Dirk Labuhn-Keine Panik Vor Thermodynamik (2007)
Dirk Labuhn-Keine Panik Vor Thermodynamik (2007)
Dirk Labuhn-Keine Panik Vor Thermodynamik (2007)
Thermodynamik
18. Auflage
123
Professor Dr.-Ing. Peter Stephan
Fachgebiet für Technische Thermodynamik
Technische Universität Darmstadt
Petersenstraße 30
64287 Darmstadt
DOI 10.1007/978-3-540-92895-9
c 2009, 2007, 2005, 1998, 1992, 1990, 1986, 1975, 1963 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der
Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funk-
sendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung
in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine
Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den
Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland
vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungs-
pflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.
987654321
springer.de
Vorwort zur achtzehnten Auflage
Die sechzehnte Auflage erschien vor eineinhalb Jahren als eine umfassende Neube-
arbeitung des bekannten Lehrbuches von Karl Stephan und Franz Mayinger. Die gu-
te Aufnahme unseres Buches bei Studierenden und Ingenieuren machte bereits nach
nur einem Jahr einen Nachdruck erforderlich. Bei der umfassenden Neubearbeitung
hatten sich trotz sorgfältigen Korrekturlesens leider einige Druckfehler eingeschli-
chen. Gespräche mit unseren Studierenden und Kollegen führten zudem dazu, dass
wir an wenigen Stellen Formulierungen etwas präzisiert und einige genauere Stoff-
werte aufgenommen haben. Daher folgt nun bereits die vorliegende siebzehnte Auf-
lage des Buches. In ihr haben wir die genannten Änderungen eingearbeitet und nun
hoffentlich alle Druckfehler beseitigt. Möge unser Buch auch weiterhin Gefallen
finden und den Lesern die Grundlagen und technischen Anwendungen der Thermo-
dynamik nahe bringen.
Das vorliegende Buch ist eine umfassende Neubearbeitung des bekannten Lehr-
buches von Karl Stephan und Franz Mayinger Thermodynamik: Grundlagen und
”
technische Anwendungen“, das zuletzt als 15. Auflage 1998 erschienen ist. Der Ur-
sprung des Werkes ist das Lehrbuch von Ernst Schmidt Technische Thermodyna-
”
mik; Grundlagen und Anwendungen“, das 1936 erstmals und zuletzt als 10. Aufla-
ge 1963 unter dem Titel Einführung in die Technische Thermodynamik und in die
”
Grundlagen der chemischen Thermodynamik“ erschien.
Karl Stephan und Franz Mayinger haben als Autoren der 11. bis 15. Auflage
eine vollständige Neubearbeitung vorgenommen und das Werk um mehrere Kapitel
ergänzt, insbesondere im Bereich der Mehrstoffsysteme und der technischen Stoff-
trennprozesse. Seit der 11. Auflage, 1975, erscheint das Buch in zwei Bänden, von
denen der erste die Thermodynamik der Einstoffsysteme, der zweite die der Mehr-
stoffsysteme und der chemischen Reaktionen behandelt.
Der Tradition des bekannten Lehrbuches verpflichtet, das viele Generatio-
nen von Studierenden der Ingenieurwissenschaften begleitet hat, haben wir die
bewährten Inhalte und deren Aufteilung auf zwei Bände weitgehend beibehalten.
Dies gilt auch für die im Vergleich zu anderen Lehrbüchern reichliche Ausstattung
mit Zahlenangaben für Stoffeigenschaften.
Wesentliche Änderungen wurden dagegen im vorliegenden ersten Band an der
Struktur der Darstellung vorgenommen. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand da-
bei, die zentrale Bedeutung der Bilanzen von Masse, Energie und Entropie in der
Thermodynamik und deren Analogien stärker zur Geltung zu bringen. So wurden
beispielsweise die allgemeingültige Methode einer Bilanzierung den Ableitungen
der beiden Hauptsätze vorangestellt und die Kapitel zur Energiebilanz bzw. zum er-
sten Hauptsatz sowie zur Entropiebilanz bzw. zum zweiten Hauptsatz ähnlich struk-
turiert. Die Bilanzgleichungen für Energie und Entropie werden zunächst umfassend
und allgemein gültig für beliebige thermodynamische Systeme vorgestellt und erst
dann auf Spezialfälle angewandt. Thermische und kalorische Zustandsgleichungen
werden in jeweils eigenen Kapiteln getrennt von den Hauptsätzen behandelt. Bei
der Beschreibung der Stoffeigenschaften haben wir die Ergebnisse neuerer Arbeiten
eingearbeitet. In das Kapitel über thermodynamische Prozesse haben wir eingangs
Beschreibungen und Berechnungsgrundlagen einzelner Anlagenkomponenten wie
beispielsweise Pumpen oder Turbinen eingefügt. Dem Gedanken folgend vom All-
gemeinen ausgehend das Spezielle abzuleiten, sind den technischen Kreisprozes-
sen allgemeine Betrachtungen über Wärmekraftmaschinen, Kältemaschinen und
Wärmepumpen vorangestellt.
Wie die vorausgegangenen enthält auch die Neuauflage eine Einführung in die
Wärmeübertragung, etwa in dem Umfang wie sie in den Grundlagenvorlesungen
des Maschinenbaus und der Verfahrenstechnik bzw. Chemieingenieurtechnik ge-
lehrt wird.
Vorwort VII
Gegenüber den früheren Auflagen haben wir die Formelzeichen einiger Größen
geändert, wobei für uns eine konsequente, in sich konsistente Bezeichnung ther-
modynamischer Größen von vorrangiger Bedeutung war. Der Anhang wurde um
ein Glossar mit kurzen Erläuterungen der wichtigsten thermodynamische Begriffe
ergänzt.
Die Thermodynamik wird von den Studierenden allgemein als eines der schwie-
rigsten Wissensgebiete angesehen, obwohl sie mit nur wenigen Lehrsätzen und ma-
thematischen Kenntnissen auskommt. Dies mag vor allem an den Schwierigkeiten
liegen, die wenigen, aber oft sehr abstrakten, allgemein gültigen Gesetze auf kon-
krete technische und physikalische Vorgänge anzuwenden. Die neue Struktur der
Darstellung des Buches soll dazu beitragen, diese Schwierigkeiten zu vermindern.
Der Tradition des Buches folgend werden dabei die Grundlagen trotz aller gebo-
tenen wissenschaftlichen Strenge stets so anschaulich wie möglich dargeboten und
unmittelbar im Anschluss an die entwickelten Sätze deren Anwendungen dargestellt
und durch praxisnahe Beispiele sowie zahlreiche Übungsaufgaben vertieft.
Den ehemaligen Autoren, Karl Stephan und Franz Mayinger, sind wir für wert-
volle Hinweise und Ratschläge zu Dank verpflichtet. Dem Springer-Verlag danken
wir für die angenehme Zusammenarbeit und unseren Mitarbeitern Clemens Meyer
und Michael Kempf für die sorgfältige Erstellung der druckfähigen Datei.
4. Energieformen 41
4.1 Systemenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4.1.1 Mechanische Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4.1.2 Innere Energie und ihre kinetische Deutung . . . . . . . . . . . . . . 43
X Inhaltsverzeichnis
Sachverzeichnis 493
Liste der Formelzeichen
(SI-Einheiten sind in eckigen Klammern hinzugefügt. Größen, bei denen diese An-
gabe fehlt, sind dimensionslos.)
1. Lateinische Buchstaben
A Fläche [m2 ]
a Absorptionsgrad
a Kohäsionskonstante in der van-der-Waalsschen Gleichung [Nm4 /kg2 ]
a Abstand [m]
a Querteilungsverhältnis
a Temperaturleitfähigkeit [m2 /s]
Ar Archimedes-Zahl
B magnetische Induktion [N/(Am)]
B Anergie [J]
B Breite [m]
b Kovolumen in der van-der-Waalsschen Zustandsgleichung [m3 /kg]
b Längsteilungsverhältnis
Bi Biot-Zahl
C Strahlungsaustauschkonstante [W/(m2 K4 )]
C Kapazität [As/V]
C,C p ,C v Molwärmen, molare Wärmekapazität [J/(kmol K)]
Ċ Wärmekapazitätsstrom [W/K]
c spezifische Wärmekapazität [J/(kg K)]
cp – bei konstantem Druck [J/(kg K)]
cv – bei konstantem Volumen [J/(kg K)]
D dielektrische Verschiebung [As/m2 ]
D Durchmesser [m]
d Durchmesser, Bezugslänge [m]
d Durchlassgrad, Transmissionsgrad
E elektrische Feldstärke [V/m]
E Emission [W/m2 ]
E Energie [J]
E molare Energie [J/kmol]
Ė Energiestrom [W]
E∗ Elastizitätsmodul [N/m]
Es Emission des schwarzen Körpers
e Elementarladung [C]
XVI Liste der Formelzeichen
Pe Péclet-Zahl
Pr Prandtl-Zahl
Q Wärme [J]
Qel elektrische Ladung [As]
Q̇ Wärmestrom [W]
q spezifische Wärme [J/kg]
q̇ Wärmestromdichte [W/m2 ]
R Gaskonstante [J/(kg K)]
R Wärmewiderstand [K/W]
Rel elektrischer Widerstand [Ω]
R universelle Gaskonstante [J/(kmol K)]
r Radius, Abstand [m]
r Reflexionsgrad
Re Reynolds-Zahl
S Entropie [J/K]
Sirr Entropieerzeugung durch Irreversibilitäten [J/K]
S molare Entropie [J/(kmol K)]
Ṡ Entropiestrom [W/K]
s Abstand [m]
s spezifische Entropie [J/(kg K)]
s , s , s – auf den Phasengrenzkurven [J/(kg K)]
St Stanton-Zahl
T absolute Temperatur [K]
Tk kritische Temperatur [K]
Tr reduzierte Temperatur
Ts Sättigungstemperatur [K]
Ttr Temperatur am Tripelpunkt [K]
Tu Umgebungstemperatur [K]
t Temperatur [◦ C]
U innere Energie [J]
Uel elektrische Spannung [V]
U molare innere Energie [J/kmol]
u spezifische innere Energie [J/kg]
u , u , u – auf den Phasengrenzkurven [J/kg]
V Volumen [m3 ]
V Molvolumen [m3 /kmol]
v spezifisches Volumen [m3 /kg]
v , v , v – auf den Phasengrenzkurven [m3 /kg]
vk kritisches spezifisches Volumen [m3 /kg]
vr reduziertes spezifisches Volumen
W thermodynamische Wahrscheinlichkeit
w elektrischer Widerstand [Ω]
w Geschwindigkeit [m/s]
Z Realgasfaktor
X Plattendicke [m]
x Dampfgehalt
X, Y, Z Variablen, allgemein
x, y, z Variablen, allgemein
z Länge, Weg [m]
XVIII Liste der Formelzeichen
2. Griechische Buchstaben
α Drehwinkel, Winkel
α Wärmeübergangskoeffizient [W/(m2 K)]
α Neigungswinkel
β Ausdehnungskoeffizient [l/K]
β Winkel
γ Flächenverhältnis
γ Spannungskoeffizient [l/K]
δ Wanddicke [m]
ε Dehnung
ε Dielektrizitätskonstante [C2 /(Nm2 )]
ε Emissionszahl
ε Verdichtungsverhältnis
εKM Leistungszahl einer Kältemaschine
εWP Leistungszahl einer Wärmepumpe
η Wirkungsgrad, Gütegrad
η dynamische Viskosität [kg/(m s)]
ηC Carnot-Faktor, Carnot-Wirkungsgrad
Θ Debye-Temperatur [K]
Θ dimensionslose Temperatur
ϑ empirische Temperatur [◦ C], [K]
κ Isentropenexponent
λ Wärmeleitfähigkeit [W/(Km)]
λ Wellenlänge der Strahlung [m]
μ Einschnürungszahl bei der Strömung durch Blenden
μ magnetische Permeabilität [Vs/Am)]
ν kinematische Viskosität [m2 /s]
Dichte [kg/m3 ]
σ Normalspannung [N/m2 ]
σ Strahlungsaustauschkonstante des schwarzen Körpers [W/(m2 K4 )]
σ Oberflächenspannung [N/m]
τ Zeit [s]
τ Schubspannung [N/m2 ]
Φ Potential
ϕ Einspritzverhältnis bei Dieselmotoren
ϕ Geschwindigkeitszahl
ϕ Lennard-Jones-Potential [J]
ϕ Winkel
χ isothermer Kompressibilitätskoeffizient [m2 /N]
Ψ Dissipationsenergie [J]
ψ Ausflussfunktion
ψ Reibungsbeiwert
ω dimensionslose Geschwindigkeit, Winkelgeschwindigkeit [l/s]
Kapitel 1:
Gegenstand und Grundbegriffe der
Thermodynamik
1.1
Gegenstand der Thermodynamik
Die Thermodynamik ist eine allgemeine Energielehre. Sie befasst sich mit den ver-
schiedenen Erscheinungsformen der Energie, mit den Umwandlungen von Energien
und mit den Eigenschaften der Materie, da Energieumwandlungen eng mit Eigen-
schaften der Materie verknüpft sind.
Da es kaum einen physikalischen Vorgang ohne Energieumwandlungen gibt,
ist die Thermodynamik einer der grundlegenden Zweige der Naturwissenschaften.
Sie ist gleichzeitig Grundlage vieler Ingenieurdisziplinen: Dem Verfahrenstechni-
ker liefert sie die allgemeinen Gesetze der Stofftrennung, da diese stets über Ener-
gieumwandlungen ablaufen, dem Kälte- und Klimatechniker die Grundgesetze der
Erzeugung tiefer Temperaturen und der Klimatisierung und dem Maschinen- und
Elektroingenieur die Gesetze der Energieumwandlung. Es gehört zum Wesen der
thermodynamischen Betrachtungsweise, dass sie – losgelöst von speziellen tech-
nischen Prozessen – die diesen innewohnenden allgemeinen und übergeordneten
Zusammenhänge sucht.
So verschiedene technische Prozesse wie diejenigen, welche in einem Verbren-
nungsmotor, einem Kernkraftwerk, in einer Brennstoffzelle oder in einer Luftver-
flüssigungsanlage ablaufen, lassen sich mit Hilfe thermodynamischer Gesetze unter
einheitlichen Gesichtspunkten zusammenfassen. Freilich wird der Ingenieur, wel-
cher einen Verbrennungsmotor, ein Kernkraftwerk, eine Brennstoffzelle oder ei-
ne Luftverflüssigungsanlage plant und entwirft, sich noch viele andere Kenntnis-
se über Einzelheiten des Prozessablaufs, über Werkstoffe, Konstruktion und Ferti-
gung, Eigenschaften der benötigten Maschinen und Apparate und über wirtschaft-
liche und vielfach auch über rechtliche und politische Zusammenhänge aneignen
müssen. Eine sichere Beurteilung des Prozessablaufs und der energetischen Zusam-
menhänge ist jedoch ohne eine gründliche Beherrschung der thermodynamischen
Gesetze nicht möglich.
2 1. Gegenstand und Grundbegriffe der Thermodynamik
Eine Lehre von der Thermodynamik für Ingenieure verfolgt drei Ziele:
1. Die allgemeinen Gesetze der Energieumwandlung sollen bereitgestellt werden.
2. Die Eigenschaften der Materie sollen untersucht werden.
3. An ausgewählten, aber charakteristischen Beispielen soll gezeigt werden, wie
diese Gesetze auf technische Prozesse anzuwenden sind.
Im Rahmen dieses Buches wird hierbei eine wichtige Einschränkung vorgenom-
men. Es werden vorwiegend Energieumwandlungen beim Übergang von einem
Gleichgewichtszustand in einen anderen behandelt, und es werden die Eigenschaf-
ten der Materie im Gleichgewichtszustand untersucht. Auf Aussagen über den zeit-
lichen Ablauf von Vorgängen wird weitgehend verzichtet. Für viele technische Pro-
zesse ist diese Einschränkung unerheblich, da hierbei das System tatsächlich von
einem Gleichgewichtszustand in den anderen überführt wird und für eine Beur-
teilung des Prozesses der zeitliche Verlauf des Übergangs zwischen den Gleich-
gewichtszuständen uninteressant ist. Viele Prozesse laufen überdies so langsam
ab, dass in dem System näherungsweise Gleichgewicht vorhanden ist und daher
auch die Zwischenzustände mit dem nur für Gleichgewichte gültigen Formalismus
näherungsweise beschrieben werden können. Man bezeichnet den Teil der Thermo-
dynamik, welcher dem Studium der Gleichgewichte gewidmet ist, zutreffender auch
als Thermostatik. Die Bezeichnung Thermodynamik hat sich jedoch auch für dieses
Gebiet so eingebürgert, dass wir sie beibehalten wollen.
Eine andere Einschränkung, die wir vornehmen, besteht darin, dass wir – von
einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – nur das makroskopische Verhalten der
Materie in ihren Gleichgewichtszuständen behandeln, d.h., wir verzichten darauf,
die Bewegung einzelner Moleküle zu beschreiben. Bei einer solchen mikroskopi-
schen Art der Beschreibung muss man die Geschwindigkeit und den Ort eines jeden
Moleküls angeben. Im Gegensatz zu dieser aufwändigen Betrachtungsweise kommt
die makroskopische Art der Beschreibung mit wenigen Veränderlichen aus. Diese
Tatsache kann man sich leicht am Beispiel der Bewegung eines Kolbens im Zylinder
eines Motors klarmachen. In jedem Augenblick der Bewegung besitzt das im Zylin-
der eingeschlossene Gas, Abb. 1.1, je nach Stellung des Kolbens ein ganz bestimm-
tes Volumen. Eine weitere für die Beschreibung des Vorgangs nützliche Größe ist
der Druck, den man an einem Manometer ablesen kann und der sich – genau wie das
Volumen – mit der Kolbenbewegung ändert. Weitere messbare Eigenschaften sind
1.2 Thermodynamische Systeme 3
die Temperatur und die Zusammensetzung des Gases. Man kann das im Zylinder
eingeschlossene Gas durch diese Eigenschaften charakterisieren. Sie sind makro-
skopische Eigenschaften, die man messen kann, ohne etwas über die komplizierte
Bewegung der einzelnen Gasmoleküle zu wissen. Man nennt derartige Eigenschaf-
ten makroskopische Koordinaten.
Wie man an diesem Beispiel erkennt, erfordert die makroskopische Beschrei-
bung keine spezielle Kenntnis der atomistischen Struktur der Materie. Makroskopi-
sche Koordinaten sind überdies leicht messbar, und man benötigt, wie das Beispiel
zeigte, nur wenige Koordinaten, um den Vorgang zu charakterisieren.
1.2
Thermodynamische Systeme
Unter einem thermodynamischen System, kurz auch System genannt, versteht man
das materielle Objekt, dessen thermodynamische Eigenschaften man untersuchen
möchte. Im einfachsten Fall kann es sich dabei um eine abgegrenzte Gas- oder
Flüssigkeitsmenge handeln. Beispiele für thermodynamische Systeme sind aber
auch ganze Anlagen zur Energie- und Stoffumwandlung, wie beispielsweise ein
Kohlekraftwerk. Das System wird durch die Systemgrenze von seiner Umwelt ge-
trennt, die man seine Umgebung nennt. Eine Systemgrenze ist somit eine gedach-
te geschlossene Fläche im Raum. Sie muss keineswegs fest und unbeweglich sein,
sondern sie darf sich während des Vorgangs, den man zu untersuchen wünscht, auch
verschieben, und sie darf außerdem für Energie und Materie durchlässig sein. Eine
Systemgrenze wird entsprechend der jeweiligen Aufgabenstellung festgelegt. Eine
zweckmäßige Festlegung der Systemgrenze kann die thermodynamische Analyse
von Problemstellungen wesentlich erleichtern.
Als Beispiel betrachten wir die Bewegung eines Kolbens in einem Zylinder mit
Ein- und Auslassventilen, Abb. 1.2.
Will man nur die Eigenschaften des Gases untersuchen, so wird man die System-
grenze, wie es die gestrichelte Linie in Abb. 1.2 andeutet, um den Gasraum legen.
Alles, was außerhalb dieser Grenze liegt, gehört zur Umgebung des Systems. Mit
dem Kolben verschiebt sich nun auch die Systemgrenze. Außerdem kann Gas über
die Ventile ein- oder ausströmen, sodass Materie mit der Umgebung ausgetauscht
4 1. Gegenstand und Grundbegriffe der Thermodynamik
wird. Schließlich ist noch ein Energieaustausch mit der Umgebung möglich, zum
Beispiel, wenn man die Zylinderwand mit Wasser kühlt.
Vereinbarungsgemäß bezeichnet man ein System als geschlossen, wenn die Sys-
temgrenze undurchlässig für Materie ist, während die Grenze eines offenen Systems
für Materie durchlässig ist. Ein System, das, wie Abb. 1.3 zeigt, aus einem Gas be-
steht und durch Zylinder und Kolben begrenzt ist, nennt man demnach geschlossen,
unabhängig davon, ob sich der Kolben bewegt oder ob er stillsteht.
Andere Beispiele für ein geschlossenes System sind feste Körper oder Mas-
senelemente in der Mechanik. Die Masse eines geschlossenen Systems ist un-
veränderlich.
Abgeschlossen nennt man ein System dann, wenn es von allen Einwirkungen
seiner Umgebung isoliert ist, wenn also weder Materie noch Energie über die Sys-
temgrenze transportiert werden kann.
In Abb. 1.4 ist ein Ventilator als Beispiel für ein offenes System dargestellt.
Weitere Beispiele für offene Systeme sind unter anderem Dampfturbinen, Strahl-
triebwerke, strömende Medien in Kanälen. Die Masse eines offenen Systems kann
sich mit der Zeit ändern, wenn die während einer bestimmten Zeit in das System
einströmende Masse von der ausströmenden verschieden ist. Ein Beispiel hierfür
ist ein Stausee, dessen Wasserspiegel je nach Zu- und Abfluss in gewissen Grenzen
variiert werden kann.
Handelt es sich bei dem zu untersuchenden offenen System um eine komple-
xe Anlage zur Stoff- oder Energieumwandlung verwendet man auch den Begriff
des Bilanz- oder Kontrollraums und der Bilanz- oder Kontrollraumgrenze anstelle
der Begriffe offenes System und Systemgrenze. Dies ist dadurch begründet, dass
bei durchströmten Apparaten und Anlagen eigentlich nur die Änderung der ther-
modynamischen Zustände der über die Bilanzgrenzen ein - und ausströmenden
Flüssigkeiten und Gase unter der Einwirkung von Energieaustauschprozessen be-
trachtet wird.
Jedes offene System kann in ein geschlossenes überführt werden und umge-
kehrt. Als Beispiel hierfür betrachten wir die Bewegung einer Flüssigkeit oder eines
Gases, indem wir ein kleines Massenelement als unser System herausgreifen. Seine
Bewegung kann man beschreiben, indem man die Koordinaten des Massenelements
als Funktion der Zeit angibt. Jedes Massenelement stellt für sich ein geschlossenes
System dar. Eine andere und oft einfachere Art der Beschreibung der Bewegung
Abbildung 1.2. Zum Begriff des Systems Abbildung 1.3. Beispiel für ein geschlosse-
nes System
1.3 Die Koordinaten und der Zustand eines Systems 5
besteht darin, dass man ein raumfestes Volumenelement abgrenzt und die Strömung
durch dieses Volumenelement studiert. Da ständig andere Teilchen durch das Volu-
menelement strömen, hat man es mit einem offenen System zu tun. Es ist demnach
auch durchaus möglich, das in Abb. 1.4 dargestellte offene System in ein geschlos-
senes zu überführen, indem man sich in den Ein- und Austrittsquerschnitten Kolben
angebracht denkt, Abb. 1.5, die sich mit dem einströmenden Gas nach innen und
mit dem ausströmenden nach außen bewegen.
1.3
Die Koordinaten und der Zustand eines Systems
Nachdem man zur Lösung eines thermodynamischen Problems zuerst das System
definiert hat, besteht die nächste Aufgabe darin, das System durch Beschreibung
seiner Eigenschaften näher zu identifizieren. Da in thermodynamischen Systemen
letztendlich Flüssigkeiten oder Gase bzw. Feststoffe Änderungen ihrer Eigenschaf-
ten erfahren, stehen im Mittelpunkt einer thermodynamischen Analyse typische
Eigenschaften wie Druck, Temperatur, Dichte, Volumen, elektrische Leitfähigkeit,
Brechungsindex oder Magnetisierung. Aufgrund ihrer technischen Bedeutung wer-
den in der Thermodynamik überwiegend Syteme behandelt, in denen ein Fluid ein-
geschlossen ist bzw. die von fluiden Stoffströmen durchströmt werden. Der Begriff
Fluid ist ein Überbegriff zu den Begriffen Flüssigkeit und Gas.
