein !H-Kern
emittiert. Anstelle von a-Teilchen können derartige Kernumwandlun-
gen auch durch andere Teilchen wie Neutronen, Deuteronen (?H-
Kerne), Protonen oder lonen ausgelöst werden.
AE=Am:c
Die Massenänderung Demnach ist die Massenänderung eines Körpers seiner Energieänderung
Am bei chemischen direkt proportional. Da die Lichtgeschwindigkeit c sehr groß ist, bewirkt
Reaktionen ist so eine kleine Massenänderung bereits eine verhältnismäßig große Ände-
klein, dass man sie rung der Energie eines Körpers. Dieser Zusammenhang ist die Grund-
nicht messen kann.
lage der Energiegewinnung bei der Kernfusion (/S. 42).
Deshalb ist auch das
„Gesetz von der Er-
haltung der Masse” u Die molare Masse eines $He-Kerns beträgt 4,00150 g:mol-'. Die
im Prinzip richtig. Summe der Einzelmassen von je zwei Protonen (je Proton =
Da bei Kernreaktio- 1,00728 g-:mol-') und Neutronen (je Neutron = 1,00867 g-mol”')
nen jedoch wesent- ergibt 4,03190 g- mol". Die Differenz zwischen der Summe der Ein-
lich höhere Energie- zelmassen zweier Neutronen und Protonen sowie der Masse des
beträge umgesetzt 3He-Kerns beträgt also 0,03040 g-mol!. Rechnet man diese ver-
werden, sind Masse- meintlich geringe Massendifferenz nach der Eınstein-Gleichung in
änderungen hierbei
Energie um, so stellt man fest, dass dieser Massendifferenz ein
nicht mehr vernach-
enormes Energieäquivalent entspricht.
lässigbar.
ä
Eine hohe Stabilität
eines Isotops ist im-
mer mit einem niedri-
gen Energieniveau
desselben verbunden.
Es gibt zwei prinzipielle Möglichkeiten, die Kernbindungsenergie und Zur Spaltung stabiler
damit die Stabilität von Atomkernen auszudrücken: entweder durch die Kerne ist sehr viel En-
molare Kernbindungsenergie bezogen auf den Atomkern oder die mo- ergie erforderlich.
lare Kernbindungsenergie bezogen auf ein Nukleon.
Die Kernbindungsenergie von Atomkernen wächst mit steigender
Atommasse, d.h., mit steigender Anzahl an Nukleonen. Einen besseren
Eindruck von den energetischen Verhältnissen vermittelt jedoch die mo-
lare Kernbindungsenergie eines Nukleons. Man errechnet diese mittels
Division der molaren Kernbindungsenergie eines Isotops durch die Zahl
seiner Nukleonen.
\tome
Sowohl die Spaltung großer Atomkerne wie auch die Fusion kleiner
Atomkerne ist exotherm. Das bedeutet, dass Isotope, die schwerer sind
als Eisen-56 sich durch Spaltung ihrer Atomkerne unter Bildung leichte-
rer Kerne stabilisieren können, weil sie dabei Energie abgeben. Ande-
rerseits nimmt der Energiegewinn bei der Bildung von Kernen aus Pro-
tonen und Neutronen bis zur Bildung des Eisen-56-Kerns ständig zu und
erreicht hier sein Maximum. Diese beiden Tendenzen sind die Grund-
lage für die Vorgänge der Kernspaltung oder Kernfusion.
© —
® 120 —
5 220- S
OD-
s£E N
- 360 —| Kernfusion in
Su E
32 480- =
3Sc S Pa Kernspaltung 8©
N
Y>D
2
=°
=
| | T T
100 150 200 250 Massenzahl
"40 Kernchemie und Entstehung der Elemente
In au ee Xen175 MeV
Durch Einfangen eines Neutrons entsteht aus dem Uran-235 ein instabi-
ler Zwischenkern (?% U*), der unter Abgabe einer sehr großen Energie-
menge in zwei kleinere Kerne X, Y und ein bis drei Neutronen zerfällt.
Als Spaltprodukte des Uran-235 werden nicht nur % Kr und '$ Ba, son-
dern über 200 verschiedene Isotope von 35 Elementen isoliert. Dabei
werden durchschnittlich 2,4 Neutronen freigesetzt.
Das Neutron als Ele- Geht man beispielsweise davon aus, dass bei einer Kernspaltung zwei
mentarteilchen Neutronen freigesetzt werden, so kann jedes dieser zwei Neutronen ei-
wurde vom britischen nen weiteren Atomkern spalten, wobei vier neue Neutronen entstehen.
Physiker J. CHADwick Diese vier Neutronen können nunmehr wiederum vier weitere Kerne
(1891-1974) ent-
spalten usw., sodass die Reaktion sich sehr schnell fortpflanzen kann.
deckt, der damit den
Weg für die Kernspal-
Die Zahl der Kernspaltungen steigt schnell an, wobei entsprechend viel
tung und den Bau Energie freigesetzt wird. Dies kann bei unkontrolliertem Ablauf zu ei-
von Atomreaktoren ner gewaltigen Explosion führen.
ebnete. Interessante
Informationen dazu
findet man unter
www.kernenergie.de
Ungesteuerte Kettenreaktion
bei der ie U-Kernspaltung ©
Bei der ungesteuer-
Ben =) a. .? ten Kettenreaktion
führt im Durchschnitt
ey
——- :
mehr als eines der bei
der Kernspaltung ge-
bildeten Neutronen
Er a ©
LE, Se ss zu einer neuen Kern-
spaltung. Dadurch
o—>— i— 6 De
wächst die Zahl der
ns. Sn =: Kernspaltungen wie
eine Lawine schnell
N © ©
_.
an. Der Faktor k (Mul-
tiplikationsfaktor)
gibt die durchschnitt-
lich pro Spaltung ge-
un al . bildeten Neutronen
mu Atomkern des Urans u an. Durch diese wer-
u ®
den neue Kernspal-
© Neutronen, die neue Kernspaltungen auslösen tungen ausgelöst. Bei
© Neutronen, die keine neue Kernspaltungen auslösen ungesteuerten Kern-
reaktionen istk >1.
Der Reaktor wird mit Brennstäben so beladen, dass diese zusammen eine Bei gesteuerten Ket-
überkritische Masse bilden. Die Brennstäbe sind von einem Moderator tenreaktionen muss
umgeben, der die bei der Kernspaltung entstehenden Neutronen ab- k = 1 sein. Dadurch
bremst, damit sie von den *?°U-Atomen eingefangen werden können. Als läuft die Kernspal-
tung mit konstanter
Moderatoren dienen Wasser oder Grafit.
Geschwindigkeit und
Um die Kettenreaktion zu steuern, benutzt man Regelstäbe aus Bor oder
somit kontrolliert ab.
Cadmium, die die Neutronen absorbieren. Durch Hinein- und Herausfah- Istk < 1, so kommt
ren der Regelstäbe wird die Neutronenzahl annähernd konstant gehalten die Kettenreaktion
und die Kettenreaktion so kontrolliert. Die frei werdende Energie wird als zum Stillstand.
Wärmeenergie durch Kühlmittel nach außen transportiert. Außerhalb des
Reaktors treibt das überhitzte Kühlmittel Turbinen an, mit denen über
Generatoren Elektroenergie gewonnen wird.
2 Kernchemie und Entstehung der Elemente
Kernenergie kann nicht nur durch die Spaltung schwerer Kerne, son-
dern auch durch die Verschmelzung sehr leichter Kerne, die Kernfusion
erzeugt werden.
Als Deuterium be- Bei der Verschmelzung eines Deuteriumkerns (?H) mit einem Tritium-
zeichnet man Wasser- kern (?H) entsteht Helium. Diese Vorgänge finden (vereinfacht) im In-
stoff mit einem Neu- nern der Sonne statt.
tron und als Tritium
Wasserstoff mit zwei
Neutronen im Kern. Kernfusion von Deuterium mit Tritium
Me
oß Energie
en
Energie
: 2 3 4
vereinfacht: „H ar „H essen en
Urknall Inflation Bildung von Bildung Kosmos wird erste Sterne modernes
0s 102 s Heliumkernen erster Atome durchsichtig und Galaxien Universum
-102s -10* Jahre -10° Jahre -10° Jahre -10'9 Jahre
Man nimmt heute an, dass die gesamte Masse des Universums
ursprünglich in einem Kern enormer Dichte (10°° g- cm?) und Tempera-
tur (10%? K) zusammengeballt vorgelegen hat. Bei einer als Urknall be-
zeichneten Explosion, die vor maximal 15 Mrd. Jahren stattfand, bilde-
ten sich während der kosmischen Verteilung der Materie in wenigen
Minuten zu ca. 90 % Wasserstoff und und zu ca. 10 % Helium.
Sterne entstehen durch Kondensation von Wasserstoff- und Heliumato- Von den beiden The-
men. Im Ergebnis dieser Verdichtung steigt die Gravitationskraft des orien zur Entstehung
Sterns bei gleichzeitigem Anstieg seiner Dichte und der Temperatur im des Universums wird
Innern. Bei genügend hohen Temperaturen (10 bis 20 Mio. Grad) setzt die Urknalltheorie
gegenüber der
als erster Prozess das so genannte Wasserstoffbrennen ein.
Steady-State-Theorie
als die zutreffende
4H — “He + Energie angesehen.
Wenn das Universum ursprünglich überwiegend aus Wasserstoff und Ein Stern ist eine
etwas Helium bestand, wo kommen dann die schwereren Elemente her? selbstleuchtende Gas-
Schwerere Elemente als Wasserstoff und Helium werden nur bei extrem kugel hoher Tempe-
hohen Temperaturen im Inneren von Sternen, z.B. unserer Sonne, durch ratur. Die in Sternen
freigesetze Energie
verschiedene Kernfusionsprozesse (/ S. 44) gebildet.
stammt aus Kernfu-
Sie entstehen erst in nennenswertem Umfang, wenn das Wasserstoffbren-
sionsreaktionen.
nen beendet ist, denn Heliumkerne vereinigen sich nicht mit Wasserstoff-
kernen zu Lithium oder Beryllium. Die Fusionsprozesse beginnen bei allen
Sternen im Zentrum und breiten sich langsam zum äußeren Bereich aus.
Erst wenn dieser Prozess abgeschlossen ist und genügend Energie im In-
nern gespeichert wurde, kann der nächste Fusionsprozess bei noch höhe-
ren Temperaturen gestartet werden.
44 Kernchemie und Entstehung der Elemente
Bei Temperaturen um 100 bis 200 Mio. Grad kann dann ein neuer Fusi-
ä onsprozess einsetzen, das Heliumbrennen.
Die minimale Größe
eines Sterns für das 3?He —e "C + Energie
Heliumbrennen liegt
im Bereich von
0,7 Sonnenmassen
(0,7 M,), weil nur
Sterne von dieser
Größe die für den
Start dieser Fusion
nötige Energie in ih- Wenn sich drei Heliumkerne zu einem Kohlenstoffkern vereinigen, wird
rem Innern speichern mehr Energie freigesetzt als beim Wasserstoffbrennen. Bei etwa
können. 200 Mio. Grad kann dann bereits eine Fusion eines Heliumkerns mit ei-
nem Kohlenstoffkern erfolgen, wobei wiederum große Energiemengen
freigesetzt werden.
Allgemein gilt: Je In Sternen, die etwa fünf Sonnenmassen entsprechen, können Tempera-
größer ein Stern ist, turen im Bereich von 500 bis 1000 Mio. Grad erreicht werden. Hier wer-
desto mehr Energie den die nächstfolgenden Kernfusionen, das Kohlenstoffbrennen und
kann er speichern
das Sauerstoffbrennen ausgelöst:
und um so höhere
Temperaturen wer-
den erreicht.
22?C — 2Ne + °*He + Energie
22C — Mg + Energie
20 —— 35Si + *He + Energie
20° —e 325 + Energie
Dabei werden bis zum stabilsten aller Kerne, dem * Fe, verschiedene ge-
radzahlige Kerne gebildet. Nur wenn ein Stern groß genug ist, um die
dafür notwendigen Temperaturen zu speichern (etwa 30 Sonnenmas- Die Entwicklung von
sen), kann die gesamte Elementskala entstehen. Sternen lässt sich
über mehrere Ster-
Die große Häufigkeit des Eisens im Universum und auf der Erde ist da-
nengenerationen an-
durch begründet, dass es den stabilsten aller Atomkerne aufweist. hand der beschriebe-
nen Fusionsprozesse
nachvollziehen.
2.2.2 Häufigkeit der Elemente
Beim Heliumbrennen
A vereinigen sich drei
eH Heliumkerne zu ei-
nem Kohlenstoff-
@© '0 ToHe kern. Das heißt, die
2
ın dazwischen liegen-
®
c den Atome Lithium,
22 8- Berylliium und Bor
werden erst später
$ e Elemente mit ungerader
® Ordnungszahl durch Folgereaktio-
3 nen gebildet und sind
I 6- ® Elemente mit gerader deshalb im Vergleich
© Ordnungszahl zu Elementen der di-
X
=D rekten Kernsynthese
0
Ei eher selten.
zT
oe 4-7
25
©
®
Li
2 e
eo’
Be
0 —
2 -
T T T T ha
0 20 40 60 80
Ordnungszahl
"46 Kernchemie und Entstehung der Elemente
Bei einem genaueren Blick auf die Gleichungen zur Bildung der Ele-
Eine Supernova ist die mente (/5.44) erkennt man, dass ausschließlich Kerne mit gerader
gebündelte Energie- Ordnungszahl miteinander fusionieren. Aus diesem Grund führt die di-
freisetzung eines rekte Kernsynthese immer wieder zur Bildung neuer Kerne mit gerader
Sterns der ersten Ge- Ordnungszahl. Die dargestellte Häufigkeitsverteilung der Elemente der
neration als Ergebnis ersten drei Perioden des PSE (/S. 448) ist in erster Linie das Ergebnis
des gleichzeitigen der Synthese der Elemente mit gerader Ordnungszahl durch wieder-
Auslösens mehrerer
holte Anlagerung von o-Teilchen, 3He, an leichtere Kerne mit ebenfalls
Kernfusionsarten, die
gerader Kernladungszahl. Nuklide mit ungerader Ordnungszahl werden
soviel Energie frei-
setzt, wie von unserer dagegen immer nur durch nachgelagerte Kernzerfallsreaktionen gebil-
Sonne in 10-100 Mio. det, bei denen aus einem großen Kern unterschiedlich kleine Kerne ent-
Jahren abgegeben stehen. Deshalb kommen ungeradzahlige Nuklide seltener vor als Nuk-
wird! lide mit gerader Ordnungszahl.
3.1 Atombau
J. DAaLton bestimmte als erster die Masse von Atomen und erkannte,
dass diese mit chemischen Mitteln nicht weiter zerlegt werden können.
Außerdem entdeckte er, dass Elemente aus gleichartigen Atomen beste-
hen und im Verhältnis kleiner ganzer Zahlen zu Verbindungen reagie-
ren. Auf Basis dieser empirischen Erkenntnisse entwickelte J. DALTON
1808 das erste wissenschaftlich begründete Atommodell, das folgende
Grundaussagen beinhaltet:
Chemische Elemente bestehen aus festen unteilbaren Atomen, die we-
der geschaffen noch vernichtet werden können.
- Atome eines Elements sind identisch und besitzen die gleiche Masse.
Es gibt so viele Atomsorten wie Elemente.
Eine Verbindung entsteht aus Atomen mehrerer Elemente, die im Ver-
hältnis kleiner ganzer Zahlen miteinander reagieren.
Die Modelle von Den ersten Beweis, dass die Atome doch aus noch klei-
J. DaLton (1766-1844) neren Teilchen aufgebaut sind, lieferte J. J. THOM-
und ). J. THOMSON son Ende des 19. Jh. Bei Experimenten mit Kato-
(1856-1940) wurden denstrahlen fand er heraus, dass diese aus
in der Folgezeit
negativen Teilchen bestehen, die aus dem Inne-
Schritt für Schritt wei-
ren der Atome stammen müssen. Aus dieser Er-
terentwickelt und
präzisiert. kenntnis leitete er ein Atommodell ab, bei dem
negative Elektronen in eine gleichmäßig positive
Grundmaterie eingebettet sind.
Atombau 49,
Leuchtschirm Lichtblitz
abgelenkte
o-Teilchen
: \
e E
E E
n ©
l X
Für den massereichen Atomkern wurde ein Radius von ca. 1: 10°"? m er- S E
_ Sg°
mittelt. Er wird von einer sehr viel größeren Hülle (r= 1- 10-10 m) umge- r <
ben, in der negativ geladene Elektronen gleichmäßig verteilt sind. Der
Denkt man sich ein
Radius der Elektronenhülle entspricht dem Radius des Atoms.
Senfkorn von 2 mm
Das erste Kern-Elektronen-Modell stand im Widerspruch zur klassischen
Durchmesser als
Elektrodynamik. Danach sollten die in einem Feld kreisenden Elektro- Atomkern, dann
nen Energie abstrahlen. Das Atom könnte demnach nicht existieren, da hätte die Elektronen-
es permanent Energie abgeben würde. RUTHERFORD blieb jedoch auf- hülle im Verhältnis
grund seiner experimentellen Befunde bei seinem Modell und vermu- dazu einen Durch-
tete, dass die elektromagnetischen Gesetze zu revidieren wären. messer von 200 m.
50 Atombau und Periodensystem
ä Seit 1860 gab es die Möglichkeit, Elemente mithilfe der von KIRCHHOFF
Die Abgabe von
und Bunsen entwickelten Spektralanalyse zu untersuchen. Dabei stellte
Strahlung oder von
man fest, dass Atome nach Aufnahme von thermischer Energie diese in
Materie nennt man
Emission. Der umge- Form von elektromagnetischer Strahlung wieder abgeben. Sie emittie-
kehrte Prozess wird ren diese Strahlung als Linienspektrum, d.h. als Licht einer oder mehre-
als Absorption rer wohl definierter Wellenlängen. So beobachtete im Jahr 1884 J.).
(7/5. 443) bezeichnet. BALMER für Wasserstoff ein Linienspektrum im sichtbaren Bereich.
®
R
Die Energieglei- Dieses Linienspektrum stand jedoch im Widerspruch zur Elektronenhülle
chung geht auf Un- im rutherfordschen Atommodell, in dem sich die Elektronen gleichmä-
tersuchungen des Big im kugelförmigen Raum bewegen sollten.
Physikers M. PLAnck
Auf der Basis der experimentellen Ergebnisse der Spektralanalyse und
(1858-1947) zurück.
unter Nutzung der planckschen Energiegleichung entwickelte NIELS
E=h-v
BOHR, ein Schüler RUTHERFORDS, 1913 ein neues, leistungsfähigeres Atom-
V - Frequenz, modell. BoHR trennte sich von den Vorstellungen der klassischen Physik
h - plancksches und formulierte folgende Postulate:
Wirkungsquantum
h=6,63 : 10%). s
1. Elektronen umkreisen den Kern auf bestimmten Bahnen, wo-
bei keine Energieabgabe erfolgt.
2. Jede Elektronenbahn (Elektronenschale) entspricht einem be-
stimmten Energieniveau E der Elektronen. Beim Übergang des
Elektrons von einem höheren in ein niederes Niveau wird die
definierte Energie AE = h - vabgegeben.
3. Das Elektronensystem ist nur in bestimmten, so genannten stati-
onären Zuständen stabil, wobei gilt:
2n-r-m-v=n-h
- Radius der Elektronenbahn
— Masse des Elektrons
=
Die Elektronenbah-
7
nen bezeichnete B Emission
N. BoHR (1885-1962) L(n=2)
als Elektronenscha-
len, die er mit den
Buchstaben K,L,M, N K(n=1)
Absorption
usw. benannte.
Kern
Atombau s1f
Mit dem anschaulichen Schalenmodell ließen sich die Spektren von Was-
serstoff widerspruchsfrei interpretieren. Im Grundzustand des Wasser- i
stoffatoms befindet sich das Elektron auf einer Kreisbahn (n= 1), die Dem Übergang eines
auch als K-Niveau bezeichnet wird. Durch Aufnahme einer ganz be- Elektrons in einem
stimmten Energie wird das Elektron angeregt, d.h. es springt auf eine Atom von einem sta-
tionären Zustand hö-
Bahn mit einer höheren Energie (n> 1). Das Wasserstoffatom befindet
herer (E,) zu einem
sich dann im angeregten Zustand. Wird die Anregungsenergie ganz
Zustand niederer En-
oder teilweise wieder abgegeben, so geht das Elektron in einen niedri- ergie (E,) entspricht
geren Energiezustand (Bahn) oder in den Grundzustand über, wobei einer Linie im Emissi-
Strahlung einer bestimmten Frequenz emittiert wird (E,-E} =h: v). onsspektrum.
N. BoHr (1885-1962)
konnte aus dem Ra-
dius der Elektronen-
bahn (n= 1) den
Aufgrund der Arbeiten von Bohr war die Spektroskopie die wichtigste Atomradius des Was-
serstoffatoms
Informationsquelle über die Atomhülle geworden, denn es stellte sich
(r = 52,9 pm) ablei-
schnell heraus, dass jedes thermisch angeregte Atom ein charakteristi-
ten. Dieser Wert
sches Linienspektrum emittierte. Schon bei Atomen mit 2 Elektronen wurde experimentell
wie dem Heliumatom wurden jedoch Grenzen des bohrschen Modells bestätigt und ist
sichtbar, da diese Atome kompliziertere Spektren emittieren, die nicht heute als bohrscher
ohne Korrekturen interpretierbar waren. Atomradius bekannt.
132 Atombau und Periodensystem
Auch zur Bildung ei- Mithilfe des relativ einfachen Schalenmodells nach BOHR und SOMMER-
ner Atombindung FELD kann man viele Eigenschaften von Elementen anhand ihres Atom-
durch zwei jeweils ne- baus bzw. ihrer Elektronenkonfiguration (/S. 58) erklären. Allerdings
gativ geladene Elek- steht auch dieses Modell im Widerspruch zu den Gesetzen der klassi-
tronen sind mit die-
schen Physik, da beispielsweise negativ geladene Teilchen im positiven
sem Modell keine
Aussagen möglich.
Feld des Kerns nicht stabil sein sollten. Trotz seiner Grenzen wird das
Atommodell nach BoHrR und SOMMERFELD jedoch heute noch vielfach zur
Erklärung atomarer Sachverhalte herangezogen.
Elektronen können sich nur auf bestimmten Die Bewegung der negativen Elektronen
Bahnen aufhalten. Jeder dieser Bahnen ent- auf Bahnen um den positiven Kern wider-
spricht ein diskretes Energieniveau. spricht den Gesetzen der klassischen Physik.
Herstellen eines Zusammenhangs zwischen Ab der 3. Periode des PSE entspricht die An-
Elektronenkonfiguration und Eigenschaf- zahl der Elemente in der Periode nicht mehr
ten der Elemente im Periodensystem der maximalen Anzahl der Elektronen nach
(PSE,/ S. 64 ff.) der Formel 2n?.
Erklärung des Linienspektrums von Wasser- Die Intensität der emittierten Strahlung und
stoff und Bestätigung der Spektralanalyse die viel größere Anzahl von Linien in Spek-
als experimentelle Methode zur Untersu- tren von Atomen mit mehr als zwei Elektro-
chung des Aufbaus der Atomhülle nen sind nicht zu deuten.
Atombau 53
Der Welle-Teilchen-Dualismus
Es schien so, als würden die Gesetze der klassischen Physik im mikrosko- Der französische Phy-
pischen Maßstab der Atome nicht oder nur eingeschränkt gültig sein. siker L. DE BROGLIE
Durch theoretische Überlegungen und Experimente wurde jedoch zu (1892-1987) begrün-
Beginn des 20. Jh. bewiesen, dass Elementarteilchen wie Elektronen be- dete den Welle-Teil-
chen-Dualismus von
sondere Eigenschaften aufweisen. 1924 legte L. DE BROGLIE Überlegun-
Elementarteilchen
gen vor, dass kleine schnell bewegte Teilchen Wellencharakter haben. Er
theoretisch.
kombinierte die Grundgleichungen von M. PLanck und A. EINSTEIN und
berechnete daraus die Wellenlänge einer Strahlung, die Elementarteil-
chen aussenden, wenn sie sich mit hoher Geschwindigkeit bewegen.
x2jabe
m-:c
bzw. A=_R_
m:Vv
fürvzc
Bestätigt wurden diese Überlegungen durch Experimente, bei denen Auch der von A. Ein-
Elektronen beim Durchgang durch ein Metallgitter Interferenzen auf- STEIN (1879-1955) ge-
weisen, also Welleneigenschaften zeigen. fundene äußere licht-
elektrische Effekt
beweist den Welle-
Elementarteilchen können - je nach Untersuchungsbedingungen - Teilchen-Charakter.
als Korpuskel (Teilchen) oder als Welle wirken. Diese Eigenschaft Licht als elektromag-
nennt man Welle-Teilchen-Dualismus. netische Strahlung
besteht aus Photo-
nen, also kleinsten
Teilchen.
Eine weitere Besonderheit entdeckte W. HEISENBERG mit seiner Unbe-
stimmtheitsbeziehung. Bei Untersuchungen von Elementarteilchen fand
er, dass sich Ort und Impuls p (p = m : v) eines Elektrons nicht gleichzei-
tig genau bestimmen lassen. Um jedoch eine klassische Bahnkurve be-
rechnen zu können, benötigt man sowohl die Ortskoordinaten (x, y, Z)
als auch die Geschwindigkeit der Elektronen. Die wichtigste Schlussfol-
a
gerung aus der heisenbergschen Unschärferelation lautet:
R
W. HEISENBERG (1901
Elektronen können nicht durch klassische physikalische Bahnkurven bis 1976) erhielt für
beschrieben werden. Sie bewegen sich nur mit einer bestimmten die Begründung der
Wahrscheinlichkeit im Raum. Diese Wahrscheinlichkeit muss mit Quantenmechanik
1932 den Nobelpreis
aufwändigen mathematischen Verfahren berechnet werden.
für Physik.
54 Atombau und Periodensystem
R
Die mathematische Ein grundlegend neues Modell wurde von E. SCHRÖDINGER entwickelt,
Lösung der von E. der den Wellencharakter der Elektronen ebenfalls erkannt hatte. Wir
SCHRÖDINGER (1892 bis kennen eindimensionale Wellen, z.B. eine schwingende Gitarrensaite
1987) entwickelten und zweidimensionale Wellen, die durch Werfen eines Steins ins Wasser
“all oder durch Klangfiguren auf einer schwingenden Metallplatte sichtbar
E(P) = H(P) ist sehr
kompliziert und für
gemacht werden können. Die Elektronen im Atom werden als dreidi-
das schulische Ver- mensionale stehende Wellen betrachtet.
ständnis des Aufbaus
der Elektronenhülle SCHRÖDINGER entwickelte eine Differentialgleichung, die den Zusammen-
nicht von Bedeutung. hang zwischen den Schwingungen des Elektrons im atomaren Raum-,
ı der Wellenfunktion Y - und seiner Energie E deutlich machte. Die wich-
tigste Schlussfolgerung aus der SCHRÖDINGER-Gleichung lautet:
Auch die Wahrscheinlichkeit, mit der sich die Elektronen in einem be-
stimmten Bereich der Elektronenhülle aufhalten, kann mittels dieser
Wellenfunktion berechnet werden.
Das Quadrat der Wellenfunktion (P?) lässt eine Aussage darüber zu,
mit welcher Wahrscheinlichkeit das zu untersuchende Elektron in
einem kleinen Raumelement der Elektronenhülle zu finden ist. Y2
ist ein Maß für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons
bzw. für die eng damit zusammenhängende Elektronendichte.
&
Der Begriff der Auf- Im Gegensatz zum bohrschen Modell mit exakten Ortsangaben (Bah-
enthaltswahrschein- nen), werden beim modernen quantenmechanischen Atommodell Aus-
lichkeit bzw. Elektro- sagen zur Wahrscheinlichkeit gemacht. Dem Elektron oder der Welle,
nendichte für Y die dem Elektron entspricht, steht ein bestimmter Raum zur Verfügung,
wurde von M. BORN
in dem es sich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit aufhält.
(1882-1970) einge-
führt.
RE
E. SCHRÖDINGER Wellenfunktion M. BORN
I 4
Energie bzw. Aufenthalts-
Energieniveau E(Y)
= E(Y) wahrscheinlichkeit Y?
Atombau 5
Orbitale (lat. orbis = Umkreis) sind das quantenmechanische Äquivalent In einem Magnetfeld
zu den Elektronenschalen des bohrschen Atommodells. Sie entsprechen werden auch die Or-
nach der SCHRÖDINGER-Gleichung diskreten Energieniveaus und werden bitale mit gleicher
Nebenquantenzahl
durch Quantenzahlen charakterisiert. Im dreidimensionalen Raum wer-
aufgespalten. Dieser
den jedoch drei Quantenzahlen zur Lösung der SCHRÖDINGER-Gleichung
Effekt wurde durch
benötigt. Außerdem fand man heraus, das jedes Orbital durch zwei P. ZEEMAN (1865 bis
Elektronen besetzt werden kann, die anhand einer vierten Quantenzahl 1943) spektralanaly-
unterschieden werden müssen. tisch nachgewiesen
Deshalb werden beim modernen quantenmechanischen Atommodell und führte zur Be-
zusätzlich die Magnetquantenzahl m und die Spinquantenzahl s einge- nennung der Mag-
führt, um den Zustand des Elektrons eindeutig beschreiben zu können. netquantenzahl m.
Die Orbitale lassen sich als Aufenthaltsräume jedoch bei weitem nicht
so einfach veranschaulichen, wie die klassischen Elektronenbahnen. Das
Hauptproblem besteht darin, dass man eine Wellenfunktion, die von Die Variablen x, y, z
im kartesischen wer-
drei Variablen (x, y, z) abhängt in einem vierdimensionalen Raum gra-
den im Polarkoordi-
fisch darstellen müsste, der nur in der Theorie existiert. Anstelle der kar-
natensystem durch
tesischen Koordinaten x, y und z können aber auch Polarkoordinaten den Abstand r, und
für eine exakte Ortsangabe verwendet werden. Diese geben einen Ab- die beiden Raumwin-
stand (r) und 2 Winkel (v, 9) zum Koordinatenursprung an. kel v und Yersetzt.
"56 Atombau und Periodensystem
Grundsätzlich han-
delt es sich bei Or-
bitaldarstellungen
um Einelektronen-
darstellungen. Die
Abbildungen zeigen
das Wasserstoffelekt- Darstellung des radialabhängigen Teils von Y?
ron in den Zuständen
1s und 2s. 4.2
wis 1s-Orbital we 2s-Orbital
n=1 n=:2,1=0
1='0
r r £
Wenn von der Gestalt Im 1s-Orbital hat das Wasserstoffelektron einen Bereich hoher Aufent-
oder der Geometrie haltwahrscheinlichkeit, dessen Maximum dem von BoHr ermittelten
der Orbitale die Rede Atomradius des Wasserstoffatoms entspricht (/'5. 51). Im angeregten
ist, spricht man im-
2s-Zustand gibt es zwei Bereiche hoher Elektronendichte.
mer vom winkelab-
Da bei der Ausbildung der chemischen Bindung zwischen zwei Atomen
hängigen Teil der
(75.80) die Richtungsabhängkeit der Elektronendichte, insbesondere
Wellenfunktion.
ihre Lage im Raum, sehr wichtig ist, wird in den meisten Fällen der
winkelabhängige Teil der Wellenfunktion betrachtet.
Die Ausrichtung der Orbitale im Raum hängt von der Magnetquanten- Die SCHRÖDINGER-GIei-
zahl m ab und ist besonders bei p- und d-Orbitalen sehr wichtig. Bei s- chung hat immer
Orbitalen sind ! und m immer Null, sodass es nur eine Möglichkeit der zwei Lösungen. Dies
Ausrichtung im Raum gibt, die einer Kugelgeometrie entspricht. wird durch das Vor-
zeichen der Orbitale
angegeben und muss
bei der Bildung von
Atombindungen be-
rücksichtigt werden
(75. 80).
Einelektronensystem Mehrelektronensystem
Mit dem modernen
quantenmechani-
schen Atommodell,
spdf das die Energie und
die räumliche Lage
spd der Orbitale berück-
sichtigt, kann im Ge-
gensatz zu anderen
Atommodellen die
Bildung von Bindun-
gen zwischen Ato-
men erklärt werden.
58 Atombau und Periodensystem
Die Hauptquanten- Die Anzahl der Elektronen in den Energieniveaus ist durch die Quanten-
zahl n ist aus der zahlen eindeutig festgelegt. Schon BoHRr hatte erkannt, dass ein Ener-
bohrschen Schalen- gieniveau einer Hauptquantenzahl n maximal 2n? Elektronen aufneh-
bezeichnung hervor- men kann. Die maximale Anzahl der Atomorbitale N, ergibt sich aus der
gegangen. Die maxi-
Nebenquantenzahl /. Zu jedem Hauptniveau gibt es 2/+1 Orbitale mit
male Anzahl von
unterschiedlicher Magnetquantenzahl m. Demnach gibt es mit der
Elektronen gleicher
Hauptquantenzahl Hauptquantenzahl 3 ein s-, drei p- und fünf d-Orbitale. Jedes Orbital
beträgt 2n?. kann von zwei Elektronen mit unterschiedlichem Spin besetzt werden,
sodass dieses Niveau insgesamt von 18 Elektronen besetzt werden kann.
Schale n 2n?
K 1 2
L 2 8
M 3 18
N 4 32
0
1 1 3p E77}
Die Hauptquanten- a 0 +% 6
zahl kann auch grö- ıı___Ls_L__le%m lJ___]
Bere Werte alsn=3 2 5 2 3d =
annehmen. So verfü- | 1 + Ya
gen die schwersten aan 0 + 1% 10
Elemente des PSE = -1 =
(7 S. 448) über be- 2 +"
setzte 7s-Orbitale.
Die Ladung des Die Energie der Atomorbitale nimmt mit steigender Hauptquanten-
Atomkerns wird zahl, d.h. mit ihrer Entfernung zum positiv geladenen Atomkern zu. Je
durch die Zahl der weiter die Energieniveaus vom Atomkern entfernt sind, um so geringer
Protonen bestimmt
wird der Energieunterschied zwischen den Orbitalen. Das liegt daran,
(7/5. 34).
dass die Wirkung der Kernladung auf die äußeren Niveaus durch die in-
neren Niveaus abgeschirmt wird. Die effektiv auf die Orbitale wirkende
Kernladung nimmt mit der Entfernung zum Kern ab.
Atombau 59 ’
—ZIIIIıı 5f 7 14
a 5d 5 10
“ „EI II I af 7 14
ne5 2
iin II 5p 3 6
A EEE.
——— 0 4d 5 10
n=4 ..ae —
E —— 55 1 2
Keane 2 4p 3 6
ne
a As
:I R
n=3
Eon {I 3p 3 6
Tr een; 35 1 2
n=2 -- —— I. 2p 3 6
Te 23 1 2
BEN ne oO 1s 1 2
Die Energieunter-
schiede zwischen den
Orbitalen nehmen
mit der Entfernung
zum Kern ab und sind
bei den höheren En-
Die bei gleicher Hauptquantenzahl n in der Nähe des Atomkerns anzu- ergieniveaus oft sehr
treffenden s-Elektronen sind energetisch am stabilsten. Um sie anzure- gering.
gen, ist eine hohe Energie erforderlich. Die d-Elektronen sind dagegen
leichter anzuregen, da sie ebenfalls von den inneren s- und p-Elektro-
nen abgeschirmt werden.
Die daraus resultierende Aufspaltung der Atomorbitale in Mehrelektro-
nensystemen kann dazu führen, dass Elektronen schon das energetisch
niedrigere 4s-Orbital besetzen, obwohl die 3d-Orbitale noch unbesetzt
sind, z.B. bei den Nebengruppenelementen (/S. 70).
Bei der Besetzung der Energieniveaus gelten neben dem Aufbauprinzip Der Physiker F. HUND
zwei weitere grundlegende Prinzipien, aus denen folgt, dass sich die in (1896-1997) war ei-
einem Atom vorhandenen Elektronen mindestens in einer der vier ner der Mitbegründer
Quantenzahlen n, I, m oder s unterscheiden müssen (7 Tabelle S. 55). des modernen quan-
tenmechanischen
Atommodells.
W. Pauuı (1900-1958)
erhielt für die Formu-
lierung des Pauli-Prin-
zips 1945 den Nobel-
preis für Physik.
"60 Atombau und Periodensystem
Der Kästchenschreib- Zusätzliche Informationen liefert die Symbolik nach L. Pauuing, die so
weise kann man nicht genannte Kästchenschreibweise. Ein durch die Quantenzahlen n, ! und
nur den Spin entneh- m charakterisiertes Orbital wird als ein kleines Kästchen dargestellt, das
men, sondern man mit zwei durch Pfeile (T und J) symbolisierte Elektronen besetzt werden
kann auch die unter-
kann. Die Richtung des Pfeils kennzeichnet den unterschiedlichen Elek-
schiedliche Energie
tronenspin.
der Orbitale andeu-
ten.
a Elektronenkonfiguration des Phosphoratoms
m] [m ] Lalelel
Energie
e]
Li 152 25! Die detaillierte Angabe aller Elektronen in einem Atom ist bei den
schwereren Elementen sehr aufwändig. Die vollständige Besetzung der
inneren, kernnahen Niveaus bleibt dabei immer gleich. Diese inneren
Elektronen, die so genannten Rumpfelektronen beeinflussen die Eigen-
schaften der Atome nur gering.
Dagegen bestimmen die Elektronen der unvollständig besetzten äuße-
ren Energieniveaus maßgeblich das chemische Verhalten der Atome,
insbesondere bei der Bindungsbildung (/S. 68 ff.). Sie werden als Va-
lenzelektronen bezeichnet und stellen den wichtigsten Teil der Elektro-
nenkonfiguration dar.
3.2.1 Historie
ä
In der Mitte des 19. Jh. waren etwa 50 Elemente und ihre wichtigsten Beispiele für die von
Eigenschaften bekannt. Die relativen Atommassen A, (5. 13) waren J. W. DÖBEREINER
mit der damals möglichen Genauigkeit bestimmt und es gab zuneh- (1780-1849) gefun-
mend Bestrebungen, aus den damals noch als Atomgewichten bezeich- denen Triaden sind:
- Ca-Sr-Ba oder
neten Zahlen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Elementen ab-
- Cl-Br-I
zuleiten.
1863-1866: J. A. NEwıLanos stellte fest, dass sich bei der Aufreihung der
Elemente nach ihrer relativen Atommasse die Eigenschaften nach jedem
7. Element in abgewandelter Form wiederholen. Die Edelgase konnte
NEwLANDSs nicht in seine Betrachtungen einbeziehen, da diese erst Ende
des 19. Jh. entdeckt wurden.
1869: D. I. MENDELEIEW erkannte, dass sich viele Eigenschaften der Ele- Trotz der Größe ihrer
mente periodisch mit der Atommasse ändern und ordnete die Ele- Leistungen blieb so-
mente konsequent in Gruppen mit ähnlichen Eigenschaften. Dabei blie- wohl D. I. MENDELEJEW
(1834-1907) als auch
ben Lücken in MENDELEJEws Periodensystem, denn zu dieser Zeit waren
L. MEYER (1830-1895)
viele Elemente noch nicht entdeckt. Die fehlenden Elemente Gallium
der Zusammenhang
(Eka-Aluminium), Scandium (Eka-Bor) und Germanium (Eka-Silicium,
zwischen dem inne-
(75.20) konnte MENDELEJEW dadurch voraussagen, dass er die Eigen- ren Aufbau der
schaften der anderen Elemente innerhalb der Perioden und innerhalb Atome und den von
der Gruppen verglich. Unabhängig von MENDELEJEW formulierte L. MEYER ihnen aufgestellten
im Dezember 1869 ein sehr ähnliches Periodensystem, das er aus Periodensystemen
Zusammenhängen zwischen den Atommassen und physikalischen Ei- verborgen.
genschaften, z.B. dem Atomvolumen und der Dichte, ableitete.
Hauptgruppe Hauptgruppe
I N I IV V VI vi | vi
d-Block-Elemente
® p-Block-Elemente
E Nebengruppe
E m|ıv|vjwvgj viil ja
2
wu
xw
2
1}
”
1 2. |[3 4 5 6 7 8| 9 10. | 11. | 12. | 13. | 14. | 15. | 16. | 17. | 18.
Gruppe
Das Periodensystem der Elemente 30
i
Wasserstoff nimmt
eine Sonderstellung
im PSE ein, da es nur
über ein einziges Ato-
morbital verfügt, das
mit einem Elektron
Die Hauptgruppenelemente bzw. s- und p-Block-Elemente (/7S. 208) besetzt ist. Es könnte
verfügen ausschließlich über s- und p-Elektronen als Valenzelektronen. auch in die VIl. Haupt-
Die chemischen Eigenschaften der Nebengruppenelemente (d-Block- gruppe eingeordnet
Elemente, /S. 220) werden hauptsächlich durch die Elektronenbeset- werden, da es auch
zung der d-Orbitale geprägt und unterscheiden sich weniger stark von- durch Aufnahme ei-
einander als die Hauptgruppenelemente. nes Elektrons eine
Edelgaskonfigura-
Aufbauend auf dem PSE von MENDELEJEW versuchte man lange Zeit,
tion erreichen kann.
Haupt- und Nebengruppen in jeweils acht Gruppen aufzuteilen, die mit
römischen Zahlen bezeichnet werden. Dieses inzwischen veraltete Kurz-
periodensystem hat aber den Nachteil, dass die Ähnlichkeiten zwischen
gleichzahligen Haupt- und Nebengruppen teilweise sehr gering sind.
Außerdem können die d-Niveaus (l= 2) 10 Elektronen aufnehmen, so-
dass in der VIll. Nebengruppe drei Gruppen zusammengefasst werden
müssen. Deshalb hat sich im Lauf der Zeit das Langperiodensystem
Die Elemente der VIl.
durchgesetzt, das die d-Block-Elemente konsequent entsprechend der
Hauptgruppe sind ty-
Besetzung der Atomorbitale zwischen die s-Block und die p-Block-Ele-
pische Nichtmetalle,
mente einordnet. Die Gruppenbezeichnung mit römischen Ziffern kann während die VIl. Ne-
auch im Langperiodensystem beibehalten werden. Logischer und in der bengruppe aus-
modernen Chemie gebräuchlicher ist jedoch die Nummerierung der schließlich Metalle
Gruppen mit arabischen Zahlen von 1 bis 18. beherbergt.
lonenradien hängen Die Hauptursache für den Anstieg der Atomradien innerhalb einer
neben der Besetzung Gruppe ist die zunehmende Zahl besetzter Energieniveaus (Schalen), de-
der Energieniveaus ren Abstand zum Kern mit der Hauptquantenzahl wächst. Die zuneh-
noch von weiteren mende Kernladung wird durch die Elektronen der voll besetzten inne-
Faktoren, z.B. dem
ren Niveaus abgeschirmt, sodass auf die Außenelektronen nur eine
Betrag der lonenla-
verringerte effektive Kernladung wirkt.
dung, ab. So sind
Cu?*-Ionen kleiner als Werden die Elektronen aber auf gleichen Energieniveaus (Schalen) ein-
Cu*-lonen. gebaut, dann bleibt die Abschirmung durch die inneren Niveaus kon-
stant. Deshalb steigt mit zunehmender Protonenzahl innerhalb einer
Periode die effektiv auf die Außenelektronen wirkende Kernladung.
Daraus ergibt sich eine stärkere Anziehung und ein innerhalb einer Peri-
ode mit der Ordnungszahl abnehmender Atomradius.
Bei der Überführung von Atomen in lonen ändert sich der Radius eben-
falls. Kationen sind kleiner, Anionen sind größer als die Ausgangsatome.
lonisierungsenergie
Na(g) —- Na*(g) + e”
Ca(g) — Ca*(g)+ e”
1. lonisierungsenergie und
Valenzelektronenkonfiguration der Atome Die Abschirmung der
Kernladung nimmt
mit der Zahl der Scha-
len (Niveaus) zu, so-
dass innerhalb einer
Gruppe die Elektro-
nen mit steigender
Ordnungzszahl leich-
ter abgegeben wer-
den.
Dr de de 2
2p2 2p? 2p# 2p5 2p6
I. Hauptgruppe
"66 Atombau und Periodensystem
Die vom Betrag Die Elektronenaffinität ist ein Maß dafür, wie stark ein zusätzliches
höchste Elektronen- Elektron von einem Atom gebunden werden kann. Wird mit der Auf-
affinität (lat. affinitas nahme des Elektrons eine stabile Edelgaskonfiguration erreicht, so wird
= Verwandtschaft)
ein hoher Energiebetrag freigesetzt, z.B. bei den Elementen der VIl.
hat das Chloratom.
Hauptgruppe. Atome mit halb gefüllten (z.B. Stickstoffatome: s? p?)
oder vollständig besetzten Niveaus (Edelgasatome: s? p) sind dagegen
nicht bestrebt, Elektronen aufzunehmen, sodass zur Bildung des Anions
Energie zugeführt werden muss.
Die Elektronenaffini-
tät wird wie die loni-
sierungsenergie in eV
oder in kJ : mol”! an- H -0,76 oO -1,46
gegeben. Die Angabe Li -0,62 F -3,40
in eV erfolgt für ein- Be +0,50 Ne +0,35
zelne Atome. Sie B 0,23 el -3,60
kann durch Multipli- c -1,26 Br -3,35
kation mit der Avo- N +0,07 | -3,10
GADRO-Konstanten N,
in die molare Elektro-
nenaffinität umge- Um mehrfach geladene Anionen zu erzeugen, muss immer Energie auf-
rechnet werden gewendet werden, da die 2. und 3. Elektronenaffinität sehr stark positiv
ist. Alle mehrfach geladenen Anionen sind daher instabil und müssen
1 eV= 1,602 : 10° J wie Oxid-Ionen (0°) durch zusätzliche Energien, z.B. die Gitterenergie
1eV-M = in einem ionischen Kristallgitter, stabilisiert werden.
96,47 kJ - mol”!
Og + © —— O6 AE, = -1,46 eV
Ofg + © — 0”(g) An +8,1 eV
Wertigkeit
3
Set
T T T T T T T > HG
I Il IN IV V V Vı Vi
Atombindungen an. | Il Il IV V VI Vu
Das Periodensystem der Elemente 69.
In der Regel besitzen Metalle eine hohe elektrische und Wärmeleitfä- Nichtmetalle sind
higkeit. Diese ergibt sich aus der hohen Zahl benachbarter Atome in schlechte elektrische
den dicht gepackten Metallgittern. Durch die Kombination vieler Atom- und Wärmeleiter.
orbitale werden so genannte Bänder gebildet, die teilweise mit Elektro-
nen besetzt sind und die hohe Leitfähigkeit mit den Elektronen als La-
dungsträgern erklären (/S. 96 f.).
Innerhalb einer Periode nimmt der Metallcharakter von rechts nach
links und innerhalb einer Gruppe von oben nach unten zu. Rechts einer
durch die Elemente Bor, Silicium, Arsen, Tellur und Astat gebildeten Li-
nie stehen bei den s- und p-Elementen im PSE die Nichtmetalle, links da-
von findet man die Metalle (/ S. 448).
Den Übergang bilden Elemente, die sowohl metallische als auch nicht- Modifikationen sind
metallische Modifikationen aufweisen, die ineinander umgewandelt Formen von Elemen-
werden können. Diese Halbmetalle wie Bor oder Silicium bilden selbst ten oder Verbindun-
mit den elektronegativen Halogenen eher Atombindungen, z.B. in BCl; gen gleicher chemi-
scher Zusammen-
oder SiCl,, als ionische Bindungen aus. Die Oxide der Halbmetalle sind
setzung aber unter-
amphoter (/S. 187).
schiedlicher Struktur
Bei Raumtemperatur reagieren die und Eigenschaften.
unedlen Metalle der I. und Il.
Hauptgruppe teilweise heftig mit
Wasser. Dabei entsteht neben den
Metallhydroxiden auch Wasser-
stoff (7 Abb.). Die Reaktivität mit
Wasser nimmt mit dem Metallcha-
rakter der Elemente ab. Die meis-
ten Halbmetalle und Nichtmetalle
sind gegen Wasser beständig. Eine
Ausnahme sind die Halogene Fluor
und Chlor, die im Ergebnis einer
Redoxreaktion mit Wasser saure
Lösungen bilden.
Zahlreiche Halbme-
talle haben Halblei-
5 Beispiele für Redoxreaktionen von s- und p-Elementen mit Wasser
tereigenschaften,
0 I | 0 d. h., sie weisen eine
2Na + 2H, 0 ——— 2NaOH +H, mittlere elektrische
Leitfähigkeit auf, die
0 -| I mit steigender Tem-
Ch; + H,O —— HCI + HCIO peratur wächst.
"70 Atombau und Periodensystem
3. Gruppe: s? d!
6. Gruppe: s' d?
a Das führt bei Elementen der 6. und der 11. Gruppe zu Abweichun-
10. Gruppe: s? d® gen bei der Valenzelektronenkonfiguration der Atome.
12. Gruppe: s? d'® Chrom: [Ar] 45! 3d? Kupfer: [Ar] 45! 3d!®
Das Periodensystem der Elemente 1.
& La3+3
Q
eE 115 —
3Oo
I
s 110 En
O
105 1
Lu3+
100 -
I | | | | I | | |
56 60 64 68 72 zZ
Homologe der d- Periodische Eigenschaftsänderungen werden beim Vergleich der 4f- mit
Block-Elemente sind den 5f-Elementen deutlich. Innerhalb dieser Reihen sinkt z.B. mit dem
die in den letzten lonenradius die Basizität der Oxide.
Jahrzehnten entdeck-
ten künstlichen Nuk-
Eine Periodizität ist auch bei den Wertigkeiten zu beobachten. Alle die
lide mit den Ord-
nungszahlen 104 bis
Lanthanoide, die vier oder fünf Elektronen über der Xenon-Konfigura-
114, die 6d-Elemente tion oder ein bzw. zwei Elektronen über der Halbbesetzung des 4f-Ni-
wie Darmstadtium. veaus (4f’) aufweisen, bilden auch höher geladene Ionen (Ce**, Tb**).
Fehlen diese Elektronen zur Halbbesetzung oder zum abgeschlossenen
Niveau, so werden auch zweifach positive Ionen (Sm?*, Yb?*) gebildet
um diese stabilen Anordnungen zu erreichen.
"74 Chemische Bindung
4.1 Hauptbindungsarten
4.1.1 Überblick
Von den mehr als einhundert Elementen des Periodensystems kommen
nur sehr wenige ungebunden in der Natur vor, z.B. Edelgase und Gold;
die meisten liegen in chemischen Verbindungen vor. Ein wichtiger Un-
tersuchungsgegenstand der chemischen Wissenschaft ist die Klärung
der Frage, wie die Bindungen, d.h. der Zusammenhalt zwischen den
Atomen, Molekülen oder Ionen, zustande kommt. Je genauer das Wis-
sen darüber ist, um so besser lassen sich eine Reihe physikalischer und
chemischer Eigenschaften der jeweils betrachteten Stoffe verstehen und
voraussagen.
Erste Schritte auf dem Weg zur Aufklärung der Natur der chemischen
Bindung waren die im 17. und 18. Jh. experimentell ermittelten Feststel-
lungen über unterschiedliche Affinitäten zwischen den reagierenden
Stoffen. Man führte das spekulativ auf Liebe und Hass zwischen ihnen
zurück.
Eine wissenschaftli- FRIEDRICH AUGUST KEKULE VON STRADONITZ folgerte bereits 1858 aus den Ge-
che Hypothese ist setzen der konstanten und multiplen Proportionen (/'5. 31), dass jedes
eine nicht bewiesene Atom zur Bindung einer bestimmten Anzahl anderer Atome befähigt ist.
Aussage, die sich aber
Als Symbol wurde der Bindestrich eingeführt, der jedoch noch nicht die
auf weitgehend gesi-
Bedeutung zur Widerspiegelung eines Elektronenpaares hatte.
chertes Wissen stützt.
Die vier Bindestriche, z.B. in der Formel des Methanmoleküls, sagten zu
jener Zeit nur aus, dass ein Kohlenstoffatom mit vier Wasserstoffatomen
verbunden ist. Wie aber der Zusammenhalt zwischen den Elementen
Kohlenstoff und Wasserstoff und die räumliche Struktur des Moleküls
zustande kommen, blieb noch absolut im Dunkeln.
Hauptbindungsarten En
Ein wichtiger Fortschritt war die Entdeckung der lonen. Auf dieser Basis
entwickelte SVANTE ARRHENIUS die Hypothese zu den Bindungsverhältnis- ä
sen in salzartigen Stoffen. SVANTE ÄRRHENIUS
So konnte beispielsweise das Kochsalzgitter, bestehend aus positiv gela- (1859-1927) entwi-
ckelte die Theorie der
denen Natrium- und negativ geladenen Chlorid-lonen, die sich elektro-
elektrolytischen Dis-
statisch anziehen, plausibel erklärt werden.
soziation.
Die Struktur und das Reaktionsverhalten von Molekülverbindungen wie
Methan oder Wasserstoff konnten mithilfe der Vorstellungen von ARRHE-
NIUS nicht beschrieben werden. Auch um die besonderen Eigenschaften
der Metalle, z.B. die hohe Leitfähigkeit zu verstehen, müssen weiterfüh-
rende Modelle der chemischen Bindung herangezogen werden.
Wie alle Modelle beschreiben Bindungsmodelle die Realität in verein-
fachter Form und gelten daher nur innerhalb bestimmter Grenzen
(75. 15), z.B. für bestimmte Stoff- oder Verbindungsklassen.
Wasserstoff- VAN-DER-WAALS-
Balar | Unpelan | brückenbindung Kräfte
4.1.2 Atombindung
Bereits zu Beginn des 20. Jh. war bekannt, dass die Elektronenkonfigu- GILBERT NEWTON LEwIS
ration der reaktionsträgen Edelgase einen sehr stabilen, energiearmen (1875-1946) war ein
Zustand darstellt. GILBERT NEWTON Lewis erkannte, dass dieser Zustand amerikanischer Phy-
erreicht werden kann, indem Elektronen der äußeren, nicht vollständig sikochemiker.
Der Bindestrich zwischen den Atomen erhielt damit die Bedeutung ei-
nes bindenden Elektronenpaares. Das 1916 entwickelte Lewis-Modell
wird auch heute noch dazu genutzt, um die Valenzstrichformeln bzw.
Lewis-Formeln von Molekülen und Molekül-Ionen zu ermitteln. Dazu
bestimmt man die Gesamtzahl der Außenelektronen aller Atome in ei-
ner Molekülverbindung und verteilt diese nach der Oktettregel (bei
Wasserstoff nur ein Elektronenpaar).
Icu
H H
S 7
IN=NI
Distickstoffmonooxid Carbonat-lon
En 25 ad
= ıöi © Kof
N=N=0) L o e o e
EIN ZEN IN
I0 101 I0I 101 ı0ı 0O|
TER I! Om mo oT: INCH
Hauptbindungsarten 7
Die Molekülorbital-Theorie
Die Anzahl der gebil- Das am einfachsten aufgebaute Bildung von Y1s-MO
deten MOs ist immer Molekül besteht aus zwei Wasser-
gleich der Anzahl der stoffatomen. Man formuliert die
miteinander kombi- MOs näherungsweise, indem man
nierten AOs.
die Wellenfunktionen Y der Elek-
Energie
tronen aus den beiden 15s-Orbita-
I+
=
x
len der Atome addiert bzw. sub-
trahiert. Dieses Verfahren nennt
man lineare Kombination der Ato-
morbitale (LCAO-Methode).
Bei der Addition der beiden 1s-Orbitale der Wasserstoffatome erhält
man ein MO, in dem sich die Elektronen bevorzugt zwischen den beiden
Atomkernen aufhalten. Dieses MO bezeichnet man als bindendes
Molekülorbital oder 01s-MO.
Durch die Subtraktion der Atomorbitale (AO) entsteht ein MO mit sehr
geringer Elektronendichte zwischen den Atomkernen. Daraus resultiert
eine verstärkte elektrostatische Abstoßung zwischen den positiven Ker-
nen, sodass dieses antibindende Molekülorbital (s*1s-MO) energetisch
höher liegt als die beiden Atomorbitale.
o*1s MO (antibindend)
Energie
Energie
—_—
nz
un
un
Bindungs-
energie
co1s MO (bindend)
us
Hauptbindungsarten LE
= y Bindungslänge (r,): 74 pm
Welcher Effekt führt nun zur Energiefreisetzung bei der Besetzung des Ob sich bei der Über-
bindenden 01s-MOs? Bei der Annäherung zweier weit voneinander ent- lappung der Elektro-
fernter Wasserstoffatome kommt es zur Durchdringung der Elektronen- nenwolken eine Bin-
wolken, aus der eine höhere Elektronendichte zwischen den Kernen dung ausbildet,
hängt von der Geo-
resultiert. Dadurch verringert sich die elektrostatische Abstoßung zwi-
metrie und Energie
schen den positiven Atomkernen, es kommt zu einer Energieabsenkung
der beteiligten Atom-
und deshalb zu einer bindenden Wechselwirkung. orbitale ab. Dieser As-
Bei zu großer Annäherung der Atome werden die Abstoßungskräfte pekt der kovalenten
zwischen den Kernen jedoch wieder stärker, sodass bei einem Atomab- Bindung wird aber
stand von 74 pm ein Energieminimum erreicht wird. Dieser Abstand wesentlich besser
entspricht der Bindungslänge im Wasserstoffmolekül. durch die VB-Theorie
Im Fall der antibindenden o*-Wechselwirkung stoßen sich die Elektro- beschrieben.
nenwolken gegenseitig ab und die Elektronendichte zwischen den Ker-
nen geht gegen Null. Bei der Annäherung der Atome steigt die Energie
wegen der zunehmenden Kernabstoßung exponentiell an.
Die Durchdringung oder Überlappung der zwei 1s-Orbitale des Wasser-
stoffs führt zu einer s-s-o-Bindung.
H + H wenn H2
£ Ä ui Kernver-
R Be * a En Se bindungs-
ng u linie
"80 Chemische Bindung
Bei der Valence-Bond-Theorie geht man von den einzelnen Atomen mit
So sind s-Orbitale ku- ihren Orbitalen aus und betrachtet deren Wechselwirkungen bei der
gelförmig, p-Orbitale
Annäherung der Atome. Die VB-Theorie berücksichtigt die Geometrie
hantelförmig und d-
bzw. Symmetrie der Atomorbitale und führt dadurch - anders als das
Orbitale ähneln einer
Rosette (/S. 56).
MO-Schema - zur räumlichen Struktur der Molekülverbindungen.
Die Form der Atomorbitale wird entscheidend durch die Nebenquanten-
zahl ! bestimmt. Neben der Form müssen auch die Ausrichtung der Orbi-
tale im Raum und die Vorzeichen der Orbitallappen (/ S. 57) bei der An-
näherung der Atome beachtet werden. Bei positiver Überlappung
entsteht ein zu beiden Atomen gehörendes, gemeinsames Orbital, das
von zwei ungepaarten Elektronen der beteiligten Atome besetzt wird.
x
Px s
———>- y
Py ab
= Elektronenbesetzung im Fluoratom
Die Besetzung der Or-
bitale eines Atoms Energie
kann mittels Käst- Px Py Pz
chenschreibweise
(7 S. 60) dargestellt
werden. F 152 252 2p?
Bei der Bildung des Fluormoleküls (F,) erfolgt die Überlappung zwi-
schen den 2p,-Orbitalen, die im Grundzustand der Atome mit unge-
paarten Elektronen besetzt sind. Die Elektronenwolken überlappen ent-
lang der gestrichelt gezeichneten Verbindungslinie zwischen den
Atomkernen. Dabei lassen sich die p-Orbitale ungehindert um die Kern-
verbindungslinie drehen, ohne dass die Überlappung verändert wird.
Hauptbindungsarten 817
909-3
Bei der Bildung des
Fluorwasserstoffmo-
leküls ergibt sich eine
p,-Orbital p,-Orbital p-p-o-Bindung ebenfalls rotations-
(rotationssymmetrisch) symmetrische s-p-O-
Bindung.
FE + F => Fp
Energie lt]!
Pr Py Pr
c 152 252 2p?
Auf diesem Wege sind vier ungepaarte Elektronen des Kohlenstoffs ent-
standen. Würden das eine 2s- und die drei 2p-Orbitale nun mit je einem
s-Orbital des Wasserstoffs überlappen, so müsste ein Wasserstoffatom
fester als die übrigen drei gebunden sein, denn s-s-s-Bindungen sind
fester als s-p-s-Bindungen. Die Winkel zwischen den Bindungen
müssten 90° betragen, da p-Orbitale senkrecht aufeinander stehen
(75.57).
1832 Chemische Bindung
In räumlicher Darstel- ein s-Orbital und drei p-Orbitale bilden vier sp3-Hybridorbitale
lung lassen sich mo-
dellhaft der Grundzu-
stand (A), der ange-
. + <Q —— x >)
Energie
stand (C) abbilden.
chybr. 152 2sp?
A z B z
y -
2 x 2 x
2522p2 2512p3 2sp?
a —— >
Kernverbin-
dungslinie
Orbitaldarstellung Kugel-Stab-Modell
s-sp3-o-Bindung
CHz— CH;
sp3-sp3-o-Bindung
e :
u © bitale bilden einen
Oo Oo
Winkel von 120 ° in
a .
e =
der Ebene. Man be-
zeichnet das auch als
(Gl 25? 2p? E22 152 25! 2p? trigonal-planaren Zu-
Grundzustand angeregter Zustand stand des Kohlen-
stoffatoms.
S ltle|
.o
5
®
räumliche Darstellung
Hybridzustand des sp2-Hybridzustandes
"84 Chemische Bindung
Aus dem Modell wird ersichtlich, dass beim Versuch der Drehung um die
C-C-Achse die Doppelbindung aufgebrochen werden müsste. Damit ist
die freie Drehbarkeit nicht mehr gegeben, woraus folgt, dass die »-Bin-
dungen, anders als o-Bindungen nicht rotationssymmetrisch, sondern
nur noch flächensymmetrisch sind.
N | | \ I /
C=C=C-C-H g=€E-C=C
€ I 7 | N
H H HH H
Buta-1,2-dien Buta-1,3-dien
Hauptbindungsarten 85 |
p,-Orbitale p-p-n-Bindung
s-sp2-o-Bindung
p-p-r-Bindung
2p,-Atomorbitale (Bindungswinkel delokalisiertes n-Elektronensystem
der Kohlenstoffkette = 120°)
Bindungsverhältnisse im Ethinmolekül ä
Im Ethinmolekül sind die beiden Kohlenstoffatome sp-hybridisiert. Der Es gibt auch Verbin-
Winkel zwischen beiden sp-Hybridorbitalen beträgt 180°. dungen mit mehr als
Die beiden nicht hybridisierten p-Orbitale der Kohlenstoffatome bilden einer Dreifachbin-
bei ihrer Überlappung zwei p-p-n-Bindungen, die flächensymmetrisch in dung im Molekül.
Moleküle mit zwei
einem Winkel von 90° zueinander stehen.
Dreifachbindungen
heißen z.B. Diine.
hh 1
Aus der leichten Ver- Die experimentelle Bestimmung der Bindungslängen zwischen den Koh-
schiebbarkeit der lenstoffatomen zweier Kohlenstoffschichten zeigt, dass die p-Orbitale
Kohlenstoffschichten sich kaum überlappen. Wäre das der Fall, müsste die Bindungslänge ge-
des Grafits resultiert
ringer sein. Die Elektronen der p-Orbitale können nicht einzelnen Bin-
die Anwendung als
dungen bzw. Atomen zugeordnet werden. Man spricht deshalb von de-
festes Schmiermittel.
lokalisierten Elektronen, die sich in einem elektrischen Feld zwischen
den Schichten der Kohlenstoffgitter bewegen können. Diese Modellvor-
stellung erklärt die elektrische Leitfähigkeit des Grafits ebenso wie die
schwarze Farbe und den metallischen Glanz.
Im Diamant liegen dagegen alle Elektronen des Kohlenstoffs lokalisiert
in starken Bindungen vor. Deshalb ist diese Kohlenstoffmodifikation viel
härter als Grafit und ein guter Isolator.
Hauptbindungsarten 8 |
Polare Atombindungen
ON Nor
H :ooCL
HCL
unpolares Molekül polares Molekül
Dennoch kann nicht in jedem Fall bei einem Halogenderivat von einem
polaren Molekül ausgegangen werden. Trotz der Polarität der vier Bin-
Tetrachlormethan
dungen zwischen Chlor- und Kohlenstoffatomen ist das Tetrachlorme-
thanmolekül unpolar. Da die Chloratome völlig symmetrisch um das 5_
ICLI
zentrale Kohlenstoffatom angeordnet sind, fallen der positive und der S_ | $+ _
negative Ladungsschwerpunkt im Zentrum des Moleküls zusammen. In IA-C- Cl
I
solchen Fällen kompensieren sich die positiven und negativen Partialla- ICli-
dungen und das Molekül ist kein permanenter Dipol.
88 Chemische Bindung
Bindungsverhältnisse im Wassermolekül
Ä Das Sauerstoffatom hat im Grundzustand die folgende Elektronenkonfi-
Das Valence-Bond- guration: 1s? 25? 2p*. Bei der Hybridisierung entstehen aus den 2s und
Modell lässt sich 2p-Orbitalen vier sp?-Hybridorbitale.
ebenfalls für die Er-
klärung der Struktu-
ren und Eigenschaf- B Elektronenkonfiguration des Sauerstoffs
ten von Aromaten
(7 S. 281) und Kom-
plexverbindungen
(7 5. 82) erfolgreich
nutzen.
1]N 2 p* oO hybr. 1 s2 2sp?
O 15? 2s2
Sauerstoff im Grundzustand Sauerstoff im Hybridzustand
4.1.3 lonenbindung
Ä
lonen sind elektrisch geladene Teilchen, die durch Aufnahme (negative lonos stammt aus
Anionen) bzw. Abgabe (positive Kationen) von Elektronen aus den Ato- dem Griechischen
men entstehen. und heißt Wanderer.
Hier sind damit Teil-
chen gemeint, die im
M Na(g) ——- Natlg) + © AE = lonisierungsenergie
elektrischen Feld
Clg) + e —— Cl(g) AE = Elektronenaffinität wandern.
Kationen werden besonders einfach von den Elementen der I. und Il.
Hauptgruppe des Periodensystems gebildet, die nur eine sehr geringe
lonisierungsenergie aufbringen müssen, um eine stabile Edelgaskonfi-
guration zu erreichen. Die Nichtmetalle der VI. und VIl. Hauptgruppe
bilden dagegen sehr leicht Anionen.
Na 15? 25? 2p@ 35! Na* 15? 222 2p° Ne 1s? 25? 2p°
Mg 15? 25? 2p® 35? Mg°* 15? 25? 2p®
P 15? 25? 2p® 35? 3p? PP | 15? 25? 2p® 35? 3p® Ar 15? 25? 2p® 35? 3p®
cl 15? 25? 2p® 35? 3p? c" 15? 25? 2p® 35? 3p®
Um durch lonenbil-
dung eine Edelgas-
konfiguration zu er-
136 reichen, müsste
Kohlenstoff vier Elek-
el 99 cl“ 181 tronen aufnehmen
bzw. abgeben. Der
Br 114 Br” 195 Energieaufwand da-
für ist so hoch, dass
Na 186 Na* 95 Kohlenstoff keine io-
nischen Bindungen
K 231 K* 133 ausbildet.
Negative lonen sind stets größer als das neutrale Atom, während posi-
tive Ionen aufgrund des Fehlens der letzten Schale stets kleiner als das
dazugehörige Atom sind.
90 Chemische Bindung
Es existieren auch Aufgrund der sehr starken Bindungskräfte zwischen den lonen sind lo-
lonenverbindungen, nenkristalle Festkörper mit hohen Schmelzpunkten.
| die keine Metall- Beim Kochsalzionengitter ist jedes Natrium-Ion von sechs Chlorid-Ionen
Kationen enthalten, umgeben und jedes Chlorid-Ionen von sechs Natrium-lonen. Diese An-
z.B. NH,CI.
zahl wird als Koordinationszahl bezeichnet. Beim Natriumchlorid be-
trägt sie sechs. Vernachlässigt man die relativen Ionengrößen und die
realen Bindungsabstände, so kann man Kochsalz mit dem Gittermodell
darstellen. Bezieht man die Größenverhältnisse der Ionen und die Ab-
stände zwischen ihnen mit ein, so ergibt sich ein Packungsmodell.
Gittermodell Packungsmodell E
Chlorid- 7 Natrium-
Ion = FT Ion
Natrium-Ion
Salze mit komplexen Das Verhältnis der Ionenladungen bestimmt das Stoffmengenverhältnis
Anionen (CO3°, der Anionen und Kationen im Gitter. Da lonenverbindungen nach au-
NO3", SO,2°) kristalli- Ben neutral sind, kommen auf ein zweifach geladenes Kation zwei ein-
sieren in nicht ganz so
fach geladene Anionen. Solche Salze wie MgCl, oder CuCl, bezeichnet
einfachen Gitter-
man als AB,-Verbindungen, während NaCl oder AgBr zu den AB-Verbin-
strukturen.
dungen gehören. Die genannten Zusammenhänge zeigen, dass z.B. mit
der für das Natriumchlorid gebräuchlichen Formel NaCl, oder genauer
Na*Cl”, nur das Zahlenverhältnis der Natrium- und Chlorid-Ionen ange-
ben wird. Über die Koordinationszahl und die Gitterstruktur erfolgt mit
der jeweiligen Formel keine Aussage. Für die räumliche Anordnung der
lonen in verschiedenen Gittertypen (/S. 92) ist das Größenverhältnis
der Anionen und Kationen von entscheidender Bedeutung.
Hauptbindungsarten sf
AEg wnacı)
a,
3 “ao
33
|
Asa
117 Kumol
I
) ”
Mu
) -365 k/mol195 (yo
N
Bildungsenthalpien von NaCl AH; nacı)
Die Bildung von lonenkristallen aus den Elementen ist insgesamt ein
exothermer Prozess. Die Ursache dafür ist hauptsächlich die Gitterener-
gie, die auch die Energie für die endothermen Teilschritte der Reaktion
aufbringt. Die Gitterenergie kann experimentell nur indirekt, z.B. über
den BorRN-HABER-Kreisprozess, bestimmt werden.
9 Chemische Bindung
Die Strukturen, die im lonengitter gebildet werden, sind durch das stö-
Ä chiometrische Verhältnis der Anionen und Kationen und die Größe der
Wie für die AB-Gitter lonen bestimmt. Bei lonenverbindungen mit der Verhältnisformel AB
sind auch für AB,-Ver- werden - in Abhängigkeit vom Radienverhältnis rkation: FAnion — drei cha-
bindungen verschie- rakteristische Gittertypen ausgebildet. Die großen Anionen bilden bis
dene Gittertypen,
zu einem Radienverhältnis von 0,73 eine dichteste Kugelpackung. Die
z.B. der CaF, oder der
TiO,-Typ, bekannt.
kleinen Kationen liegen dann in den Lücken dieser Packung. Bis zu ei-
nem Radienverhältnis von 0,41 liegen die Kationen in den Tetraeder-
lücken der dichtesten Packung der Anionen und haben demzufolge die
Koordinationszahl 4. Kationen mittlerer Größe besetzen die größeren
Oktaederlücken und sind von sechs Anionen umgeben.
Sehr große Kationen passen nicht mehr in die Lücken der dichtesten Pa-
ckung, sodass ab einem Radienverhältnis von 0,73 ein anderes Gitter
vom CsCI-Typ aufgebaut werden muss.
FKation : FAnion
Koordinationszahl 4 6 8
Kugel-Stab-Modell
Packungsmodell
Zu den Substanzen, die lonengitter bilden, gehören sowohl Salze wie Na-
triumchlorid, Kupfersulfat und Calciumcarbonat, als auch Metalloxide
wie Magnesiumoxid und Calciumoxid, aber auch Metallhydroxide, wie
beispielsweise festes Natriumhydroxid. Diese Substanzen sind alle aus lo-
nen aufgebaut und man bezeichnet sie deshalb auch als salzartige Stoffe.
Substanzen mit lonengittern leiten den elektrischen Strom nicht, da die
lonen an ihre Gitterplätze gebunden sind. Werden solche Substanzen
jedoch geschmolzen oder in Wasser gelöst, so entstehen frei bewegliche
lonen, sodass die Schmelze oder die Lösung elektrische Ladungen trans-
portieren können.
Bei Normaltemperatur schwingen die lonen um ihre Gitterplätze. Es
muss viel Energie aufgebracht werden, damit die Eigenschwingung der
Ionen groß genug wird, die Bindungskräfte zu überwinden und sie in
einer Schmelze gegeneinander beweglich sind.
Hauptbindungsarten 93
Aus dem Gesetz lässt sich schlussfolgern: Je größer die Ladungen der Mediums, z.B. Luft
oder Wasser, zwi-
Ionen und je kleiner der Abstand der Ladungsschwerpunkte ist, um SO ‚chen den lonen be-
stabiler ist das Gitter. Des Weiteren wird ersichtlich, dass Ionen mit klei- rücksichtigt.
nem Radius und hoher Ladungszahl sich stärker anziehen als Ionen mit
großem Radius und niedriger Ladungszahl.
NaF MgF,
Zahl der Ionenladungen 1 2
Gitterenergie in kJ)-mol"! 908 2 883
Schmelztemperatur in °C 992 2239
Die Bildung der Hydrathülle wird als Hydratation (oder Solvatation) Knen mit Hydrat-
bezeichnet. Der Vorgang ist exotherm und die frei werdende Ener- ulle
SC
unpolare Atombin-
dung
tr : 5 ;
AEN< 1,7 H is Br polare Atombindung
4.1.4 Metallbindung
Metalle zeigen einen metallischen Glanz, besitzen im Allgemeinen eine Aufgrund ihrer nied-
gute elektrische und Wärmeleitfähigkeit und sind häufig leicht verform- rigen lonisierungs-
bar. Diese Eigenschaften veranschaulicht das Elektronengasmodell der energien (/S. 65) ge-
chemischen Bindung in Metallen. Quantenchemische Erkenntnisse wer- ben Metalle ihre
Außenelektronen
den in dieses Modell nicht einbezogen. Modellhaft wird angenommen,
sehr leicht ab.
dass die Valenzelektronen sich von den Atomen gelöst haben und die so
genannten Atomrümpfe gasartig umgeben. Die positiv geladenen
Atomrümpfe bilden die Gitterstruktur der Metalle und werden durch
das delokalisierte Elektronengas zusammengehalten.
Die Existenz der beweglichen Elektronen erklärt auch die Leitfähigkeit Die Abnahme der
der Metalle. Das Modell ist dynamisch aufzufassen. Im Metallgitter lie- Leitfähigkeit der Me-
gen zu einem Zeitpunkt sowohl Metallatome als auch Ionen vor, die talle mit steigender
Temperatur wird
kurzzeitig wieder zu Ionen oder Atomen werden können.
durch stärker wer-
dende Gitterschwin-
Metallgitter gungen erklärt. Die
freie Elektronen zunehmenden Kolli-
SaTaaad, (Elektronengas)
sionen der Elektro-
29393933 Metallatom nen mit den Atomen
Das Bändermodell
Beim Beryllium dagegen (15? 25?) ist das Valenzband voll besetzt, sodass
innerhalb dieses Energiebandes keine elektrische Leitung möglich wäre.
Aufgrund der Überlappung mit dem leeren 2p-Band können die Elek-
tronen jedoch freie MOs im Leitungsband besetzen, in denen sie wieder
frei beweglich sind und so den elektrischen Stromfluss ermöglichen.
Es könnte angenommen werden, dass bei Temperaturerhöhung die
elektrische Leitfähigkeit der Metalle steigt, da Elektronen vermehrt an-
geregt werden, in energetisch höhere Leitungsbänder zu wechseln. Das
ist jedoch nicht der Fall; vielmehr verringert sich die Leitfähigkeit bei
Temperaturerhöhung.
Hauptbindungsarten 97%
Das hängt mit der vermehrten Kollision der Elektronen aufgrund ihrer
höheren kinetischen Energie zusammen. |
Anders verhält es sich bei den Halbleitern, z.B. Silicium, die bei Tempe- Mit dem Bändermo-
raturerhöhung eine erhöhte Leitfähigkeit zeigen. Bei Halbleitern be- dell können die elek-
trischen und Wär-
findet sich zwischen Valenz- und Leitungsband eine relativ geringe
meleiteigenschaften
„Bandlücke”, die erst bei energetischer Anregung durch die Elektronen
von allen Stoffen an-
übersprungen werden kann. Eine strenge Abgrenzung zwischen Halb- schaulich und ohne
leitern und Isolatoren gibt es nicht. Bei Isolatoren ist die „Bandlücke” Widersprüche erklärt
relativ breit; sie würden bei thermischer Anregung eher zerfallen, als werden.
dass die Bandlücke von den Elektronen übersprungen wird.
Bandlücke | AE
Bandlücke ! AE
Aus der Metallbindung resultieren weitere wichtige Eigenschaften der Dichteste Kugelpa-
Metalle. Da in Metallen im Gegensatz zu lonengittern keine ab- ckungen sind schicht-
stoßenden Kräfte gleichartiger Ionen wirksam sind, sondern Bindungen weise Anordnungen
als „Makro-Molekülorbitale”, d.h. Bänder, vorliegen, können sich sehr von gleich großen,
kugelförmigen Ato-
viel dichtere Gitterstrukturen bilden. Man findet in Abhängigkeit von
men oder lonen auf
dem Atomdurchmesser nur drei bedeutende Gittertypen: Hexagonal
kleinstmöglichem
dichteste Kugelpackung, kubisch dichteste Kugelpackung und kubisch Raum.
innenzentriertes Gitter.
Metallgitter sind häufig duktil, d.h., sie lassen sich verformen, wobei
Atomschichten verschoben werden. Besonders gut verformbar sind
Gold, Silber, Blei und Kupfer, die zum Typ der kubisch dichtesten Kugel-
packung gehören.
4.2.1 VAN-DER-WaaArs-Kräfte
JOHANNES DIDERIK VAN Obwohl Moleküle wie die des Wassers, des Methans, des Monochlorme-
DER Waaus (1837 bis thans, des Chlors oder auch Atome der Edelgase nach außen neutral
1927) war ein nieder- sind, können sie miteinander in Wechselwirkungen treten, die im Allge-
ländischer Physiker. meinen wesentlich schwächer sind als andere chemische Bindungen.
Auch unpolare Mole- Hier gibt es nach abnehmender Stärke der Wechselwirkungen Abstu-
küle können polare fungen:
Eigenschaften auf- 1. Dipol-Dipol-Wechselwirkungen,
weisen, indem durch 2. Wechselwirkungen zwischen einem Dipolmolekül und einem unpo-
die Verschiebung der
laren Molekül,
Elektronenwolken Di-
3. Wechselwirkungen zwischen unpolaren Molekülen oder Atomen.
pole induziert wer-
den. Wäre das nicht
der Fall, könnte z.B. 1. Dipol-Dipol-Wechselwirkungen
Methan nicht ver- Chlorwasserstoff, Wasser und andere kovalente Verbindungen bestehen
flüssigt werden. aus Molekülen, die aufgrund ihrer Struktur polar sind. Solche perma-
nenten Dipole richten sich ohne äußeren Einfluss entsprechend der
elektrostatischen Anziehung ihrer Partialladungen nacheinander aus.
a
U
Anziehung
polares Molekül (Dipol) unpolares Molekül permanenter Dipol induzierter Dipol
Besondere Wechselwirkungen zwischen Molekülen |
3. Wechselwirkungen zwischen unpolaren Molekülen oder Atomen
Aufgrund der VAN-DER-WAALS-Kräfte zwischen unpolaren Teilchen kön- ä
nen selbst Wasserstoff und Helium bei tiefen Temperaturen verflüssigt H,5 besitzt nur ein
werden. Ursache der Anziehung ist eine kurzzeitige unsymmetrische sehr geringes Dipol-
moment, weil Schwe-
Verteilung der Ladungswolken, was zu einem induzierten temporären
fel elektropositiver
Dipol führt. Ein solcher temporärer Dipol kann wiederum Dipolmo-
als Sauerstoff ist. Au-
mente benachbarter Moleküle oder Atome induzieren. Dies ist ein stän- Berdem ist das
dig wechselnder, dynamischer Prozess. Umfangreiche Elektronensys- Schwefelatom we-
teme unpolarer Moleküle, z.B. das der mittleren Alkane (7 S. 275), sind sentlich größer als
leichter deformierbar als die kleineren Moleküle. Das trifft auch auf die das Sauerstoffatom,
atomar vorkommenden Edelgase zu. So hat Xenon gegenüber dem He- weshalb die Wasser-
lium nicht nur aufgrund seiner größeren Masse einen höheren Siede- stoffbrückenbindung
punkt, sondern auch, weil die größere Elektronenhülle des Xenons we- wenig effektiv ist. HS
ist deshalb anders als
sentlich leichter deformierbar ist.
H,O bei Zimmertem-
peratur gasförmig.
4.2.2 Wasserstoffbrückenbindungen
Wasser (H,O) hat mit der molaren Masse von 18 g:mol-! unter Normal-
druck einen Siedepunkt von 100 °C. Schwefelwasserstoff (H,S) siedet bei
-53 °C, ist also bei Zimmertemperatur gasförmig - und das bei fast dop-
pelt so großer Molekülmasse.
Dieses Phänomen beruht auf der Ausbildung von Wasserstoffbrücken- Chlorwasserstoff und
bindungen zwischen den Wasserstoff- und Sauerstoffatomen benach- Ammoniak sind bei
barter Moleküle. Die stark elektronegativen Sauerstoffatome ziehen die Zimmertemperatur
Elektronen der kovalenten O-H-Bindung sehr weit zu sich heran. Da- gasförmig und nicht
flüssig, weil sich je-
durch entsteht am Sauerstoff eine negative und am Wasserstoff eine
weils nur eine Was-
starke positive Partialladung. Die positivierten Wasserstoffatome la-
serstoffbrückenbin-
gern sich an die freien Elektronenpaare benachbarter Wassermoleküle, dung ausbilden kann.
die auf diese Weise große Molkülverbände bilden können. Die Bin-
dungsenergie ist mit 21 kJ-mol-! relativ gering, beeinflusst jedoch den
Siedepunkt bedeutend.
Wasserstoffbrückenbindungen
3 &ı [ 5
nn 0: Son : ö* MI.
” 10 %W \ A | n
einzelnes Wassermolekül +
» st
W Wassermoleküle mit
' ; Wasserstoffbrückenbindungen
'
'
g 100 Chemische Bindung
i »in °C k H,O
100 -
Die besonderen Ei-
genschaften des Was- 50 -
sermoleküls, (Dipol-
5 charakter, Ausbil-
% dung der Wasser- 0-
stoffbrückenbindun-
gen) sind eine wich-
tige Grundlage für 30 =
die Existenz des Le-
bens. Der größte Pro- _100 -
zentsatz der Körper-
masse von Lebewesen
besteht aus flüssigem -150
Wasser. >
Molekülmasse (relativ)
Eine wichtige Funk- Wenn das Eis schmilzt, werden die Wasserstoffbrücken teilweise gelöst
tion haben Wäasser- und es entstehen kleinere Cluster. Bei 4 °C wird die größte Dichte des
stoffbrückenbindun- Wassers erreicht. Wird die Temperatur erhöht, dehnt sich Wasser wie
gen beim Aufbau jede andere Flüssigkeit aus. Dieser Dichte-Temperatur-Zusammenhang
lebender Strukturen.
wird als Anomalie des Wassers bezeichnet.
So wird die räumliche
Struktur von Eiwei-
Ben durch Wasser-
stoffbrückenbindun-
gen bestimmt
(7 S. 326 ff.).
I 102 Grundzüge der physikalischen Chemie
1. Ein offenes System kann sowohl Materie als auch z.B. Lagerfeuer oder Blätter grü-
Energie mit seiner Umgebung austauschen. ner Pflanzen
2. Ein geschlossenes System kann keine Materie, z.B. Sonnenkollektor oder ver-
aber Energie mit seiner Umgebung austauschen. schlossenes Reagenzglas
Bei thermodynami- Das System hat somit Energie in Form von Wärme an seine Umgebung
schen Rechnungen abgegeben. Die Reaktion besitzt eine exotherme Wärmetönung. Ein
wird die absolute Transfer von Wärmeenergie von einem System in seine Umgebung kann
Temperaturskala mit somit durch die damit verbundene Temperaturänderung verfolgt wer-
der Einheit Kelvin (K)
den. Die übertragene \Wärmemenge ist proportional zur gemessenen
benutzt.
Temperaturänderung AT:
0°C=273,15K. Q-AT
Dieser Wert wird Die Proportionalitätskonstante wird Wärmekapazität genannt und mit
meist auf0 °C=273K dem Symbol C bezeichnet.
abgerundet. Q=C-AT
Die Wärmekapazität ist von der jeweiligen Substanz, d.h. deren Stoffei-
genschaften und der vorhandenen Stoffmenge n, abhängig. Deshalb
wird für jede Substanz eine spezifische Wärmekapazität c angegeben,
bezogen auf ein Gramm oder ein Mol der Substanz.
Q=n:c-AT
Die Einheit der spezi- Dieser Zusammenhang zwischen der Temperaturänderung eines Sys-
fischen Wärmekapa- tems und der zugeführten bzw. abgegebenen Wärmemenge ist die
zität ist J-K'-g' Grundgleichung der Wärmelehre.
oder J-K!- mol".
Wärmekapazitäten
können mittels Kalo-
rimetrie bestimmt
werden (/S. 109).
Chemische Thermodynamik 105 ö
Der Aggregatzu-
stand der an einer Re-
aktion beteiligten
Stoffe wird nach den
Große Volumenänderungen kön- englischen Begriffen
nen bei chemischen Reaktionen gaseous, liquid und
insbesondere dann auftreten, solid mit den jeweili-
wenn gasförmige Stoffe an der Re- gen Anfangsbuchsta-
Salzsäure ben g, | und s in Klam-
aktion beteiligt sind. So verdrängt
mern hinter dem
z.B. das Kohlenstoffdioxid, das bei
Stoff gekennzeich-
der Reaktion von Salzsäure mit net. (aq) bedeutet,
Calciumcarbonat gebildet wird, dass der Stoff in Was-
die Flüssigkeit in einem über ein ser gelöst vorliegt.
U-Rohr mit dem System verbunde-
nen Reagenzglas und verrichtet
dabei Volumenarbeit.
Die Volumenarbeit bei konstantem Umgebungsdruck pym kann nach Arbeit und Wärme
untenstehender Gleichung berechnet werden. Das Minuszeichen ergibt haben die gleiche
sich aus der Tatsache, dass Arbeit gegen eine konstante äußere Kraft Einheit: Joule ()). Bei
verrichtet wurde. Dabei verringert sich die Energie des Systems, da es chemischen Syste-
men tritt Arbeit in
Arbeit an der Umgebung geleistet hat.
Form von elektri-
scher Arbeit
W=-Pum AV (7 5. 136) bzw. Volu-
menarbeit auf.
® Welche Volumenarbeit leistet das System beim Umsatz von 2 mol
Salzsäure mit 1 mol CaCO; unter Normbedingungen?
Analyse:
Entsprechend der oben stehenden Gleichung entsteht bei dieser Wenn die äußeren
Reaktion 1 mol Kohlenstoffdioxid, das als ideales Gas betrachtet Bedingungen von
werden kann. Unter Normbedingungen nimmt 1 mol des idealen den Normbedingun-
gen (p = 101,3 kPa,
Gases ein Volumen von 22,4 I ein. Die Volumenänderungen der be-
T=273K) abweichen,
teiligten Flüssigkeiten und Festkörper werden vernachlässigt.
wird das Volumen
CO, nach der Zu-
Gesucht: W standsgleichung für
ideale Gase ermittelt:
Gegeben: p = 101,3 kPa Vo=0l
n(CO,) = 1 mol V(CO,) = 22,4 | p-V=n-R-T
Ergebnis:
Das System leistet eine Volumenarbeit von 2 270 Joule.
I 106 Grundzüge der physikalischen Chemie
Wird eine Messgröße, Für chemische Reaktionen, bei denen nur Volumenarbeit verrichtet wird
z.B. Druck oder Volu- ist, erhält man folgende mathematische Form des ersten Hauptsatzes:
men, konstant gehal-
ten, kennzeichnet AU=Q-p:AV
man diesen Sachver-
halt durch einen tief-
Ein wichtiger Spezialfall dieser Formel ergibt sich, wenn die Reaktion
gestellten Index. Qy
ist die bei konstan- bei konstantem Volumen durchgeführt wird. Da dann keine Volumenar-
tem Volumen ausge- beit stattfinden kann (AV= 0), entspricht die Änderung der inneren En-
tauschte Wärme. ergie der ausgetauschten Wärme.
AU = Qv = Cy . AT
Q, =AU+p:AV
Die Enthalpie ist die
praktisch am ein- Bei den meisten chemischen Reaktionen wird somit die Wärme Q, aus-
fachsten handhab- getauscht, für die man eine neue Größe, die Enthalpie H, einführt.
bare Größe zur Be-
schreibung der
Energieumwandlung
bei chemischen Reak-
tionen. Die Einheit
der Enthalpie ist
Joule ()).
Chemische Thermodynamik 107 j
Der Wert von Zustandsgrößen hängt nur vom Anfangs- und vom Endzu- Weitere wichtige Zu-
stand des Systems ab. Ihr Wert ist somit unabhängig von der Prozessfüh- standsgrößen sind
rung, d.h. vom jeweiligen Weg auf dem die Zustandsänderung erfolgt. das Volumen V, der
Druck p oder die Tem-
peratur T.
Wärme und Arbeit sind dagegen wegabhängige Größen. Ihr Wert wird
stark von den äußeren Bedingungen beeinflusst, bei denen der Prozess
durchgeführt wird. Wegabhängige Größen werden in der Thermodyna-
mik als Prozessgrößen bezeichnet.
Ein Nachteil der Enthalpie und der inneren Energie besteht darin, dass
beide Größen nicht als absolute Energiewerte bestimmt werden kön-
nen. Deshalb betrachtet man die Änderung der Enthalpie bzw. der in-
neren Energie eines Systems.
Reaktionsenthalpien sind abhängig von der Temperatur und dem Eine definierte Tem-
Druck, bei dem die Reaktion stattfindet, und sie hängen außerdem vom peratur ist nicht Be-
Aggregatzustand der beteiligten Komponenten ab. Um die Enthalpie- standteil des Begrif-
änderung verschiedener chemischer Reaktionen vergleichen zu kön- fes Standardbedin-
gungen. Sie ist belie-
nen, ist es notwendig, einen Satz von Standardbedingungen zu definie-
big wählbar und muss
ren, der als Referenz oder Bezugspunkt dient.
zusätzlich angegeben
werden. Tabellierte
1. Standarddruck: p = 1,01325 bar = 1,01325 - 10° Pa = 101,3 kPa Werte sind im Allge-
2. Der Standardzustand ist der energieärmste und damit thermodyna- meinen auf die
misch stabilste Zustand, in dem eine Substanz bei Standarddruck Raumtemperatur von
und der betrachteten Temperatur vorliegt. 298 K bezogen.
& 108 Grundzüge der physikalischen Chemie
Die Standardbil-
dungsenthalpie [Ein-
heit: J-mol-!] ist eine
molare Größe. Der In-
dex f kommt aus dem
Englischen (engl. for-
mation = Bildung). Die Enthalpieänderung einer chemischen Reaktion kann auch aus der
Differenz der Bildungsenthalpien der an der Reaktion beteiligten Pro-
dukte und Edukte berechnet werden (/75S. 110). Dabei ist zu beachten,
dass die Bildungsenthalpie der Elemente im Standardzustand Null ist.
schwefel Sg.
weisen eine negative Standardbil-
dungsenthalpie auf. Sie sind ther-
modynamisch relativ stabil, da zu exotherme
ihrer Zersetzung Energie zuge- Y Verbindungen
führt werden muss.
Chemische Thermodynamik 109 N
Verbrennungsenthalpien
Es gibt mehrere Arten von Kalorimetern, die sich im Messprinzip oder in Mittels Kalorimetrie
der Konstruktion unterscheiden. Verbrennungswärmen bestimmt man können nicht alle Re-
häufig in einfachen Bombenkalorimetern (V= konstant, / Abb.). Diese aktionswärmen be-
stimmt werden. Die
bestehen aus einem stabilen Metallzylinder, der von einem Wasserbad
untersuchten Pro-
umgebenen „Bombe“. Das Kalorimeter ist so aufgebaut, dass weder En-
zesse müssen hinrei-
ergie noch Arbeit mit der Umgebung ausgetauscht werden können, chend schnell und
und stellt ein isoliertes System dar. möglichst vollständig
Über einen Zünddraht leitet Zündun verlaufen. Außerdem
man die Verbrennung der zu 1. 5 muss die Reaktions-
untersuchenden Substanz ein. HM] wärme so groß sein,
Die dabei frei werdende A dass ein deutlicher
Wärme wird von der Bombe an | |4 Isolierung Temperaturunter-
schied im Wasserbad
das Wasserbad abgegeben und IE
messbar ist, da an-
führt zu einer Erhöhung der
sonsten der Messfeh-
Temperatur. Aus der gemesse- ler zu groß wird.
nen Temperaturänderung und Wasserbad
der bekannten \Wärmekapa- - Ther-
zität des Kalorimeters C« kann 5 mometer
man die Reaktionswärme Qy i robe
berechnen: i
h —— „Bombe”
CAT a — -
Qu = —— SE ETSETFETERETE
a 110 Grundzüge der physikalischen Chemie
Enthalpie
Anwendung des Sat- ten Bildungs- oder Verbrennungs-
zes von H. Hess (1802 enthalpien der beteiligten Stoffe
bis 1850).
ermittelt werden. So ist z.B. die Bil-
dungsenthalpie von CO nicht di-
rekt messbar, da bei der Verbren- _393 K)-mol-'
nung von Kohlenstoff immer ein _283 KJ-mol-'
Anteil CO, gebildet wird. Betrach-
tet man die Reaktion als Teil der
vollständigen Verbrennung von
Kohlenstoff zu CO,, dann kann
man die Enthalpieänderung jedoch
leicht berechnen.
Gesucht: _A+HP(CO)
Mithilfe des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik kann die Umwand- Anders als Gase sind
lung chemischer Energie in Wärme oder Arbeit quantitativ berechnet Flüssigkeiten nicht in
werden. Er macht jedoch keine Aussagen zur Richtung, in die ein Pro- jedem Fall unbe-
zess verläuft. Dies ist besonders für die Betrachtung chemischer Reaktio- grenzt miteinander
mischbar.
nen von Bedeutung, um erkennen zu können, ob eine Reaktion auch zu
den gewünschten Produkten führt. Auch endotherme Prozesse,
wie das Auflösen von Ammoniumnitrat in Wasser, können frei-
willig ablaufen. Die alltägliche Erfahrung zeigt, dass viele
Prozesse in der Natur spontan bzw. freiwillig stattfinden,
andere dagegen erzwungen werden müssen. So ver-
teilen sich Moleküle von miteinander mischbaren
Flüssigkeiten wie Tinte und Wasser freiwillig un-
ter Bildung einer homogenen Lösung.
Zwischen einem heißen und einem kalten
Körper findet ein freiwilliger Wärmeü-
bertrag statt. Der Wärmeübertrag en-
det dann, wenn beide Körper die glei-
che Temperatur besitzen. Diese Beispiele
weisen darauf hin, dass freiwillige Pro-
zesse in einem geschlossenen System
stets von einem Zustand höherer Ord-
nung zu einem Zustand mit niedrigerer
Ordnung verlaufen. Die jeweils umge-
kehrten Prozesse sind niemals beobach-
tet worden, ohne dass dem System eine
äußere Arbeit zugeführt wurde.
Die Entropie
i
Die Einheit der Entro- Um die experimentellen Beobachtungen, die zur Formulierung des
pie ist J-K”! oder als zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik führten, quantitativ zu be-
molare Größe bezo- schreiben, führten CLausius und THOMson Mitte des 19. Jh. eine neue
gen auf die Stoff- thermodynamische Zustandsgröße, die Entropie $, ein. Die Bedeutung
menge J-K':mol-!. der Entropie für die Beschreibung vieler natürlicher Prozesse und insbe-
sondere für den Energieumsatz chemischer Reaktionen, die man als um-
kehrbare, d.h. reversible Prozesse betrachten kann, wurde erst viele
Jahre später erkannt.
2. Führt man die Expansion in vielen kleinen Schritten durch das suk-
zessive Entfernen von unendlich vielen kleinen Gewichten durch,
dann verläuft der Prozess sehr langsam. Es treten praktisch keine
Wärme-verluste auf. Jeder einzelne Teilschritt kann rückgängig ge-
macht werden. Der reversible Prozess ist ohne Energieverlust um-
kehrbar.
Wkompression = — Wexpansion (Orev =0)
a Wie groß ist die Standardbildungsentropie von Wasser bei 298 K? Der dritte Hauptsatz
der Thermodynamik
Analyse: beschreibt den Zu-
Bei 298 K liegen Wasserstoff und Sauerstoff als Gase, Wasser dage- sammenhang zwi-
schen der absoluten
gen flüssig vor. Die Standardbildungsentropie kann aus den tabel-
Entropie und dem ab-
lierten absoluten Standardentropien berechnet werden.
soluten Nullpunkt der
Temperaturskala
H;(g) + IR O,(g) en H,O() nach Kelvin.
Gesucht: 445°
Lösung:
A45° = SP(H,O(I)) - (S°(H,) - 0,5 : SP(O,))
Ergebnis:
Die Bildungsentropie für Wasser bei Raumtemperatur (298 K) be- Die Standardentro-
trägt -163,5 J- K“':mol". Dieser Wert ist negativ, da 1,5 mol Gas pien der Elemente
in 1 mol Flüssigkeit übergehen, also von einem weniger in einen sind bei 298 K un-
höher geordneten Zustand. gleich Null und eben-
falls tabelliert.
Die höhere Entropie Die Bildung von Wasser aus den Elementen, die Knallgasreaktion, ist als
von Gasen ergibt sich freiwilliger Prozess bekannt, bei dem Wärme freigesetzt wird.
aus der größeren Un-
ordnung der Teilchen H:(9) + RO.) —— H,0(l) A.H®=-285 kJ - mol“
im Gaszustand.
ArSum=- AH F
(H,O(1))
= -
-285 kJ:
DE
mol"
0
ArS? Ges = ARS system + ArSO um
Da die Entropie eine
Zustandsfunktion ist, ArS°ges = (163,5 + 956,4) J - K"' - mol! = 792,9) - K' : mol"
kann auch für irrever-
sible Prozesse ihre
Änderung berechnet
werden, indem der ir-
reversible Prozess in
reversible Teilschritte
zerlegt wird.
Chemische Thermodynamik 115 j
AG=AH-T-AS
In einigen Lehrbü-
chern wird die freie
Enthalpie nach )J. W.
GıßBs (1839-1903)
auch als gibbsche
Vergleicht man die Gesamtänderung der Entropie von System und Um- freie Enthalpie be-
gebung mit der Änderung der freien Enthalpie des geschlossenen Sys- zeichnet.
tems, findet man, dass die beiden Größen sehr eng miteinander zusam-
menhängen.
-T ASges = AGsystem
z Gesapitentropte
Die freie Enthalpie ist daher umge-
kehrt proportional zur Gesamten-
tropie. Nach dem zweiten Haupt-
' satz der Thermodynamik laufen
| also alle Prozesse
. freiwillig ab, bei
| denen die Änderung der freien En-
| thalpie negativ ist. Solche freiwilli-
gen Prozesse nennt man exergo-
|
| nisch. Wenn AG > 0 ist, spricht man
Si von endergonischen Prozessen.
Endergonische Prozesse müssen Für die freie Enthal-
freie Enthalpie durch Zufuhr von Arbeit, z.B. elek- pie kann, wie schon
” trischer Arbeit wie bei der Elektro- für die Enthalpie,
Reaktionsverlauf kein absoluter Be-
lye von Wasser (5.136), er-
zugswert angegeben
zwungen werden.
werden, sondern im-
mer nur die Ände-
rung der freien En-
thalpie AG. Da auch
die freie Enthalpie
eine Zustandsgröße
ist, ist ihr Wert vom
Weg unabhängig.
ü 116 Grundzüge der physikalischen Chemie
Da die absoluten freien Enthalpien nicht zugänglich sind, wird die freie
Standardreaktionsenthalpie ebenfalls nach der GiBBS-HELMHOLTZ-GIei-
chung berechnet. Die Standardreaktionsenthalpie AgH® und die Stan-
dardreaktionsentropie AgS° können aus den tabellierten Werten der Bil-
dungsenthalpien bzw. Standardentropien ermittelt werden (/'5. 113).
| Für die Bildung von Wasser aus den Elementen unter Standardbe-
dingungen bei 298 K ergibt sich folgende freie Standardbildungs-
enthalpie:
Viele exergonische Die freie Standardbildungsenthalpie für die Bildung von Wasser ist ne-
Reaktionen laufen gativ, d.h., die Reaktion erfolgt freiwillig und läuft bei Raumtempera-
trotz negativer freier tur ohne Aufwand von Arbeit ab.
Standardreaktionsen- Die freie Bildungsenthalpie ist ein 4
thalpie nur sehr lang- A4G°
noch besseres Maß für die thermo- ArG” > 0 instabil
sam ab. Die Ursache
dafür ist jedoch nicht
dynamische Stabilität von Stoffen. De
die Thermodynamik, Endergonische Verbindungen mit
sondern die Kinetik positiver freier Bildungsenthalpie Elsmente
der Reaktion zerfallen freiwillig unter Ener- 0
(75. 119 ff.). giefreisetzung in die Elemente. Da-
gegen sind exergonische Verbin-
dungen (AG <0) thermodyna-
misch stabil. Y A+G° < 0 stabil
Chemische Thermodynamik 117 Ü
Die freie Reaktionsenthalpie hängt ab von der Reaktionsenthalpie, der Die Temperaturab-
Reaktionsentropie und der Temperatur, bei der die Reaktion durchge- hängigkeit der freien
führt wird. Somit ist es möglich, den Ablauf von chemischen Reaktionen Reaktionsenthalpie
wird zur Beeinflus-
in gewissen Grenzen zu beeinflussen. Wenn AgH® negativ und Ag5° posi-
sung der Lage vieler
tiv ist, dann verläuft die Reaktion unabhängig von der Temperatur im-
chemischer Gleichge-
mer freiwillig (ARG? < 0). Im umgekehrten Fall (ArH® > 0, AgS° < 0) kann wichtsreaktionen
5
eine Reaktion aus thermodynamischen Gründen auch durch Tempe- (75. 162) genutzt.
0
ArG' <O
bei allen Temperaturen 0
exotherm exergonisch
ArH°
\ ArG?
-T- AS
ıY
Ergebnis:
Die Zersetzung von Ammoniumchlorid zu Ammoniak und Chlor-
wasserstoff beginnt bei einer Temperatur von 620,2 K bzw. 347 °C.
Elektrochemische Prozesse 119 5
jbeuja, u A NHREEU
lonen- oder elektro- Kationen oder Anionen Salze im festen, flüssigen oder
Iytische Leitung gelösten Zustand,
Säuren oder Basen
Dissoziiert das Salz vollständig, ist «& = 1. Ist das Salz unlöslich und disso-
ziiert in dem betrachteten Lösungsmittel gar nicht, ist «& = 0. Der Disso-
ziationsgrad liegt also immer zwischen Null und 1. Bei starken Elektro-
Iyten ist der Dissoziationsgrad «& nahe 1 und unabhängig von der
gewählten Konzentration des Elektrolyten.
Die Dissoziation und Als schwache Elektrolyte bezeichnet man Stoffe, deren Dissoziations-
damit die „Stärke” grad o& sich mit zunehmender Konzentration stark ändert und bei sehr
von Elektrolyten hohen Konzentrationen sich dem Grenzwert Null nähert. Hierzu gehö-
hängt nicht nur vom ren viele organische Basen und Säuren sowie einige Schwermetallsalze.
Elektrolyten selbst,
sondern auch von der
Art des Lösungsmit-
tels ab. Die Klassifi-
zierung in starke und Schwefelsäure Essigsäure
schwache Elektroly- Natronlauge Anilin
ten gilt nur für polare Kaliumchlorid Kupfer(Il)-hydroxid
Lösungsmittel, z.B. Natriumnitrat Calciumsulfat
für das bei elektro-
chemischen Prozes-
sen wichtigste Lö-
sungsmittel Wasser. 5.2.2 Elektroden und Elektrodenpotenziale
Als Symbol für eine Die einfachsten Elektroden sind Metallelektroden, bei denen sich das
Kupferelektrode wird Metall im Kontakt mit seinem in Wasser leicht löslichen Salz befindet.
Cu/Cu?* geschrieben, Leicht lösliche Salze dissoziieren vollständig in Metall-Kationen und Ani-
wobei der Schräg-
onen (a = 1) und es finden Übergänge von Ladungsträgern - bei Metall-
strich die Phasen-
elektroden von Metall-Ionen — zwischen dem festen Metall und der
grenze kennzeich-
net, durch die die
Elektrolytlösung statt. Man nennt diese Elektroden auch Elektroden 1.
Ladungen durchtre- Art oder lonenelektroden.
ten.
s Beispiele für Metallelektroden
Silber mit Silbernitratlösung, Kupfer mit Kupfer(Il)-sulfatlösung, Ei-
sen mit Eisen(Ill)-chloridlösung.
Elektrochemische Prozesse 121
ie
L
rs trolytlösung und me-
tallischer Phase stellt
l sich ein elektrochemi-
ı
!
sches Gleichgewicht
l ein.
!
I
l
Potenzialänderung
! ‚ In der starren
l ı elektrochemischen
ı Doppelschicht
l
I RT x
Taucht man ein Zinkblech in eine verdünnte ZnSO,-Lösung, dann wer- W.H. NERNST (1864 bis
den an der Metalloberfläche durch Oxidation Zn?*-Ionen gebildet. Diese 1941) war ein deut-
gehen durch die Phasengrenze in die wässrige Phase über, während die scher Physikochemi-
Elektronen im Metall verbleiben. ker, dem es als erstem
gelang, Elektrodenre-
Oxidation _ aktionen durch die
Zn) ee Zn lag) + 2er nach ihm benannte
Reduktion
nernstsche Gleichung
quantitativ zu be-
Aufgrund der elektrostatischen Anziehung zwischen Elektronen und in schreiben.
der Lösung hydratisierten Kationen bildet sich eine elektrochemische
Doppelschicht aus. Die unterschiedliche Ladung führt zu einer Potenzi-
aldifferenz E, die man Elektrodenpotenzial nennt. Dieses kann man
nicht direkt messen, da nur ein Pol vorhanden ist, aber nach \WALTHER
NERNST (1864-1941) theoretisch berechnen.
Bilden die Metall-Ionen in der Elektrolytlösung schwer lösliche Salze wie Elektroden 2. Art
Silberchlorid, dann bezeichnet man die Elektrode als Elektrode 2. Art. werden als Bezugs-
Das Potenzial der Ag/AgCI-Elektrode wird bei konstanter Temperatur elektroden einge-
nur von der Konzentration der Chlorid-Ionen in Lösung bestimmt. setzt, dasiesich durch
ein sehr konstantes
Elektrodenpotenzial
E(Ag/Agcl) = EXAg/Agcı) - 2] -Inc(ch) auszeichnen.
Gesamtreaktion
Ag + Cl &— Agch + e
lonenselektive Elek- | spezifischer Ionen- H* oder OH” Die Ionen, die durch diese
troden austausch in bzw. Elektroden detektiert wer-
Glaselektrode an der festen Phase den, müssen im Potenzial
(pH-Elektrode) der Elektrode bestimmenden Schritt ent-
oder (meist in einer halten sein.
Chloridelektroede Membranschicht) cl
124 Grundzüge der physikalischen Chemie
Die Standardwasser- An dem platinierten Platinblech stellt sich ein elektrochemisches Gleich-
stoffelektrode kann gewicht zwischen dem Wasserstoff und den Oxonium-lonen, verein-
als Vergleichselek- facht dargestellt durch Protonen, ein. Die Bedingungen p(H,) =
trode zur Bestim- 101325 Pa und c(H*) = 1 mol: I! werden als Standardbedingungen für
mung anderer Elek-
die Bestimmung von Elektrodenpotenzialen definiert.
trodenpotenziale in
elektrochemischen
Zellen (/S. 127) ver- Standardwasserstoff-
be
wendet werden. elektrode
Säurelösung
c(H*) = 1 mol - I"
Da elektrochemische Neigen die Metalle stärker dazu, in Lösung zu gehen, besitzen sie ein
Reaktionen immer negatives Standardpotenzial. Wird ein solches unedles Metall in eine
Redoxreaktionen saure Lösung getaucht, so geht das Metall freiwillig in Lösung und die
(7 S. 129) sind, nennt
feste Phase lädt sich negativ gegenüber der Lösung auf. Das Metall wird
man die Elektroden-
dabei oxidiert.
potenziale auch
Redoxpotenziale.
Scheiden sich die Metalle dagegen leicht aus der Lösung an der metalli-
schen Phase ab, besitzen sie positive Standardpotenziale. Wird ein sol-
ches Metall in die Lösung seines Metallsalzes getaucht, so scheiden sich
die Metall-Ionen aus der Elektrolytphase an der festen Phase des Me-
talls freiwillig ab und die Elektrode lädt sich gegenüber der Lösung po-
sitiv auf. Die Metall-Ionen werden reduziert.
Elektrochemische Prozesse 125 &
Galvanische Zellen
CuSO,-
Lösung
Halbzelle 1 Halbzelle 2
Jede elektrochemi- Dies hängt damit zusammen, dass die beiden Elektroden unterschiedli-
sche Zelle wird in che Elektrodenpotenziale besitzen, deren Ursprung letztendlich in den
Kurzschreibweise mit unterschiedlichen Standardpotenzialen liegt. Durch den Stromschlüssel
einem Zellsymbol bleiben die beiden elektrochemischen Halbzellen räumlich voneinander
charakterisiert. Das
getrennt, sodass folgende elektrochemische Reaktionen an den Elektro-
Zellsymbol für diese
den separat ablaufen.
elektrochemische
Zelle wäre:
Cu/Cu?* (1 mol- I")y/ Katode: Cu?*(ag) +2e” —— Cu(s) Reduktion
2 H* (1 mol I"), Anode: Hz(g) —— 2H*lag) + 2 e Oxidation
H, (101 325 Pa)/Pt
In der linken Halbzelle läuft eine Reduktion und in der rechten Halb-
zelle eine Oxidation ab. Die Kombination beider Elektrodenreaktionen
ergibt die Gesamtreaktion bzw. die Zellreaktion.
Ver
E, = E(Cu/cu?*) + 27 In c(Cu?*)
E, _= EP(H,/2 H*) 4, + 5
R:T In c?(H*)
5)
U,=_ EP(Cu/Cu?*)
24, _ RT] c(Cu?*) p(H,)
- EI(Hz/2H*) * + 2-F c2(H*)
Bei Standardbedingungen mit p(H,) = 101325 Pa und bei gleichen lo- Freiwillige elektro-
nenkonzentrationen c(Cu?*) = c(H*) = 1 mol - I" folgt daraus: chemische Reaktio-
nen besitzen nega-
tive freie Reaktions-
U, = EP(Cu/Cu?*) - EI(H,/2H*)
enthalpien (/S. 115):
Die Zellspannung ist positiv, da das Standardelektrodenpotenzial von Sie werden nach dem
Cu/Cu?* größer als das der Standardwasserstoffelektrode ist. Das bedeu- italienischen Physiker
tet, dass die Zellreaktion zwischen Cu?*-Ionen und Wasserstoff freiwillig L. GALVaNI (1737 bis
abläuft und chemische in elektrische Energie umgewandelt wird. 1798) galvanische
Prozesse genannt.
Konzentrationsketten
Über das Diaphragma erfolgt kein Austausch von Cu?*-Ionen, sodass die
beiden Halbzellen räumlich voneinander getrennt bleiben und die fol-
genden elektrochemischen Reaktionen separat ablaufen.
Aus der konzentrierten Cu?*-Lösung werden Cu*-Ionen reduziert und
metallisches Kupfer an der Elektrode (Katode) abgeschieden.
Gesamt: s CUanode 2+
+ CU" katode —> CU"
2+
snode + CUKatode
Uz = Exatode — EAnode
U,= RT
zZ 2-
m Kt)
c„(Cu?*)
elektrochemische Prozesse
elektrolytische Prozesse
Das Vorzeichen der Katode ist bei einer galvanischen Zelle positiv, weil
bei der Reduktion Elektronen aus der metallischen Phase abgezogen
werden. Dagegen lädt sich die Anode während der freiwillig ablaufen-
den Oxidation negativ auf, weil Elektronen auf die metallische Phase
übertragen werden.
Da die Reduktion an der Katode und die Oxidation an der Anode bei ei- Nur in Elektrolysezel-
ner Elektrolyse nicht freiwillig ablaufen, müssen die Elektronen von au- len wandern die Kat-
Ben angeboten bzw. abgezogen werden. Somit müssen zum Ablauf der ionen zur Katode und
elektrolytischen Redoxreaktion für den katodischen Teilprozess Elektro- die Anionen zur An-
ode und nur bei der
nen zur Katode geliefert werden und für den anodischen Teilprozess
Elektrolyse sind die
Elektronen von der Anode abgezogen werden. Die Vorzeichen der Elek-
Vorzeichen für die
troden bei einem elektrolytischen Prozess sind daher genau entgegen- Katode (-) und für die
gesetzt zu den Vorzeichen von Katode und Anode beim entsprechen- Anode (+) so, wie in
den galvanischen Prozess. der Physik definiert.
H 130 Grundzüge der physikalischen Chemie
J. F. Danıeıı (1790 bis Das klassische Beispiel eines galvanischen Elements zur Energiegewin-
1845), ein englischer nung ist das DAnıeLL-Element. Es wird aus einem Kupferblech, das in die
Physiker und Chemi- wässrige Lösung eines Kupfer(Il)-salzes taucht (linke Halbzelle Cu/Cu?*),
ker, entwickelte 1836 und einem Zinkblech, das in die wässrige Lösung eines Zinksalzes
als Erster ein galvani- taucht (rechte Halbzelle Zn/Zn?*), gebildet.
sches Element.
Dieses lieferte eine
Zellspannung von DAniELL-Element
rund 1,05 Vundhatte
in den Anfängen der
Elektro- und Batte-
rietechnik eine sehr Cu/Cu?* Zn/Zn?*
große Bedeutung. (c= 1 mol-I-') (c= 1 mol-I')
CuSO,- ZnSO,-
Lösung Lösung
Halbzelle 1 Halbzelle 2
Gesamtzellreaktion:
Zn(s) + Cu?*(a) —— Zn?*(ag) + Cu(s)
Galvanische Zellen Verwendet man jeweils 1 molare CuSO, und ZnSO, Lösungen, so be-
kann man entspre- trägt die resultierende Zellspannung 1,11 V. Während der Stroment-
chend der Umkehr- nahme ändern sich die Konzentrationen und die Zellspannung sinkt.
barkeit der Zellreak-
tion unterscheiden
und klassifizieren.
Uz = EO(Cu/Cu?*) - EXZn/zn?*) + RT - In c(Cu?*)
c(Zn?*)
LECLANCHE-Element Grafitstift
Eine handelsübliche Monozelle bzw. Zink-Kohle-Batterie
ist nach dem Prinzip des LEcLANcHE-Elements aufgebaut. | Heißbitumen
Katode (Grafitstift):
Anode (Zinkmante!):
Zn(s) —— Zn?*(ag) + 2e”
Gesamtzellreaktion:
Zn(s) + 2 NH,4*(ag) + 2 MnO,(s) —- Mn;O;(s) + [Zn(NH),]°*(aq) + H,O(l)
Zink-Silberoxid-Batterien
Dieser Batterietyp findet als Knopfzelle in Taschenrechnern oder Arm- Batterien enthalten
banduhren Verwendung. Als Oxidationsmittel diente früher giftiges oft Schwermetallver-
Quecksilberoxid, das aber inzwischen durch Silberoxid ersetzt wurde. bindungen. Sie gehö-
An der Anode wird ähnlich wie beim LECLANcHE-Element Zink oxidiert. ren nicht in den
Hausmüll, sondern
Als Elektrolyt verwendet man Kalilauge. Die Gesamtzellreaktion liefert
müssen separat ent-
ein Spannung von ca. 1,55 V.
sorgt werden.
Gesamtzellreaktion:
Zn(s) + Ag,0(s) ZnO(s) + 2 Ag(s)
Lithium-Zellen
Lithium-Zellen zeichnen sich durch eine lange Lebensdauer von bis zu
10 Jahren und eine hohe Zellspannung (£® [Li/Li*] = -3,04 V) aus. Als An-
odenmaterial verwendet man Lithium-Mischoxide (LiNi,Co,Alj_..,O2
bzw. LiCoO,) und als Katodenmaterialien Graphit/Mangandioxidelek-
troden oder polymermodifizierte Graphitelektroden. Da Lithium sehr
heftig mit Wasser reagiert, werden organische Lösungsmittel oder Fest-
elektrolyte eingesetzt. Lithiumzellen finden im Haushalt, der Computer-
und der Medizintechnik breite Anwendung. In Herzschrittmachern
(/ Abb.) dient Lithiumiodid als Festelektrolyt, der die Katode (lod ein-
gebettet in ein leitfähiges Polymer) von der Anode trennt.
kein Elektronenfluss
Elektronenfluss
| Gesamtzellreaktion:
| 5 Entladen
Pb(s) + PbO,(s) + 4H3O*(aq) +2 SO,” (ag) See 2 PbSO,(s) + 6 H,O(I)
Brennstoffzelle
s
Katode|Membran| Anode
.— EB
33
0, (uf) | >
Verbraucher Elektronen
Elektrochemische Korrosion
Aus der Stellung der Elektrochemische Korrosion kann immer dort auftreten, wo zwei unter-
Metalle in der Redox- schiedliche Metalle im direkten elektrischen Kontakt stehen. Sind diese
reihe (/ S. 125) kann unterschiedlichen Metalle direkt miteinander verbunden oder durch ei-
das elektrochemische nen Elektrolyten miteinander kontaktiert, so bildet sich ein Lokalele-
Verhalten abge-
ment aus. Lokalelemente sind spezielle galvanische Elemente, die auf
schätzt und beurteilt
einen sehr kleinen Bereich begrenzt sind.
werden. Unedle Me-
talle werden leichter
oxidiert. Sie korrodie- Lokalelement
ren dadurch stärker
als edle Metalle. säurehaltiges Wasser -
(Elektrolyt) :
Der Begriff Korrosion Ein solches Lokalelement kann sich beispielsweise ausbilden, wenn Zink-
(corrodere: lat. = zer- rohre mit Kupfer verlötet werden. Das unedlere Zink bildet die Lokal-
nagen) wird heute anode. Der anodische Oxidationsprozess führt dazu, dass Zink sich lang-
auch auf nicht metal- sam aufzulösen beginnt. Die Elektronen fließen zum Kupfer, das als Lo-
lische Werkstoffe an-
kalkatode fungiert. Da Kupfer ein edles Metall ist (E(Cw/Cu?* = 0,35 V),
gewendet. Häufig
erfolgt an der Lokalkatode als Reduktionsprozess die Abscheidung von
werden darunter
auch Schädigungen Wasserstoff.
durch physikalische,
biologische und che- Lokalanode: Zn() —— Zn?’*(ad) + 2e
mische Prozesse zZu- Lokalkatode: 2 H3O*(aq) + 2e" —— H,(g) + 2 H,O(l)
sammengefasst.
Besonders stark unterliegen Eisenwerkstoffe der Korrosion. Durch Ros-
ten von Eisen enstehen jährlich Schäden in Milliardenhöhe. Ca. 30% der
Stahlproduktion wird dafür benötigt, Korrosionsschäden zu ersetzen.
Ursachen der Rostbildung sind Redoxreaktionen mit Sauerstoff, Wasser,
Säuren oder die Bildung von Lokalelementen mit Verunreinigungen des
Eisens. Die elektrochemischen Vorgänge beim Rosten sind sehr kom-
plex. Stark vereinfacht laufen folgende Prozesse ab:
Korrosionsschutz
Angesichts der immensen Schäden durch Korrosion von Metallen, insbe- Die Vermeidung der
sondere von Eisenteilen, hat der Korrosionsschutz eine enorme volks- Korrosion beginntbei
wirtschaftliche Bedeutung. Beim passiven Korrosionsschutz versucht der Auswahl korrosi-
onsbeständiger
man, durch zusätzlich aufgebrachte Lack- oder Kunststoffüberzüge
Werkstoffe, z.B. Mes-
bzw. andere Beschichtungen das Metall vor dem Angriff von Oxidati-
sing (7 S. 369) oder
onsmitteln zu schützen. Beim aktiven Korrosionsschutz wird mittels ei- Edelstahl, die durch
nes anderen elektrochemischen, anodischen Prozesses die anodische ihre Zusammenset-
Oxidation des zu schützenden Metalls verhindert. zung sehr korrosions-
beständig sind.
Die Überspannung Die praktisch notwendige Zersetzungsspannung U,z.,, setzt sich also aus
bei elektrolytischen drei Komponenten zusammen:
Prozessen hat in ers-
ter Linie kinetische
Uzers = Ekatode — EAnode + UBad + 7]
Ursachen und hängt
von vielen Faktoren,
z.B. dem Elektroden-
Speziell Elektrolysen, bei denen Gase als Reaktionsprodukte entstehen,
material, ab. weisen oftmals sehr hohe Überspannungen auf. Bei der Wasserelektro-
Iyse kann die Überspannung je nach Stromfluss und Elektrodenmaterial
bis zu 2 V betragen. Somit müssen viel größere Zersetzungsspannungen
angelegt werden, als man über die entsprechenden nernstschen Glei-
chungen aus den jeweiligen Elektrodenpotenzialen berechnet.
Elektrochemische Prozesse 137 j
Faradaysche Gesetze
Der bei der Elektrolyse durch die Elektroden fließende Strom ist direkt
mit dem chemischen Stoffumsatz verbunden. Während einer Elektrolyse
verringern sich in der Regel die Konzentrationen der beteiligten, elek-
trochemisch umgesetzten Stoffe in den beiden Halbzellen. Der Strom-
fluss sinkt während der Elektrolysedauer, wenn man eine konstante
Spannung anlegt.
Die quantitativen Beziehungen zwischen der geflossenen Ladungs-
menge und den umgesetzten Produkten leitete MICHAEL FARADAY (1791
bis 1867) in den Jahren 1833-1834 ab.
1. Faradaysches Gesetz:
Die Stoffmenge eines Reaktionsproduktes n(B) ist proportional zur ge- Die FARADAY-Kon-
flossenen Ladungsmenge Q: stante Fverbindet die
Elementarladung mit
F= e- Ni
Q=I-t
I- Stromstärke e” - Elementarladung
Q=I:t=z:F:n(B) t- Zeit N, - AVOGADRO-Kon-
z - Elektronenanzahl stante
‚+_ z:F:m(B)
l:t= DB F- FARADAY-Konstante
Verdoppelt man die Stromstärke / oder die Zeit t, so scheidet sich auch
die doppelte Menge des Stoffes B ab. Auf Grundlage des 1. Faraday-
schen Gesetzes kann man die geflossene Ladungsmenge über die Masse
eines elektrolytisch abgeschiedenen Stoffes bestimmen. Diese Messein-
richtungen bezeichnet man als Coulometer; sie sind sehr genaue Mess-
einrichtungen zur Bestimmung der tatsächlich geflossenen Ladungs-
menge. In der Praxis werden überwiegend Kupfer- bzw. Silber-
coulometer eingesetzt.
2. Faradaysches Gesetz
Die Massen von durch gleiche Ladungsmengen abgeschiedenen Stoffen Die von M. FARADAY
verhalten sich zueinander wie die Quotienten aus Molmassen und aus- (1791-1867) entdeck-
ten Gesetze bilden
getauschten Elektronen.
die Grundlage für
verschiedene elektro-
MA). |z(B)| _ m(A)
Iz(A)| - M(B) m(B) chemische Analyse-
methoden.
Demzufolge hängt die an einer Elektrode umgesetzte Stoffmenge bei
konstanter zur Verfügung stehender Ladung ausschließlich von der An-
zahl der ausgetauschten Elektronen ab. So werden bei einer geflosse-
nen Ladung von 96485 C genau 1 mol Silber (z = 1) bzw. 0,5 mol Zink
(z = 2) bzw. 0,25 mol Disauerstoff (z = 4) elektrolytisch abgeschieden.
y 138 Grundzüge der physikalischen Chemie
Elektrochemische Analysemethoden
Weitere wichtige Elektrochemische Prozesse bilden die Grundlage für viele qualitative
elektrochemische und quantitative Analysemethoden (/ S. 432 ff.).
Analysemethoden
sind die Kondukto- Durch Elektrogravimetrie kann z.B. der Kupfergehalt wässriger
metrie, die Potenzio-
Lösungen sehr genau bestimmt werden. Cu?*-Ionen werden dabei
metrie und die Elek-
trophorese, die u.a.
so lange an der Katode abgeschieden, bis ein Anstieg der notwen-
zur DNA-Analyse an- digen Gleichspannung anzeigt, dass keine Cu?*-Ionen mehr im
gewendet wird. Elektrolyten vorliegen. Durch Wägung der Katode kann die Masse
an Kupfer in der Probelösung direkt ermittelt werden.