Pumpt man beispielsweise einen Gasballon auf, so kann man sich fragen, wie
sich die Masse des Gases mit dem Volumen ändert. Obwohl das Gas noch durch vie-
le andere Variablen charakterisiert wird, beispielsweise die Temperatur, die Dielek-
trizitätskonstante, den Brechungsindex, die Absorptionsfähigkeit von thermischer
Strahlung, werden während des Aufpumpens doch nur wenige Größen verändert,
alle anderen werden konstant gehalten und können daher außer Acht gelassen wer-
den. Will man also ein System näher beschreiben, so wird man nur die Eigenschaf-
ten berücksichtigen, welche sich bei zu untersuchenden Vorgängen ändern. Man be-
schränkt sich somit von vornherein auf eine bestimmte Anzahl von Variablen. Jede
von ihnen hat eine bestimmte Dimension und wird in den Einheiten eines Einheiten-
systems gemessen. Hat jede der Variablen, welche man zur Beschreibung des Sy-
stems verwendet, einen festen Wert, so sagt man abkürzend, das System befinde sich
in einem bestimmten Zustand. Der Zustand des Systems ist demnach charakterisiert
durch feste Werte physikalischer Eigenschaften des Systems. Man kann allerdings,
6 1. Gegenstand und Grundbegriffe der Thermodynamik
wie wir sahen, keine Regeln über die Eigenschaften aufstellen, welche man zur Be-
schreibung eines Systems benötigt. Dies hängt ausschließlich davon ab, in welcher
Hinsicht man den Zustand eines Systems beschreiben will. So wird man zur Be-
schreibung eines thermodynamischen Systems, das aus einem Gas, einer Flüssigkeit
oder einem Gemisch verschiedener Gase und Flüssigkeiten besteht, beispielsweise
die Mengen der verschiedenen Substanzen, ihren Druck und ihr Volumen als Eigen-
schaften wählen. Will man hingegen den Zustand eines Systems beschreiben, bei
dem man das Verhalten der Oberflächen von dünnen Flüssigkeitsfilmen betrachtet,
so wird man physikalische Eigenschaften wie die Oberflächenspannung heranzie-
hen, während man zur Beschreibung des magnetischen Zustands eines Systems die
magnetische Feldstärke und die Magnetisierung verwenden wird.
Wie die Erfahrung zeigt, sind nicht alle Eigenschaften eines Systems un-
abhängig voneinander. Beispielsweise ist der elektrische Widerstand eines metal-
lischen Leiters von der Temperatur abhängig, der Brechungsindex einer Flüssigkeit
ändert sich mit dem Druck und der Dichte. Man kann demnach nur bestimm-
te Eigenschaften unabhängig voneinander ändern. Nehmen diese unabhängigen
Veränderlichen oder Koordinaten bestimmte Werte an, so liegen die davon
abhängigen Eigenschaften fest. Man nennt nun jede Auswahl der Veränderlichen
ein Koordinatensystem. Feste Werte der Koordinaten bestimmen den Zustand des
Systems. Die Anzahl der unabhängigen Koordinaten, also der unabhängigen Varia-
blen, nennt man auch die Anzahl der Freiheitsgrade des Systems. Kennt man sie und
hat man darüber hinaus noch die Werte aller abhängigen Variablen in jedem Zustand
des Systems ermittelt, so sind alle Angaben bekannt, die man zur vollständigen Be-
schreibung der Zustände eines Systems benötigt.
In die Sprache der Mathematik übersetzt bedeuten diese Ausführungen, dass
man irgendeine Eigenschaft Y des Systems, beispielsweise sein Volumen, als Funk-
tion von n unabhängigen Eigenschaften X1 , X2 , . . . ,Xn zum Beispiel des Druckes
und der Temperatur ansieht und dass eine eindeutige Funktion
existiert. Die Werte X1 , X2 , . . . ,Xn sind hierbei die unabhängigen Variablen, bil-
den also mit der abhängigen Variablen Y das Koordinatensystem. Die Auswahl der
Variablen ist nicht beliebig, da von vornherein nicht festliegt, welche der möglichen
Variablen man als abhängig und welche man als unabhängig ansehen soll. Die wei-
teren Betrachtungen werden zeigen, wie man eindeutige Funktionen Y gewinnt.
Gl. (1.1) beschreibt den Zusammenhang zwischen physikalischen Eigenschaften
eines Systems. Man nennt sie eine Zustandsgleichung oder Zustandsfunktion und
die in ihr vorkommenden Koordinaten (Variablen) auch Zustandsgrößen. Derarti-
ge Zustandsgleichungen kann man aus Messwerten konstruieren oder in einfachen
Fällen auch berechnen.
Den Übergang eines Systems von einem Zustand in einen anderen nennt man
eine Zustandsänderung. Um eine Zustandänderung zu beschreiben, reicht es aus,
den Endzustand und den Anfangszustand anzugeben. Es ist dabei vollkommen
gleichgültig, auf welchem Weg diese Zustandsänderung erfolgt.
1.4 Zustandsgrößen und Systemeigenschaften 7
1.4
Zustandsgrößen und Systemeigenschaften
Die Existenz einer Zustandsfunktion, Gl. (1.1), ist ein Erfahrungssatz, den man
nicht beweisen, sondern bestenfalls auf andere Erfahrungssätze zurückführen kann.
Tatsächlich gibt es einige wenige Systeme, bei denen man für feste Werte der phy-
sikalischen Größen X1 , X2 , . . . ,Xn keine eindeutige Funktion Y angeben kann, da
die Funktion Y nicht nur von den jeweiligen Werten X1 , X2 , . . . ,Xn , sondern auch
noch von deren Vorgeschichte abhängt. Solche Systeme besitzen ein Gedächtnis
oder Erinnerungsvermögen für ihre Vorgeschichte. Da sie praktisch kaum vorkom-
men, wollen wir uns hier nicht mit ihnen befassen, sondern nur Systeme untersu-
chen, für die eindeutige Zustandsfunktionen existieren, die durch die jeweiligen
Werte X1 , X2 , . . . ,Xn bestimmt sind, unabhängig davon wie das System in die-
sen Zustand gelangte. Es spielt also für den Wert der Zustandsfunktion keine Rol-
le, in welcher Weise sich die Zustandsgrößen änderten, bevor das System in einen
bestimmten Zustand gelangte, mit anderen Worten: die Zustandsfunktion ist wegun-
abhängig.
Unter Weg in dem Wort wegunabhängig hat man hier allerdings nicht den Zu-
standsverlauf in einem gewöhnlichen Raum, sondern den Zustandsverlauf in einem
thermodynamischen Raum zu verstehen, der durch die Zustandsgrößen gegeben ist
und der häufig auch als Gibbsscher Phasenraum 1 bezeichnet wird.
Für wegunabhängige Größen2 gilt nun folgender wichtiger Satz aus der Mathematik3 :
Ist Y (X1 , X2 , . . . ,Xn ) eine wegunabhängige Größe, so kann man die Änderung von Y
durch ein vollständiges Differential beschreiben.
∂Y ∂Y ∂Y
dY = dX1 + dX2 + . . . + dXn
∂X1 ∂X2 ∂Xn
1
So benannt nach Josiah Williard Gibbs (1839–1903), Professor für Mathematische Phy-
sik an der Yale-Universität in New Haven, Connecticut, USA. Sein Hauptwerk ”On the
equilibrium of heterogenous substances”, erschienen 1876 in den Transactions Connec-
ticut Academy, blieb lange Zeit unbeachtet. Es wurde erst gegen Ende des 19. Jahrhun-
derts bekannt und ist eines der grundlegenden Werke für die Theorie thermodynamischer
Gleichgewichte.
2
Klein gedruckte Abschnitte dienen zur Vertiefung des Stoffes. Sie können, falls der Leser
auf zu große Schwierigkeiten stößt, beim ersten Studium zunächst überschlagen und später
nachgeholt werden.
3
Wegen Einzelheiten der Ableitung sei auf die Literatur verwiesen, z.B. Brenner, J., Les-
ky, P.: Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler IV. Wiesbaden: Akademische
Verlagsgesellschaft, 1979, S. 70–72.
8 1. Gegenstand und Grundbegriffe der Thermodynamik
Als Beispiel betrachten wir eine Funktion Y (X1 ,X2 ) = KX1 /X2 .
Es sind
∂Y K ∂Y KX1
= , =− 2
∂X1 X2 ∂X2 X2
und
∂2Y K ∂2Y K
=− 2 = =− 2.
∂X2 ∂X1 X2 ∂X1 ∂X2 X2
Die gemischten partiellen Ableitungen stimmen überein. Y (X1 ,X2 ) ist eine Zustandsfunkti-
on.
5
Dieser Begriff wird in Kap. 2.6.1 noch ausführlich erörtert.
10 1. Gegenstand und Grundbegriffe der Thermodynamik
1.5
Maßsysteme und Einheiten6 . Größengleichungen
1.5.1
Das Internationale Einheitensystem
Das Nebeneinander verschiedener Maßsysteme wurde beseitigt durch das von Gior-
gi vorgeschlagene, 1948 von der 9. Generalkonferenz für Maß und Gewicht emp-
fohlene und inzwischen als internationales Maßsystem anerkannte Einheitensystem
(Système International d’Unités, SI). Die SI-Einheiten sind in der Bundesrepublik
Deutschland die im geschäftlichen und amtlichen Verkehr gesetzlich vorgeschriebe-
nen Einheiten.
Das Internationale Einheitensystem7 wird aus den sieben Basiseinheiten der Ta-
belle 1.1(a) und den ergänzenden Einheiten der Tabelle 1.1(b) gebildet. Aus diesen
ergeben sich die abgeleiteten Einheiten der Tabelle 1.1(c). Für jede physikalische
Größe gibt es eine und nur eine SI-Einheit.
Die abgeleiteten Einheiten der Tabelle 1.1(c) und weitere auf die Stoffmenge be-
zogene spezifische Einheiten gehen aus den Basiseinheiten durch einfache Produkt-
und Quotientenbildung hervor, die keinen von Eins verschiedenen Faktor enthal-
ten. In dieser Weise verknüpfte Einheiten nennt man aufeinander abgestimmt oder
kohärent.
Ein Beispiel ist die Einheit der Kraft, das Newton, abgekürzt N. Es ist diejenige
Kraft, die der Masseneinheit 1 kg die Beschleunigung 1 m/s2 erteilt.
2 2
1 N = 1 kg · 1 m/s = 1 kgm/s .
6
Vgl. hierzu besonders die gründliche und erschöpfende Darstellung in Stille, U.: Messen
und Rechnen in der Physik. Braunschweig: Vieweg 1955.
7
Le Système International d’Unités (SI). Bureau International des Poids et Mesures, 2. Aufl.
Paris 1973, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. L 262, S. 204–216 (27.9.1976).
1.5 Maßsysteme und Einheiten. Größengleichungen 11
a) SI-Basiseinheiten
Größe Einheit
Name Einheit
Länge Meter m
Masse Kilogramm kg
Zeit Sekunde s
el. Stromstärke Ampère A
Thermodyn. Temperatur Kelvin K
Stoffmenge Mol mol
Lichtstärke Candela cd
b) ergänzende SI-Einheiten
Größe Einheit
Name Einheit
ebener Winkel (Winkel) Radiant rad
räumlicher Winkel (Raumwinkel) Steradiant sr
Tabelle 1.2. Vorsilben und Zeichen für dezimale Vielfache und Teile von Einheiten
Ein anderes Beispiel ist der Druck. Er wird im internationalen System gemessen
in N/m2 . Als Einheit dient das Pascal, für das man das Zeichen Pa verwendet.
Die dezimalen Vielfachen, beispielsweise das 103 - oder 10−6 -fache einer Ein-
heit, bezeichnet man durch Vorsilben, die als Kurzzeichen vor das Einheitensymbol
geschrieben werden.
Diese Vorsilben sind in Tabelle 1.2 aufgeführt. Sie sind international vereinbart8
und genormt9.
Einige der häufig verwendeten dezimalen Vielfachen von SI-Einheiten bezeich-
net man mit besonderen Namen und Einheitenzeichen. Solche sind die Volumenein-
heit Liter mit dem Einheitenzeichen l, für die
1l = 10−3 m3 = 1 dm3
gilt, die Masseneinheit Tonne mit dem Einheitenzeichen t
1 t = 103 kg
und die Druckeinheit Bar mit dem Einheitenzeichen bar
2
1 bar = 105 N/m = 105 Pa.
8
Comité Internatiotnal des Poids et Mesures: Proc. Verb. Com. int. Poids Mes (2) 21 (1948)
79.
9
Deutscher Normenausschuß: DIN 1301 Einheiten, Kurzzeichen. 5. Ausgabe, Berlin, No-
vember 1961.
1.5 Maßsysteme und Einheiten. Größengleichungen 13
Tabelle 1.4. Umrechnung von Energieinheiten. (Bei durch Vereinbarung festgelegten Zahlen
ist die letzte Ziffer fettgedruckt)
J mkp kcal15◦
1J 1 0,1019716 2,38920 ·10−4
1 mkp 9,80665 1 2,34301 ·10−3
1 kcal15 4185,5 426,80 1
1 kcalIT 4186,8 426,935 1,00031
1 kWh 3600000 367097,8 860,11
1 PSh 2647796 270000 632,61
1 B.t.u. 1055,056 107,5857 0,252074
kcalIT kWh PSh B.t.u.
−4 −7 −7
1J 2,38846 ·10 2,77778 ·10 3,77673 ·10 9,47817 ·10−4
1 mkp 2,34228 ·10−3 2,72407 ·10−6 3,70370 ·10−6 9,29491 ·10−3
1 kcal15 0,99969 1,16264 ·10−3 1,58075 ·10−3 3,96709
1 kcalIT 1 1,16300 ·10−3 1,58111 ·10−3 3,96832
1 kWh 859,845 1 1,35962 3412,14
1 PSh 632,416 0,735499 1 2509,63
1 B.t.u. 0,251996 2,93071 ·10−4 3,98466 ·10−4 1
1.5.2
Andere Einheitensysteme
1.5.3
Größengleichungen
2.1
Das thermodynamische Gleichgewicht
Bringt man ein System mit seiner Umgebung oder verschiedene Systeme mitein-
ander in Kontakt, so finden im allgemeinen Zustandsänderungen statt, weil einige
oder mehrere der unabhängigen Variablen ihre Werte ändern. Man kann sich diesen
Vorgang an einem einfachen Beispiel klarmachen. Ein System möge aus einem
geschlossenen Zylinder bestehen, in dem sich ein beweglicher Kolben befindet,
der zwei Teilsysteme A und B trennt. Beide Teilsysteme sind mit Gas gefüllt. Der
Kolben wird zunächst durch Stifte festgehalten, ist also arretiert, Abb. 2.1. Der
Druck pA im Teilsystem A sei höher als der Druck pB im Teilsystem B. Entfernt
man nun die Arretierung, die als ”Hemmung” aufgefasst werden kann, verschiebt
sich der Kolben nach rechts. Das Volumen VA nimmt dabei zu, das Volumen VB
nimmt ab und zwar so, dass gilt: ΔVA = −ΔVB . Das Teilsystem A gibt Energie
ab, welche vom Teilsystem B aufgenommen wird. Die Energieab- und -aufnahme
hat eine Änderung der Variablen Volumen und Druck zur Folge. Der Druck pA im
Teilsystem A nimmt ab, der Druck pB im Teilsystem B nimmt zu. Dieser Vorgang
ist charakteristisch für den Kontakt zwischen verschiedenen Systemen: Es kann
hierbei ein Austausch zwischen bestimmten Variablen erfolgen, aber nicht alle
Variablen müssen ihre Werte ändern. So bleibt beispielsweise die Zahl der Gasmo-
leküle in beiden Teilsystemen während des obigen Austauschprozesses konstant.
Es werden aber eine oder mehrere Größen zwischen den Systemen dadurch ausge-
tauscht – in dem erwähnten Beispiel die Energie –, dass sich bestimmte Variablen
ändern. Anschaulich ausgedrückt: Energie fließt über die Variable Volumen V von
einem System in das andere. Man spricht von einem Austauschprozess und der
Austauschvariable Volumen.
Ein solcher Prozess kann offenbar stets dann ablaufen, wenn man verschiede-
ne Systeme miteinander in Kontakt bringt und eventuell vorhandene Hemmungen,
beispielsweise eine Arretierung des Kolbens, beseitigt.
Man beobachtet nun, dass die unabhängigen Variablen, in unserem Beispiel die
Werte V , nach einer hinreichend langen Zeit bestimmte feste Werte erreichen, die
zeitunabhängig sind. In diesem Zustand ist der vom Gas in beiden Teilsystemen
16 2. Das thermodynamische Gleichgewicht und die empirische Temperatur
ausgeübte Druck gleich groß, d.h. es gilt dann pA = pB . Man sagt dann, das System
befinde sich im Gleichgewichtszustand.
Der Gleichgewichtszustand ist somit der Endzustand eines Austauschprozesses
zwischen zwei oder mehreren Systemen bzw. zwischen einem System und seiner Um-
gebung.
Wie das Beispiel lehrt, ist der Gleichgewichtszustand eines Systems jeweils da-
von abhängig, mit welchen anderen Systemen Kontakt besteht. Der sich einstellende
Gleichgewichtszustand ist dann durch die Bedingungen definiert, unter denen sich
der Austausch einer oder mehrerer Variablen vollzieht.
Ein System befindet sich somit im Gleichgewicht, wenn sich seine Zustands-
größen nicht mehr ändern, nachdem es von den Einwirkungen der Umgebung oder
anderer Teilsysteme isoliert wurde. Es ist allerdings möglich, dass nur eine Teilmen-
ge der Zustandsgrößen eines Systems Werte annimmt, die einem thermodynami-
schen Gleichgewichtszustand entsprechen, während sich andere Zustandsvariablen
durch systembedingte Hemmungen nicht ändern können. Beispielsweise kann ein
Gemisch aus Wasserstoff und Sauerstoff einen partiellen Gleichgewichtszustand
bezogen auf die Zustandsvariablen Druck und Temperatur annehmen, ohne che-
misch zu reagieren. Erst nach Beseitigung der kinetischen Hemmung der Reakti-
on durch einen Katalysator kann das System seinen vollständigen thermodynami-
schen Gleichgewichtszustand einnehmen, d.h. zu Wasser reagieren. Der Begriff des
Gleichgewichts lässt sich somit wie folgt verallgemeinern:
Ein System befindet sich im Gleichgewicht, wenn sich eine Teilmenge von Zu-
standsgrößen nach Isolierung des Systems von seiner Umgebung und nach Beseiti-
gung der auf diese Zustandsgrößen bezogenen Hemmungen nicht mehr ändert.
Bei dem in Abb. 2.1 dargestellten System handelt es sich um ein mechani-
sches Gleichgewicht, dem ein mechanischer Ausgleichsvorgang vorausgegangen
ist. Die Triebkraft für diesen Ausgleichsvorgang ist ein Unterschied der intensiven
2.1 Das thermodynamische Gleichgewicht 17
2.2
Der nullte Hauptsatz und die empirische Temperatur
Wir hatten gesehen, dass sich zwischen Systemen, die über eine diatherme Wand
miteinander in Kontakt stehen, ein thermisches Gleichgewicht einstellt. Diese Tat-
sache nutzen wir nun aus, um eine neue Zustandsgröße, nämlich die empirische
Temperatur, über eine Messvorschrift zu definieren, die uns eine Nachprüfung ge-
stattet, ob zwischen verschiedenen Systemen thermisches Gleichgewicht herrscht
oder nicht. Zu diesem Zweck ziehen wir einen Erfahrungssatz über das thermische
Gleichgewicht zwischen drei Systemen A, B und C heran. Es möge thermisches
Gleichgewicht zwischen den Systemen A, C und den Systemen B, C herrschen.
Dann befinden sich, wie die Erfahrung lehrt, auch die Systeme A und B, wenn
man sie über eine diatherme Wand in Kontakt bringt, miteinander im thermischen
Gleichgewicht.
Diese Erfahrungstatsache bezeichnet man nach R.H. Fowler auch als den null-
ten Hauptsatz der Thermodynamik (die Bezeichnungen erster, zweiter und dritter
Hauptsatz waren schon vergeben).
Es gilt also:
Bringt man anschließend das Gasthermometer mit siedendem Wasser, das unter
einem bestimmten Druck, beispielsweise von 1 bar, steht, in thermisches Gleichge-
wicht, so erhält man bei Extrapolation auf den Druck p → 0 eine andere Konstante
A1 . Da sich während der Messungen die Gleichgewichte zwischen Wasser und Eis
von 1 bar und zwischen Wasser und dem darüber befindlichen Wasserdampf von
1 bar wegen der Kleinheit des Gasthermometers nicht ändern, können wir sagen,
20 2. Das thermodynamische Gleichgewicht und die empirische Temperatur
dass Wasser und Eis sowie Wasser und Wasserdampf beim Druck von 1 bar be-
stimmte feste Temperaturen besitzen, die unabhängig vom Druck p des Gasthermo-
meters sind. Die in Abb. 2.3 eingezeichneten Kurven sind daher Linien konstanter
Temperatur, sogenannte Isothermen. Jede von ihnen kann man durch den jeweili-
gen Wert A = A0 oder A = A1 auf der Ordinate kennzeichnen. Man kann somit
eine empirische Temperatur T einführen, die durch eine eindeutige Funktion der ge-
messenen Werte A beschrieben wird, beispielsweise durch den einfachen linearen
Ansatz
T = const · A . (2.1)
Wie die Erfahrung zeigt, sind die Werte A von der Art und der Masse des Gases im
Gasthermometer abhängig.
Wählt man den besonders einfachen Ansatz nach Gl. (2.1) zur Konstruktion
der empirischen Temperaturskala, so sind nach Festlegung der Konstanten const
alle Temperaturen bestimmt. Zur Festlegung der Temperaturskala aufgrund des obi-
gen Ansatzes genügt also, wie schon Giauque1 darlegte, ein einziger Fixpunkt. So
könnte man beispielsweise dem Eispunkt eine bestimmte Temperatur T0 zuordnen,
dann den Zahlenwert A mit dem Gasthermometer messen und anschließend die
Konstante berechnen. Alle übrigen Temperaturen, beispielsweise die Siedetempe-
ratur des Wassers bei 1 bar, sind dann zahlenmäßig angebbar, nachdem man die
Konstante A mit dem Gasthermometer gemessen hat.
Als Fixpunkt hat die 10. Generalkonferenz für Maße und Gewichte in Paris im
Jahre 1954 den Tripelpunkt2 des Wassers vereinbart und ihm die Temperatur
Ttr = 273,16 Kelvin3 (abgekürzt 273,16 K)
zugeordnet.
Die Temperatur am Eispunkt des Wassers beträgt annähernd 273,15 K.
Gleichung (2.1) ist natürlich nicht der einzige mögliche Ansatz. Man könnte
ebensogut Ansätze der Form T = aA + b oder T = aA2 + bA + c oder beliebige
andere wählen. Auch logarithmische Temperaturskalen sind verschiedentlich vorge-
schlagen worden. Der durch Gl. (2.1) definierten Temperaturskala haftet durch den
Anschluss an das Gasthermometer noch eine gewisse Willkür an. Wir werden aber
später im Zusammenhang mit der Einführung des Entropiebegriffs zeigen, dass man
unabhängig von zufälligen Eigenschaften eines Stoffes eine Skala ableiten kann, die
mit der des Gasthermometers vollkommen übereinstimmt. Man bezeichnet diese
1
Giauque, W.F.: Nature (London) 143 (1939) 623.
2
Am Tripelpunkt stehen alle drei Phasen des Wassers, nämlich Dampf, flüssiges Wasser
und Eis, miteinander im Gleichgewicht bei einem definierten Druck von 0,006112 bar. Der
Tripelpunkt ist durch den Stoff selbst bestimmt und bedarf keiner besonderen Festsetzung.
3
Zu Ehren des englischen Gelehrten William Thomson, seit 1892 Lord Kelvin (1824 bis
1907) von 1846 bis 1899 Professor an der Universität Glasgow. Von ihm stammen grund-
legende thermodynamische und elektrodynamische Untersuchungen. Er war maßgeblich
an den Planungsarbeiten zur Verlegung des ersten transatlantischen Kabels (1856–1865)
beteiligt.
2.2 Der nullte Hauptsatz und die empirische Temperatur 21
auch als thermodynamische Temperaturskala und die Temperaturen in ihr als ther-
modynamische oder absolute Temperaturen. Obwohl noch zu beweisen sein wird,
dass die mit Hilfe des Gasthermometers und Gl. (2.1) konstruierte Temperaturskala
mit der thermodynamischen übereinstimmt, wollen wir der Einfachheit halber kein
besonderes Zeichen für die empirische Temperatur benutzen, sondern diese schon
jetzt mit dem Buchstaben T bezeichnen, den man für thermodynamische Tempera-
turen vereinbart hat.
Die Festlegung der Temperatur am Tripelpunkt durch die gebrochene Zahl 273,16 ist
historisch bedingt. Der schwedische Astronom A. Celsius (1701–1744) hatte 1742 bereits
eine empirische Temperaturskala dadurch konstruiert, dass er das Intervall zwischen dem
Schmelzpunkt des Eises und dem Siedepunkt des Wassers bei 1 atm (= 1,01325 bar) auf ei-
nem Quecksilberthermometer in 100 äquidistante Abschnitte einteilte. Einen Intervallschritt
nannte man 1 Grad Celsius (abgekürzt 1 ◦ C). Nachdem später die Gasgesetze formuliert wa-
ren, wurde diese Skala korrigiert. Man übernahm jedoch die Forderung, dass die Temperatur-
differenz T1 − T0 zwischen dem Siedepunkt und dem Schmelzpunkt des Wassers bei 1 atm
100 Einheiten ( ◦ C oder K) betragen sollte:
T1 − T0 = 100K.
Bezeichnet man nun mit A1 den zu T1 und mit A0 den zu T0 gehörigen Wert von A, so muss
wegen Gl. (2.1) gleichzeitig die Bedingung
T1 A1
=
T0 A0
erfüllt sein. Aus beiden Gleichungen folgt
100
T0 = .
A1
−1
A0
Durch Messungen von A1 /A0 fand man als Wert für T0 :
T0 = 273,15 K.
Dies ist in guter Näherung die Temperatur des Eispunktes.
Die Temperatur Ttr = 273,16 K am Tripelpunkt des Wassers liegt um 0,01 K
höher als die Temperatur T0 = 273,15 K am Eispunkt. Da man die Temperatur am
Tripelpunkt sicherer reproduzieren kann als die Temperatur anderer Punkte, hat man
den Tripelpunkt als Fixpunkt vereinbart und die Temperatur des Tripelpunktes von
Wasser zu 273,16 K festgesetzt.
Die vom Eispunkt T0 = 273,15 K gezählte Skala bezeichnet man heute als
Celsius-Skala, die Temperaturen werden in ◦ C gemessen. In der Celsius-Skala an-
gegebene Temperaturen pflegt man mit t im Unterschied zu den mit T bezeichneten
Temperaturen der thermodynamischen Skala anzugeben; es gilt also
T = t + T0 . (2.2)
Der absoluten Temperatur von T0 = 273,15K entspricht in der Celsius-Skala eine
Temperatur von t0 = 0 ◦ C. Diese ist praktisch gleich der Temperatur des Eispunk-
tes, da nach den genauesten zur Zeit bekannten Messungen die Temperatur T0 am
Eispunkt
T0 = (273,15 ± 0,0002)K
22 2. Das thermodynamische Gleichgewicht und die empirische Temperatur
beträgt, sodass nach Gl. (2.2) der Nullpunkt der Celsius-Skala bis auf einen Fehler
von ±0,0002 K mit der Temperatur des Eispunktes übereinstimmt. Auch die Tem-
peratur am Siedepunkt des Wassers bei 1 atm (= 1,01325 bar) ist nach der neuen
Definition Gl. (2.2) der Celsius-Skala nur unerheblich von 100 ◦ C verschieden. Sie
beträgt nach neuesten Messungen
T1 = (373,1464 ± 0,0036) K.
Streng genommen stehen natürlich auf beiden Seiten von Gl. (2.2) die gleichen Ein-
heiten. Die Einheit der Celsius-Temperatur ist also genau wie die Einheit der ther-
modynamischen Skala das Kelvin. Dennoch ist es erlaubt und wegen des anderen
Nullpunktes auch zweckmäßig, für die Celsius-Temperaturen das besondere Zei-
chen ◦ C einzuführen.
In den angelsächsischen Ländern ist noch die Fahrenheit-Skala üblich mit dem
Eispunkt bei 32 ◦ F und dem Siedepunkt von Wasser beim Druck von 1 atm (=
1,01325 bar) bei 212 ◦F. Für die Umrechnung einer in ◦ F angegebenen Tempera-
tur tF in die Celsius-Temperatur t gilt die Zahlenwertgleichung
5
t= (tF − 32),
9
t in ◦ C, tF in ◦ F. Die Temperaturintervalle in dieser Skala sind also um den Faktor
5/9 kleiner als in der thermodynamischen Skala. Die vom absoluten Nullpunkt in
Grad Fahrenheit gezählte Skala bezeichnet man als Rankine-Skala (R). Für sie gilt
die Zahlenwertgleichung
9
TR = T,
5
TR in R, T in K. In ihr liegt der Eispunkt bei 491,67 R und der Siedepunkt des
Wassers bei 671,67 R.
2.3
Die internationale Temperaturskala
Da die genaue Messung von Temperaturen mit Hilfe des Gasthermometers eine
sehr schwierige und zeitraubende Aufgabe ist, hat man noch eine leichter darstell-
bare Skala, die Internationale Temperaturskala , durch Gesetz eingeführt. Diese
wurde in ihrer letzten Fassung 1990 vom Internationalen Komitee für Maß und Ge-
wicht gegeben4. Die Internationale Temperaturskala ist so gewählt worden, dass ei-
ne Temperatur in ihr möglichst genau die thermodynamische Temperatur annähert.
Die Abweichungen liegen innerhalb der heute erreichbaren kleinsten Messunsicher-
heit.
Die Abweichungen zwischen den Temperaturen in der Internationalen Tempera-
turskala von 1990 (ITS-90) und der früher vereinbarten Internationalen Praktischen
4
Deutsche Fassung veröffentlicht in: Physikalisch-Techn. Bundesanstalt-Mitteilungen 99
(1989) 411-418.
2.3 Die internationale Temperaturskala 23
Temperaturskala von 1948 (IPTS-48) sind bei geeichten Thermometern kleiner als
die Eichfehlergrenzen.
Die Internationale Temperaturskala ist festgelegt durch eine Anzahl von
Schmelz- und Siedepunkten bestimmter Stoffe, die so genau wie möglich mit Hil-
fe der Skala des Gasthermometers in den wissenschaftlichen Staatsinstituten der
verschiedenen Länder bestimmt wurden. Zwischen diesen Festpunkten wird durch
Widerstandsthermometer, Thermoelemente und Strahlungsmessgeräte interpoliert,
wobei bestimmte Vorschriften für die Beziehung zwischen den unmittelbar gemes-
senen Größen und der Temperatur gegeben werden.
Die wesentlichen, in allen Staaten gleichen Bestimmungen über die internatio-
nale Temperaturskala lauten:
1. In der Internationalen Temperaturskala von 1948 werden die Temperaturen
mit ◦ C oder ◦ C (Int. 1948) bezeichnet und durch das Formelzeichen t dargestellt.
2. Die Skala beruht einerseits auf einer Anzahl fester und stets wiederherstellba-
rer Gleichgewichtstemperaturen (Fixpunkte), denen bestimmte Zahlenwerte zuge-
ordnet werden, andererseits auf genau festgelegten Formeln, welche die Beziehung
zwischen der Temperatur und den Anzeigen von Messinstrumenten, die bei diesen
Fixpunkten kalibriert werden, herstellen.
3. Die Fixpunkte und die ihnen zugeordneten Zahlenwerte sind in der Tabelle 2.1
zusammengestellt. Mit Ausnahme der Tripelpunkte entsprechen die zugeordneten
Temperaturen Gleichgewichtszuständen bei dem Druck der physikalischen Normal-
atmosphäre, d.h. per definitionem bei 101,325 kPa (= 1 atm).
4. Zwischen den Fixpunkttemperaturen wird mit Hilfe von Formeln interpoliert,
die ebenfalls durch internationale Vereinbarungen festgelegt sind. Dadurch wer-
den Anzeigen der sogenannten Normalgeräte, mit denen die Temperaturen zu mes-
sen sind, Zahlenwerte der Internationalen Temperatur zugeordnet. Eine Zusammen-
stellung der verschiedenen Interpolationsformeln und der in diesen vorkommenden
Konstanten findet man in der Literatur5.
Die in Anbetracht der beschränkten Messgenauigkeit möglichen Abweichungen
der Internationalen Temperaturskala von der thermodynamischen Temperatur sind
in Tabelle 2.2 angegeben.
Bei Temperaturen um 2000 ◦C sind die möglichen Fehler von der
Größenordnung 2 K. Es ist daher sinnlos, z.B. bei Temperaturmessungen oberhalb
1500 ◦C noch Zehntel eines Grades anzugeben.
Zur Erleichterung von Temperaturmessungen hat man eine Reihe weiterer ther-
mometrischer Festpunkte von leicht genügend rein herstellbaren Stoffen so genau
wie möglich an die gesetzliche Temperaturskala angeschlossen. Die wichtigsten
sind in Tabelle 2.3 zusammengestellt.
5
Siehe Fußnote 4
24 2. Das thermodynamische Gleichgewicht und die empirische Temperatur
T90 in K t90 in ◦ C
Dampfdruck des Heliums 3 bis 5 −270,15 bis −268,15
Tripelpunkt des Gleichgewichtswasserstoffs 13,8033 −259,3467
Dampfdruck des Gleichgewichtswasserstoffs ≈ 17 ≈ −256,15
≈ 20,3 ≈ −252,85
Tripelpunkt des Neons 24,5561 −248,5939
Tripelpunkt des Sauerstoffs 54,3584 −218,7916
Tripelpunkt des Argons 83,8058 −189,3442
Tripelpunkt des Quecksilbers 234,3156 −38,8344
Tripelpunkt des Wassers 273,16 0,01
Schmelzpunkt des Galliums 302,9146 29,7646
Erstarrungspunkt des Indiums 429,7485 156,5985
Erstarrungspunkt des Zinns 505,078 231,928
Erstarrungspunkt des Zinks 692,677 419,527
Erstarrungspunkt des Aluminiums 933,473 660,323
Erstarrungspunkt des Silbers 1234,93 961,78
Erstarrungspunkt des Goldes 1337,33 1064,18
Erstarrungspunkt des Kupfers 1357,77 1084,62
2.4
Praktische Temperaturmessung
2.4.1
Flüssigkeitsthermometer
Tabelle 2.3. Einige Thermometrische Festpunkte. E.: Erstarrungspunkt und Sd.: Siedepunkt
beim Druck 101,325 kPa, Tr.: Tripelpunkt
◦
C
Normalwasserstoff Tr. −259,198
Normalwasserstoff Sd. −252,762
Stickstoff Sd. −195,798
Kohlendioxid Tr. −56,559
Brombenzol Tr. −30,726
Wasser (luftgesättigt) E. 0
Benzoesäure Tr. 122,34
Indium Tr. 156,593
Wismut E. 271,346
Cadmium E. 320,995
Blei E. 327,387
Quecksilber Sd. 356,619
Schwefel Sd. 444,613
Antimon E. 630,63
Palladium E. 1555
Platin E. 1768
Rhodium E. 1962
Iridium E. 2446
Wolfram E. 3418
verwenden, wenn man den Siedepunkt durch eine Druckfüllung des Thermometers
mit Stickstoff, Kohlendioxid oder Argon erhöht. Bei 20 bar kommt man bis 600 ◦ C,
bei 70 bar in Quarzgefäßen sogar bis 800 ◦ C.
Wesentlich für die Güte eines Thermometers ist die Art des Glases. Schlechte
Gläser haben erhebliche thermische Nachwirkung, d.h., das einer bestimmten Tem-
peratur entsprechende Gefäßvolumen stellt sich erst mehrere Stunden nach Errei-
chen der Temperatur ein. Wenn man also ein kurz vorher bei höherer Temperatur
benutztes Thermometer in Eiswasser taucht, so sinkt die Quecksilbersäule etwas
unter den Eispunkt (Eispunktdepression). Gute Gläser haben nach Erwärmen auf
100 ◦ C eine Eispunktdepression von weniger als 0,05 ◦C.
Gute Quecksilberthermometer sind sehr genaue und bequeme Messgeräte. Im
Gegensatz zu den elektrischen Temperaturmessgeräten geben sie ohne Hilfsapparate
die Temperatur unmittelbar an. Zur Festlegung der Temperaturskala sind sie aber
nicht geeignet, da der Ausdehnungskoeffizient sowohl des Quecksilbers als auch
der etwa achtmal kleinere des Glases in verwickelter Weise von der Temperatur
abhängen.
Für tiefe Temperaturen bis herab zu –100 ◦C füllt man Thermometer mit Al-
kohol, bis herab zu –200 ◦C mit Petrolether oder technischem Pentan. Mit diesen
Flüssigkeiten, die im Gegensatz zu Quecksilber Glas benetzen, erreicht man aber
bei weitem nicht die Genauigkeit des Quecksilberthermometers.
Bei der Teilung der Skalen von Flüssigkeitsthermometern wird vorausgesetzt,
dass die ganze Flüssigkeitsmenge die zu messende Temperatur annimmt. Bei der
26 2. Das thermodynamische Gleichgewicht und die empirische Temperatur
praktischen Messung hat aber der obere Teil der Quecksilbersäule in der Kapilla-
re, der sogenannte herausragende Faden, meist eine andere Temperatur. Bezeichnet
man mit ta die abgelesene Temperatur, mit tf die mittlere Temperatur des herausra-
genden Fadens und mit n seine Länge in Grad, so ist die Ablesung um den Betrag
n γ(ta − tf )
zu berichtigen, wobei γ die relative Ausdehnung der Flüssigkeit im Glas ist und je
nach der Glasart verschiedene Werte hat.
Die mittlere Temperatur des herausragenden Fadens kann entweder geschätzt
oder genauer mit dem Mahlkeschen Fadenthermometer bestimmt werden. Das Fa-
denthermometer hat ein langes röhrenförmiges Quecksilbergefäß mit anschließen-
der enger Kapillare und wird, wie Abb. 2.4 zeigt, so neben das Hauptthermometer
gehalten, dass sich das obere Ende des langen Quecksilbergefäßes in gleicher Höhe
mit der Kuppe des Fadens des Hauptthermometers befindet.
Das Fadenthermometer misst dann die mittlere Temperatur eines Fadenstückes
des Hauptthermometers von der Länge des Quecksilbergefäßes des Fadenthermo-
meters. In die Gleichung für die Fadenberichtigung ist dann für n die Länge des
Quecksilbergefäßes des Fadenthermometers, gemessen in Graden des Hauptther-
mometers, einzusetzen. Ist der herausragende Faden des Hauptthermometers länger
als das Quecksilbergefäß des Fadenthermometers, so muss man zwei Fadenthermo-
meter übereinander anordnen. Die Fadenberichtigung kann bei Temperaturen von
300 ◦ C Beträge von der Größenordnung 10 K erreichen.
Auf die vielen anderen Fehler, die bei der Temperaturmessung besonders mit
Flüssigkeitsthermometern gemacht werden können, sei hier nicht weiter eingegan-
gen, da sie ausführlich im Schrifttum behandelt sind6 .
6
Vgl. Knoblauch, O.; Hencky, K.: Anleitung zu genauen technischen Temperaturmessun-
gen, 2. Aufl., München und Berlin 1926. Sowie: VDI-Temperaturmeßregeln. Temperatur-
messungen bei Abnahmeversuchen und in der Betriebsüberwachung DIN 1953, 3. Aufl.,
Berlin 1953. Im Juli 1964 neu erschienen als VDE/VDI-Richtlinie 3511, Technische Tem-
peraturmessungen.
2.4 Praktische Temperaturmessung 27
2.4.2
Widerstandsthermometer
Das elektrische Widerstandsthermometer beruht auf der Tatsache, dass der elektri-
sche Widerstand aller reinen Metalle je Grad Temperatursteigerung um ungefähr
0,004 seines Wertes bei 0 ◦ C zunimmt. Der Betrag der Widerstandszunahme ist un-
gefähr ebenso groß wie der Ausdehnungskoeffizient der Gase.
Metalllegierungen haben sehr viel kleinere Temperaturkoeffizienten des Wider-
standes und sind daher für Widerstandsthermometer ungeeignet. Bei Manganin und
Konstantan ist der Widerstand in der Nähe der Zimmertemperatur sogar praktisch
temperaturunabhängig. Manganin wird häufig für Normalwiderstände benutzt.
Reines Platin ist wegen seiner Widerstandsfähigkeit gegen chemische Ein-
flüsse und wegen seines hohen Schmelzpunktes für Widerstandsthermometer am
besten geeignet und liefert nach den zuvor erwähnten Interpolationsformeln für die
Abhängigkeit des Widerstandes von der Temperatur unmittelbar die Internationale
Praktische Temperaturskala. Daneben wird besonders Nickel benutzt.
Zur Messung des Widerstandes kann jedes geeignete Verfahren angewendet
werden. Am bequemsten ist die Wheatstonesche Brücke nach Abb. 2.5
Dabei ist wa der Widerstand des Widerstandsthermometers, wb und wc sind be-
kannte feste Vergleichswiderstände, und wd ist ein regelbarer Messwiderstand, e
eine Stromquelle, wv ein Vorschaltwiderstand, G ein Nullinstrument. Durch ändern
des Widerstandes wd bringt man den Ausschlag des Nullinstrumentes zum Ver-
schwinden und erhält dann den gesuchten Widerstand des Thermometers aus der
Beziehung
wa : wd = wb : wc .
2.4.3
Thermoelemente
Lötet man zwei Drähte aus verschiedenen Metallen zu einem geschlossenen Strom-
kreis zusammen, so fließt darin ein Strom, wenn man die beiden Lötstellen auf ver-
schiedene Temperatur bringt. Schneidet man den Stromkreis an einer beliebigen
Stelle auf und führt die beiden Drahtenden zu einem Galvanometer, so erhält man
einen Ausschlag, der als Maß der Temperaturdifferenz der beiden Lötstellen dienen
kann. Dieses Verfahren wird für technische Temperaturmessungen viel benutzt. Die
eine Lötstelle wird dabei auf Zimmertemperatur oder besser durch schmelzendes
Eis auf 0 ◦ C gehalten. Im ersten Fall kann man sie auch ganz fortlassen und die
beiden Drahtenden unmittelbar zu den Instrumentenklemmen führen, die dann die
zweite Lötstelle ersetzen.
Gegenüber den Flüssigkeitsthermometern hat das Thermoelement den Vorteil
der geringen Ausdehnung, die das Messen auch in sehr kleinen Räumen erlaubt.
Es erfordert ebenso wie das Widerstandsthermometer Hilfsgeräte, die jedoch für
eine große Zahl von Messstellen nur einmal vorhanden zu sein brauchen. Bei sehr
vielen Messstellen sind Temperaturmessungen mit Thermoelementen billiger und
mit geringerem Zeitaufwand auszuführen als mit anderen Thermometern.
Die durch die Temperaturdifferenz der Lötstellen erzeugte elektromotorische
Kraft kann entweder durch Kompensation oder mit direkt anzeigenden Instrumenten
gemessen werden.
Eine einfache Kompensationsvorrichtung zeigt Abb. 2.6.
Darin sind a die Messstelle eines Thermoelements, b ist die in einem
Glasröhrchen in schmelzendes Eis gebrachte zweite Lötstelle, w ist der feste Kom-
pensationswiderstand, G ein Nullinstrument, A ein Strommesser, f eine Stromquel-
le, wr ein regelbarer Widerstand.
2.4 Praktische Temperaturmessung 29
Bei der Messung regelt man die Stromstärke i mit Hilfe des Widerstandes so ein,
dass das Nullinstrument und damit auch das Thermoelement stromlos sind. Dann ist
die gesuchte thermoelektrische Kraft gerade gleich dem Spannungsabfall i · wr des
Kompensationswiderstandes.
Bei Verwendung eines Anzeigeinstrumentes zur unmittelbaren Messung der
thermoelektrischen Kraft ist zu beachten, dass der abgelesene Wert um den Span-
nungsabfall des Messstroms im Thermoelement kleiner ist.
Tabelle 2.4 enthält die wichtigsten, meist in Form von Drähten benutzten Me-
tallpaare mit ungefähren Angaben der thermoelektrischen Kraft je 100 ◦C Tempe-
raturdifferenz und der höchsten Temperatur, bei der die Drähte noch ausreichende
Lebensdauer haben.
Für niedrige Temperaturen verwendet man Kupfer-Konstantan oder Manganin-
Konstantan, wobei Manganin und Konstantan wegen ihres kleinen Wärmeleitver-
mögens den Messwert weniger stören als Kupfer. Konstantan ist eine Legierung aus
60% Kupfer, 40% Nickel. Manganin besteht aus 84% Kupfer, 12% Mangan, 4%
Nickel.
Um störende thermoelektrische Kräfte an den Klemmen der elektrischen Mess-
instrumente zu vermeiden, deren Temperatur wegen des Berührens mit den Händen
oft nicht ganz mit der Raumtemperatur übereinstimmt, wird man die Messeinrich-
tung stets in den Drahtzweig einschalten, der gegen die Kupferleitung der Mess-
geräte die kleinere thermoelektrische Kraft hat, also z.B. in den Kupfer- oder Man-
ganindraht.
Die Abhängigkeit der thermoelektrischen Kraft von der Temperatur ist für kein
Thermoelement durch ein einfaches Gesetz angebbar. Nur für mehr oder weniger
große Bereiche kann man sie durch Potenzgesetze darstellen, wie für das zur Fest-
legung der Internationalen Praktischen Temperaturskala oberhalb 630 ◦C benutz-
te Thermoelement aus Platin und Platinrhodium. Für kleinere Temperaturbereiche
30 2. Das thermodynamische Gleichgewicht und die empirische Temperatur
genügt oft die Annahme einer linearen Abhängigkeit. Im Allgemeinen müssen Ther-
moelemente durch Vergleich mit anderen Geräten kalibriert werden. Die Angaben
der Tabelle 2.4 sind daher nur als Richtwerte zu betrachten.
2.4.4
Strahlungsthermometer
In Kapitel 1.3 hatten wir die Begriffe Zustand, Zustandsgröße und Zustandsglei-
chung eingeführt. Mit Hilfe einer Zustandsgleichung, die in ihrer allgemeinen Form
nach Gl. (1.1)
Y = f (X1 ,X2 , . . . ,Xn )
lautet, ließ sich ein mathematischer Zusammenhang zwischen einer abhängigen Zu-
standsgröße Y und den unabhängingen Zustandsgrößen X1 ,X2 , . . . ,Xn darstellen.
Der Zustand eines Systems ließ sich also mit Hilfe dieser n Zustandsgrößen ein-
deutig festlegen. Ein einfaches System ist dadurch gekennzeichnet, dass sich des-
sen Zustand durch nur zwei Zustandsgrößen beschreiben lässt. Ein System, das aus
einem einheitlichen Stoff besteht, ist ein solches einfaches System, da empirisch
nachgewiesen werden konnte, dass zur Festlegung des Zustands eines einheitlichen
Stoffes zwei voneinander unabhängige Zustandsgrößen ausreichen. Unter einem ein-
heitlichen Stoff versteht man eine Phase (homogener Bereich eines Systems), die
aus einem reinen Stoff in einem bestimmten Aggregatszustand (fest, flüssig oder
gasförmig) besteht. Beispiele sind gasförmiges Kohlendioxid, gasförmiges Methan,
flüssiges Wasser oder Wasserdampf. Auch ideale Gemische zweier oder mehrerer
reiner Stoffe gleichen Aggregatszustands, bei denen sich die Wechselwirkungen
zwischen den Molekülen verschiedener Stoffe nicht von denen zwischen den Mo-
lekülen des gleichen Stoffes unterscheiden, können als einheitlicher Stoff behan-
delt werden. Beispiele sind gasförmige Luft oder ein gasförmiges Abgas, bestehend
aus Kohlendioxid, Stickstoff, Restsauerstoff und Wasserdampf. Der Zustand eines
einheitlichen Stoffes ist somit durch zwei der drei Zustandsgrößen Temperatur T ,
spezifisches Volumen v und Druck p eindeutig festgelegt. Demnach lässt sich eine
Zustandsgleichung der Form
0 = f (p,v,T ) (3.1)
aufstellen. Da die Gleichung als Variablen nur die thermischen Zustandsgrößen T ,
v und p beinhaltet, nennt man sie thermische Zustandsgleichung. Löst man Gl. 3.1
nach einer der drei Variablen auf, so ergeben sich die Zusammenhänge
p = p (v,T ) , v = v (p,T ) und T = T (p,v) . (3.2a)
32 3. Die thermische Zustandsgleichung
3.1
Das totale Differential der thermischen Zustandsgleichung
Die thermische Zustandsgleichung (3.1) läßt sich als Beziehung zwischen drei Un-
bekannten durch eine Fläche im Raum mit den drei Koordinaten p, v und T darstel-
len.
Die Zustandsgleichung muss im Allgemeinen durch Versuche bestimmt werden.
Zwei Zustandsgrößen bestimmen nicht nur die dritte der genannten, sondern auch
alle anderen Eigenschaften des Stoffes, wie Viskosität, Wärmeleitfähigkeit, opti-
schen Brechungsindex usw. Differenziert man die Zustandsgleichung z. B. in der
Form
T = T (p, v) ,
so erhält man das totale Differential
∂T ∂T
dT = dp + dv . (3.3)
∂p v ∂v p
Dabei sind
∂T ∂T
und
∂p v ∂v p
die partiellen Differentialquotienten, deren Indizes jeweils die zweite, beim Diffe-
renzieren konstant zu haltende unabhängige Veränderliche angeben.