Elektrochemische Prozesse 139 J
Aus n(A) = c(A):V Die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion entspricht der in einer
folgt, dass bei kon- bestimmten Zeit At gebildeten Stoffmenge an Produkten bzw. dem Ver-
stantem Volumen des brauch an Ausgangsstoffen (Edukten). Da bei kinetischen Untersuchun-
Systems gilt: gen meist die Konzentrationen der Stoffe im Reaktionssystem analytisch
bestimmt werden, betrachtet man in der Regel die Konzentrationsände-
c(A) - n(A) und
rungen Ac, die den Stoffmengenänderungen An proportional sind, als
Ac(A) - An(A)
Maß für die Reaktionsgeschwindigkeit vr:
_Ac (Ausgangsstoff) _ Ac (Endstoff)
VR= At At
Chemische Kinetik 141 #
Die Geschwindig- Die Abhängigkeit von der Spezifik der jeweiligen Reaktion und von der
keitsgesetze chemi- Konzentration der Reaktionspartner wird durch Geschwindigkeitsglei-
scher Reaktionen chungen der Form vr = f(c[1], c[2], ...clm]) mathematisch beschrieben.
und der Wert der Ge- Für eine allgemeine chemische Reaktionsgleichung lässt sich folgendes
schwindigkeitskons- Geschwindigkeitsgesetz formulieren:
tante k müssen im-
mer experimentell
ermittelt werden. Der
A——B VR=-
2 ak (A)
Betrag von k hängt
auch von der Tempe-
ratur (75. 146) ab,
bei der die Reaktion
stattfindet.
RC + R,-OH Rı-C’_ + MO
GD
N
“O-H “O-R,
Ol
Chemische Kinetik 143 Ä
Die Geschwindig-
keitsgesetze chemi-
scher Reaktionen
hängen maßgeblich
: s . . vom Mechanismus
Dazu betrachtet man das experimentell bestimmte Konzentrations-Zeit- der chemischen Reak-
Diagramm (/S. 141) und versucht mathematisch, die exponentielle Ab- tionen ab (/ S. 149).
hängigkeit in einen linearen Zusammenhang umzuformen.
A
ag Wird für eine Reaktion 1. Ordnung der Quotient - Ina gegen
die Zeit t aufgetragen, so erhält man eine Gerade, aus deren An-
stieg direkt die Geschwindigkeitskonstante k bestimmt werden
kann.
-In(c(A)/co(A))
a 1 | k=1:.10'5"
{ Ä
34 Die Linearisierung
u von Geschwindig-
2 - keitsgesetzen erfolgt
I mathematisch durch
1 - Umformen der Ge-
schwindigkeitsglei-
0,04 chung mit anschlie-
0 100 200 300 400 500 zeitins Bender Integration.
1 144 Grundzüge der physikalischen Chemie
Auch über die Halb- Reaktionsgleichungen beschreiben in der Regel nur den gesamten
wertszeit t,, oder T Stoffumsatz von den Edukten zu den Produkten, ohne Informationen
kann man chemische darüber zu liefern, ob die Umsetzung in einem einzigen Schritt oder in
Reaktionen klassifi- einem aus mehreren Schritten bestehenden Reaktionsmechanismus
zieren. Die Halb-
(7 S. 151) abläuft.
wertszeit gibt an,
nach welcher Zeit-
dauer sich die An-
fangskonzentration
Co(A) genau um bzw.
auf die Hälfte
_ Co(A)
c(A) = 2
Bruttoreaktionen mit gleichen stöchiometrischen Faktoren der Aus-
verringert hat. Kleine gangsstoffe in der Reaktionsgleichung können nach völlig verschiede-
Halbwertszeiten wer-
nen Geschwindigkeitsgesetzen ablaufen. Die Ursachen dafür liegen in
den also für schnelle
Reaktionen erhalten.
den detaillierten mikroskopischen Abläufen der chemischen Reaktionen.
A +B + C — Produkte
Ur = a = k- MA):
B): CC) ...
Die einzelnen Expo- Aus dieser Form des Geschwindigkeitsgesetzes ergibt sich eine Gesamt-
nenten m, x, y usw. reaktionsordnung vonn=Mm+XxX+Y...
nennt man Teilreakti-
onsordnung bezüg-
lich der jeweiligen
Stoffe A, B, C usw.
= Bei den meisten chemischen Reaktionen sind dagegen mehrere Ele- Aus dem nebenste-
mentarreaktionen notwendig, um zu den Endprodukten zu gelan- henden Reaktionsver-
gen. Bei der nucleophilen Substitution von tert.-Butylchlorid mit lauf resultiert ein Ge-
Natronlauge dissoziiert das organische Molekül im ersten Schritt in schwindigkeitsgesetz
1. Ordnung. Nucleo-
Ionen. Diese Elementarreaktion erfolgt sehr langsam. Im zweiten
phile Substitutiosre-
Schritt findet die wesentlich schnellere Reaktion zwischen unter- aktionen können je-
schiedlich geladenen Ionen zum tert.-Butanol statt. Die Summe der doch auch auf ande-
beiden Elementarreaktionen ergibt die Bruttoreaktion: ren Reaktionswegen
erfolgen (/S. 260).
langsam
(CH3)3CCl A (CH3)3C* + cl vı = k} ’ c((CH3)3CCN)
schnell
(CH3)3C* + OH° — (CH3)3COH v2 = k} . c((CH3)3C*)
u In stark sauren Lösungen müssten bei der Oxidation von Zink durch
Kaliumpermanganat 23 Teilchen zur gleichen Zeit wechselwirken,
um den Reaktionsprozess zu bilden:
Stoßtheorie
Ein Zusammenstoß führt jedoch nur dann zur Reaktion, wenn die Mole-
küle in einer günstigen räumlichen Lage aufeinander treffen. Außer-
dem müssen die Teilchen eine bestimmte Mindestenergie aufweisen,
damit die bestehenden Bindungen aufgebrochen und neue geknüpft
werden können.
Die Stoßtheorie wird durch die Temperaturabhängigkeit der Reaktions-
geschwindigkeit bestätigt. Sowohl für endotherme als auch für exo-
therme Reaktionen steigt die Reaktionsgeschwindigkeit mit der Tempe-
ratur.
Die kinetische Ener- Die Hauptursache liegt darin, dass
gie der Teilchen sich die Geschwindigkeit der Teil-
Anteil der Moleküle
ARRHENIUS-Gleichung
J.H.vanT Horr fand experimentell heraus, das bei einer Tempe- S. ARRHENIUS (1859 bis
raturerhöhung von 10K die Reaktionsgeschwindigkeit vieler Reaktio- 1927) war ein schwe-
nen um das zwei- bis dreifache zunimmt. Diese Zunahme nach der RGT- discher Chemiker, der
Regel (Reaktionsgeschwindigkeits-Temperatur-Regel) ist zwar mit der neben kinetischen
Untersuchungen
Stoßtheorie qualitativ erklärbar, kann aber nur mit der Zahl der
auch die Theorie der
erhöhten Kollisionen bei steigender Temperatur nicht quantitativ be-
elektrolytischen Dis-
gründet werden. Auch den Geschwindigkeitsgesetzen ist nicht ohne soziation begrün-
weiteres zu entnehmen, weshalb eine Temperaturerhöhung generell zu dete.
einer Reaktionsgeschwindigkeitszunahme führt.
Der Stoß- oder Häufigkeitsfaktor A gibt den Anteil der Zusammenstöße Die ARRHENIUS-GIei-
an, die aufgrund der günstigen räumlichen Lage der Teilchen zur Reak- chung bestätigt die
tion führen können. Der Stoßfaktor hat die gleiche Einheit wie die Ge- empirische RGT-Re-
schwindigkeitskonstante und entspricht der größtmöglichen Geschwin- gel von J. H. vaN'T
Horr (1852-1911). Die
digkeitskonstanten bei unendlich hoher Temperatur.
Berechnung zeigt al-
lerdings auch, dass
die RGT-Regel nur für
Reaktionen mit einer
Aktivierungsenergie
von 50-100 kJ - mol“!
und in einem be-
stimmten Tempera-
turintervall gilt.
Aktivierungsenergien werden in der Regel als molare Größen angege-
ben. Sie liegen bei chemischen Reaktionen zwischen 25-250 kJ : mol".
Ausgehend von einer Raumtemperatur (298,15 K = 25 °C) und einer Ak-
tivierungsenergie von 58 kJ : mol"! verdoppelt sich der Wert für die Ge-
schwindigkeitskonstante bei einer Temperaturerhöhung um 10K.
N 148 Grundzüge der physikalischen Chemie
Wenn die kinetische Der Einfluss der Aktivierungsenergie auf den Reaktionsverlauf wird bes-
Energie der Mole- ser verständlich, wenn man speziell die Energieänderung der Teilchen
küle zu niedrig ist, bei einem wirksamen Zusammenstoß betrachtet. Bei der Annäherung
stoßen sich die Elek- von H,- und I,-Molekülen genügend hoher kinetischer Energie bildet
tronenwolken gegen-
sich ein Übergangszustand (ÜZ) heraus, in dem die H-H- und die I-I-Bin-
seitig ab, sodass es
nicht zu einem genü-
dungen bereits geschwächt sind und die H-I-Bindung schon partiell ge-
gend engen Kontakt bildet ist. Dieser Übergangszustand wird auch aktivierter Komplex ge-
zwischen Molekülen nannt und besitzt eine hohe chemische Energie, da sowohl die
kommt. Eduktmoleküle als auch die Produktmoleküle energetisch stabiler sind.
!
Energie
Reaktionsverlauf
Die Aufklärung von Reaktionsmechanismen beginnt mit der experimen- Der wesentliche Un-
tellen Bestimmung des Geschwindigkeitsgesetzes. Dazu überlegt man terschied zwischen ei-
sich einen Reaktionsverlauf, der diesem empirischen Zeitgesetz gerecht nem Zwischenpro-
wird. Wenn die Möglichkeit besteht, überprüft man diese Hypothese dukt und einem
Übergangszustand
(7 S. 17) mit geeigneten analytischen Methoden.
besteht darin, dass
Da die Zwischenprodukte und noch mehr die aktivierten Komplexe in- das Zwischenprodukt
stabil und damit sehr kurzlebig sind, ist der analytische Nachweis jedoch energetisch stabiler
oft schwierig. Er muss mit sehr schnellen, meist spektroskopischen Ana- ist als der aktivierte
Iysenmethoden geführt werden und erfordert einen hohen Aufwand. Komplex.
Erst wenn man sämtliche Teilschritte, Zwischenprodukte und Über-
gangszustände aufgeklärt hat, kann Einfluss auf den geschwindigkeits-
bestimmenden Schritt genommen werden, um so zielgerichtet die Ge-
schwindigkeit der Gesamtreaktion zu verändern.
Relativ einfach ist diese Aufgabe bei den wenigen Reaktionen, bei de-
nen die Elementarreaktion identisch mit der Bruttoreaktion ist, z.B. bei
der nucleophilen Substitution 2. Ordnung (Sn2-Reaktionen /S. 260) Sn2-Reaktionen erfol-
oder bei einigen einfachen Gasreaktionen. gen anders als Sy 1-
Reaktionen in einem
N,O + NO —— N, +NO,
In den meisten Fällen durchlaufen die Reaktanten jedoch mehrere
Schritte, die durch ein System von teilweise miteinander gekoppelten
Geschwindigkeitsgleichungen beschrieben werden müssen. Grundsätz-
lich werden drei verschiedene Kombinationen von Elementarreaktionen
bzw. kinetische Reaktionstypen beobachtet.
Kinetische Reaktionstypen
Folgereaktion: a 20.
kı B
Parallelreaktion: A ns
RC
i ; i kHi
Gleichgewichtsreaktion: - ..DB
kRück
& 150 Grundzüge der physikalischen Chemie
Folgereaktionen
Ein typischer Fall einer Folgereaktion ist die Fluorierung von Stickstoff-
monoooxid, die nach folgendem Mechanismus abläuft:
Energie
Reaktionsverlauf
Einen ähnlichen Ver- Der erste Reaktionsschritt erfolgt relativ langsam, da der aktivierte
lauf nimmt die nucle- Komplex [O----N----F,] sehr energiereich und die Aktivierungsenergie Ex1
ophile Substitution 1. deshalb sehr hoch ist. Die im ersten Schritt gebildeten Fluoratome sind
Ordnung (S1-Reakti- sehr reaktiv und werden sofort mit einem zweiten NO-Molekül zu ONF
onen / S. 261). Hier
umgesetzt. Die Aktivierungsenergie der zweiten Elementarreaktion E,>
ist der erste Teilschritt
ist sehr klein. Das Geschwindigkeitsgesetz der Gesamtreaktion ergibt
eine Gleichgewichts-
reaktion (/S. 157). sich aus dem Geschwindigkeitsgesetz der ersten Reaktion, die in diesem
Solche reversiblen Mechanismus der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist.
Teilreaktionen führen langsam
oft zu noch komple- NO + F5 —— ONF + F vi = kı c(NO) » c{F3)
xeren Geschwindig-
schnell
keitsgesetzen.
- die 1. Teilreaktion be- — beide Teilreaktionen be- - der 2. Teilschritt ist der ge-
stimmt die Geschwindig- stimmen die Geschwin- schwindigkeitsbestim-
keit und das Zeitgesetz digkeit der Gesamtreakti- mende Schritt
- das Zwischenprodukt wird on über ein komplexes - in kurzer Zeit wird viel
sofort nach der Bildung Zeitgesetz Zwischenprodukt gebil-
verbraucht, sodass c(Z)=0 | - typisch für radikalische det (c(Z) > 0), das analy-
ist Kettenreaktionen tisch relativ leicht
nachweisbar ist
Parallelreaktionen
En OH
para-
On Nitrophenol
k/)>k3>>k, NO,
152 Grundzüge der physikalischen Chemie
Die heutige Defini- Damit ein Katalysator wirken kann, muss er in den Reaktionsablauf ein-
tion des Katalysators greifen. D.h., eine katalysierte Reaktion verläuft auf einem anderen
geht auf den deut- Weg und damit nach einem anderen Mechanismus als eine unkataly-
schen Chemiker sierte Reaktion. Wenn beispielsweise eine unkatalysierte Reaktion durch
W. Ostwauo (1853 bis
Kollision der Reaktanten A und B direkt unter Bildung von AB erfolgt,
1932) zurück.
kann die entsprechende katalysierte Reaktion davon vollkommen ab-
weichen, indem sie nach einem zweistufigen Mechanismus abläuft. Da-
bei kann A zunächst mit dem Katalysator (K) eine Verbindung, AK, ein-
gehen, die mit B zum Produkt AB weiter reagiert und dabei den
Katalysator zurückbildet. Dieser kann nunmehr erneut mit weiteren
Molekülen A denselben Reaktionszyklus beliebig oft wiederholen.
[ABl [ AB
Energie
E, (ohne AR
Katalysator)
Neben der Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit, die ein Maß für die
Aktivität eines Katalysators darstellt, hat ein Katalysator die Aufgabe,
den Reaktionsweg so zu beeinflussen, dass im Idealfall nur das ge-
wünschte Produkt entsteht und die Bildung anderer, meist un-
erwünschter Produkte von Konkurrenzreaktionen unterdrückt wird.
Diese Selektivität ist z.B. in der Biokatalyse von besonderer Bedeutung,
um die Belastung des Organismus durch Nebenprodukte biochemischer
Reaktionen zu vermeiden. Auch in der technischen Chemie ist die Selek-
tivität oft wichtiger als die Aktivität, weil unerwünschte Nebenprodukte
teuer entsorgt werden müssen.
Auch deshalb werden etwa 90 % aller industriell genutzten chemischen
Reaktionen katalysiert durchgeführt. Selbst eine so einfache Reaktion
wie die zwischen Kohlenstoffmonooxid und Wasserstoff liefert je nach
Katalysatorwahl und Reaktionsbedingungen unterschiedliche Produkte.
ie | 1-20
E bat, 250-330
E ° °C, Cohlanıa+
C„H Ha
+ H,O
e 8 © ©:
Üblicherweise stehen
die Ausgangsstoffe 8 | OO2.0
@|; E 0 ©
vor und die Reakti-
onsprodukte nach 8 :08 oo
dem Reaktionspfeil.
Ausgangsstoffe wer- H, +1, H,, la HI HI
den auch als Edukte
bezeichnet. Reakti- H,(g) + I,(Q) = 2Hl(g)
onsprodukte nennt
man auch Endstoffe Es erfolgt nur ein unvollständiger Stoffumsatz, da die Hinreaktion und
oder Produkte.
Rückreaktion gleichzeitig ablaufen. Gekennzeichnet wird diese Tatsache
durch den Doppelpfeil in der Reaktionsgleichung. Die bereits gebilde-
ten Reaktionsprodukte reagieren unter Rückbildung der Ausgangs-
stoffe, während gleichzeitig aus den Ausgangsstoffen neue Endpro-
dukte entstehen.
Bei tiefen Temperatu- Reaktionen können nur dann reversibel ablaufen, wenn während der
ren lässt sich Wasser Umsetzung kein Reaktionspartner das System verlässt, also in einem ge-
auch durch Zufuhr schlossenen System (/'S. 103), das zwar Energieaustausch mit der Um-
elektrischer Energie
gebung zulässt, jedoch keinen Stoffaustausch.
zersetzen (/'S. 136).
Auch Reaktionen, wie die Knallgasreaktion zwischen Wasserstoff und
Dazu muss allerdings
mehr Energie aufge- Sauerstoff (/S. 114), bei denen normalerweise ein vollständiger Stoff-
wendet werden, als umsatz erfolgt, sind unter bestimmten Bedingungen umkehrbar.
bei der Knallgasreak-
tion gewonnen wird. 2H, + O0, = 2H,0 T22000K
5 | v
| |
|
|
c„(Edukte) I Cgc(Produkte) y |
| Hin |
| |
| I VHin = VRück
|
|
|
| VRück |
|
c„(Produkte) I Cgc(Edukte)
I T
Die hier behandelte Im chemischen Gleichgewicht ist Vyin = Vrück- Nach Einsetzen der Ge-
Ableitung der Gleich- schwindigkeitsgleichungen (/S. 142) für die beiden Reaktionsge-
gewichtskonstanten schwindigkeiten ergibt sich:
basiert auf kineti-
schen Zusammen-
Kyin : (Alkohol) - c(Säure) = kruck : c(Ester) - c(Wasser)
hängen. Die Gleich-
gewichtskonstante
kann auch thermody- Durch Umstellung erhält man:
namisch abgeleitet
Kyin _. c(Ester) - c(Wasser)
werden (/5. 162).
Krück (Alkohol) - c(Säure)
_ c(Ester) - c(Wasser)
©” c(Alkohol) - c(Säure)
v(C) v(D)
_ c(C) " -c(D)
aA) - c(B)
v(B)
Das chemische Gleichgewicht 159 |
Analyse:
Bei Reaktionen, bei denen das Volumen des Systems konstant Aus der Gleichung
bleibt, können zur Berechnung der Gleichgewichtskonstanten K. n=c:Vergibt sich ,
anstelle der Konzentrationen die Stoffmengen verwendet werden. dass für konstante
Die Stoffmengen der Edukte und Produkte im Gleichgewicht (nsc) Volumina das Ver-
hältnis der Konzen-
setzt man mit den Stöchiometriezahlen als Exponenten in das
trationen gleich dem
MWG ein. Die Stoffmengen der Ausgangsstoffe im Gleichgewicht
Verhältnis der Stoff-
ermittelt man dadurch, dass man die gebildete Stoffmenge Reakti- mengen ist:
onsprodukt von den im Ausgangszustand vorhandenen Stoffmen-
gen (n,) der Edukte subtrahiert. n(A) _ <A)V _ c(A)
n(B) c(B)-V c(B)
Um die Ausbeute n zu bestimmen, setzt man die erhaltene Stoff-
menge des Esters ins Verhältnis zur Stoffmenge, die bei vollständi- für V= konstant.
gem Ablauf der Reaktion gebildet werden könnte. Diese ergibt sich
aus der Ausgangsstoffmenge an Säure bzw. Alkohol.
Gesucht: K.undn
_ 2mol-2mol _
©” Tmol-1mol K.=4
Ergebnis: AzıB+C
Bei 25 °C beträgt die Gleichgewichtskonstante der Veresterung von
Essigsäure mit Ethanol K. = 4. Daraus ergibt sich im geschlossenen hat K. dagegen die
Reaktionssystem eine Esterausbeute von 66,7%. Einheit mol - I".
u 160 Chemisches Gleichgewicht und Massenwirkungsgesetz
im Reaktionssystem. Über die Zustandsgleichung idealer Gase und über die Definition der
Stoffmengenkonzentration lässt sich der Zusammenhang zwischen K.
und K, herstellen.
pll)=c()-R-T bzw. c= 57
KK A De
Wenn bei der Reaktion die Summe der Stöchiometriezahlen der gasför-
migen Edukte der Summe der Stöchiometriezahlen der gasförmigen
Bei Berechnungen
zum chemischen Produkte entspricht, ist Av(i) = 0. Nur in diesem Fall sind die beiden
Gleichgewicht ist es Gleichgewichtskonstanten K. und K, identisch, ansonsten unterschei-
zweckmäßig, in fol- det sich der Wert.
genden Schritten vor-
zugehen: = Bei 800 °C beträgt die Gleichgewichtskonstante der Konvertierung
von Kohlenstoffmonooxid mit Wasser zu Kohlenstoffdioxid und
- Aufstellen der Re- Wasserstoff K, = 4,05.
aktionsgleichung
- Angabe der Kon-
Welche Stoffmenge Wasserstoff wird gebildet, wenn 20 mol Koh-
zentrationen im
Ausgangszutand lenstoffmonooxid und 30 mol Wasser eingesetzt werden und das
- Berechnen der Ausgangsgasgemisch bereits 3 mol Kohlenstoffdioxid enthält?
Konzentrationen
im Gleichgewicht Analyse:
- Aufstellen des Zuerst stellt man die Reaktionsgleichung für das betrachtete
MWG Gleichgewicht auf und ermittelt daraus die Partialdrücke aller Kom-
- Einsetzen der ponenten. Wenn bei der Reaktion der Gesamtdruck des Systems
Gleichgewichts-
konstant bleibt, können auch zur Berechnung von K, anstelle der
konzentrationen
Partialdrücke die Stoffmengen eingesetzt werden. Die Stoffmenge
- Umstellen nach der
gesuchten Größe Wasserstoff ngg(H>2) = x mol ergibt sich aus der Reaktionsglei-
- Berechnen der ge- chung. Wenn 1 mol Kohlenstoffmonooxid und 1 mol Wasser umge-
suchten Größe setzt werden, bilden sich daraus auch 1 mol Kohlenstoffdioxid und
- Formulieren des Wasserstoff. Um x mol Wasserstoff zu erhalten, müssen demnach
Ergebnisses jeweils x mol der Edukte verbraucht werden.
Das chemische Gleichgewicht 161 3
co + H,O Ze CO, + H,
Man stellt das MWG für die Gleichgewichtsreaktion auf und setzt
die Partialdrücke bzw. Stoffmengen der Komponenten im Gleich-
gewicht (ncc) ein. Die so erhaltene Gleichung wird nach der ge-
suchten Größe, hier der Stoffmenge Wasserstoff, umgestellt. Das
Ergebnis wird berechnet und auf seine praktische Sinnfälligkeit ge-
prüft. Aus quadratischen Gleichungen resultieren immer zwei
Lösungen, von denen jedoch eine aufgrund chemischer Betrachtun-
gen ausgeschlossen werden kann.
Gegeben: Ko =
P(CO,)-p(H,)
PICO)- PIH50) Bei 800 °C liegt auch
Wasser gasförmig vor
und muss anders als
n(CO,):n(H,)
Lösung: Ky=K
p= n=
n(C0) :n(H,0) bei Säure-Base-
(7 S. 176) oder Re-
doxgleichgewichten
K (3+x):-x (75. 204) bei der Be-
pP” %0-x).(30-x) = 4,05 rechnung mit berück-
sichtigt werden.
Durch Ausmultiplizieren der Klammerausdrücke und Umstellen nach
x erhält man eine quadratische Gleichung. Daraus berechnet man x
mit der allgemeinen Lösungsformel quadratischer Gleichungen.
2
3X+X
—_——_—, =4,05
600 -50x +x
Eine quadratische
Gleichung hat immer
x? - 67,38x + 796,72 = 0 zwei Lösungen:
x, = 52,08 2
x„=-5t 5-a
X = 15,3
Lösung x, ist praktisch ohne Bedeutung, da 52,08 > 30 ist. Es kann
aber nicht mehr Wasserstoff gebildet werden als ursprünglich Was-
ser vorhanden war, da nach der Reaktionsgleichung aus 1 mol Was-
ser nur 1 mol Wasserstoff entstehen kann. Die Lösung x, ist dage-
gen aus chemischer Sicht sinnvoll und liefert die gebildete
Stoffmenge Wasserstoff.
Ergebnis:
Im Konvertierungsgleichgewicht werden unter den beschriebenen
Bedingungen 15,3 mol Wasserstoff erhalten.
B 162 Chemisches Gleichgewicht und Massenwirkungsgesetz
Die nebenstehende
Gleichung wird bei
der thermodynami-
schen Ableitung des
Massenwirkungsge-
setzes erhalten. Anhand des Betrages von ArG° kann man relativ einfach voraussagen,
auf welcher Seite das chemische Gleichgewicht liegt:
1. ArG® < 0 bedeutet K > 1, d.h., der Anteil der Produkte im Gleichge-
wicht ist höher als der Anteil der Edukte
2. ArG° > 0 bedeutet K < 1, d.h., der Anteil der Produkte im Gleichge-
wicht ist kleiner als der Anteil der Edukte
Analyse:
Um die Gleichgewichtskonstante K, zu ermitteln, kann man bei Bei der Rechnung ist
Standarddruck die freie Standardreaktionsenthalpie verwenden. unbedingt darauf zu
Diese berechnet man nach der GiBBS-HELMHOLTZ-Gleichung achten, die Celsius-
(/S. 116), wobei man die dazu erforderlichen Größen, d.h. die Temperaturen in ab-
solute Temperaturen
Standardbildungsenthalpie von Ammoniak und die Standardentro-
umzurechnen.
pien der Reaktanten aus entsprechenden Tabellen oder Formel-
sammlungen zusammenträgt.
ArS° = (2: 192,2 - 3 - 131 - 192) J - mol”! - K' = -200,6 J - mol” - K“'
BS2sC 9= 600 °C
T=273,15K+% 298,15 K 873,15K
ArG? = ARHP-T : Ars? -32,4k)- mol! | 82,9kJ - mol"
ArG"
KRzeRr 4,78 - 10° 1,09 - 10°
Lösung:
Die Gleichgewichtskonstante des Ammoniakgleichgewichts bei Bei dieser Rechnung
25 °C und 101,325 kPa beträgt K, = 4,78. 10° >> 1. Bei dieser tiefen wird die Temperatur-
Temperatur liegt das Gleichgewicht weit auf der Seite des Ammoni- abhängigkeit der Re-
aks. Bei 600 °C und Standarddruck ist K, = 1,09:10°° << 1. Das aktionsenthalpie und
der Reaktionsentro-
Gleichgewicht liegt fast vollständig auf der Seite der Edukte. Um
pie vernachlässigt.
eine hohe Ausbeute bei der Ammoniaksynthese zu erzielen, muss
man bei möglichst tiefen Temperaturen arbeiten.
a 164 Chemisches Gleichgewicht und Massenwirkungsgesetz
Das Prinzip des Der positive Betrag der Reaktionsenthalpie zeigt, dass bei der Bildung
kleinsten Zwangs von NO; Energie verbraucht wird. Wird dieses chemische Gleichgewicht
wurde 1887 durch H. einer erhöhten Temperatur ausgesetzt, so kann sich mehr NO; bilden,
LE CHATELIER (1850 bis wobei Wärmeenergie in chemische Energie umgewandelt wird. Umge-
1936) und K. BRAUN
kehrt verändert sich die Lage des Gleichgewichts bei Temperaturernied-
(1850-1918) unab-
hängig voneinander
rigung; es ensteht vermehrt N,O,. Diese Rückreaktion ist ein exother-
formuliert. Es erlaubt mer Vorgang, bei dem Wärme an die Umgebung abgegeben und so der
qualitative, jedoch Temperaturerniedrigung entgegegengewirkt wird.
keine quantitativen
Aussagen zur Ände- Unterwirft man das gleiche chemische Gleichgewicht einem erhöhten
rung der Lage des Druck, dann steigt der N5O,-Anteil. Da aus 2 mol NO, nur 1 mol N,0,
chemischen Gleichge- entsteht, verringert sich das Volumen des Systems bei dieser Dimerisie-
wichts.
rung. Durch die Volumenverringerung wird die Druckerhöhung teil-
weise kompensiert, als ob das System versuchen würde, dem äußeren
Zwang des hohen Umgebungsdrucks auszuweichen.
Beeinflussung des chemischen Gleichgewichts 165 B
Der Einfluss von Temperatur und Druck auf die Gleichgewichtslage lässt
sich nach dem Prinzip des kleinsten Zwangs wie folgt formulieren: ä
1. Mit steigender Temperatur verschiebt sich bei exothermen Reaktio- Das BOUDOUARD-
nen die Lage des chemischen Gleichgewichts nach links. Bei endo- Gleichgewicht ist von
thermen Reaktionen wird die Gleichgewichtskonstante mit zuneh- großer Bedeutung
mender Temperatur dagegen größer. für die Reduktion
Bei Reaktionen, die unter Volumenabnahme verlaufen, bewirkt eine von Metalloxiden
durch Koks, z.B. im
Druckerhöhung eine Verschiebung des Gleichgewichtes zu den Pro-
Hochofenprozess zur
dukten. Nimmt dagegen bei einer Reaktion das Volumen zu, be-
Darstellung von Roh-
wirkt eine Druckerhöhung eine Verschiebung des Gleichgewichtes eisen.
zugunsten der Ausgangsstoffe.
Während alle Gleichgewichtsreaktionen temperaturabhängig sind, be-
schränkt sich die Druckabhängigkeit nur auf wenige Reaktionen. Bei Re-
aktionen, an denen ausschließlich flüssige oder feste Phasen beteiligt
sind, ist die Volumenänderung so klein, dass die Druckabhängigkeit der
Gleichgewichtslage vernachlässigbar ist.
Nur bei Gasreaktionen, bei denen die Summe der Stoffmengen der Pro-
dukte größer oder kleiner als die Stoffmenge der Edukte ist, hängt die
Lage des Gleichgewichts vom Druck des Systems ab.
Kohlenstoffmonooxid steht im
püi) Der Partialdruck des
Gleichgewicht mit festem Koh-
festen Kohlenstoffs
lenstoff und Kohlenstoffdio-
kann bei der Aufstel-
xid. Für diese endotherme Re-
lung des MWG unbe-
aktion wird die Gleichge- rücksichtig bleiben.
wichtskonstante K, mit zuneh- p(CO,)
mender Temperatur immer p2(co)
größer. Das hat zur Folge, dass
mit steigender Temperatur der
Partialdruck an Kohlenstoff-
monooxid wächst, während
der Anteil an Kohlenstoffdi- 400 vin °C
oxid fällt.
Werden Metalloxide bei tiefen Temperaturen mit Koks umgesetzt,
dann entsteht neben dem Metall Kohlenstoffdioxid. Bei hohen
Temperaturen überwiegt dagegen Kohlenstoffmonooxid.
400 °C 1000 °C
2MO+C == 2M+CO,;, MO+C = M+CO
ei £
Auf ähnliche Weise kann man die Ausbeute einer umkehrbaren Reak-
tion erhöhen, wenn ein Reaktionsprodukt aus dem Gleichgewicht ent-
fernt wird. Infolge des Entzuges eines Produkts ist das System bestrebt,
diesen Stoff nachzuliefern, da K. konstant ist.
3 Auch aus diesem Grund setzt man dem Reaktionsgemisch bei der So wie im Beispiel ge-
Veresterung konzentrierte Schwefelsäure zu (/ S. 308). Die Schwe- zeigt, sind bei vielen
felsäure bildet mit Wasser stabile Hydrate (Hz5O, - xH,0O). Dadurch chemischen Prozes-
wird dem Estergleichgewicht das Reaktionsprodukt Wasser entzo- sen mehrere chemi-
gen und die Ausbeute an Ester steigt. sche Gleichgewichts-
reaktionen beteiligt
(7 S. 172). Man
CH3COOH + CH5;OH P——— CH;COOC,H; fe H,O
spricht in solchen Fäl-
len von gekoppelten
H,50, + xH,0 ee H,50, . xH,0 (x = 1 -4) Gleichgewichten.
Merkmale
1. Eine Gleichgewichtsreaktion ist durch einen unvollständigen Stoff-
umsatz gekennzeichnet, d.h. Ausgangsstoffe und Reaktionspro-
dukte liegen nebeneinander vor.
2. Hin- und Rückreaktion verlaufen mit gleicher Geschwindigkeit.
3. Das Gleichgewicht ist ein dynamischer Zustand. Obwohl makrosko-
pisch die Konzentrationen der Reaktanten konstant sind, erfolgt im
mikroskopischen Bereich ein ständiger Stoffumsatz.
Katalysatoren
(/ S. 167) haben kei-
nen Einfluss auf die
Lage eines chemi-
Erhöhung begünstigt endotherme Reaktionen
schen Gleichgewichts
Verringerung | begünstigt exotherme Reaktionen
und auf die Ausbeute
einer Reaktion. Sie
Erhöhung begünstigt Gasreaktionen, die unter
beschleunigen nur
die Einstellung des Volumenabnahme verlaufen
Gleichgewichts.
Verringerung begünstigt Gasreaktionen, die unter
Volumenzunahme verlaufen
Bei elektrochemi- Die Gleichgewichtskonstante ist eine thermodynamische Größe, die sich
schen Reaktionen aus den energetischen Unterschieden zwischen Ausgangsstoffen und
kann man die Gleich- Reaktionsprodukten ergibt. Sie kann quantitativ aus der freien Stan-
gewichtskonstante dardreaktionsenthalpie berechnet werden.
auch aus der Zell-
spannung im Gleich-
gewichtszustand be-
ArG® = ArH® - TArS= -R - TInK
rechnen.
Daraus ergibt sich die Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskon-
Uz= ® Ink stanten, die durch die van't Hoffsche Gleichung quantitativ beschrieben
wird.
Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes 169 Ä
_ P2(NH;)
PT p(N,)- p?(H,)
Nach dem Prinzip des kleinsten Zwangs müsste man bei einer niedrigen
Temperatur und hohem Druck arbeiten, um einen möglichst hohen Am-
moniakanteil im Gleichgewicht zu erzielen. Das ist aber bei der Ammo-
niaksynthese nicht möglich, da nur bei extrem hohen Temperaturen die
notwendige Aktivierungsenergie zur Spaltung der Dreifachbindung des
Stickstoffmoleküls aufgebracht wird.
Das Gleichgewicht würde sich nur unendlich langsam einstellen, sodass
ein Katalysator zur Beschleunigung der Reaktion eingesetzt werden
muss. Trotzdem muss die Reaktionstemperatur mindestens 400 °C betra-
gen, damit die Bildung von Ammoniak an der Oberfläche des festen Ka-
talysators (/S. 154) stattfinden kann.
Da einer Druckerhöhung auf mehr als 100 MPa technische und ökono- Die technische Her-
mische Grenzen gesetzt sind, führt man die Ammoniaksynthese bei stellung von Ammo-
Temperaturen von 400-520 °C und Drücken von 25-30 MPa durch. Un- niak stellt die chemi-
ter diesen Bedingungen erhält man zwar nur 15-20 % Ammoniak im sche Fixierung von
Luftstickstoff dar.
Gasgemisch. Deshalb wird das Reaktionsgemisch kontinuierlich im Kreis-
Diese Synthese ist die
lauf gefahren (/'S. 394).
Grundlage für die
Dabei wird Ammoniak aus dem Gasgemisch entfernt und die nicht um- Produktion vieler
gesetzten Ausgangsstoffe dem Synthesereaktor wieder zugeführt. Auf Düngemittel, Kunst-
diese Weise kann trotz ungünstiger Lage des chemischen Gleichge- stoffe, Farbstoffe und
wichts ein vollständiger Umsatz der Ausgangsstoffe erzielt werden. Arzneimittel.
ä 170 Chemisches Gleichgewicht und Massenwirkungsgesetz
Lösen
Der umgekehrte Vor- AgCi(s) = Ag*(ag) + Cl’(ag)
gang zum Fällen ist Fällen
das Lösen.
K.. Ag’). c(cl)
< c(AgcCI)
&
des Salzes:
wechselt werden. Die Löslichkeit eines Salzes entspricht seiner Konzent-
er
ration in einer gesättigten Lösung. Die Sättigung ist erreicht, wenn ein
[K\] = mol*Y . 7°
Bodenkörper des Feststoffs mit der darüber befindlichen Lösung im
thermodynamischen Gleichgewicht steht. Zwischen den beiden Größen K,(AgBr) =
besteht folgender Zusammenhang: 5. 10°73mol? - I
IK (A,B,)
L(A,B,) = x+y < u K,(Fe(OH);) =
xy 4 - 10° mol®- 1*
Die meisten Salze, z.B. Kaliumchlorid, lösen sich endotherm in Wasser, Die Lösungsenthalpie
sodass ihre Löslichkeit mit steigender Temperatur zunimmt. Weit weni- ist die Differenz zwi-
ger Löslichkeitsgleichgewichte sind exotherm. Die Löslichkeit solcher schen der Gitterener-
Salze wie Calciumchromat (CaCrO,) sinkt mit steigender Temperatur. gie und der Hydrata-
tionsenthalpie, die
bei der Bildung von
Die Löslichkeit und das Löslichkeitsprodukt sind jedoch praktisch nicht
hydratisisierten Ionen
druckabhängig, da die Volumenänderung infolge der Fällung vernach- frei wird (5. 94).
lässigbar ist. Im Gegensatz dazu kann die Löslichkeit von Stoffen durch
Veränderungen der Konzentrationen beeinflusst werden.
Gekoppelte Gleichgewichte
Viele schwer lösliche Salze können durch Zugabe von Säuren oder Basen
in Lösung gebracht werden. Die Ursache liegt darin, dass eine lonen-
sorte aus dem Löslichkeitsgleichgewicht gleichzeitig an einem Säure-
Base-Gleichgewicht beteiligt ist.
4 Die schwer löslichen Sulfide sind die Salze der schwachen Säure
Schwefelwasserstoff. Wenn man Eisensulfid durch Zugabe einer
Die Gleichgewichts- Säure auflösen will, liegen folgende Gleichgewichte vor.
konstante der Proto-
Iyse der S?-Ionen er- FeS(s) ——— Fe?*(agq) + S?"(aq) K\ = c{Fe?*) : c(S?)
gibt sich aus den
beiden Säurekonstan-
ten der zweiwerti-
S?(aq) + 2H,3O*faq) = H,S(aq) + 2H,0O()
gen Säure H3S:
K(H>S) = _ A
c(S2-) - c2(H,0*)
In der gleichen Weise kann die Löslichkeit eines schwer löslichen Salzes
auch durch Zugabe von Komplexbildnern deutlich vergrößert werden.
In diesem Fall wird ein Löslichkeitsgleichgewicht mit einem Komplexbil-
dungsgleichgewicht (/7S. 236) gekoppelt.
Der englische For- Der Begriff der Säuren und Basen wurde durch R. BoyLe bereits im
scher ROBERT BOYLE 17. Jh. eingeführt: Säuren färben gewisse blaue Pflanzenfarbstoffe rot,
(1627-1691) unter- lösen Marmor und scheiden aus Lösungen bestimmter Schwefelverbin-
schied als erster Säu- dungen Schwefel aus.
ren, Basen und neu-
trale Stoffe mithilfe
von Pflanzenfarbstof-
3 Na355 + 2HCI ——e 2Nall + H35 + VeSg
fen wie Lackmus.
Als Basen wurden Substanzen bezeichnet, die in alkalischen Lösungen
enthalten waren und beim Zusammengeben mit sauren Lösungen Salze
bilden können.
A. LAvoisier fand, dass beim Lösen gewisser Oxide von Nichtmetallen in
Wasser „saure” Lösungen entstehen und schlussfolgerte: „Sauerstoff ist
allen Säuren gemeinsam, dieser bedingt die sauren Eigenschaften”.
HCl H* + ch
HNO; H* + NOzy”
NaOH Na* + OH”
Na,0 + H,O 2Na* +2 OH”
Die BRÖNSTED-LOWRY-Theorie
Nach BRÖNSTED können aber auch neutrale Moleküle oder Ionen, die Neben dem bekann-
selbst keine Protonen enthalten, zu Säuren werden. Solche protonen- ten Ammonium-lon,
freie Verbindungen wie Nichtmetalloxide oder Metall-Kationen wer- NH,4*, bilden viele
den erst durch die Reaktion mit Wasser in BRÖNSTED-Säuren verwandelt, Kationen in wässriger
Lösung Kationensäu-
die dann Protonen abgeben können.
ren durch Bindung
von Wasser. Diese
SO; + H,O Ze H,50,
Reaktion mit Wasser
ist keine Protolyse,
Fe3* +6 H,O =— [Fe(H,0),1°* sondern eine Hydrati-
sierung.
Aus diesem Grund gibt es nicht nur neutrale sondern auch Anionen-
und Kationensäuren und -basen.
HCI + == H30*+ Cl
HNO; + H,O u ee H30* + NOz"
7.1.2 Säure-Base-Gleichgewichte
Für das Oxonium-lon Das wichtigste Lösungsmittel für Säure-Base-Reaktionen ist Wasser. Bei
wird häufig auch der Abgabe eines Protons von einer Säure an Wasser entsteht spontan
noch der veraltete das Oxonium-lon, H30*. Die Ursache liegt darin, dass die Anlagerung
Begriff Hydronium- der Protonen an die neutralen Moleküle exotherm verläuft. Deshalb
lon verwendet.
treten in den üblichen Lösungsmitteln keine freien Protonen auf, son-
dern diese werden immer von Lösungsmittelmolekülen gebunden.
Obwohl die Existenz derartiger
Oxonium-lonen in Feststoffen ein- Ho H +
deutig nachgewiesen wurde, spie- \H
gelt es die wahren Verhältnisse in | H,O*-Ion
wässriger Lösung nicht richtig wi- H
der. Vielmehr bindet ein H3O*-Ion H H +
über seine drei Wasserstoffatome | |
drei weitere H,O-Moleküle über ‚2! ‚9
Wasserstoffbrückenbindungen H H\®_H H
(75.99), wobei Oxonium-lonen Oo
der Zusammensetzung H9O,* ent- h
stehen. Der Einfachheit halber H,0,*-Ion
werden Oxonium-lonen in wässri- IR
ger Lösung dennoch als H30* for- H H
muliert.
Da nur Zahlenwerte Die Konstante Ky, wird als Ionenprodukt des Wassers bezeichnet und
ohne Einheiten loga- beträgt bei 22 °C exakt 10"'* mol? - 12,
rithmiert werden Um für die Angabe der Konzentration an H30*-Ionen in wässriger
können, dividiert
Lösung nicht mit sehr kleinen Zahlen arbeiten zu müssen, wird der pH-
man die H3O*-Ionen-
Wert wie folgt definiert:
konzentration durch
die Einheit mol: ".
pH = -Ig c(H30*)
Säuren und Basen 177 Ä
pH-Wert
Eigenschaften
der Lösung
c(OH’) = 10-13 13
c(OH) = 10712 12
c(OH°) = 107"! 1
—
Synonym wird für den Die Übertragung der H*-Ionen von der BRÖNSTED-Säure zur Base erfolgt
Begriff korrespondie- in einer reversiblen Reaktion (/S. 156). Protonendonator und -akzeptor
rendes auch häufig bilden ein korrespondierendes Säure-Base-Paar.
der Bergriff konju-
giertes Paar genutzt.
Protonenabgabe
Säure <<
— Base + Proton
Protonenaufnahme
Verbindungen oder In wässrigen Lösungen kann Wasser Protonen aufnehmen oder abge-
Teilchen, die wie H,O ben und steht damit als Reaktionspartner sowohl für Säuren als auch für
entweder als Säure Basen zur Verfügung.
oder als Base reagie-
ren können, bezeich-
CH3COOH + H;0 = H30* + CH3COO”
net man als Ampho-
Iyte (7 S. 186).
H;O + NH =—e
Si
en OH + NH4*
In der Reaktion mit Essigsäure nimmt Wasser bei der Hinreaktion ein
Proton unter Bildung von Oxonium-lonen, H30*, auf, wirkt also im
brönstedschen Sinn als Base. In der Rückreaktion ist H30* eine BRÖNSTED-
Säure, da es ein Proton an das Acetat-Anion, CH3COO”, überträgt und
dabei die Base H,O zurückgebildet wird.
Es bilden also nicht nur HzO und H30*, sondern auch CH3COOH und
CH3COO” ein korrespondierendes Säure-Base-Paar, die miteinander im
Säure-Base-Gleichgewicht stehen.
| korrespondierend }
HA + ,O0 == X + H,0*
l korrespondierend 4
Ob Wasser als Säure Dieses Gleichgewicht zwischen Hin- und Rückreaktion beruht auf der
oder Base reagiert, Übertragung eines Protons von einer Säure auf eine andere Base. Es
hängt allein vom kon- stellt sich auch bei Säure-Base-Reaktionen in nicht wässrigen Systemen
kreten Reaktionspart- ein und kann durch folgende allgemeine Reaktion ausgedrückt werden:
ner und dessen sau-
nr
ren bzw. basischen
Eigenschaften ab.
Säure, + Base, in
= Base, + Säure,
I |
Säuren und Basen 179 I
K-c(H,0) = ar
(H3O*) : c(A7
a
Das Produkt K-c(H,O) wird als Säurekonstante K, bezeichnet. Auf die Die Stärke von Säu-
gleiche Weise ist die Basenkonstante einer Base B definiert: ren und Basen ist
nicht gleichzusetzen
B +H,0 == BH* + OH” mit ihrer aggressiven
Wirkung. So ist Fluss-
. _ c(BH*): c(OH-) _ säure, HF, zwar nur
K c(H,O) = TB = Kg
eine schwache, aber
dennoch eine der re-
aktivsten Säuren. Sie
zersetzt die meisten
Metalle, Mineralien
und Kunststoffe und
löst sogar Glas auf.
Anstelle des Ks- oder Kg-Wertes wird häufig der pK; bzw. pK,;-Wert an-
gegeben, der wiederum dem negativen dekadischen Logarithmus des
jeweiligen K-Wertes entspricht. Definitionsgemäß zeigen hier kleine
Werte für pK; bzw. pK, starke Säuren bzw. Basen an, während umge-
kehrt große Werte für pK; bzw. pKg schwache Säuren bzw. Basen kenn-
zeichnen.
Essigsäure ist eine schwache Säure, Ammoniak eine schwache Base, so- Der pH-Wert von
dass beide in wässriger Lösung nur teilweise protolysieren und die pro- Säurelösungen glei-
tonierten und deprotonierten korrespondierenden Partner in einem re- cher Konzentration
alen Gleichgewicht vorliegen. kann unterschiedlich
sein, wenn sich die
Sehr starke Säuren protolysieren in Wasser dagegen vollständig, das
Säurestärke unter-
heißt die Konzentration der H3O*-Ionen entspricht exakt der Konzent- scheidet. Wässrige
ration der Säure. Da in solchen Fällen alle Protonen von der Säure auf Lösungen sehr starker
Wasser übertragen werden, lässt sich die Stärke der Säuren nicht mehr Säuren gleicher Kon-
unterscheiden, sie scheinen alle gleich stark zu sein. In wässriger Lösung zentration weisen je-
ist demnach das Oxonium-lon die stärkste mögliche Säure. doch aufgrund des ni-
Umgekehrt gilt für Basen, dass keine Base in Wasser stärker sein kann vellierenden Effekts
als das Hydroxid-Ion, da sie vollständig Protonen vom Wasser unter Bil- des Wassers den glei-
chen pH-Wert auf.
dung von OH”-Ionen aufnehmen.
180 Protonen- und Elektronenübertragungsreaktionen
Säure HA PKs A’ PK
Mehrwertige Säuren können ihre Protonen stufenweise abgeben. Jede Mehrwertige Säuren
Protolysestufe hat ihre eigene Säurekonstante K;, die mit Ksı, Ks) usw. werden auch häufig
bezeichnet werden. als mehrbasig bzw.
mehrprotonig be-
zeichnet. Beispiele
= Phosphorsäure, H3PO,, protolysiert in drei Stufen:
für solche mehrwerti-
gen Säuren sind Phos-
1. H3PO,y + H,O gm H30* + H,PO,” phorsäure, H3PO,,
_ c(H30*) - c(H,PO,") _ Pre _
Schwefelsäure, Hz50,
Ks — c(HzPO,) — 7,4 10 PKsı —_ 2,13
und Kohlensäure,
H,CO;.
2. H;PO, + H,O = H30* + HPO,?
_ C(H30*)-c(HPO,) _ , . 4n-8 _
Ks= rem = 7,6: 10 PKa
= 7,12
relativer Anteil in %
PO,?”. Die beiden an-
deren lonen H,PO,"
A
100
und HPO,? dominie-
ren im dazwischen
liegenden pH-Be-
reich.
50-
$ 182 Protonen- und Elektronenübertragungsreaktionen
pH + pOH = pKw = 14
pH=pKw-pPOH=14-2=12
Da aus einem Teilchen Säure (HA) jeweils ein Oxonium-lon und ein
Säurerest-Anion entstehen, ist c(H30*) = c(A°) und es folgt:
c2(H30*) _
Die anfangs zuge- Ks’ [c(Hz0)] = c(HA) =K;
setzte Säure (co(HA))
protolysiert teil- Ks [c(HA)] = C?(Hz0*)
weise. Der protoly-
sierte Anteil ent-
Logarithmieren und Umstellen nach dem pH-Wert ergibt:
spricht c(A), der nicht
protolysierte Anteil _ PKs-Igc(AH)
wird durch c(HA) an- PKs -Ig c(HA) =2 pH pH 5
gegeben. Damit gilt:
Die einzige unbekannte Größe in dieser Gleichung ist die Konzentration
Co(HA) = c(HA) + c(A’) der Säure, c(HA). Diese ergibt sich aus der Differenz der Konzentration
an anfangs zugesetzter Säure, co(HA) und c(A’7).
Säuren und Basen 183 ’
Verdünnte schwache Säuren protolysieren nur so geringfügig, dass der Die nebenstehende
Anteil undissoziierter Säure c(HA) viel größer als die dissoziierte Menge Formel gilt nur für
c(A7) ist. Deshalb kann näherungsweise c(HA) = co(HA) gesetzt und der schwache Säuren aus-
pH-Wert somit nach folgender Gleichung ermittelt werden: reichender Verdün-
nung. Eine exakte Be-
rechnung des pH-
pH = Wr (pK; - Ig co(HA))
Werts schwacher Säu-
ren ist unter Verwen-
Der pH-Wert schwacher Basen kann auf ähnliche Weise unter Berück- dung des Protolyse-
sichtigung der Protolyse berechnet werden. grades, &, möglich.
3 Wie groß ist der pH-Wert einer wässrigen Lösung von Schwefelwas-
serstoff der Konzentration co(H;5) = 0,1 mol-F 17
Analyse:
Schwefelwasserstoff protolysiert in Wasser nicht vollständig, son- Das Hydrogensulfid-
dern liegt im Protolysegleichgewicht vor (pKsı = 6,92). Eine 0,1 mo- Ion gibt das zweite
lare Lösung ist ausreichend verdünnt, sodass der pH-Wert nach der Proton erst im stark
allgemeinen Formel für schwache Säuren berechnet werden kann. basischen Bereich ab.
Die pKs- und pK;-
Werte von Säuren
H,5 + H,O = HS” + H30*
und Basen findet man
in Tabellen z.B. unter
Gesucht: pH=-Ig c(H3O*) www.tafelwerk.de
Gegeben: co(H,5) = 0,1 mol - I" PKsı = 6,92
Lösung:
3 n=PKsı-!golH2S) _ 692-1901 _ 692-1)
PA = 2 ” 2 ” 2
pH = 3,96
Ergebnis:
Der pH-Wert der 0,1 molaren wässrigen H,S-Lösung beträgt 3,96.
u 184 Protonen- und Elektronenübertragungsreaktionen
In Oxosäuren, wie der Die Stärke von BRÖNSTED-Säuren ändert sich entsprechend atomarer Ei-
Schwefelsäure, sind genschaften, die aus der Stellung der Elemente im PSE abgeleitet wer-
die Wasserstoffatome den können. Dabei unterscheidet man zwischen Säuren, in denen Was-
an Sauerstoffatome serstoffatome nicht an Sauerstoffatome gebunden sind und Oxosäuren.
gebunden.
Element-Wasserstoff-Verbindungen
Die Säurestärke von Säuren, in denen die Protonen nicht an Sauerstoff-
atome gebunden sind, z.B. H,5 oder HCl, wird von zwei Faktoren beein-
flusst: der Elektronegativität (EN) und dem Atomradius des Elements,
das die Protonen bindet. Diese beiden Einflussgrößen zeigen sich sehr
deutlich beim Vergleich der Säurestärke von Element-Wasserstoff-Säu-
ren innerhalb einer Periode (starke Änderung der EN) sowie innerhalb
einer Hauptgruppe (starke Änderung der Atomgröße).
Die Ursache für die Zunahme der Säurestärke vom Ammoniak zur Fluss-
säure ist, dass mit steigender Elektronegativität des Elements E die ge-
meinsamen Bindungselektronen der E-H-Bindung stärker zu E gezogen
werden. Die daraus resultierende Polarisierung der Atombindung
ermöglicht eine leichtere Spaltung der E-H-Bindung durch das polare
Lösungsmittel Wasser.
Durch die Zunahme der Atomgröße des Elements, an das die Wasser-
stoffatome gebunden sind, wird die Überlappung der Atomorbitale ge-
ringer. Dadurch wird die E-H-Bindung schwächer und kann einfacher
heterolytisch gespalten werden. Folglich kann das Proton leichter abge-
geben werden, sodass die Säurestärke der Verbindungen zunimmt.
Säuren und Basen 185 |
Oxosäuren
In Oxosäuren sind die Wasserstoffatome direkt an Sauerstoffatome ge-
bunden, deren Größe nahezu konstant ist. Deshalb wird die Säurestärke Allen Oxosäuren ge-
von Oxosäuren im Wesentlichen von der Elektronegativität des Elements meinsam ist die allge-
meine Baugruppe:
E bestimmt, an das die Sauerstoffatome gebunden sind. Wenn E beispiels-
Br
weise ein Metall mit geringer Elektronegativität ist, wird das zwischen E E-O-H
und O befindliche Elektronenpaar zum Sauerstoff gehören. Die E-O-Bin- u
dung ist stark polar, und somit wird das polare Lösungsmittel Wasser
diese Bindung und nicht die wenig polare O-H-Bindung spalten. Die Ver-
bindung reagiert als typische Brönsted-Base, wie NaOH oder Ca(Oh),.
Wenn aber E ein stark elektronegatives Nichtmetallatom ist, dann wird Die Bindung zwi-
die Elektronendichte der E-O-Bindung zwischen E und O verteilt sein, schen Na und O ist
selbst wenn Sauerstoff elektronegativer ist. Das hat aber zur Folge, dass polarer als die zwi-
schen O und H:
nunmehr die O-H-Bindung wesentlich polarer und damit leichter durch
Wasser spaltbar wird. Die Nichtmetallverbindung zeigt somit das typi- Na—O-H
sche Verhalten einer Brönsted-Säure.
Na* + OH”
c-0O=H
© ©
Die Säurestärke von Oxosäuren lassen sich relativ einfach aus ihrer all-
gemeinen Zusammensetzung nach folgenden Regeln abschätzen:
Aus der Formel 1. Für Oxosäuren (HO),EO, beträgt der pKs,-Wert für die erste Protoly-
(HO),EO, lassen sich sestufe etwa 8-5 y, unabhängig von der Anzahl der OH-Gruppen (x).
die pKs-Werte auf ca. 2. Bei mehrbasigen Säuren (x > 1) steigen die pKs-Werte um jeweils
+1 Einheit genau vor- fünf Einheiten mit jeder Deprotonierungsstufe.
aussagen: Neutrale
Oxosäuren mity=0
haben pKs-Werte um
= Für Schwefelsäure, H,50, = (HO),SO,, ist x=2 und y=2. Entspre-
8, solche mit einem chend der Abschätzung pKsı = 8-5: y beträgt der pKs]-Wert unge-
zusätzlichen Sauer- fähr -2. Der pKs,-Wert liegt bei +1,9 und damit nur eine Einheit un-
stoffatom (y = 1) ha- ter dem nach der 2. Regel abgeleiteten Schätzwert von +3.
ben pKs-Werte um 3,
während Oxosäuren
mit y=2 pKs-Werte
um -2 aufweisen.
Auch bei organischen Verbindungen tritt der Effekt der Elektronen zie-
henden Gruppen auf. Ethanol spaltet in wässriger Lösung kein Proton
ab. In der Essigsäure ist formal ein weiteres O-Atom eingeführt worden,
wodurch die OH-Gruppe nunmehr sauer regiert.
Wird in Schwefelsäu-
Mi ö Fi ,oOl
re, H,50, = SO,(OH),,
a Il %[6] il.
eine OH-Gruppe H-C-C-O-H H-C-C Bet
durch das Fluoratom Il | °8-H B) NO-H
ersetzt, entsteht HH H = IFl =
Fluorsulfonsäure,
HSOzF = SO,(OH)JF. Da PKs = 18 PKs=4,75 PKs=-3
Fluor elektronegati-
ver als Sauerstoff ist, Ethanol Essigsäure Trifluoressigsäure
wird die O-H-Bin-
In der Stoffklasse der Carbonsäuren (/S. 305) liegt die funktionelle
dung noch stärker ge-
schwächt und die Pro-
Gruppe -COOH vor. Sie gehören damit zur Klasse der Säuren mit y= 1
tonen können noch und sind mittelstarke Säuren. Wird nunmehr in der Carbonsäure, R-
leichter abgegeben COOH, der Rest R durch eine stark Elektronen ziehende Gruppe wie -
werden als von der CF; ersetzt, nimmt die Säurestärke beträchtlich zu, die Trifluoressig-
Schwefelsäure. säure ist daher eine wesentlich stärkere Säure als die Essigsäure.
Säuren und Basen 187 H
7.1.3 Amphoterie
zwitterhaft). ;
Ampholyte verhalten sich gegenüber starken Säuren als Basen aber
gegenüber starken Basen als Säuren. Deshalb ist es verständlich, dass sie
zwischen den starken Säuren und Basen liegen und darüber hinaus in
der Lage sind, sowohl Protonen abzugeben als auch aufzunehmen. Ty-
pische amphotere Verbindungen oder Ionen sind daher unter den
schwachen Basen und Säuren zu finden.
Darüber hinaus sind auch die Oxide der leichteren Elemente der Il. und Auch die meisten
IN. Hauptgruppe sowie der schwereren Elementen der IV. und V. Haupt- Übergangsmetall-
gruppe Amphotere. So reagiert z.B. nicht zu hoch erhitztes Al,O; so- oxide sind in Abhän-
wohl mit starken Säuren als auch mit starken Basen: gigkeit von der Oxi-
dationszahl des Me-
U _A%Oz + 6H30* + 34,0 =—e 2[AI(H,O).P* talls Amphotere.
7.1.4 Neutralisationsreaktionen
Neutralisationsreakti-
onen sind Protolysen,
d.h., es erfolgt eine
Übertragung eines
Protons von der Säure
zur Base. Setzt man beispielsweise äquivalente Stoffmengen an Salzsäure und Na-
tronlauge um, so entsteht eine Lösung, deren pH-Wert exakt 7 ist; die
Lösung ist neutral.
Die deprotonierte Aus der Gleichung erkennt man, dass an der Neutralisation einer Säure
Säure ist das Säure- und einer Base nur die H30*- und OH-Ionen beteiligt sind, die Säure-
rest-Anion, die proto- rest-Anionen und Base-Kationen bleiben - meist gelöst - zurück.
nierte Base ist das
Metall-Kation.
Base + Säure = protonierte Base + deprotonierte Säure + H,O
Säure-Base-Titration
A
Somit steigt zu Beginn einer Titration der pH-Wert zunächst nur lang- Logarithmischer Zu-
sam an. In der Nähe des Äquivalenzpunktes jedoch ändert er sich bei sammenhang zwi-
nur sehr geringer Volumenzugabe an Maßlösung (z.B. NaOH) sehr stark schen pH und c(OH’):
und geht in den basischen Bereich über. Die weitere Zugabe führt nun
pOH = -Igc(OH’)
wiederum zu immer geringeren Änderungen des pH-Werts, weil der zu-
pH = pKy-POH
nehmende Überschuss an Natronlauge wegen des ebenfalls logarithmi- pH = pKy + |g c(OH”)
schen Zusammenhanges zwischen OH”-Konzentration und pH-Wert zu
immer geringeren relativen Änderungen führt.
Protonen- und Elektronenübertragungsreaktionen
Anders als bei der Am häufigsten werden zur Erkennung des Äquivalenzpunktes jedoch
Potenziometrie Säure-Base-Indikatoren eingesetzt.
(7 5. 432) wird bei
der konduktometri-
schen Titration der
Äquivalenzpunkt
durch Messung der
Leitfähigkeit der
Lösung ermittelt.
12 —
11 —
10 —_
9_—
8.—
7—{ Umschlag von
Brommethylblau
6—
5: —
4 _ Umschlag von
Methylorange
3—
I Tr T T TT T T TT » Volumen
10 30 50 70 90 110 NaOH-Lösg./ml
Am Äquivalenzpunkt, dem Wendepunkt der Titrationskurve, sind Bei der Titration einer
die Konzentrationen von Na*- und CH3COO”-lIonen gleich. Wäh- schwachen Säure mit
rend Na*-Ionen keine Rückreaktion mit Wasser eingehen, reagiert einer starken Base ist
das Acetat-lon als starke korrespondierende Base der schwachen Es- auch die Änderung
des pH-Wertes deut-
sigsäure merklich mit Wasser:
lich kleiner als bei ei-
ner starken Säure.
CH3COO” + H,O =—— CH3COOH + OH" Das liegt daran, dass
Lösungen schwacher
In der Lösung überwiegen somit die OH”-Ionen, die Lösung ist am Säuren schon zu Be-
Äquivalenzpunkt basisch, pH > 7. ginn höhere pH-
Das lässt sich auch quantitativ bestimmen. Geht man von dem in Werte aufweisen und
der entsprechenden Titrationskurve gezeigten Beispiel aus, in dem außerdem Pufferlö-
50 ml Essigsäure (c = 0,1 mol- |") mit einer Natronlauge gleicher sungen (/ S. 192) mit
ihren korrespondie-
Konzentration titriert wird, so liegt am Äquivalenzpunkt eine Ace-
renden Basen bilden.
tatkonzentration von c(CH3COO’) = 0,05 mol: I! vor.
Unter Verwendung der Gleichung pOH = "2 pKz -Ig c(B) ergibt sich
durch Einsetzen der Werte für oK(CH3COO”) und c(CH3COO'):
Pufferlösungen
CO; bildet mit Wasser Es ist leicht, Lösungen mit einem definierten pH-Wert herzustellen, je-
durch Protolyse H30*- doch ist es schwieriger, diesen pH-Wert über längere Zeit konstant zu
lonen und wirkt des- halten. Äußere Einflüsse wie die Aufnahme von Kohlenstoffdioxid aus
halb als Säure. der Luft oder die Wirkung basischer Bestandteile von Geräteglas kön-
Geräteglas enthält
nen die Protonenkonzentration verändern. Besonders bei verdünnten
neben SiO, auch Al-
Lösungen können sich diese Einflüsse bemerkbar machen.
kalimetalloxide wie
Na,O. Diese können Das strikte Einhalten enger pH-Bereiche ist in biologischen Systemen
durch Säuren lang- von ganz besonderer Wichtigkeit. Dies wird durch Pufferlösungen er-
sam herausgelöst reicht, die den pH-Wert weitgehend konstant halten, auch wenn Säuren
werden und den pH- oder Basen in begrenzter Menge zugegeben werden. Puffergemische
Wert erhöhen. müssen stets zwei Substanzen enthalten: eine Base, die mit H3O*-Ionen
reagiert, und eine Säure, die OH”-Ionen abfängt. Säure und Base der
Pufferlösung dürfen dabei nicht im Sinne einer Neutralisationsreaktion
miteinander reagieren.
Setzt man der Essigsäure als schwacher Säure Acetat-lonen als korres-
pondierende Base zu, wird das Protolysegleichgewicht verändert.
In der Säure-Base- Nach der BRÖNSTED-Theorie ist saures oder basisches Verhalten eine
Theorie nach GILBERT Folge der Fähigkeit eines Moleküls oder lons, ein Proton abzuspalten
NEwToN Lewis (1875 oder aufzunehmen. Das Proton ist damit als Teilchen zur Übertragung
bis 1946) wird das von sauren oder basischen Eigenschaften anzusehen.
Proton selbst als
Da eine BRÖNSTED-Base immer nur dann ein Proton aufzunehmen ver-
Säure betrachtet. Die
mag, wenn es über ein freies Elektronenpaar verfügt, ist der Begriff der
BRÖNSTED-Säuren
H3PO,, H,50,, HCI Base durch BRÖNSTED allgemeiner gefasst als der Begriff der Säure, die ja
etc. werden nach LE- an das Proton gebunden ist und somit in gewisser Weise eine Überbeto-
wis nicht mehr als nung der Rolle des Protons zum Ausdruck bringt. Eine Base jedoch, die
Säuren bezeichnet. ihr Elektronenpaar mit einem Proton teilen kann, kann dieses Elektro-
nenpaar ebenso gut mit anderen, als Elektronenpaarakzeptoren wir-
kenden Spezies teilen. Diese Verallgemeinerung führt zur Säure-Base-
Definition nach G. N. Lewis.
Wenn die Lewis-Säure Eine Verbindung, die nach BRÖNSTED eine Base ist, ist auch im LEwis-Kon-
mit A und die LEwis- zept eine Base. Bei den Säuren umfasst die LEwis-Definition jedoch eine
Base mit IB symboli- wesentlich größere Klasse von Substanzen. Eine Lewis-Säure muss ein
siert wird, entspricht unbesetztes Orbital haben, das mit dem Elektronenpaar der Base be-
die grundlegende Re-
setzt werden kann.
aktion der Bildung ei-
nes Komplexes A-B
(/ 5. 238). 3 Eine typische LEewis-Säure-Base-Reaktion, die von keinem anderen
Säure-Base-Konzept erfasst wird, ist die Reaktion von Bortrifluorid,
A+lB = A» BF;, mit Ammoniak, NH.
Im Haushalt finden Säuren und Basen in Reinigungsmitteln breite An- Die heutigen Seifen
wendung. Säuren sind in Kalkentfernern zur Reinigung sanitä- und Waschmittel ent-
rer Anlagen enthalten. Neutrale Reinigungsmittel werden für halten überwiegend
empfindliche Oberflächen, z.B. Fenster und lackierte Flä- moderne Tenside
(7 S. 390) mit deut-
chen genutzt. Schwache Basen setzt man zur Bodenreini-
lich verbesserten Ei-
gung, Fett- und Ölentfernung ein, während starke Basen
genschaften.
zur Grundreinigung bei starker Verschmutzung ange-
wendet werden.
Die ältesten bekannten Waschmittel sind die Seifen, die
vom Menschen schon seit Jahrhunderten hergestellt
und genutzt werden. Sie werden mittels Verseifung tie-
rischer Fette durch Laugen (/'5$. 319) gewonnen. Kern-
seife ist ein Gemisch aus Natriumsalzen und Schmier-
seife ein Gemisch aus Kaliumsalzen langkettiger
Fettsäuren. Wässrige Lösungen von Seifen reagieren al-
kalisch, da bei der Hydrolyse die Salze zu wasserunlös-
lichen Fettsäuren und Hydroxiden reagieren. Deshalb
brennen Seifenlaugen, wenn man sie in die Augen be-
kommt. Außerdem zerstört die Seifenlösung die Die Reaktion von Ba-
Säureschutzschicht der Haut. sen mit Fetten wird in
starken Backofenrei-
nigern genutzt, in-
C45H3}COONa + H,O ee C}5H3}COOH + NaOH
dem Kaliumhydroxid
zur Zerstörung der
Hartes Wasser enthält Ca**- Ionen und bindet deshalb die Anionen der eingebrannten Fette
Fettsäuren unter Bildung unlöslicher Kalkseifen, wodurch die Waschwir- durch Verseifung ein-
kung der Seifen beeinträchtigt wird. gesetzt wird.
Ö 196 Protonen- und Elektronenübertragungsreaktionen
Eine gesättigte Ca(OH),-Lösung hat einen pH-Wert von ca. 12,6. Das im
Zement enthaltene Calciumoxid bewirkt daher einen hohen pH-Wert im
Beton. In dieser alkalischen Umgebung (pH > 9,5) bilden unlegierte
Stahlteile, die zur Stabilisierung in den Beton eingebracht werden, auf
ihrer Oberfläche eine wenige Atomlagen dicke Passivierschicht. Diese
besteht aus schwer löslichem Eisen(Il)-hydroxid und verhindert eine wei-
tere Korrosion des Baustahls:
Schwefelsäure wird
u.a. zur Herstellung 2Fe + O, +2 H,O —e 2 Fe(OH),
von Düngemitteln,
Tensiden und Pig- In gesundem Beton wird somit der Baustahl infolge des hohen pH-Wer-
menten verwendet. tes von ca. 12,6 geschützt. Dem weiteren Abbinden des Betons liegt die
Außerdem werden Reaktion des stark basischen Ca(OH), mit dem sauren Gas CO, zu-
anorganische Säuren grunde, in dessen Ergebnis Calciumcarbonat gebildet wird:
vielfach als Katalysa-
toren technischer
Ca(OH), + CO, rc CaCO; + H,O
Prozesse benötigt.
Die Weltjahrespro-
duktion von Schwe- Infolge dieser Carbonatisierung wird der pH-Wert der wässrigen Lösung
felsäure beträgt mehr in den Betonporen erniedrigt. Fällt der pH-Wert unter 9, dann löst sich
als 100 Mio. Tonnen. die Passivierschicht, sodass die Stabilität des Baustahls durch langsam
fortschreitende Korrosion verloren gehen kann.
Redoxreaktionen 197 J
7.2 Redoxreaktionen
Unter Redoxreaktionen versteht man chemische Reaktionen, bei denen A. LAvoisier (1743 bis
Oxidationsvorgang und Reduktionsvorgang gleichzeitig ablaufen. Der 1794) bewies, dass die
Begriff Oxidation lässt sich auf A. LAavoisier zurückführen und leitet sich Verbrennung von
vom lateinischen Namen für Sauerstoff Oxygenium ab. Den zur Oxida- Stoffen nur in Gegen- a
wart von Sauerstoff s
tion umgekehrten Vorgang bezeichnet man als Reduktion (lat. reducere
erfolgen kann und ]
= zurückführen).
widerlegte damit die
Damit waren ursprünglich die Begriffe Oxidation und Reduktion an die alchemistische Phlo-
Aufnahme und Abgabe von Sauerstoff gebunden. Diese Definition er- gistontheorie.
wies sich jedoch als unzureichend, da man bald erkannte, dass viele Re-
aktionen einen ähnlichen Verlauf nehmen wie Verbrennungsprozesse,
ohne dass Sauerstoff daran beteiligt ist.
Beim Vergleich der Reaktionen von Metallen mit Sauerstoff und mit Ha-
logenen erkennt man ein gemeinsames, wesentliches Merkmal: In bei-
den Fällen geben die Metalle Elektronen ab, die von den Reaktionspart-
nern aufgenommen werden.
3 Oxidation ca — ar + 2e
Reduktion Ca + 2e — 2C"
ca+ ch — Gktl,
Korrespondierende Redoxpaare
a Reduktion
Oxidation |
Cl, + Ca ca + 2ch
0%, red, 0x, red,
Zwischen den beiden Die oxidierte und die reduzierte Form von Teilchen, die durch Elektro-
Redoxpaaren bildet nenübertragung ineinander überführt werden können wie Ca/Ca?* oder
| sich ein chemisches CI7/Cl,, bilden ein korrespondierendes Redoxpaar. An einer Redoxreak-
| Gleichgewicht aus, tion sind zwei korrespondierende Redoxpaare beteiligt, ähnlich wie die
| das Redoxgleich- beiden korrespondierenden Säure-Base-Paare an einer Säure-Base-Reak-
gewicht (/ S. 202).
tion (/'5. 178).
\ Protonen Elektronen
, Säure Reduktionsmittel
Base Oxidationsmittel
Ss ——B, + H redd — 0X + €
Ba + HF ——— 5, 0% + €” ——e red,
PKs-Wert elektrochemische
Spannungsreihe
ei pH-Wert Redoxpotenzial E
Redoxreaktionen
7.2.2 Oxidationszahlen
Trichlormethan
— 3,0
ICıl
SE
NACH”
a
ICll
30
11-1
CHCI,
Z 5 “_ \ n ra 1:
=: =o HC =C-H
IN I =| Il IN
Oxidationszahlen o- 6. Die Summe aller OZ der Atome eines Teilchens entspricht der La-
ganischer Verbindun- dung des betrachteten Teilchens. Bei neutralen Molekülen ist die
gen werden nach den Summe der OZ immer Null, bei Molekül-lonen entspricht sie der lo-
gleichen Regeln er- nenladung.
mittelt.
N Zr En en a ee Ne DS BE ER al ee
OZ von mehratomigen
J2YVOnNI Tal omigen I Teilchennun
und deren Ladung Ö
La(
H oO
1. Aufstellen der Teilgleichungen für die beteiligten Redoxpaare und Im wässrigen System
Ermitteln der Zahl der abzugebenden bzw. aufzunehmenden Elek- liegen neben H,O
tronen mithilfe der Oxidationszahlen. auch H30* und OH”
vor. Diese Teilchen
IV vi werden zum Ausglei-
Oxidation SO3 + H,O °—— SO,” + 2e + 2H* chen der Teilreaktio-
nen benötigt. Zur
0 -11
besseren Übersicht
Reduktion O, + AH* + de! — 2H,0
kann man anstelle
von H30* auch nur H*
Durch Bildung des kleinsten gemeinsamen Vielfachen und entspre- verwenden.
chende Multiplikation wird die Zahl der Elektronen in beiden Teil-
gleichungen ausgeglichen. Die so erhaltenen Gleichungen werden
zu einer Bruttogleichung addiert.
(2 x) 2503?
+ 2H,0 ——e 250,”+ 4e
+ 4H*
(1x) O, + AH* + 4et —— 2H,0
3. Kürzen von Elektronen und Teilchen, die sowohl auf der linken als
auch auf der rechten Seite der Bruttogleichung stehen. Auf diese
Weise erhält man die verkürzte lonengleichung:
20 + 6 = 3
Überprüfen, ob die Gesetze von der Erhaltung der Masse und der
Ladung erfüllt sind. Ionen, z.B. Na*-Ionen, die an der Redoxreaktion
nicht beteiligt sind, brauchen nicht berücksichtigt zu werden. Um
die vollständige Stoffgleichung der Reaktion zu erhalten, muss man
diese Ionen auf beiden Seiten der Gleichung addieren.
I IV-Il 0 | Vı-Il
2 Na,50; + 0, = 2Na,50,
" 202 Protonen- und Elektronenübertragungsreaktionen
In welche Richtung laufen Redoxreaktionen ab? Kann man z.B. aus ei-
ner wässrigen CuSO,-Lösung durch Zugabe von Eisenschrott Kupfer aus-
fällen? Werden Vitamin C oder andere Konservierungsstoffe in Lebens-
mitteln durch Luftsauerstoff oxidiert?
Solche Fragen lassen sich unter Kenntnis der Redoxpotenziale beant-
worten. Im wässrigen System können die Gleichgewichtskonstanten von
Redoxreaktionen mithilfe der Standardredoxpotenziale E? der korres-
pondierenden Redoxpaare berechnet werden. Diese sind identisch mit
den Standardpotenzialen bzw. Standardelektrodenpotenzialen entspre-
chend der nernstschen Gleichung (/ 5. 121):
E = E + BT, jn 20 red —e x + ze
z-F c(red)
Betrachten wir die Fällung von Kupfer durch Zufügen von Eisen-
schrott zu einer wässrigen Lösung eines Kupfersalzes.
Die Konzentrationen
0 l [ 0
der festen Metalle Fe + Cut =—> Fett + Cu
werden in der nernst-
schen Gleichung defi- red; 0X 0X] red,
nitionsgemäß gleich
1 gesetzt (/'S. 121). Redoxpaar 1: Fe/Fe?* Ei=E, + ET. In c{Fe**)
a (-E)= In Ge =InK
Das Gleichgewicht liegt auf der Seite der Reaktionsprodukte Fe?*
und Cu, wenn die Gleichgewichtskonstante größer als 1 ist
Die Gleichgewichts- (/ 5. 162 f.). Mit den in Tabellen zugänglichen Werten für die Stan-
konstante von Redox- dardredoxpotenziale (EP, = -0,441 V und EP,= 0,345 V) ergibt sich
reaktionen in nicht
bei einer Temperatur von 298 K eine Gleichgewichtskonstante von
wässrigen Systemen
muss über die freie
K = 4,42: 10°%. Daraus folgt, dass die Reaktion freiwillig und voll-
Standardbildungs- ständig abläuft. Diese redoxchemische Fällung edler Metalle aus ih-
enthalpie AxG° be- ren Salzlösungen wird auch als Zementation bezeichnet und z.B.
rechnet werden. für das Verkupfern von Gegenständen aus unedleren Metallen ein-
gesetzt.
Redoxreaktionen 203 I
Redoxamphotere könneOn auch mit sich selbst reagieren. Solche spezi- Die Rückreaktion der
ellen Redoxreaktionen, bei der ein Stoff mit einer mittleren Oxidations- Disproportionierung,
zahl in einen Stoff mit einer niedrigeren und einer höheren Oxidations- bei der aus Stoffen
zahl übergeht, bezeicht man als Disproportionierung. höherer und niede-
rer OZ ein Redoxam-
Ein typisches Beispiel ist die Disproportionierung von lod im alkalischen
photer mit mittlerer
pH-Bereich. lod oxidert und reduziert sich selbst unter Bildung von lo-
OZ entsteht, nennt
dat (lO3") und lodid-lIonen (I). man Kom- oder Syn-
proportionierung.
Su + 60H —— 105 + 31,0 + 5e Oxidation
ia + 58 — 5r Reduktion
0 1 -| V I-Il
3) + 60H = 57 + 103° + 3H,0 Redoxreaktion
Die Konzentration Der Elektronenübergang findet bei Oxoanionen wie MnO, am Zentral-
von Wasser in ver- atom, in diesem Fall Mangan, statt. Der oxidisch gebundene Sauerstoff
dünnten, wässrigen wird dabei - ohne seine Oxidationszahl (OZ = -Il) zu ändern - durch
Lösungen bleibt wäh- Oxonium-lonen in Wasser überführt.
rend der Reaktion
fast konstant und Vi -I I -Il Il I —-Il
Durch Umformen der Gleichung lässt sich leicht zeigen, dass das Redox-
potenzial und damit das Oxidationsvermögen (/'5$. 203) des Permanga-
nats vom pH-Wert der Lösung abhängig ist.
Redoxreaktionen sind ein sehr wichtiger Reaktionstyp in der chemi- Auch in der Landwirt-
schen Industrie. So wird die Schwefelsäure über die Oxidation von schaft gibt es viele
Schwefel oder Sulfiden zu Schwefeldioxid und anschließender katalyti- praktische Anwen-
scher Oxidation des SO, zu Schwefeltrioxid (/S. 398) produziert. dungen von Redoxre-
aktionen. So beruht
Nahezu alle stickstoffhaltigen Verbindungen (Düngemittel, Farbstoffe,
die Herstellung vieler
Sprengmittel, Polyamide) werden aus Ammoniak erzeugt. Dieser wird
Düngemittel ebenso
durch die katalytische Reduktion von Stickstoff durch Wasserstoff - die auf Redoxprozessen
Ammoniaksynthese (/ S. 394) - hergestellt. wie die Düngewir-
Auch die Synthesen organischer Stoffe (z.B. Alkohole, Aldehyde, Ke- kung im Boden.
tone, Carbonsäuren oder PVC) und die technisch bedeutsamen Elektro-
Iyseverfahren (z.B. die Chlor-Alkali-Elektrolyse /S. 400) basieren auf
Redoxreaktionen.
Energieerzeugung
Über die Verbrennung von fossilen Energieträgern, wie Kohle, Erdöl
oder Erdgas werden in Wärmekraftwerken Elektroenergie und andere
Energieträger erzeugt.
0 0 IV -Il
C + 0 —— 00 AH® = -393 kJ mol"
IV I 0 IV-I1 I -Il
CH, + 20,2 —— CO, + 2H5;0 AH?=-890 kJ mol"
Das Verbrennen von Benzin, Diesel, Kerosin wird zum Betreiben von Die bei der Verbren-
Kraftfahrzeugen, Flugzeugen und Schiffen genutzt. nung der Raketen-
Die Energie zum Antrieb von Raketen wird über Redoxreaktionen ge- treibstoffe frei wer-
wonnen. Allen festen oder flüssigen Raketentreibstoffen liegt ein ge- dende hohe Energie
ermöglicht die Luft-
meinsames Prinzip zugrunde: Im Ergebnis stark exothermer Redoxpro-
und Raumfahrt.
zesse werden sehr heiße, gasförmige Reaktionsprodukte gebildet. Diese
besitzen eine sehr hohe kinetische Energie und treiben den Flugkörper
über das Rückstoßprinzip an. Ein geeigneter Raketentreibstoff ist flüssi-
ges Hydrazin, N,H„, das mit flüssigem Sauerstoff unter Energiefreiset-
zung zu den gasförmigen Produkten Stickstoff und Wasser reagiert.
11-11 0 0 I -1l
H-N-NH, + O5 ——e N, +2 H,O AH® = -622 kJ- mol"
Explosivstoffe setzen schlagartig in exothermen Redoxreaktionen Gase
frei, die sich aufgrund der hohen Temperaturen extrem ausdehnen und
damit die Sprengkraft bewirken.
I I V-Il 0 0 I —-Il
2NH3JNO;, —— N, + O5, + 4H,0 AH? =-201 kJ-mol“"
E 206 Protonen- und Elektronenübertragungsreaktionen
q Metallurgie
Die Metallurgie erfordert Redoxreaktionen, da die Metalle nur in Aus-
Bei der Herstellung nahmen elementar (gediegen) in der Natur vorkommen. Sie müssen aus
von Eisen und Stahl
sulfidischen oder oxidischen Metallerzen (z.B. ZnS, Fe30,) durch Röst-
spielen Redoxgleich-
und Reduktionsprozesse gewonnen werden.
gewichte wie das
BoupDouArD-Gleichge-
wicht (/' S. 165): Rösten von Metallsulfiden (M - Metall)
Das auf diese Weise gelöste Gold kann jetzt einfach vom Sand abge-
trennt und mit Zink wieder ausgefällt werden.
I 0 1 0
A[Au(cN,I + 2Zn = 2[Zn(CN),]?” + 4 Au
Die Cyanidlaugerei stellt ein nicht zu unterschätzendes Umweltrisiko
dar. Im Fall einer Havarie gelangt die hochgiftige Cyanidlösung in Ge-
wässer, was zum Absterben von Fischen und anderen Lebewesen führt.
Lebensmittelindustrie
Hier sei als eine wichtige Redoxreaktion die katalytische Hydrierung von
A Ölen zur Produktion von Margarine erwähnt (/ S. 321). Viele Konserven
enthalten Konservierungsstoffe, darunter Antioxidantien, die un-
Pyrotechnische Er-
zeugnisse wie Feuer-
erwünschte Reaktionen des Luftsauerstoffs mit den Lebensmitteln ver-
werk enthalten Oxi- hindern sollen. Als Antioxidantien dienen Salze wie Nitritpökelsalze
dations- und Reduk- oder organische Carbonsäuren (/S. 309), z.B. Ascorbinsäure.
tionsmittel, die für
verschiedene Effekte Pyrotechnische Industrie
(z.B. Knalleffekte) Bei vielen Redoxreaktionen wird ein Teil der freigesetzten Energie in
sorgen. Form von Licht emittiert. Das macht man sich zur festlichen Beleuchtung
oder bei spektakulären Feuerwerken zunutze. Zur Beleuchtung wurden
jahrhundertelang brennende Fackeln oder Kerzen benutzt. Auch in der
Pyrotechnik bedient man sich der Redoxreaktionen. So enthalten Wun-
derkerzen oder Feuerwerk immer Reduktionsmittel und Oxidationsmit-
tel neben anderen Stoffen, die verschiedene Effekte hervorrufen.
Analytik
Zahlreiche chemische Analysemethoden basieren auf Redoxprozessen.
Dazu zählen klassische Nachweisreaktionen organischer und anorgani-
scher Stoffe (7 S. 424 ff.) ebenso wie moderne elektrochemische Analy-
semethoden (/S. 432 f.) und die quantitative Redoxtitration.
I 208 Anorganische und Komplexchemie
Nitrate, Sulfate
Phosphate
N, O,, Sg alle
Oxide, CaF,,
Sulfide KCI
EC E E C C (@ EC
SiO,
+ 2C ——
Si + 2 CO
Das Zwischenprodukt HSiCl; kann sofort zur Synthese von Siliconen ein- Zonenschmelzen ist
gesetzt werden. Um Silicium höherer Reinheit zu erhalten, wird Tri- ein spezielles Kristalli-
chlorsilan zunächst durch Destillation gereinigt und mit Wasserstoff bei sationsverfahren, das
1000 °C reduziert. Daraus werden dicke Siliciumstäbe mit einer Reinheit zur Raffination von
Metallen eingesetzt
von 99,9 % gewonnen, die aber für die Anwendungen des Halbleiters
wird. Für Silicium
in der Mikroelektronik bzw. in der Solartechnik immer noch nicht aus-
können Reinheiten
reichend ist. Erst durch Raffination des Siliciums mittels Zonenschmelzen bis zu 99,9999999 %
wird hochreines Silicium mit einem Reinheitsgrad von über 99,999 % erreicht werden.
hergestellt, aus dem Waferscheiben oder integrierte Schaltkreise herge-
stellt werden können.
ü 210 Anorganische und Komplexchemie
Chlor und Chlorver- Zur Herstellung der anderen elektronegativen Elemente der VI. bis VII.
bindungen dienen als Hauptgruppe ist ebenfalls eine Oxidation der Ausgangsstoffe (z.B.
Grundstoffe zur Her- NaCl) erforderlich. Auch hier unterscheidet man zwischen chemischer
stellung vieler Che- und anodischer Oxidation. Besonders elektronegative Nichtmetalle wie
mieprodukte z.B.
Fluor oder Chlor werden elektrolytisch, entweder aus Schmelzen (Fluor)
halogenierter Koh-
lenwasserstoffe oder
oder aus wässrigen Lösungen (Chloralkali-Elektrolyse, 7 S. 400) herge-
PVC, die trotz öko- stellt. In der Technik werden aber wegen der hohen Energiekosten der
logischer Probleme Elektrolyse auch häufig chemische Oxidationsmittel eingesetzt und auf
auch heute noch be- diese Weise auch Chlor und Brom gewonnen.
nötigt werden.
AHCI + 0, —— 2H,0 +2Ch,
2KBr + Ch —— Br, + 2KCI
Hauptgruppenelemente und Verbindungen 211
Magnesium silberglänzendes, leicht oxi- ca. 550 kt/a zur Herstellung von Legierun-
dierbares Leichtmetall gen für den Fahrzeugbau
Stickstoff reaktionsträges Gas, stabile mehr als 100 Mt/a zur Ammoniaksynthese
N,-Moleküle Grundstoff zur Herstellung von Stickstoff-
düngemitteln z.B. Kalkstickstoff (CaCN,)
als Schutzgas und flüssiges Kühlmittel
Halogene oxidierend wirkende Nicht- mehr als 35 Mt/a Chlor und 20 kt/a Fluor
metalle, bestehen aus reakti- zur Herstellung von Kunststoffen z.B. PVC
ven X,-Molekülen (X=F, Cl, oder PTFE (Teflon®)
Br, |) chemische Oxidationsmittel z.B. zur Syn-
these halogenorganischer Verbindungen
als Bleich- und Desinfektionsmittel
Edelgase reaktionsträge Gase mit ge- Inert- und Schutzgas im Labor (Ar),
ringer Dichte Füllgase für Lampen (Ne), Füllgas für Bal-
lone (He)
a 212 Anorganische und Komplexchemie
E>O5, EX,"
ı
EO2, EX
EOy EX,‘
u ([IIIT] E20, EH, EX
—| I—| |—| I—
Das trifft für die kleinen Sauerstoffatome sowie die Halogene, insbeson-
dere das kleine Fluoratom, zu. Deshalb bildet ein Element die höchste
Zahl von kovalenten Bindungen entweder mit Sauerstoff- oder Fluora-
tomen aus. Mit Wasserstoff und den größeren Halogenen sind die Bin-
dungen schwächer, sodass die höchste Wertigkeit eines Elementes in
solchen Verbindungen zunehmend unwahrscheinlicher wird.
Element-Wasserstoff-Verbindungen
Element-Wasserstoff-
Verbindungen wer-
den auch Hydride ge-
nannt. Das gilt aber
streng genommen
Mit den elektropositiven Metallen der |. bis Il. Hauptgruppe bildet Was- nur für die Verbin-
serstoff salzartige Feststoffe und liegt im lonengitter in Form von nega- dungen, in denen der
tiv geladenen Hydrid-lonen (H°) vor. Wasserstoff der elek-
Die Mehrzahl der Hauptgruppenelemente ist jedoch etwas elektronega- tronegativere Bin-
tiver als Wasserstoff und bildet Molekülverbindungen wie Methan, Am- dungspartner ist und
moniak oder die Halogenwasserstoffe. Die Bindungen zwischen den eine negative Oxida-
tionszahl aufweist.
Atomen sind polar kovalent, wobei die Wasserstoffatome positive Parti-
alladungen tragen.
Allerdings kann kein Element mehr als vier Wasserstoffatome binden.
Das liegt zum einen daran, dass die Elemente der 2. Periode (Haupt-
quantenzahl n = 2) ohnehin maximal vier kovalente Bindungen ausbil-
den können. Die Elemente der höheren Perioden stellen aber auch nur
die ungepaarten p-Elektronen für die Element-Wasserstoff-Bindung zur
Verfügung. Die Entkopplung und Promotion der Elektronen der dop-
pelt besetzten Orbitale erfordert Energie, die durch die Bildung der Ele-
Nach den Nomenkla-
ment-Wasserstoff-Bindung nicht wieder zurückgewonnen wird. turrichtlinien tragen
Die Wechselwirkungen (/'5. 98) zwischen den Molekülen der kovalen- gesättigte Wasser-
ten Element-Wasserstoff-Verbindungen sind oft schwach, sodass viele stoffverbindungen
dieser Verbindungen leicht flüchtig (H,S, CH,) sind. die Endung -an.
Ausgewählte Element-Wasserstoff-Verbindungen
Form UN CH, H,O HF
Name Lithiumhydrid Methan Wasser Fluorwasserstoff
Struktur
109°
5 214 Anorganische und Komplexchemie
Element-Sauerstoff-Verbindungen
Ein Beispiel ist der Korund, eine Modifikation des Aluminiumoxids, die
sich durch eine große Härte und chemische Beständigkeit auszeichnet.
Korund dient als Ausgangsmaterial für feuerfeste Keramiken und zur Mit den Elementen
Herstellung von Schleif- und Poliermitteln. der I. und Il. Haupt-
gruppe, werden au-
Die Metalloxide der I. und Il. Hauptgruppe reagieren mit Wasser aus-
Ber den normalen
schließlich basisch, weil die Bindung zwischen den Metall-Ionen und
Oxiden auch Peroxide
Oxid-Ionen polarer ist als die O-H-Bindung der bei der Protolyse gebil- gebildet, mit Sauer-
deten Hydroxid-Ionen (/ 5. 185). stoff in der Oxidati-
onsstufe -I.
CaO + H,O —— Ca?* + 20H 1-1 1-1
z.B. H30;, BaO,
Die Basizität der Oxide und der lonencharakter der chemischen Bindung
nehmen mit der innerhalb einer Periode des PSE ansteigenden Elektro-
negativität der s- und p-Elemente ab. Viele Sauerstoffverbindungen der
Elemente der Ill. bis V. Hauptgruppe sind amphoter, d.h., sie können so-
wohl als Säuren als auch als Basen reagieren.
Um die stabile Edelgaskonfiguration des Neons zu erreichen, nimmt Auch das wichtigste
Sauerstoff als Element der VI. Hauptgruppe fast immer 2 Elektronen auf aller Oxide, das Was-
und ist deshalb zweiwertig. Ein und dasselbe Hauptgruppenelement ser istein amphoteres
kann jedoch mehrere Oxide unterschiedlicher Struktur und Eigenschaf- Oxid (/' S. 187). Die
außergewöhnlichen
ten bilden. Die höchste Oxidationsstufe, die s- und p-Elemente in ihren
Eigenschaften des
Oxiden erreichen, entspricht ihrer Hauptgruppennnummer. Wassers sind auf den
Dipolcharakter des
= Oxide des Stickstoffs Wassermoleküls und
die Ausbildung von
1-1 1-11 IV-Il V-1 Wasserstoffbrücken-
N,O NO NO, NO; bindungen (/7S. 99)
Distickstoff- Stickstoff- Stickstoff- Distickstoff- zurückzuführen.
monooxid monooxid dioxid pentoxid
Anorganische und Komplexchemie
Fin
Element-Halogen-Verbindungen
Das Verhalten gegenüber Wasser ist unterschiedlich. Viele Chloride, Bro- Die Hydratation ist
mide und lodide sind gut in Wasser löslich (z.B. KBr, NaCl, CaCl,), wobei eine weitere Reak-
sich von Wassermolekülen umgebene hydratisierte Katio- tion mit Wasser.
nen und Anionen bilden. Manche Halogenide
Ic IFI
Werden die Element- Je polarer die kovalenten E-X-Bindungen sind, um so größer ist ihre
Halogen-Bindungen Hydrolyseanfälligkeit. Dipolmoleküle des Wassers greifen am Element-
durch die Halogen- atom mit der positiven Partialladung an. Es entsteht eine Element-Sau-
atome abgeschirmt, erstoff-Bindung und ein Halogenwasserstoffmolekül wird abgegeben.
so erfolgt die Hydro-
Bei der Hydrolyse der polar-kovalenten Halogenververbindungen än-
Iyse langsam oder
dern sich die Oxidationszahlen der Atome nicht.
erst bei höheren Tem-
peraturen (CCl,, SFg). Im Ergebnis der Bildung von Halogenwasserstoffen reagieren hydroly-
sierbare Halogenverbindungen in Wasser sauer.
8.2.1 Überblick
R
Die 6d-Elemente mit Die Nebengruppenelemente des PSE weisen folgende prinzipielle Elek-
den Ordungszahlen tronenkonfiguration (/' 5. 58) auf:
89 und 104-112 sind
radioaktiv und ha- [Edelgas] ns? (n-1)d! bis 10 n- Hauptquantenzahl
ben nur eine geringe
praktische Bedeu-
Innerhalb einer Periode unterscheiden sich die Elemente nur durch die
tung. Weitere Neben-
gruppenelemente Anzahl der d-Elektronen, sodass ihre chemischen und physikalischen Ei-
sind die f-Block-Ele- genschaften besonders von der Besetzung der d-Niveaus abhängen. Die
mente: Lanthanoide Nebengruppenelemente werden deshalb auch als d-Block-Elemente
und Actinoide. bzw. je nach der Hauptquantenzahl der d-Orbitale als 3d-, 4d- und 5d-
Elemente bezeichnet. Das erste Nebengruppenelement im PSE, d.h. das
mit der niedrigsten Ordnungszahl, ist Scandium ([Ar] 45? 3d').
@
R Die Chemie der Nebengruppenelemente wird besonders durch die
Die Gruppeneigen- d-Elektronen geprägt und weist folgende Ähnlichkeiten auf:
schaften der Neben-
gruppenelemente 1. Alle Nebengruppenelemente sind Metalle.
sind trotz der ge- 2. Sie bilden vielfach farbige, stabile Komplexverbindungen
nannten Ähnlichkei- (75. 242), wobei sie als Elektronenpaarakzeptoren wirken.
ten durchaus ver-
3. Vor allem die Elemente der mittleren Gruppen bilden Verbin-
schieden. So sind z.B.
Ag, Au, Pd und Pt
dungen mit unterschiedlichen Oxidationsstufen.
Edelmetalle, wäh- 4. Besonders die 5d-Elemente sind edel und chemisch beständig,
rend Zn, Mn und Fe während die 3d-Elemente reaktiv sind.
unedel sind. 5. Die Schmelz- und Siedepunkte durchlaufen im Bereich der 6.
und 7. Gruppe jeder Periode ein Maximum. Besonders niedrige
Schmelzpunkte haben die Elemente der 3. und 12. Gruppe.
6. Besonders stabil sind Atome oder lonen, die über halb besetzte
(d?) oder vollständig besetzte (d'°) d-Niveaus verfügen.
Eigenschaften der Nebengruppenelemente 221 B
Die d-Block-Elemente sind Metalle, die in der Natur meist an Sauerstoff Die Erzaufbereitung
(oxidische Erze) oder an Schwefel (sulfidische Erze) gebunden vorkom- umfasst die Trennung
men. Nur wenige edle Metalle wie Gold, Quecksilber oder Platin liegen der Metalloxide bzw.
auch in elementarer Form (gediegen) vor. -sulfide von der
Gangart hauptsäch-
Der Metallgehalt der Erze ist sehr unterschiedlich, nur einige Neben- Es
lich durch physikali- a
gruppenelemente wie Eisen oder Kupfer bilden reichhaltige Vorkom- sche Trennmethoden.
a
\
men. Die Erze enthalten fast immer große Mengen Sand oder wertloses
Nebengestein, das Gangart genannt wird und vor der eigentlichen Syn-
these durch Erzaufbereitung abgetrennt werden muss.
Prinzipiell sind zur Synthese der Rohmetalle die gleichen Verfahren ein- Da die natürlichen
setzbar wie bei den Hauptgruppenelementen. Da die Nebengruppen- Ressourcen mit Aus-
metalle in Sulfiden und Oxiden positive Oxidationszahlen aufweisen, nahme des Eisens be-
basieren alle Syntheseverfahren auf Reduktionsprozessen. Die Rohme- grenzt sind, gewinnt
die Wiederaufarbei-
talle gewinnt man in der Regel durch chemische Reduktion, d.h. durch
tung metallhaltiger
Umsetzung mit Kohlenstoff, Wasserstoff oder unedleren Metallen. Abfälle, z.B. von
Elektronikschrott, im-
mer mehr an Bedeu-
tung.
Die teure elektrochemische Reduktion nutzt man nur in wenigen Fällen Die Raffination er-
zur Synthese der Rohmetalle. Da bei der Elektrolyse jedoch sehr reines folgt durch chemi-
Metall erhalten wird, kommt ihr bei der Raffination der Metalle, z.B. sche Reaktionen, z.B.
beim Kupfer (7 S. 223), eine besondere Bedeutung zu. Transportreaktionen,
oder physikalische
Die abschließende Reinigung der Rohmetalle ist unbedingt notwendig,
Anreicherungsverfah-
da diese noch bis zu 5 % Verunreinigungen enthalten können. Für viele
ren wie dem Zonen-
Anwendungen der Nebengruppenmetalle, z.B. von Kupfer in der Elek- schmelzen.
tronik oder Titanium in der Medizin, ist jedoch eine viel höhere Reinheit
erforderlich. Einige Metalle werden nicht nur gereinigt, sondern vere-
delt. Die Metallveredelung umfasst Verfahren zur Verbesserung der
Werkstoffeigenschaften von der Legierungsbildung bis zur Oberfä-
chenveredelung, z.B. durch Galvanisieren.
3 222 Anorganische und Komplexchemie
Zuschläge wie SiO, Das Oxid wird gemeinsam mit Zuschlagstoffen wie Siliciumdioxid in ei-
überführen immer nem Hochofen bei ca. 1600 °C umgesetzt. Bei diesen hohen Temperatu-
noch vorhandene Bei- ren reagiert Kohlenstoff mit dem bei der vollständigen Verbrennung
mengungen (z.B. entstandenen Kohlenstoffdioxid zu Kohlenstoffmonooxid entspre-
CaO) in Hochofen-
chend dem BoupouaArD-Gleichgewicht (/'S. 165).
schlacke, CaSiO;, die
als Nebenprodukt in
der Zementindustrie CE #3C0, = 200 (BouDouARD-Gleichgewicht)
verwendet wird.
Fe OÖ + CO —— Fe + CO,
i 1
Kupfererze enthal-
ten oft auch Silber
und Gold. Sie sind je-
doch arm an Metallen
(<1 % Cu) und müs-
sen durch Erzaufbe-
Zur Elektrolyse müssen die in den Erzen enthaltenen Ausgangsverbin- reitung angereichert
dungen zuerst abgetrennt und in eine wasserlösliche Form überführt (ca. 30 % Cu) werden.
werden. In der Technik nutzt man das Verfahren hauptsächlich zur Raf-
fination von Kupfer und anderen Edelmetallen wie Silber und Gold.
Elektrolytische Kupferrafination
®®
u)
Garkupfer-
anode
Reinkupfer-
katode Anode: Cu,oh —- Cu? + 2e
CuSsO,- Katode: Cu* + 2e —o Cu rein
Lösung
Anoden- Gesamt: CU;,oh Cyein
schlamm
(z.B. Ag, Au)
g 224 Anorganische und Komplexchemie
Die Elektronenkonfi- Die Elemente der 3. Gruppe sind in der Natur weit verbreitet, aber sel-
guration der d-Block- ten angereichert. Aufgrund ihrer Valenzelektronenkonfiguration von
Elemente wird durch (n-1)d'ns? sind sie fast immer dreiwertig, da durch Abgabe von einem
die Nummerierung d- und zwei s-Elektronen leicht die Edelgaskonfiguration erreicht wird.
der Gruppen im Lang-
Die Darstellung erfolgt oft aus den Oxiden, z.B. durch Metallothermie:
periodensystem
(7 5. 62) wesentlich
logischer wiederge- YzO;3 + 3Ca —— 3Ca0 + 2Y
geben als bei der ver-
alteten Kurzperio- Die technische Bedeutung beschränkt sich auf Spezialanwendungen wie
dendarstellung. La>0; in Gläsern, Yttriumverbindungen in Farbbildröhren oder metalli-
sches Yttrium in der Reaktortechnik.
Metallothermie ist Die hoch schmelzenden, chemisch sehr beständigen Metalle weisen eine
ein Verfahren zur Valenzelektronenkonfiguration von (n-1)d?ns? auf und sind demzu-
Herstellung von Ele- folge meist vierwertig. Die Darstellung von Titanium, dem zehnthäu-
menten durch Reduk-
figsten Element der Erdkruste, erfolgt durch Metallothermie aus Tita-
tion mit geeigneten
nium(IV)-chlorid und nachfolgende aufwändige Raffination.
unedleren Metallen.
Zum Korrosions-
schutz können Me-
tallteile elektroly-
tisch verchromt
werden (/S. 139).
5 226 Anorganische und Komplexchemie
Mangan dient ebenfalls zur Veredelung von Stählen. Ein für Baumaschi-
nen genutzter schlag- und verschleißfester Stahl enthält 13 % Mangan.
Die Elemente Fe, Co, Das wichtigste Element dieser Gruppe und das häufigste Metall in der
Ni, Ru, Rh, Pd, Os, Ir, Erdkruste ist das seit über 3500 Jahren hergestellte Eisen, das bei der
Pt werden im Kurzpe- Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, nicht nur in der Eisenzeit,
riodensystems als VIII. sondern auch heute noch, eine große Bedeutung hat.
Nebengruppe zusam-
Als typisches Übergangsmetall bildet auch Eisen viele Oxidationsstufen
mengefasst und ne-
aus, besonders stabil sind jedoch nur Fe?* ([Ar] 3d®) und Fe3*-Ionen ([Ar]
ben die VIII. Haupt-
gruppe gestellt. Die 3d?) mit halb besetzen d-Orbitalen. Die höchste Wertigkeit von VIII wird
Ähnlichkeit be- nur in Ausnahmefällen in Osmiumverbindungen wie OsO, erreicht. In
schränkt sich hier auf basischer Lösung wirken Fe?*-Ionen wegen der Bildung des schwer
den edlen Charakter löslichen Eisen(Ill)-hydroxids als starke Reduktionsmittel. Sie werden
(Edelgase, Edelme- durch den in Wasser gelösten Sauerstoff bereits oxidiert:
talle) und die maxi-
male Wertigkeit 8. l 0 I -1l
4Fe?* + 80H + O, + 2H,0 ——e A4Fe(OH);
Eigenschaften der Nebengruppenelemente 227 &
Die Darstellung von Auch in dieser Gruppe ist das leichteste Element Cobalt das häufigste.
Cobalt erfolgt aus Co- Cobalt tritt überwiegend in der Oxidationsstufe II ([Ar] 3d’) oder III ([Ar]
balt(Il,III)-Oxid 3dP) auf, wobei Co?*-Ionen starke Oxidationsmittel sind und bevorzugt
(C0o30,) durch Reduk- in Komplexverbindungen (5. 238 ff.) vorliegen.
tion mit Aluminium.
Rote Cobalt(Il)-Hydrate lassen sich leicht zu wasserfreien Verbindungen
unter Blaufärbung entwässern und dienen deshalb als Feuchtigkeitsin-
dikatoren. Das weitgehend korrosionsbeständige Metall wird als Legie-
rungsbestandteil, z.B. für Schnelldrehstähle, verwendet. Cobalt ist
ebenfalls ein wichtiges Spurenelement und tritt als Metallkomponente
in Enzymen und im Vitamin B12, einem dem Chlorophyll ähnlichen Por-
phyrin-Komplex, auf. Iridium ist das Element mit der größten Dichte von
p = 22,65 g- cm”.
Nickelerze müssen Nickel ist in seinen chemischen und physikalischen Eigenschaften den
durch Erzaufberei- Elementen Cobalt und Eisen ähnlicher als den schwereren Elementen
tung in NiO überführt der 10. Gruppe. In seinen chemischen Verbindungen tritt Nickel meist
werden. Daraus stellt zweiwertig ([Ar] 3d®) auf, obwohl es auch andere Oxidationszahlen (von
man durch Reduktion
-II bis IV) annehmen kann. Das zähe, dehnbare Nickel ist gegen Feuch-
mit Koks Nickel her.
tigkeit und Luft beständig und wird deshalb zum Korrosionsschutz von
Feinnickel hoher
Reinheit wird durch Metalloberflächen durch Vernickeln und in zahlreichen Legierungen ge-
Raffination nach dem nutzt.
Mond-Verfahren er- Palladium und Platin gehören zu den edelsten Metallen im PSE. Che-
halten. misch ähneln sie mehr den Ad- und 5d-Elementen der 8. und 9. Gruppe
als Nickel. Sie sind außerordentlich beständig gegen Säuren und Sauer-
stoff. Die wichtigsten Oxidationsstufen sind Il und IV. Sie bilden haupt-
sächlich Komplexverbindungen (/'5. 245).
Alle Metalle der 10. Gruppe können Wasserstoff chemisch binden und
dadurch aktivieren. Auf dieser Eigenschaft beruht die wichtigste An-
wendung der Metalle als Katalysator von Hydrierungsreaktionen, z.B.
bei der Fetthärtung (Nickel, 7 S. 321) oder dem Hydrocracken in der Pe-
trochemie (Palladium, 5. 406). Platinkatalysatoren nutzt man beim
Reformieren von Benzin (/ S. 407).
Auch der Abgaskatalysator zur katalytisch aktive
Verringerung des Schadstoffge- Schicht (Pt, Pd, Rh)
halts in Autoabgasen enthält u.a. Washcoat
Platin und Palladium. Die Edelme- keramisches
talle katalysieren den Abbau von Trägermaterial
Stickoxiden (NO,), Kohlenstoffmo- CO;, H20, N
nooxid und unverbrannten Koh-
lenwasserstoffen und verringern
den Ausstoß dieser Schadstoffe
Da die Platinmetalle
auf unter 10 %. Ein Auto produ-
sehr wertvoll sind,
werden sie vor der ziert auf 100 000 km ca. 20.000 m?
Verschrottung der Abgase, die von nur ca. 1-2 g Me- > Edelstahlgehäuse
tall katalytisch entgiftet werden. beschichtete Keramik
Autos aus den Abgas-
Dabei werden geringe Mengen Lambdasonde
katalysatoren wieder
zurückgewonnen. Platin an die Umwelt abgegeben. CO, CnHm, NOy
Eigenschaften der Nebengruppenelemente 229 J
Die Elemente der 11. Gruppe gehören zu den edelsten Elementen inner- Kupfer und Silber
halb ihrer Perioden und kommen deshalb auch als reine Metalle vor. werden auch in Form
Aus diesem Grund sind sie trotz ihrer relativ geringen Häufigkeit schon sulfidischer Erze ge-
seit dem Altertum als Münzmetalle bekannt. funden, z.B. Kupfer-
kies CuFeS, oder Sil-
Aufgrund ihrer Valenzelektronenkonfiguration ([In-1]d'?ns') bilden alle
berglanz Ag>S.
Elemente stabile einfach geladene Kationen wie Ag*. In wässrigen
Lösungen sind infolge der Hydratation Cu?* bzw. Au®* stabiler als die
einwertigen lonen.
Kupfer (EP(Cu/Cu?* = 0,35 V) löst sich in verdünnten oxidierenden Säu-
ren, das edlere Silber (Ef(Ag/Ag* = 0,80 V) in konzentrierter Salpeter-
säure, während sich Gold (EP(Aw/Au* = 1,68 V) nur in Königswasser, ei-
nem Gemisch aus Salzsäure und Salpetersäure, auflösen lässt.
An feuchter Luft oxidiert Kupfer langsam über dunkelrotes Kupfer(I)-
oxid zu schwarzem Kupfer(Il)-oxid. Den Vorgang kann man gut an Kup-
ferdachrinnen bzw. -dächern beobachten. Unter Einwirkung von Koh-
lenstoffdioxid und/oder Schwefeldioxid sowie Wasser bildet sich nach
und nach eine grüne Patinaschicht aus basischem Kupfercarbonat
CuCO;
- Cu(OH), bzw. basischem Kupfersulfat CuSO, -Cu(OH),, die das
darunter liegende Metall vor weiterer Korrosion schützt.
Wasserfreies Kupfersulfat ist weiß, nimmt unter Blaufärbung Wasser
auf und kann deshalb zum Nachweis von Wasser, z.B. in organischen
Lösungsmitteln, genutzt werden.
Durch diese stark ver- Die lichtempfindliche Schicht eines Schwarz-Weiß-Filmes besteht aus
einfacht dargestellte fein verteiltem AgBr, suspendiert in Gelatine. Beim Belichten des Films
fotochemische Re- werden die Bromid-lonen fotochemisch zu Brom oxidiert. Die dabei ab-
doxreaktion entsteht gegebenen Elektronen werden von bestimmten Silber-Ionen aufgenom-
ein latentes Bild, das
men, sodass an belichteten Stellen des Films aus weißem Silberbromid
zwar auf dem Film
elementares Silber entsteht. Die Gelatine bindet das bei der fotochemi-
vorhanden, aber
noch nicht sichtbar ist schen Reaktion entstandene Brom.
(lat. Jatere = verbor- Das Sichtbarmachen des latenten Bildes wird als Entwickeln des Films
gen sein). bezeichnet. Die Entwicklung erfolgt mit einer alkalischen Lösung eines
Reduktionsmittels, z.B. Hydrochinon, das die Silber-Ionen in der Umge-
bung der Latentbildkeime zu elementarem Silber reduziert.
H oO
OH o
Je mehr Latentbild- Diese Redoxreaktion erfolgt an den bei der Belichtung gebildeten Ag,-
keime sich an einer Einheiten (Clustern), die man deshalb als Latentbildkeime bezeichnet.
Stelle des Bildes be- Das Bild wird als Negativ sichtbar, da die hellen Stellen des Originals
finden, also je stärker mehr Licht reflektieren bzw. aussenden als die dunklen Stellen.
die Stelle belichtet
Nach der Entwicklung muss das Bild fixiert werden, weil jeder weitere
wurde, desto stärker
wird diese Stelle bei
Lichteinfall eine weitere Schwärzung des Negativs hervorrufen würde.
der Entwicklung ge- Im Fixierbad werden die Silberbromidreste herausgelöst und die Silber-
schwärzt. atome stabilisiert. Als Fixiersalz wird häufig Natriumthiosulfat verwen-
det. Dieses reagiert mit dem noch vorhandenen, nicht belichteten Sil-
berbromid zu einem Thiosulfat-Komplex und Natriumbromid. Die Reak-
tionsprodukte sind wasserlöslich und können zusammen mit dem
überschüssigen Naz5>03 ausgewaschen werden.
Auch die heute viel Aus dem Negativ, das die Helligkeitswerte verkehrt wiedergibt, muss
weiter verbreitete nun der Abzug hergestellt werden. Dies geschieht, indem
Farbfotografie ba- man das Negativ auf Fotopapier projiziert,
siert auf der Lichtre- das ähnlich wie der Film eine in Gela-
aktion von Silberha-
tine eingebettete Silberbromid-
logeniden. Farben
schicht enthält. Das Fotopapier wird
werden durch Redox-
reaktionen organi- auf ähnliche Weise entwickelt und
scher Farbstoffmole- man erhält vom Negativ ein Positiv.
küle erzeugt. Auf diese Weise kann man von ei-
nem Negativ beliebig viele Abzüge
und Vergrößerungen herstellen.
Eigenschaften der Nebengruppenelemente 231 N
83 Komplexchemie
Komplexverbindun-
gen (complexus: lat. =
Umarmung) werden
nach ihrem Entdecker
ALFRED WERNER
Die Liganden sind um das Zentralteilchen herum so angeordnet bzw.
(1866-1919) auch als
Koordinationsverbin- koordiniert, dass sich eine energetisch stabile räumliche Struktur des
dungen bezeichnet. Komplexes ergibt. Häufig werden 6 Liganden gebunden, was zu einer
(coordinare: lat. = zu- oktaedrischen Struktur führt.
ordnen) Da sowohl die Zentralteilchen als auch die Liganden lonen sein können,
ergibt sich die Gesamtladung des Komplexes aus der Summe der Ladun-
gen des Zentralions und der Liganden. In Abhängigkeit von der Gesamt-
ladung unterscheidet man zwischen neutralen, kationischen und anioni-
schen Komplexen. Die ionischen Komplexverbindungen enthalten ein
oder mehrere Gegenionen zur Ladungskompensation.
In Formeln werden Komplexteilchen in eckige Klammern gesetzt. Die Bei der Nomenklatur
Nomenklatur nach den Regeln der IUPAC unterscheidet sich geringfügig von Komplexverbin-
für kationische, anionische und neutrale Komplexe. dungen greift man
vielfach auf lateini- er
sche oder griechische
Namen zurück, wie
bei der Bezeichnung
Kationischer 1. Zahl der Liganden 1. Vier griech. = tetra der Zentralionen in
Komplex 2. Art der Liganden 2. Ammoniak lat. = ammin anionischen Komple-
3. Name Zentralion 3. Cu?* = Kupfer(Il) xen (z.B. Ferrat,
[Cu(NH3)4150, mit Oxidationszahl Plumbat).
4. Art des Anions 4.507? = Sulfat
Tetraamminkupferf(Il)-sulfat
Addition
Substitution
A
Bei der Substitution werden Liganden am Zentralteilchen durch andere Das tiefblaue Tetra-
Liganden ersetzt. Diese Reaktion wird auch als Ligandenaustauschreak- amminkupfer(Il)-
tion (/S. 236) bezeichnet. chlorid erhielt AN-
DREAS LIBAVIUS
(1540-1615) zufällig
Wird eine wässrige Kupfer(ll)-Lösung mit einer wässrigen NH3-
schon um 1600 bei Ex-
Lösung versetzt, so vertieft sich die hellblaue Farbe. Die am Kup- perimenten in Mes-
fer(Il)-Ion gebundenen H,O-Liganden werden stufenweise durch singgefäßen.
NH3-Moleküle ersetzt, sodass sich bei hoher NH;-Konzentration
Tetraamminkupfer(Il)-Ionen bilden: 1
Redoxreaktionen (/5. 197) werden oft für die Synthese von Komplex-
verbindungen genutzt. Der Elektronenübergang erfolgt in der Regel
am Zentralion, da speziell Nebengruppenelemente relativ leicht ihre
Oxidationszahl ändern können.
Kondensation
Cr,0,?-Ion
a 236 Anorganische und Komplexchemie
<Ag(NH3),]*) kick
KT MAgHzO)I)-
NH) "2
1
Kk K,
Er
Zentralteilchen sind harte Säuren, wenn es sich um kleine, wenig polari- Das Konzept der har-
sierbare Teilchen handelt. Mit zunehmender Größe werden die Teilchen ten und weichen Säu-
leichter polarisierbar und damit weicher. Nach den gleichen Kriterien ren und Basen wurde
können die Liganden in harte und weiche Basen eingeteilt werden. vom amerikanischen
Chemiker R. G. PEAR-
Thermodynamisch stabile Komplexe bilden sich bevorzugt bei der
son (geb. 1919) ent-
Wechselwirkung weicher Säuren mit weichen Basen und bei der Wech-
wickelt.
selwirkung harter Säuren mit harten Basen.
Erst durch die schritt- Warum ein Eisen(Il)- oder ein Eisen(Ill)-Ion wie in den Hexacyanoferra-
weise Besetzung des ten(Il) und -(Ill) jeweils sechs Cyanidliganden L binden kann, wird erst
3d-Niveaus mit Elek- bei einer genaueren Betrachtung des Atombaus und der Elektronen-
tronen sinkt dieses konfiguration (7 S. 70) der Zentralteilchen Z verständlich.
energetisch unter das
4s-Niveau, sodass Ne-
Viele Nebengruppenelemente ver-
bengruppenele-
mente zuerst die 4s fügen über nicht vollständig be- E Re ET 4p?
und dann die 3d-Elek- setzte nd-Niveaus. Diese unter-
tronen abgeben. scheiden sich energetisch nur 450
. en S
wenig von den (n+1)s- und
(n+ 1)p-Niveaus. Auf diese Weise
stehen für die Aufnahme von
ed
freien Elektronenpaaren der Ligan- Fe?*: [Ar] 3d® 4 s’ 4p°
den mehr als vier Akzeptororbitale
ähnlicher Energie zur Verfügung.
Liganden mit freien
Elektronenpaaren
wirken als Elektro-
nenpaardonatoren
bzw. Lewis-Basen.
N
H,O: Du
HH
a Die Liganden als Elektronenpaardonatoren können auch als LEwis-
NH; yYı u
Basen (/7S. 194) betrachtet werden. Zentralteilchen, die über leere
H Energieniveaus verfügen, sind dagegen Lewis-Säuren, sodass sie mit
den Liganden im Sinne einer Lewis-Säure-Base-Reaktion wechsel-
CN”: IC=NI wirken.
V. N. Sınswick (1874
bis 1952) postulierte
1923 die 18-Elektro-
nenregel zur Be-
schreibung der Bin-
dungsverhältnisse in
Tetracyanocuprat(l) Hexacyanoferrat(ll)
Komplexen.
‚ [Cu(en)4]?" [Fe(CN);]*
4x2=8 6x2=12
10 +8 = 13 6 + 12 = 18
Neben den 4s- und 3d-Energieniveaus verfügen beide Zentralionen Die VB-Theorie der
noch über die unbesetzten 4p-Niveaus zur Aufnahme der Elektronen- Komplexbindung
paare der Liganden. Insgesamt können in diese neun Energieniveaus 18 geht weit über die 18-
Elektronenregel hin-
Elektronen entsprechend dem PauLi-Prinzip und der hundschen Regel
aus. Sie erklärt die
(7 S. 59) eingeordnet werden.
räumliche Struktur
Die beiden Komplexe erreichen bei unterschiedlicher Koordinations- und die magneti-
zahl die Elektronenkonfiguration des nächsthöheren Edelgases, des schen Eigenschaften,
Kryptons. Auch die Bildung zahlreicher anderer Komplexe, wie nicht jedoch die Far-
[Co(NO,).]?", [Fe(H>O).]?*, Ni(CO), oder [CoF;]?", lassen sich mit der 18- bigkeit von Komplex-
Valenzelektronenregel erklären. verbindungen.
a 240 Anorganische und Komplexchemie
Die Ligandenfeldtheorie
Die Ligandenfeldaufspaltung ist abhängig vom Zentralteilchen, vor Durch die Liganden-
allem von dessen Ladung, und von der Art des Liganden. Es gibt Ligan- feldaufspaltung be-
den, die ein starkes Ligandenfeld erzeugen (z.B. CN”, CO) und solche, steht die Möglichkeit
bei denen die Aufspaltung nur gering ist (z.B. OH”, F'). von Elektronenüber-
gängen zwischen den
d-Orbitalen. Daraus
erklärt sich die Far-
bigkeit von Komple-
[Fe(H,0).1** [Co(H,O),]?* 218 xen (/ 5. 242).
Die durch die Wechselwirkung der Liganden mit dem Zentralteilchen Die Existenz unge-
entstandenen Orbitale werden entsprechend dem PAuu!-Prinzip und der paarter Elektronen
hundschen Regel (/'5. 59) mit den zur Verfügung stehenden Elektronen führt zu besonderen
besetzt. Je nach Größe der Ligandenfeldaufspaltung entstehen dabei magnetischen Eigen-
schaften. Die Unter-
Komplexe mit unterschiedlicher Elektronenanordnung und unterschied-
suchung des Magne-
lichen Eigenschaften. tismus von Komplex-
verbindungen liefert
3 Fe’*-Ionen verfügen über fünf d-Elektronen, die im Hexacyano- wichtige Informatio-
ferrat(lll), [Fe(CN).]>-, von sechs starken und im Hexafluorofer- nen über die Bin-
rat(Ill), [FeF,]?", von sechs schwachen Liganden oktaedrisch umge- dungsverhältnisse.
ben werden.
E ee en 1
nn = ++
nn +++
Aokt = Aokt Y
ee yo
[Fe(Cn),] [Fer,]’
In einem starken Ligandenfeld werden die Elektronen unter Spin- Mit der Ligandenfeld-
paarung in das energetisch niedrigere d,-Orbital eingebaut. Es ent- theorie lassen sich
steht ein Komplex mit einem ungepaarten Elektron. Im schwachen Farbigkeit, Magnetis-
Feld der sechs Fluorid-Ionen ist der Energieunterschied zwischen mus, Stabilität, Koor-
dinationszahl und
den Orbitalen d, und d, geringer als die Spinpaarungsenergie
räumliche Struktur
(75.65), die aufgebracht werden muss, um zwei Elektronen im von Komplexen be-
gleichen Orbital unterzubringen. Es ist daher energetisch günstiger, gründen.
die d,-Orbitale mit je einem Elektron zu besetzen als die d,-Orbitale
mit dem zweiten Elektron. Auf diese Weise entsteht ein Komplex
mit fünf ungepaarten Elektronen.
| 242 Anorganische und Komplexchemie
Farbig sind solche Besonders auffällig ist die Farbigkeit von Komplexverbindungen, die in
Komplexe, bei denen dieser Vielfalt bei gewöhnlichen kovalenten und ionischen Verbindun-
die d,- oder die d,-Ni- gen nicht beobachtet wird.
veaus unvollständig Die Farbigkeit der Komplexe beruht darauf, dass die d-Orbitale des Zen-
aufgefüllt sind, wäh-
tralteilchens im Ligandenfeld aufgespalten werden. Die Energiediffe-
rend Verbindungen
renz zwischen besetzten und unbesetzten d-Orbitalen liegt im Bereich
des Titaniums(IV) (dP)
oder des Zink(Ii) (d!9) des sichtbaren Lichts. Durch Absorption von Licht einer bestimmten
farblos sind. Wellenlänge erfolgen Elektronenübergänge zwischen den d-Orbitalen
und die Verbindung erscheint in der Komplementärfarbe der Wellen-
länge des absorbierten Lichts (7 S. 374).
Lösung:
Axt =E=h:v v=5
A = h-.c
Aokt
Löslichkeit
Komplexisomerie
Die Anordnung der Liganden um das Zentralteilchen kann sich bei glei- Die Hydratisomerie
cher Zusammensetzung unterscheiden, sodass Komplexe gleicher Sum- ist ein Spezialfall der
menformel eine unterschiedliche Struktur und damit andere Eigenschaf- Isomerie von Kom-
ten aufweisen. plexverbindungen.
Hydratisomerie
H,O cı ei
H,O H,O cl
Magnetismus
AgBr + 2 Na5,5z,03 ——
Na3[Ag($5;03);] + NaBr
Biokatalyse Zahlreiche Enzyme enthalten kom- Allein mit dem Zentralatom Zink
plex gebundene Metall-Ionen zur sind über 200 Enzyme bekannt. Zur
Stabilisierung der Struktur. Die ka- Unterstützung der Bildung Zink ent-
talytische Aktivität in biochemi- haltender Enzyme benutzt man Sal-
schen Prozessen beruht ähnlich wie | ben auf Basis von Zinkoxid.
bei den technischen Katalysatoren
auf Redoxreaktionen oder Säure-
Base-Reaktionen der Metallkom-
plexe. Die hohe Selektivität wird in Ziube
erster Linie durch die organischen
Liganden erzielt.
Komplexometrie
Die Komplexometrie
heißt in älteren Bü-
chern auch Chelato-
metrie und wurde
von G. K. SCHWARZEN-
BACH (1904-1978) um Der am häufigsten verwendete Komplexbildner ist Ethylendiamintetra-
1950 entwickelt. acetat (EDTA). EDTA ist ein sechszähniger Ligand, mit dem Metall-Ionen
oktaedrisch koordiniert werden und Komplexe im Stoffmengenverhält-
NIS Nyetall : Nepta Von 1:1 bilden.