In Abb. 3.1 ist Gl. (3.3) geometrisch veranschaulicht. Darin ist das umrandete
Flächenstück ein Teil der Zustandsfläche, die Linien a1 und a2 sind Schnittkurven
der Zustandsfläche mit zwei um dv voneinander entfernten Ebenen v = const, die
Linien b1 und b2 Schnittkurven mit zwei um dp entfernten Ebenen p = const. Beide
Kurvenpaare schneiden aus der Fläche das kleine Viereck 1 2 3 4 heraus. Durch die
Punkte 1 und 3 sind dann zwei um dT entfernte Ebenen T = const gelegt, die mit
der Zustandsfläche die Schnittkurven c1 und c2 ergeben.
Der partielle Differentialquotient (∂T /∂p)v bedeutet die Steigung des auf der
Zustandsfläche parallel zur T, p-Ebene, also unter konstantem v, verlaufenden
Weges 1 2, und er ist gleich dem Tangens des Winkels, den 1 2 mit der p, v-Ebene
bildet. Die Strecke 2 2 ist der beim Fortschreiten um dp längs des Weges 12
überwundene Höhen- bzw. Temperaturunterschied (∂T /∂p)v dp.
Entsprechend bedeutet der partielle Differentialquotient (∂T /∂v)p die Steigung des
parallel zur T,v-Ebene, also unter konstantem p verlaufenden Weges 1 4, er ist
gleich dem Tangens des Winkels von 1 4 gegen die p,v-Ebene. Die Strecke 4 4
3.1 Das totale Differential der thermischen Zustandsgleichung 33
ist der beim Fortschreiten um dv längs des Weges 14 überwundene Höhen- bzw.
Temperaturunterschied (∂T /∂v)p dv. Das totale Differential dT ist dann nichts an-
deres als die Summe dieser beiden Höhen- bzw. Temperaturunterschiede, die man
überwinden muss, wenn man zugleich oder nacheinander auf der Fläche um dp
und dv fortschreitet und dadurch von 1 nach 3 gelangt, es ist gleich der Strecke
3 3 = 2 2 + 4 4 .
In gleicher Weise kann man auch die anderen zwei Formen der thermischen
Zustandsgleichung differenzieren und erhält
∂p ∂p
dp = dv + dT (3.4)
∂v T ∂T v
und
∂v ∂v
dv = dp + dT . (3.5)
∂p T ∂T p
Erwärmt man einen Körper um dT bei konstantem Druck, also bei dp = 0, so ändert
sich sein Volumen nach der letzten Gleichung um
∂v
dv = dT .
∂T p
Man bezieht diese Volumenänderung auf das Volumen v und nennt die Größe
1 ∂v
β= (3.6)
v ∂T p
34 3. Die thermische Zustandsgleichung
den Ausdehnungskoeffizienten.
Erwärmt man um dT bei konstantem Volumen, also bei dv = 0, so ändert sich der
Druck nach Gl. (3.4) um
∂p
dp = dT .
∂T v
Man bezieht diese Druckänderung auf den Druck p und nennt die Größe
1 ∂p
γ= (3.7)
p ∂T v
den Spannungskoeffizienten.
Steigert man den Druck bei konstanter Temperatur durch Volumenverkleinerung, so
ist
∂v
dv = dp ,
∂p T
und wenn man dies auf das Volumen v bezieht, kann man die Größe
1 ∂v
χ=− (3.8)
v ∂p T
als isothermen Kompressibilitätskoeffizienten bezeichnen.
Wendet man die Gl. (3.5) auf eine Linie v = const an, so ist dv = 0, und es wird
∂v dp ∂v
= − .
∂p T dT ∂T p
∂p
Dabei kann man für dp/dT wegen der Voraussetzung v = const auch
∂T v
schreiben und erhält
∂v ∂p ∂T
= −1 . (3.9)
∂p T ∂T v ∂v p
Diese einfache Beziehung, in der v, p und T in zyklischer Reihenfolge vorkom-
men, muss offenbar zwischen den partiellen Differentialquotienten jeder durch ei-
ne Fläche darstellbaren Funktion mit drei Veränderlichen bestehen. Führt man in
Gl. (3.9) mit Hilfe von Gl. (3.6), (3.7) und (3.8) die Größen β, γ und χ ein, so erhält
man die Beziehung
β = pγχ (3.10)
zwischen den Koeffizienten der Ausdehnung, der Spannung und der Kompressibi-
lität.
In der Mathematik pflegt man die Indizes bei den partiellen Differentialquo-
tienten fortzulassen, was unbedenklich ist, solange man immer mit denselben un-
abhängigen Veränderlichen zu tun hat; wird nach einer von ihnen differenziert, so
sind eben die anderen konstant zu halten. In der Thermodynamik werden wir aber
später Zustandsgrößen durch verschiedene Paare von unabhängigen Veränderlichen
3.2 Die thermische Zustandsgleichung des idealen Gases 35
darstellen, und dann ist die Angabe der jeweils konstant gehaltenen Veränderlichen
notwendig, wenn man die partiellen Differentialquotienten auch außerhalb ihrer
Differentialgleichung benutzt, wie wir das z. B. in Gl. (3.6) bis (3.8) getan haben.
Beispiel 3.1: Eine Stahlkugel hat bei der Temperatur t1 = 20 ◦ C den Durchmesser
d1 = 10 mm. Auf welche Temperatur muss man sie mindestens abkühlen, damit sie
durch einen Ring von d2 = 9,98 mm hindurchfällt? Der Ausdehnungskoeffizient von
Stahl ist β = 49,2 · 10−6 K−1 .
Ersetzt man in Gl. (3.6) den Differentialquotienten durch einen Differenzenquotienten,
so gilt
1 Δv 1 ΔV 1 ΔV
β = · = · und ΔT = · ,
v ΔT V ΔT β V
3
1 d32 π/6 − d31 π/6 1 d2
ΔT = = −1 ,
β d31 π/6 β d1
3
1 9,98
ΔT = − 1 = −121,7K .
49,2 · 10−6 K−1 10
3.2
Die thermische Zustandsgleichung des idealen Gases
Ein gasförmiger, reiner Stoff ist ein einheitlicher Stoff und somit gilt nach Gl. (3.2b)
für diesen die thermische Zustandsgleichung z. B. in der Form
T = T (M, p, V ) .
Aufgrund der Messungen mit dem Gasthermometer, siehe hierzu Abb. 2.3, hatte
sich ergeben, dass für sehr kleine Drücke (p → 0)
p V = A = const · T = a T (3.11)
ist, worin die Größen A und a von der Masse und der Art des als Thermome-
terfüllung verwendeten Gases abhängen. Für das Gleichgewicht mit einem Stoff
am Tripelpunkt gilt
(p V )tr = aTtr . (3.12)
(pV )tr ist hierbei das Produkt aus Druck und Volumen des Gases, das sich mit dem
Stoff der Temperatur Ttr im Gleichgewicht befindet. Aus beiden Gleichungen erhält
man
pV T
=
(pV )tr Ttr
oder
36 3. Die thermische Zustandsgleichung
pV
pV = T.
T tr
3.3
Die Einheit Stoffmenge und die universelle Gaskonstante
Jede Form von Materie besteht aus Teilchen (Moleküle, Atome, Ionen usw.), wobei
die absolute Teilchenzahl makroskopischer Systeme extrem groß ist. Zur Quantifi-
zierung einer Stoffmenge bezieht man die Zahl der darin enthaltenen Teilchen daher
auf die Teilchenzahl der festgelegten Menge eines anderen Stoffes. Als Basiseinheit
der Stoffmenge definiert man das Mol und führt hierfür das Einheitensymbol mol
ein, s. Tabelle 1.1. Es gilt:
Die Zahl der Teilchen eines Stoffes nennt man dann 1 mol, wenn dieser Stoff aus
ebenso vielen unter sich gleichen Teilchen besteht wie in genau (12/1000) kg reinen
atomaren Kohlenstoffs des Nuklids 12 C enthalten sind1 .
In der Technik benutzt man statt der Einheit 1 mol meistens das Kilomol, dessen
Einheitensymbol kmol ist. Es sind 103 mol = 1 kmol.
Die Masse eines Mols, die Molmasse, hat die SI-Einheit kg/kmol und ergibt sich
als Quotient aus der Masse M und Stoffmenge N
M = M /N . (3.15)
Da Masse und Stoffmenge eines Stoffes einander direkt proportional sind, ist die
Molmasse eine für jeden Stoff charakteristische Größe. Um sie zu bestimmen, muss
man der Definitionsgleichung (3.15) entsprechend die Masse M und die Stoffmen-
ge N eines Stoffes ermitteln. Während man die Masse M durch eine Wägung mes-
sen kann, bereitet die Bestimmung der Stoffmenge im festen und flüssigen Zustand
meistens erhebliche Schwierigkeiten. Sie ist jedoch im idealen Gaszustand in einfa-
cher Weise möglich2 . Dort gilt nach Avogadro (1831):
Ideale Gase enthalten bei gleichem Druck und gleicher Temperatur in gleichen
Räumen gleichviel Moleküle.
Ist daher ein beliebiger Stoff als ideales Gas von bestimmter Temperatur und be-
stimmtem Druck vorhanden, so besitzt er die gleiche Teilchenzahl wie (12/1000) kg
des reinen atomaren Kohlenstoffs 12 C im idealen Gaszustand, wenn der betreffende
Stoff auch das gleiche Volumen ausfüllt und die gleiche Temperatur und den glei-
chen Druck besitzt wie das gasförmige 12 C. Die Stoffmenge des Stoffes ist dann
gerade 1 mol und seine Masse gleich der Molmasse.
Da definitionsgemäß die Teilchenzahl eines Mols mit der von (12/1000) kg des rei-
nen atomaren Kohlenstoffnuklides 12 C übereinstimmt, enthält ein Mol eines jeden
Stoffes dieselbe Anzahl von Teilchen, nämlich gerade soviel wie in (12/1000) kg
1
Diese Vereinbarung findet man in den Empfehlungen der International Union of Pure and
Applied Physics (IUPAP), Units and Nomenclature in Physics, 1965, formuliert.
2
Auf andere direkte Messungen der Molmasse soll hier nicht eingegangen werden. Je-
de dieser Methoden zur Bestimmung von Molmassen erfordert stets eine Extrapolation
von Messwerten auf verschwindende Dichte oder unendliche Verdünnung, siehe hierzu
Münster, A.: Chemische Thermodynamik. Weinheim/Bergstraße: Verlag Chemie 1969.
38 3. Die thermische Zustandsgleichung
des reinen atomaren 12 C enthalten sind. Man bezeichnet die in einem Mol enthal-
tene Anzahl von unter sich gleichen Teilchen als Avogadro-Konstante3. Sie ist eine
universelle Naturkonstante der Physik und hat den Zahlenwert4
NA = (6,0221367 ± 0,000036)1026/kmol .
Das Gesetz von Avogadro führt zu einem für die Thermodynamik sehr wichtigen
Resultat, wenn man in der thermischen Zustandsgleichung des idealen Gases
pV = M RT
die Masse eliminiert durch die Beziehung
M =MN.
Man erhält dann
p V = M N RT
oder
p V /N T = M R .
Nach Avogadro hat die linke Seite dieser Gleichung für vorgegebene Werte des
Druckes, des Volumens und der Temperatur einen bestimmten festen Wert, der
unabhängig von der Stoffart ist. Daher ist auch die rechte Seite unabhängig von
der Stoffart. Sie ist außerdem, wie wir bei der Herleitung des idealen Gasgesetzes
Gl. (3.14) sahen, unabhängig von Druck, Volumen und Temperatur. Die Größe
MR=R
muss daher für alle Gase denselben Wert haben. Man nennt sie universelle Gaskon-
stante. Sie ist eine universelle Naturkonstante der Physik. Mit ihr lautet die thermi-
sche Zustandsgleichung des idealen Gases
pV = N RT (3.16)
oder, wenn man das Molvolumen V = V /N einführt,
pV = RT . (3.17)
Wie hieraus folgt, ist das Molvolumen V aller idealen Gase bei gleichem Druck und
gleicher Temperatur gleich groß. Nach neuesten Messungen hat das Molvolumen
der idealen Gase bei 0 ◦ C und 101,325 kPa = 1 atm den Wert
V 0 = 22,41410 ± 0,000019m3/kmol .
Führt man dieses in die thermische Zustandsgleichung (3.17) des idealen Gases ein,
so erhält man die universelle Gaskonstante
kJ
R = 8,314510 ± 0,000070 .
kmol K
3
In der deutschen Literatur findet man gelegentlich auch die Bezeichnung Loschmidt-Zahl.
4
Phys. Techn. Bundesanstalt-Mitt. 97 (1987) 498–507.
3.3 Die Einheit Stoffmenge und die universelle Gaskonstante 39
Bezieht man die Gaskonstante auf 1 Molekül, indem man durch die Avogadro-Zahl
dividiert, so erhält man die sog. Boltzmannsche Konstante
k = R/NA = (1,380658 ± 0,000012)10−23J/K .
Neben dem kmol benutzt man als Mengeneinheit in der Technik noch den Normku-
bikmeter (m3n ). Man versteht darunter die bei 0 ◦ C und 101,325 kPa in 1 m3 enthal-
tene Gasmenge von (1/22,4141) kmol. Es ist also
1m3n = (1/22,4141)kmol .
Er ist kein Volumen, sondern die in Raumeinheiten ausgedrückte Stoffmenge des
Gases.
Aufgabe 3.1: In einer Stahlflasche von V1 = 20 l Inhalt befindet sich Wasserstoff von
p1 = 120 bar und t1 = 10 ◦ C.
Welchen Raum nimmt der Inhalt der Flasche bei 0 ◦ C und 1 bar ein, wenn man in diesem
Zustand die geringen Abweichungen des Wasserstoffs vom Verhalten des idealen Gases
vernachlässigt?
Aufgabe 3.2: Ein Zeppelinluftschiff von 200000 m3 Inhalt der Gaszellen kann wahl-
weise mit Wasserstoff (M H2 = 2,01588 kg/kmol) oder mit Helium (M He = 4,00260
kg/kmol) gefüllt werden. Die Füllung wird so bemessen, dass die geschlossenen Zellen
in 4500 m Höhe, wo ein Druck von 530 mbar und eine Temperatur von 0 ◦ C angenom-
men wird, gerade prall sind (M Luft = 28,953 kg/kmol).
Wieviel kg Wasserstoff bzw. Helium erfordert die Füllung? Zu welchem Bruchteil sind
die Gaszellen am Erdboden bei einem Druck von 935 mbar und einer Temperatur von
20 ◦ C gefüllt? Wie groß darf das zu hebende Gesamtgewicht von Hülle, Gerippe und
allen sonstigen Lasten in beiden Fällen sein?
(Lösung der Aufgaben am Ende des Buches.)
Kapitel 4:
Energieformen
In Kapitel 1 wurde erläutert, dass die Aufgabe der Thermodynamik die Beschrei-
bung der verschiedenen Erscheinungsformen der Energie sowie der Umwandlungen
von Energien bei technischen Prozessen ist. Eng damit verknüpft sind die Beschrei-
bung des Zustandes eines Stoffes durch Zustandsgrößen und des Verlaufs der Zu-
standsänderungen durch Prozessgrößen. Ziel dieses Kapitels ist es, die verschiede-
nen in der Natur und Technik vorkommenden Formen der Energie zu beschreiben
und zu definieren sowie deren (mathematische) Zusammenhänge mit Zustands- und
Prozessgrößen abzuleiten. Im Folgenden seien zunächst vier grundlegend verschie-
dene Energieformen allgemein beschrieben.
Betrachtet man ein thermodynamisches System entsprechend der Definiton in
Kapitel 1.2, so enthält dieses System eine bestimmte Menge an Energie E, auch
Systemenergie genannt. Ist dieses System mit seiner Umgebung (oder mit einem
anderen System) in Kontakt, so kann über die Systemgrenze Energie von außen
zugeführt oder Energie nach außen abgeführt werden. Dieser Energietransfer über
die Systemgrenze kann in Form von Arbeit L, Wärme Q oder an Materietransport
gebundene Energie EM erfolgen. Energien, die dem System aus der Umgebung zu-
geführt werden, werden wir mit positivem Vorzeichen versehen. Energien, die dem
System entzogen werden, werden wir mit negativem Vorzeichen versehen. Die Sy-
stemenergie ist an den Zustand des Systems geknüpft. Sie ist eine Zustandsgröße.
Arbeit und Wärme sind Prozessgrößen. Abbildung 4.1 veranschaulicht diese grund-
legend verschiedenen Energieformen. Sie werden in den folgenden Abschnitten ge-
nauer beschrieben und definiert.
4.1
Systemenergie
Jedes System beinhaltet eine bestimmte Menge Energie. Diese Systemenergie E ist
eine extensive Zustandsgröße. Sie setzt sich additiv aus den aus der Mechanik be-
kannten Energieformen kinetische Energie Ekin und potentielle Energie Epot sowie
der inneren Energie U zusammen.
Es gilt für das System:
E = Ekin + Epot + U . (4.1)
Die Summe der kinetischen Energie und der potentiellen Energie bezeichnet man
auch als mechanische Energie Emech
Emech = Ekin + Epot , (4.2)
da in der Mechanik der energetische Zustand eines starren Körpers ausschließlich
durch diese beiden Energieformen beschrieben wird.
4.1.1
Mechanische Energie
Entsprechend Gl. (4.2) setzt sich die mechanische Energie Emech eines Systems
aus dessen kinetischer und potentieller Energie zusammen. Sie ist der Teil der Sys-
temenergie E, der sich auf die äußeren Koordinaten des Systems bezieht. Im Rah-
men unserer thermodynamischen Betrachtungen gehen wir davon aus, dass sich die
mechanische Energie nur durch die folgenden Koordinaten beschreiben lässt: die
Schwerpunktsgeschwindigkeit w und die geodätische Höhe z des Systems.1 Aus
dem Energiesatz der Mechanik, der in Kapitel 5.1 näher erläutert wird, geht hervor,
dass die extensive Zustandsgröße kinetische Energie proportional zum Quadrat der
Geschwindigkeit w des Systems ist und
w2
Ekin = M (4.3)
2
gilt. Die extensive Zustandsgröße potentielle Energie ist proportional zur
geodätischen Höhe z des Systems über einem festgelegten Referenzniveau, und es
gilt
Epot = M g z , (4.4)
wobei g die Fallbeschleunigung ist. Verändert man die Geschwindigkeit w oder die
Höhe z eines Systems, so transportiert man über diese Koordinaten Energie, und der
Zustand des Systems ändert sich.
1
Im allgemeinen Fall kann ein System auch rotieren oder in einem Kraftfeld schwingen.
Die daraus resultierenden weiteren mechanischen Energieformen kann man als additive
Terme zu den Gln. (4.3) bzw. (4.4) hinzufügen.
4.1 Systemenergie 43
4.1.2
Innere Energie und ihre kinetische Deutung
Die innere Energie U ist der Teil der Systemenergie E, der im Inneren des Systems
gespeichert ist, beispielsweise als Translations-, Rotations- und Schwingungsener-
gie der einzelnen Moleküle. Nach Gl. (4.1) ist sie definiert durch
U = E − Ekin − Epot . (4.5)
Da die Systemenergie, die kinetische und die potentielle Energie Zustandsgrößen
sind, muss auch die innere Energie eine Zustandsgröße sein. Mit der Einführung
der inneren Energie durch Gl. (4.5) ist nur die Existenz einer Zustandsgröße in-
”
nere Energie“ postuliert worden. Es ist allerdings noch nichts darüber ausgesagt,
wie man diese ermitteln und über welche innere Koordinaten man diese verändern
kann, da sowohl die Systemenergie E als auch die innere Energie U in Gl. (4.5)
unbekannt sind. Die Erfahrung lehrt uns aber beispielsweise, dass ein System desto
mehr Energie beinhaltet, je höher seine Temperatur ist. Die Zustandsgröße Tempe-
ratur wird also voraussichtlich eine Koordinate sein, über die wir die innere Energie
verändern können. Methoden zur Messung der inneren Energie werden wir noch
kennenlernen.
Eine einfache Methode zur Ermittlung und zugleich eine Deutung der inneren
Energie wird im Folgenden für einatomige Gase beschrieben.
In der einfachen kinetischen Gastheorie geht man von der Vorstellung aus, dass
ein Gas aus kugelförmigen Molekülen besteht, die nach allen Richtungen durchein-
anderfliegen, wobei sie miteinander und mit den Wänden des Raumes wie vollkom-
men elastische Körper zusammenstoßen. Bei jedem Stoß findet ein Austausch von
kinetischer Energie statt, deren Gesamtbetrag aber unverändert bleibt, wenn das Gas
nach außen keine Energie austauscht. Die Einzelmoleküle haben verschiedene und
mit jedem Stoß sich ändernde kinetische Energien, aber im Mittel über genügend
lange Zeit hat die kinetische Energie jedes Moleküls einen bestimmten Wert, und
die kinetischen Energien verschiedener Moleküle zu einem bestimmten Zeitpunkt
gruppieren sich um diesen Mittelwert nach einem bestimmten statistischen Gesetz,
das man in der kinetischen Theorie der Wärme“ als Maxwellsche Geschwindig-
”
keitsverteilung bezeichnet.
Der Druck wird gedeutet als die Gesamtwirkung der Stöße der Moleküle auf die
Wand.
Die Temperatur ist dem Mittelwert der kinetischen Energie der Moleküle pro-
portional.
Innere Energie ist also nur eine besondere Erscheinungsform mechanischer
Energie, die auf die Einzelmoleküle in denkbar größter Unordnung verteilt ist.
Es kommen alle möglichen Richtungen und Größen der Geschwindigkeit der
Moleküle vor, für die sich nur Wahrscheinlichkeitsgesetze aufstellen lassen. Der
Mittelwert der Geschwindigkeiten einer größeren herausgegriffenen Zahl von Mo-
lekülen nach Größe und Richtung ist, falls das System ruht, stets Null, d. h. es
bewegen sich im Mittel immer ebenso viele Moleküle von links nach rechts wie
umgekehrt.
44 4. Energieformen
Zur Vereinfachung betrachten wir die Moleküle als harte elastische Kugeln, die
nur Translationsenergie annehmen. Tatsächlich haben mehratomige Moleküle auch
noch Energie der Rotation und der Schwingung der Atome der Moleküle gegenein-
ander. Aber auch dann ist die Temperatur proportional der mittleren Translations-
energie.
Bei festen und flüssigen Körpern sind die Verhältnisse komplexer als bei Gasen.
Die kleinsten Teile, als die wir beim festen Körper zweckmäßig die Atome ansehen,
werden hier nicht durch feste Wände zusammengehalten, sondern durch gegenseiti-
ge Anziehung. Jedes Atom hat dabei in dem Raumgitter des Körpers eine bestimm-
te mittlere Lage, um die es Schwingungsbewegungen ausführen kann. Die mittlere
kinetische Energie dieser Schwingungen ist hier ein Maß für die Temperatur. Ne-
ben der kinetischen Energie tritt aber auch potentielle Energie auf, denn bei jeder
Schwingung eines Atoms pendelt seine Energie zwischen der kinetischen und der
potentiellen Form hin und her. Beim Durchgang durch die Ruhelage hat das Atom
nur kinetische, in den Umkehrpunkten der Bewegung, wo seine Geschwindigkeit
gerade Null ist, nur potentielle Energie.
Die Kräfte zwischen den Atomen eines festen Körpers oder den Molekülen
eines Gases oder einer Flüssigkeit setzen sich aus anziehenden und abstoßenden
Kräften zusammen und hängen etwa nach Abb. 4.2 von der Entfernung ab; für große
Abstände überwiegt die Anziehung, für kleine die Abstoßung. Für einen bestimm-
ten Abstand a halten Anziehung und Abstoßung sich gerade die Waage. Verkleinert
man den Abstand durch äußeren Druck, so wächst die abstoßende Kraft, bis sie dem
äußeren Druck das Gleichgewicht hält. Vergrößert man den Abstand etwa durch all-
seitigen Zug, so überwiegen die anziehenden Kräfte, die mit wachsendem Abstand
zunächst zunehmen, ein Maximum beim Abstand b erreichen und dann wieder ab-
nehmen. Bei Überschreiten des Maximums reißen die Teilchen unter der Wirkung
einer konstanten Kraft auseinander, ähnlich wie ein Werkstoff beim Zugversuch.
Durch Energiezufuhr werden die Teilchen des festen oder flüssigen Körpers zum
Schwingen um die Ruhelage gebracht. Da das Kraftgesetz aber kein lineares ist,
4.1 Systemenergie 45
sondern bei Annäherung die Abstoßung stärker wächst als bei Entfernung die An-
ziehung, werden die Teilchen voneinander fort weiter ausschwingen als aufeinander
zu. Ihr mittlerer Abstand wird sich also gegen den Abstand a der Ruhe vergrößern.
Hierdurch erklärt sich die thermische Ausdehnung der Körper.
Beginnt ein fester Körper zu schmelzen, so hat die Bewegung der Moleküle den
Gitterverband so weit aufgelockert, dass Teilchen aus dem Anziehungsbereich eines
Nachbarn in den eines anderen hinüberwechseln können. Die kinetische Energie
der Teilchen reicht aber noch nicht aus, um die Anziehung sämtlicher Nachbarn zu
überwinden.