Der Ligand EDTA wird als Y* abgekürzt. Eingesetzt wird der Komplex-
bildner in Form des Dihydrates des Dinatriumsalzes Na3H>Y -2 H,O. Das
zugrunde liegende Gleichgewicht und die Komplexbildungs- bzw. Stabi-
litätskonstante können vereinfacht wie folgt formuliert werden.
M* Z+ + YO 4 —e
= MY z-4 Kg _ amz)
__<(MYZ-A)
We)
= - CH
0 „I c- ie 5
© C-CH 2 H,C=C
2 [6)
| non st "ch
u IN—=CH,- CH, —NI =. Ir RN A
IO ° °o N
Der Äquivalenzpunkt Sl 2 \
der Titration wird oe Bes. een \
durch spezielle Me- Io öl ı oO
tallindikatoren ange- oo.
zeigt, deren Farbe I
ü Ko) J
sich bei der Komple-
xierung von Metall-
lonen ändert. EDTA wird in wässriger Lösung in Abhängigkeit vom pH-Wert stufen-
weise zur Ethylendiamintetraessigsäure protoniert, sodass bei sinken-
dem pH-Wert der Ligand aus dem Komplexgleichgewicht entfernt wird.
Aus diesem Grund sind Metall-EDTA-Komplexe in sauren Lösungen we-
niger stabil als in basischen.
Die Titration kann aber nur für einige Metalle im Basischen durchge-
führt werden, da viele Metalle schwer lösliche Hydroxide bilden. Des-
halb ist die Einstellung eines geeigneten pH-Bereiches außerordentlich
wichtig für die komplexometrische Titration.
Mittels Komplexometrie können zahlreiche mehrwertige Metall-Ionen
(z.B. Ca?*, Zn?*, Pb?*) quantitativ bestimmt werden. Eine der wichtigs-
ten Anwendungen ist die Bestimmung der Wasserhärte. Die Härte des
Wassers wird von Härtebildnern, den Carbonat- und Sulfat-Salzen des
Calciums und Magnesiums verursacht. Für viele Anwendungen, z.B. in
Brauereien, Kraftwerken und im Waschprozess (7 S. 387), ist eine große
Wasserhärte störend und eine Wasserenthärtung notwendig.
1 248 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Vereinfachte Strukturformeln
Strukturformel
th
une HH HH
Butan-1-ol
But-1-en
__ NNOH Oo
HC H
H;C a
H mit höherer Elek-
tronegativität.
ö* 5
Insbesondere für Zucker und Aminosäuren hat sich die FiscHER-Projek- H;C — Br
tion durchgesetzt (/S. 312). Es ist eine „Einebnung der räumlichen
Struktur”. Sie wird verwendet, um die Konfiguration an einem Kohlen- 2. Bei der Darstellung
stoffatom, an das vier unterschiedlichen Substituenten gebunden sind geometrischer Ver-
hältnisse besagt
(75. 253), eindeutig darzustellen. Die beiden horizontalen Bindungen der Keil, dass die-
am betrachteten Kohlenstoffatom zeigen aus der Papierebene auf den ser Substituent aus
Betrachter zu, die beiden vertikalen in die Papierebene. Das zentrale der Papierebene
Kohlenstoffatom wird dabei in der Regel nur als Kreuz geschrieben. auf den Betrachter
zeigt.
a FiscHEr Projektion
Übersetzung in die
COOH räumliche Struktur \“
HO —- H u ai
CH; L-Milchsäure CH;
a 3 1 3 1 3
0 1 3
«0 1
4
12 4 2
In OH 4 2
IN OH 4 2
IN OH
&
NH,
Butan Butan-1-ol Butansäure 2-Aminobutansäure
(Buttersäure) (oa-Aminobuttersäure)
u 250 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Induktive Effekte
Atombindung im
Ethanmolekül
EN: 2,5 2,5
H H
N FG
Ne Zi
H H Ausgangspunkt für diese Betrachtung ist die chemische Bindung
(/ 5.75 ff.). Das Elektronenpaar einer kovalenten Bindung bewegt sich
Methanolmolekül
in dem Raum, der von beiden Atomen zur Verfügung gestellt wird.
EN: 25 35 21
Würde es sich an allen Stellen des Raumes gleich oft aufhalten, hätten
=
+
H $
wir die klassische, unpolare Atombindung wie sie z.B. im Wasserstoff
a
N
uUzc ö Oo-
=
H Eine Ausnahme von dieser Regel sind die Alkylgruppen, wie die CH3-
N
H = c—Xx Gruppe. Alle Alkylgruppen, die nur über C-C- und C-H-Bindungen Ein-
H fachbindungen verfügen, weisen einen +I-Effekt auf.
EN < H: + I-Effekt
EN > H: -I-Effekt
Ka
+-Effekt C (Alkylgruppen), Na, Li, Mg (Metalle)
Der Mesomerieeffekt
Mesomere Grenz-
strukturen sind keine
stabilen Strukturen
der Moleküle, son-
dern nur Modelle zur
Darstellung der Ver-
teilung der Elektro-
Mesomerieeffekte treten immer an rn-Elektronensystemen auf, z.B. am nen. Der reale Zu-
Carboxylat-Ion (75. 307) oder an aromatischen n-Systemen (5. 281), stand der Moleküle
an denen sich dieser Substituenteneffekt gut erklären lässt. liegt zwischen den
Grenzstrukturen.
Besitzt der Substituent selbst eine n-Bindung wie die Aldehyd- und die
Nitro-Gruppe, kann sich diese am n-System des Aromaten beteiligen. Es
entsteht ein größeres konjugiertes n-System (/’ 5. 84), über das die Elek-
tronen verteilt bzw. delokalisert sind. Diese Verteilung wird mithilfe des
Modells der mesomeren Grenzstrukturen veranschaulicht.
Am Beispiel Nitrobenzen erkennt man, dass durch Substituenten mit ei-
gener n-Bindung die Elektronendichte an den ortho- und para-Positio-
nen des Ringes verringert wird. Der Substituent erhält selbst eine nega-
tive Formalladung, er übt einem -M-Effekt aus.
Auch das freie Elektronenpaar von Substituenten mit Heteroatomen
wie der Amino-Gruppe wird in das n-System des Benzenrings einbezo-
gen. In diesem Fall zeigen die Grenzstrukturen, dass die Elektronen-
dichte im Aromaten erhöht wird. Der Substituent erhält eine positive
Formalladung, er besitzt einen + M-Effekt.
Mesomere Effekte wirken über einen größeren Molekülbereich als in-
duktive Effekte und beeinflussen die Reaktivität meist stärker.
Ti & &
Mesomerie-Effekt onelle Gruppen/Atome
+M-Effekt _NH3, -OH, -OCHz, -Cl, -Br,-1,-0”
-M-Effekt -NO,, -COOH, -CHO, -CN, -503H
a 252 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Tautomerie (/ S. 304)
und Valenzisomerie
sind spezielle Formen
der Konstitutions-
isomerie.
|
Konfigurationsisomerie Konformationsisomerie |
- Spiegelbildisomerie
(Enantiomere)
—- Diastereomere
— cis„trans-Isomerie an der
Doppelbindung
Konstitutionsisomerie (Strukturisomerie)
Auch die Isomere bei
mehrfach substituier-
ten Aromaten sind
Konstitutionsiso-
mere. Sie werden
häufig als Stellungs-
isomere bezeichnet.
Oo 1 1 pn
1Q1
1,2-Dichlorbenzen ie u H—-C-C-C-H
|
HH H HH H
IC Propan-1-ol Propan-2-ol
n-Propanol iso-Propanol
s “Cl
Stereoisomerie
1,3-Dichlorbenzen
CL
IClı Stereoisomere spielen eine wichtige Rolle in der Biochemie (/S. 333).
So werden in die körpereigenen Eiweiße des Menschen nur bestimmte
1,4-Dichlorbenzen Stereoisomere, die L-Aminosäuren, eingebaut. Die cis-trans-Isomerie
(5. 254) bildet die Grundlage unseres Sehprozesses.
Allgemeine Grundlagen der Organischen Chemie 253 5
Konfigurationsisomerie
Zur Unterscheidung
der Enantiomere
muss die absolute
Konfiguration, d.h.
die räumliche Anord-
nung der Substituen-
ten am chiralen Koh-
D, L-Nomenklatur, FisScHER-Projektion lenstoffatom be-
Die FiscHER-Projektion ist die Darstellung der räumlichen Struktur tetra- stimmt werden.
edrisch koordinierter Kohlenstoffatome in der Ebene. Chirale Verbin-
dungen können so eindeutig als D- oder L-Enantiomer identifiziert wer-
den. Folgende Regeln wurden von EMıL FiscHEr am Glycerinaldehyd als
Stammverbindung für die FiscHER-Projektion aufgestellt:
- Die längste Kohlenstoffkette steht vertikal, das am höchsten oxidierte Chiralität heißt „Hän-
Kohlenstoffatom steht oben. digkeit”. Der Begriff
- Die beiden horizontalen Bindungen am betrachteten Kohlenstoffa- erklärt sich dadurch,
tom zeigen aus der Papierebene auf den Betrachter zu, die beiden ver- dass die rechte und
die linke Hand Spie-
tikalen in die Papierebene.
gelbildisomere sind.
- Steht die OH-Gruppe am chiralen Kohlenstoffatom rechts, gehört das Die Enantiomere un-
Molekül in die D-Reihe - steht sie links, gehört es in die L-Reihe. terscheiden sich nur
im Vorzeichen des op-
Spiegelbildisomere des Glycerinaldehyds tischen Drehwertes.
I Der optische Dreh-
CHO |! CHO wert gibt an, wie po-
l larisiertes Licht beim
H— 3-04 ıHO — %-H Durchstrahlen der
I
I Probe aus der Ebene
CH, OH! CH,OH gedreht wird.
I
D-Glycerinaldehyd L-Glycerinaldehyd
(X “ D Ra
on a.
N
(R)-Glycerinaldehyd = (S)-Glycerinaldehyd
1,1-Dichlor-
ethen
Konformationsisomerie (NEwMAN-Projektion)
Konformationsiso-
mere lassen sich auch a >93
anschaulich in der
Sägebockschreib- gestaffelt, gestaffelt, verdeckt
weise darstellen. anti gauche (eclipsed)
a fnergie
gestaffelt, anti Zu den Konformationsisomeren zählt man aber auch die einzelnen Zu-
stände des Cyclohexanringes, die durch das so genannte Durchschwin-
gen entstehen (Sessel - Wanne - Sessel). Zu beachten ist dabei, dass bei
diesem „Durchschwingen” äquatoriale (e) und axiale (a) Substituenten
die Plätze tauschen.
” enT
(a) z
(e) NY (e) an 4
Als Reagenz (Agenz) bei einer chemischen Reaktion bezeichnet man Radikale gehören
den Stoff, der eine chemische Reaktion hervorrufen kann. Durch den aufgrund ihrer elek-
Angriff auf den Reaktionspartner, das Substrat, verändert er dieses che- tronischen Eigen-
misch. Nach ihren elektronischen Eigenschaften werden die Reagenzien schaften zu den Elek-
in zwei Hauptgruppen unterteilt, in Nucleophile und Elektrophile. trophilen. Sie gehen
jedoch andere Reakti-
Nucleophile onsmechanismen ein
(5. 258 ff.).
ı
H-01-
eG H
HH se
eine Eliminierung
stattfindet, hängt
entscheidend von
| |
x al)
HH H
cd den Reaktionsbedin-
gungen ab.
In
iz Sy - CU - Cl
H OH
\ |
eQy BG
SS IE ZEN ‚| Eth ano |
ES
\
H H H
S 256 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Elektrophile
Halogene reagieren
als Elektrophile im
Komplex mit LEwis-
Säuren (/S. 286), die
als Katalysatoren für
elektrophile Reaktio-
nen genutzt werden.
5* &
Br — Br--FeBr; Kationen | H*, NO,* | Moleküle | BF3,SO; | Radikale Br-, Cl-
ö* &
cl — Cl --AlCl;
Substrate
Als Substrate werden die Stoffe bezeichnet, die durch den Angriff eines
Reagenz chemisch verändert werden. Bei der Reaktion zwischen Chlor-
ethan und Natronlauge (/5. 255) ist Chlorethan das Substrat. Durch
den -I-Effekt des Chloratoms ist das Kohlenstoffatom partiell positiviert.
An diesem Kohlenstoffatom greift das Nucleophil OH” als Reagenz an
und tauscht das Chloratom aus, wobei Ethanol entsteht.
Homolytische Bindungsspaltung
Hombolytische Bin- Die Bindung zwischen zwei Atomen wird so gespalten, dass jedes Atom
dungsspaltungen be- ein Elektron aus der Bindung erhält. Es entstehen Radikale.
obachtet man bei der
radikalischen Substi-
tution (/ S. 258 ff.). EB H
Heterolytische Bin-
H—-C-H Tr — H-C- + H-
dungsspaltungen | |
sind typisch für die H H
nucleophile Substitu-
tion (/S. 260 ff.) und
Methan Methylradikal Wasserstoffradikal
die Eliminierung
(75. 270). Heterolytische Bindungsspaltung
Die Bindung zwischen zwei Atomen wird so gespalten, dass das elektro-
negativere Atom das gesamte Elektronenpaar mitnimmt. Dabei entste-
hen lonen, von denen das Anion Abgangsgruppe genannt wird.
BB. +| -
H|
H- ij ZZ H-c* + I
|
H H
lodmethan Methyl-Kation lod-Anion
Allgemeine Grundlagen der Organischen Chemie 257 J
elektrophile radikalische
Addition (A,) Addition (A,) i
Carbonylreaktionen
(7 5. 271) nehmen
_Eliminierung eine Sonderstellung
ein, da diese Reaktio-
nen eine Kombina-
u Carbonylreaktionen ton mehrerer MEchar
R | __ - - - Reaktionen an Aldehyden, nismen sind. sn
Sa onen Ketonen und Carbonsäuren Die Veresterung a
(7 S. 308) ist eine Ab-
folge aus Addition,
Protonenübertra-
gung und Eliminie-
| | rung.
radikalische nucleophile elektrophile
Substitution (S;) | Substitution (Sy) Substitution (S;Ar)
Substitutionen
Ab dem Molekül Pro- Die radikalischen Substitutionen bestehen aus mehreren Einzelschrit-
pan sind im Teilschritt ten. Obwohl die Reaktion zwischen Chlor und Methan exotherm ist,
b) die Bildungen würde man beim Mischen der beiden Gase keine Reaktion beobachten.
mehrerer Alkylradi- Der Grund ist die sehr hohe Aktivierungsenergie, E, (75. 147), die in
kale möglich.
Form von Wärme oder Lichtenergie aufgebracht werden muss.
CHzCI
+ HCI + Cl»
Reaktionsverlauf
cd) 4 [
H-C-
IH + CC —— H-C-C
N +
|
IC
Nu |
H
Methylradikal Chlormolekül Chlormethan Chlorradikal
Kettenabbruchreaktionen
d) 21C- —— d-Äl ui
Ek
/
Nu—c+xX
N
Reaktionsverlauf
Kinetische Untersu-
chungen zeigen ein-
deutig, dass die Sy2- Mechanismus von S,2-Reaktionen
Reaktion in einem
Schritt abläuft. Des-
halb gehen sowohl H
die Konzentration
des Substrats als auch 04 "Ic n
oh > #] E
die Konzentration H
des Nucleophils in das
Geschwindigkeitsge-
setz ein. v=k;c(CH3l)- c(OH) k,= Geschwindigkeitskonstante
Allgemeine Grundlagen der Organischen Chemie 261 J
Entsprechend der
ÄRRHENIUS-Gleichung
bestimmt die Aktivie-
rungsenergie, Ey,
maßgeblich die Ge-
schwindigkeit einer
Reaktion (/S. 147).
Reaktionsverlauf
na C-Brl eo a HO Se \ en
I -Br + OH
H;C CH,
2-Brom-2-methylpropan 2-Methylpropan-2-ol (tert.-Butanol)
Carbo-Kation
Inversion der Konfi- Bei Sy2-Reaktionen greift das Nucleophil von der Rückseite der C-X-Bin-
guration bedeutet dung über die Grundfläche des Tetraeders am sp?-Kohlenstoffatom an.
die Umkehrung der Dadurch kommt es zu einer Geometrieänderung. Im Produkt zeigen die
Stereochemie am te- drei anderen Substituenten genau in die entgegengesetzte Richtung als
traedrischen Kohlen-
im Ausgangsstoff. Es findet eine Inversion der Konfiguration statt.
stoffatom. Aus chira-
len Verbindungen
(75. 253) erhält man Stereochemie von S,)2-Reaktionen
bei Sy2-Reaktionen
das Spiegelbild. Der % Nu”- nucleophiles Reagenz
Vorgang wird auch
als WALDEN-Umkehr
bezeichnet. 100 % Inversion
x" - Abgangsgruppe
Retention der Konfi- Das als Zwischenprodukt bei Sy1-Reaktionen entstehende Carbo-Kation
guration bedeutet ist planar. Das Kohlenstoffatom ist sp?-hybridisiert, das p-Orbital ist leer.
den Erhalt der Stereo- Im Unterschied zur Sy2-Reaktion kann das nucleophile Reagenz von bei-
chemie des Aus- den Seiten angreifen, sodass man zu 50 % Inversion und zu 50 % Reten-
gangsstoffes.
tion der stereochemischen Konfiguration des Substrats erhält.
Chirale Verbindun-
gen ändern ihre Kon-
figuration nicht. Stereochemie von S,1-Reaktionen
Bei Sy1-Reaktionen
entsteht daher ein
Gemisch der Enantio-
mere, das Racemat
genannt wird.
50%
Retention
Nu
Allgemeine Grundlagen der Organischen Chemie 263 ä
Nucleophilie ind
des Reagenz
2 Abgangsgruppe |
Reaktions-
temperatur
on
beiden Wasserstoffatome klein sind und dadurch das Kohlenstoffatom H
gut vom Nucleophil angegriffen werden kann.
Ist die Abgangsgruppe an ein tertiäres Kohlenstoffatom im Substrat ge-
bunden, beobachtet man vorwiegend einen S,1-Mechanismus. Das im -H,0 | HcIo,
ersten Schritt entstehende Carbo-Kation wird durch den +I-Effekt der
drei Alkylgruppen gut stabilisiert. Noch stärker stabilisieren Phenyl-
Gruppen aufgrund ihres +M-Effektes das Carbo-Kation. Außerdem ist clo, (7
das tetraedrisch koordinierte Kohlenstoffatom räumlich durch drei grö-
Bere Substituenten abgeschirmt, sodass der Angriff des Nucleophils
durch die Bildung des planaren Carbo-Kations deutlich erleichtert wird. OO
Einfluss des Lösungsmittels auf die S,-Reaktion Triphenylmethanol
Polare Lösungsmittel begünstigen einen S,1-Mechanismus, sie stabilisie- bildet mit starken
ren zum einen das als Zwischenstufe entstehende Carbo-Kation und Säuren stabile Carbo-
Kationen. Die Stabili-
zum anderen solvatisieren sie das Anion der Abgangsgruppe. Umge-
sierung kommt durch
kehrt fördern unpolare Lösungsmittel einen Sy2-Mechanismus, da hier die Mesomeriestabili-
keine geladenen Zwischenprodukte auftreten. sierung der Aroma-
ten (/S. 282) und die
räumliche Abschir-
mung des zentralen
R-C-X Be ® De Kohlenstoffatoms
|
H H R zustande.
_ Sy1-Mechanismus
unpolare polare
Lösungsmittel Lösungsmittel
Ü 264 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
0 em 30
BR
D >
x
Anziehung Abstoßung
x
H-9) [m so
Häufig beobachtet man bei chemischen Reaktionen die Bildung mehre- Die Produktvertei-
lung hängt von der
rer Produkte. Das ist ein Zeichen dafür, dass zwischen den gleichen Aus-
Kinetik der Reaktio-
gangsstoffen unterschiedliche Reaktionen in Konkurrenz zueinander
nen ab, wenn sich die
ablaufen können.
Übergangszustände
der Konkurrenzreak-
tionen und damit die
Aktivierungsenergie
unterscheiden.
H Ho u Je H Ch,
a Non
®C-C-H —> HO-C-C-H
a me
H H HH
Propan-1-ol
GHBr + OH —
ee — GH5;OH + Br
a 266 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
.-=-d—- ©
Benzen Bromonium-lon n-Komplex o-Komplex
(Phenonium-lIon)
Mesomere Grenzformeln
Durch die Elektronen-
lücke im Eisen(IIl)- Br H Br H IBr H IBr _H
bromid (Lewis-Säure)
kann noch ein Elek-
tron aufgenommen +
+ HBr + FeBr;
Reaktionsverlauf
i
IBrı Brı
_ _. Katalyse = 1,3-Dibrom-
+ : IBr—Brl
ph _ Sasse
[FeBr;] H-Brl + Bri benzen
est
a ıBrı
1,4-Dibrom-
H-Brl + benzen
= para-
IBri
Sowohl die Reaktivität des Aromaten als auch der Ort der Zweitsubstitu-
tion sind abhängig von der elektronischen Struktur des Erstsubstituen-
ten. Wird durch den Substituenten die Elektronendichte am Aromaten
und damit dessen Reaktivität erhöht, spricht man von der aktivierenden
Wirkung des Substituenten. Zieht der Substituent Elektronendichte aus
dem Aromaten, wird dieser deaktiviert.
I 268 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Die Ursache liegt darin, dass die Bildung des o-Komplexes (7 S. 266) auf
einem elektrophilen Angriff auf das aromatische System beruht, der
Substituenten mit durch die Erhöhung der Elektronendichte im Aromaten beschleunigt
+ M-Effekt erhöhen wird. Deshalb erhöhen alle Substituenten mit einem +I- bzw. +M-Effekt
die Elektronendichte die Reaktivität gegenüber unsubstituiertem Benzen, da durch sie die
in ortho- oder para-
Elektronendichte im Aromaten zunimmt. Alle Substituenten mit einem
Stellung.
Sr
Substituenten mit
Reaktivität wirdgesenkt Reaktivität wird erhöht
+l-Effekt stabilisieren
den o-Komplex in -1, -Br, -Cl, -NO,, -COOH, -CHO, - Alkyl, -NH,, -0H, -OR
ortho- oder para-Po-
sition des Aromaten.
Einfluss des Substituenten auf Reaktivität und Zweitsubstitution
R R
— Reaktivität nimmt zu
BE
t
|
—-Ort der Zweitsubstituion
Substituenten mit
a
-M- oder -I-Effekten
wie die Nitro-Gruppe Substituenten zweiter Ordnung Substituenten erster Ordnung
führen zu einer ver- meta-Position ortho- bzw. para-Position
ringerten Elektronen-
dichte in ortho- oder -NO;, -COOH, -CHO, -CN, - Alkyl, -NH,, -OH, -OR, -I,
para-Position des
Aromaten. Deshalb
-50;H -Br, -Cl
erfolgt ein elektro-
philer Angriff nur in
der meta-Position. Nitririerung am Nitrobenzen
1, -M-
Effekt | NO,
a
No. oO sole N : 050,8
5
NOı- Ho/ I
sth st Fu S Q Q
$+ Nitronium-Kation
I +
+ I Zn NO, EP, we
) H NO,
o-Komplex
Additionen
Elektrophile Additio-
nen (Ag) sind wesent-
lich häufiger als radi-
kalische Additionen
(Ar), die nach einem
Aufgrund ihrer p-p-r-Bindungen (/7S. 84) sind ungesättigte Verbindun- anderen Mechanis-
gen elektronenreiche Substrate und werden durch Elektrophile ange- mus ablaufen.
griffen. Anders als bei den Aromaten ist mit der Ausbildung der neuen
o-Bindungen ein Energiegewinn verbunden, sodass die elektrophile Ad-
dition (A;) die bevorzugte Reaktion der Alkene und Alkine ist.
H— Br =>;hr+2Be ee 2-Brompropan
IBri
1 2
ö Br
H Br; H Br "c
ii
ö* Br
e—@
ea FEN Br
HC ># H HU °H
r-Komplex Bromonium-lon 1,2-Dibromethan
5 270 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Eliminierungen
en N
H Cc CQy
| IN
in.
AS
ir.
\ H
9 H
:c
H H H
Chlorethan Ethen
Als Konkurrenzreak- Das Hydroxid-Ion greift als Base am Wasserstoffatom des benachbarten
tion zur bimolekula- Kohlenstoffatoms (C,) an und spaltet dieses unter Bildung von Wasser
ren Eliminierung ist ab. Am Kohlenstoffatom verbleibt das ehemalige Bindungselektronen-
die nucleophile Sub- paar. Dieses bildet eine Doppelbindung zum C,-Kohlenstoffatom aus
stitution Sy2 zu beob-
und drückt dabei das Chlorid-Ion als Abgangsgruppe heraus.
achten (/S. 255).
H H H H H H H
H se H e ce ea
H* = ni | HL > H
ANCH Hassc
SEANoc H CH
ZN c\
Oo H O, H H H H
| | Zn H*
H H OÖ
DEN
Ethanol Oxonium-lon H Carbo-Kation Ethen
Da die Reaktionen
der Carbonyl- Verbin-
dungen oft sehr spe-
ziell sind, werden die
Reaktionen im Kapi-
tel 9.4 (/S. 289 ff.)
Der Angriff eines Protons als Elektrophil auf den Sauerstoff führt nur zu besprochen.
einer Aktivierung des Carbonylkohlenstoffatoms. Deshalb werden viele
Carbonylreaktionen unter saurer Katalyse durchgeführt.
a OH Jö-H
Rz + H: = Rec = R-c
X X x
X =R: Ketone, X = OH: Carbonsäuren, X = H: Aldehyde
Rec:
2.HC-O-H = nn
” Polymerisationen,
Polyadditionen und
Polykondensationen
H sind spezielle Reakti-
H
onstypen zur Syn-
Aldehyd Alkohol Halbacetal
these von makromo-
lekularen Stoffen
2 2 ef
5 (/ 5. 346 ff.).
Unverzweigte Alkane
Die verschiedenen Bei gesättigten Kohlenwasserstoffen sind die Kohlenstoffatome aus-
Möglichkeiten der schließlich über Einfachbindungen miteinander verknüpft (/5. 82). Die
Verknüpfung der Namensbildung erfolgt aus dem Stamm eines Zahlwortes und der End-
vierbindigen Kohlen- silbe „-an”. Das Zahlwort bezeichnet die Anzahl der Kohlenstoffatome
stoffatome führt zu
in einer durchgehenden, unverzweigten Kette und das Suffix „-an” be-
einer Vielzahl von
sagt, dass die Verbindung keine Mehrfachbindung enthält. Diese gesät-
Kohlenwasserstof-
fen. Um aus dem Na-
tigten kettenförmigen Kohlenwasserstoffe heißen Alkane, z.B. Methan
men der Verbindung (CH,) oder Ethan (C,H,).
die Struktur ermitteln
und so z.B. Isomere
(7 S. 252) unterschei-
Name
den zu können, wur-
1 Methan 5 Pentan 9 Nonan
den von der IUPAC
verbindliche Regeln
2 Ethan 6 Hexan 10 | Decan
zur Nomenklatur der
Kohlenwasserstoffe
3 Propan 7 Heptan 11 | Undecan
eingeführt.
4 Butan 8 Octan 12 | Dodecan
Verzweigte Alkane
Verzweigte Alkane werden als Substitutionsprodukte unverzweigter Al- Existieren zwei Ket-
kane betrachtet und die Seitenkette als Alkylsubstituent angesehen, der ten mit der gleichen
an ein bestimmtes Kohlenstoffatom der Hauptkette gebunden ist. Als Anzahl von Kohlen-
stoffatomen, dann ist
Hauptkette wird zuerst die durchgehende Kette mit den meisten Koh-
die Hauptkette:
lenstoffatomen bestimmt.
- die Kette mit den
meisten Seitenket-
ten oder
3-Methylpentan
HC
Y CH; - die Kette mit den
niedrigsten Ziffern
für die Seitenket-
ten oder
Die Seitenketten werden mit ihren Gruppennamen in alphabetischer - die Kette mit den
Reihenfolge vor dem Stammnamen genannt. Der Ort der Verzweigung am wenigsten ver-
zweigten Seiten-
wird mit arabischen Ziffern angegeben und steht vor dem dazugehöri-
ketten.
gen Substituenten. Jede Seitenkette erhält ihre eigene Ziffer.
5-Ethyl-4-methyloctan
Tritt eine Seitenkette mehrmals im Molekül auf, wird dieses durch die Die alphabetische
Präfixe „di-”, „tri-”, „tetra-” usw. angezeigt. Reihenfolge der Sei-
tenketten im Mole-
külnamen wird durch
a CH3 CHz 2,3,5-Trimethylheptan den ersten Buchsta-
H;C 6 4 2 CH; ben des Gruppenna-
7 5 3 1 mens bestimmt, Prä-
CH; fixe wie „di-”, „tri-”
usw. werden nicht be-
rücksichtigt.
Die Nummerierung der Hauptkette wird so gewählt, dass sich für die
Seitenketten möglichst niedrige Stellenangaben ergeben.
CH;
n innen 2,7,8-Trimethyldecan
3 (nicht 3,4,9-Trimethyldecan)
CH; CH;
% 274 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Vor einem Konso- Bei ungesättigten Kohlenwasserstoffen sind zwei oder mehr benach-
nanten wird zwischen barte Kohlenstoffatome durch Mehrfachbindungen verbunden (5. 84).
Stamm und verviel- Bei den Alkenen ist dies eine C=C-Doppelbindung, die durch die Endsilbe
fachendem Zahlwort
„-en” im Namen des Kohlenwasserstoffes gekennzeichnet wird.
der Buchstabe „a”
eingeschoben:
„„adien”; „-atrien”,
H,C=CH, Ethen (Ethylen)
„„ateraen” usw.
Kommen im Molekül zwei oder mehr Doppelbindungen vor, wird das
durch das vervielfachende Zahlwort vor der Endsilbe „-en” verdeutlicht.
RN Hexa-1,4-dien
H3C 4 2
Wahl der Hauptkette Die Lage der Doppelbindung wird durch eine Zahl angegeben. Diese
bei Alkenen und Alki- bezeichnet dasjenige Kohlenstoffatom, von dem die Doppelbindung
nen (Reihenfolge): ausgeht. Die Zahl steht direkt vor dem Suffix. Die Nummerierung er-
- die Kette mit der folgt so, dass die Doppelbindung die niedrigste Stellenangabe erhält.
größten Anzahl an
Doppel- und Drei-
fachbindungen 1
5 3
oder NY:6 Hex-2-en
- die Kette mit der H3C
größten Zahl an C-
Atomen oder
- die Kette mit den Analog zu den Alkanen werden verzweigte ungesättigte Kohlenwasser-
meisten Seitenket- stoffe als Derivate von unverzweigten Alkenen benannt.
ten.
HEN
5 3
CH;
1
vr 4-Methylpent-2-en
CH3z
Enthalten Kohlen- Die Dreifachbindung als Strukturmerkmal der Alkine wird durch die
wasserstoffe sowohl Endsilbe „-in” gekennzeichnet, die an den Stammnamen des entspre-
Doppel- als auch Drei- chenden Kohlenwasserstoffes angehängt wird.
fachbindungen, er-
folgt die Benennung
HC=CH Ethin
so, dass die Silbe
„an“ im Namen des
entsprechenden Al- Kommen im Molekül zwei oder mehr Dreifachbindungen vor, wird das
kans durch „-enin” , durch das vervielfachende Zahlwort vor der Endsilbe „-in” verdeutlicht.
„-adienin” usw. er- Die Lage der Dreifachbindung wird durch eine Zahl angegeben, die
setzt wird. dasjenige Kohlenstoffatom bezeichnet, von dem die Dreifachbindung
ausgeht. Die Nummerierung erfolgt auch hier so, dass die Dreifachbin-
dung die niedrigste Stellenangabe erhält.
a 10 9 8 7
H3C—-C=C-CH,
\I6 1 2.
CH Deca-1,5,8-triin
Q
N 5 2
C\ 4 3 ‚
CH>—CH;
Aliphatische Kohlenwasserstoffe 275 I
Kat.
CH3;-CH; — CH,=CH, + H3 Eliminierung
Kat.
CH3-CH,-CH,-CH; —— Aue -CH3z Isomerisierung
CH3
3 276 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Alkane werden tech- Infolge ihrer unpolaren Struktur sind Alkane in Wasser praktisch unlös-
nisch aus Erdöl lich, in anderen Alkanen und unpolaren Lösungsmitteln wie Toluen je-
(7 S. 404 ff.) oder doch gut löslich. Aufgrund ihrer schlechten Wasserlöslichkeit bezeichnet
durch Kohlevered- man die gesättigten Kohlenwasserstoffe als hydrophob (Wasser mei-
lung gewonnen. Das
dend). Mit Fetten sind die unpolaren aliphatischen Verbindungen je-
Verfahren der Kohle-
doch gut mischbar und zählen deshalb zu den lipophilen, d.h. Fett lie-
verflüssigung wurde
1927 von FRIEDRICH benden Substanzen (lipos: griech. = fett).
BERGIUS (1884-1949)
entwickelt. Zwischen den Molekülen wirken VAN-DER-WAaLs-Kräfte (/S. 98). Diese
nehmen mit steigender Elektronenanzahl der Moleküle zu, sodass auch
die Siedetemperaturen der Alkane innerhalb der homologen Reihe zu-
nehmen. Aus dem gleichen Grund steigt auch die Viskosität der Alkane
mit wachsender Kettenlänge. Deshalb werden Gemische mittlerer und
höherer Alkane als Schmieröle oder Schmierfette verwendet.
Methan ist Hauptbe-
standteil des Erdga- Höhere Alkane mit mehr als 16 Kohlenstoffatomen sind fest und wer-
ses mit einem Anteil den als Vaseline, Grundlagen für pharmazeutische Produkte oder Ker-
von bis zu 99 %. zenwachse genutzt. Die flüssigen mittleren Alkane (C, bis C},) sind
Hauptbestandteile von Vergaserkraftstoffen, Diesel- und Heizölen.
Die niederen Alkane (C} bis C,) sind bei Raumtemperatur gasförmig und
werden in erster Linie als Heizgase zur Energiegewinnung genutzt. Der
wichtigste Vertreter ist Methan, das außerdem ein wertvoller Rohstoff
für viele großtechnische Synthesen ist.
Sdp.: -42,1 °C
Aliphatische Kohlenwasserstoffe 277 ä
n-Butan 2-Methylpropan
Alkene
Kohlenwasserstoffe
mit mehreren Dop-
pelbindungen nennt
man Diene und Poly-
ene. Direkt benach-
barte Doppelbindun-
gen bezeichnet man Chemische Reaktionen der Alkene
als kumulierte, mit- In Alkenen liegen die Kohlenstoffatome, zwischen denen die Doppel-
einander wechselnde bindung besteht, sp?-hybridisiert in einer Ebene vor. Die r-Elektronen
Doppel- und Einfach- bilden senkrecht dazu eine Ladungswolke, die von einem elektrophilen
bindungen als konju- Reagenz angegriffen werden kann.
gierte Doppelbindun-
Die für Alkene charakteristische Reaktion ist deshalb die elektrophile
gen (5. 84).
Addition, A; (7 S. 269). Diese erfordert nicht die Bildung energiereicher
Radikale und läuft im Gegensatz zur radikalischen Substitution bei den
Alkanen auch im Dunkeln ab. Trotzdem müssen einige Reaktionen wie
die Hydrierung durch geeignete Katalysatoren, z.B. metallisches Nickel
beschleunigt werden.
Mit der Neubildung von zwei o-Bindungen auf Kosten einer Doppelbin-
dung bei Additionsreaktionen ist ein Energiegewinn verbunden, sodass
Alkene mit vielen Reagenzien, z.B. Halogenwasserstoffen oder Wasser,
thermodynamisch stabilere Produkte bilden.
8 Halogenierung
CH>,=CH; + Br, —— CH,»Br-CH3,Br
Im Unterschied zu
den Alkanen, die nur
mit reinem Brom rea- Hydrohalogenierung
gieren können, ent- CH;=CH, + HCl 2 ——e CH3-CH;Cl
färben die Alkene
sehr einfach Brom- Hydrierung
wasser (/ 5. 428).
Ni, 500 °C
Diese Reaktion wird CH3-CH=CH-CHz + HE ——e CH3-CH,-CHy-CH3z
als Nachweisreaktion
für ungesättigte Koh-
Eine besondere Reaktion der Alkene ist die Polymerisation, bei der ma-
lenwasserstoffe ge-
nutzt.
kromolekulare Verbindungen entstehen, die als Kunststoffe vielfältig
verwendet werden (75. 351).
eh
Ethen ist ein Phyto-
hormon und hat Ein-
ee
fluss auf verschiedene
- in der Lebensmittelin- - zur Kunststoff- - Kunststoff- und
No
Stoffwechselvor-
dustrie zum Nachreifen herstellung, Synthesekaut- ;
gr
gänge in Pflanzen.
von Obst z.B. Polypro- schukherstellung In der Lebensmittel-
- zur Herstellung von pylen, Poly- (Buta-1,3-dien) industrie wird es zur
Kunststoffen, Klebstof- acrylnitril Regulierung von
fen, Lösungsmitteln - in der Benzin- Reifeprozessen bei
- inderpharmazeutischen herstellung Obst eingesetzt.
Industrie
Ethylbenzen
(Polystyren) Chlorethen
(Vinylchlorid/PVC)
Butan-2-ol —_BUt en
Auch die Alkene bilden Isomere mit geringfügig verschiedenen Eigen- Die cis-trans-Isomerie
schaften. Zusätzlich zu den Konstitutionsisomeren, wie But-1-en, But-2- ist ein Spezialfall der
en und Methylpropen werden, bei den Alkenen noch die cis-trans-Iso- Stereoisomerie
mere beobachtet. Diese haben die gleiche Konstitution und unterschei- (75. 254).
But-1-en cis-But-2-en
Smp.: -185 °C Nr Smp.: -139 °C Hs
Sdp.: -6,3 m Sdp.: 3,7 °C s
s (fl): 0,626 g- cm? „nn s (fl): 0,621 g-cm? ER
H CH, " ch,
Methylpropen trans-But-2-en
(Ilsobuten) H H Smp.: -106 °C H CH,
Smp.: -140 °C Ne Sdp.: 0,9 °C Ne
Sdp.: -6,9 °C a s (fl): 0,604 g-cm? x
s():0,588g-cm? 4,” ch, HC °H
5 280 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Alkine
3 Vinylierungen
HC=CH + HCl —— CH,=CH-cl Vinylchlorid
HC=CH + HCN —— CH,=CH-CN Acrylnitirl
Bei der Verbrennung Hergestellt wird Ethin heute hauptsächlich aus Erdgas, entweder durch
von Ethin (Acetylen) partielle Oxidation des Methans mit Sauerstoff oder durch Hochtempe-
werden Temperatu- raturpyrolyse des Methans.
ren bis 3000 °C er-
zeugt, sodass dieses
Alkin zum Schweißen Kat.
ACH; + 30; — 2HC=CH + 6H,0
eingesetzt wird.
150
2CHh —— HC=CH + 3H,
Aromatische Kohlenwasserstoffe 281 B
Zur Gruppe der Aromaten gehört als Grundkörper das Benzen (Benzo!). Die Strukturformel
Die sechs sp?-hybridisierten Kohlenstoffatome sind in einem planaren von AUGUST VON KE-
Sechseck angeordnet. Alle Bindungswinkel betragen 120°. Die Bin- KULE (1829-1896) ist
nur eine mesomere
dungslänge der C-C-Bindung im Ring liegt mit 139 pm im Bereich der
Grenzstruktur von
Alkene (134 pm), ist aber kleiner als in Alkanen (154 pm). Es sind sechs
Benzen. Sie be-
ungepaarte Elektronen im Ring, entsprechend der HückeL-Regel (An + 2) schreibt den aromati-
istn = 1. Durch die C-C-o-Bindung überlappen auch die p-Orbitale und schen Bindungszu-
bilden eine rn-Elektronenwolke, das so genannte Elektronensextett. stand des Benzens
nicht exakt, ist aber
Strukturvorschläge für Benzen trotzdem heute noch
gebräuchlich.
CLAUS
DS DEWAR LADENBURG
Oo KEKULE Heute
(1867) (1867) (1869) (1872)
h 282 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Hydriert man eine Einen experimentellen Beweis dieser Stabilisierung liefert die Hydrie-
C=C-Doppelbin- rungswärme von Benzen. Berechnet man die Hydrierungswärme für das
dung, wird die Hy- hypothetische Cyclohexa-1,3,5-trien und vergleicht diese mit der experi-
drierungswärme von mentell bestimmten Hydrierungswärme von Benzen, findet man eine
ca. 120 kJ-mol-! frei. Energiedifferenz von 151 kJ- mol".
Bei 3 Doppelbindun-
genergibtsich daraus
eine theoretische Hy- theor. 0 4
drierungswärme von © * Bl in A,H° = -360 kJ-mol
AyH? =-360 k)-mol!.
Cyclohexa-1,3,5-trien Cyclohexan
Die Verteilung der Führt man wie bei den aliphatischen ungesättigten Kohlenwasserstof-
Elektronen über das fen Doppelbindungen ein, sind zwei mesomere Grenzstrukturen denk-
aromatische System bar: das Cyclohexa-1,3,5-trien A und das Cyclohexa-2,4,6-trien B. Da im
wird durch den Kreis Benzen alle Substituenten Wasserstoffatome sind, sind beide Strukturen
in der Strukturformel
gleich, der stabile Zustand des aromatischen Benzenmoleküls liegt also
besser dargestellt als
zwischen den beiden hypothetischen mesomeren Grenzstrukturen.
durch die KEKULE-
Struktur. Die Deloka-
lisierung der Elektro- Energiebetrachtung
nen führt in allen
A 1
mesomeren Systemen
Ein kJ DO
ÜN-
Aromaten - zu einem 5
w
u
Energiegewinn und
Mesomerieenergie
kondensierte
Benzene
(66:
6
5 4
3 OD
6
5 104
3 7500%
8 9
10
baut. Dieser reagiert
mit der DNA, sodass
es zu Veränderungen
der Erbsubstanz kom-
men kann.
Naphtalin CjoHg Anthracen C44H>o Phenanthren C;4H3o
10 r-Elektronen 14 n-Elektronen 14 n-Elektronen
Heteroaromaten
3 Heteroaromaten
| Nu
m S
Das Benzen
Eigenschaften
Benzen ist eine farblose, leicht bewegliche Flüssigkeit. Durch den hohen
Kohlenstoffanteil im Molekül brennt es mit stark rußender Flamme. Mit
organischen Lösungsmitteln (Hexan, Ether, Alkohole, Aceton) ist es be-
liebig mischbar. In Wasser ist das unpolare Benzen fast unlöslich. Benzen
ist giftig und erwiesenermaßen kanzerogen.
Br
a O 2.cH,
€
[
|
[
H Ö [FeBr;] ©
+ Br,
+ Cl, 0
+ HCC [AICI;]
[AlCI;] >
cl
a + HNO;
[H,50,]
eu +CH.Br | + a ZN
= [AlBrz] NO,
SO,H
Aromatische Kohlenwasserstoffe 285 j
Das Toluen gehört in die Gruppe der Alkylbenzene, da es am Benzen- Benzene, die einen
ring eine Methyl-Gruppe besitzt. Aufgrund dieser Struktur kann Toluen Alkylrest als Seiten-
- in Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen - unterschiedliche kette tragen, heißen
chemische Reaktionen eingehen. Alkylbenzene, z.B.
Cumen (Isopropyl-
benzen), das als Aus-
CH; typische Reaktionen an der Alkylgruppe (z.B. S,) gangsstoff für die
en EEE Phenolsynthese dient
typische Reaktionen am aromatischen Kern (z.B. S.Ar) (75. 298).
H
Reaktionen des Toluens |
Die Reaktionsprodukte der Halogenierung sind stark abhängig von den HCC CH;
gewählten Reaktionsbedingungen. Die Umsetzung von Toluen mit
Brom und Eisen(Ill)-bromid als Katalysator in der Kälte führt zur Substi-
tution am aromatischen Kern (S£Ar). Es entsteht ein Gemisch aus para- Isopropylbenzen
und ortho-Bromtoluen. (Cumen)
Wird die gleiche Reaktion ohne Katalysator in der Siedehitze unter in- cH
tensiver Lichtbestrahlung durchgeführt, erhält man im Ergebnis einer CH,
radikalischen Substitution (Sr) an der Seitenkette Benzylbromid.
1,2-Dimethylbenzen
Bromierung von Toluen (ortho-Xylen)
CH,
Regel für SSS (für S,) © Regel für KKK (für S;Ar)
Sonnenlicht, Siedehitze, Kälte, Katalysator, Kern
Seitenkette +
;
Licht
Br, FeBr;
er nn CH;
CH,Br
+ HBr
HBr +
Br
Ö + mo —— am Or mw
NO,
NO,
Synthese
Toluen kann durch die Umsetzung von Benzen mit Chlormethan in Ge-
Tauscht man das Ha- genwart von Aluminiumtrichlorid als Katalysator synthetisiert werden.
logenalkan gegen ein Die Reaktion heißt nach ihren Entdeckern FRIEDEL-CRAFTS-Alkylierung.
Carbonsäurechlorid
Nach diesem Prinzip kann eine Vielzahl von Alkylbenzenen aus Benzen
aus, erhält man aro-
und Halogenalkanen hergestellt werden.
matische Ketone
(75. 303). Im ersten Reaktionsschritt bildet sich ein elektrophiler Komplex aus dem
Halogenalkan und der Lewis-Säure AlClIz. Die Kohlenstoff-Chlor-Bindung
wird noch stärker polarisiert, so dass die Alkyl-Gruppe als Elektrophil am
Aromaten angreifen kann. Im typischen Verlauf der elektrophilen Sub-
stitution am Aromaten (/S. 266) entstehen der n-Komplex und der o-
Komplex als Zwischenprodukte.
Durch Abspaltung des Protons aus dem o-Komplex werden das Alkyl-
benzen und Chlorwasserstoff erhalten. Dabei wird Aluminiumtrichlorid
zurückgebildet und kann das Reaktionsschema von neuem durchlaufen.
H cl
a 51
# R-C—XI --- Al-Cl| ==> n-Komplex
| |
Benzen H IELI !
- N| Icl! = HR
ICL H-C-H ee aa
I X- AA DH
ALIEN |
| = IELI
cl =
Katalysator Alkylbenzen o-Komplex
Benzensulfonsäuren
Ein Beispiel für Aromaten mit funktionellen Gruppen ist die Stoffklasse
der Benzensulfonsäuren, deren Eigenschaften stark von der Sulfon- Der Farbstoff und
säure-Gruppe (-SO;H) geprägt sind. Sulfonsäuren sind die organischen Indikator Methyl-
Derivate der Schwefelsäure. Sie sind gut wasserlöslich und reagieren in- orange ist das Natri-
umsalz einer Benzen-
folge der Protonenabgabe in wässrigen Lösungen sauer. Durch Neutrali-
sulfonsäure.
sation mit Laugen werden Sulfonate gebildet.
?
O=5=0
NI
OO) + 4505 —— (Ö)-50H + 10 N
I
Benzen Benzen-
sulfonsäure
Dioxine
Dioxine sind che- Unter dem Begriff Dioxine werden umgangssprachlich mehrfach chlo-
misch beständig, rierte Dibenzo-para-dioxine zusammengefasst. Sie entstehen bei der
hoch toxisch und unvollständigen Verbrennung von Kohlenwasserstoffen in Gegenwart
krebserregend. Der
von „Chlorquellen“. Um die Freisetzung der außerordentlich stabilen
giftigste Vertreter ist
Dioxine aus Müllverbrennungsanlagen zu verhindern, müssen Altche-
das Seveso-GiftTCDD.
miekalien und Müll bei Temperaturen über 1200 °C verbrannt werden.
Es ist giftiger als Cya-
nid und die chemi- Dioxine sind technisch nie gezielt
schen Kampfstoffe hergestellt worden, sondern tre-
Tabun und Sarin. ten ausschließlich als uner- ce oO a
wünschte Nebenprodukte auf. Im LT 1
Ergebnis der Überhitzung eines
Reaktors für die Herstellung von
Dioxin
Trichlorphenol wurde 1976 in der (2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-1,4-dioxin)
Ortschaft Seveso das extrem gif-
tige 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-1,4-
dioxin (TCDD) freigesetzt. Nach
dem Störfall starben in der Umge-
bung Vögel und Kleintiere. In der
Folge wurden ca. 22000 Men-
schen ärztlich behandelt und
70.000 Tiere notgeschlachtet. Da es
keine geeignete Methode zur Ent-
giftung gibt, mussten die Häuser
von 40 Familien abgerissen, die
oberen Bodenschichten abgetra-
gen und deponiert werden.
Wegen ihrer toxi- Polychlorierte Biphenyle (PCB) wurden 1929 erstmalig synthetisiert. Sie
schen Wirkung dür- zeichnen sich durch eine hohe Hitzeverträglichkeit und Brandfestigkeit
fen polychlorierte Bi- aus und sind elektrische Isolatoren. PCB sind farb- und geruchsneutral
phenyle seit 1983 in
und chemisch sehr beständig. Aus diesen Gründen wurden PCB vielen
der Bundesrepublik
Werkstoffen beigefügt, das Einsatzgebiet war sehr breit.
nicht mehr herge-
PCB sind jedoch für den Men-
stellt werden.
schen giftig. Sie führen zu
en cl cl
Nervenschädigungen und ste-
hen im Verdacht, Krebs zu erzeu-
gen. Im Organismus werden PCB CI CI
im Fettgewebe angereichert.
Durch PCB-verunreinigtes Reisöl
3,5,3',5'-Tetrachlorbiphenyl
kam es 1968 in Yusho (Japan) zur
Vergiftung von ca. 1600 Men-
schen, von denen viele starben.
Obwohl es eine starke Vereinfachung ist, zeigt sich, dass insbesondere
hoch chlorierte aromatische Verbindungen stark gesundheitsschädigend
sind. Die Ursache ist häufig die Wasserunlöslichkeit, die lipophilen Ver-
bindungen werden deshalb im Fettgewebe abgelagert und führen hier
zu irreversiblen Schädigungen.
Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen mit funktionellen Gruppen 289 2
Unterscheiden sich
die Substanzen nur
durch die Anzahl der
Substanzen mit gleicher funktioneller Gruppe bilden eine Stoffklasse. Es CH,-Gruppen, gehö-
gibt Substanzen, die nur eine funktionelle Gruppe tragen, z.B. Alkohole ren sie zu einer ho-
die Hydroxy-Gruppe. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Substanzen, mologen Reihe.
die über mehrere funktionelle Gruppen verfügen, z.B. Aminosäuren be-
sitzen die Carboxy-Gruppe und die Amino-Gruppe.
9.4.2 Halogenalkane
x
ns
—„ex
C-X|
X - Halogenatom
&X=FCl,Br |)
Nomenklatur
Reaktionen
Die nucleophile Sub- Die elektronegativen Halogenatome üben einen -I-Effekt auf das be-
stitution und die Eli- nachbarte Kohlenstoffatom aus. Dieses wird somit partiell positiv polari-
minierung sind Kon- siert und kann - anders als bei den Alkanen - durch Nucleophile ange-
kurrenzreaktionen. griffen werden.
Die Wahl der Reakti-
Das Halogenatom übernimmt das gemeinsame Elektronenpaar und fun-
onsbedingungen be-
giert als Abgangsgruppe. Neben der nucleophilen Substitution, S\, Kön-
stimmt , welche Reak-
tion die Halogen-
nen auch Eliminierungen, E, stattfinden. Obwohl Halogenalkane deut-
alkane eingehen. lich mehr Reaktionen als Alkane eingehen, sind sie sehr stabile, relativ
reaktionsträge Verbindungen.
a Kälte
CH3-CH,-Br + OH” ——— CH3;3-CH,-OH + Br
NaOH, Wärme
CH3-CH,-BrDZ H,C=CH; + HBr
Synthese
Durch Umsetzung der Die direkte Umsetzung von Alkanen mit den entsprechenden Haloge-
Halogenalkane mit nen (S;) eignet sich nur zur Herstellung von Chlor- und Bromalkanen.
Magnesium erhält Andere Halogenalkane werden durch elektrophile Addition (A;) an Al-
man reaktive metall- kenen oder durch Halogenaustauschreaktionen (S,) erhalten.
organische Verbin-
dungen, die nach ih-
rem Entdecker
V. GRIGNARD (1871 bis CH, + BR °—— GHs;Br + HBr
1935) als GRIGNARD-
Verbindungen be- CH, + 4Cl; —— CCly+4 HCl
zeichnet werden.
GH5;SOH + HI 9° —— GH; + H,O
Eigenschaften
Halogenalkane haben aufgrund ihrer größeren molaren Massen höhere Der Dipolcharakter
Schmelz- und Siedepunkte als die Alkane. Dieser Effekt wird dadurch der Halogenalkane
verstärkt, dass viele Halogenalkane aufgrund der polaren Halogen- hängt von der Struk-
Kohlenstoff-Atombindung Dipole sind. tur der Moleküle ab
(7 S. 87). So ist z.B.
Trotzdem lösen sich Halogenkohlenwasserstoffe nicht oder nur wenig in
Tetrachlormethan
Wasser, dafür aber in Alkanen, Toluen und anderen unpolaren oder
kein Dipol.
schwach polaren Lösungsmitteln. Viele Halogenalkane sind giftig oder
Krebs erregend.
Bedeutung
In den USA und vielen Entwicklungsländern werden die Fluorchlorkoh- Das makromoleku-
lenwasserstoffe (FCKW) nach wie vor als Kühlmittel in Kühlschränken lare PVC (Polyvinyl-
benutzt. In Europa ist diese Anwendung verboten. Hier setzt man statt chlorid) kann man im
weitesten Sinne auch
dessen Fluorkohlenwasserstoffe oder andere Verbindungen (z.B. Pro-
zu den Halogenalka-
pan oder Butan) ein. Diese Kohlenwasserstoffe sind zwar keine Ozonkil-
nen zählen.
ler, tragen aber trotzdem zum Treibhauseffekt (/ S. 413) bei.
9.4.3 Amine
\& szH
—cH NI
NH
Amino-Gruppe
—- primäre Amine |
I— sekundäre Amine |
i Nomenklatur
Die Einteilung der Für alle Verbindungen ist der Stammname „-amin”. Der Substituent
Amine erfolgt nach wird entsprechend den Regeln für Alkane benannt. Statt der Endung
der Art und Anzahl „-an”, erhält er als Substituent die Endung „-yl”, z.B. Ethylamin. Ist die
| der Substituenten. Amino-Gruppe direkt an den Kern eines Benzenringes gebunden, heißt
| Primäre Amine haben
die Verbindung Phenylamin (Anilin).
| einen, sekundäre
| zwei und tertiäre drei
organische Reste. Reaktionen der Amine
et DR MEN Bi an N
R t H t
PKz = 4,75
NH\ ZN
n.. H
H H3C H
Ethylamin Ethylammoniumchlorid
Or |
h ci
Synthese und Verwendung Anilinumchlorid
öt ”
Amine sind meist nur Zwischenprodukte in der chemischen Industrie. Die Umsetzung eines
So wird das Hexan-1,6-diamin zur Herstellung von Nylonfasern primären Amins mit
(7 5. 348) benötigt. Physiologisch wichtige Amine werden im menschli- einem Halogenalkan
chen Körper gebildet. Sie entstehen durch Decarboxylierung (CO,-Ab- E’gibt ein sekundä-
spaltung) aus den Aminosäuren (7 S. 324). res Ani.
Anilin gehört in die Gruppe der aromatischen Amine. Sie setzen sich aus
dem aromatischen Ringsystem (hier Benzen) und der Amino-Gruppe
(NH,-Gruppe) zusammen. Synthetisiert werden kann es durch Reduk-
tion von Nitrobenzen mit Zink und Salzsäure.
Ol H
ON, 7 +34 ———
Zn, HCI
(ON L + 240
go _ ZnCl» H
Azofarbstoffe Urethane
O--"©
o
Il N=Cc=O
a ns
Azobenzen Phenylisocyanat
NH,
o
H,5O, Be dh
L 1
eh
N CH;
Pharmazeutika
HO,S -O)- NH,
4-Aminobenzensulfonsäure N-Phenyl-acetamid
(Sulfanilsäure) (Acetanilid)
Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Alkohole
Nomenklatur
Die aliphatischen Alkohole tragen die Endung „-ol”. Sind mehrere Hy-
droxy-Gruppen im Molekül wird dies durch die griechischen Vorsilben
di, tri usw. unmittelbar vor der Endung angegeben. Für das Kohlenstoff-
gerüst gelten die Regeln für Alkane, z.B. Ethanol. Nach der Stellung der
OH-Gruppe im Molekül unterscheidet man in primäre, sekundäre und
tertiäre Alkohole. Das Hydroxybenzen heißt Phenol.
ole am B:
®
(CH,)>
H3C — (CH,)3— OH N /
CH— CH, — OH
?
”
H3C 3 —CH3—CH—CH
N
—(c—
Hae=e=CH3
HzC 3
CH;
6MN
RER
ö
ZEN
AN
©N
AN
R H HH RES
a PK, = 15,7 ©
HC’ °H &
PKs= 18 PK;= 9,9
Alkohole können mit dem Sauerstoffatom der Hydroxy-Gruppe als nu- Die Salze der Alko-
cleophiles Reagenz reagieren. Alkohole können aber auch als Substrate hole bzw. Phenole
in chemischen Reaktionen auftreten. Bei diesen Reaktionen wie bei der heißen Alkoholate
bzw. Phenolate. An
Synthese der Halogenalkane (75.290) wird das a-Kohlenstoffatom
den vollständigen Na-
durch Nucleophile angegriffen.
men des Alkohols
wird die Endung -at
Reaktion von Alkoholen mit Alkalimetallen angehängt, das Kat-
ion wird vorange-
e! 0 Ei | 0
R-O-H + Na — R-Of + Na* + "%H, stellt z.B. Natrium-
ER ethanolat.
Alkohol Natriumalkoholat
H H H H \
ä
Die Kondensation
a Säure, Energie % Zu c m
H=C=C-H an + u Hu von Alkoholen mit
ml H H Carbonsäuren nennt
H OH
man Veresterung
Ethanol Ethen Wasser (75. 308).
J 296 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
metan ton n
Methanol-Hochdrucksynthese (2 x 107 Pa, 370 °C)
ZnO/Cr,03
n=0,1,2, ... CO + 2H, === H3C-OH
Mehrwertige Alkohole
Mehrwertige Alkohole tragen mindestens zwei OH-Gruppen an unter-
schiedlichen Kohlenstoffatomen. Ethan-1,2-diol wird als Frostschutzmit-
tel verwendet. Propan-1,2,3-triol ist die Alkoholkomponente der Fette
(75. 319). Es wird vor allem in der Kosmetikindustrie verwendet. Der
sechswertige Alkohol D-Sorbit entsteht bei der Reduktion von Glucose
(75. 312), z. B. durch katalytische Hydrierung des Zuckers.
3 Mehrwertige Alkohole
Be
H—-C—-C-H II
pe MM pm
H=-C=€C
-€E CE =C—- CH
I | I | I I Il
H OH H OHH HH OHH H H
Phenole
Phenylmethanol
(Benzylalkohol) ist
kein Phenol, da die
OH-Gruppe nicht di-
rekt am Benzenring
substituiert ist.
Reaktionen und Eigenschaften von Phenol (Hydroxybenzen)
Auch am Phenol sind Reaktionen am aromatischen Kern (S£Ar) und an CH,OH
Ö
der funktionellen Gruppe möglich. Die Reaktionen der OH-Gruppe sind
die typischen Reaktionen der Alkohole (/S. 295).
Die Hydroxy-Gruppe ist ein Substituent erster Ordnung, da der +M-Ef-
Benzylalkohol
fekt wesentlich stärker wirkt als der - I-Effekt. Bei elektrophilen Substi-
tutionen am Aromaten (/'5. 266) erhält man daher ortho- und para-
Produkte. So ergibt z.B. die Nitrierung von Phenol mit einem Moläqui-
valent Salpetersäure ein Gemisch aus 75 % ortho-Nitrophenol und 25 %
para-Nitrophenol.
Der Umsatz mit 3 Moläquivalenten Salpetersäure führt zum 2,4,6-Trinit-
rophenol, der Pikrinsäure. Pikrinsäure ist keine Carbonsäure, sondern
ein Phenol. Da sie aber in Wasser sehr leicht das Proton der Hydroxy-
Gruppe abgibt, trägt die Verbindung den Trivialnamen Pikrinsäure. Die
hohe Säurestärke des 2,4,6-Trinitrophenols (pK; = 0,38) erklärt sich aus
dem starken -M-Effekt der drei Nitro-Gruppen.
OH OH Pikrinsäure wurde
O,N NO, früher in erheblichem
+ 3HNO; ————— + 3H,0
Umfang als Farbstoff
und bei der Herstel-
NO; lung von Sprengstof-
Pikrinsäure fen verwendet.
’ 298 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
a H;C—CH—CH,
H>50,
+ H3C-CH=CH, — I,
oO
O, + _— H,50, a + C
Zn
H3C CH3
Pharmazeutika
Phenol als Ausgangsstoff, z.B.
für Synthese von Salicylsäure
Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen mit funktionellen Gruppen 299 H
OH OH OH
os A OH
OH Mit einer 1%igen
1,2-Dihydroxybenzen 1,3-Dihydroxybenzen 1,4-Dihydroxybenzen FeCl;-Lösung geben
Brenzkatechin Resorcin Hydrochinon die Phenole intensive
Smp.: 104-106 °C Smp.: 110-112 °C Smp.: 172-175 °C Farbreaktionen.
Hydrochinon 1,4-Benzochinon
9.4.5 Ether
Sg
va N
Ether-Gruppe
Nomenklatur
Die Stoffklasse wird durch die Endung „-ether” gekennzeichnet. Die or-
ganischen Reste werden nach den Regeln für Alkane oder Aromaten
bezeichnet und haben als Substituenten die Endung „-yl”. Symmetri-
sche Ether tragen die Vorsilbe Di-. Bei cyclischen Ethern ist das Sauer-
stoffatom Bestandteil des Ringes.
Reaktionen
Es gibt eine Vielzahl Ether sind für Sy-Reaktionen kaum zugänglich. Eine Spaltung in die ent-
offenkettiger und sprechenden zwei Alkohole gelingt erst beim Sieden mit konzentrierter
cyclischer Ether. lodwasserstoffsäure. Deshalb werden sie häufig als inerte Lösungsmittel
Do N bei chemischen Reaktionen eingesetzt.
Diethylether
Synthesen
N »Do Eu
Ether lassen sich durch Kondensation zweier Alkohole (5. 295) oder
durch Umsetzung eines Alkoholats mit einem Halogenalkan (WiLLIaMm-
Butyl-methylether
son-Synthese) durch nucleophile Substitution, S,, herstellen.
oO
IN a ö*
®
Tetrahydrofuran
Auch die elektrophile Addition eines Alkohols an ein Alken wird zur
Synthese von Ethern wie Methyl-tert.-butylether (MTBE) genutzt. MTBE
wird Kraftstoffen zur Erhöhung der Klopffestigkeit (/ S. 407) zugesetzt.
C) oO H IO—-CH
Dioxan u H\ „3 = I .
mc + H-0-CH; — H-C-C-CH;
Il
H CH; H CH;
Eigenschaften und Verwendung
9.4.6 Carbonylverbindungen
Aldehyde
Aldehyd-Gruppe
Nomenklatur
Die aliphatischen Aldehyde tragen die Endung „-al”. Für das Kohlen- Die Aldehyd-Gruppe
stoff-gerüst gelten die Regeln für Alkane (/5. 272). Das Kohlenstoff- und die Keto-Gruppe
atom der Aldehyd-Gruppe geht in den Namen des Alkans ein (Bsp.: werden zusammen-
Ethanal). Die aromatischen Aldehyde heißen Benzaldehyde. Trägt der fassend als Carbonyl-
Gruppe bezeichnet
Benzenring weitere Substituenten, gelten für diese die Regeln für die
Nomenklatur der Benzene.
Reaktionen
Im Gegensatz zu den Alkoholen und Aminen gehört das Kohlenstoff-
atom mit zur funktionellen Gruppe. Durch den Elektronenzug des Sau-
erstoffatoms (-I-Effekt) ist das Kohlenstoffatom partiell positiv gela-
den. Es kann also durch Nucleophile angegriffen werden, sodass viele
nucleophile Additionsreaktionen möglich sind.
Aufgrund der reduzierenden Wirkung der funktionellen Gruppe wer- Methanal und Etha-
den Aldehyde sehr leicht zu Carbonsäuren oxidiert. Die reduzierende nal liegen in Wasser
Wirkung der Aldehydgruppe ist die Grundlage vieler Nachweisreaktio- fast vollständig als
nen, z.B. des Glucose-Nachweises mit fehlingscher Lösung (/' 5. 314). Hydrat vor. Bei höhe-
ren Homologen der
Alkanale liegt das
Nucleophile Additionen an die Aldehyd-Gruppe Gleichgewicht auf
Reaktion mit Wasser unter Bildung von Hydraten der Seite des Alde-
„H hyds.
70 H S
A
3 N 3 DEN
H H De
OH H
Eigenschaften { Verwendung
Methanal (Form- stechend riechendes giftiges Gas, liegt Ausgangstoff zur Herstel-
aldehyd) in Wasser als Hydrat vor, Bestandteil des lung von Phenoplast
Tabakrauches, Krebs erregend
Ethanal stechend riechendes Gas (Sdp. = 20,2 °C), | Herstellung von Essigsäure,
(Acetaldehyd) gut in Wasser und Diethylether löslich Acrolein und Butadien
Benzaldehyd
Benzaldehyd ist der einfachste Vertreter der aromatischen Aldehyde,
die die Aldehydgruppe als direkten Substituenten am aromatischen
Kern tragen. Benzaldehyd ist eine farblose, ölige, nach bitteren Man-
deln riechende Flüssigkeit, die das Licht stark bricht (Sdp.: 179 °C). Es
wird beim Backen als Bittermandelersatz verwendet.
Wie alle Aldehyde ist Benzaldehyd ein Reduktionsmittel und wird schon
durch Luftsauerstoff zur Benzoesäure oxidiert. Die reduzierende Wir-
kung kann mit ammoniakalischer Silbernitratlösung oder mit Fuchsinlö-
sung nachgewiesen werden (/S. 429).
O _H
c
O >= Oo =o
Benzylalkohol Benzaldehyd Benzoesäure
Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen mit funktionellen Gruppen 303 I
Ketone
Keto-Gruppe
Nomenklatur ul
Aliphatische und aromatische Ketone tragen die Endung „-on”, z.B.
Propanon. Für die beiden organischen Reste an der Keto-Gruppe gelten
die Regeln für Alkane bzw. Benzene. Eine besondere Klasse der Ketone
sind die Chinone, bei denen zwei Keto-Gruppen entweder in 1,2-(or-
tho)- oder 1,4-(para)-Position direkt am Benzenring gebunden sind.
Bo» 0 an &5
H3C—C-CH; N “ ol
Propan-2-on (Aceton) p-Benzochinon o-Benzochinon
Reaktionen
Die Ähnlichkeit der Ketone und Aldehyde zeigt sich im Reaktionsver-
halten. Auch bei den Ketonen findet eine nucleophile Addition
(75. 301) statt. Im Gegensatz zu den Aldehyden wirken Ketone jedoch
nicht reduzierend.
Synthese i
Neben dem Hock-Verfahren (/S. 298) gibt es für Aceton eine zweite Beim Hock-Verfahren
Synthesevariante. Propen aus Crackgasen wird durch elektrophile Addi- werden mit Aceton
tion von Wasser zum Propan-2-ol. Die nachfolgende Oxidation zum und Phenol zwei
Aceton erfolgt mit Kupfer(Il)-oxid. wichtige Grundstoffe
der chemischen In-
| dustrie gewonnen.
ME =
” el: + CuUO ——
7
H3C—-C-CH; + H,O + Cu
H
Propan-2-ol Kupfer(Il)-oxid Aceton Wasser Kupfer
Aromatische Ketone ä
Ist mindestens einer der Kohlenstoffreste an der Ketogruppe ein Aro- Die Reaktion ist eine
mat, spricht man von aromatischen Ketonen. Sie entstehen bei der Re- Acylierung und ge-
aktion eines Aromaten mit einem Carbonsäurechlorid und Aluminium- hört zu den FRIEDEL-
trichlorid als Katalysator. CRAFTS-Reaktionen
(7 5. 286).
a Öl ON
7 AlClz I =
O-H + ee C_ + H-Äl
ca OÖ
Benzen Essigsäurechlorid Methylphenylketon
(Acetylchlorid) (Acetophenon)
Ü 304 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
i Die Keto-Enol-Tautomerie
Die Tautomerie ist Die Keto-Enol-Tautomerie ist eine Verschiebung der Bindungselektro-
eine Form der lsome- nen mit gleichzeitiger Wanderung eines Wasserstoffatoms vom a-Koh-
rie, bei der zweilso- |enstoffatom zum Sauerstoffatom. Die Lage des Gleichgewichtes ist ab-
mere nebeneinander jhängig von der Struktur des Ketons und weiteren funktionellen
in Fr en Gruppen. So liegt Aceton nur zu 0,0002 % als Enol vor. Dagegen liegt
9 Pentan-2,4-dion zu 80 % als Enol vor. In diesem Fall kann durch die
ander umwandeln . . . . ;
können. Anders als Wasserstoffbrückenbindung ein Sechsring gebildet und die Struktur auf
dieimssomeren diese Weise stabilisiert werden.
Grenzstrukturen
(75. 251) sind Tauto- Keto-Enol-Tautomerie
mere stabile, real = Hl
existierende Struktu- Oo: Ol" IO
ren, die experimen- N I;
tell nachgewiesen GENE
z
werden können.
HE MER
C. =.ze Hec = VYH
ER:
in
= ..HE: IR c-H
/
HH HH H
Keton Enol
Tautomerie-Gleichgewicht im Pentan-2,4-dion
I
(0 7o 0 7 vo
in HC 2 =,
H
Aldolreaktion
Die Aldolreaktion wird im lebenden Organismus benutzt, um Kohlen-
stoffatome zu verbinden (C-C-Verknüpfung). Der Mechanismus ist
mehrstufig, hier wird nur die Bruttogleichung für die Verknüpfung von
Aceton mit Acetaldehyd angegeben. Das primär entstehende Aldol wird
in einer Eliminierungsreaktion dehydratisiert.
H N
Be AN
oO )
OH AN
© H AN
oO
y | NaOH 2 -H,0 BT
HCC + un TE RERRETTE Mn RE ae „a Er
H H;C° CH, CH, HC: € ch,
H H |
H
Ethanal Aceton „Aldol” Pent-3-en-2-on
Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen mit funktionellen Gruppen 305 &
5
—C
2 Oi
_ Carboxy-Gruppe
aromatische aliphatische
Carbonsäuren Carbonsäuren
N
a en
[
| | |
gesättigte ungesättigte substituierte
Carbonsäuren Carbonsäuren Carbonsäuren
„COOH
1
Nomenklatur He
HC 4
Befindet sich in einem Molekül eine Carbonsäure-Gruppe, wird diese 3? COOH
Substanz als Carbonsäure bezeichnet, da dies die am „höchsten oxi- Butan-1,4-disäure
dierte” funktionelle Gruppe ist. Das Kohlenstoffatom der Carboxy- (Bernsteinsäure)
Gruppe erhält die Nummer 1.
Bei gesättigten Verbindungen, setzt sich der Name aus dem Alkan
HOOC, „,H
1
Ameisensäure hat in Die einfachste und zugleich stärkste Alkansäure ist Methansäure
der homologen Reihe (Ameisensäure). Man gewinnt sie technisch durch die Umsetzung von
der Alkansäuren eine
Kohlenstoffmonooxid und Natriumhydroxid. Als saures Gewürzmittel
Sonderstellung. Sie
und Stoffwechselprodukt bekannt ist die Ethansäure (Essigsäure). So-
verfügt sowohl über
die Aldehyd- als auch wohl Ameisensäure (E236) als auch Essigsäure (E260) sind wichtige Kon-
über die Carboxy- servierungsstoffe für Lebensmittel. Letztere dient auch als Ausgangs-
Gruppe und ist eine stoff für die technische Herstellung verschiedener Ester.
reduzierende Säure. Essigsäure entsteht bei der enzymatischen Oxidation von Ethanol mit
Sauerstoff in Gegenwart von Essigsäurebakterien. Neben der biotechno-
logischen Herstellung wird Ethansäure wie andere Alkansäuren mit
zwei bis sechs Kohlenstoffatomen auch synthetisch durch katalytische
Oxidation der entsprechenden Aldehyde gewonnen. Höhermolekulare
Carbonsäuren, die auch als Fettsäuren bezeichnet werden, isoliert man
durch Fettspaltungen (/S. 319).
+ H350,
CO + NaOH —— HCOO” + Na* De: HCOOH
Na,
„9 Kat. P
H3C=C\ + 0 — H3C—C\_
H OH
L
°| Für die Ernährung sind die ungesättigten Fettsäuren (/7$. 320) wichtig.
H,C=CH-C
N Technisch produziert wird in großem Umfang die Propensäure (Acryl-
OH säure). Sie polymerisiert zu einer glasklaren Masse, der Polyacrylsäure.
Propensäure Malein- und Fumarsäure sind die cis-trans-isomeren Butendisäuren.
(Acrylsäure)
Substituierte Carbonsäuren
Substituierte Carbonsäuren
= =; -|
Er ON nt “ON AEG ON or o
0 0 0 0
Che € HOooOC—cC CIH,C—C HCC
IN SS EN N.
O'—H S'-H S-H S'—-H |
4
j
-M +M
.—— oO —- Oo
0 0
ON y=c H,N <Ä )=c
DIN DEN
©'—H OH
HzC — C Be CH S ;
EN 3 Nucleophile oO H
OH Addition
I Protonen-
wanderung
H
7 4
AN °)
7 z? m
Hone Bec > H,C=C=0-CH,
O'—CH, Wasser- (<
2 abspaltung \ H
Die Tricarbonsäure- Im Gegensatz zur Esterbildung ist die basische Esterhydrolyse irreversi-
ester des Glycerins bel. Sie beginnt mit der nucleophilen Addition des Hydroxid-Ions. Im
(Propan-1,2,3-triol) zweiten Schritt wird der Alkohol als Alkoholat abgespalten. Da das Al-
bilden die Stoffklasse koholat-Ion deutlich basischer ist als das Carboxylat-Ion, findet eine Pro-
der Fette (/S. 319).
tonenwanderung statt. Die Bildung des Carboxylat-Anions ist der Grund
Die alkalische Ester-
für die Irreversibilität. Da das Carboxylat-Ion keine Carbonylaktivität
spaltung führt zu den
Salzen der mehr besitzt, kann die Rückreaktion nicht stattfinden.
Fettsäuren, die eine
$ Di
Wirkung als Seife zei- Mechanismus der Carbonsäureesterhydrolyse
gen. Deshalb wird die
7 - En
Esterhydrolyse häu- H,C—cC + I0—H =— HC-C-0-CH,
fig Verseifung ge-
nannt.
Sch
S 3 ONI
NH
AN
HC — <
7 © he H,c=C
a+ 7IO-CH,
N IO—H
pKs = 9,25 pKa=-2
Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen mit funktionellen Gruppen 309 &
Aromatische Carbonsäuren
a CH3 COOH
Eigenschaften
Benzoesäure ist ein farbloser Feststoff mit einem Schmelzpunkt von
122 °C. Sie ist in heißem Wasser gut, in kaltem Wasser nur wenig löslich.
Die Reaktion von Benzoesäure mit Alkoholen führt zu den Benzoesäu-
reestern. Die schwache Säure (pK; = 4,20) bildet bei der Neutralisation
mit Laugen Benzoate.
Carbonsäurederivate
Carbonsäurederivate
zö | yö | Re e
R- c Rn n N—H
N
\O-H cılz H/
Carbonsäure Carbonsäurechlorid Carbonsäureamid
„I!= Pr,
IO\ za P
Race S €
Sy |
OR R R
Carbonsäureester Carbonsäureanhydrid
Saure Reaktionsbe- Die Carbonylaktivität gibt an, wie schnell ein Nucleophil mit dem Car-
dingungen führen zu bonyl-Kohlenstoffatom reagiert und ist abhängig von der elektroni-
einer Aktivierung des schen Struktur der beiden Substituenten am Kohlenstoffatom.
Carbonylkohlen- Allen Carbonylverbindungen gemeinsam ist die C=O-Doppelbindung.
stoffatoms, da im
Durch die Übernahme des Bindungselektronenpaares aus der p-p-r-Bin-
Gleichgewicht eine
dung ermöglicht das Sauerstoffatom den nucleophilen Angriff auf das
Protonierung des
Sauerstoffatoms zu sp?-Kohlenstoffatom.
beobachten ist.
ö) Ior
= + |Nu” == R—-C-— Nu
|
x x
Der Substiuent X kann durch einen -I- bzw. -M-Effekt die partiell posi-
tive Ladung am Carbonyl-Kohlenstoffatom verstärken und die nucleo-
phile Addition beschleunigen.
Ein Substiuent X mit einem +1|- bzw. + M-Effekt kann die Positivierung
des Carbonyl-Kohlenstoffatoms kompensieren und somit die Reaktions-
geschwindigkeit verlangsamen.
9.5 Naturstoffe
9.5.1 Kohlenhydrate
Zur Stoffklasse der Kohlenhydrate gehören beispielsweise Traubenzu- Aus der allgemeinen
cker und Rohrzucker, aber auch Cellulose und Stärke. Die unterschiedli- Formel C„(H>O) lei-
chen Eigenschaften der genannten Stoffe werden maßgeblich durch die tet sich der Name
‚ll
Kohlenhydrate ab.
>
Molekülgrößen bestimmt. Während die Molmasse von Glucose nur
Entzieht man den
180 g: mol"! beträgt, ist sie bei der Cellulose ca. 10000 g: mol-!. Deshalb
u a
Kohlenhydraten Was-
unterteilt man die Kohlenhydrate in drei Hauptgruppen. ser durch Erhitzen
oder durch konzent-
rierte Schwefelsäure,
bleibt elementarer
Kohlenstoff zurück.
Monosaccharide | Oligosaccharide | Polysaccharide |
Monosaccharide
*chirales Kohlenstoffatom
Q
wert von [a]p = +52,5° der wässrigen Lösung ergibt sich aus den prozen- oO
tualen Anteilen der reinen o- und ß-Isomere im Gleichgewicht.
Die Furanose-Form
der Fructose kommt
als Baustein im Di-
saccharid Saccharose
(7 S. 316) vor. Der Wird Fructose in Wasser gelöst, stellt sich ein Gleichgewicht aus 0,8 %
Name der Furanosen der offenkettigen Keto-Form, 67,5 % ß-D-Fructopyranose und 31,7 % ß-
leitet sich vom Hete- D-Fructofuranose ein. Das Gleichgewicht in Wasser hat einen Drehwert
rocyclus Furan ab. von [alp = -92,4°.
Die Halbacetalbildung (Halbketalbildung) mit der OH-Gruppe am C,-
Atom führt zur Pyranose-Form. Die Ringbildung mit der OH-Gruppe am
C;-Atom ergibt die Furanose-Form. Als reine Substanz konnte bisher nur
die ß-D-Fructopyranose isoliert werden. Die OH-Gruppen am C,- und C;-
Atom dieser isomeren Form stehen axial.
CH,OH
2-0
H
OH ze 3 CH20H
a CH,OH H
CH,OH
Die ß-D-Fructopyra-
nose bildet farblose
P-D-Fructopyranose B-D-Fructofuranose
Kristalle mit einem 6
HE 0:0H HOH,C ,O\ OH
N
Schmelzpunkt von
103-105 °C und ei- 5 M Ho/2 HAWORTH-Schreibweise SCH HOoJ2
nem spezifischen
HO CH,OH H CH,OH
Drehwert in Wasser
von [ap = -132°.
OH H OH H
Naturstoffe 315 I
Disaccharide
Auch Disaccharide
können reduzierend
wirken, wenn ein Mo-
nosaccharid-Baustein
noch als Halbacetal
vorliegt und im
Gleichgewicht eine
Aldehyd-Form bildet. Bei der Verknüpfung reagiert eine alkoholische OH-Gruppe des ersten
Zuckers mit dem halbacetalischen Kohlenstoffatom des zweiten Zu-
ckers. Dabei entsteht ein Acetal (/S. 301), das im Falle der Zucker den
Namen Glykosid trägt. Die entsprechende Bindung wird als glykosidi-
sche Bindung bezeichnet. Steht das Sauerstoffatom der glykosidischen
Bindung axial, liegt eine a-giykosidische Bindung vor, steht es equato-
rial, liegt eine ß-glykosidische Bindung vor.
CHOH H OH
O
u H ON/OH H H Lactose (Milchzucker)
“NOH H/' "NH \ [B-Gal(1>4)Gic]
H HH d OH
H OH CH,OH
1
CH,OH y CH,OH nicht reduzierend
H O o H
H 2 Saccharose (Rohrzucker)
"NOH HA o NH Ho [ß-GIc(1>2)B-Fru]
HO © CH,OH
OH OH H
Naturstoffe 317 I
Polysaccharide
Die schraubenför-
mige bzw. Helix-
Struktur tritt bei vie-
len Naturstoffen, z.B.
bei den Eiweißen
(75. 326) und den
Nucleinsäuren auf
(griech. helix = Win-
dung, Gewinde).
Amylopektin Amylose
Glykogen besteht aus «-(1>4) und a-(1> 6) glykosidisch verknüpfte a- Den Abbau von aus
Glykogen oder Stärke
D-Glucose-Einheiten. Die Struktur ist dem Amylopektin ähnlich, aber
gebildeter D-Glucose
der Verzweigungsgrad ist deutlich höher. Durch die hohe Verzweigung zu Pyruvatnenntman
können auf relativ kleinem Raum viele „potenzielle“ Glucose-Moleküle Glykolyse. Dabei wird
gespeichert werden. Glykogen ist das Reservekohlenhydrat der Säuge- chemische Energie in
tiere, bei kurzfristigem hohem Glucosebedarf werden die glykosidi- Form von ATP gewon-
schen Bindungen enzymatisch gespalten. nen (/' 5. 340).
I 318 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
CH,OH OH CH,OH OH
U HOT"... ETOL O7 7
HO LO N oO
o HO o
Chemisch kann Cellu- OH * CH, OH CH,
lose durch Kochen O Wasserstoff-Brückenbindungen O
| |
mit wässriger Säure
Han. Jon CH,OH H mern, OH.
gespalten werden.
Dabei entstehen auch SL4 CH,OH O OH f ch,oH 0
IT
Oligosaccharide,
hauptsächlich das Di- Cellobiose-Einheit ß-(1—4)-Verknüpfung
saccharid Cellobiose.
Wichtige Polysaccharide
im Überblick
9.5.2 Fette
Fette und Öle mischen sich aufgrund ihrer unpolaren Molekülstruktur Nach ihrer Löslichkeit
nicht mit Wasser, sind aber in vielen polaren Lösungsmitteln löslich. in Fetten unterschei-
Durch Natron- oder Kalilauge können die Fette in Glycerin und die Salze det man lipophile
(griech. = Fett lie-
der Fettsäuren gespalten werden. Die Reaktion entspricht einer alkali-
bend) und /ipophobe
schen Esterhydrolyse und wird Verseifung genannt. Die Ursache liegt (griech. = Fett mei-
darin, dass die Natriumsalze der Fettsäuren seit Jahrhunderten als Kern- dend) Stoffe.
seife und die Kaliumsalze als Schmierseife genutzt werden.
+3 NaOH
oO
Na* oa ...__
H,C— OH Natriumstearat Durch den lipopho-
| o < m 18 ben Kopf und den
HC-OH Nat 04 — lipophilen Schwanz
| & Natriumoleat bilden die Salze der
Fettsäuren Micellen
H,C—OH oO und können so
a # Bi I
07, un
16 Schmutz und Fettpar-
Glycerin(Propan-1,2,3-triol) Natriumpalmitat tikel einschließen
(7 S. 389).
5 320 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Tierische Fette
Schmalz 22 bis 32 43 49 8 52-58
Talg 20 bis 38 54 43 3 45-50
Milchfett 60 37 3 38-44
Pflanzliche Fette
Kokosfett 14 bis 25 9 6 2 4-10
Olivenöl 0 bis -9 14 76 10 80-88
Rapsöl 0 bis -15 5 65 30 120-136
Sojaöl -8 bis -18 15 21 64 90-103
Sonnenblumenöl -16 bis -18 12 24 64 130-145
Leinöl -16 bis -27 10 18 72 170-190
Fetthärtung
HH Ölsäure, C,,„H33COOH
HOOC a u 2 Smp.: 4°C, flüssig
HH Stearinsäure, C,„H3;COOH
BOX In nn
er Smp.: 33-35 °C, fest
HH
Aminosäuren
Yn
CH; — CH- COOH NH,— CH,— CH,— COOH NH,—- CH,— CH,— CH,— COOH
a ß a Y B a
[
Nomenklatur
Die a-Aminosäuren werden alle mit Trivialnamen benannt. Die Bezeich-
nung L- bzw. D-Aminosäure erfolgt nach den Regeln der FiscHER-Projek-
tion. Im Unterschied zu den Zuckern wird bei den Aminosäuren die Stel-
lung der Amino-Gruppe am asymmetrischen «-Kohlenstoffatom
betrachtet. Für die biogenen Aminosäuren gibt es eine dreibuchstabige
und eine einbuchstabige Abkürzung, z.B. Alanin= Ala=A.
Biogene Aminosäuren
Unpolare Aminosäuren Saure Aminosäuren
COOH COOH
= |
N a FEN C OH
CH, CH, 5 CH;
Polare Aminosäuren
COOH COOH
|
H,N— CH H,N—C—H
| |
HET J CH,
N
|
H
OH
Tryptophan Trp Tyrosin Tyr essenzielle
Aminosäuren
5 324 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
R R
Glycinhydrochlorid
IO\ „OH 0
BRÖNSTED- 4 e 7 H H
Säure > ON > Set
IN-C-H + H iz — NSS +2 Oh
Ho, He!
Lösungsmittel R R Lösungsmittel
EEE
=
”_ .
| |
H,;N-C-H H,N-C-H
| |
CH, BE CH,
-CO,
{NN NN
oO
L-Histidin Histamin
un,
Naturstoffe 325 Ü
H = H = HH >
Se lee „9 AN la z I Kat. soo We le „9 o
en + Ns — IN-C WE cc + 7 Sy
H R,I N
OH H R,I 5
OH H R,| iR,| S
OH
N)
5%
O@ZEN
Ca H
\
„N Z ON
Io Ca IOlo Ca H
mesomere Grenzformeln
H 326 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Die Struktur von Pep- Die Primärstruktur gibt die Aminosäuresequenz, also die Art, Anzahl
tiden wird mithilfe und Reihenfolge der einzelnen Aminosäuren wieder. Die Verknüpfung
der Röntgenstruktur- der Aminosäuren erfolgt kovalent durch die Peptidbindung.
analyse bestimmt. Die Sekundärstruktur erklärt die räumliche Anordnung einzelner Ab-
Damit wurde z.B.
schnitte eines Peptids. Diese können entweder die Form einer a-Helix-
nachgewiesen, dass
oder einer ß-Faltblattstruktur annehmen.
die Sekundärstruktur
auf Wasserstoff- Bei der «&-Helixstruktur windet sich die Peptidkette zu einer rechtsgän-
brückenbindungen gigen Spirale auf. Dabei stehen die NH-Gruppe einer Windung und die
zwischen verschiede- CO-Gruppe der vierten darauf folgenden Aminosäure übereinander. Die
nen Peptidbindungen unterschiedlichen Reste der Aminosäuren stehen wie Stacheln nach au-
beruht. Ben. Der Abstand zwischen zwei Windungen beträgt 540 ppm, auf eine
Windung kommen genau 3,6 Aminosäurebausteine.
Die ß-Faltblattstruktur kann mit einem Leporello oder einer Zick-Zack-
Konformation verglichen werden. Durch die Geometrie der Peptidbin-
dung knicken die einzelnen Ebenen (Seiten des Leporellos) immer an
den «-Kohlenstoffatomen ab. Die Struktur wird durch gegenüber-
liegende Peptidketten stabilisiert. Die Reste der Aminosäuren stehen
senkrecht oberhalb und unterhalb der Faltblattebene.
Quartärstruktur Primärstruktur
Bi
Phe
Cus
Rep
lu
Iyr
Sa
nn
var
ar
er
ein
©REHK oOC&N Sekundärstruktur-
elemente
Naturstoffe 327 ä
Besteht ein Protein aus mehreren Peptidketten oder hat zusätzlich Bin-
dungen zu Zuckern, Heterocyclen oder anderen Molekülen aufgebaut,
spricht man von der Quartärstruktur. Diese Raumstruktur des gesamten
i
Makromoleküls wird prinzipiell durch die gleichen Bindungsarten wie
die Tertiärstruktur stabilisiert.
Die kovalente Verbindung zweier Ketten erfolgt ebenfalls über Disulfid- Disulfidbrücken in
brücken. So besteht das Hormon Insulin aus zwei Peptidketten mit 21 Eiweißen werden nur
bzw. 30 Aminosäureresten. Da sowohl die A-Kette als auch die B-Kette zwischen den Amino-
Cystein als Baustein enthalten, werden die beiden Ketten durch zwei Di- säureresten des Cy-
steins gebildet.
sulfidbrücken miteinander verknüpft.
7” Lys HC.
H IS
Hr ”
| An c/
NH 2 | CH,
5
NZ
S\ Eh
Is I As Ai en
BE) „N ve 2 Diez | :
IS rc en 2% -2H* COOH
u Gin As HCS
Pr sa a COOH
Cys |
nn H,N—C—H
’ We: vs Sg
ni He
N ch, 191- |
(e IND
AS ı; H,O P,
ie N AS, AS— = SR Es
H—C-NH
AS phei Asızı Br De
COOH
Alle als Biokatalyato-- Eine Einteilung der Proteine ist unter zwei Gesichtspunkten möglich.
ren wirksamen En- Die erste Variante ist eine Unterteilung nach der Funktion, die das Pro-
zyme (75.333)sind _tein im Stoffwechselprozess übernimmt. Danach werden die Proteine in
Proteine. Der rote sieben Hauptgruppen unterteilt.
Blutfarbstoff der Wir-
beltiere Hämoglobin . . a .
(7 5. 245) ist ein Unterteilung der Proteine nach ihrer Funktion
Transportprotein.
"Bewegung (Myosin,|
n D ine Ka
Eine zweite Variante stellt die Struktur des Proteins in den Vordergrund
und unterteilt nach den Proteinbestandteilen. Neben den Proteinen, die
nur aus Polypeptidketten bestehen, findet man auch häufig Proteine,
die aus Polypeptiden und nichtpeptidischen Bestandteilen (z.B. Kohlen-
hydraten, Metall-Ionen oder Nucleinsäuren) zusammengesetzt sind.
Diese werden auch als Proteide bezeichnet.
Lipide
1. kovalent gebunden 1. Membranproteine
2. Aggregate 2. Lipo-Protein-Komplexe
Nucleinsäuren im Zellkern
Naturstoffe 329 j
ß
abdingbar.
Berdem darf es nur wenig dehnbar
sein. Die Primärstruktur ist eine
Wiederholung der Dreiersequenz -
Pro-AS-Gly-, also nur die mitt-
lere Aminosäure variiert. Prolin ist “Ü N) Te Frese
die einzige biogene Aminosäure, \
bei der die Amino-Gruppe ineinen | —____ 75
Fünfring integriert ist. Dadurch Fibrille
wird die Drehbarkeit des o-Kohlen- © ca. 200 nm
stoffatoms stark eingeschränkt. Be: |
Konsequenzen hat dies auf die Sse- 7 u A
kundärstruktur; die Windungen | rn
der o-Helix sind enger, so dass nur
ca. drei Aminosäuren auf eine Win-
dung kommen. Drei dieser helikalen Polypeptidketten wickeln sich zu
einer Tripelhelix, vergleichbar mit einem Seil, auf. So entsteht ein Colla-
genstäbchen. Viele dieser Stäbchen bilden feste, quer vernetzte Colla-
gen-Fibrillen, die eine typische Bandstruktur zeigen.
a-Keratin ist das Strukturprotein unserer Haare. Die Sekundärstruktur
besteht aus einer a-Helix; zwei dieser helikalen Polypeptidketten bilden
eine Doppelhelix. Die zwei Doppelhelices umwickeln sich zu einem so
genannten Protofilament. Jeweils acht Protofilamente bilden eine Mi-
krofibrille, die wiederum die Basis der menschlichen Haare darstellt. Im Bei der Dauerwelle
Gegensatz zu Collagen ist Keratin stark schwefelhaltig. Es enthält also verändert der Frisör
viel Cystein als Monomerbaustein. So können die einzelnen Helices die Quartärstruktur
durch die Bildung von Disulfidbrücken quer vernetzt werden. des Keratins.
Bewusste Ernährung
Vitamine und die an- Bewusste Ernährung heißt die ausgewogene Aufnahme von Kohlenhy-
deren Ergänzungs- draten, Fetten, Eiweißen, Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen. Die
stoffe sind vor allem täglich mit der Nahrung aufgenommene Gesamtenergiemenge sollte
in Obst und Gemüse
sich in Abhängigkeit von Geschlecht und Tätigkeit eines Menschen in ei-
enthalten. Einzig Vi-
nem Bereich von 8800 bis 10000 kJ bewegen. Auch Wasser muss dem
tamin B12 muss der
Mensch mittierischen
Organismus täglich in ausreichender Menge zugeführt werden.
Produkten zu sich Einen Hinweis für eine gesunde Zusammenstellung der täglichen Nah-
nehmen. rungsmittel gibt die Ernährungspyramide, die in den Jahren 2001/2002
von Wissenschaftlern an der amerikanischen Harvard-Universität grund-
legend überarbeitet wurde. Im Gegensatz zur alten Ernährungspyra-
mide unterscheidet sie zwischen gesunden und ungesunden Fetten und
Kohlenhydraten. So wird der Verzehr pflanzlicher Öle mit einem hohem
Anteil an ungesättigten Fettsäuren empfohlen. Die Aufnahme tierischer
Fette, die gesättigte Fettsäuren enthalten, sollte eingeschränkt werden.
Dabei muss jedoch auch der Gesamtfettgehalt der Nahrungsmittel be-
achtet werden. Dieser liegt z. B. bei Milch mit 1,5-3,5 % viel niedriger
als bei Kartoffelchips mit 22-36 %. Die in Backwaren oder Pommes fri-
tes versteckten tierischen Fette sind weitaus gefährlicher als die natürli-
chen Fette in der Milch.
Naturstoffe 331 H
Ernährungspyramide 2002
Eiweiße, Kohlenhyd-
. . rate, Fette und die Er-
wenig Butter
a und gänzungsstoffe (Vita-
und rotes Fleisch
Nudeln mine, Ballaststoffe,
Mineralstoffe und
Milchprodukte oder Spurenenelemente)
Calciumpräparate, bilden die Säulen der
1-2 Rationen Ernährung. Beson-
Fisch, Geflügel ders wichtig ist die
und Eier, ausgewogene Auf-
0-2 Rationen nahme der Nähr- und
Nüsse und Ergänzungsstoffe,
Hülsenfrüchte, wie sie in der neben-
1-3 Rationen stehenden 2002 neu
entwickelten Ernäh-
reichlich rungspyramide auf-
Gemüse L N 2-3 Rationen gezeigt ist.
Pflanzenöle
Vollkorn- (z. B. aus
produkte
Oliven,
) So
Raps)
Obwohl Vitamine nur in relativ geringen Mengen benötigt werden, er- Nur die Menschen,
füllen sie viele Funktionen im Organismus, z.B. bei der Steuerung des die Primaten und die
Stoffwechsels und beim Aufbau körpereigener Substanzen. Vitamine Meerschweine sind
sind keine einheitliche Stoffklasse. Die Strukturen sind völlig unter- nicht in der Lage,
selbst das Vitamin C
schiedlich und mitunter sehr komplex. Die Vitamine werden mit Buch-
zu produzieren.
staben bezeichnet und sind teilweise noch durch arabische Ziffern un-
tergruppiert, z.B. Vitamin B12. Eine generelle Unterteilung kann man in CH,OH
wasserlösliche und fettlösliche Vitamine vornehmen. He 06H
Die fettlöslichen Vitamine können für eine bestimmte Zeit in den Fett- o
zellen des Organismus gespeichert werden. Die wasserlöslichen Vita- o
mine wie Vitamin C werden dagegen mit dem Urin ausgeschieden und HO \ ——
müssen immer wieder mit der Nahrung zugeführt werden. Ho OH
nn
L-Ascorbinsäure
(Vitamin C)
| _
Fettlösliche Vitamine | Wasserlösliche Vitamine
Dissimilation |
Atmung | Gärung |
Durch die Stoffwech- Der durch Atmung der Organismen verbrauchte Sauerstoff wird durch
selreaktionen sind Fotosynthese der Pflanzen zurückgewonnen. Die im Stoffwechsel der
auch die autotrophen Pflanzen produzierten Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße sind Bestand-
und heterotrophen teile der Nahrung von Tieren und Menschen. In unseren Zellen werden
Organismen verbun-
die Nährstoffe durch Oxidation (5. 340 ff.) abgebaut und die che-
den. Die Fotosyn-
these (/ S. 336) lie-
misch gespeicherte Energie wird dadurch verfügbar. Die Endprodukte
fert die Grundlage dieser Reaktionen sind wiederum Kohlenstoffdioxid und Wasser, die er-
für die Erhaltung des neut von Pflanzen durch Fotosynthese umgesetzt werden können.
Lebens auf der Erde.
Biokatalyse durch Enzyme
aktives
zentrum
—
Enzym-Substrat-
Substrat Komplex neue Produkte
Bei der Umwandlung ATP dient in den Zellen aller Lebewesen als universeller Transport- und
chemischer Energie Speicherstoff für Energie. Es wird täglich in großer Menge produziert
im Organismus pro- und verbraucht. In den chemischen Bindungen der Triphosphateinheit
duziert und ver- ist Energie gespeichert, die bei der hydrolytischen Spaltung der Bindun-
braucht ein Mensch
gen freigesetzt wird. Für die Hydrolyse von Adenosintriphosphat zu
täglich ca. 80 kg ATP!
Adenosindiphosphat und Phosphat sind das ca. 30 kJ pro mol ATP.
o oO oO HH Adenin
Phosphatgruppen H H
HO OH
Ribose
i ATP
Die in Biomolekülen NH
wie ATP enthaltenen- N 2
Phosphatreste wer- - = = IN
den in der Biochemie : 2 2 € | —
häufig vereinfacht o-P-OH + HO-P-0-P-0-CH, N <
mit dem Symbol ! I I O
dargestellt. 0 0 HM
H H
PO; = HO OH
= ® Hydrogenphosphat ADP
Chemie in Biosystemen 335 3
Enzymaktivität
iz Temperaturoptimum Temperaturoptimum n 2
= für ein Enzym für einthermophils $, } optimaler pH-Wert
5 des Menschen Bakterienenzym 5 optimaler pH-Wert für Trypsin
E 'S für Pepsin
3 3
ce E
Y 9
© ©
oO72} Oo
u
e e
3 S
x x
© ER En
2 I T I I I D I T T T T T T T T I 7
20 40 60 80 0 EARZEI BEN Re Bro 21189
Temperatur [°C] pH
Der deutsche Chemi- Die Fotosynthese verläuft in zwei eng miteinander verbundenen Ab-
ker R. WILLSTÄTTER schnitten, den lichtabhängigen Primärprozessen und den lichtunabhän-
(1872-1942) erhielt gigen Sekundärprozessen. Die über viele Einzelschritte verlaufenden
1915 den Nobelpreis Teilprozesse finden in den Chloroplasten statt, die den Farbstoff Chloro-
für Chemie für seine
phyli enthalten. Chlorophyll ist ein organischer Komplex mit r-Elek-
Erforschung des
tronensystem, bei dem Magnesium als Zentralatom ein aus vier
Blattfarbstoffs Chlo-
rophyli. Sein Kollege verknüpften Pyrrolringen aufgebautes Porphyringerüst stabilisiert
H. FISCHER (1881 bis (75. 245).
1945) war an diesen Bei der lichtabhängigen Reaktion absorbieren Chlorophylimoleküle
Arbeiten beteiligt Licht und geben die so angeregten Elektronen ab. Diese energiereichen
und erkannte die Elektronen durchlaufen eine Kette von Redoxreaktionen (Elektronen-
Ähnlichkeit der Struk- transportketten) und werden schließlich auf NADP* übertragen. Unter
turen von Chlorophyll Beteiligung von Protonen, die aus der Fotolyse des Wassers stammen,
und Hämoglobin.
entsteht NADPH + H*. Der zweite Teilprozess beinhaltet die Bildung von
ATP aus ADP und Phosphat durch den Enzymkomplex ATP-Synthase.
Diese Reaktion wird Fotophosphorylierung genannt.
Die Bildung von NADH + H* und auch die sich anschließende Bildung
von ATP sind endotherme Reaktionen, die Produkte sind energiereich.
Die erforderliche Energie für beide Prozesse liefert das durch Fotosyn-
thesepigmente absorbierte Sonnenlicht.
Licht
H,O 0, CO, Kohlenhydrate
NADPH+H* —
lichtabhängige *———— NADP ——— Jichtun
Reaktion —— AIP eo |
+ — ADP+ (P)
Das gebildete NADPH + H* und ATP werden in der lichtunabhängigen Die einzelnen Schritte
Reaktion wieder verbraucht. Durch Addition von CO, an Ribulose-1,5- der lichtunabhängi-
diphosphat entsteht ein instabiles Zwischenprodukt, das spontan in gen Reaktion wurden
zwei Moleküle Phosphoglycerinsäure zerfällt. Unter Verbrauch von von M. Caıvin (1911
bis 1997) aufgeklärt.
NADPH + H* und ATP wird Glycerinsäurephosphat zu Glycerinaldehyd-
phosphat reduziert. Aus zwei Molekülen Glycerinaldehydphosphat ent-
steht Fructose-1,6-bisphosphat, das dann weiter zu Glucosephosphat
umgesetzt wird. Ribulosediphosphat dient als CO,-Akzeptor und wird
im CALvin-Zyklus laufend zurückgebildet.
Cauvin-Zyklus H
|
H-C-0-{P)
|
Ribulosedi- c= o H,O, CO,
phosphat |
H— a OH
H-C-0H
H—-C-0-{P)
|
Kohlenhydrat- H Glycerinsäure-
synthese Regeneration phosphat
H\ gP
Einige Bakterien ge-
c
winnen, die Energie
|
2 HZeEZOH für den CAuvin-Zyklus,
nicht aus dem Son-
H-C-0-{P) nenlicht, sondern
|
Glycerin- H durch Oxidation an-
aldehydphosphat organischer Verbin-
yEPNOSP H,O NADPH + H* dungen, die Chemo-
NADP* synthese.
Die Aufnahme von Die Nahrung des Menschen (/'S. 331) besteht aus Nährstoffen (Kohlen-
Stoffen aus dem hydrate, Eiweiße, Fette), Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen und aus
Dünn- und Dickdarm Wasser. Die aufgenommene Nahrung wird zunächst verdaut. Dabei wer-
in Blut, Lymphe oder den die hochmolekularen, wasserunlöslichen Nahrungsbestandteile in
Zellplasma nennt
niedermolekulare, wasserlösliche Bausteine aufgespalten, die vom Kör-
man Resorption.
per aufgenommen werden können.
Hierfür spielen Enzyme (75. 333) eine wichtige Rolle. In den Zellen wer-
den aus den über Blut und Lymphe transportierten niedermolekularen
Bausteinen körpereigene Stoffe synthetisiert.
Kohlenhydrate
Etwa % des Glyko- Die aufgenommenen Kohlenhydrate werden zunächst in Glucoseeinhei-
gens sind im Muskel ten zerlegt und dann in Form von Glykogen hauptsächlich in Leber- und
gespeichert und % in Muskelzellen gespeichert. Bei Bedarf wird das körpereigene Glykogen
der Leber. wieder zu Glucose abgebaut und in der Glykolyse (/” S. 340) unter Ener-
Die Speicherform der
giefreisetzung zu Acetyl-Coenzym A umgesetzt.
Glucose bei Pflanzen
ist Stärke (/ S. 317).
Fette
Die mit der Nahrung aufgenommenen Fette werden als wichtigstes En-
ergiereservoir des Menschen in wasserfreiem Zustand gespeichert oder
nach Spaltung in Glycerol und Fettsäuren durch ß-Oxidation zu Acetyl-
Coenzym A abgebaut. Der Fettaufbau erfolgt in umgekehrter Reihen-
folge zu den Abbaureaktionen, ausgehend von Acetylresten und Dihy-
droxyaceton aus der Glykolyse.
Kohlenhydrat Fett
Glykolyse | |
Glycerinaldehyd Glycerin |
Eiweiße
Eiweiße werden durch Enzyme in ihre Grundbausteine, die Aminosäu-
ren, zerlegt. Die Aminosäuren werden entweder zur Synthese körper- Der bei der Desami-
eigener Proteine verwendet oder nach Abspaltung stickstoffhaltiger nierung frei wer-
dende Ammoniak
Molekülreste (NH,-Gruppen, NH3) über den Kohlenhydratstoffwechsel
wird in den Harn-
weiter abgebaut. Die Abspaltung der Amino-Gruppen aus den Amino- stoff-Zyklus einge-
säuren bezeichnet man als Desaminierung. speist.
Die zum Aufbau von Proteinen notwendigen Aminosäuren können
auch im Körper neu synthetisiert werden (aus Kohlenstoffverbindun-
gen, die aus der Glykolyse oder dem Citronensäurezyklus stammen)
oder werden durch Transaminierung ineinander umgewandelt. Diese
Reaktion entspricht einer Übertragung von Amino-Gruppen von einem
Substrat, z.B. einer Aminosäure, auf ein anderes.
Desaminierung
Y
| Proteine r— Aminosäuren |
a -Transaminierung
C-Verbindungen C-Verbindungen
Glykolyse
Rı INA: oO I i nt 20
Il le Il
c oO H,N c Er c UN c
EN Sec N‘ HN? Ne9 c7 NtRNA, + tRNA)— OH
l | |
oO R, o R,
Aminosäure 1 Aminosäure 2 Dipeptid es
+ HN ZEN c od “
Amino-
Peptidbindung 1 säure 3
R _ Aminosäureseitenkette
R, h OR tRNA,
| Il | |
n mal
N 07 c_ oo
Protein *——— H,N ec
e ı + tRNA,— OH
eAakRrreeo
Tripeptid
u 340 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Insgesamt betrachtet erfolgt der Prozess der Gewinnung von 2 mol ATP
aus 1 mol Glucose bei der Glykolyse nach folgender Bruttogleichung:
Citronensäurezyklus
Citronensäurezyklus
Acetyl-Coenzym A
Coenzym A
Citronensäure
Oxalessigsäure
NAD*
NAD*
NAD
NADH + H*
Ketoglutarsäure
me er 0
co, NAD*
Fumarsäure Bernsteinsäure ADP
NADH + H*
ATP
FADH,
FAD
F 342 Strukturen und Reaktionen organischer Verbindungen
Biologische Oxidation
Harnstoff
Chemie in Biosystemen 343 Ä
Anaerob bedeutet
unter Sauerstoffaus-
schluss und kommt
aus dem Griechi-
schen (aer: griech. =
Luft, Vorsilbe an:
griech. = ohne).
Die Gärung beginnt wie die Atmung mit dem Abbau organischer Subst-
rate durch Glykolyse. Unter anaeroben Bedingungen ist jedoch kein mo-
lekularer Sauerstoff für die Oxidation verfügbar. Das in der Glykolyse
gebildete Pyruvat kann daher nicht wie bei der Atmung weiterverabei-
tet werden. Es wird direkt zu energieärmeren Folgeprodukten redu-
ziert. Nach der Art der Endprodukte werden verschiedene Gärungsty-
pen unterschieden:
Alkoholische Gärung
Milchsäuregärung
Milchsäure oO
OH 0 cI ar NADH + H*
NAD+ OH
2
Il 2
\ H3C— c Zu E Hz“ N“ Hac—C-C\
Ir H| OH Pyruvat J \ 0° Lactat
I:a
I Auch bei der Milchsäuregärung ergibt sich der Energiegewinn der Brut-
+H* N -H*
toreaktion aus den 2 mol ATP, die bei der Glykolyse gebildet werden:
10.1 Werkstoffe
Die synthetischen or- Synthetische und natürliche (/ S. 317 ff.) Polymere bestehen aus Makro-
ganischen makromo- molekülen mit Molekülmassen von mehr als 10000 g-mol-'. Sie wer-
lekularen Werkstoffe den aus kleinen Molekülen (Monomeren) synthetisiert, sodass in der
werden im weiteren
Struktur eines Polymers immer wiederkehrende gleichartige Bausteine
Sinn auch als Plaste,
auftreten. Je nach Art der verwendeten Monomere können kettenför-
Kunstfasern und Elas-
tomere bezeichnet.
mige oder vernetzte Makromoleküle entstehen.
Als ein Ordnungsprinzip für die ungeheure Vielfalt der Makromoleküle
bietet sich der Reaktionstyp, nach dem diese Bausteine chemisch mit-
einander verbunden sind, an.
HERMANN STAUDINGER
(1881-1965), der Be-
gründer der makro-
molekularen Chemie,
erkannte die Bin-
dungsprinzipien der
Ein einziger Ausgangsstoffe, die zwei Ausgangsstoffe, die
Polymere als erster.
Ausgangsstoff, | kondensationsfähige beide zwei funktio-
der mindestens | funktionelle Gruppen nelle Gruppen enthal-
eine Doppel- oder Atome enthalten. ten. Mindestens ein
bindung ent- Monomer besitzt eine
hält. Doppelbindung.
Polyester
Ausgangsstoffe sind im einfachsten Fall eine beliebige Dicarbonsäure
und ein Diol. Daraus entsteht zunächst ein bifunktioneller Ester mit ei-
ner Hydroxy- und einer Carboxy-Gruppe. Durch vielfache Wiederholung
der Veresterung (/'S. 308) an diesen beiden funktionellen Gruppen bil-
det sich ein linearer Polyester, wobei Wasser als Nebenprodukt anfällt.
Aus Terephthalsäure (/ 5. 309) und Ethandiol erhält man den Polytere- Da es sich bei der Ver-
phthalsäureethylester bzw. Polyethylenterephthalat (PET). Für die Syn- esterung um eine
these nutzt man den Methylester der Terephthalsäure und setzt diesen Gleichgewichtsreak-
mit Ethandiol um. Als Nebenprodukt dieser Umesterung genannten Re- tion (/ S. 167) han-
delt, kommt der Ent-
aktion fällt Methanol an. Anstelle der Ester kann man auch die reaktive-
fernung des (flüch-
ren Carbonsäurechloride verwenden und diese mit einem Diol umset- tigen) Nebenpro-
zen. In diesem Fall entsteht Chlorwasserstoff als Nebenprodukt. dukts aus dem System
Letztlich kommt es bei der Polyestersynthese nur darauf an, Monomere große Bedeutung zu,
mit zwei reaktiven funktionellen Gruppen immer wieder miteinander um hohe Umsatzra-
durch eine Esterbindung zu verknüpfen. ten zu erzielen.
1. Veresterung
H-0-C-R-C-O-H
2 +H-O-R'-O-H te
?
-0-C-R
5 -H,0
2. Vielfache Wiederholung der Veresterung
5.0 ©
— (n-1) H,O
a 348 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
0-05
CH3z Il
carbonsäure (Phthal-
155 | ERIC EN
säure)
COOH CH;
ÖL COOH
n
Polyamide
Die Synthese von Per- Polyamide wie Nylon und Perlon® werden in vielfältiger Weise als Syn-
lon® erfolgt aus ei- thesefasern und als technische Thermoplaste genutzt. Aus den Fasern
nem einzigen Mono- stellt man Freizeitbekleidung, Bodenbeläge oder Taue her. Aber auch
mer, dem cyclischen e- Maschinenbauteile, Folien oder Heizöltanks werden aus Polyamiden mit
Caprolactam, das
thermoplastischen Eigenschaften gefertigt.
beide funktionelle
Analog zu den Polyestern werden die Polyamide durch Polykonden-
Gruppen enthält.
sation von Dicarbonsäuren mit Diaminen gewonnen. Genau wie bei
OI den Proteinen (/'5. 325) sind die Monomere hier über Amidbindungen
n | (-CO-NH-) miteinander verknüpft.
K N-H Das älteste synthetische Polyamid, Nylon, wird aus 1,6-Diaminohexan
e-Caprolactam und Hexandisäure - oder auch dem reaktiveren Hexandisäurechlorid -
hergestellt. Da das Produkt auf beiden Seiten der Stickstoffatome der
Amidbindung je sechs Kohlenstoffatome aufweist, spricht man von ei-
nem Polyamid 6,6.
ner N
SE
eE
H-0-C-R-C-O -H +. H-N-R'-N-H
O=
—
A
[e]]
=E
za
=E
-H,0
|
=
I
I
I
O0. OH H OO H H
= | Il Il I |
DI OZCZ
RE NER ZN GH ne HSORETRZEZNZRN TH
-(n-1) H,O
R = (CH,)y; R' = (CH3),
Werkstoffe 349 3
Phenoplaste ä
Die Kondensationsprodukte aus Phenolen (Hydroxybenzen oder 1,3-Di- 1909 synthetisierte
hydroxybenzen) und Methanal (Formaldehyd) waren die ersten vollsyn- L.H. BAEKELAND
thetischen Kunststoffe (Bakelite®) überhaupt. Ihre Bildung kann man (1863-1944) das nach
sich als elektrophile Addition (/S. 269) des Methanals an das Phenol ihm benannte Bake-
Verezu OO
a
\ Addition (A;) schichten.
OH
5“ on
PESe: oo
OH
Kondensation
I 350 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Polymerisation
Polymerisationen
sind immer exotherm.
Um die thermische
Zersetzung des Poly-
mers zu vermeiden,
muss die Reaktions-
wärme abgeführt
werden. Meist poly-
merisiert man des-
halb in Lösungen Die Aktivierung der Doppelbindung kann auf verschiedenen Wegen er-
oder Emulsionen. reicht werden, so z.B. durch Energiezufuhr (Wärme, Bestrahlung, Ultra-
schall) oder durch Verwendung stofflicher Initiatoren, die sich leicht zu
Radikalen oder reaktiven Ionen umsetzen lassen und so die Polymerisa-
tion starten. Von technischem Interesse sind insbesondere radikalbil-
dende Initiatoren, wie Peroxide und Azoverbindungen sowie ionische
Initiatoren. Zunehmend gewinnen Metall-Komplex-Initiatoren an Be-
deutung, da sich mit ihrer Hilfe eine ausreichende Kontrolle der stereo-
chemischen Abläufe erreichen lässt (/ S. 359).
Radikalische Polymerisation
In Abhängigkeit von Radikale, also reaktive Teilchen, die ein freies, ungepaartes Elektron be-
den Bedingungen der sitzen, sind die Initiatoren der radikalischen Polymerisationen. Solche
Synthese ist Polyethy- Radikale werden in der Regel in einem der eigentlichen Reaktion vorge-
len ein vielseitiger
lagerten Schritt durch Einwirkung von sichtbarem Licht oder anderer
Werkstoff.
energiereicher Strahlung bzw. Wärme auf leicht spaltbare Peroxide
oder Azoverbindungen gewonnen. Im Labor greift man dafür häufig
auf Dibenzoylperoxid (DBO) oder Azobisisobutyronitril (AIBN) zurück,
während im industriellen Maßstab aus wirtschaftlichen Gründen preis-
wertere Verbindungen verwendet werden.
Azobisiso- Ne
Be
ee me 2 Nez
= + N
butyronitril CH, CH, CH,
© 26:+
Io N „ IO\ ©
eo ©
C—
Dibenzoyl- 2,028 2 0
Monomere mit reak- Das gebildete Startradikal löst in der Folge eine Kettenreaktion aus, die
tiven Doppelbindun- im Wesentlichen durch drei Schritte gekennzeichnet ist:
gen neigen zur Auto- 1. In der Startreaktion (auch als Kettenstart bezeichnet) spaltet das
polymerisation und Startradikal die Doppelbindung des Monomers, indem es sich an
werden daher für
dieselbe addiert und so ein neues Radikal bildet.
Transport und Lager-
2. Dieses neue Radikal reagiert in der folgenden Kettenwachstumsre-
haltung durch Zusatz
geeigneter Stabilisa- aktion mit einem weiteren Monomer, wobei wieder ein Radikal ent-
toren (Radikalfän- steht, das erneut mit einem Monomer reagiert. Der Wachstumspro-
ger) geschützt. zess endet erst, wenn
Werkstoffe 351 Ü
Abbruchreaktionen:
= -n
es
2 wachsende Ketten:
De lan
Ri Elan] eat za le
R+C-C+C-C:
I JE] I | Il
= zn m
b) Disproportionierung
Mit X = H erhält man als Produkt das Polyethylen (PE), mit X=ClI das
Polyvinylchlorid (PVC), mit X=CN das Polyacrylnitril (PAN) und X=
C;H;) liefert das Polystyrol (PS). Der Ablauf bleibt prinzipiell gleich, so- Die unterschiedliche
dass eine Vielzahl von Ethenderivaten polymerisierbar ist. Man kann Zusammensetzung
auch verschiedene Monomere miteinander umsetzen, woraus dann Co- und Struktur
polymere oder Mischpolymere (/'$. 357) entstehen. (5. 353) der Poly-
mere eröffnet viel-
Bei der Polymerisation erfolgt die Kettenwachstumsreaktion in der Re-
fältige Anwendungs-
gel so, dass sich das stabilere Kettenradikal bildet, d.h. die Addition von
möglichkeiten.
Monomeren, wie Monochlorethen oder Propen (mit unsymmetrisch
substituierten Doppelbindungen) erfolgt normalerweise in der so ge-
nannten Kopf-Schwanz-Stellung (1,3-Stellung der Substituenten X im
Produkt), da das substituierte C-Atom im Kettenwachstumsschritt immer
das freie Elektron trägt (s.o. und / 5. 358). Der Verlauf der Polymerisa-
tion wird in hohem Maße durch den Einsatz spezieller Katalysatoren be-
einflusst, aber auch die Temperatur der exothermen Reaktion steuert
die Eigenschaften des Polymers.
J 352 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Kationische Polymerisation:
N 7
Kettenstart: AH + C=C VE er
Die BRÖNSTED-Säure
7
A-H überträgt ihr
el %
Kettenwachstum: H-C-C* +n Le ee Proton an das Mono-
| mer unter Bildung ei-
nes Kations.
la
Kettenabbruch: u c—-C 1 Die starke Base B”
al reagiert mit dem Mo-
nomer zu einem
Anionische Polymerisation: Carb-Anion.
Kettenstart:
el N E%
Kettenwachstum: B- < a + nIe=€ —-
7 N
Fe |
Kettenabbruch: B | S _ S | | Bu He
n
Die anionische Polymerisation wird durch Addition einer starken Base Weitere technisch
oder eines reaktionsfähigen Metalls wie Natrium ausgelöst, wobei ein wichtige Kunststoffe
Carb-Anion entsteht, welches die Kettenreaktion fortsetzt. Man muss sind z.B. Silicone
folglich mit extrem reinen Substanzen arbeiten, da schon kleinste Ver- (7 5. 370), Kautschuk
(75. 358) oder Harze
unreinigungen (z.B. Wasser oder Alkanol) ein Proton freisetzen kön-
mit vielfältigen An-
nen, das zum Kettenabbruch führt.
wendungen.
Wichtige Polymere
Monomer (Syntheseart) Polymerkette (Ausschnitt)
Ethen (R'=H) R' Polyethylen (PE) R R R Rohre, Flaschen,
Propen (R' = CH;) \c = c Polypropylen (PP) ANAL Folien, Kfz-Teile
(R, Z) a
Chlorethen \ „Al Polyvinylchlorid ce cc Fußböden, Rohre,
(R) . “ (PVC) ”, NAAR Kunstleder, Fasern
Polyaddition
Polyurethane
Polyurethanschaum- Urethane sind Amide der Kohlensäure. Bei der Polyaddition werden
stoffe kann man in Urethan-Brücken (-NH-CO-O-) während der Reaktion zwischen Di-
verschiedenen Härte- isocyanaten und Diolen gebildet. Dabei wird die Hydroxy-Gruppe an die
graden gewinnen. Isocyanat (-N=C=O)-Gruppe addiert, und zwar ausschließlich an die
Kohlenstoff-Stickstoff-Bindung.
Das Wasserstoffatom wandert anschließend vom Sauerstoffatom der
Hydroxy-Gruppe zum Stickstoffatom der Isocyanatgruppe. Da Isocya-
nate mit Wasser zu Kohlenstoffdioxid reagieren, kann man durch Was-
serzugabe ein Aufschäumen der Polyurethane erreichen.
H R H H R H
NIZINEZ Be nnene SS SEEN EZ
DO EEE Ef
et
EEE
© &
HS RS IR SS Br a
| 9 N N a 9
H H n
Urethangruppe
Die „elastische” Stoß-
Hydrolyse führt zur CO,-Bildung (Aufschäumen)
stange eines Autos
kann ebenso aus Po-
Iyurethan gefertigt H RS |
werden, wie eine
dünne Kabelumman- IN Io
oo ee N cd
RaH20=629
telung. H OH
Genau wie die Hydroxy-Gruppe der Alkohole kann auch die Amino-
Gruppe von Aminen an das Isocyanat addiert werden. Dabei entstehen
als Reaktionsprodukte Kohlensäurediamide (R-NH-CO-NH-R'). Diese
Reaktion wird für die gezielte Vernetzung der Polyurethane genutzt,
indem man bei der Synthese einen Überschuss Diisocyanat zufügt, das
mit der reaktiven Amino-Gruppe eines linearen, kettenförmigen Poly-
urethans reagiert.
Werkstoffe 355 |
© &
Sg
R-N-C-O-Ro ee
c »R-N-C-O-Rr
+ = ” | a
% =
O=C=N N0O=C7=N=H
| >» R'
R' |
| H-N-C=O
N=c=0 | 2
- R- N-C-O-Rr
+ SH) Zen
| 9
Kaum eine andere Kunststoffgruppe eröffnet so vielfältige Einsatzge- Früher setzte man für
biete. Je nach verwendetem Ausgangsstoff kann man lineare (Diol und die Produktion von
Diisocyanat) oder vernetzte (mindestens eine Komponente ist trifunktio- Hartschäumen Fluor-
nell) Polyurethane erhalten, die für viele Anwendungen in Schaumstof- chlorkohlenwasser-
stoffe (FCKWs) ein,
fen, Elastomeren, Lacken, Klebstoffen, Fasern etc. eingesetzt werden.
die aufgrund ihres
Ob weich, hart, offen- oder geschlossenporig, sogar mit einer Poren- Ozon schädigenden
größe nach Wunsch können sie gefertigt werden, abhängig von der Be- Potenzials weitge-
schaffenheit und dem Mengenverhältnis der eingesetzten Monomere. hend durch niedrig
siedende Kohlenwas-
Für Armaturenabdeckungen oder Armlehnen in PKWs werden schäu- serstoffe ersetzt wur-
Hautnah spürt jeder von uns die Vorteile dieser Werkstoffe, etwa wenn Ein weiteres Produkt
man an die hochabriebsfeste Schuhsohle denkt, die direkt an den Schaft der Polyaddition sind
des Sportschuhs geschäumt wurde. Überhaupt sind die Polyurethane die Epoxidharze.
aus der Welt des Sports nicht mehr wegzudenken, sei es für die Kon- Diese haben sich bei
der Herstellung glas-
struktion eines Bootsrumpfes, den Kern eines Skis, dem der PU-Schaum-
faserverstärkter
stoff erst die erforderliche Dämpfungseigenschaft bei geringem Ge-
Formteile ebenso be-
wicht verleiht, oder den Hightech-Fußball, dessen präzise Flugbahn erst währt wie für Kleb-
durch eine Oberfläche aus Millionen von elastischen, gasgefüllten Mi- stoffe oder Anstrich-
krokügelchen auf Polyurethan-Basis sichergestellt wird. stoffe.
S 356 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Die Auswirkung der Die Feststellung, aus welchen Atomen ein Makromolekül aufgebaut ist,
zwischenmolekula- sagt noch nichts über seinen wirklichen Aufbau aus. Polyethylen, Poly-
ren Kräfte auf die Se- propylen, Kautschuk, Polystyren und andere bestehen alle nur aus Koh-
kundär- und Tertiär- lenstoff- und Wasserstoffatomen, haben jedoch durchaus unterschied-
struktur ist am
liche Eigenschaften. Entscheidend ist, wie und in welchem Verhältnis die
eingehendsten bei
verschiedenen Atome miteinander verbunden sind.
den Eiweißen
(7 S. 325) untersucht.
Zur besseren Veranschaulichung des Zusammenhangs zwischen Struktur
und Eigenschaften der Makromoleküle betrachtet man verschiedene
Strukturebenen, indem man das komplexe Polymer gedanklich zerlegt.
Primärstruktur
Monomere im Makromolekül
Sperrige Seitengrup- Die Anzahl, Art und Anordnung der Monomere beeinflussen die Werk-
pen in den Monomer- stoffeigenschaften wesentlich. Die Anzahl der Monomere bestimmt die
molekülen beein- Größe der Makromoleküle und ermöglicht enorme Variationsmöglich-
trächtigen den keiten ihrer Gestalt und Ordnung.