Bei der Verdampfung ist die Bewegung der Moleküle so stark geworden, dass
eine merkliche Anzahl Teilchen vorhanden ist, deren Energie groß genug ist, um
dem Anziehungsbereich aller ihrer Nachbarn zu entfliehen.
Bei Gasen ist der Abstand der Moleküle so groß, dass ihre Anziehung sehr
schwach und damit auch die potentielle Energie klein gegen die kinetische ist. Beim
idealen Gas sind außer beim unmittelbaren Zusammenstoß überhaupt keine Kräfte
zwischen den Molekülen vorhanden. Aus dem asymptotischen Verlauf des Kraftge-
setzes nach Abb. 4.2 folgt, dass die Moleküle jedes Körpers bei genügend großem
Abstand, also bei großer Verdünnung, sich dem Verhalten des idealen Gases be-
liebig genau nähern, d. h. weder Anziehungs- noch Abstoßungskräfte aufeinander
ausüben.
Die kinetische Theorie der Wärme“ führt diese Gedanken näher aus und leitet aus ihnen
”
auf mathematischem Wege das thermische Verhalten der Körper ab. Um die innere Energie
bestimmen zu können, berechnet man zuerst den Druck. Er läßt sich in folgender Weise als
Wirkung der Stöße der Moleküle auf die Wand deuten:
In einem Würfel von der Kantenlänge a mögen sich Z Moleküle von der Masse m und
der mittleren Geschwindigkeit w befinden. Wir denken uns nun die komplexe ungeordnete
Bewegung der Moleküle dadurch vereinfacht, dass sich je 1 /3 von ihnen senkrecht zu einem
der drei Paare von Würfelflächen bewegen und daran wie vollkommen elastische Kugeln
reflektiert werden. Bei jedem Stoß gibt dann das Einzelmolekül den Impuls 2mw an die
Wand ab, da sich seine Geschwindigkeit von +w bis −w ändert. Jedes Molekül braucht bei
der Geschwindigkeit w zum Hin- und Rückgang zwischen den beiden Würfelflächen die Zeit
Z w
2a/w. Die sekundliche Zahl der Stöße auf die Fläche a2 ist daher , und in der Sekunde
3 2a
wird der Impuls
Z w Zmw2
2mw = ,
3 2a 3a
an die Fläche übertragen. Nach den Gesetzen der Mechanik ist der sekundlich abgegebene
Impuls gleich der auf die Fläche ausgeübten Kraft. Teilt man diese Kraft durch die Fläche, so
erhält man den Druck
1 Zm 2 1
p= w = w2 ,
3 a3 3
da Zm/a3 = die Masse aller Moleküle geteilt durch das Volumen und damit die Dichte
des Gases ist. Für die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle ergibt sich also
3p
w= = 3pv .
46 4. Energieformen
Luft hat bei 0◦ C und bei 1 bar die Dichte = 1,275 kg/m3 , damit ist die mittlere Geschwin-
digkeit der Moleküle
3 · 10000 kg/ms2
w= = 485 m/s .
1,275 kg/m3
Bei Wasserstoff wird unter den gleichen Bedingungen w = 1839 m/s. Je leichter ein Gas ist,
um so größer ist bei gleicher Temperatur die mittlere Geschwindigkeit seiner Moleküle. Da
bei gleichbleibendem Volumen die Temperaturen der Gase sich wie ihre Drücke verhalten,
ist die Temperatur dem Quadrat der mittleren Geschwindigkeit der Moleküle proportional.
Multipliziert man den Druck mit dem Volumen V = a3 des Gases, so folgt
1 2 Zmw2
pV = Zmw2 = .
3 3 2
Die Größe Zmw2 /2 ist unter den getroffenen Vereinbarungen gerade die kinetische Ener-
gie des Gases, dessen Masse M = Zm ist. Außerdem ist nach der thermischen Zustandsglei-
chung für ideale Gase, Gl. (3.14), pV = M RT , sodass folgender Zusammenhang zwischen
der kinetischen Energie und der Temperatur besteht:
3
Ekin = M RT .
2
Dividiert man links und rechts durch die Stoffmenge N , so erhält man für die kinetische
Energie E kin je Mol:
3 3
E kin = M RT = RT .
2 2
R ist hierbei die universelle Gaskonstante. Die kinetische Energie aller Moleküle in einem
Mol beträgt also 3/2 R T .
Da wir kugelförmige Moleküle voraussetzen, was am ehesten bei einatomigen Gasen
zutrifft, ist die Rotationsenergie vernachlässigbar, und außerdem ist bei einatomigen Gasen
keine Schwingung der Atome im Molekül möglich. Die gesamte kinetische Energie E kin ist
daher gleich der molaren Energie U und für einatomige Moleküle gegeben durch
3
E kin = U = RT ,
2
wenn wir der Temperatur T = 0 die innere Energie Null zuordnen. Anderfalls müsste man auf
der rechten Seite noch einen konstanten Wert für die innere Energie bei der Temperatur Null
addieren. Die Bewegungsmöglichkeit in drei zueinander senkrechten Richtungen im Raum
nennt man auch Freiheitsgrade der Translation. Jeder Freiheitsgrad besitzt daher im Mittel
die molare innere Energie R T /2. Bei einer Temperaturerhöhung um 1K wächst daher die
innere Energie je Mol und Freiheitsgrad um den Betrag R /2.
Außer den drei Freiheitsgraden der Translation besitzt ein starrer Körper noch drei Frei-
heitsgrade der Rotation um drei zueinander senkrechte Achsen. Bei mehratomigen Molekülen
findet daher auch noch ein Austausch der Rotationsenergie statt. In der statistischen Thermo-
dynamik weist man nach, dass auf jeden rotatorischen Freiheitsgrad ebenfalls im Mittel die
kinetische Energie R T /2 entfällt.
4.2 Arbeit 47
Zur Ermittlung der inneren Energie eines idealen Gases muss man also nur die Freiheits-
grade abzählen.
Betrachtet man ein zweiatomiges Molekül, Abb. 4.3, so tauschen nur die Rotation um die
y- und z-Achse Energie aus, während die Rotationsenergie bei der Drehung um die x-Achse
wegen des kleinen Trägheitsmoments vernachlässigt werden kann. Die Zahl der Freiheitsgra-
de setzt sich jetzt also aus den drei translatorischen und den zwei rotatorischen Freiheitsgra-
den zusammen und beträgt 5. Die molare innere Energie eines zweiatomigen Moleküls ist
daher
5
U = RT .
2
Dieser Zusammenhang gilt auch für linear gestreckte mehratomige Moleküle, beispielsweise
CO2 . Entsprechend erhält man als molare innere Energie eines dreiatomigen, nicht linear
gestreckten Moleküls
6
U = RT .
2
Abweichungen von dieser einfachen Regel sind dadurch zu erklären, dass neben den Rota-
tionen von zwei- oder dreiatomigen Molekülen insbesondere bei hohen Temperaturen auch
Schwingungen der Atome im Molekül vorkommen, wodurch bei Zusammenstößen ebenfalls
Energie ausgetauscht wird, sodass die tatsächlichen Werte für die innere Energie größer sind.
Somit gilt im allgemeinen Fall entsprechend der statistischen Thermodynamik für die molare
innere Energie eine Gleichung der Form
1
U = (ftrans + frot + 2fschwing ) RT ,
2
wobei der Wert fschwing eine Funktion der Temperatur ist.
Die vorstehende Berechnung ging von einem sehr vereinfachten Schema der Be-
wegung der Gasmoleküle aus. In Wirklichkeit kommen alle möglichen Richtungen und
Größen der Molekülgeschwindigkeit vor, die sich um die mittlere Geschwindigkeit nach
dem Maxwellschen Verteilungsgesetz gruppieren. Berechnet man damit die mittlere Mo-
lekülgeschwindigkeit, so erhält man aber dasselbe Ergebnis wie oben. Wir wollen uns im
Folgenden der kinetischen Vorstellungen nur zur Veranschaulichung bedienen und die ther-
modynamischen Eigenschaften der Körper der Erfahrung entnehmen.
4.2
Arbeit
Arbeit L2 ist, wie in Abb. 4.1 dargestellt wurde, eine Energieform, die nur bei einer
Wechselwirkung zwischen einem System und seiner Umgebung auftreten kann.
Arbeit ist also eine Prozessgröße. In der Thermodynamik übernimmt man den
Begriff der Arbeit aus der Mechanik und definiert:
Greift an einem System eine Kraft an, so ist die an dem System verrich-
tete Arbeit gleich dem Produkt aus der Kraft und der Verschiebung des
Angriffspunktes der Kraft.
2
Abweichend von den Normen DIN 1304 und ISO 31 verwenden wir für die Arbeit nicht
die Zeichen W , w (Work) sondern wie früher üblich L, l (labor). Dadurch wird das Zei-
chen w frei für die Geschwindigkeit. Hierfür sehen die genannten Normen die Zeichen u
oder v vor, die aber außerdem auch innere Energie oder spez. Volumen kennzeichnen sol-
len. Wegen der Schwierigkeiten, die sich dadurch in der Thermodynamik ergeben, hielten
wir ein Abweichen von der Norm für gerechtfertigt.
48 4. Energieformen
Bewegt sich ein Massenpunkt im Feld einer Kraft F zwischen den Punkten 1
und 2 auf einer Kurvenbahn, Abb. 4.4, und schließen die Kraft F und die Wegrich-
tung dz einen Winkel Φ ein, so ist die Arbeit dL an irgendeiner Stelle der Kurven-
bahn gleich der Komponente der Kraft F cos Φ in Richtung der Verschiebung dz,
multipliziert mit der Verschiebung dz.
dL = F cos Φ dz ,
Greifen gleichzeitig mehrere Kräfte an einem System an, so ist die an dem System
verrichtete Arbeit gleich der Summe der Arbeiten der einzelnen Kräfte.
Die je Zeitspanne dτ verrichtete Arbeit dL nennt man Leistung
dL
P = L̇ = . (4.7)
dτ
4.2.1
Mechanische Arbeit
Es soll nun die Arbeit berechnet werden, die man verrichten muss, um einen Mas-
senpunkt reibungsfrei von der Geschwindigkeit w1 auf die Geschwindigkeit w2 zu
beschleunigen. Bezeichnet man mit M die Masse und mit w = dz/dτ den Ge-
schwindigkeitsvektor des Massenpunktes, so ist nach dem Newtonschen Grundge-
setz die zeitliche Änderung des Impulses J = M w gleich der Kraft
dJ d
F = = (M w)
dτ dτ
4.2 Arbeit 49
2
Die mechanische Arbeit F dz = Lkin
m12 , welche die am Massenpunkt angreifen-
1
den Kräfte F verrichten, dient zur Änderung der kinetischen Energie. Durch die
Kräfte F wird demnach ein Massenpunkt oder ein ganzes System beschleunigt.
Gl. (4.8) kann man auch schreiben
2
w22 w2
M − 1 = F dz = Lkin
m12 (4.9a)
2 2
1
oder
Ekin,2 − Ekin,1 = Lkin
m12 . (4.9b)
Um die Masse M durch eine der Schwerkraft entgegenwirkende Kraft F = M g
von der Höhe z1 auf die Höhe z2 anzuheben, Abb. 4.5, ist von der Kraft F eine
Arbeit
Lpot
m12 = M g (z2 − z1 ) = Epot,2 − Epot,1 (4.10)
zu verrichten.
Sowohl zur Änderung der kinetischen als auch zur Änderung der potentiellen
Energie haben wir außen an dem System Kräfte angebracht, durch welche die Ge-
schwindigkeit des Systems geändert oder das System angehoben wurde. Werden
50 4. Energieformen
kinetische und potentielle Energie durch äußere Kräfte zwischen einem Zustands-
punkt 1 und einem Zustandspunkt 2 geändert, so beträgt die von den angreifenden
Kräften verrichtete mechanische Arbeit“
”
pot
Lm12 = Lkinm12 + Lm12 = Ekin,2 − Ekin,1 + Epot,2 − Epot,1
oder
w22 w2
Lm12 = M − 1 + M g (z2 − z1 ) . (4.11)
2 2
Unter der so definierten mechanischen Arbeit Lm12 versteht man somit die Ar-
beit der Kräfte, die ein ganzes System beschleunigen und es im Schwerefeld anhe-
ben.
Mechanische Arbeit Lm12 kann durch an der Oberfläche des Systems angrei-
fende Druckkräfte, Schubspannungen oder durch im Massenmittelpunkt angreifen-
de Kräfte verrichtet werden, wie die Zentrifugalkraft, elektrische oder magnetische
Feldstärke. Greift keine dieser Kräfte an, so ist Lm12 = 0.
Die kinetische Energie ändert sich dann nur auf Kosten der potentiellen, weil
die Schwerkraft als einzige äußere Kraft wirkt.
4.2.2
Volumenänderungsarbeit und Nutzarbeit
Ein beliebiges unter Druck p stehendes System vom Volumen V möge einen rei-
bungsfreien Prozess durchlaufen, bei dem das Volumen des Systems abnimmt. Da-
bei verschiebe sich durch Einwirken einer Kraft ein Element dA seiner Oberfläche
nach Abb. 4.6 um die Strecke dz. Somit wird dem System von außen eine Arbeit
−p dA dz zugeführt3. Das Minuszeichen kommt dadurch zustande, dass das Volu-
men des Systems um dA dz abnimmt, die Volumenänderung also einen negativen
Wert hat, während die Arbeit vereinbarungsgemäß positiv sein soll.
3
Der Einfachheit halber ist hier angenommen, dass die Verschiebung dz in Richtung
der Kraft dF und senkrecht zum Flächenelement dA erfolgt. Andernfalls wird an dem
Flächenelement eine Arbeit −p dA dz verrichtet.
4.2 Arbeit 51
Die Arbeit, die zur Reduzierung des Systemvolumens um dV notwendig ist, ist
dL = −p dA dz = −p dV (4.12)
A
ist die Fläche 12ab unter der Kurve 12. Diese Darstellung wird in der Technik sehr
viel benutzt.
Die Fläche 12ab hängt vom Verlauf der Zustandskurve zwischen den Punkten 1
und 2 ab. Die Volumenänderungsarbeit ist daher keine Zustandsgröße, da das Inte-
gral in Gl. (4.13) wegabhängig ist und je nach Art des Prozesses bzw. Verlauf der
52 4. Energieformen
Dieser Sachverhalt ergibt sich auch aus dem mathematischen Kriterium für Zustandsgrößen
(Kap. 1.4), wonach
Y (X1 ,X2 )
nur dann eine Zustandsgröße und
∂Y ∂Y
dY = dX1 + dX2
∂X1 ∂X2
nur dann ein vollständiges Differential ist, wenn
∂2Y ∂2Y
=
∂X1 ∂X2 ∂X2 ∂X1
ist. Um dieses Kriterium auf die Volumenänderungsarbeit anwenden zu können, wollen wir
untersuchen, ob Lv = Lv (V,p) ein totales Differential besitzt.
Dazu schreiben wir
∂Lv ∂Lv
dLv = dV + dp ,
∂V p ∂p v
andererseits ist dLv = −pdV = −pdV + 0 · dp. Durch Vergleich beider Beziehungen ergibt
sich
∂Lv ∂Lv
= −p und =0.
∂V p
∂p v
Es ist also
∂ 2 Lv ∂p ∂ 2 Lv
=− = −1, während =0 ist.
∂p∂V ∂p ∂V ∂p
Damit ist bewiesen, dass Lv (V,p) kein totales Differential besitzt und dass Lv keine Zu-
standsgröße sein kann.
Ganz allgemein galt ja, dass Arbeit im Unterschied zur Systemenergie keine
Eigenschaft des Systems, sondern mit einem Austauschprozess zwischen einem
System und seiner Umgebung verbunden ist. Mit der Beendigung des Austausch-
prozesses ist keine Arbeit mehr vorhanden! Als Ergebnis des Austauschprozesses
bleibt eine Energieänderung in dem System zurück.
Berechnet man die Arbeit nach Gl. (4.13), so muss man voraussetzen, dass das
System in jedem Augenblick des Prozesses einen eindeutigen Druck besitzt. Dies
ist allerdings nur möglich, wenn der Prozess nicht allzu schnell abläuft. Würde
man beispielsweise den in Abb. 4.7 unten dargestellten Kolben extrem schnell nach
rechts bewegen, so würden zunächst nur solche Gasmoleküle dem Kolben folgen
können, deren Geschwindigkeit senkrecht zum Kolben mindestens gleich der Kol-
bengeschwindigkeit ist. Bei extrem schneller Kolbenbewegung wären dies nur ei-
nige Moleküle, sodass sich das Gas in Kolbennähe verdünnen würde, in einiger
Entfernung vom Kolben aber praktisch überhaupt keine Druckabsenkung erführe.
In diesem Fall ist der jeweilige Zustand des Gases nicht durch eindeutige Werte des
Druckes charakterisiert, und man kann das Integral nach Gl. (4.13) nicht bilden, da
4.2 Arbeit 53
und dient dazu, das Umgebungsmedium vom Druck pu wegzuschieben. Die vom
expandierenden Gas verrichtete Arbeit
2
− p dV
1
ist also nur zum Teil als Arbeit Ln12 an der Kolbenstange verfügbar, der andere Teil
wird als Verschiebearbeit an die Umgebung abgegeben. Somit gilt
2
Lv12 = − p dV = Ln12 − pu (V2 − V1 ) ,
1
Beispiel 4.1: Gas wird in einem Zylinder von 6 bar auf 2 bar entspannt.
Der Prozess sei quasistatisch. Druck und Volumen ändern sich wie folgt:
p in bar 6 5 4 3 2
3
V in dm 0,5 0,88 1,13 1,34 1,5
Der Umgebungsdruck sei 1 bar. Man berechne die Nutzarbeit an der Kolbenstange.
2
Es ist Ln12 = − p dV + pu (V2 − V1 ).
1
Da die Werte p, V numerisch gegeben sind, verwandeln wir zur näherungsweisen Be-
2
rechnung das Integral in eine Summe Ln12 ∼
= − pΔV + pu (V2 − V1 ). Dann setzen
1
wir für p jeweils den Mittelwert zwischen zwei Drücken ein, ΔV ist die zugehörige
Volumendifferenz.
Ln12 ∼
= [−(5,5 · 0,38 + 4,5 · 0,25 + 3,5 · 0,21 + 2,5 · 0,16)
+ 1 · (1,5 − 0,5)] · 105 N/m2 · 10−3 m3 = −335Nm.
Anmerkung: Wenn man p (V ) durch ein Interpolationspolynom ersetzt, erhält man statt
dessen den etwas genaueren Wert Ln12 ∼
= −338 Nm.
4.2 Arbeit 55
4.2.3
Wellenarbeit
Ein geschlossenes oder offenes System kann Arbeit mit der Umgebung auch durch
Drehen einer Welle austauschen. Die Welle, die beispielsweise mit einem Motor
in der Umgebung verbunden ist, ragt dabei über die Systemgrenze in das System
hinein. Durch die Drehung der Welle wird das Volumen des Systems nicht verändert,
also keine Volumenänderungsarbeit verrichtet.
Abbildung 4.9 zeigt ein geschlossenes (a) und ein offenes (b) System, in das
jeweils eine Welle aus der Umgebung hineinragt, hier beispielsweise zum Antrieb
eines Rührers. Die mittels der Welle transportierte Arbeit nennt man Wellenarbeit
Lw . Wird sie vom System aufgenommen, so erhöht sie die Systemenergie. Wellen-
arbeit ist gleich dem Produkt aus Drehmoment Md und Drehwinkel dα
dLw = Md dα . (4.16)
Da man unter der Leistung P = dL/dτ die je Zeiteinheit verrichtete Arbeit und
unter der Ableitung des Drehwinkels nach der Zeit die Winkelgeschwindigkeit
ω = dα/dτ versteht, gilt für die Wellenleistung
Pw = Md ω . (4.17a)
Häufig gibt man statt der Winkelgeschwindigkeit die Drehzahl n einer Welle in s−1
an. Es ist
ω = 2πn ,
worin ω die Winkelgeschwindigkeit ist (Einheit s−1 ). Damit erhält man die verrich-
tete Leistung an der Welle zu
Pw = Md 2πn . (4.17b)
56 4. Energieformen
4.2.4
Elektrische Arbeit
Abbildung 4.10 zeigt das im vorherigen Kapitel im Zusammenhang mit der Wel-
lenarbeit skizzierte geschlossene System, wobei nun der Elektromotor zum Antrieb
der Welle mit in das System einbezogen wurde.
In diesem Fall wird über die Systemgrenze keine Wellenarbeit sondern elek-
trische Arbeit transportiert, die an den Transport elektrischer Ladungen geknüpft
ist. Diese Art des Energietransports wird in einem elektrischen Leiter zwischen
zwei Orten unterschiedlichen elektrischen Potentials hervorgerufen. Liegt in obi-
gem Beispiel an dem Elektromotor die Potentialdifferenz bzw. Spannung Uel in Volt
an und fließt der elektrische Strom der Stärke I in Ampere, so ist die an das System
übertragene elektrische Leistung
Die elektrische Arbeit, die in einer Zeit dτ übertragen wird, ist demnach
wobei Qel die elektrische Ladung kennzeichnet, die über die Systemgrenze trans-
portiert wird. Sind Spannung und Stromstärke konstant, so gilt für die in einer Zeit-
spanne Δτ = τ2 − τ1 übertragene Arbeit
Setz man hierin den Zusammenhang Rel = Uel /I zwischen elektrischem Wider-
stand Rel eines elektrischen Leiters, der Spannung und der Stromstärke ein, so er-
gibt sich die elektrische Arbeit zu
Lel,12 = Rel I 2 Δτ = Uel2 /Rel Δτ . (4.19c)
4.2.5
Weitere Arbeitsformen
4.2.5.1
Arbeit durch elastische Verformung eines Stabes
Ein elastischer Stab von der Länge z und dem Querschnitt A werde durch eine Kraft F um
die Strecke dz verlängert, Abb. 4.11. Die längs des Weges zugeführte Arbeit ist
F dz
dL = F dz = A z = σ dε V (4.20a)
A z
wenn σ = f /A die Spannung, dε = dz/z die Dehnung und V das Volumen des Stabes sind.
Entlastet man den Stab, so gibt er die zugeführte Arbeit wieder ab. Um (Gl. 4.20a) integrieren
zu können, muss man wissen, wie die jeweilige Spannung σ von der zugehörigen Dehnung ε
abhängt. Verläuft der Prozess annähernd bei konstanter Temperatur, so sind - wie die Erfah-
rung lehrt - Spannungen und Dehnungen des elastischen Stabes einander proportional.
F dz
σ = E ∗ε oder = E∗ .
A z
Man bezeichnet diesen Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung bekanntlich als
Hooksches Gesetz. Der Proportionalitätsfaktor ist der Elastizitätsmodul E*. Die Größe der
angreifenden Kraft ist proportional der Längenänderung. Die Arbeit ist somit
dL = E ∗ ε dε V ,
woraus durch Integration
ε21 1
L = E∗ V = V σ1 ε 1
2 2
folgt, wenn jetzt mit ε1 die gesamte Dehnung Δz/z und mit σ1 die zugehörige Spannung
bezeichnet wird. Wenn wir in Richtung der Achsen x,y,z eines kartesischen Koordinaten-
systems die Normalspannungen mit σx ,σy ,σz und die Tangentialspannungen mit τx ,τy ,τz
bezeichnen, so ist die Arbeit an einem homogenen Körper vom Volumen V
dL = (σx dεx + σy dεy + σz dεz + τx dγx + τy dγy + τz dγz ) V, (4.20b)
4
Die folgenden Ausführungen bis zum Abschnitt 4.2.5.6 können beim ersten Studium
überschlagen werden, vgl. Fußnote 3.
58 4. Energieformen
wobei εx ,εy ,εz ,γx ,γy ,γz die von den jeweiligen Spannungen hervorgerufenen Verschiebun-
gen parallel zu den Koordinatenachsen darstellen.
4.2.5.2
Arbeit zur Oberflächenvergrößerung einer Flüssigkeit
Während Moleküle im Inneren einer Flüssigkeit allseitig von Nachbarn umgeben sind, so-
dass sich Anziehungskräfte gegenseitig aufheben, sind die Oberflächenmoleküle von mehr
Nachbarn im Flüssigkeitsinneren als von solchen in Oberflächennähe umgeben. Auf die
Moleküle die sich innerhalb der Wirkungssphäre der Molekularkräfte (10−7 cm) unter ei-
ner Flüssigkeitsoberfläche befinden, wirkt daher eine einseitig ins Innere der Flüssigkeit
gerichtete resultierende Kraft, die um so größer ist, je geringer der Abstand von der
Flüssigkeitsoberfläche ist. Moleküle in der Oberfläche einer Flüssigkeit besitzen daher ei-
ne höhere potentielle Energie als Moleküle im Inneren, und man muss demnach Energie
zuführen, wenn man zur Vergrößerung von Oberflächen Moleküle aus dem Inneren an die
Oberfläche bringt. Diese Energie können wir uns beispielsweise von äußeren Kräften zu-
geführt denken, die eine Arbeit dL am System verrichten.
Bei isothermer Zustandsänderung nimmt hierdurch die Energie des Systems zu.