Zusammenhalt der
Unterschiedliche Substituenten an gleichartigen Monomeren beeinflus-
Polymerketten. So ist
sen maßgeblich das chemische Verhalten und damit die Materialeigen-
z.B. Polyisobutylen
schaften. So hängt die chemische Beständigkeit von Kunststoffen davon
H % ab, ob nur relativ stabile C-C-Bindungen im Makromolekül vorliegen
oder z.B. hydrolyseanfällige Ester- bzw. Amidbindungen.
Auch die Polarität der funktionellen Gruppen der Monomere beein-
H |, flusst die Eigenschaften. So weist z.B. Polyvinylchlorid infolge der zwi-
schen dem negativ polarisierten Chlor- und dem positiv polarisierten
wesentlich weicher
Kohlenstoffatom wirkenden Dipolkräfte eine deutlich höhere Erwei-
als Polyethylen.
chungstemperatur auf als Polyethylen und ist zudem auch spröder.
HH
Il Beim Polyacrylnitril ist die C-CN
ie : n Br CH CH CH
I Bindung noch stärker polarisiert, =” SG a nn
HH sodass hier besonders starke Dipol- | | |
n . e\_-o @el_<o @\_-<o
wechselwirkungen (/5.98) auf- c=N C=N C=N
treten. Daraus resultiert die Aus-
bildung einer Leiterstruktur, die
für die große Festigkeit verant-
wortlich ist. Der Kunststoff ist da-
her nicht schmelzbar, die Zerset- A
zungstemperatur liegt mit 350 °C e en eh
knapp über der Glasübergangs- ir ts - Is _-
bzw. Glastemperatur (/ S. 372) N N N
Werkstoffe 357 »
KIEERK EX
Kopf-Schwanz-Struktur
1,3-Stellung der Kopf-Kopf-Struktur
Substituenten X 1,2-Stellung der Substituenten X
Als Kautschuk wird Ein Beispiel ist die infolge der symmetrischen Anordnung energetisch
heute oft Synthese- stabilere 1,3 Stellung der Substituenten in einem Ethenpolymer. Noch
kautschuk anstelle offensichtlicher wird die Auswirkung der Isomerie für die Bildung von
von Naturkautschuk kristallinen Strukturen im Feststoff am Beispiel von 1,3-Dienen.
eingesetzt. Durch
Vulkanisation wird
das Produkt gummi- Isomerie in Polybutadienderivaten
elastisch und vielsei-
tig einsetzbar.
CH,
n R l R=H: Butadien
R = CH;: 2-Methyl-1,3-Butadien
ae (Ilsopren)
® R = H . ®
H,C I N Mr }
\ R R ;
H,CEN N N |
H,C R
va \ N
N }
CH3 CHz CH3 CH3 CH3 CH3 CH3 CH; syndiotaktisch: alternierende
i Ä Ä Ä Anordnung der Seitenketten
CH3 CH3 CH3 CH3 CH3 CH3 CH3 CH; ataktisch: unregelmäßige
i N i Anordnung der Seitenketten
Sekundärstruktur
Zwischen den Molekülen der Makromoleküle bilden sich je nach Art der Ein Maß für die Mole-
in den Monomeren vorliegenden Atomgruppen VAN-DER-WAaaLs-Kräfte, külgröße ist der Poly-
Dipol-Dipol-Wechselwirkungen oder \WVasserstoffbrückenbindungen merisationsgrad, der
(75.99) aus. Die zwischenmolekularen Kräfte wachsen mit der Größe die Anzahl der Mono-
mere in einem Ma-
(Oberflächeneffekt) und dem Ordnungsgrad der Moleküle. Allerdings
kromolekül angibt.
schwanken die Molekülgrößen und Ordnungsgrade und damit auch die
zwischenmolekularen Kräfte stark.
Die Tertiärstruktur
der Kunststoffe be-
schreibt den Zusam-
menhang zwischen
der Kristallinität und
den Eigenschaften
Dies führt beim Erwärmen dazu, dass die Anziehungskräfte in einem der Kunststoffe.
mehr oder weniger breiten Temperaturfenster überwunden werden
und Kunststoffe daher keinen definierten Schmelzpunkt aufweisen. Die
Temperatur, bei der ein Kunststoff in den weichen plastischen Zustand
übergeht, bezeichnet man als Glasübergangs- bzw. Glastemperatur.
„> EP nn Tom
Gefaltete Ketten und
die Helix erfordern
starke Dipol-Wechsel-
wirkungen bzw.
Wasserstoffbrücken-
gestreckte Kette ungeordnetes gefaltete Helix
Knäuel Kette bindungen zwischen
den Seitengruppen.
u 360 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Thermoplaste erin-
nern sich beim Erwär-
men an ihre ur-
sprüngliche Form.
Weichmacher
Reines PVC ist ein hartes und sprödes Material. Erst die Tatsache, dass es Typische Weichma-
durch Zusatz von Weichmachern zu Werkstoffen unterschiedlichster Ei- cher sind Adipinsäu-
genschaften modifiziert werden kann, macht es so vielseitig. Setzt man reester (Hexandisäu-
dem harten und trüben PVC beispielsweise Dioctylphthalat zu, so kann reester), Sulfonsäure-
bzw. Phthalsäurees-
es zu einer geschmeidigen, klaren Folie verarbeitet werden.
ter oder auch Copoly-
Dies beruht darauf, dass sich die Moleküle des Weichmachers mit ihren
merisate wie Polybu-
polaren Gruppen (meist Estergruppen) zwischen die Polymerketten la- tadienacrylnitril oder
gern, mit diesen in Wechselwirkung treten und so deren Abstand ver- Ethylenvinylacetat.
größern. Dadurch werden die durch die stark polaren Chloratome be-
wirkten zwischenmolekularen Kräfte zwischen den PVC-Molekülen
geschwächt, da diese mit dem Abstand der Ketten kleiner werden.
Stabilisatoren
Viele Kunststoffe sind trotz ihrer H,C CH;
makromolekularen Struktur nicht Dioctylphthalat
sehr beständig gegen Umweltein-
flüsse. Durch die UV-Strahlung der
Sonne werden kovalente Bindun-
gen in Polymeren gespalten, so-
dass UV-Stabilisatoren zugesetzt
werden müssen.
Außerdem zersetzt sich z.B. PVC Füllstoffe sind feste
leicht bei Temperaturen oberhalb
Zusätze (z.B. Silicate,
100 °C. Die thermische Zersetzung Glasfasern), die vor
wird durch Eisenspuren katalysiert allem die Zugfestig-
und kann durch Phenylindol, das keit verbessern. An-
die Eisen-Ionen bindet, verhindert werden. Durch den Zusatz verschie- dere Hilfsstoffe die-
dener Stabilisatoren bleiben die mechanische Festigkeit und die nen dem Flamm-
ursprüngliche Farbe der Kunststoffteile dauerhaft erhalten. schutz, der antistati-
schen Ausrüstung
(Fußbodenbeläge),
der Schimmelresis-
tenz (Fungizide) oder
der Färbung von
Kunststoffen.
3 362 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Verpackungen
Zur Müllreduzierung Verpackungen nehmen neben dem Einsatzgebiete von Kunststoffen
werden auch biolo- Baubereich mit 27 % der Gesamt- (Deutschland 2002)
gisch abbaubare Po- menge aller in Deutschland ver-
Iymere, die z.B. aus Haushaltswaren
brauchten Kunststoffe den größten
Stärke hergestellt Fahrzeug- Landwirtschaft
Anteil ein. Sie müssen bei gerin- industrie
werden, für Verpa- Möbel-
ckungen genutzt.
gem Gewicht optimalen Schutz der Elektro- 2% industrie
verpackten Ware sichern. Im Le- industrie Sonstige
bensmittelbereich werden heute
keine weichmacherhaltigen PVC-Fo-
lien mehr verwendet, da fettlösli-
che Stoffe während der Lagerung
in das Lebensmittel gelangen kön-
nen. Als Ersatz stehen z.B. Polyethy-
Bau
lenfolien, Becher aus Polystyren Verpackung
oder das expandierte Polystyren
(EPS) mit seiner offenporigen Struktur (Fleischschalen u.a.) zur Verfügung.
EPS entsteht durch Aufschäumen, wenn man Styren in Gegenwart von
Pentan und Wasser polymerisiert. Da das leicht flüchtige Pentan bereits
durch die Reaktionswärme verdampft, wird es im Polymergranulat einge-
schlossen. Solche Schaumstoffe werden auch zum Transportschutz (Styro-
por®) von Verpackungsgütern eingesetzt, ebenso in großer Menge reiß-
feste Folien und Bänder aus den Massenkunststoffen PE, PP und PVC. Ein
Problem stellt die Entsorgung der „Einwegverpackungen” dar (7 S. 364).
Lacke
Lacke bestehen in der Hauptsache
aus Bindemitteln (Kunstharzen),
die das Trägermaterial für den Klebstoffe werden
Oberflächenfilm darstellen, Pig- ähnlich wie Lacke
menten zur Farbgebung, Additi- fein auf Oberflächen
verteilt und verbin-
ven und Lösungsmitteln. Die
den diese durch Ad-
kunststoffbasierten Bindemittel
häsionskräfte.
sind meist Harze, also dreidimensi-
onal vernetzte Duroplaste. Sie
müssen bei einer hohen Anforde-
rung an Elastizität und Härte
gleichzeitig eine gute Haftung auf
verschiedenen Untergründen ha-
ben. Wichtig sind die Acrylharze,
die durch Polymerisation von Estern der Propensäure (Acrylsäure) ge-
wonnen werden, Alkydharze (vernetzte Polyester), die Phenol-Formal- Wasserlacke enthal-
dehydharze (/S. 349) und Polyurethanharze. Die Harze werden in ten bis zu 65 % Was-
Rührwerken extrem fein vermahlen, die Pigmente und Additive zuge- ser und nur 12 %
mischt und mit den Lösungsmitteln in Suspension gerührt. Nach dem organische Lösungs-
Streichen verdampft das Lösungsmittel und es bleibt eine schützende mittel, während kon-
ventionelle Lacke bis
Harzschicht, in die die farbgebenden Pigmente eingelagert sind, zurück.
zu 87 % organische
Zunehmend werden organische Lösungsmittel durch Wasser ersetzt.
Lösungsmittel enthal-
Dies erfordert eine Gratwanderung in der Kunstharzentwicklung, da die ten. Umweltfreundli-
fertige Lackschicht wasserabweisend (hydrophob), die Bindemittel aber che Pulverlacke sind
gleichzeitig in der Lösung mit Wasser mischbar sein müssen. Daher setzt völlig Lösungsmit-
man Wasserlacken Emulgatoren und Tenside (/'$. 388) zu. telfrei.
Fasern
Die wichtigsten Chemiefasern sind die Polyester (/S. 347), Polyamide
und Polyacrylnitrile. Sie bestehen alle aus unverzweigten Ketten, die
häufig kristalline Bereiche enthalten.
10.1.5 Kunststoffverwertung
| | |
_ werkstofflich N rohstofflich . energetisch
a. _Makromoleküle - Makromoleküle
werden verbrannt
- Produkt: Recyc- Produkte .- Produkt: Energie
ling-Kunststoff . stoffe, Monomere
PE: 2,76
Werkstoffliche Verwertung
Rohstoffliche Verwertung
Energetische Verwertung
Moderne Filteranlagen absorbieren die bei der Verbrennung von halo- Die beste Methode
genhaltigen Kunststoffen entstehenden sauren Gase (Fluor-, Chlor- bzw. zur Vermeidung von
Bromwasserstoff). Thermisch stabile Metallsalze verbleiben in der Schla- Abfällen besteht da-
cke, andere werden durch nachgeschaltete Wäscher weitgehend absor- rin, schon bei der
Konstruktion von
biert. Die Konzentration organischer Gifte wie Dioxine (/'S. 287) und
Werkstücken auf de-
Furane wird in modernen Anlagen auf < 0,1 ng pro m? Abgas reduziert. ren Wiederverwert-
Die Verbrennung erfolgt im Wesentlichen in Industriefeuerungen, in barkeit zu achten.
Öfen der Zementindustrie, wo ein Teil der Schadstoffe dauerhaft in die
Zementmatrix eingebunden wird, und ist in Hausmüllverbrennungsan-
lagen zur Brennwertverbesserung erforderlich.
366 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Die meisten der tech- Eisen und Stahl sind mit rund
nisch bedeutsamen 95 Gewichtsprozent die mit Abstand
Gebrauchsmetalle bedeutendsten vom Menschen ver-
findet man in der Na- wendeten metallischen Werkstoffe.
tur nur in Form ihrer
Ursachen sind die breite Verfügbar-
Erze. So wird z.B.
keit, die es zu einem preiswerten
Roheisen aus Eisenerz
im Hochofenprozess Rohstoff machen sowie die Zä-
gewonnen und dann higkeit und Festigkeit von Eisenle-
zu Rohstahl weiter gierungen. Daher können Eisen und
verarbeitet. Stahl im Auto-, Schiff-, Maschinen-
oder Hochbau ebenso eingesetzt
werden wie im Alltag für einen
Kochtopf oder Besteck.
Chrom ++ + ++ + + +++
Nickel + / + - + ++
Vanadium + + + ++ ++ +
Mangan + + + _ / /
Molybdän + / + ++ ++ +
Kobalt + / + +++ ++ +
Aluminium
Anwendungsbereiche
Aluminium ist nach Eisen das wich-
tigste Gebrauchsmetall. Große Be-
Duraluminium ist deutung haben Profile, Rohre und
eine leichte, beson- Bleche aus Aluminium bzw. dessen
ders harte Legierung Legierungen im Hochbau und im
aus 93,5 % Al, 4,5 % Fahrzeugbau.
Cu, 1% Mg, 1% Si
Gewichtseinsparung trotz hoher Be-
und Mn, die beson-
anspruchbarkeit reduziert die Ener-
ders im Flugzeugbau
Anwendung findet. giekosten und erhöht die Beschleuni-
gungszeiten. Der Airbus oder der ICE
sind Beispiele dafür. Im Baubereich
dienen dünne Folien als Dampfsperre,
Profile für Fenster- oder Metallkonstruktionen (z.B. Wintergarten). In
der Elektroindustrie findet man Aluminium in Motoren, Schaltschrän-
ken, Kabeln oder Stromschienen. Aluminium ist ein weit
verbreitetes Verpackungsmaterial (leicht, korrosi-
onsbeständig, gas- und wasserundurchlässig sowie
hygienisch unbedenklich). Das Spektrum reicht von
der Getränkedose bis zur Medikamentenverpackung, vom Fla-
schenverschluss bis zur Folie.
Eloxal-Verfahren
Die eloxierte Oberflä- Das Werkstück aus Aluminium wird dazu in einer Elektrolyseapparatur
che besteht aus dicht als Anode geschaltet, die Katode besteht aus Blei oder ebenfalls Alumi-
nebeneinander lie- nium. An der Oberfläche des Aluminiums werden dabei Al?*-Ionen ge-
genden Poren und
bildet, die durch feine Poren in der natürlichen Oxidschicht in Kontakt
hat eine wabenar-
mit der Elektrolytlösung (z.B. Oxalsäure) gelangen. Dort bilden sie mit
tige Struktur. Sie ist
leicht einfärbbar.
Wasser zunächst Aluminiumhydroxid und reagieren dann über mehrere
Stufen weiter zu Aluminiumoxid, wodurch sich die Dicke der Oxidschicht
um den Faktor 10 auf ca. 0,03 mm erhöht:
Al —— AP+ + 3e
Silicone
Durch Einsatz ande- Die technisch wichtigsten Organochlorsilane sind die Methylchlorsilane.
rer Chloralkane an- Zur Synthese wird ein fein vermahlenes Silicium/Kupfergemisch mit gas-
stelle von Chlorme- förmigem Chlormethan (CH;CI) bei ca. 280 °C umgesetzt. Unter katalyti-
than können andere scher Wirkung von Kupfer entsteht ein Gemisch von Silanen.
Organochlorsilane er-
halten werden.
_» CH3SiCh
. _—- _ (CH,)SiCl
Si + nch;cCl 322
3 = (CH3)sSiCl
—
weitere Silane
ion
‘ + Me
a. oe
Es gibt unterschiedli-
che Methoden zur Bil-
dung von Siliconkaut-
CH IO—-C-—CH schuk.
on ae
Q
a
H-0-+Si-0+Si-0O-C-CH; + CH;3COOH
| en
Silicate
10.2 Farbstoffe
Absorbierteslicht
— - h - — Pe
Farbe
- h deı Ver-
Absorbierteslicht
ar _ - = rt \ “ AND N
Farbe N
Einige Moleküle ge- Dieses Phänomen lässt sich mithilfe der Molekülorbital-Theorie (/ S. 78)
ben die aufgenom- erklären. Die kovalenten Bindungen in einem Molekül entstehen jeweils
mene Energie auch durch die Bildung energiearmer bindender Molekülorbitale (MOs) und
wieder ab. dazugehöriger antibindender MOs höherer Energie.
Die Lichtemission
Da die antibindenden MOs nicht voll besetzt sind, können Elektronen
erfolgt in Form von
aus den tiefer liegenden Orbitalen in antibindende MOs übergehen, in-
Fluoreszenz, Phos-
phoreszenz oder Che- dem sie genau das dafür nötige Energiequantum absorbieren.
moluminiszenz. Die für die Anregung von diesen Elektronenübergängen benötigte En-
ergie und damit die Wellenlänge der absorbierten Strahlung werden
von der Struktur der chemischen Verbindungen bestimmt.
So ist für den 6 > 0* Übergang einer Einfachbindung erheblich mehr
Energie nötig als für einen n > n* Übergang (Doppel- bzw. Dreifachbin-
dung) oder einen n > n* Übergang (freies Elektronenpaar).
E
c* antibindend AE=h-v=h:c: A!
co bindend
Farbstoffe 375 H
Die löslichen Farbstoffe sind überwiegend organische Stoffe, deren Far- Pigmente werden vor
bigkeit von der Struktur der Moleküle abhängt. Gesättigte organische allem zur Herstellung
Verbindungen sind farblos, da sich der Absorptionsbereich der energie- von Lacken und Dis-
reichen o > 0* Übergänge außerhalb des sichtbaren Bereiches im Ultra- persionsfarben ver-
violett (200-390 nm) befindet. Verbindungen, die über Mehrfachbin- wendet.
dungen verfügen, absorbieren elektromagnetische Strahlung durch r-
Übergänge im längerwelligen Bereich.
Cyanine sind Polyene, die zwei stickstoffhaltige funktionelle Gruppen Farbige Stoffe, wie
enthalten. Die freien Elektronenpaare des Stickstoffatoms sind am kon- anorganische Kom-
jugierten Elektronensystem beteiligt, sodass Cyanine schon farbig er- plexverbindungen
scheinen, wenn sie mehr als zwei Doppelbindungen aufweisen. Die Ur- (7 S. 242) zählt man
nicht zu den Farbstof-
sache dafür ist die stärkere Delokalisierung der n-Elektronen.
fen, da sie nicht über
die Fähigkeit verfü-
gen, andere Materia-
| | I —g lien zu färben.
CC CH, CH
NIS NL KK ®&/N/N/
: cc H,C c Polyen
| |
HH H
R
7
2
c_ CR R
2
CC _ .,R
INHUNT :
IN 6 N . > Eu —< NI Cyanin
| | | | |
R HR RH RR
Die Amino-Gruppen
Bei den nicht substituierten Polyenen weist eine mesomere Grenzstruk- verlängern nicht nur
das nt-System der Cy-
tur (/S. 251) eine positive und eine negative Ladung auf. Diese Grenz-
anine, sondern stabi-
struktur ist im Vergleich zur ungeladenen energiereicher. Es sind also
lisieren es zusätzlich.
nicht alle Grenzstrukturen gleichrangig und dadurch die r-Elektronen Durch die freien Elek-
auch nicht vollkommen frei beweglich bzw. delokalisiert. tronenpaare werden
Die mesomeren Strukturen der Cyanine sind dagegen energetisch völlig die Ladungen gleich-
gleichwertig und werden in gleicher Häufigkeit durchlaufen. Dadurch mäßig über das ge-
bedingt sind die r-Elektronen beweglicher und lassen sich leichter zu samte mesomere Sys-
Elektronenübergängen anregen als bei den Polyenen. tem verteilt.
I 376 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Der wohl bekannteste natürliche Farbstoff Indigo (Jeansfarbstoff) wird Viele natürliche Farb-
schon seit über 6000 Jahren verwendet. Indigo kann aus der Indigo- stoffe finden heute
pflanze (Indifofera anil L.) oder dem europäischen Färberwaid (Isatis als Lebensmittelfarb-
tinctoria L.) gewonnen werden. Die Blätter werden zuerst gewässert stoffe Verwendung.
a a OR
__ ß-D-Glucose OH N
Hydrolyse Oo L HN
En -C,H,0; KA 20 Än 2
NY
Indican Indoxyl Indigo
Heutzutage wird der Naturstoff Indigo auf synthetischem Wege billiger Die erste komplette
hergestellt. Bei einem von mehreren genutzten Verfahren setzt man Indigosynthese ließ
Anilin und Chloressigsäure zu N-Phenylglycin um. Dieses wird anschlie- sich A. von BAEYER
Bend in einer alkalischen Schmelze mit Natriumamid zu Indoxyl cycli- (1835-1917) paten-
tieren. Da diese Syn-
siert. Aus Indoxyl erhält man mit Luftsauerstoff wie oben beschrieben
these nicht wirt-
vollsynthetisches Indigo. schaftlich war, |
Indigo zeichnet sich durch eine hohe Lichtechtheit aus, verblasst aber
leicht bei stärkerer Beanspruchung. Daher kommt das typische Ausse-
hen von „Jeans”.
Ein weiterer natürlicher Farbstoff N En
ist Purpur. Es wird aus der Purpur- HN '
schnecke, die im Mittelmeerraum Purpur ist der kost-
heimisch ist, gewonnen. Chemisch Br NH oO barste Farbstoff der
Purpur Welt. Um 1 g Purpur
ist es ein Derivat des Indigo.
„Normale” Rottöne wie Krapp zu erhalten, musste
man 12000 Purpur-
wurden z.B. aus der Wurzel der
schnecken verwen-
Färberröte erhalten. Um einen gel-
den.
ben Farbstoff zu erlangen, wurde
Luteolin
aus der Pflanze Färberwau Luteo-
lin extrahiert. Vermengt man Lute- HO
olin mit einer Zinnchlorid-Lösung,
erhält man einen gelben Metall-
komplex als Farbstoff.
Ü 378 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Die Kupplungsreak- Die größte Farbstoffgruppe sind die Azofarbstoffe. Ihr gemeinsames
tion ist eine elektro- Strukturmerkmal ist die Azogruppe -N=N-. Sie wurden bereits im
phile Zweitsubstitu- 19 Jh. hergestellt. Damals verwendete man das aus Steinkohlenteer ge-
tion am Aromaten.
wonnene Anilin als Ausgangskomponente. Dieses wurde zuerst der Dia-
Um die para-Position
zotierung und anschließend der Azokupplung unterworfen.
ausreichend zu akti-
vieren, muss die
Kupplungskompo- 1. Diazotierung
nente einen Substitu-
enten mit +M-Effekt & NH,
+ NaNO, + 2H* —_> +
Neni
2H,0 + Na*
(/ S. 266) tragen.
Anilin Diazoniumion
2. Azokupplung
Ort Om — OmnO-m en
®
Kupplungs- Azofarbstoff
komponente
Q
die _Triphenylmethanfarbstoffe. A &
Als gemeinsames Strukturelement ch
besitzen sie den Triphenylmethan-
CH
Ö
Grundkörper. In para- oder ortho- Malachitgrün
Stellung tragen die Phenylringe Ry, Ra: N(CH,)z; Rz: H
mindestens einen aktivierenden Rz
Substituenten, z.B. Amino-Grup- Kristallviolett
Triphenylmethan pen. Die bekanntesten Vertreter Ry, Ry, Rz: N(CH3),
dieser Farbstoffklasse sind Phenol-
phthalein (5. 376), Kristallviolett und Malachitgrün. Da die Verbin-
dungen nicht waschecht sind, haben sie in der Textilfärbung keine Be-
deutung. Sie werden als Lebensmittelfarben, in der Kosmetik, in der
Papier- und Druckindustrie eingesetzt.
Ausgehend von Anthrachinon als
©
Grundkörper bilden die Anthrachi-
nonfarbstoffe die dritte wichtige OH
Gruppe der Farbstoffe.
Alizarin
Durch Einführung von Hydroxy-
Q und Amino-Gruppen als chromo- Oo
Anthrachinon phore Gruppen am Aromaten lässt
sich fast jede beliebige Farbe er-
zeugen.
Farbstoffe 379 &
10.2.4 Färbeverfahren
Kunstfasern |
I ]
substanziell ionisch Küpenfärbung Beizenfärbung Reaktivfärbung
- Baumwolle - Wolle, Seide - Baumwolle - Wolle, Seide - Baumwolle
ı @
Faser-N-H + £ — Farbstoff — Faser-— N—-H ----- IO=C-— Farbstoff
OO ze kin OL
& or
HN Reduktion (Küpe) HN
Auch Azofarbstoffe werden häufig direkt auf der Faser entwickelt, in-
dem man dort die Kupplungsreaktion ablaufen läßt. Die Kupplungs-
komponente wird im basischen, wässrigen Medium gelöst. Die Fasern,
meistens handelt es sich um Cellulosefasern, werden damit durchtränkt
und dann getrocknet. Anschließend werden sie mit der Lösung des Dia-
zoniumsalzes behandelt. Die Kupplungsreaktion findet somit auf der
Naphtol AS Faser statt.
Als Kupplungskomponente wird häufig Napthol AS verwendet, weswe-
gen man auch von Naphtol-AS-Farbstoffen spricht. Wie auch die
Küpenfarbstoffe sind die Azofarbstoffe nicht wasserlöslich und daher
waschecht. Die verwendeten Diazoniumsalze werden deshalb als
Echtfärbesalze bezeichnet.
Beim Färben werden Eine besondere Art der Entwicklungsfärbung ist die Beizenfärbung.
die vorgebeizten Hierbei werden die Fasern vor der Behandlung mit dem Farbstoff „ge-
Wollbahnen in den beizt”, d.h. mit metallsalzhaltigen Lösungen vorbehandelt. Die Metall-
heißen Farbstoffex-
salze lagern sich in die Fasern ein und bilden mit den Farbstoffmolekü-
trakt getaucht.
len stabile Chelatkomplexe (/'$. 237). Die Beizenfärbung findet vor al-
Am Boden des Fär-
betroges sorgen
lem bei Wolle Anwendung, weil Amino-Gruppen der Proteinfaser Wolle
Rührwerke für eine als Liganden in den Farbkomplex eingebunden werden.
gleichmäßige Durch-
mischung. Auf diese
Weise können meh-
rere Zentner Wolle in
einem Arbeitsgang
z.B. mit Krapp ge-
färbt werden.
Farbstoff, N ‚A Farbstoff” N ©.
\
NnOhı + HÖ\ XL, Cellulose
Y Cellulose HEIL Ic
ıcıı
Vielfache Anwendun- Die Dispersionsfärbung wird bei unpolaren Fasern, z.B. der Polyester-
gen finden Farbstoffe faser, angewandt. Die wasserunlöslichen Farbstoffe (Azofarbstoffe) wer-
in der Kosmetik, z.B. den mit Hilfsstoffen zu einer Suspension verarbeitet. Die Fasern „extra-
in Lippenstiften oder
hieren” die Farbstoffmoleküle sozusagen aus der Suspension. Sie
Haartönungen.
diffundieren in die Faser hinein, wodurch ebenfalls eine sehr wasch-
echte Färbung entsteht.
Arzneimittel 381 j
10.3 Arzneimittel
Im 19. Jh. setzte sich immer mehr die Idee durch, die wirksamen Be- Im Jahre 1804 ent-
standteile aus den pflanzlichen und tierischen Materialien zu isolieren deckte der Apotheker
und so besser wirksame Arzneimittel zu erhalten. FRIEDRICH SERTÜRNER
Durch die Entfernung von unwirksamen bzw. nebenwirkungsträchtigen (1783-1841) den
Wirkstoff Morphin im
Begleitstoffen verbesserte sich oft die Verträglichkeit der Arzneimittel.
Opium und konnte
Zudem schwankt der Wirkstoffgehalt von Arzneipflanzen und daher ist
ihn isolieren.
beim Einsatz eines reinen Arzneistoffs eine präzisere Dosierung mög-
lich. Die Gefahr der Über- bzw. Unterdosierung sinkt.
Heute werden Arzneistoffe meist gezielt entwickelt, indem man ver-
sucht,s einen Zusammenhang zwischen der chemischen Struktur und der
erwünschten Wirkung herzustellen. Anschließend werden Stoffe synthe-
tisiert, welche die passenden Strukturmerkmale (Leitstruktur) besitzen.
I 382 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Agonisten imitieren Damit ein Wirkstoff eine Wirkung auf Körperfunktionen ausüben kann,
die Wirkung natürli- muss er erst in Wechselwirkung mit körpereigenen Strukturen treten.
cher Überträgerstoffe Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten.
und stimulieren so 1. An der Oberfläche der Körperzellen befinden sich Proteine (Rezep-
die Rezeptoren. An-
toren), an die bestimmte körpereigene Wirkstoffe (Hormone oder
tagonisten dagegen
Überträgerstoffe des Nervensystems) nach dem Schlüssel-Schloss-
blockieren die Wir-
kung oder verkehren Prinzip (75. 333) binden können. Durch diese Bindung wird ein Ef-
sie ins Gegenteil. fekt, z.B. die Weiterleitung eines Nervenreizes, ausgelöst. Einige
Arzneistoffe können ebenfalls an solche Rezeptoren binden. Da-
durch kann der gleiche Effekt ausgelöst werden wie durch den na-
türlichen Überträgerstoff, d.h., es erfolgt eine Stimulation des Re-
zeptors durch den Arzneistoff. Im anderen Fall der Blockade des
Rezeptors durch den Arzneistoff bleibt der natürliche Effekt, z.B.
Fieber, aus.
2. An vielen Funktionen im Organismus sind Enzyme beteiligt. Arznei-
stoffe, die in der Lage sind Enzyme zu hemmen oder zu aktivieren,
können die entsprechenden Funktionen beeinflussen. SO hemmt
Acetylsalicylsäure ein Enzym, das an der Prostaglandinsynthese be-
teiligt ist. Prostaglandine sind für die Schmerzweiterleitung und die
Entzündungsbildung im Körper mit verantwortlich.
Arzneimittel 383 |
10.3.3 Arzneistoffsynthese
Wie bei vielen heute gebräuchlichen Arzneistoffen leitet sich auch die
Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin®) von einem Naturstoff her. Schon grie-
chische und römische Ärzte empfahlen Abkochungen aus Weidenrinde
gegen rheumatische Schmerzen. Der wirksame Bestandteil dieser Ex-
trakte sind Salze der Salicylsäure (/' S. 309).
Salicylsäure wird seit 1874 fast ausschließlich industriell durch Carboxy-
lierung von Phenol gewonnen. In einer elektrophilen Substitutionsreak- Die schmerzstillende
tion setzt man Kohlenstoffdioxid bei 130 °C und 5-6 bar mit Natrium- Wirkung von Aspi-
phenolat um. Dabei entsteht Natriumsalicylat, das durch Zugabe von rin® wird nicht durch
Säure in sehr reine Salicylsäure überführt wird. die Acetylsalicylsäure
Salicylsäure wird heute kaum noch innerlich verwendet. An ihre Stelle selbst ausgelöst, son-
dern die wirksame
ist wegen der besseren Schleimhautverträglichkeit die Acetylsalicylsäure
Form wird erst im
getreten. Diese erhält man durch Veresterung der phenolischen Hy-
Körper gebildet. Im
droxy-Gruppe der Salicylsäure mit Essigsäureanhydrid unter katalyti- Magen wird der Ester
scher Wirkung von Wasserstoff-Ionen. wieder gespalten und
Salicylsäure, der ei-
Synthese von Salicyl- und Acetylsalicylsäure gentliche Wirkstoff,
freigesetzt.
H coo”
Ol” Na* OH
+ CO, re Na* +
Natriumphenolat Natriumsalicylat
oO oO
COOH I I COOH I
OH c € H* o CH; c
Ö + Heron Ö c
Nr + Mo ce
oO
Salicylsäure Acetylsalicylsäure
Gießt man Speiseöl auf Wasser, bilden sich zwei durch eine Berührungs-
fläche bzw. Grenzfläche getrennte Schichten aus, die man Phasen
nennt. Durch Schütteln entstehen vorübergehend Öltröpfchen in Was-
ser. Das trübe Gemisch ist eine aus zwei Phasen bestehende Öl-in-Was-
ser-(O/W)-Emulsion, die sich rasch wieder trennt. Triebkraft für die Tren-
nung der Phasen ist ihre Grenzflächenspannung.
Durch Kochen von Fetten mit Holzasche wird schon seit Jahrtausenden
eine Klasse von grenzflächenaktiven Verbindungen mit der dargestell-
ten typischen Struktur gewonnen: die Seifen. Sie entstehen durch Hy- Die historische
drolyse von Fetten z.B. mit Natronlauge (/ S. 319). Dabei bilden sich die Verknüpfung Seifen
Natriumsalze geradkettiger Monocarbonsäuren wie das als Kernseife und Waschmittel ist
überholt. In moder-
bekannte Natriumstearat.
nen Waschmitteln
Als Waschmittel und zur Hautreinigung ist das klassische Tensid Seife werden Seifen nicht
nur bedingt geeignet. Seifen sind Salze schwacher Säuren und starker mehr eingesetzt.
Basen. Sie reagieren daher alkalisch und und greifen die Haut ebenso
an wie das zu reinigende Gewebe.
Durch Bildung schwer löslicher Salze mit im Waschwasser gelösten Ca?*-
und Mg?*-Ionen werden zudem Kalk- bzw. Magnesiumseifen gebildet.
Diese schlagen sich auf der Wäsche nieder und führen zu Wäschestarre,
Vergrauung und einem unangenehmen Geruch. Schon nach kurzer Zeit
müssen Textilien ersetzt werden.
Aufgrund dieser Nachteile wurden nach dem Strukturprinzip der Seifen
eine Reihe von synthetischen Tensiden mit unpolarem Alkylrest und po-
larer Endgruppe entwickelt. Neben den klassischen, anionischen Tensi-
den kennt man heute kationische, nichtionische und zwitterionische
Tenside. Diese haben gegenüber den klassischen Seifen den Vorteil, dass
sie mit Ca®* und Mg?*-Ionen keine schwer löslichen Salze bilden.
Alkylarylketten Sulfonat-Anion
R
N _
Z <O- 2
R
ar CH3 neben
vvv‘'.809 n = 10...20 Carboxylat-Anion
Ä 388 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Schmutz-
partikel
Faser
Schmutzablösung
Zur Stabilisierung dis- Tenside fördern aber nicht nur die Benetzbarkeit von Schmutz und seine
pergierter Systeme Ablösung. Unter Aufwendung von mechanischer Energie und Wärme in
dienen Tenside als der Waschmaschine lassen sich abgelöste Feststoffe in wässriger Lösung
Emulgatoren. Die Dis- dispergieren, d.h., fein verteilen.
persion einer Flüssig-
keit in einer anderen
Flüssigkeit heißt Micellbildung und Dispersion
Emulsion. Werden —— Micellen
Feststoffe in einer
Flüssigkeit verteilt,
nennt man dieses
Tensid-
Zweiphasensystem
schicht
Suspension. Faser
Tenside und Waschmittel 389 Ü
10.4.3 Waschmittel
a Natriumdodecylsulfat 2,2
NYwVvyVvwoNo N?
Nichtionische Tenside sind noch weniger härteempfindlich und haut-
freundlicher. Moderne Vertreter wie Alkylpolyglucoside (Plantaren®)
sind die waschaktiven Verbindungen der nächsten Generation: Sie wer-
den aus nachwachsenden Rohstoffen (Fettalkoholen und Kohlenhydra-
ten) hergestellt, sind nicht toxisch und vollständig biologisch abbaubar.
um
a Alkylpolyglucosid
CH,OH
o CH,OH
H-+O 270
HO = oNN/
OH
Ä n OH
Zeolithe sind Silicate Der zweite Hauptbestandteil der Waschmittel mit einem Anteil von bis
(75. 373) und lagern zu 30 % sind Wasserenthärter bzw. Builder. Ein multifunktioneller Ent-
die Ca?*- und Mg?*- härter ist Pentanatriumtriphosphat. Es bildet mit Mg*- und Ca?*-Ionen
lonen in die in ihrer
stabile Chelatkomplexe (/’5$. 237), stellt einen günstigen pH-Wert von
Struktur vorhande-
9,5 in der Waschlauge ein, unterstützt die Schmutzablösung bei pola-
nen Hohlräume ein.
rem Schmutz stärker als Tenside das tun und erleichtert das Ausspülen
der Wäsche. Leider musste dieser sehr vielseitige Waschmittelbestand-
teil wegen seines Umwelt schädigenden Potenzials (/S. 419) weitge-
hend ersetzt werden.
In modernen Waschmitteln werden anstelle von Phosphaten Zeolithe
(Sasil®: Na,,(AlO,)72(SiO)72:27 H,O) zur Wasserenthärtung verwendet.
Diese sind ökologisch unbedenklich, unterstützen aber, anders als das
Triphosphat, nicht die Schmutzablösung.
Tenside und Waschmittel 201 |
Bleichmittel wie Natriumperborat entwickeln bei erhöhter Temperatur ®
Wasserstoffperoxid. Dieses oxidiert Verschmutzungen wie Obstflecken i
oder Tinte und wirkt der Vergrauung der Fasern entgegen. Tetraacetyle- Wäscheschmutz be-
thylendiamin (TAED) ist ein Bleichmittelaktivator, der schon bei niedri- steht aus vielen ver-
ger Temperatur das wirksame Bleichmittel Peressigsäure bildet. Die Wä- schiedenen Bestand-
teilen. Die Tenside in
sche wird dadurch schon bei unter 60 °C sauber.
Waschmitteln kön-
nen daher keine aus-
Darüber hinaus entha Ilten Waschmittel eine Vielzahl weiterer Bestand- reichende Reinigung
teile, um neben hygienischer Sauberkeit auch für Farbbrillianz, Langle- gewährleisten.
bigkeit und angenehme Griffigkeit der Wäsche zu sorgen.
Bestandteil Funktion
' Anionische/nicht- Ablösen des Schmutzes vom Gewebe, Verhinderung der Wiederan-
ionische Tenside lagerung an die saubere Faser
Enzyme (/7 5. 335) Spaltung von Eiweißen, Fetten unel Kohlenhydraten aus Nahniangs:
resten, HIglILTeR, Sue and Blut
Trägerstoffe Verbesserung der Handhabung durch feste Füllstoffe für Pulver bzw.
Stellmitteh Wasser und Alkohole für Flüssigwaschmittel
Auch die Eutrophie- Tenside haben antibakterielle Eigenschaften. Dies wird Verbrauchern
rung führt zum Ster- von Geschirrspülmitteln heute als Vorteil angepriesen, ist aber weder
ben der Fische und notwendig noch sinnvoll. Gelangen Tenside in Gewässer, kann dies zum
Pflanzen. Absterben der Fische und Wasserpflanzen führen. Bei den Fischen wird
z.B. die Kiemenatmung gestört, da Zellmembranen durch die Tenside
zerstört werden. Es kommt zur Hämolyse, d.h., Hämoglobin (/S. 245)
tritt aus den Erythrozyten aus.
Gelangt zu viel Phosphat in Seen
und Flüsse, kommt es zu einem
Überangebot von Nährstoffen
(/S.419), weil Phosphate das
Wachstum von Pflanzen und Mi-
kroorganismen fördern. Das da-
mit verbundene Massenwachstum
der Wasserpflanzen führt zu einer
starken Sauerstoffzehrung und zur
Störung des ökologischen Gleich-
gewichts.
Komplexbildner mo- Auch der zu hohe pH-Wert basischer Waschlaugen oder der Eintrag von
bilisieren z.B. giftige Komplexbildnern in die Gewässer kann Umweltschäden verursachen.
Schwermetalle aus Entscheidend für die Folgen des Schadstoffeintrags sind immer fol-
dem Sediment. gende Dinge: erstens die Menge bzw. Konzentration der Schadstoffe
und zweitens ihre biologische Abbaubarkeit.
Im Wasch- und Reinigungsmittel-
gesetz von 1987 wird der Minimie-
rung des Chemikalieneinsatzes der
Vorrang eingeräumt. Anstatt die
Abwässer aufwändig chemisch zu
reinigen (/'5. 421) ist es viel sinn-
voller, die Waschmittel effektiv
und dosiert einzusetzen. Im Alltag
Ein weiterer positiver bedeutet das, Spezialwaschmittel
Effekt bei der Ver- oder Baukastensysteme zu verwenden, und so - je nach Anwendung
wendung von Spezi- für Wolle, Seide oder Buntwäsche - auf nicht benötigte Waschmittelbe-
alwaschmitteln be-
standteile wie Bleichmittel zu verzichten oder nur so viel Wasserenthär-
steht darin, dass der
ter einzusetzen wie nötig.
Energieverbrauch mi-
nimiert wird, weil bei Weiterhin wird im Waschmittelgesetz festgelegt, dass die waschaktiven
tieferen Temperatu- Substanzen in der Natur innerhalb von drei Wochen zu 80 % biologisch
ren gewaschen wer- abgebaut sein müssen. Die modernen Tenside wie die Alkylpolygluco-
den kann. side sind inzwischen vollständig biologisch abbaubar.
Ausgewählte chemisch-technische Verfahren 393 |
10.5 Ausgewählte chemisch-technische Verfahren
Bei der industriellen Herstellung chemischer Produkte spielen wirt- In der chemischen In-
schaftliche und ökologische Aspekte eine weitaus größere Rolle als bei dustrie werden hohe
Synthesen im Labor. Anforderungen an
Deshalb müssen großtechnische Verfahren einen möglichst vollständi- den technischen Um-
weltschutz gestellt.
gen Stoffumsatz bei minimalem Energieverbrauch realisieren. Die Indus-
trie hat zur Lösung der sich daraus ergebenden Probleme spezielle tech- £
nische Syntheseprinzipien und Anlagen entwickelt, die weit über den =
Umfang eines einfachen Synthesereaktors hinausgehen. |
Lage des ther- Temperatur- und Druckoptimierung Synthese von Ammoniak bei
modynami- nach dem Prinzip von LE CHATELIER niedrigen Temperaturen
schen Gleich- Trennung der Reaktionsprodukte von und hohen Drücken
gewichts nicht umgesetzten Ausgangsstoffen vollständiger Umsatz von
und Rückführung in den Reaktor Stickstoff und Wasserstoff
(Kreislaufprinzip) durch Kreislaufprinzip
Moderner Reaktor Ammoniak ist die technisch wichtigste Stickstoffverbindung. Die Her-
für die Ammoniak- stellung von anderen Stickstoffverbindungen erfolgt nur über Ammo-
synthese niak. Weltweit werden jährlich über 100 Mio. Tonnen produziert. Ein
(Gewicht 400 t, Großteil davon wird zu Stickstoffdüngemitteln weiterverarbeitet, wich-
Länge 22 m,
tige Verwendungsgebiete von Ammoniak sind u.a. die Herstellung von
Durchmesser 2 m,
Salpetersäure, Fasern und Kunststoffen.
Tagesleistung 1000
bis 1500 t NH3).
Ein Gemisch aus Was- Man arbeitet daher in der Technik bei Temperaturen von 400-520 °C
serstoff und Stickstoff und Drücken von 25-30 MPa. Unter diesen Bedingungen könnte man
im Verhältnis 3:1 be- theoretisch einen Anteil von 35-40 % Ammoniak erzielen. Da bei ein-
nötigt man als Syn-
maligem Durchgang durch den Reaktor die Zeit zur vollständigen
thesegas für die Am-
Gleichgewichtseinstellung nicht ausreicht, beträgt der Ammoniakanteil
moniakherstellung.
Es wird durch die Um-
jedoch nur 15-20 %. Zum vollständigen Umsatz der Ausgangsstoffe
setzung von Methan nutzt man daher das Kreislaufprinzip, indem man Ammoniak aus dem
mit Wasserdampf und erhaltenen Gasgemisch (H,, N,, NH;) abtrennt und die nicht umgesetz-
Luft erhalten. ten Ausgangsstoffe dem Reaktor wieder zuführt.
Wichtig für den Erfolg des Verfahrens war die Entwicklung eines preis-
werten Katalysators hoher Lebensdauer durch ALwın MITTAscH. Als be-
sonders gut erwies sich ein Kontakt aus metallischem Eisen, der durch
Reduktion von Magnetit (Fe30,) entsteht und Zusätze von Al,O;, CaO
und K,O zur Aktivierung und Temperaturstabilisierung enthält. Die
Grundlagen zur technischen Ammoniaksynthese schuf FRITZ HABER von
1905 bis 1910 im Labor. Die industrielle Umsetzung ist das Verdienst von
CARL BOSCH.
Ausgewählte chemisch-technische Verfahren 395 ’
Abschnitt Vorgänge
Kompressor (1) — Verdichtung des Synthesegases auf den technisch optimalen Druck
von 25-30 MPa
Wärmetauscher (2) - Vorheizen auf Arbeitstemperatur des Katalysators von ca. 400 °C
Kontaktofen (3) — die günstigste Arbeitstemperatur des Kontaktes liegt bei 400-
520 °C
- die Ammoniakbildung ist exotherm, daher heizt sich das Gasge-
misch ständig auf
— hohe Temperaturen sind ungünstig für den Katalysator und den
Umsatz; daher erfolgt die Anordnung des Kontakts in Schichten,
zwischen denen mit kaltem Synthesegas gekühlt wird
- am Ausgang des Reaktors liegen 15-20 % Ammoniak im Gleich-
gewicht vor
Wärmetauscher (2) - das Reaktionsgemisch (NH;, N, und H,) wird in mehreren Stufen
und Tiefkühler (4) auf etwa -10 °C abgekühlt
Abscheider (5) - das bei dieser Temperatur flüssige Ammoniak wird von den nicht
umgesetzten gasförmigen Ausgangsstoffen abgetrennt
Ammoniaksynthese
Abscheider (5)
Katalysator - \
(Kontaktschicht) h Kühlmittel
(-35 °C)
NH; (flüssig)
Kühler
Kreislaufgebläse (6)
NH;, N, H,
Kompressor (1)
u 396 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Der deutsche Chemi- Salpetersäure ist eine der drei wichtigsten Säuren in der chemischen In-
ker WILHELM FRIEDRICH dustrie. Sie wird hauptsächlich zur Herstellung von Stickstoffdüngemit-
OsTwaLD (1853-1932) teln verwendet.
untersuchte 1901 Etwa 10-15 % nutzt man zur Herstellung von organischen Verbindun-
erstmals diese Reak-
gen, die zur Produktion von Fasern und Kunststoffen dienen. Weitere
tion systematisch.
Anwendungen sind die Herstellung von Sprengstoffen und der Einsatz
als Ätzmittel für Metalle.
Die mit dem Ostwaup- Die exotherme Reaktion erfolgt unter Volumenabnahme und wird des-
Verfahren herge- halb durch niedrige Temperaturen und höhere Drücke begünstigt.
stellte Salpetersäure
hat eine Konzentra- 3. Die Umsetzung des Stickstoffdioxids mit Wasser zu Salpetersäure er-
tion von 50-70 %,
folgt im Gegenstrom in einem Absorptionsturm.
was für die meisten
Anwendungen aus-
reichend ist. 3NO, + H,O —— 2HNOz+ NO ArH
= -73 kJ
Für die Herstellung
von Sprengstoffen Das bei der Reaktion wieder gebildete Stickstoffmonooxid reagiert so-
braucht man aber fort mit überschüssigem Sauerstoff zu Stickstoffdioxid (Schritt 2), das
eine 98-99%ige dann wieder mit Wasser zu Salpetersäure umgesetzt wird. Auch diese
Säure. Reaktion wird durch niedrige Temperaturen (Kühlung des Reaktors)
und höhere Drücke begünstigt.
Ausgewählte chemisch-technische Verfahren 397 &
|
EN
Abschnitt Vorgänge
Rohstoff- -— Mischen von Ammoniak und Luft im Verhältnis 1:10 und Einleiten in den
|
zufuhr (1) Verbrennungsofen (Kontaktofen)
Oxidations- - Reaktion des gebildeten Stickstoffmonooxids mit dem Sauerstoff der zu-
turm (4) geführten Luft zu Stickstoffdioxid
Austritt des das Restgas enthält 95-97 % Stickstoff, 2-4 % Sauerstoff, 1 % Edelgase
Restgases (6) und bis zu 0,05 % nicht umgesetzte Stickstoffoxide
Salpetersäureherstellung
NO
Katalysator
(Platin-Netze)
Abhitze-
kessel (3)
Wasser Salpetersäure
5 398 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Moderne Schwefel- Schwefelsäure ist mit einer Menge von etwa 150 Mio. Tonnen pro Jahr
säureanlagen produ- die am meisten produzierte Chemikalie auf der Welt. Die Verwendung
zieren bis zu 3000 von Schwefelsäure ist äußerst vielfältig, der Hauptanteil von etwa 65 %
Tonnen Säure am Tag. dient der Herstellung von Phosphatdüngemitteln, der Rest verteilt sich
auf viele Zweige der chemischen und nicht-chemischen Industrie. Als
Rohstoffe für die Herstellung von Schwefelsäure dienen hauptsächlich
der natürlich vorkommende Elementarschwefel und Schwefel, der bei
der Verarbeitung von Erdöl und Erdgas anfällt. Das Rösten sulfidischer
Erze (/'S. 206) hat heute nur noch geringe Bedeutung.
1. Schwefel wird in einer sehr stark exothermen Reaktion mit Luft ver-
brannt.
S +0, — 50 ArH®
= -297 kJ
Schwefelsäure mit 3. Gasförmiges SO; kann nicht direkt in Wasser absorbiert werden, die
gelöstem SO; wird als Reaktion ist zu stark exotherm.
Oleum bezeichnet.
Fügt man dem Oleum SO; (9) + H,O () —— H,S0, (I) ArH®
= -130 kJ
wieder Wasser zu,
reagiert das SO; da-
mit zu Schwefelsäure.
Unter diesen Bedingungen bilden sich kleinste Schwefelsäuretröpfchen,
die den Absorber passieren. Man absorbiert daher das SO; in konzen-
trierter (96-98 %) Schwefelsäure, worin es sich löst (Oleum) und gibt
anschließend Wasser dazu, um die Konzentration aufrecht zu erhalten.
Ausgewählte chemisch-technische Verfahren 39
Abschnitt Vorgänge
Verbrennungsofen (1) - Schwefel wird mit Luftüberschuß verbrannt. Es entsteht ein Ge-
misch mit ca. 10 % SO,, 11 % O,, 79 % N,
Kühler (2) — Reaktionswärme aus dem Verbrennungsofen (1) wird zur Erzeu-
gung von Dampf und Elektroenergie genutzt
Restgase (6) zur - im Abgas sind noch 0,05 bis 0,2 % nicht umgesetztes SO,, wel-
Abgasreinigung ches über die Abgasreinigung zurückgewonnen wird
Schwefelsäuresynthese
Luft x Verbren- 1
Schwefel ı Restgase (6)
nungsofen (1) { "_ Kontaktofen (4) :
\\ Schwefelsäure (96 %)
Katalysator-
: schicht
Kühler (2)
Dampf
.-— Absorptions-
rar] | turm (5)
Kühl-
wasser
Wärme- i
tauscher (3) |\
Wasser-
SO,, O2, N, dampf Wasser (5a)
Kühler |NL 7
Kühlwasser
Schwefelsäure (96 %)
J 400 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Industriell werden Es gibt verschiedene technische Varianten für die Durchführung des
drei Varianten der Elektrolyseprozesses und zur Trennung der Elektrodenräume.
Chlor-Alkali-Elektro- Alle arbeiten im kontinuierlichen Durchflussbetrieb. Dabei wird jeweils
Iyse betrieben: das eine konzentrierte, von störenden Fremd-lonen gereinigte NaCl-Lösung
Amalgam-, das Dia-
ständig in den Anodenraum gepumpt. Hier wird ein Teil der Chlorid-
phragma- und das
Membranverfahren.
Ionen zu Chlor oxidiert, die äquivalente Menge Natrium-Ionen gelangt
in den Katodenraum, aus dem die Natronlauge entnommen wird.
Die verbrauchte NaCl-Lösung fließt aus dem Anodenraum ab. Sie wird
durch Zugabe von festem NaCl wieder auf die Ausgangskonzentration
gebracht und erneut eingesetzt (Kreislaufprinzip).
Ausgewählte chemisch-technische Verfahren 401 3
Von den drei technisch genutzten Verfahren der Elektrolyse ist das
Membranverfahren das modernste Verfahren mit zugleich den niedrigs-
ten Baukosten und dem niedrigsten Energieverbrauch.
Abschnitt Vorgänge
Soleaufbereitung (1) - Sättigung der Sole durch Lösen von festem NaCl
- Entfernung störender Fremdionen (Ca, Mg, Fe) aus dieser Sole
Membran (4) - Anoden- und Katodenraum sind durch eine Membran getrennt,
die nur für Wasser und Na*-lonen durchlässig ist
- Na*-Ionen gelangen durch die Membran in den Katodenraum
und bilden dort NaOH
Membranverfahren
ca. 33 % NaOH
si NaOH j
[] Anoden- Na Katoden- Natronlauge Natronlauge
|aum2)
Keane
raum (5)|
See
ca. 33 %
NaOH
ca.50 %
NaOH
Membran (4)
1 402 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Da Aluminium sehr Zur Abtrennung der Begleitstoffe aus dem Bauxit nutzt man die Eigen-
unedel ist, kann man schaft aus, dass Aluminiumhydroxid im Gegensatz zu den Begleitstoffen
das Oxid nicht che- in heißer konzentrierter Natronlauge als Hydroxokomplex löslich ist.
misch mit Kohle oder
Wasserstoff, sondern
AlOH); + OH” —— [AI(OH),T
nur elektrochemisch
zum Metall reduzie-
ren. Die unlöslichen Oxide des Eisens, Siliciums und Titans werden aus der
heißen Lösung abfiltriert. Nach Abkühlung der Lauge fällt reines Alumi-
niumhydroxid aus und kann ebenfalls abfiltriert werden. Das Hydroxid
wird dann bei ca. 1200 °C zum Oxid, Al,O;, entwässert. Die Natron-
lauge wird erneut zum Bauxit-Aufschluss verwendet.
Abschnitt Vorgänge
Rohstoff- - der Schmelzpunkt des reinen Al,O; liegt bei über 2000 °C, daher löst man
zufuhr (1) 5-10 % Oxid in einer Schmelze aus Kryolith (Naz3AlF,;) und Zusätzen
- Aluminiumoxid wird periodisch zugegeben
Schmelze (2) - Elektrolyse bei 940-980 °C und einer Zellspannung von etwa 5 V
- formal liegt Aluminiumoxid in der Schmelze in Form von Al?*-Ionen und
Oxid-lIonen (0°) vor
Katode (3) - Katode besteht aus Kohlenstoff (Grafit)
- Reduktion von Aluminium-lonen zum Metall
Abstich (5) - das schwerere Aluminium sammelt sich flüssig (Smp. 660 °C) unter der
Schmelze und wird von dort in bestimmten Abständen abgesaugt
Schmelzflusselektrolyse
Abdeckung
Schmelze (2)
Erdöl, Erdgas und Das aus Meeresorganismen hervorgegangene Erdöl ist ein komplexes
Kohle sind fossile Stoffgemisch, das hauptsächlich aus verschiedenen kettenförmigen,
Rohstoffe. Die Erd- ringförmigen und aromatischen Kohlenwasserstoffen besteht.
ölvorräte sind be- Erdölprodukte werden in erster Linie zur Energieerzeugung, z.B. als
grenzt und reichen
Heiz- und Kraftstoffe, genutzt. Weniger als 10 % dienen als Rohstoffe
nur noch für einige
für die chemische Industrie, z.B. als Ausgangsverbindungen für die Syn-
Jahrzehnte.
Die Zusammenset- these von Kunststoffen.
zung von Erdöl vari- Aufgabe der Erdölraffinerie ist es, die unterschiedlichen Produkte die-
iert von Lagerstätte sem Bedarf entsprechend herzustellen und so den kostbaren Rohstoff
zu Lagerstätte. Erdöl effektiv zu nutzen.
Benzin
Kerosin — —.
Gasöl — Schmieröle,
> schweres Heizöl
»> Bitumen
Ausgewählte chemisch-technische Verfahren 405 ü
Rohöldestillation a
N.
&
“
atmosphärischer die über 360 °C siedenden Anteile werden flüssig als atmosphäri-
Rückstand (3) scher Rückstand entnommen
Rohöldestillation
Fraktionierkolonne (2) Vakuum-
(Normaldruck) fraktionierkolonne (4a)
Gase
< 30°C
Gasöl
Leichtbenzin
50-100°C
schweres
Röhrenofen (1) | Schwerbenzin Röhrenofen Dieselöl
100-180°C
Petroleum Schmieröle
150-270°C
Gasöl schweres
240-360°C Heizöl
Rohöl
Rückstand (3)
>360.C me Rückstand
(Bitumen)
oder alternativ
Thermisches
Cracken (Ab) |—> leichtes Heizöl, Benzin
ü 406 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Unter Cracken ver- Die Rohöldestillation liefert oft nur etwa 20 % Benzine und weitere
steht man die Spal- 30 % Produkte im Siedebereich unter 360 °C, aber große Mengen hoch-
tung langkettiger siedender Schweröle. Der Bedarf an Benzin und Dieselöl ist aber höher.
Kohlenwasserstoffe
in kürzerkettige mit
oder ohne Einsatz
von Katalysatoren
Das Fluid Catalytic Werden langkettige Kohlenwasserstoffe auf Temperaturen über 400 °C
Cracking (FCC) ist ein erhitzt, spalten die C-C-Bindungen und es entstehen kürzerkettige Ver-
Crackprozess mit be- bindungen. Diese Konversion der Vakuumdestillate kann unterschied-
wegtem Katalysator. lich erfolgen: rein thermisch ohne Katalysator, unter Zusatz von Wasser-
Es ist das wichtigste
stoff (Hydrocracken) oder mittels Katalysatoren (z.B. FCC).
katalytische Crackver-
fahren.
Beim katalytischen Cracken gewinnt man hochwertige Benzine.
reaktivierter Dieselöl
Katalysator
Vakuum-
destillat Gasöl
Rückstand
Abschnitt
Röhrenofen (1) - Verdampfen des Vakuumdestillats bei 500 - 600 °C
Die Benzine aus der Rohöldestillation haben eine schlechte Qualität als Zur Erhöhung der
Vergaserkraftstoff (VK), sie neigen zum „Klopfen”. Das Klopfen ent- Klopffestigkeit eines
steht im Motor durch vorzeitige Entzündung des Benzin-Luft-Gemisches Benzins werden Anti-
beim Verdichten. Dabei spielt die Struktur der im Benzin enthaltenen klopfmittel zuge-
Kohlenwasserstoffe eine entscheidende Rolle. mischt, früher nutzte
man dazu organische
Bleiverbindungen.
Oktanzahler wasserstoffen
n-Hexan: 25 n-Octan: 0 Cycloalkane: 70-90 Benzen: 106
Die unverzweigten n-Alkane entzünden sich schneller als die verzweig- Erdöl enthält orga-
ten Isoalkane, ringförmige Cycloalkane und die Aromaten. Der Anteil nisch gebundenen
der n-Alkane im Rohbenzin ist oftmals zu hoch, sodass diese in die an- Schwefel, der die Ka-
deren Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden müssen. Eine Maßzahl talysatoren beim Re-
formieren und Cra-
für die Klopffestigkeit ist die Oktanzahl (ROZ - Research Oktanzahl)
cken vergiftet.
Außerdem entsteht
beim Verbrennen
schwefelhaltiger
Kraftstoffe um-
weltschädliches
Schwefeldioxid. Des-
halb ist eine Ent-
Beim Reformieren wird die Struktur der Kohlenwasserstoffe umgewan- schwefelung der Erd-
öldestillate nötig.
delt, ohne dass sich die Molekülgröße ändert. Dabei laufen verschie-
dene Reaktionen neben- und nacheinander ab, die wichtigsten sind:
- Isomerisierung von n-Alkanen zu iso-Alkanen
- Cyclisierung von kettenförmigen zu ringförmigen Alkanen
- Dehydrierung von Cycloalkanen zu Aromaten.
Der Prozess wird bei 450-550 °C und ca. 1 MPa Druck unter Zusatz von
Wasserstoff an einem Katalysator aus fein verteiltem Platin auf Alumi-
niumoxid durchgeführt, wobei das Platin die Dehydrierung und das Alu-
miniumoxid die Isomerisierung und Cyclisierung katalysiert.
N NN
Isomerisierung
ZN Der Zusatz von Was-
serstoff beim Refor-
n-Heptan (ROZ = 0) iso-Heptan
mieren unterdrückt
(ROZ = 42)
die Bildung von Koks
-H, H
aus unerwünschten
Cyclisierung
Crack-Reaktionen.
CH CH
a Isomerisierung ER 3 Dehydrierung &Ö .
on nn
-3H,
Dimethylcyclopentan Methylcyclohexan Toluen
(ROZ = 80) (ROZ = 75) (ROZ = 115)
ü 408 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Die Pyrolyse ist ein Zur Herstellung von organischen Kunststoffen und Synthesefasern
Crackprozess, der bei (75.351) werden große Mengen an Alkenen (Ethen, Propen, Buta-
700-950 °C abläuft. dien) und Aromaten als Rohstoffe benötigt. Die Petrochemie gewinnt
Dabei werden in den diese Rohstoffe aus verschiedenen Raffinerieprodukten.
Ausgangsmolekülen
sowohl C-C- als auch
C-H-Bindungen ge-
Gewinnung von Alkenen durch Pyrolyse
spalten. Sie erfolgt in
langen Rohren, die
mit Brennern von au-
Ben beheizt werden.
Die Pyrolyse läuft unter Zusatz von Wasserdampf ab, daher rührt auch
die Bezeichnung Steamcracken für diesen Prozess.
Das dabei entstehende Produktgemisch ist reich an Alkenen und Aro-
maten. In einer anschließenden mehrstufigen destillativen Trennanlage
erhält man daraus das Pyrolysebenzin (Kohlenwasserstoffe mit 5 und
mehr Kohlenstoffatomen) sowie die reinen Alkene.
Pyrolyse
Trennanlage | (3) Trennanlage Il (4)
Bei der Pyrolyse fällt Steamcracker (1) Kühler (2) Methan
ein Produktgemisch
an, das 12-15 % Me-
Ethen
than, 28-35 % Ethen,
14-17 % Propen, 3 Wasser-
bis 5 % Butadien und dampf, Propen
Benzin
ca. 25 % Pyrolyseben-
zin enthält. Das Pyro- Buta-
Iysebenzin istreich an Wasser dien
Aromaten.
Pyrolysebenzin
Steamcracker (1) - Benzin wird unter Zusatz von Wasserdampf ganz kurz (0,1-1 s)
auf 700- 950 °C erhitzt
— Spaltung der Kohlenwasserstoffketten in kurze Bruchstücke und
Abspaltung von Wasserstoff (Dedydrierung)
- Bildung verschiedener Alkene und Aromaten
Bei der Flüssig-Flüssig-Extraktion wird ein selektives Lösungsmittel zu- Als Selektivlösungs-
gesetzt, in dem sich nur die Aromaten lösen, das sich aber mit den mittel (Extraktions-
Nichtaromaten nicht mischt. Es bilden sich zwei flüssige Schichten. Die mittel) wird z.B. ein
schwere Schicht aus Extraktionsmittel mit Aromaten wird unten ent- Gemisch aus Ethan-
diol/Wasser verwen-
nommen. Daraus gewinnt man die Aromaten durch zweifache Rekti-
det.
fikation.
+ Aromaten
Extraktionsmittel
SO, und NO, aus Verbrennungs- saurer Regen, Versauerung von Gewässern, mitver-
prozessen antwortlich für Waldsterben (7 S. 414)
10.6.2 Stoffkreisläufe
ä
Einige natürliche Stoffe treten in mehreren Umweltbereichen auf und Durch langfristige
werden zwischen diesen ausgetauscht. Die dynamischen Austausch- Untersuchungen der
gleichgewichte eines Stoffes und die Umwandlung von Elementen in Stoffkreisläufe kön-
verschiedene Verbindungen werden durch Stoffkreisläufe beschrieben. nen Störungen der
natürlichen Prozesse
durch anthropogene
Betrachtung von Einflüsse nachgewie-
|
‚Stoffkreisläufen sen werden.
(Lebewesen, Brennstoffe
org. Abfall) 66 000 000 Biomasse
Geosphäre 38000
(Gesteine, Sediment) Tiefsee
8 412 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Die Zusammenset- Luft ist ein Stoffgemisch, sie enthält 78,1 % Stickstoff, 21,0 % Sauer-
ES zung der Atmosphä- stoff, 0,9% Argon und zahlreiche Spurengase, wie Kohlenstoffdioxid
& re hat sich in der Erd- und Ozon. Verschiedene Spurengase haben aber große Bedeutung für
% geschichte stark ge- bestimmte Eigenschaften der Atmosphäre.
x ändert. Sauerstoff
wurde erst durch Fo-
tosynthese gebildet.
Treibhauseffekt
NER SLBTER
NT Reflexion 5 % (Erdoberfläche)
ununu n, mestrahlung
sr et uPu(Walken)
| Ä
' u 2 ST
25Ehbis 30 km %
®
eibhaus- ”
rel@vantes *
4 Teilche . |
E“ +|
nn Stratösphäre
Wärmestrahlung Troposphäre
H,0, ©
NO,, CO,, Staub, SO, ge H,50, , H,50,, HNO,
Saurer Regen
Die Gase SO, und NO, wirken direkt schädigend auf Organismen. Au-
Berdem bilden sie mit der Luftfeuchtigkeit Säuren (H,5O;, H50, bzw.
HNO;). Diese Säuren lösen sich im Niederschlag und führen so zu einer
Saurer Regen führt
zur Versauerung der Erhöhung dessen Acidität (/S. 180), dem sauren Regen. „Sauberer” Re-
Gewässer und Bö- gen weist infolge des CO,-Gehaltes der Luft pH-Werte um 5,6 auf. In
den, zur Korrosion Deutschland wurden in den 80iger und 90iger Jahren pH-Werte des Re-
von Bauwerken und gens zwischen 4,0 und 4,5 gemessen.
zu Schädigungen des Das entspricht der 10- bis 40-fa- ==
Ökosystems Wald. chen Säurekonzentration des Nor-
malwertes. In Schottland traten so-
gar Spitzenwerte bis zu einem pH-
Wert von 2,4 (mehr als das 1000-fa-
che der natürlichen Säurekonzen-
tration) auf. Um Schäden an der
Umwelt möglichst gering zu hal-
ten, müssen Abgase von diesen
Schadstoffen weitgehend befreit
werden, bei Kraftwerken mittels
Rauchgasreinigungsanlagen, beim
PKW mittels Abgaskatalysator.
Umweltbezogene Chemie 415 ä
Rauchgasreinigung in Kraftwerken
Typische Rauchgas-
zusammensetzung
eines Kohlekraft-
werkes:
78 % N,, 16 % CO;,
Es gibt in vielen Ländern gesetzliche Vorgaben über zulässige 6 % O,, 0,1 % SO,
Höchstmengen an Schadstoffen im Rauchgas. In Deutschland gelten für (2 g/m?), 0,05-0,1 %
große Kraftwerke mit über 300 MW Leistung u.a. folgende Abgas- NOx (0,8-1,5 g/m?),
grenzwerte: Staub unter 50 mg/m?; SO, unter 400 mg/m?, NO, unter 6-50 g Staub/m?.
200 mg/m?, Vergleicht man diese Vorgaben mit den Ausgangswerten so
erfordert das Mindest-Abscheidungsgrade von ca. 99,9 % bei Staub,
80 % bei SO, und 80 % bei den Stickoxiden.
Kamin Katalysator
gas =
:
Flugasche, w
NO, Kohle, |
|
Luft 1
CaCO;- |
Suspen- > Asche
sion In E
Luft Y Flugasche,
Gips so,
REA Elektrofilter DENOX Kessel Fernwärme Kühlturm Fluss-
wasser
Ozonzerfall: h:v
O; — 0 + O, A<310 nm
O +0; — 20,
0; +0 —— 20,
Das Ozonloch über Die Ozon zerstörenden Stoffe, z.B. H,O, sind teilweise natürlichen Ur-
der Antarktis ist eine sprungs. Der chemische Ozonabbau wird aber anthropogen besonders
besondere regionale durch die Emission von Fluorchlorkohlenwasserstoffen verstärkt.
und zeitlich begrenz- Die FCKW, z.B. CF,Cl,, werden in der Troposphäre nicht abgebaut und
te Erscheinung. Sie
wandern langsam in die Stratosphäre. Dort werden sie durch UV-Strah-
sollte nicht mit der
lung fotolytisch gespalten, die dabei gebildeten Chloratome (Radikale)
allgemeinen Reduk-
tion des stratosphä- spalten nun zusätzlich Ozon. Die stratosphärische Ozonschicht wurde
rischen Ozons gleich- dadurch in den letzten 30 Jahren zwischen 60° Süd und 60° Nord um
gesetzt werden. etwa 10 % reduziert, sodass entsprechend mehr biologisch schädliche
UV-Strahlung auf die Erdoberfläche gelangt.
Umweltbezogene Chemie 417 j
Ozon ist natürlicher Bestandteil der bodennahen Atmosphäre, es ge- Autoabgase sind
langt z.B. aus der Stratosphäre in die Troposphäre. Der natürliche Ge- Quelle von Vorläu-
halt von 10-30 ug/m? in Bodennähe ist viel kleiner als in der Stra- fermolekülen des
tosphäre. Durch anthropogene Aktivitäten wird die Ozonkonzentration Ozons. Sie enthalten
bis 10000 ppm CO,
besonders im Sommer jedoch stark erhöht.
100-8000 ppm NO,,
Ozon wird nicht direkt freigesetzt, sondern bildet sich unter Einfluss der 200 ppm CH, und
Sonnenstrahlung fotochemisch aus Vorläufersubstanzen wie Stickstoff- C;H,, bis 500 ppm
oxiden, Kohlenstoffmonooxid und Kohlenwasserstoffen. Neben Ozon Olefine, 20-50 ppm
entstehen dabei auch andere Schadstoffe, die zusammen den gesund- Aromaten, bis
heitsschädlichen Fotosmog bilden. 400 ppm Aldehyde
Die Reaktionswege bei der Umwandlung der Vorläufersubstanzen zum (10000 ppm = 1 %).
Fotosmog sind sehr komplex und vielfältig. Auf einem dieser Wege wird
NO unter Beteiligung von CO zu NO, oxidiert. Das Sonnenlicht spaltet
entstandenes NO, wieder in NO und atomaren Sauerstoff. Dieser bildet
dann mit molekularem Sauerstoff Ozon.
In einem zweiten Weg werden aus Kohlenwasserstoffen und Sauerstoff Aldehyde und ihre
unter Beteiligung von NO, Aldehyde und Ozon gebildet. Die Aldehyde Folgeprodukte sind
unterliegen z. T. noch weiteren Folgereaktionen. ebenfalls Reizgase im
Fotosmog.
Der Fotosmog tritt besonders an \olumenanteil [ppm]
warmen Sommertagen auf. Dabei k
durchläuft die Konzentration der „4_ — m
Schadstoffe charakteristische Ta- —- Ozon
geszyklen. Durch Reaktion z.B. mit N =. Kohlen:
Zum Schutz von
NO und Kohlenwasserstoffen wird, I
1
\ wasserstoffe menschlicher Ge-
Ozon nachts wieder abgebaut. ! sundheit und der
Der Wind transportiert NO, und Er Vegetation gibt es
Ozon aber auch vom Bildungsort in . gesetzliche Schwel-
so genannte Reinluftgebiete. Da 92 —__, ® lenwerte für Ozon.
dort wenig Autoverkehr ist, und N, In letzter Zeit wurde
deshalb weniger Stickstoffoxide der für Menschen kri-
tische Schwellenwert
und Kohlenwasserstoffe in der 0,1-
Luft vorhanden sind, ist nachts der von 180 ug/m? weni-
ger häufig überschrit-
Ozonabbau geringer. Die Ozon- ten, die für Pflanzen
konzentration ist dann in den og ' kritische Konzentra-
Reinluftgebieten höher als in den 0 8 16 24 tion von 80 ug/m?
Ballungsgebieten. Tageszeit aber öfter.
H 418 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Atmosphäre
Wasserdampf
Transport
40
Niederschläge Niederschläge
111 385
Verdunstung Transpiration
425
Verdunstung
Trinkwasser
Rückfluss
40
Wasser mit einem Ge- Die Gesamtwassermenge der Erde wird auf 1,4 Mrd. km? geschätzt, da-
samtsalzgehalt unter von sind 97,5 % Salzwasser und nur 2,5 % Süßwasser. Der größte Teil
1 g/l nennt man Süß- davon ist im Polareis gebunden, sodass nur etwa 0,5 % des Gesamtwas-
wasser. Dieses ist als sers als Grundwasser und Wasser in Seen und Flüssen zur Gewinnung
Tinkarasser geeignet. \on Trink- und Brauchwasser zur Verfügung stehen.
Die Trinkwasserauf-
bereitung ist ein auf-
wändiger Prozess.
Aus Gewässern, vom Boden und durch Transpiration der Pflanzen ver-
dunstet Wasser und kommt in verschiedenen Niederschlagsformen zur
Erde zurück. Es fließt oberirdisch in Flüssen und unterirdisch im Grund-
wasser ins Meer zurück. Im Meer, in den Seen, in Polareis und Glet-
ü schern sowie im Grundwasser ist das Wasser zeitweise gespeichert.
Ein Problem neben Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel. Es wird durch Aufberei-
der Verunreinigung tung aus Grundwasser, aus Seen und Talsperren sowie aus dem Uferfilt-
ist auch die Erwär- rat von Flüssen gewonnen.
mung der Flüsse Die Wasserqualität der Trink- und Brauchwasserquellen kann durch an-
durch Kühlwasser von
Kraftwerken. thropogene Chemikalieneinträge beeinträchtigt werden, sodass damit
eine Wassernutzung unmöglich oder die Aufbereitung erschwert wird.
Außerdem können durch Chemikalieneinträge die Lebensbedingungen
der im Wasser lebenden Organismen beeinträchtigt werden.
Umweltbezogene Chemie 419 3
Die Makronährstoffe
der Wasserpflanzen
und Algen sind Stick-
stoff und Phosphor.
Bu
1 : Si
- Algenblüte ‚ sauerstoffreich
t. \
i 4
, :
LEN
& n N N
Sauerstoffzehrung 7
v x N N N # Ü N %
g 2 - le ®
“ > Fischsterben ent
ZN ES 7 Sr
\ EN Zersetzung. S RER Umkippen,
NS auge I > .
Een
In Seen und langsam fließenden Gewässern kann der erforderliche Sau- Grund für die fehlen-
erstoff aber wegen fehlender Durchmischung nicht in ausreichender de Durchmischung ist
Menge von der Oberfläche in die Tiefe gelangen. die Temperatur-
In sauerstoffarmem Wasser können auch keine Fische mehr leben. schichtung im Som-
mer, da kaltes Tiefen-
Wenn der Sauerstoff im Tiefenwasser ganz verbraucht ist, läuft der Ab-
wasser schwerer ist
bau der Biomasse durch anaerobe Bakterien ab, man nennt das Umkip-
als warmes. Durch
pen des Sees. Unter diesen Bedingungen bilden sich Methan sowie die den Temperaturaus-
toxischen Stoffe Schwefelwasserstoff und Ammoniak. gleich des Wassers im
Der schädliche Phosphateintrag kann durch eine zusätzliche Phosphat- Herbst und im Früh-
reinigungsstufe bei der Abwasserbehandlung (/' 5. 421) sowie durch die jahr wird der See wie-
Verwendung von Phosphatersatzstoffen in Wasch- und Reinigungsmit- der durchmischt und
teln (7 S. 390) vermindert werden. Es ist auch möglich, eutrophierte Ge- Nährstoffe gelangen
wässer wieder zu sanieren. Dazu muss man die Nährstoffe wieder aus wieder ins Oberflä-
chenwasser und in
dem See entfernen oder den Nährstoffkreislauf unterbinden. Die Sanie-
den Kreislauf.
rung von Gewässern ist ein sehr aufwändiger Prozess.
ü 420 Ausgewählte Anwendungen in der Chemie
Persistenz (lat.: persis- Viele dieser Stoffe können durch direkte Giftwirkung die Lebensbedin-
tere = verharren) ist gungen der Wasserorganismen beeinträchtigen. Weiterhin unterscheiden
die Stabilität eines sich zahlreiche anthropogene Chemikalien, z.B. polychlorierte Insekti-
Stoffes gegenüber zide wie DDT (/S. 287), in der Struktur stark von jeglichen natürlichen
Umweelteinflüssen.
Verbindungen. Sie können daher in der Umwelt, z.B. von Mikroorganis-
men, oft nur langsam abgebaut werden und besitzen deshalb eine hohe
Persistenz.
Die Schwermetalle Wenn derartige Schadstoffe zudem noch gut fettlöslich sind, kommt es
Blei und Kupfer kön- zur Bioakkumulation: Die Stoffe werden im Fettgewebe gespeichert und
nen aus Wasserlei- damit in der Nahrungskette angereichert. So können sie bei den Gipfel-
tungsrohren ins Trink- gliedern der Nahrungspyramide gefährlich hohe Konzentrationen im
wasser gelangen.
Körper erreichen.
Durch Versickerung des Oberflächenwassers können leicht lösliche Sub-
stanzen auch ins Grundwasser gelangen. Dadurch können Schadstoffe
ins Trink- und Brauchwasser gelangen oder zumindest die Trinkwasser-
aufbereitung erheblich erschwert werden.
anorganischer | Belebtschlamm
Schlamm Gasbehälter
Überschussschlamm |
Klärschlamm zur
Verwertung/Deponie
—
Industrielle Abwässer
müssen in besonde-
ren Kläranlagen ge-
reinigt werden.
Die wichtigsten Der Boden ist ein komplexes Gemisch aus anorganischen Bestandteilen,
Pflanzennährstoffe abgestorbenem organischen Material (Humus), Bodenluft und Boden-
sind die Kationen K*, wasser mit gelösten anorganischen und organischen Substanzen.
Ca?* und Mg?* sowie Die anorganischen Anteile sind hauptsächlich Silicate, große Bedeutung
Nitrat und Phosphat.
haben Tonmineralien als Speicher für Pflanzennährstoffe. Abgestorbe-
Sie werden dem Bo-
nes organisches Material wird von Bodenorganismen in Huminstoffe
den in der Landwirt-
schaft durch Dünge- umgewandelt, die dann weiter abgebaut werden. Sie sind die wich-
mittel zugeführt. tigste natürliche Quelle für Stickstoffdünger, außerdem besitzen sie
viele funktionelle Gruppen (/ 5. 289), die Kationen binden können.
Außerdem sind lokale Belastungen des Bodens erfolgen hauptsächlich durch den sauren Re-
Belastungen des Bo- gen (/5S. 414), Schwermetalle, Düngemittel und Biozide. Diese Schad-
dens z.B. durch Ein- stoffeinträge in den Boden können in mehrfacher Weise wirken.
trag von Öl möglich.
qualitas: lat. =
Beschaffenheit,
Eigenschaft
quantitas: lat. =
Größe, Anzahl
Vorproben
Bei der Trennung von Analytische Fragestellungen ergeben sich in allen Teildisziplinen der
Stoffgemischen nutzt Chemie, von der Kernchemie über die organische Chemie bis hin zur
man die unterschied- Umweltchemie. Das Ziel der anorganischen qualitativen Analyse besteht
lichen physikalischen in der Identifizierung anorganischer Substanzen, d.h. Elementen, lo-
oder chemischen Ei-
nenverbindungen oder Molekülverbindungen.
genschaften der
Im einfacheren Fall liegen die Substanzen als reine Stoffe vor. Stoffge-
Komponenten, z.B.
unterschiedliche mische müssen für die qualitative Analyse oft getrennt werden. Aber
Löslichkeiten in Was- auch die Identifizierung reiner Stoffe ist eine schwierige Aufgabe, wenn
ser oder Säuren. man bedenkt, dass heute mehr als 500000 verschiedene anorganische
Verbindungen bekannt sind.
Bevor man die unendliche Palette spezieller Nachweisreaktionen durch-
führt, betrachtet man die Stoffprobe zunächst genauer und analysiert
die ohne Hilfsmittel sichtbaren Stoffeigenschaften, wie Aggregatzu-
stand, Farbe oder andere auffällige Eigenschaften.
Vorprobe Information“
Löslichkeit in Wasser und - lösliche Ionenverbindung z.B. KBr, CuSO, oder schwer
pH-Wert löslicher Stoff, z.B. Sg, I, AgCl, Fe,O3
- saure oder basische Verbindung, z.B. HNO; oder Ca(OH),
Löslichkeit in Säuren oder - schwer lösliche saure oder basische Salze, Oxide oder
Basen Hydroxide, z.B. CaCO;, Cr;O;, PbO,, Mg(OH),
Calcium Ca 622,0/553,5
Kalium K 769,9/766,5/404,5
Kupfer Cu 515,3/510,5
Lithium Li 670,8
Natrium Na 589,3
Strontium Sr 605,0/460,8
h 426 Analyseverfahren
Viele Nachweisreakti-
onen werden durch
andere Ionen gestört.
Zur Trennung der
nachzuweisenden lo-
nen von störenden
Begleitstoffen entwi- . . ; = ons
ckelte C.R. Fresenus Wenn die Farbänderung, Gasbildung oder Fällung nur mit einer ganz
(1818-1897) im bestimmten lonensorte zu beobachten ist, spricht man von spezifischen
19. Jh. den Kationen- Nachweisreaktionen. Um den Nachweis eindeutig durchzuführen, müs-
trennungsgang. sen die jeweiligen Reaktionsbedingungen (z.B. pH-Wert, Temperatur)
genau eingehalten werden.
Anion Nachweis 5 ae g E
ch“ X + Ag*t — Agxl AgCl: weißer Niederschlag; löslich in ver-
Br” dünnter NH;-Lösung
F Ausfällung eines Niederschlages, der AgBr: gelblicher Niederschlag; löslich in
je nach Halogenid-lIon in NH>- konzentrierter NH>-Lösung
Lösung unterschiedlich löslich ist. Agl: gelber Niederschlag; löst sich nicht
in konzentrierter NH3-Lösung
co; CO;? +2 H30* ——e 3 H,0 +C0,T Bei der Behandlung von Carbonaten mit
| verdünnter Salzsäure entwickelt sich
= CO, + Ba(OH), —— BaCOz\J + H,O | CO,. Dieses leitet man in Barytwasser,
Ba(OH),, ein. Dabei entsteht ein weißer,
© in Säuren löslicher Niederschlag.
NOz" 2 NOz +6 Fe?* +8 H50* ——e Die Probelösung wird erst mit FeSO,-
2 NO +6 Fe?* + 12 H,O | Lösung versetzt und danach mit konz.
H,50, unterschichtet. In Gegenwart von
NO + [Fe(H,0),1?* —— NO;"-Ionen erfolgt die Bildung eines
[Fe(H,O)s(NO)]** + H,O braunen Nitroso-Komplexes (Ringprobe).
Klassische Analyseverfahren 427 Ä
Halogenverbindun-
Ag* + X — Agxl (X = CI, Br, |)
u
Das Prinzip derorga- Da die Identifizierung organischer Verbindungen mit einfachen Nach-
nischen Elementara- weisreaktionen nicht besonders eindeutig ist, analysiert man in der Or-
nalyse wurde bereits ganik die Zusammensetzung der Substanzen. Dies ist wesentlich einfa-
1831 von J. voNLIEBIG cher als in der Anorganik, da die meisten organischen Moleküle aus den
(1803-1873) entwi-
Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff bestehen
ckelt.
und die Verbindung dann eine Molekülformel C„H,O,N, besitzt.
| Unabdingbar für rich- Zur CHN-Analyse verbrennt man eine genau abgewogene Menge Sub-
| tige Ergebnisse istdie stanz im Sauerstoffstrom an glühendem Kupfer(Il)-oxid als Katalysator.
sehr genaue Masse- Dabei geht Kohlenstoff in Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff in Wasser
bestimmung, die mit über. Wasser wird zuerst an Calciumchlorid und Kohlenstoffdioxid in ei-
Analysenwaagen bis am zweiten Absorptionsgefäß an Natronkalk, einem Gemisch aus Nat-
au 2.00] Ing genau rium und Calciumhydroxid, gebunden. Die Absorption der Gase führt zu
erfolgen kann. . . a . "
einer experimentell leicht bestimmbaren Massezunahme, aus der man
die Stoffmengen der gebildeten Oxide ermittelt.
Der Stickstoffanteil wird mit der gleichen Methode bestimmt. Bei der
Verbrennung bilden sich molekularer Stickstoff (N) und unterschiedli-
che Mengen an Stickstoffoxiden (NO,). Um auch diese zu molekularen
Stickstoff zu reduzieren, werden sie an glühendem Kupfer reduziert,
das gleichzeitig den Sauerstoff aus dem Gasgemisch absorbiert. Die
Stoffmenge an entstandenem Stickstoff kann nun volumetrisch ermit-
telt werden. Bei der Verbrennung im Sauerstoffüberschuss (a >> b) läuft
formal folgende Bruttoreaktion ab:
Natron-
kalk
Klassische Analyseverfahren 431 |
Ergebnis:
Die analysierte Probe hat eine Verhältnisformel von CzH;0;N. Es
kann sich um eine Aminosäure oder eine Nitroverbindung handeln.
Die bei der Elementaranalyse erhaltene Verhältnisformel muss nicht Zur Bestimmung der
identisch sein mit der Summenformel, die Substanz kann auch die Sum- molaren Masse nutzt
menformel C,H}001N; oder andere ganzzahlige Vielfache der Verhältnis- man in der modernen
formel haben. Zur Identifizierung der Substanz muss daher die molare Analytik die Massen-
spektrometrie.
Masse bestimmt und die funktionellen Gruppen nachgewiesen werden.
1 432 Analyseverfahren
Potenziometrie
Die Messung der Zell- Die zu bestimmende Substanz ist bei der Potenziometrie an der Elektro-
spannung muss bei denreaktion der Indikatorelektrode beteiligt. Nach der nernstschen
der Potenziometrie Gleichung (/' 5. 121) hängt die Größe des Elektrodenpotentials von der
stromlos erfolgen. Konzentration des Analyten ab.
0,052V | _cox) sa
E=E+
2 7 c(Red) ger Teil
Direktpotenziometrie
Die wichtigste Anwendung ist die Messung des pH-Wertes mit einem i
pH-Meter. Als ionenselektive Indikatorelektrode verwendet man dazu Mi
none : it der Glaselektrode
vt en die se iektrode. als Einstabmesskette
ie aselektrode enthält eine 3 5
spezielle Glasmembran, deren Po- Glaselektrode (Einstabmesskette) Sa Kan di-
Potenziometrische Titration
Der Äquivalenz-
punkt ist der Wende-
punkt der Titrations-
kurve (/ 5. 189).
Konduktometrie
Elektrophoretische Verfahren
Die Viskosität cha- Durch den unterschiedlichen Aufbau der Teilchen (Ladung, Größe, Sol-
rakterisiert die Zä- vatation) ist die Kraftwirkung des elektrischen Feldes verschieden. Die
higkeit einer Lösung. Beweglichkeit bzw. Wanderungsgeschwindigkeit des Teilchens hängt
Öl oder Sirup sind daher hauptsächlich von seiner Ladung, der auf sie einwirkenden Feld-
z.B. sehr viskos.
stärke und der Viskosität des Elektrolyten ab. Je höher die Ladung und
je kleiner ein Teilchen ist, desto größer ist die Wanderungsgeschwindig-
keit im elektrischen Feld.
Neben den Parame- Aufgrund ihrer unterschiedlichen Beweglichkeiten lassen sich in Lösun-
tern aus der Glei- gen ionisch vorliegende bzw. ionisierbare Stoffe trennen. In der Praxis
chung haben u.a. der nutzt man dazu bevorzugt das Prinzip der Trägerelektrophorese. Das
pH-Wert des Elektro- Trägermaterial, z.B. Papier, Celluloseacetat oder ein gelartiges Material,
Iyten, die Temperatur
wird mit einer Pufferlösung getränkt und zwischen zwei Elektroden ge-
sowie die Oberfläche-
neigenschaften des
bracht. Die Analysenlösung wird an einer Startlinie aufgetragen und
Trägermaterials Ein- eine Gleichspannung angelegt, sodass die Ionen in der Lösung mit un-
fluss auf die Tren- terschiedlicher Geschwindigkeit zur entgegengesetzt geladenen Elek-
nung. trode wandern. Nach Auftrennung des Gemisches kann man auf dem
Trägermaterial die einzelnen Komponenten des Stoffgemisches mit-
hilfe geeigneter Reagenzien sichtbar machen. Aus diesem Elektrophero-
gramm kann man die Anzahl der Komponenten und - nach vorheriger
Kalibrierung - auch ihre Art bestimmen.
N!
Pufferlösung
Start
(Aufbringen der Probe)
Instrumentelle Analyseverfahren 437 &
Teilchen werden als Allen Arten der Chromatografie ist gemeinsam, dass das zu analysie-
polar bezeichnet, rende Stoffgemisch von einer beweglichen (mobilen) Phase, z.B. einem
wenn sie ein Dipol- Lösungsmittel, aufgenommen und zu einer ruhenden (stationären)
moment besitzen. Phase transportiert wird. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Wechselwir-
Polare Phasen enthal-
kungen mit der mobilen und der stationären Phase gehen die Kompo-
ten besondere Struk-
nenten entweder an die stationäre Phase über oder verbleiben in der
turelemente, wie OH-
Gruppen, an denen mobilen Phase. Die Trennwirkung beruht auf Adsorptions-, Austausch-
sich polare Teilchen und Verteilungsvorgängen, die sich gegenseitig beeinflussen. Von Be-
anlagern. deutung ist dabei besonders die Polarität der einzelnen Phasen und der
zu analysierenden Stoffe. Ein polarer Analyt wird an einer polaren stati-
onären Phase weitaus stärker gebunden als ein unpolarer Analyt.
Die Verteilung des Analyten zwischen der stationären und der mobilen
Phase wird durch das Verteilungsgleichgewicht beschrieben. Je größer
der Verteilungskoeffizient K, zwischen der stationären und der mobilen
Phase ist, um so besser ist die Trennleistung. Bei konstanter Temperatur
und Druck hängt K, von den Eigenschaften der drei Stoffe (Analyt, sta-
tionäre und mobile Phase) und den sich daraus ergebenden Wechselwir-
Der Verteilungskoef- kungen ab.
fizient K, bzw. der
Verteilungssatz
Verteilung des
q Analyten
v- 5
Transport
Dünnschichtchromatografie (DC)
DC-Apparatur Dünnschichtchromatogramm
u
s(LM) entspricht der
maximal möglichen
I “ “- A Wanderungsstrecke
2 s(LM) des Fließmittels.
; = _. _s(B)
| Trägerplatte ® * 2% s(B)| Rı(B)= s(LM)
Adsorptions-
mittel ii 2
Im Ergebnis der Trennung erhält man auf der Dünnschichtplatte ein Die einzelnen Sub-
Chromatogramm mit mehreren Substanzflecken. Im abgebildeten Chro- stanzen A und B las-
matogramm hat die Substanz A eine stärkere Wechselwirkung mit der sen sich über den Rr-
stationären Phase als Substanz B. Sie befindet sich folglich nicht so Wert identifizieren,
wenn dieser miteiner
lange in der mobilen Phase wie Substanz B und wird nicht so weit von
Vergleichssubstanz
ihr transportiert, wandert also nicht so weit wie B. übereinstimmt.
440 Analyseverfahren
Die Trennung ist jedoch nur erfolgreich, wenn die R+-Werte der zu tren-
nenden Stoffe weit genug auseinander liegen. Da die Anzahl der statio-
Mit der Dünnschicht- nären Phasen für die DC begrenzt ist, wird in der Regel die Polarität des
chromatografie Fließmittels variiert, um die Auflösung zu verbessern. Zu diesem Zweck
trennt man schnell setzt man Gemische verschiedener Lösungsmittel als mobile Phase ein.
und einfach Gemi-
sche von Farbstoffen,
unterschiedliche aro- Die Dünnschichtchromatografie erlaubt die Trennung vieler Substanz-
matische Kohlenwas- gemische innerhalb kurzer Zeit mit einem geringen apparativen Auf-
serstoffe oder anor- wand. Mithilfe von UV-Licht oder geeigneten Fluoreszenz- und Sprühre-
ganische Anionen, agenzien lassen sich der größte Teil organischer Verbindungen nicht nur
die in einem Stoffge- trennen, sondern auch sichtbar machen. Sie wird jedoch selten zur
misch vorliegen. quantitativen Analyse eingesetzt, weil die Bestimmung des Anteils der
Komponenten A und B aus der Größe der Substanzflecken schwierig ist.
In Abhängigkeit von der Art der zu analysierenden Stoffe und der dazu
benutzten stationären Phase erfolgt die Trennung durch Adsorptions-,
Verteilungs- oder Austauschprozesse, die auch durchaus gleichzeitig in
einem System ablaufen können.
Anhand der verschie- Je nach Säulendurchmesser, Teilchengröße der stationären Phase und
denen Trennprinzi- Arbeitsdruck unterscheidet man zwischen der klassischen Säulenchro-
pien kann man die matografie (SC) und der modernen Hochleistungs-Flüssigkeits-Chroma-
chromatografischen tografie (HPLC).
Verfahren weiter un-
Bei der HPLC ist die Teilchengröße der stationären Phase deutlich klei-
terteilen in Vertei-
ner als bei der klassischen SC. Dadurch wird die zur Verfügung stehende
lungs-, Adsorptions-
oder lonenaustausch- Oberfläche der stationären Phase vergrößert und die Trennleistung der
Chromatografie. Säule entscheidend verbessert, sodass man mit der HPLC Stoffgemische
trennen kann, bei denen die einfache SC versagt. Die kleineren Teilchen
sind jedoch so dicht gepackt, dass die mobile Phase mit einer speziellen
Pumpe durch die HPLC-Säule gepumpt werden muss. Die Pumpe muss
einen kontinuierlichen, gleichmäßigen Stofffluss gewährleisten, um re-
produzierbare Analysenergebnisse zu erhalten.
5-10 mm
Stahl
5-200 bar
Instrumentelle Analyseverfahren 1
Die Aufgabe der flüssigen Probe erfolgt mit einer Spritze in den Injek-
tor, wo sie von der mobilen Phase aufgenommen wird. Nach der Tren-
nung in der Säule erreichen die einzelnen Substanzen nacheinander
den Detektor, der die Zusammensetzung der mobilen Phase misst und
so anzeigt, zu welchem Zeitpunkt ein Stoff die Säule verlassen hat. Für
jede Komponente erhält man einen „Peak”. Das Chromatogramm be- Detektoren bei der
steht aus mehreren Peaks, aus denen man die Art und die Konzentra- Säulenchromatogra-
fie können UV/VIS-
tion der getrennten Stoffe bestimmen kann.
Photometer
(75. 444), Kondukto-
Der qualitative Nachweis wird Auswertung des Chromatogramms meter (/S. 435) und
über die Retentionszeit geführt, noch viele weitere
die sich aus der Verzögerung er- Benzen
Signalhöhe
Gaschromatografie (GC)
U | |
Gasvorrat Säulenofen t(A) tR(B) tr(O) tin min
Gepackte Säulen ent- Man verwendet heute hauptsächlich leistungsfähige Kapillarsäulen für
halten einen Feststoff die Trennung der Gase. Kapillarsäulen sind 15-300 m lang und haben
als stationäre Phase. einen Innendurchmesser von nur 0,1-1 mm. Sie sind innen mit einem
Sie sind 0,5-10 m sehr dünnen Film (0,1-5 um) einer Trennflüssigkeit, z. B. Siliconöle oder
lang und haben einen
Parrafine, als stationärer Phase beschichtet. An solchen Säulen können
Durchmesser von
sogar Isomere (/7 5. 252) getrennt werden, deren Siedepunkte sehr dicht
1-5 mm. Die Trenn-
leistung ist deutlich beieinander liegen.
schlechter als bei Mithilfe der Kapillar-GC können in der Umweltanalytik Gemische aus
Kapillarsäulen. mehr als 20 verschiedenen aliphatischen oder aromatischen Kohlenwas-
serstoffen (z.B. PCBs, PAKs, 5.283) getrennt werden. Die Anwen-
dungsbreite der Gaschromatografie reicht von der organischen Elemen-
taranalyse (/S. 430), wo die Anteile an CO,, H;O und N; in der Gas-
phase chromatografisch bestimmt werden, bis zur Analyse des Blutalko-
holgehalts. Auch Drogen wie Cannabis oder Kokain lassen sich noch
lange Zeit nach ihrer Konsumierung gaschromatographisch nachweisen.
Instrumentelle Analyseverfahren 443 5
Prinzipiell sind folgende Wechselwirkungen zwischen Materie und Die auf der Ablen-
Strahlung möglich: kung der Strahlung
- Durch Absorption von Strahlung einer bestimmten Wellenlänge wird (Beugung, Reflexion)
ein Übergang in ein höheres Energieniveau angeregt (75.51), z.B. Peruhenden Verfah-
UV/VIS- oder Atomabsorptionsspektroskopie. nen wie dje Ront-
- Bei der Emission sendet eine angeregte Probe beim Übergang in ein nee
tieferes Energieniveau selbst elektromagnetische Strahlung aus, z.B. kopischen Analyse-
Flammenfotometrie, Fluoreszenz. methoden.
- Streuung der Strahlung geeigneter Wellenlänge
- Reflexion, Brechung oder Änderung der Polarisation (Polarimetrie)
allgemeine Form
Intensität
eines Spektrums
Energie ä |
Die Energie E der \
Absorptions- und Emissionsmessungen über einen bestimmten Energie- elektromagnetischen |
bereich haben gemeinsam, dass durch Wechselwirkung von Materie mit Strahlung hängt von
elektromagnetischer Strahlung ein Spektrum erhalten wird. Durch Ab- Ihrer WellenlängeA
sorption wird die Intensität der Strahlung bei einer oder mehreren Wel- Bayın real enznab:
lenlängen verringert. Dagegen wird Strahlung emittiert, wenn Elektro- E=h:v
nen von einem energetisch höheren in einen energetisch tieferen c=A:v
Zustand übergehen. Aus der Intensität und der Wellenlänge der absor-
bierten bzw. emittierten Strahlung kann man Schlussfolgerungen zur
quantitativen Zusammensetzung und Struktur der Probe ziehen.
UV-VIS-Spektroskopie
In UV-VIS-Spektren Ein kleiner Ausschnitt der elektromagnetischen Strahlung ist das ultra-
sind nur Übergänge violette Licht (UV: A= 10-390 nm) und der sichtbare Bereich (VIS:
aus den r- in die nr*- A = 380-790 nm). Strahlung dieser Wellenlänge kann durch viele organi-
an oder aus den n- in die sche Moleküle absorbiert werden, u.a. durch alle farbigen Verbindun-
BE TT*-MOs (/ S. 374) zu
gen. Im UV/WIS-Bereich werden nur die Bindungselektronen von Mole-
= sehen.
külen zu Übergängen angeregt, da sie am weitesten vom Atomkern
entfernt sind. Dadurch wird Licht einer bestimmten Wellenlänge absor-
biert und im Spektrum ein Absorptionsmaximum bzw. eine Absorptions-
bande erhalten. Den für die Absorption verantwortlichen Teil eines
Moleküls nennt man Chromophor (/ 5. 376). Je mehr Chromophore ein
Molekül enthält, desto langwelliger wird das Absorptionsmaximum der
Verbindung. Wird das chromophore System eines Moleküls durch äußere
Einflusse verändert, so verschieben sich die Absorptionsbanden. Einflüsse
haben beispielsweise der pH-Wert und das verwendete Lösungsmittel.
Man spricht dann von bathochromer (längerwellig, Richtung rot) bzw.
hypsochromer Verschiebung (kurzwellig, Richtung blau).
Bi eh
ES "T—
eg
Bei Messungen im
UV-Bereich müssen
Küvetten aus Quarz
benutzt werden, da
Messwert normales Glas selbst
UV-Licht absorbiert.
Proben-
konzentration
Küvette E=Ig a >
c(Analyt)
I IA IIA IA A Al I e
Anhang
addnıbuagaen
"AIpfeoIpei puis sSLEWEIZ SOsoıp BdoJosı ajly *
eıoN E
et9WwaIeH DJ]
SsweuuoWs]g NSENMIETN D]
joqwAs}uswg]g venngeßeuopelg YolsIso4 : „sn
n|lımalnl| Noybissnı
EIER
(84 12-0199‘, = N) (yezsßunupıo) „8
addnıßydney sed : „H addnı6ydneH
448
n UI 9SSEWWOIY |yezusuolold
29
Gefahrstoffhinweise
Gefahrstoffsymbole
T
giftig gesundheitsschädlich
giftige Stoffe (T, T+) gesundheitsschädliche
Krebs erzeugende Stoffe (T, Xn) Stoffe (Xn, Xi)
T Xn T Xn
giftig gesundheitsschädlich giftig gesundheitsschädlich
T Xn
giftig gesundheitsschädlich
0
entzündlich Brand fördernd explosionsgefährlich
Xi c
reizend umweltgefährlich ätzend
reizende Stoffe (Xn, Xi) umweltgefährliche Stoffe ätzende Stoffe
Reizwirkung auf die Haut, sehr giftig, giftig oder Hautgewebe und Geräte
die Atmungsorgane und schädlich für Wasserorganismen, werden nach Kontakt
die Augen Pflanzen, Tiere und Bodenorganismen, zerstört
schädliche Wirkung auf die Umwelt
5 450 Anhang
Gefahrenhinweise (R-Sätze)
R-Sätze weisen auf besondere Gefahren hin.
R1 In trockenem Zustand explosionsge- R20 Gesundheitsschädlich beim Einatmen. R44 Explosionsgefahr bei Erhitzen unter Ein-
fährlich. R21 Gesundheitsschädlich bei Berührung mit schluss.
R2 Durch Schlag, Reibung, Feuer oder an- der Haut. R45 Kann Krebs erzeugen.
dere Zündquellen explosionsgefährlich. R22 Gesundheitsschädlich beim Verschlu- R46 Kann vererbbare Schäden verursachen.
R3 Durch Schlag, Reibung, Feuer oder an- cken. R48 Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei
dere Zündquellen besonders R23 Giftig beim Einatmen. längerer Exposition.
explosionsgefährlich. R24 Giftig bei Berührung mit der Haut. R49 Kann Krebs erzeugen beim Einatmen.
Bildet hochempfindliche R25 Giftig beim Verschlucken. R50 Sehr giftig für Wasserorganismen.
explosionsgefährliche Metallverbindun- R26 Sehr giftig beim Einatmen. R51 Giftig für Wasserorganismen.
gen. R27 Sehr giftig bei Berührung mit der Haut. R52 Schädlich für Wasserorganismen.
Beim Erwärmen explosionsfähig. R 28 Sehr giftig beim Verschlucken. R53 Kann in Gewässern längerfristig schädli-
Mit und ohne Luft explosionsfähig. R29 Entwickelt bei Berührung mit Wasser gif- che Wirkungen haben.
Kann Brand verursachen. tige Gase. R54 Giftig für Pflanzen.
Feuergefahr bei Berührung mit brennba- R3 oO
Kann bei Gebrauch leicht entzündlich R55 Giftig für Tiere.
ren Stoffen. werden. R 56 Giftig für Bodenorganismen.
R9 Explosionsgefahr bei Mischung mit R3 Entwickelt bei Berührung mit Säure gif- R57 Giftig für Bienen.
a
R11 Leicht entzündlich. giftige Gase. R59 Gefährlich für die Ozonschicht.
R12 Hoch entzündlich. R33 Gefahr kumulativer Wirkungen. R 60 Kann die Fortpflanzungsfähigkeit beein-
R14 Reagiert heftig mit Wasser. R 34 Verursacht Verätzungen. trächtigen.
R15 Reagiert mit Wasser unter Bildung leicht R 35 Verursacht schwere Verätzungen. R 61 Kann das Kind im Mutterleib schädigen.
entzündlicher Gase. R 36 Reizt die Augen. R 62 Kann möglicherweise die Fortpflan-
R1 Explosionsgefährlich in Mischung mit R 37 Reizt die Atmungsorgane. zungsfähigkeit beeinträchtigen.
a
brandfördernden Stoffen. R 38 Reizt die Haut. R6 Kann das Kind im Mutterleib mög-
w
Realm Selbstentzündlich an der Luft. R39 Ernste Gefahr irreversiblen Schadens. licherweise schädigen.
R18 Bei Gebrauch Bildung explosionsfähiger/ R40 Irreversibler Schaden möglich. R6 Kann Säuglinge über die Muttermilch
>
leicht entzündlicher Dampf-Luftgemi- R41 Gefahr ernster Augenschäden. schädigen.
sche möglich. R42 Sensibilisierung durch Einatmen möglich.
R1 Kann explosionsfähige Peroxide R43 Sensibilisierung durch Hautkontakt mög-
vo
bilden. lich.
| Sicherheitsratschläge (S-Sätze)
| S-Sätze geben Ratschläge für den sachgemäßen Umgang mit gefährlichen Stoffen.
Sal Unter Verschluss aufbewahren. 527 Beschmutzte, getränkte Kleidung sofort S47 Nicht bei Temperaturen über ... °C auf-
s2 Darf nicht in die Hände von Kindern ausziehen. bewahren (vom Hersteller anzugeben).
gelangen. S 28 Bei Berührung mit der Haut sofort abwa- s4 Feucht halten mit ... (geeignetes Mittel
©
Kühl aufbewahren. schen mit viel ... (vom Hersteller anzu- vom Hersteller anzugeben).
Von Wohnplätzen fernhalten. geben). s49 Nur im Originalbehälter aufbewahren.
Unter ... aufbewahren (geeignete Flüs- 529 Nicht in die Kanalisation gelangen lassen. s50 Nicht mischen mit ... (vom Hersteller an-
sigkeit vom Hersteller anzugeben). Ss 30 Niemals Wasser hinzugießen. zugeben).
S6 Unter ... aufbewahren (inertes Gas vom S 33 Maßnahmen gegen elektrostatische Auf- Ss5 Nur in gut gelüfteten Bereichen verwen-
=
s8 Behälter trocken halten. 335 Abfälle und Behälter müssen in gesicher- haltsräume zu verwenden.
59 Behälter an einem gut gelüfteten Ort auf- ter Weise beseitigt werden. Si53 Expositionen vermeiden. Vor Gebrauch
bewahren. 5 36 Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung besondere Anweisung einholen.
512 Behälter nicht gasdicht verschließen. tragen. 5 56 Diesen Stoff und seinen Behälter der Pro-
5:13 Von Nahrungsmitteln, Getränken und 5 37 Geeignete Schutzhandschuhe tragen. blemabfallentsorgung zuführen.
Futtermitteln fernhalten. Ss 38 Bei unzureichender Belüftung Atem- 5157, Zur Vermeidung einer Kontamination der
514 Von ... fernhalten (inkompatible Sub- schutzgerät anlegen. Umwelt geeigneten Behälter verwenden.
stanzen vom Hersteller anzugeben). 5.39 Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen. 5 59 Information zur Wiederverwendung/
sı15 Vor Hitze schützen. s40 Fußboden und verunreinigte Gegen- Wiederverwertung beim Hersteller/Liefe-
S 16 Von Zündquellen fernhalten - Nicht rau- stände mit ... reinigen (vom Hersteller an- ranten erfragen.
chen. zugeben). 56 Dieser Stoff und sein Behälter sind als ge-
[o}
Sl Von brennbaren Stoffen fernhalten. s4 Explosions- und Brandgase nicht einat- fährlicher Abfall zu entsorgen.
=
SZ Von brennbaren Stoffen fernhalten. men. 56 Freisetzung in die Umwelt vermeiden. Be-
=
Ss 18 Behälter mit Vorsicht öffnen und handha- Ss42 Beim Räuchern/Versprühen geeignetes sondere Anweisungen einholen/Sicher-
ben. Atemschutzgerät anlegen (Bezeichnung heitsdatenblatt zu Rate ziehen.
Ss 20 Bei der Arbeit nicht essen und trinken. vom Hersteller anzugeben). 56 Bei Verschlucken kein Erbrechen herbei-
N
521 Bei der Arbeit nicht rauchen. s4 Zum Löschen ... (vom Hersteller anzuge- führen. Sofort ärztlichen Rat einholen
w
5:22 Staub nicht einatmen. ben) verwenden (wenn Wasser die Ge- und Verpackung oder dieses Etikett vor-
5:23 Gas/Rauch/Dampf/Aerosol nicht einat- fahr erhöht, anfügen: Kein Wasser ver- zeigen.
men (geeignete Bezeichnung vom Her- wenden).
steller anzugeben). s44 Bei Unfall oder Unwohlsein sofort Arzt
524 Berührung mit der Haut vermeiden. zuziehen (wenn möglich, dieses Etikett
525 Berührung mit den Augen vermeiden. vorzeigen).
S 26 Bei Berührung mit den Augen gründlich s4 Bei Verschlucken sofort ärztlichen Rat
a
mit Wasser abspülen und Arzt konsul- einholen und Verpackung oder Etikett
tieren. vorzeigen.
451 Ü
R 14/15 Reagiert mit Wasser unter Bildung R 20/21/22 Gesundheitsschädlich beim Einat- R 27/28 Sehr giftig bei Berührung mit der
leicht entzündlicher Gase. men, Verschlucken und bei Berüh- Haut und beim Verschlucken.
R 15/29 Reagiert mit Wasser unter Bildung rung mit der Haut. R 26/28 Sehr giftig beim Einatmen und
giftiger und leicht entzündlicher R 23/24 Giftig beim Einatmen und bei Be- Verschlucken.
Gase. rührung mit der Haut. R 26/27/28 Sehr giftig beim Einatmen, Ver-
R 20/21 Gesundheitsschädlich beim Einat- R 24/25 Giftig bei Berührung mit der Haut schlucken und bei Berührung mit
men und bei Berührung mit der und beim Verschlucken. der Haut.
Haut. R 23/25 Giftig beim Einatmen und Ver- R 36/37 Reizt die Augen und die Atmungs-
R 21/22 Gesundheitsschädlich bei Berüh- schlucken. organe.
rung mit der Haut und beim Ver- R 23/24/25 Giftig beim Einatmen, Verschlu- R 36/38 Reizt die Augen und die Haut.
schlucken. cken und bei Berührung mit der R 36/37/38 Reizt die Augen, Atmungsorgane
R 20/22 Gesundheitsschädlich beim Einat- Haut. und die Haut.
men und Verschlucken. R 26/27 Sehr giftig beim Einatmen und bei R 42/43 Sensibilisierung durch Einatmen
Berührung mit der Haut. und Hautkontakt möglich.
51/2 Unter Verschluss und für Kinder Ss 718 Behälter trocken und dicht ge- 537/39 Bei der Arbeit geeignete Schutz-
unzugänglich aufbewahren. schlossen halten. handschuhe und Schutzbrille/Ge-
53/7 Behälter dicht geschlossen halten s7/9 Behälter dicht geschlossen an ei- sichtsschutz tragen.
und an einem kühlen Ort aufbe- nem gut gelüfteten Ort aufbe- 5 36/37/39 Bei der Arbeit geeignete Schutz-
wahren. wahren. kleidung, Schutzhandschuhe und
Ss3/9 Behälter an einem kühlen, gut be- S 20/21 Bei der Arbeit nicht essen, trinken, Schutzbrille/Gesichtsschutz tra-
lüfteten Ort aufbewahren. rauchen. gen.
53/14 An einem kühlen Ort, entfernt von S 24/25 Berührung mit den Augen und der 547/49 Nur im Originalbehälter bei einer
... aufbewahren. Haut vermeiden. Temperatur von nicht über ... °C
S3/9/49 Nur im Originalbehälter an einem 5 36/37 Bei der Arbeit geeignete Schutz- aufbewahren.
kühlen, gut gelüfteten Ort aufbe- handschuhe und Schutzkleidung
wahren. tragen.
5 3/9/14/49 Nur im Originalbehälter an einem S 36/39 Bei der Arbeit geeignete Schutz-
kühlen, gut gelüfteten Ort, ent- kleidung und Schutzbrille/Ge-
fernt von ... aufbewahren. sichtsschutz tragen.
Entsorgungsratschläge
(E-Sätze)
E1 Verdünnen, in den Ausguss geben E9 Unter größter Vorsicht in kleinsten Porti- E14 Recycling-geeignet (Redestillation oder
(WGK 0 bzw. 1). onen reagieren lassen (z.B. offen im einem Recyclingunternehmen zuführen).
E2 Neutralisieren, in den Ausguss geben. Freien verbrennen). E15 Mit Wasser vorsichtig umsetzen, evtl. frei
E3 In den Hausmüll geben, gegebenenfalls E10 In gekennzeichneten Glasbehältern sam- werdende Gase verbrennen oder absor-
in PE-Beutel (Stäube). meln: bieren oder stark verdünnt ableiten.
E4 Als Sulfid fällen. 1. „Organische Abfälle - halogenhaltig” E16 Entsprechend den Ratschlägen in Anlage
Eo Mit Calcium-lonen fällen, dann E 1 oder 2. „Organische Abfälle - halogenfrei” 5.1 der „Richtlinien zur Sicherheit im na-
E23: dann E 8. turwissenschaftlichen Unterricht” besei-
E6 Nicht in den Hausmüll geben. E11 Als Hydroxid fällen (pH 8), den Nieder- tigen.
Ei Im Abzug entsorgen; wenn möglich ver- schlag zu E8.
brennen. E12 Nicht in die Kanalisation gelangen lassen
E8& Der Sondermüllbeseitigung zuführen (S-Satz S 29).
(Adresse zu erfragen bei der Kreis- oder E13 Aus der Lösung mit unedlerem Metall
Stadtverwaltung) (z.B. Eisen) als Metall abscheiden (E 14,
Abfallschlüssel beachten. E3)
I 452 Anhang
Register
A Aminoplaste 349 asymmetrisches Kohlenstoff-
Abgangsgruppe 256, 264 Aminosäuren 195, 322, 339 atom 253
Abgaskatalysator 228, 414 - basische 322 Atmosphäre 412
Abgasreinigung 397, 399 - biogene 322 Atmung 340
Abschirmung 64 - polare 322 Atombindung
Absorption 53, 439, 443 - saure 322 - polare 87
Abwasserreinigung 421 - unpolare 322 - unpolare 85
Acetale 271, 313 Aminosäuresequenz 326 Atome 34, 48
Aceton 298, 305 Ammoniak 394, 419 Atomgitter 86
Acetylsalicylsäure 382, 385 - Gleichgewicht 169, 394 Atommodell
Acidität 181, 295, 307 - Herstellung 154, 163, - bohrsches 50
Actinoide 62, 72 169, 394 - daltonsches 48
Addition - Verwendung 394 - modernes quanten-
- elektrophile 269, 278 - Molekül 88 mechanisches 54
- nucleophile 271, 301 Amphoterie 187 - nach BOHR und
Adenosintriphosphat (ATP) Amylopektin 317 SOMMERFELD 52
334, 337, 340, 342 Amylose 317 - rutherfordsches 34, 49
Adsorption 439 anaerobe Bedingungen 343 - thomsonsches 48
aktives Zentrum von Analyt 432 Atomorbitale 58
Enzymen 333 Anilin 251, 293, 378 Atomradius 64, 184
aktivierter Komplex 148 Anionen 89 Atomreaktor 41
Aktivierungsenergie 147, Anode 126, 129 Aufbauprinzip 59, 70
150, 152, 167 Anomalie des Wassers 100 Aufenthaltswahrschein-
Aldehyde 301, 313, 417 Anomere 313 lichkeit 54
Aldohexosen 312 Anthrachinonfarbstoffe 378 Aufstellen von
Aldolreaktion 304 anthropogenener Chemika- Redoxgleichungen 201
Aldosen 312, 314 lieneintrag 410 Ausbeute 32, 159, 166, 168
Alkane 272, 275, 407 Antiauxochrome 376 Autoprotolyse 176
Alkanole 294 Antibiotika 383, 421 Auxochrome 376
Alkene 274, 278, 408 Antiklopfmittel 300 AVOGADRO, AMADEO 27
Alkine 274, 280 Äquivalenzpunkt 189, 246, AVOGADRO-Konstante 27
Alkohole 294 434, 435 a-Zerfall 36
- einwertige 295 Arbeit 103 Azofarbstoffe 378
- mehrwertige 297 Aromaten 266, 281, 408 Azokupplung 378
- primäre 294 aromatische Carbonsäuren
- sekundäre 294 309 B
— tertiäre 294 Argon 70 BAEYER, ADOLF VON 377
alkoholische Gärung 296, ÄARRHENIUS, SVANTE 147, 174 Bakelite® 349
343 ARRHENIUS-Gleichung 147, BALMER, JOHANN 50
Alkylbenzene 285 261 Bändermodell 96
Altersbestimmung mit Arzneimittel 381 Basen 174
Radionukliden 46 Arzneistoff 381 - schwache 179
Aluminium 368, 402 Arzneistoffanalyse 384 - starke 179
Aluminiumoxid 214, 402 Arzneistoffsynthese 385 Basenkonstante 179
Aluminium-Recycling 403 Ascorbinsäure 331 Basizität 179, 292,
Amalgam 231, 369 Aspirin® 385 bathochrome Verschie-
Ameisensäure 306 Assimilation bung 376
Amine 292 - autotrophe 332, 336 Baukastensysteme 392
- biogene 324 - heterotrophe 332, 338 Baumwolle 363, 388
453 K
Ä)
n-Bindung 84, 85 - Lösungsmitteln 263 Protolysegrad 182
PEARSON,RALPH 237 - Phasen 438 Protonen 34
n-Elektronensystem - Teilchen 88, 98 Protonenakzeptor 175
—- delokalisiertes 85, Polyacrylnitril 351, 353 Protonenanzahl 34
251,281, 325, 375 Polyacrylnitrile 363 Protonendonator 175
- konjugiertes 85 Polyaddition 346, 354 Prozesse
Penicillin 383 Polyamide 348, 363 - endergonische 115
Pentanatriumtriphosphat polychlorierte Biphenyle 288 endotherme 103
390 Polyene 375 exergonische 115
Peptidbindung 325 Polyester 347, 363 exotherme 103,168
Peptide 325 Polyethylen 350, 351, 353, irreversible 112
Periode 63 362 - reversible 112
Periodensystem der Elemente Polyethylenterephthalat 347 Prozessgrößen 13, 107
62, 448 Polykondensation 346, 370 Puffergleichgewicht 193
- Kurzperiodensystem 63 Polymere 353 Pufferkapazität 193
- Langperiodensystem 63, - ataktische 359 Pufferlösungen 192
448 - biologisch abbaubare Puffersystem 192
Periodizität 64 362 Purpur 377
Perlon® 348 - syndiotaktische 359 Pyranose 313, 314
Persistenz 420 Polymerisation 278, 346, 350 Pyrolyse 278, 408
PET 347 - anionische 352 Pyrolysebenzin 409
Petrochemie 408 - kationische 352 Pyrotechnik 206
PETTENKOFER VON, MAX 61 - radikalische 350 Pyruvat 340, 343
Pharmakodynamik 384 Polymerisationsgrad 359
Pharmakokinetik 384 Polypropylen 362 Q
Phasen 386 Polysaccharide 317 qualitative Analyse 424
pH-Diagramme 188 Polysiloxane 370 Quantenzahlen 52, 55
a 460 Anhang
Urknall 43 Ww zZ
UV-Strahlung 416, 444 \WVAAGE, PETER 158 Zellatmung 340, 342
UV-VIS-Spektroskopie 444 Wärme 103 Zellreaktion 126
Wärmekapazität 104 Zellspannung 127
V Waschmittel Zement 196, 373
Valence-Bond-Theorie - Ökologie 392 Zentralatom 232
(Valenzbindungstheorie) - Waschvorgang 388 Zentralion 232
77, 80, 239 - Waschwirkung 389 Zeolithe 390
Valenz 68 — Zusammensetzung 391 Zersetzungsspannung 136
Valenzband 96 Wasser 216, 390 Zick-Zack-Struktur 248
Valenzelektronen 60 - lonenprodukt 176, 180 ZIEGLER, KARL 359
Valenzelektronen- - nivellierender ZIEGLER-NATTA-Katalysator
konfiguration 60, 212 Effekt 179 244
Vanadium 224 — Reaktionen mit Zink 231, 369
VAN DER WAALS, JOHANNES 98 Wasser 69, 175, 214 Zink-Silberoxid-
VAN-DER-WAALS-Wechsel- Wasserenthärter 390 Batterien 131
wirkungen 98, 327 Wasserhärte 246, 390 Zinn 369
VANT HOFF, JAcoBUsS 147 Wasserkreislauf 418 Zone der Stabilität 35
van't-hoffsche Wasserstoff 63, 78 Zucker 311
Gleichung 168 Wassermolekül 88 Zusammensetzungs-
Vanillin 302 Wasserstoffbombe 42 größen 28
Verbrennung 109, 197, 411 Wasserstoffbrennen 43 Zusammenstoß,
Verbrennungsenthalpie 109 Wasserstoffbrückenbindung wirksamer 146
Verchromen 139 99, 318, 327 Zustand
Veresterung 166, 271, 308 Weichmacher 361 - angeregter 51
Vergleichen 19 Wellenfunktion 54 - Grundzustand 51
Verhältnisgleichung 31 Welle-Teilchen-Dualismus 53 - höherer Ordnung 111
Verpackungen 362 Werkstoffe 346 - niedrigerer
Verpackungsmaterial 368 Werkstoffeigenschaften 347 Ordnung 111
Verseifung 195, 308, 319 WERNER, ALFRED 232 Zustandsgleichung des idea-
Verzinken 139 Wertigkeit 68, 212 len Gases 14
Verzinnen 139 WILLSTÄTTER, RICHARD 336 Zustandsgrößen 107
verzweigte WINKLER, CLEMENS 20 Zweitsubstitution am
Makromoleküle 357 Wirkstoff 381 Aromaten
VIRTANEN, ARTTURI 344 Wirkungsspezifität 333 — aktivierender Effekt des
Viskosität 276 Wolfram 225 Substituenten 267
Vitamine 331 Wolle 363, 390 - dirigierender Effekt des
Volumenanteil 28 Substitutenten 268
Volumenarbeit 105 Y Zwitterionen 324
Vorproben 424 Yttrium 71, 224
153
Bildquellenverzeichnis
AEG Haushaltsgeräte GmbH: 354/3; BackArts GmbH: 206/2; Bahro K., Berlin: 9/1; BASF AG, Lud-
wigshafen: 344, 394; BAYER AG, Leverkusen: 385; Beko GmbH, Monheim: 354/1; Berkeley Labo-
ratories: 337; Biedermann A,, Berlin: 244/1, 245, 347, 360, 368/1, 371, 375, 391, Bibliografisches
Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim: 132, 137, 147, 197, 346, 360/1, 360/2, 396, 412; Bildar-
chiv Preußischer Kulturbesitz: 381/2; BSR, Berlin: 365; Corbis Royalty Free: 318; Corel Photos Inc.:
8/1, 247, 355, 392/1; Deutsche Gesellschaft für Kunststoff-Recycling, Köln: 364; dpa: 54, 222, 231/
1, 288; Ernst D., Berlin: 24; ETH Zürich: 349/1; Fischer R., Berlin, 373/1; Frank J., Hohenheim: 437;
Fulda Reifen GmbH & Co. KG, 358; Grohe Water Technology AG, Hemer: 139; Hecker F., Panten-
Hammer 377/2; Henkel KGaA, Düsseldorf: 390; H-TEC Wasserstoff-Energie, Lübeck: 17; Hum-
boldt-Universität, Berlin: 61, 194; IMA, Hannover: 205/1; John Foxx Images 134; Karl-Sudhoff-
Institut, Leipzig: 40; Keystone Pressedienst, Hamburg: 115; Liesenberg G., Berlin: 357, 366/3; Lur-
gi AG, Frankfurt: 398; Mahler H., Berlin: 11/2, 18/1, 69, 101, 111, 173, 195, 196, 217, 229/1, 229/
3, 234, 235/1, 235/2, 246, 278, 284, 311, 316/1, 316/2, 316/3, 330/1, 350, 351, 372, 377/1, 386, 424,
425/1, 425/2, 427/1, 427/2, 427/3, 427/4, 427/5, 428; Makrolon GmbH, Darmstadt: 348; Mannes-
mann Dematic AG, Wetter: 366/1; Mauritius Bildagentur: 231/2, Mentzel J., Radewege: 373/2:
Mercedes-Benz AG, Stuttgart: 133, 368/2; Meyer L., Potsdam: 132, 225/1, 366/2; NASA: 8/3, 46;
Neuls Z., Berlin: 392/2; Nobelstiftelsen, Stockholm: 81; OSRAM GmbH, Berlin: 225/2; PAETEC Ver-
lag für Bildungsmedien (Bildarchiv): 20, 38, 42, 48, 50, 230, 414/1; Photo Disc Inc.: 54, 205/2, 206/
1, 207, 224, 229/2, 330/2, 362, 363/2, 369, 373, 374, 381/1, 382; Photo Disk Royalty Free: 7, 47,
354/2, 384; PHYWE Systeme GmbH, Göttingen: 18/2, 19, 54, 155, 423, 433; Raum B., Neuenha-
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werke, Heilbronn: 219; Volkswagen AG, Wolfsburg: 346/1, 363/1; Universität Tübingen: 10/1;
Wacker Siltronic AG, Burghausen: 209
Ve
M ; ISBN 3-41 1-00221-2 2
zul UNNNNIN] :
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