Die Energiezunahme ist gleich der aufzuwendenden Arbeit und direkt proportional der
Flächenvergrößerung dA
dL = σ dA . (4.21)
Die Oberflächenspannung σ ist eine Zustandsgröße und hängt hauptsächlich von der Tem-
peratur ab.
4.2.5.3
Arbeit an einer elektrochemischen Zelle
eine elektrische Ladung dQel durch den äußeren Kreis von der positiven zur negativen Elek-
trode transportiert werden. Die von der Zelle abgegebene Energie kann als Arbeit verrichtet
werden;
diese ist
dLel = ΦdQel . (4.22)
Sie ist negativ, da die Ladung der Zelle in unserem Beispiel um dQel abnimmt. Macht man
die äußere Potentialdifferenz etwas größer als das Potential Φ, so wird die Ladung in um-
gekehrter Richtung transportiert, sodass dQel positiv ist und dem System Energie zugeführt
wird. Die an der Oberfläche des Systems angreifende Kraft“ ist in diesem Fall das elektri-
”
sche Potential. Die Aufnahme oder Abgabe von Ladung bewirkt einen Transport elektrisch
geladener Teilchen in der Zelle. Die transportierte Ladung ist proportional der Ladung eines
Teilchens, der sogenannten elektrochemischen Valenz z, und außerdem der Anzahl dn der
transportierten Teilchen (Stoffmenge)
dQel = F z dn .
Der Proportionalitätsfaktor
F = e NA = (9,6485309 ± 0,000029) · 107 C/kmol
ist die Faraday-Konstante (1C = 1 Coulomb = 1 As = 1 J/V), die sich aus der Ele-
mentarladung e = (1,60217733 ± 0,0000049) · 10−19 C und der Avogadro-Konstanten
NA = (6,0221367 ± 0,000036) · 1026 ergibt.
ist.
4.2.5.4
Arbeit durch Polarisation in einem Dielektrikum
Bringt man zwischen die Platten eines geladenen und dann von der Stromquelle getrennten
Kondensators einen Isolator, beispielsweise eine Glas- oder Kunststoffplatte, Abb. 4.13, so
sinkt die Spannung. Entfernt man die Platte, so stellt sich wieder der ursprüngliche Wert der
Spannung ein; dem Kondensator ist also keine Ladung entzogen worden. Entlädt man ande-
rerseits einen auf die Spannung Uel geladenen Kondensator, zwischen dessen Platten vor der
Aufladung ein Dielektrikum geschoben wurde, so ist die Ladung größer als die des auf die
gleiche Spannung aufgeladenen Kondensators ohne Dielektrikum. Offensichtlich wird durch
das Dielektrikum die Kapazität vergrößert, gleichzeitig sinkt bei vorgegebener Ladung die
Spannung. Physikalische Ursache für diese Erscheinung ist die Polarisation der Moleküle
des Dielektrikums unter dem Einfluß des elektrostatischen Feldes. Man kann sich diesen
Vorgang so vorstellen, als ob an der Oberfläche eines jeden Moleküls positive und nega-
tive Ladungen gebildet würden. In Richtung des elektrischen Feldes entstehen positive, in
60 4. Energieformen
die man das elektrische Potential nennt. Es ist E = −grad Φ, also beim Plattenkondensa-
tor |E| = Uel /z, wenn Uel die elektrische Spannung und z der Plattenabstand sind. Nach
Einschieben des Dielektrikums muss sich mit der Feldstärke auch die Spannung verringern.
Denkt man sich den in Abb. 4.13 gezeichneten Kondensator an eine Spannungsquelle ange-
schlossen und deren Spannung Uel über ein Potentiometer gleich der Kondensatorspannung
gewählt, so wird dem Kondensator weder Ladung zu- noch abgeführt, und das Galvanome-
ter ist stromlos. Erhöht man die Spannung des äußeren Kreises, um einen kleinen Betrag, so
kann eine Ladung dQel auffließen, und es wird dem System eine Arbeit
dL = Uel dQel (4.23a)
zugeführt. Um diese Gleichung integrieren zu können, muss man wissen, wie die Ladung
Qel von der Spannung Uel abhängt. Wie die Elektrostatik lehrt, ist die Ladung unabhängig
davon, ob ein Dielektrikum vorhanden ist oder nicht, und proportional der Spannung Uel . Sie
ist abhängig von der geometrischen Gestalt und der gegenseitigen Anordnung der Flächen
des Kondensators, die wir durch den geometrische Faktor A kennzeichnen
an Grenzflächen unstetig sein. Die Dielektrizitätskonstante ε ist eine Funktion von Druck,
Temperatur und Zusammensetzung des Dielektrikums. Für Flüssigkeiten und feste Körper
ist allerdings die Temperaturabhängigkeit über weite Zustandsbereiche nicht sehr stark. Für
Gase ist ε nur eine Funktion der Dichte, ε = ε(), die ihrerseits über die thermische Zu-
standsgleichung f (p,,T ) = 0 mit Druck und Temperatur verknüpft ist. Der Zustand des
Systems, welches aus Kondensator und einem Dielektrikum besteht, wird also durch fünf Va-
riablen, nämlich durch Qel , Uel , p, , T beschrieben, von denen drei unabhängig sind, da die
thermische Zustandsgleichung und Gl. (4.23b) zwei weitere Beziehungen zwischen den Va-
riablen darstellen. Befindet sich ein Vakuum zwischen den Kondensatorflächen, so ist ε = 1.
Die Größe ε0 nennt man auch die absolute Dielektrizitätskonstante des Vakuums. Sie ist eine
Fundamentalkonstante der Physik und hat den Wert
107
εo = C2 / Nm2 = 8,854187817 · 10−12 C2 / Nm2 ,
4π/c20
wobei 1C = 1 Coulomb = 1 Ampèresekunde und c0 der Zahlenwert der Lichtgeschwindigkeit
c = 2,99792458 · 108 m/s
ist.
Den geometrischen Faktor A in Gl. (4.23b) findet man in Lehrbüchern des Elektroma-
gnetismus vertafelt. Für den Plattenkondensator ist A = A/z, wenn A die Fläche einer
Platte und z der Plattenabstand sind. Für den Ausdruck ε ε0 A setzt man auch das Zeichen C
und nennt diese Größe die Kapazität des Kondensators
C = ε ε0 A .
Es ist also die Ladung
Qel = CUel .
Für die Ladung eines Kondensators ohne Dielektrikum gilt entsprechend
Qel = C0 Uel
mit der Kapazität C0 = ε0 A .
Unter Beachtung von Qel = CUel erhält man die Arbeit aus Gl. (4.23a)
1 Q2el 1 1
Lel = = CUel2 = ε C0 Uel2
C 2 2 2
Um die Betrachtung auf kontinuierliche Systeme zu erweitern, in denen sich die Felder
örtlich ändern dürfen, muss man die örtlichen Parameter für das elektrische Feld einführen.
Grundsätzlich könnte man das Feld an jedem Ort durch die in Abb. 4.13 eingezeichneten
Feldstärken E 0 ,E und E beschreiben. Es hat sich aber als zweckmäßiger erwiesen, statt
der Vektoren E 0 und E zwei neue Größen einzuführen, nämlich die dielektrische Verschie-
bung D und die Polarisation P .
Die dielektrische Verschiebung eines elektrischen Feldes an irgendeiner Stelle denkt man
sich dadurch ermittelt, dass man an diese Stelle einen kleinen Plattenkondensator bringt und
diesen so im Felde dreht, dass die Ladung der Platten ein Maximum wird. Der Betrag der
dielektrischen Verschiebung ist dann gleich der Ladung dividiert durch die Fläche des Kon-
densators; der Vektor steht senkrecht auf der Kondensatorebene und zeigt von der positiven
zur negativen Ladung. In isotropen Medien fallen die Richtungen von E und D zusammen.
In einem Vakuum ist
Qel ε0 A Uel ε0 AUel Uel
|D0 | = = = = ε0 = ε0 |E 0 |,
A A zA z
62 4. Energieformen
und D o = ε0 E 0 .
Für einen materieerfüllten Raum gilt diese Beziehung nicht mehr, da sich die Ladung
ändert. Dort gilt entsprechend
D = ε ε0 E = εm E ,
wenn wir ein isotropes Medium und einen eindeutigen Zusammenhang zwischen D und
E voraussetzen, d. h. wenn wir ferroelektrische Substanzen ausschließen. Statt die obige
Gleichung zu verwenden, führt man ganz allgemein (für isotrope und anisotrope Medien)
einen neuen Vektor ein durch die Gleichung
D = ε0 E + P
und nennt P die elektrische Polarisation. Für das Vakuum ist P = 0. Für isotrope Medien
ist εm ein Skalar und
D = εm E = ε0 E + P oder P = ε0 (ε − 1) E = ψE .
Die dimensionslose Größe
ψ ε−1
=
4πε0 4π
nennt man häufig auch elektrische Suszeptibilität.
Man findet sie in vielen Lehrbüchern vertafelt. Der Faktor 4π ist dadurch zu erklären,
dass die meisten früheren Betrachtungen von Feldern von Kugelkondensatoren ausgingen.
Man hat dann den Faktor 4π, der sich hierbei ergibt, aus historischen Gründen beibehalten.
Um die Energie an irgendeiner Stelle des Feldes zu berechnen, denken wir uns an diese
Stelle einen kleinen Plattenkondensator gebracht und diesen so orientiert, dass die Ladung
ein Maximum wird. Bei einer kleinen Spannungsänderung wird Ladung verschoben, und
die Energieänderung ist in einem isotropen Medium genauso groß wie die Arbeit dL, die
verrichtet werden könnte
Uel Qel
dL = Uel dQel = d Az = E dD V ,
z A
wenn V = Az das vom Kondensator eingeschlossene Volumen ist. Damit ist die Arbeit je
Volumeneinheit
dL
dLv = = E · dD .
dV
In einem anisotropen Medium sind die Vektoren D und E nicht parallel zueinander und die
Arbeit je Volumeneinheit
dLv = (E · dD) .
Dieses Ergebnis sei, da es plausibel ist, ohne Beweis angeführt. Für den vollständigen Beweis
benötigt man die sogenannten Maxwellschen Gleichungen. Im gesamten Feld ist also die
Arbeit, die das Volumen V verrichten könnte
L= (E · dD) dV ,
(V )
wobei die Integration über den ganzen Raum zu erstrecken ist. Für isotrope Medien war
D = εm E = ε0 εE; damit ist die Arbeit je Volumeneinheit oder die Energiedichte in isotro-
pen Medien im elektrostatischen Feld:
1
Lv = ε0 εE 2 .
2
4.2 Arbeit 63
4.2.5.5
Magnetisierungsarbeit
Als einfaches Beispiel betrachten wir einen ringförmig gebogenen Stab vom Querschnitt A,
über den N Windungen einer Spule der Länge l1 geschoben sind, Abb. 4.14. Um die Win-
dungen der stromdurchflossenen Spule entsteht ein magnetisches Feld, dessen Kraftlinien
im Innern der Spule parallel verlaufen, wenn man voraussetzt, dass die Spule sehr lang im
Vergleich zu ihrem Durchmesser ist. Entsprechend der elektrischen Feldstärke wird in dem
Stab ein magnetisches Feld induziert, dessen Richtung definitionsgemäß vom Südpol zum
Nordpol weist. Die Materie wird polarisiert, und es entstehen kleine Elementarmagnete. Da
sich im Innern des Stabes stets Nordpol und Südpol der Elementarmagnete gegenüberstehen,
kompensieren sich diese, und es bleiben nur an den Enden des Stabes freie Pole. Analog zur
elektrischen Feldstärke, die in der Elektrodynamik definiert ist durch die Kraft F = Qe E
auf eine kleine Probeladung Qe , definiert man eine magnetische Induktion B durch folgende
Vorschrift:
Man bringt einen vom Strom I durchflossenen Draht der Länge dz in ein magnetisches
Feld und misst die auf diesen Draht ausgeübte Kraft. Wie die Erfahrung zeigt, steht die Kraft
senkrecht auf der Ebene, welche von dem Drahtstück und dem magnetischen Feld aufge-
spannt wird. Man definiert daher
dF = I dz B sin ϕ ,
worin ϕ der Winkel zwischen den Vektoren z und B ist. In der Vektorrechnung schreibt man
dafür abkürzend
dF = I dz × B .
Nach den heutigen Vorstellungen (Nahewirkungstheorie) von den elektromagnetischen Er-
scheinungen ist das Feld des Vektors B auch dann vorhanden, wenn man seine Existenz
nicht durch Kraftmessungen nachweisen kann. Wie Versuche zeigen, ist die magnetische
Feldstärke, wenn man extreme Stromstärken in dem ringförmig gebogenen Stab ausschließt,
proportional der Zahl N der Windungen, der Stromstärke I und umgekehrt proportional der
Länge der Spule,
B = μm N I/l1 .
Hierbei wird vorausgesetzt, dass der Stab aus einem isotropen Medium besteht. Ferroma-
gnetische Substanzen, deren Feldstärke noch von der Vorgeschichte abhängt, werden durch
die obige Beziehung nicht erfasst. Den Proportionalitätsfaktor μm spaltet man analog zum
Dielektrikum in zwei Faktoren auf, μm = μ0 μ, und nennt μ die Permeabilität. Sie ist von
Temperatur, Druck und Zusammensetzung des Mediums abhängig. Im Vakuum ist μ = 1
und daher
B0 = μ0 N I/l1 .
64 4. Energieformen
Den Term N I/l1 nennt man auch magnetische Feldstärke H . Sie ist ein Vektor, dessen
Richtung im Stab definitionsgemäß vom Südpol zum Nordpol der Spule führt. Man kann
daher auch schreiben
B = μm H = μ0 μH
und
B 0 = μ0 H 0 .
Die Größe μ0 ist eine universelle Konstante und wird magnetische Fundamentalkonstante,
Induktionskonstante oder magnetische Permeabilität des Vakuums genannt. Ihr Zahlenwert
ist
−4 2 10
−3
Js2 −7 VS
μ0 = 4π10−7 = 4π10 = 10 Vs/m .
C2 m Am 4πA/m
Es bedeuten: C = Coulomb; V = Volt; A = Ampère.
Ändert man die Stromstärke in der Spule, so hat dies eine Änderung der magnetischen Induk-
tion zur Folge. Nach den Maxwellschen Gleichungen erzeugt aber ein zeitlich veränderliches
Magnetfeld ein elektrisches Feld
d
Edz = − BdA .
dt
(A)
unabhängig sind. Statt der Vektoren B 0 und B führt man üblicherweise zwei andere Vek-
toren ein, deren Existenz man sich mit Hilfe der folgenden Überlegungen veranschaulichen
kann:
Auf die Dipole wird in einem äußeren Magnetfeld ein Drehmoment ausgeübt, und sie
richten sich so aus, dass das Drehmoment verschwindet. Diese Tatsache kann man nun aus-
nutzen, um analog zur elektrischen Verschiebung einen Vektor H für das Magnetfeld ein-
zuführen. Dazu denkt man sich an die Stelle des Magnetfeldes, an der man die Feldstärke
ermitteln will, den magnetischen Dipol durch eine kleine zylindrische Spule ersetzt, die aus
N Windungen besteht und deren Länge l1 groß ist im Verhältnis zum Durchmesser. Man
schickt einen elektrischen Strom durch die Spule und ändert die Stromstärke I und die Rich-
tungen der Spule so lange, bis das auf die Spule ausgeübte Drehmoment verschwindet, d.
h. bis das ursprüngliche Magnetfeld durch das Spulenfeld kompensiert wird. Den Ausdruck
IN/l1 definiert man als Betrag der magnetischen Feldstärke H , sie ist definitionsgemäß vom
Südpol zum Nordpol gerichtet. Die an der betreffenden Stelle induzierte Feldstärke B, die auf
eine Kraftmessung zurückgeführt wird, ist von der so definierten Feldstärke verschieden. Um
Induktion und Feldstärke miteinander verknüpfen zu können, führt man einen neuen Vektor
M ein, über die Definitionsgleichung
B = μ0 H + M , (4.25)
und nennt M die Magnetisierung. Sie stellt das Analogon zur elektrischen Polarisation P dar.
Gleichung (4.25) besagt, dass das induzierte Feld aus zwei Anteilen besteht, wovon der eine
μ0 H auf das vom elektrischen Strom erzeugte Magnetfeld zurückzuführen ist und der andere
M von den magnetischen Dipolen in der Materie herrührt. Im Vakuum ist B 0 = μ0 H 0 und
M = 0. Untersucht man isotrope Medien, schließt man also ferromagnetische Substanzen
aus, so ist die Permeabilität μ ein Skalar und
B 0 = μm H = μ0 μ H
und somit wegen Gl. (4.25)
M = μ0 (μ − 1) H = χH .
Die Größe
χ μ−1
=
4πμ0 4π
nennt man auch magnetische Suszeptibilität. Sie ist in vielen Lehrbüchern vertafelt. Der Fak-
tor 4π ist dadurch zu erklären, dass man genau wie bei den Betrachtungen über elektrische
Felder früher die magnetischen Felder an kugelförmigen Körpern studierte und später den
Faktor 4π, der sich hierbei ergibt, aus historischen Gründen beibehielt. Die magnetische Sus-
zeptibilität ist negativ bei diamagnetischen Stoffen; dort ist die Magnetisierung der Feldstärke
proportional, aber ihr entgegen gerichtet. Bei paramagnetischen Stoffen ist die magnetische
Suszeptibilität positiv, Magnetisierung und Feldstärke sind einander proportional und gleich
gerichtet. Außerdem gilt, dass die Suszeptibilität nach dem Curieschen Gesetz für viele Stof-
fe bei nicht allzu tiefen Temperaturen umgekehrt proportional der absoluten Temperatur ist,
χ = c/T .
Bei ferromagnetischen Stoffen ist die Magnetisierung der Feldstärke gleichgerichtet, aber
ihr nicht mehr proportional. Die Suszeptibilität ist keine Konstante, sondern eine Funktion der
Feldstärke und der Vorgeschichte der Magnetisierung. Sie ist im Gegensatz zur Suszeptibilität
dia- und paramagnetischer Stoffe auch keine Zustandsgröße.
Um die Arbeit zur Magnetisierung an irgendeiner Stelle eines Feldes berechnen zu
können, denken wir uns ein Volumenelement der Materie an dieser Stelle von einer strom-
durchflossenen Spule eingeschlossen, deren Feld so beschaffen ist, dass das Feld der Umge-
bung unverändert erhalten bleibt. Dann muss sich, wie wir gesehen hatten, bei einer kleinen
66 4. Energieformen
Änderung der Stromstärke die Energie um den Anteil dE ändern, der zur Verrichtung von
Arbeit dienen kann
dL = V HdB (4.26)
oder für die Arbeit je Volumeneinheit
dLv = HdB , (4.27a)
wenn H und B gleichgerichtet sind. In einem anisotropen Medium, in dem Feldstärke und
Induktion nicht gleichgericht sind, muss man, wie man in der Elektrodynamik mit Hilfe der
Maxwellschen Gleichungen zeigt, die Arbeit als inneres Produkt der Vektoren H und dB
bilden
dLv = (H · dB) . (4.27b)
Im gesamten Feld vom Volumen V ist daher die Arbeit
L= (H · dB) dV , (4.28)
(V )
wobei die Integration über das Volumen V zu erstrecken ist. Für isotrope Medien war
B = μ0 μ H und damit
1
Lv = μ0 μ H 2 . (4.29)
2
4.2.5.6
Arbeit durch elektomagnetische Felder
Die Energie in elektromagnetischen Feldern ist gleich der Summe der Arbeiten, welche man
für den Aufbau des elektrischen Feldes und des Magnetfeldes verrichten muss. Entsprechend
der beiden vorherigen Abschnitte gilt
L= [(E · dD) + (H · dB)] dV .
(V )
4.2.6
Verallgemeinerung des Begriffes Arbeit und die dissipierte Arbeit
darstellen, worin man Fk als generalisierte Kraft“ und dXk als generalisierte
” ”
Verschiebung“ bezeichnet. Die generalisierten Kräfte sind, wie die vorigen Beispie-
le zeigten, intensive, die generalisierten Verschiebungen extensive Zustandsgrößen.
Die Größen Xk sind die Koordinaten, über die das System Energie in Form von Ar-
beit aus der Umgebung aufnehmen oder an sie abgeben kann. Man bezeichnet Xk
daher auch als Austauschvariable.
Voraussetzung bei unseren Betrachtungen war, dass man den generalisierten
Kräften in jedem Augenblick einen eindeutigen Wert der generalisierten Verschie-
bung zuordnen kann, da man nur dann die am System verrichtete Arbeit berechnen
kann. Extrem schnelle Zustandsänderungen waren also von den Betrachtungen aus-
geschlossen. Gleichung (4.31) ist die verallgemeinerte Arbeit“ bei quasistatischen,
”
reibungsfreien Prozessen. Die insgesamt am System verrichtete Arbeit ist gleich der
Summe aller n einzelnen Arbeiten
n
dL = Fk dXk . (4.32)
k=1
In Tabelle (4.1) sind verschiedene Formen der Arbeit, die generalisierten Kräfte
und Verschiebungen und in Klammern ihre Einheiten im Internationalen Einheiten-
system zusammengestellt.
Zur Berechnung der an einem System verrichteten Arbeit und der damit ver-
bundenen Energieänderung eines Systems mussten in jedem der bisher behandelten
Fälle gewisse Idealisierungen vorgenommen werden, z. B. dass die Prozesse rei-
bungsfrei ablaufen. In der Praxis sind die meisten Prozesse jedoch reibungsbehaftet,
z. B. alle Prozesse, bei denen Bauteile bewegt werden.
Im Fall der Kompression bzw. Expansion eines in einem Zylinder eingeschlos-
senen Gases (siehe Kap. 4.2.2) ist beispielsweise die vom Gas aufgenommene bzw.
2
abgegebene Volumenänderungsarbeit Lv12 = − p dV nur dann gleich der von
1
der Umgebung abgegebenen bzw. aufgenommenen Arbeit L12 , wenn der Kolben
reibungsfrei gleitet.
Bei der reibungsbehafteten Kompression muss von der Umgebung an der Kol-
benstange mehr Arbeit aufgewendet werden, als dem Gas tatsächlich in Form von
Volumenänderungsarbeit zugeführt wird. Bei der reibungsbehafteten Expansion ist
die über die Kolbenstange an die Umgebung abgegebene Arbeit geringer als die vom
Gas abgegebene Volumenänderungsarbeit. Die Differenz ist die zur Überwindung
der Reibung erforderliche Reibungsarbeit LR . Somit gilt im betrachteten Fall
2
L12 = − p dV + LR12 . (4.33)
1
Infolge der Reibung zwischen Zylinder und Kolben erhitzen sich diese und da-
mit auch das Gas, sodass die Reibungsarbeit zur Erhöhung der in der Zylinderwand,
dem Kolben und dem Gas gespeicherten Energie“ dient. Reibungsarbeit kann dem
”
System somit stets nur zugeführt und nie entnommen werden. Sie ist daher immer
68 4. Energieformen
Auch die Arbeit zur Dehnung eines Stabes ist nur dann gleich der von uns be-
rechneten, wenn nicht noch zusätzlich Arbeit aufzuwenden ist, um die Reibung im
Inneren des Stabes zu überwinden. Beim Laden oder Entladen einer elektroche-
mischen Zelle hatten wir den elektrischen Widerstand der Zuführungsleitung ver-
nachlässigt. Jeder Vorgang, bei dem elektrische Ladungen verschoben werden, hat
aber zur Folge, dass sich Elektronen durch einen Leiter bewegen und dabei Energie
an das Gitter abgeben.
4.2 Arbeit 69
n
dL = Fk dXk + dLdiss . (4.35)
k=1
Dieser Ausdruck ist eine Definitionsgleichung für die Dissipationsarbeit Ldiss und
stellt die allgemeinste Beziehung für die Arbeit eines Systems dar. Danach besteht
die Gesamtarbeit dL, dieein System mit seiner Umgebung austauscht, aus dem
dissipationsfreien Anteil nk=1 Fk dXk , der über die Koordinaten Xk transportiert
wird, und der Dissipationsarbeit dLdiss . Wird ein System durch einen Prozess vom
Zustand 1 in den Zustand 2 überführt, so folgt durch Integration die am System
verrichtete Gesamtarbeit zu
n 2
L12 = Fk dXk + Ldiss,12 . (4.36)
k=1 1
Wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht, ist Reibungsarbeit eine spezielle
Form von Dissipationsarbeit, und Gl. (4.33) und (4.34) sind damit Sonderfälle von
Gl. (4.36). Reibungsarbeit ist zur Überwindung von Schubspannungen erforderlich.
Dissipationsarbeit ist der allgemeinere Begriff, da wie oben ausgeführt, auch bei
Prozessen ohne Reibung Energie dissipiert werden kann. Überdies wird, wie wir in
Kap. 10.3 noch sehen werden, bei reibungsbehafteten Prozessen nur der Arbeitsan-
teil der Spannungen, der eine Verformung (Deformation) bewirkt, dissipiert. Auch
wollen wir die gelegentlich zu findende Bezeichnung Energieverlust“ durch Dis-
”
sipation vermeiden, da keine Energie verlorengeht. Die dissipierte Energie findet
sich nur als andere häufig unerwünschte Energie im System wieder. Wir können
allgemein auch sagen, die dissipierte Arbeit fließt nicht über die gewünschte Ar-
beitskoordinate [in Gl. (4.35) über die Koordinate Xk ] in das System5 . Wie die
Reibungsarbeit, als Sonderfall der Dissipationsarbeit, so ist auch die Dissipations-
arbeit stets positiv oder im Grenzfall des dissipationsfreien Prozesses gleich null,
da dissipierte ( zerstreute“) Energie nicht wieder gebündelt und in Form von Arbeit
”
über die Systemgrenze an die Umgebung abgegeben werden kann, d. h.
dLdiss ≥ 0 .
Um die dissipierte Arbeit zu berechnen, muss man die im System ablaufenden in-
neren Vorgänge studieren. Das ist in vielen Fällen zu aufwändig oder unmöglich
wegen der Kompliziertheit der Vorgänge; man behilft sich daher in der Technik
5
Vgl. hierzu: Baehr, H.D.:Über den thermodynamischen Begriff der Dissipationsenergie.
Kältetechn.-Klimatisierung 23 (1971) Nr. 2, 38-42.
70 4. Energieformen
4.3
Wärme
Entsprechend Abb. 4.1 konnte Energie in Form von Arbeit L, Wärme Q und
an einen Massenstrom gebundene Energie EM über die Systemgrenze transpor-
tiert werden. Der Energietransport in Form von Wärme kommt zustande, wenn
das System eine von der Umgebungstemperatur verschiedene Temperatur hat und
es nicht ideal wärmeisoliert ist. Ein ideal wärmeisoliertes System, also ein Sy-
stem, das keinen Wärmetransport über die Systemgrenze zulässt, nennt man ein
adiabates System. Beim nicht ideal wärmeisolierten System, dem diabaten Sy-
stem, führt eine Temperaturdifferenz zur Umgebung zu einem Wärmetransport vom
Ort höherer Temperatur zum Ort niederer Temperatur6. Vereinbarungsgemäß kenn-
zeichnen wir eine dem System zugeführte Wärme als positiv, eine abgeführte als ne-
gativ. Wärme kann durch verschiedene Transportmechanismen übertragen werden:
durch Wärmeleitung in einem ruhenden Körper, durch konvektiven Wärmeübergang
an ein strömendes Medium und durch nicht an Materie gebundene Wärmestrahlung.
Die zwischen einem System und seiner Umgebung übertragene Wärmemenge Q
ist im Falle der Wärmeleitung und des konvektiven Wärmeübergangs proportional
zur Temperaturdifferenz zwischen Umgebung und System, (Tu − Tsys ). Im Falle
von Wärmestrahlung ist sie proportional zur Differenz der vierten Potenzen dieser
Temperaturen. Darüber hinaus bestimmen z. B. Stoffeigenschaften und der geome-
trische Aufbau der beteiligten Systeme die übertragene Wärmemenge. Ausführlich
werden diese Zusammenhänge in Kapitel 15 behandelt.
Eine je Zeiteinheit dτ übertragene Wärmemenge dQ nennt man Wärmestrom,
dQ
Q̇ = . (4.37)
dτ
Die während einer Zustandsänderung vom Zustand 1 zum Zustand 2 zugeführte
Wärmemenge ist Q12 . Da Wärme, wie Arbeit auch, keine Systemeigenschaft oder
Zustandsgröße sondern eine Prozessgröße ist, ist mit Abschluss eines Prozes-
ses bzw. einer Zustandsänderung keine Wärme mehr vorhanden. Möglicherweise
hat sich jedoch durch den Wärmetransport während des Prozesses die System-
energie verändert. Es ist also falsch von der Wärme eines Systems“ zu spre-
”
chen! Gemeint ist hierbei wohl die innere Energie, ebenso wie z. B. bei den
fälschlicherweise umgangssprachlich verwendeten Begriffen Wärmeinhalt“ oder
”
gespeicherte Wärme“.
”
6
In Kapitel 10.2 werden wir zeigen, dass ein Wärmetransport in umgekehrter Richtung
unmöglich ist.
4.4 An Materietransport gebundene Energie und die Zustandsgröße Enthalpie 71
4.4
An Materietransport gebundene Energie und die
Zustandsgröße Enthalpie
Wie in Abbildung 4.1 dargestellt wurde kann während eines Prozesses zwischen ei-
nem System und dessen Umgebung Energie auch dadurch übertragen werden, dass
Masse über die Systemgrenze transportiert wird. Da jede Masse Energie beinhaltet,
wird diese mit der Masse selbst transportiert. Die Massenabgabe von einem offenen
System an die Umgebung ist somit auch mit Energieabgabe verbunden und um-
gekehrt. Betrachten wir ein offenes System nach Abb. 4.15, in welches über die
Systemgrenze hinweg ein kleines Massenelement ΔM eingeschoben wird. Im Zu-
stand 1 befinde sich das Massenelement gerade außerhalb des Systems. Durch Ver-
schiebung wird es nun über die Systemgrenze transportiert und im Zustand 2 ist es
im Inneren des Systems. Wir untersuchen nun, welcher Energietransport an diesen
Materietransport geknüpft ist.
Das Massenelement ΔM beinhaltet selbst Energie, die mit ihm über die System-
grenze transportiert wird. Diese setzt sich aus innerer Energie sowie kinetischer und
potentieller Energie des Massenelementes zusammen,
w2
ΔM u + + gz .
2
Zur Verschiebung des Massenelementes über die in Abb. 4.15 skizzierte System-
grenze gegen den im System herrschenden Druck p muss Arbeit aufgewendet wer-
den. Hierdurch wird das Medium im System um das von dem Massenelement ΔM
eingenommene Volumen ΔV komprimiert. Die erforderliche Verschiebearbeit ist
folglich gleich der Volumenänderungs- bzw. Kompressionsarbeit pΔV = pvΔM ,
die dem System zugeführt wird.
Dem System wird also während der Zustandsänderung von 1 nach 2 mit dem
Massenelement ΔM insgesamt folgende Energie zugeführt:
w2
ΔEM = E2 − E1 = pvΔM + ΔM u + + gz . (4.38)
2
Umgekehrt würde diese Energie beim Verlassen des Massenelementes ΔM dem
System entzogen.
Man kann die an den Materietransport gebundene Energie, die über die System-
grenze übertragen wird, demnach zusammenfassen zu
72 4. Energieformen
w2
ΔEM = ΔM u + pv + + gz . (4.39)
2
Die spezifische innere Energie u sowie der Druck p und das spezifische Volumen
v sind Zustandsgrößen. Somit ist auch die Summe u + pv eine Zustandsgröße. Man
nennt diese Größe spezifische Enthalpie,
h = u + pv . (4.40a)
Die entsprechende extensive Zustandsgröße ergibt sich durch Multiplikation mit der
Masse zu
H = U + pV . (4.40b)
Damit kann Gl. (4.39) auch wie folgt geschrieben werden:
w2
ΔEM = ΔM h + + gz . (4.41)
2
Wird ein Massenstrom Ṁ = dM/dτ über eine Systemgrenze transportiert, so ist
damit der Transport eines Energiestromes
w2
ĖM = Ṁ h + + gz (4.42)
2
verbunden.
Kapitel 5:
Methode der Bilanzierung und der erste
Hauptsatz der Thermodynamik
Der erste Haupsatz der Thermodynamik ist der Satz von der Erhaltung der Energie.
In diesem Kapitel werden wir den ersten Hauptsatz der Thermodynamik in verschie-
denen Formen kennenlernen, verbal und mathematisch sowie allgemein gültig und
für Sonderfälle.
Die mathematischen Formen des ersten Hauptsatzes beruhen auf der Bilanzie-
rung der Größe Energie, wobei der Bilanzraum ein zuvor definiertes thermodyna-
misches System ist.
5.1
Die allgemeine Struktur einer Bilanzgleichung
n
dX = dXkSG + dX Q , (5.1)
k=1
n
Q
X2 − X1 = SG
Xk12 + X12 , (5.2)
k=1
die sich aus der Integration von Gl. (5.1) zwischen den Grenzen 1 und 2 ergibt.
Betrachtet man einen kontinuierlichen Prozess über eine gewisse Zeitspanne dτ ,
so wählt man im Allgemeinen die Bilanzgleichung in der Form
dX
n
= ẊkSG + Ẋ Q . (5.3)
dτ
k=1
Der Term dX/dτ beschreibt die zeitliche Änderung der Größe X im System. Man
bezeichnet diesen Term auch als Speicherterm. Der Term ẊkSG beschreibt die Zu-
oder Abströme der Bilanzgröße X über die Systemgrenze je Zeiteinheit. ẊkSG ist
somit eine Stromgröße. Der Quellterm Ẋ Q beschreibt die je Zeiteinheit im Innern
des Systems gebildete oder vernichtete Menge der Bilanzgröße X.
5.2
Formulierung des ersten Hauptsatzes und die technische
Arbeit
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik beschreibt eines der elementarsten und
wichtigsten Prinzipien der Physik:
Ein Sonderfall des ersten Hauptsatzes ist der bekannte Energiesatz der Mecha-
nik, der die Umwandlung kinetischer Energie eines starren Körpers in potentielle
Energie oder den umgekehrten Vorgang beschreibt.
Wie die Erfahrung lehrt, ändert sich die Energie E eines im Schwerefeld rei-
bungsfrei bewegten starren Körpers stets so, dass die Summe aus kinetischer und
potentieller Energie konstant bleibt. Eine Abnahme der kinetischen Energie hat eine
Zunahme der potentiellen und umgekehrt eine Zunahme der kinetischen eine Ab-
nahme der potentiellen Energie zur Folge, und es gilt:
E = Ekin + Epot = const.
Man nennt diesen Zusammenhang den Energiesatz der Mechanik. Er ist ein Erfah-
rungssatz und kann daher nicht bewiesen werden. Als Beweis für die Richtigkeit ist
allein die Tatsache anzusehen, dass alle Folgerungen aus dem Energiesatz mit der
Erfahrung übereinstimmen.
Die Thermodynamik erfordert eine Erweiterung des Energiesatzes der Mecha-
nik, um zusätzlich die Änderung der inneren Energie eines Systems und den Ener-
gieaustausch mit der Umgebung des Systems in Form von Wärme, Arbeit und an
Materietransport gebundene Energie zu erfassen. Das Prinzip der Energieerhaltung
lautet dann in allgemeiner Form:
Jedes System besitzt eine extensive Zustandsgröße Energie. Diese Systemenergie
ändert sich nur durch Zu- oder Abfuhr von Energie über die Systemgrenze.
Überträgt man in diesem Sinne die allgemeine Struktur der Bilanzglei-
chung (5.1) auf die Bilanzierungsgröße Energie, so folgt für die Änderung der Sy-
stemenergie E
n
wk2
dE = dQ + dL + dMk uk + + gzk , (5.4a)
2
k=1
da über die Systemgrenze nur die Energieformen Wärme Q, Arbeit L und mit Masse
Mk transportierte Energie (siehe Abschnitt 4.4) ausgetauscht werden und Energie-
quellen oder -senken nicht existieren können.
Betrachtet man ein abgeschlossenes System, also ein System, über dessen Sy-
stemgrenzen keine Energie transportiert werden kann, so ergibt die Energiebilanz-
gleichung
dE = 0 .
Eine häufig verwendete Formulierung des ersten Hauptsatzes lautet daher:
In einem abgeschlossenen System ist die Summe aller Energieänderungen gleich
null.
Diese Formulierungen des ersten Hauptsatzes sind, ebenso wie der Energiesatz
der Mechanik als Sonderfall des ersten Hauptsatzes, Erfahrungssätze.
Die Arbeit dL in der Energiebilanzgleichung (5.4a) ist die gesamte am System
verrichtete Arbeit und beinhaltet auch die in Kapitel 4.4 erläuterte Verschiebearbeit
76 5. Methode der Bilanzierung und der erste Hauptsatz derThermodynamik
pvdM , die mit dem Transport der Masse dM über die Systemgrenze verknüpft ist.
Wie in Kapitel 4.4 gezeigt wurde, lässt sich diese Verschiebearbeit mit Hilfe der
Definition der Zustandsgröße
Enthalpie, h = u + pv,
in geschickter Weise mit dem
Term dM u + w2 /2 + gz zu einem Term dM h + w2 /2 + gz zusammenfas-
sen. Damit lässt sich die Energiebilanzgleichung (5.4a) auch wie folgt schreiben:
n
wk2
dE = dQ + dLt + dMk hk + + gzk , (5.4b)
2
k=1
wobei man die hierin verwendete Arbeit dLt als technische Arbeit bezeichnet, da
diese in durchströmten technischen Apparaten z.B. als Nutzen abgeführt werden
kann oder als Aufwand zugeführt werden muss. Die technische Arbeit dLt umfasst
demnach alle Formen von Arbeit, die am System verrichtet werden, mit Ausnahme
der Verschiebearbeit pv dM , die an den Transport der Masse dM über die System-
grenze gekoppelt ist.
Für offene Systeme gilt somit der Zusammenhang
n
dLt = dL − pk vk dMk (5.5)
k=1
zwischen der Gesamtarbeit dL und der technischen Arbeit dLt . Für geschlossene
Systeme unterscheiden sich Gesamtarbeit und technische Arbeit nicht, d.h.
dLt = dL .
5.3
Der erste Hauptsatz für geschlossenen Systeme
Bei geschlossenen Systemen ist ein Materietransport über die Systemgrenze per
Definition unmöglich. Die Energiebilanz nach Gl. (5.4a) vereinfacht sich wegen
dM = 0 für ein geschlossenes System daher zu
dE = dQ + dL (5.6a)
Da sich die Systemenergie E nach Gl. (4.1) aus innerer Energie, kinetischer Energie
und potentieller Energie zusammensetzt, ist
dU + dEkin + dEpot = dQ + dL . (5.6b)
Beschreibt man die Änderung eines Systems von Zustand 1 in den Zustand 2, so
wählt man die integrierte Form der Energiebilanzgleichung,
E2 − E1 = U2 − U1 + Ekin,2 − Ekin,1 + Epot,2 − Epot,1 = Q12 + L12 . (5.7)
Sie entspricht der allgemeinen Form der Bilanzgleichung (5.2). Beschreibt man
einen kontinuierliche Prozess über die Zeitspanne dτ , so wählt man die Form analog
zur allgemeinen Bilanzgleichung (5.3)
dE dU dEkin dEpot
= + + = Q̇ + P (5.8)
dτ dτ dτ dτ
5.3 Der erste Hauptsatz für geschlossenen Systeme 77
mit dem Wärmestrom Q̇ und der Leistung P (Einheit W oder J/s). Die Gleichun-
gen (5.6a) bis (5.8) stellen die mathematische Formulierung des ersten Hauptsatzes
für ein geschlossenes System dar.
Ein Sonderfall des kontinuierlichen Prozesses ist der stationäre Prozess. Stati-
onär bedeutet, dass die Zustandsgrößen des Systems keine zeitlichen Änderungen
erfahren, d. h. dE/dτ = 0. In diesem Fall gilt für ein geschlossenes System
0 = Q̇ + P . (5.9)
Drei Beispiele mögen diese Zusammenhänge verdeutlichen:
Eine Kugel liege wie in Abb. 5.2 skizziert auf einem Podest der Höhe Δz über
dem Erdboden. Die Kugel sei in diesem Zustand 1 in Ruhe. Das Podest wird rei-
bungsfrei weggezogen, die Kugel fällt im Schwerefeld. Im Zustand 2 trifft sie ge-
rade auf dem Erdboden auf mit der Geschwindigkeit w2 . Wir definieren nun die
Kugel als System. In diesem Fall gilt, dass weder Wärme noch Arbeit während der
Zustandsänderung transportiert werden, also Q12 = 0 und L12 = 0. Weiter gilt
Ekin,1 = 0, da die Kugel im Zustand 1 in Ruhe ist, und U2 = U1 , da sich die innere
Energie der Kugel nicht ändert.
Somit folgt aus Gl. (5.7)
Ekin,2 + Epot,2 − Epot,1 = 0
oder
w22
M + M g (z2 − z1 ) = 0 .
2
Damit lässt sich die Geschwindigkeit w2 aus
w22
= g (z1 − z2 ) = gΔz
2
bestimmen zu
w2 = 2gΔz .
Wir haben in diesem Beispiel den Energiesatz der Mechanik als Sonderfall des er-
sten Hauptsatzes betrachtet.
Nun denken wir uns das System Gas in Abb. 5.3 von einem Zustand 1 in einen
Zustand 2 überführt, indem wir es mit einer Umgebung höherer oder tieferer Tem-
peratur in Kontakt bringen und gleichzeitig den Kolben verschieben. Während der
78 5. Methode der Bilanzierung und der erste Hauptsatz derThermodynamik
Zustandsänderung werden Wärme Q12 und Arbeit L12 mit der Umgebung ausge-
tauscht.
Die kinetische Energie des ruhenden Systems ist Null, Ekin,2 = Ekin,1 = 0. Die
potentielle Energie ändert sich nicht, da die Lage des Systems unverändert bleibt,
d.h. Epot,2 − Epot,1 = 0. Es gilt daher entsprechend Gl. (5.7)
U2 − U1 = Q12 + L12 . (5.10a)
Zufuhr von Wärme und Arbeit bewirken also eine Erhöhung der inneren Energie,
deren Abfuhr eine Verringerung der inneren Energie. Bezieht man Wärme, Arbeit
und innere Energie auf die Masse M des Systems, so lautet der erste Hauptsatz für
geschlossene ruhende Systeme
u2 − u1 = q12 + l12 . (5.10b)
Setzt man weiter voraus, dass nur Volumenänderungsarbeit verrichtet wird und der
Prozess nicht reibungsfrei abläuft, so kann man ausgehend von Gl. (4.36) die auf
die Masse des Systems bezogene Arbeit auch schreiben
2
l12 = − p dv + ldiss,12 .
1
Im dritten Beispiel betrachten wir das System einer Flüssigkeit, Abb. 5.4, in die
ein Rührer getaucht ist, der für eine bestimmte Zeit dτ kontinuierlich in Bewegung
gesetzt wird.
Das System sei adiabat, Q̇ = 0, und der Einfachheit halber sei angenommen,
dass der Elektromotor, der den Rührer antreibt, seine bekannte elektrische Leistung
P vollständig in Wellenleistung umsetzt. Das System befinde sich zudem bezüglich
seiner äußeren Koordinaten in Ruhe, d. h. dEkin = 0 und dEpot = 0. Damit verein-
facht sich der erste Hauptsatz nach Gl. (5.8) zu
dU
=P. (5.12)
dτ
Die Zufuhr von Wellenleistung führt hier demnach zur Erhöhung der inneren Ener-
gie der Flüssigkeit.
5.4 Messung und Eigenschaften von innerer Energie und Wärme 79
5.4
Messung und Eigenschaften von innerer Energie und
Wärme
Der erste Hauptsatz für geschlossene Systeme erlaubt es, eine Messvorschrift für
die innere Energie und für die Wärme anzugeben. Zur Messung der inneren Energie
betrachtet man ein geschlossenes, adiabates System, das sich in Ruhe befindet. Der
erste Hauptsatz in differentieller Form lautet hierfür
dU = dL . (5.13)
Erfährt das System eine Zustandsänderung von 1 nach 2, so folgt:
U2 − U1 = (L12 )ad .
Die einem geschlossenen adiabaten System zugeführte Arbeit (L12 )ad dient folg-
lich zur Erhöhung der inneren Energie. Umgekehrt stammt die von einem sol-
chen System verrichtete Arbeit aus seinem Vorrat an innerer Energie. Während
die an einem System verrichtete Arbeit im Allgemeinen vom Verlauf der Zu-
standsänderung abhängt, ist die Arbeit bei geschlossenen adiabaten Systemen nur
durch den Anfangs- und Endzustand des Systems gegeben und unabhängig vom
Zustandsverlauf, da die innere Energie eine Zustandsgröße ist. Die innere Energie
eines Systems kann also bis auf eine additive Konstante dadurch gemessen wer-
den, dass man das geschlossene System adiabat isoliert und dann die am System
verrichtete Arbeit bestimmt. Da man einen Zustand mit der Energie Null nicht her-
stellen kann, ist es nach dieser Methode nicht möglich, den Absolutwert der inneren
Energie zu ermitteln. Man legt daher willkürlich einen Bezugszustand für die innere
Energie fest und misst also Energiedifferenzen gegenüber diesem Zustand. Dass die
auf diese Weise ermittelte innere Energie noch eine additive Konstante enthält, ist
belanglos, wenn man Zustandsänderungen untersucht, da dann immer nur Differen-
zen von inneren Energien vorkommen und somit die Konstanten wegfallen1.
Wird an dem geschlossenen adiabaten System Volumenänderungsarbeit
während einer quasistatischen, reibungsfreien Zustandsänderung geleistet, ist al-
so keine Dissipation vorhanden, so ist die Änderung der inneren Energie wegen
Gl. (4.33)
1
Dies gilt im Allgemeinen nicht mehr, wenn chemische Reaktionen vorkommen.
80 5. Methode der Bilanzierung und der erste Hauptsatz derThermodynamik
2
U2 − U1 = − p dV .
1
U = U (V, T ) . (5.14)
Diese Gleichung gilt allerdings nur unter der einschränkenden Voraussetzung, dass
es sich um ein homogenes System handelt, das aus einem einheitlichen Stoff besteht.
Wir nannten dies ein einfaches System. Andernfalls könnten weitere Variablen die
innere Energie beeinflussen, z. B. die chemische Zusammensetzung, die elektrische
oder die magnetische Feldstärke.
In Kap. 6 werden wir zeigen, dass die innere Energie idealer Gase nur von der
Temperatur abhängt
U2 − U1 = (L12 )ad .
Nun entfernt man die Wärmeisolierung, sodass das System nicht mehr adiabat ist,
und überführt es wieder vom Zustand 1 in den Zustand 2. Dabei misst man die am
System verrichtete Arbeit L12 . Da das System nicht mehr adiabat ist, gilt jetzt
U2 − U1 = L12 + Q12 .
Vergleicht man beide Prozesse miteinander, so ist
5.5
Die Massenbilanz für offene Systeme
Die Gesamtmasse eines geschlossenen Systems bleibt stets erhalten. Sie ist somit
wie die Energie eine Erhaltungsgröße. Senken oder Quellen bezüglich der Gesamt-
masse existieren nicht. Bei einem offenen System muss die Zu- oder Abnahme
der Gesamtmasse des Systems gleich der Differenz aus den zugeführten und den
abgeführten Massen sein. Entsprechend der allgemeinen Struktur einer Bilanzglei-
chung in differentieller Form, Gl. (5.1), bedeutet dies
n
dM = dMkSG (5.16a)
k=1
oder
wenn man die verschiedenen über die Systemgrenze transportierten Massen dMkSG
in zugeführte Massen dMzu und abgeführte Massen dMab unterteilt und die in der
Literatur für den Massentransport meist gewählte Vorzeichenkonvention2 verwen-
det, nach der zugeführte und abgeführte Massen positiv sind, d.h. dMzu > 0 und
dMab > 0.
Für eine Änderung des Systemzustands von 1 nach 2 ergibt sich daraus
Handelt es sich um einen stationären Prozess, muss die zeitliche Änderung der Sy-
stemmasse Null sein, dM/dτ = 0, und es gilt
Bei einem stationären Prozess muss also die Summe der zuströmenden Massen-
ströme gleich der Summe der abströmenden Massenströme sein.
Betrachten wir hierzu zwei Beispiele, das Befüllen eines zunächst evakuierten
Behälters, Abb. 5.5, und das stationäre Durchströmen eines Verdichters, Abb. 5.6.
Der Behälter in Abb. 5.5 sei im Zustand 1 evakuiert. Zum Befüllen wird ein
zunächst geschlossenes Ventil geöffnet und Luft strömt aus der Umgebung in den
2
In den folgenden Kapiteln werden die Größen dMzu und dMab daher stets als positiv
betrachtet, wenngleich dies streng genommen im Hinblick auf Kap. 5.1 inkonsequent ist.
82 5. Methode der Bilanzierung und der erste Hauptsatz derThermodynamik
Behälter bis Druckgleichgewicht herrscht (Zustand 2). Im Zustand 1 war die Masse
im System M1 = 0, und es wurde während der Zustandsänderung ausschließlich
Masse zu- und nicht abgeführt. Nach Gl. (5.17) gilt folglich
M2 = Mzu,12 .
Der stationär arbeitende Verdichter in Abb. 5.6 fördere ein Gas, wobei es auf einen
höheren Druck verdichtet wird. Nach Gl. (5.19) gilt in diesem Fall
Ṁzu = Ṁab ,
da bei einem stationären Prozess keine Masse im System gespeichert wird, d. h.
dM/dτ = 0.
n
dMi = SG
dMi,k + dMiQ (5.20a)
k=1
oder
wobei dMiQ der Quellterm für die Masse der Komponente i ist.
5.6
Der erste Hauptsatz für offene Systeme
Der erste Hauptsatz für offene Systeme unterscheidet sich von dem für geschlos-
sene Systeme dadurch, dass die mit Materietransport über die Systemgrenze aus-
getauschte Energie berücksichtigt werden muss. Die differentielle Form des ersten
Hauptsatzes für offene Systeme hatten wir bereits kurz in Kap. 5.2, Gl. (5.4b), abge-
leitet. Berücksichtigt man, dass k einzelne Massen über die Systemgrenze zu- oder
abgeführt werden, so ergibt sich
n
w2
dE = dQ + dLt + dMkSG hk + k + gzk . (5.21a)
2
k=1
Greift man die bei der Massenbilanz (5.16b) getroffene Vereinbarung der Untertei-
lung in zugeführte Massen dMzu und abgeführte Massen dMab auf, so folgt
w2
dE = dQ + dLt + dMzu hzu + zu + gzzu
zu
2
(5.21b)
w2
− dMab hab + ab + gzab .
2
ab
Für die Beschreibung einer Zustandsänderung von 1 nach 2 wählt man im Allge-
meinen die integrierte Form
2
wzu
E2 − E1 = Q12 + Lt12 + Mzu hzu + + gzzu
zu
2
(5.22)
w2
− Mab hab + ab + gzab
2
ab
Handelt es sich um
den Spezialfall
eines stationären Prozesses, so gilt vereinfachend
dE/dτ = 0 und Ṁzu = Ṁab . Es gilt dann
zu ab
84 5. Methode der Bilanzierung und der erste Hauptsatz derThermodynamik
w2
Q̇ + P = Ṁab hab + ab + gzab
ab 2
2
(5.23a)
wzu
− Ṁzu hzu + + gzzu .
zu
2
Wird das offene System nur von einem Stoffstrom durchflossen, so gilt Ṁzu =
Ṁab = Ṁ , und aus Gl. (5.23a) folgt
w2 w2
Q̇ + P = Ṁ hab − hzu + ab − zu + gzab − gzzu . (5.23b)
2 2
Betrachten wir das in Kap. 5.5 behandelte Beispiel des Befüllens eines starren
Behälters, Abb. 5.5, der im Zustand 1 evakuiert war und sich im Zustand 2 nach dem
Druckausgleich mit der Umgebung mit Luft gefüllt hatte. Wir nehmen zunächst an,
dass diese Zustandsänderung sehr schnell ablief und daher während des Prozesses
keine Wärme über die Systemgrenze transportiert wurde. Die Energiebilanz (5.22)
vereinfacht sich dann wegen E1 = 0 (evakuierter Behälter), Q12 = 0, Lt,12 = 0 und
Mab = 0 sowie unter Vernachlässigung aller kinetischer und potentieller Energien
zu
U2 = Mzu hzu .
Da die zugeführte Masse wegen M1 = 0 der Systemmasse im Zustand 2 entspricht,
ist M2 = Mzu und eine Division durch diese Masse ergibt
u2 = hzu .
Die innere Energie der Luft im Behälter im Zustand 2 entspricht also der Enthalpie
der Luft in der Umgebung.
Der in Kap. 5.5, Abb. 5.6, beispielhaft beschriebene stationär arbeitende Ver-
dichter sei adiabat, d. h. es gilt Q̇ = 0 sowie dE/dτ = 0. Gl. (5.23) vereinfacht sich
in diesem Fall unter Vernachlässigung einer Änderung der potentiellen Energie des
ein- und austretenden Massenstroms zu
w2 w2
0 = P + Ṁzu hzu + zu − Ṁab hab + ab .
2 2
Da die Massenbilanz Ṁzu = Ṁab für den stationären Prozess ergab, kann mit Ṁ =
Ṁzu = Ṁab daraus die aufgenommene Verdichterleistung zu
w2 − wzu 2
P = Ṁ hab − hzu + ab
2
berechnet werden. Häufig kann die Änderung der kinetischen Energie gegenüber
der Enthalpiedifferenz vernachlässigt werden. Dies führt dazu, dass die dem Ver-
dichter zugeführte spezifische Leistung P/Ṁ gleich der Erhöhung der spezifischen
Enthalpie des Stoffstromes ist.
5.7 Technische Arbeit in stationär durchströmten Kontrollräumen 85
Beispiel 5.1: In einer Entspannungsmaschine, siehe Skizze, wird ein konstanter Mas-
senstrom von 100 kg/h Luft mit 90 ◦ C von 240 bar auf 200 bar entspannt. Am Aus-
trittsstutzen wird eine Temperatur von 80 ◦ C, an der Welle eine Leistung von 0,2
kW gemessen. Aus einem Tabellenwerk (H.D. Baehr, K. Schwier, Die thermodynami-
schen Eigenschaften der Luft, Springer-Verlag 1961) entnimmt man folgende Werte für
die Enthalpie von Luft: hzu (tzu = 90 ◦ C; pzu = 240 bar) = 340,86 kJ/kg und
hab (tab = 80 ◦ C; pab = 200 bar) = 331,36kJ/kg. Kinetische und potentielle Ener-
gie seien vernachlässigbar.
Wie groß ist der während des Prozesses mit der Umgebung ausgetauschte Wärmestrom?
Wird Wärme zu- oder abgeführt?
Q̇ = Ṁ (hab − hzu ) − P
kg 1 h kJ
Q̇ = 100 (331,36 − 340,86) + 0,2 kW
h 3600 s kg
Q̇ = −0,0639 kW
Es wird Wärme an die Umgebung abgeführt.
5.7
Technische Arbeit in stationär durchströmten
Kontrollräumen
Die technische Arbeit, die an dem Kompressor aufgewendet wird, entspricht also
der zur Verschiebung eines Fluidelementes gegen die Druckdifferenz dp erforder-
lichen Arbeit zuzüglich der Dissipationsarbeit und der mechanischen Arbeit. An-
schaulich kann man dies auch wie folgt ableiten:
Wir betrachten hierzu die Verdichtung eines Gases entsprechend Abb. 5.8. Der
Druckanstieg sei durch den in dem oberen Teil des Bildes gezeichneten Kurvenver-
lauf gegeben. Der Querschnitt A werde von dem kleinen Gasvolumen dV = A dz
durchströmt. Dieses Volumen muss durch den Verdichter gegen den Druckanstieg
dp verschoben werden. Dazu ist eine technische Arbeit, hier eine Wellenarbeit, zu
verrichten. Die aufzuwendende Kraft ist dpA, der Weg dz und die technische Ar-
beit dpAdz = dp dV . Denkt man sich einen Beobachter an dem Querschnitt A
postiert, der die aufzuwendende Arbeit misst, so würde dieser für jedes Volumen
dV eine technische Arbeit dp dV registrieren. Addition über alle Volumelemente,
welche den Querschnitt A in einer bestimmten Zeitspanne dτ passieren, ergibt dann
die Arbeit, um ein Volumen V gegen den Druckanstieg dp zu verschieben
dLt = V dp.
Die an der Welle der Maschine verrichtete Arbeit diente hier ausschließlich zur
Druckerhöhung. Man könnte sie daher auch als Druckarbeit bezeichnen. Da in rea-
len Maschinen auch noch technische Arbeit dissipiert wird, beispielsweise durch
Reibung in den Lagern oder durch Verwirbelung des Gases, und das Fluid be-
schleunigt und im Schwerefeld angehoben werden kann, kommen diese Terme, die
nicht zur Druckerhöhung dienen, noch hinzu. Es folgt analog der zuvor abgeleiteten
Gl. (5.26) der Zusammenhang
dLt = V dp + dLdiss + dLm . (5.27)
88 5. Methode der Bilanzierung und der erste Hauptsatz derThermodynamik
2
Die Arbeit V dp ist die technische Arbeit bei dissipationsfreier Zu-
1
standsänderung, falls keine mechanische Arbeit verrichtet wird. Sie wird dem Be-
trag nach durch die senkrecht schraffierte Fläche in Abb. 5.9 dargestellt. Die grau
hinterlegte Fläche ist ein Maß für die differentielle Arbeit V dp.
2
Abbildung 5.9. Darstellung von V dp
1
Kapitel 6:
Die kalorischen Zustandsgleichungen und die
spezifischen Wärmekapazitäten
Die Betrachtungen in diesem Kapitel gelten für ideale Gase und inkompressible
Stoffe. Allgemeinere und ausführlichere Betrachtungen werden in Kapitel 12 vor-
gestellt.
Der Gleichgewichtszustand eines einfachen Systems wird, wie in Kap. 3 dar-
gelegt worden war, durch zwei unabhängige Variablen beschrieben. Für die innere
Energie galt nach Gl. (5.14)
U = U (V,T ) bzw. u = u(v,T )
für die spezifische innere Energie. Da die Enthalpie definiert ist durch
H = U + p V und andererseits für einfache Systeme die thermische Zustandsglei-
chung v = f (p,T ) lautet, kann man auch die Enthalpie als Funktion zweier un-
abhängiger Variablen, zum Beispiel
H = H (p,T ) bzw. h = h (p,T )
darstellen. Die Beziehung zwischen den thermischen Zustandsgrößen p, v und T
hatten wir als thermische Zustandsgleichung bezeichnet. Die Größen u und h nennt
man spezifische kalorische Zustandsgrößen. Beziehungen zwischen u oder h und
je zwei (oder im Fall des idealen Gases nur einer) der thermischen Zustandsgrößen
sollen kalorische Zustandsgleichungen heißen.
Durch Differenzieren der spezifischen inneren Energie u = u (T,v) erhält man
das vollständige Differential
∂u ∂u
du = dT + dv . (6.1a)
∂T v ∂v T
Darin sind (∂u/∂T )v und (∂u/∂v)T die partiellen Differentialquotienten, deren
Indizes jeweils angeben, welche der unabhängigen Veränderlichen beim Differen-
zieren konstant zu halten ist. Die Ableitung
∂u
= cv (v, T ) (6.1b)
∂T v
bezeichnet man als spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen. Eine
Möglichkeit, sie zu messen, besteht darin, dass man einem geschlossenen System
bei konstantem Volumen Wärme zuführt ohne dabei Arbeit zu verrichten. Geht man
90 6. Die kalorischen Zustandsgleichungen und die spezifischenWärmekapazitäten
von einer dissipationsfreien Zustandsänderung aus, so folgt aus dem ersten Haupt-
satz in der Form du = dq
T2
∂u
q12 = u2 − u1 = dT (6.2a)
∂T v
T1
oder
T2
q12 = cv (v, T ) dT . (6.2b)
T1
Wegen dieser speziellen Messmethode, die darin besteht, dass man zur Ermittlung
von cv einem System bei konstantem Volumen Wärme zuführt, hat man den Namen
spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen gewählt. In gleicher Weise
wie für die innere Energie erhält man für die Enthalpie h (T,p) das vollständige
Differential
∂h ∂h
dh = dT + dp . (6.3a)
∂T p ∂p T
Die partielle Ableitung
∂h
= cp (p, T ) (6.3b)
∂T p
bezeichnet man als spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck.
Sie kann über die einem geschlossenen System bei konstantem Druck zu-
geführte Wärme gemessen werden. Erfährt das System hierbei eine dissipationsfreie
Zustandsänderung, so gilt wegen du = dq + dl
2
u2 − u1 = q12 − p dv ,
1
T2
q12 = cp (p, T ) dT . (6.4b)
T1
Tabelle 6.1. Spezifische isobare Wärmekapazität cp von Wasser in kJ/(kg K) beim Druck
p = 1,0 bar in Abhängigkeit von der Temperatur t in ◦ C, berechnet mit der IAPS (Interna-
tional Association for the Properties of Water and Steam) Formulation 1984.
t 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
0 4,2282 4,2206 4,2140 4,2084 4,2037 4,1997 4,1963 4,1935 4,1912 4,1893
10 4,1878 4,1866 4,1856 4,1848 4,1842 4,1838 4,1835 4,1833 4,1831 4,1830
20 4,1830 4,1830 4,1830 4,1830 4,1831 4,1831 4,1831 4,1831 4,1831 4,1831
30 4,1831 4,1830 4,1830 4,1829 4,1828 4,1828 4,1827 4,1826 4,1824 4,1823
40 4,1822 4,1821 4,1820 4,1819 4,1818 4,1817 4,1816 4,1816 4,1815 4,1815
50 4,1815 4,1815 4,1815 4,1816 4,1816 4,1817 4,1819 4,1820 4,1822 4,1824
60 4,1826 4,1829 4,1832 4,1836 4,1839 4,1843 4,1848 4,1852 4,1857 4,1862
70 4,1868 4,1874 4,1880 4,1887 4,1893 4,1901 4,1908 4,1916 4,1924 4,1932
80 4,1941 4,1950 4,1959 4,1969 4,1979 4,1989 4,1999 4,2010 4,2021 4,2032
90 4,2043 4,2055 4,2067 4,2079 4,2091 4,2104 4,2117 4,2130 4,2143 4,2157
100 4,21711
1
beim Sättigungsdruck p = 1,01322 bar.
Die spezifische Wärmekapazität nimmt für konstanten Druck bei den meisten
Stoffen mit steigender Temperatur zu. Bei Wasser hat sie bei +48◦ C ein Minimum,
wie Tabelle 6.1 zeigt. Sie hängt für konstante Temperaturen in komplizierter Weise
vom Druck ab, worauf in Kap. 6.2 noch eingegangen wird.
Die kalorischen Zustandsgleichungen lassen sich ebenso wie die thermischen
durch Kurvenscharen darstellen. In der Technik werden benutzt das h,T - und das
h,p-Diagramm, in denen die räumliche h (p, T )-Fläche durch Kurven p = const in
der h, T -Ebene bzw. durch Kurven T = const in der h, p-Ebene dargestellt wird.
Noch wichtiger ist das h, s-Diagramm, auf das wir später eingehen, wenn wir die
Entropie s kennengelernt haben.
Man nennt Diagramme, in denen die Enthalpie als Koordinate benutzt wird,
Mollier-Diagramme nach Richard Mollier1 , der sie 1904 zuerst einführte.
Auf weitere allgemeine Beziehungen zwischen den Zustandsgrößen soll in
Kap. 12 eingegangen werden, nachdem wir spezielle einfache Formen der Zustands-
gleichung behandelt haben.
6.1
Die spezifischen Wärmekapazitäten der idealen Gase
Als ideales Gas bezeichneten wir, Kap. 3.2, ein Gas, dessen Gasmoleküle im Raum
so großen Abstand voneinander haben, dass sie sich gegenseitig nicht beeinflussen.
Dies ist gegeben bei sehr kleinen Drücken (p → 0). Unter dieser Voraussetzung galt
die thermische Zustandgleichung in der Form p v = R T . Über die Zusammenhänge
zwischen den thermischen und kalorischen Zustandsgrößen idealer Gase, die kalo-
1
Richard Mollier (1863-1935) war 1896 Professor für Angewandte Physik und Maschinen-
lehre an der Universität Göttingen und von 1897 bis 1933 Professor an der TH Dresden.
Die auf ihn zurückgehenden Mollier-Diagramme dienten mehreren Ingenieurgenerationen
zur Auslegung von energetischen Prozessen.
92 6. Die kalorischen Zustandsgleichungen und die spezifischenWärmekapazitäten
wenn man die spezifische Wärmekapazität als konstant ansieht und u0 (T0 ) die fest-
zusetzende Integrationskonstante ist. Für die spezifische Enthalpie idealer Gase gilt
wegen pv = RT
h = u + pv = u (T ) + RT = f (T ) .
6.1 Die spezifischen Wärmekapazitäten der idealen Gase 93
wenn man die spezifische Wärmekapazität cp als konstant ansieht und h0 (T0 ) die
Integrationskonstante bezeichnet.
Für die weitere Behandlung ist es zweckmäßig, das Verhältnis der beiden spezi-
fischen Wärmekapazitäten, Isentropenexponent genannt,
cp
κ= (6.8)
cv
einzuführen. Mit Hilfe von Gl. (6.6) ergibt sich dann
cp κ
= (6.9a)
R κ−1
und
cv 1
= . (6.9b)
R κ−1
Berechnet man aus den Versuchswerten für verschiedene Gase das Verhältnis der
beiden spezifischen Wärmekapazitäten, so findet man, wie in Tabelle 6.2 gezeigt,
dass κ für Gase gleicher Atomzahl im Molekül jeweils nahezu gleiche Werte hat
und zwar ist
für einatomige Gase κ = 1,66,
für zweiatomige Gase κ = 1,40,
für dreiatomige Gase κ = 1,30.
Bei den ein- und zweiatomigen Gasen stimmen diese Regeln recht genau, bei drei-
atomigen treten etwas größere Abweichungen auf.
Wendet man weiter die Gl. (6.6) auf 1 Mol an, indem man sie mit der Molmasse
M [kg/kmol] multipliziert, so erhält man
M cp − M cv = M R .
94 6. Die kalorischen Zustandsgleichungen und die spezifischenWärmekapazitäten
Die Ausdrücke auf der linken Seite bezeichnet man als molare Wärmekapazitäten
oder als Molwärmen C p und C v . Der Ausdruck auf der rechten Seite ist nach den
Ausführungen in Kap. 3 nichts anderes als die universelle Gaskonstante, sodass man
schreiben kann
Cp − Cv = R
mit
κ 1
Cp = R und C v = R.
κ−1 κ−1
Die Differenz der molaren Wärmekapazitäten bei konstantem Druck und bei kon-
stantem Volumen hat also für alle idealen Gase denselben Wert. Da für Ga-
se gleicher Atomzahl je Molekül auch die Verhältnisse der beiden spezifischen
Wärmekapazitäten κ übereinstimmen, sind die Molwärmen aller Gase gleicher
Atomzahl und damit auch die spezifischen Wärmekapazitäten je Kubikmeter die-
selben.
Vergleicht man die spezifischen Wärmekapazitäten mit ihrer unveränderlichen
Differenz R, so findet man, dass beim
einatomigen Gas C v ≈ 3/2 R und C p ≈ 5/2 R
zweiatomigen Gas C v ≈ 5/2 R und C p ≈ 7/2 R
dreiatomigen Gas C v ≈ 6/2 R und C p ≈ 7/2 R
ist, entsprechend den molaren inneren Energien U von 3/2RT , 5/2RT und 6/2RT ,
wie wir sie in Kapitel 4.1.2 berechnet hatten. Diese Werte ergeben sich bei voller
Anregung der Rotation, während Schwingungen der Atome im Molekül und Elek-
tronenanregung nicht berücksichtigt sind (vgl. hierzu Kap. 6.2). Die Molwärmen ha-
ben also für alle idealen Gase gleicher Atomzahl je Molekül dieselben festen Werte
und stehen bei Gasen verschiedener Atomzahlen in einfachen Zahlenverhältnissen.
Die kinetische Gastheorie gibt hierfür folgende Erklärung:
Die Moleküle eines einatomigen Gases werden aufgefasst als sehr kleine ela-
stische Kugeln, die drei Freiheitsgrade der Bewegung besitzten, entsprechend der
drei Verschiebungsrichtungen im Raum. Drehungen des Moleküls kommen nicht in
Frage, da wir den Stoß zweier Moleküle als reibungsfrei ansehen oder besser an-
nehmen, dass die Bewegung schon in dem die Moleküle umgebenden Kraftfeld zur
Umkehr gebracht wird. Bei zweiatomigen Molekülen, die wir uns als hantelähnliche
Gebilde vorstellen, kommen zu den drei Freiheitsgraden der translatorischen Bewe-
gung noch zwei Drehungen um die beiden zur Verbindungslinie der Atome senk-
rechten Achsen. Die Drehung um die Verbindungslinie selbst bleibt außer Betracht
aus dem gleichen Grunde wie bei den einatomigen Gasen. Das zweiatomige Mo-
lekül hat demnach fünf Freiheitsgrade. Das dreiatomige Molekül kann Drehungen
um alle drei Achsen ausführen und hat daher sechs Freiheitsgrade. Die Molwärmen
bei konstantem Volumen verhalten sich also wie die Anzahl der Freiheitsgrade der
Moleküle, und auf jeden Freiheitsgrad kommt die Molwärme 1/2R.
6.2 Die mittleren spezifischen Wärmekapazitäten der idealen Gase 95
6.2
Die mittleren spezifischen Wärmekapazitäten der idealen
Gase
t2
h2 − h1 = cp (p, t) dt.
t1
Um das Integral leicht berechnen zu können, hat man nun eine mittlere spezifische
Wärmekapazität [cp ]tt21 definiert durch
t2
cp (p, t) dt = [cp ]tt21 (t2 − t1 ) . (6.10)
t1
und
h2 − h1 = [cp ]tt21 (t2 − t1 ) = [cp ]t02 t2 − [cp ]t01 t1 . (6.11a)
Entsprechend gilt für die Änderung der spezifischen inneren Energie bei Zu-
standsänderung mit konstantem Volumen
u2 − u1 = [cv ]tt21 (t2 − t1 ) = [cv ]t02 t2 − [cv ]t01 t1 . (6.11b)
Mischt man bei konstantem Druck zwei Stoffe von den Massen M1 und M2 , den
spezifischen Wärmekapazitäten cp1 und cp2 und den Temperaturen t1 und t2 , so
erhält man die Temperatur tm der Mischung nach der Mischungsregel
M1 cp1 t1 + M2 cp2 t2
tm =
M1 cp1 + M2 cp2
oder für beliebig viele Stoffe
M cp t
tm = .
M cp
Diese Formeln sind wichtig für die Messung von spezifischen Wärmekapazitäten
mit dem Mischungskalorimeter, dabei ist vorausgesetzt, dass sich bei der Mischung
keine mit Wärmetönung“ verbundenen physikalischen oder chemischen Vorgänge
”
abspielen.
Aufgabe 6.1: In ein vollkommen gegen Wärmeverlust geschütztes Kalorimeter, das mit
M = 800 g Wasser von t = 15 ◦ C, spezifische Wärmekapazität cp = 4,186 kJ/(kg K),
gefüllt ist und dessen Gefäß aus Silber der Masse Ms = 250 g und der spezifischen
Wärmekapazität cps = 0,234 kJ/(kg K) besteht, werden Ma = 200 g Aluminium von der
Temperatur ta = 100 ◦ C geworfen. Nach dem Ausgleich wird eine Mischungstempera-
tur von tm = 19,24 ◦ C beobachtet.
Wie groß ist die spezifische Wärmekapazität cpa von Aluminium?
6.2 Die mittleren spezifischen Wärmekapazitäten der idealen Gase 97
Häufig sind statt der auf 1 kg bezogenen Wärmekapazitäten auch die molaren
Wärmekapazitäten
M cp = C p und M cv = C v
vertafelt.
Tabelle 6.2 enthält die spezifischen und molaren Wärmekapazitäten einiger idea-
ler Gase bei 0 ◦ C, die Molmassen und die Gaskonstanten.
Die Tabellen 6.3 und 6.4 enthalten für die wichtigsten Gase die quantentheore-
tisch berechneten wahren und mittleren Wärmekapazitäten in Abhängigkeit von der
Temperatur2.
Die Zahlen gelten für niedrige Drücke, also solange die Gase der Zustands-
gleichung p v = R T gehorchen. Bei den wirklichen Gasen hängt die spezifische
Wärmekapazität außer von der Temperatur auch noch vom Druck ab, wie das Ta-
belle 6.5 beispielsweise für Luft zeigt. Die Druckabhängigkeit kann aus den Abwei-
chungen des wirklichen Verhaltens der Gase von der Zustandsgleichung der idealen
Gase berechnet werden, wie wir später zeigen wollen.
In den meisten Fällen, besonders bei der Berechnung von Verbrennungs-
vorgängen, wo man mit hohen Temperaturen, aber nur mit Drücken in der Nähe
des atmosphärischen zu tun hat, ist es praktisch ausreichend, die Zustandsglei-
chung p v = R T als gültig anzunehmen, damit die Druckabhängigkeit der spe-
zifischen Wärmekapazität zu vernachlässigen und nur ihre Temperaturabhängigkeit
zu berücksichtigen.
In der Nähe der Verflüssigung bei höheren Drücken weisen alle Gase größere
Abweichungen von der Zustandsgleichung der idealen Gase und damit auch druck-
abhängige spezifische Wärmekapazitäten auf, worauf wir bei den Dämpfen näher
eingehen.
2
Die Werte von H2 , N2 , O2 , OH, CO, NO, H2 O, CO2 , N2 O, O2 , H2 S, NH3 wurden
aus den Tabellen von H.D. Baehr, H. Hartmann, H.-Chr. Pohl, H. Schomäcker (Ther-
modynamische Funktionen idealer Gase, Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1968)
durch Multiplikation der dort vertafelten Werte C p /R mit der universellen Gaskonstanten
R = 8,3143 kJ/(kmol K) berechnet, die den Tabellenwerten zugrunde lag. Die molaren
Wärmekapazitäten für Luft sind in den Tabellen in Landolt-Börnstein, Bd. IV, 4. Teil,
Berlin, Göttingen, Heidelberg, New York: Springer 1967, S. 257, entnommen. Mittlere
spez. Wärmekapazitäten der genannten Stoffe wurden durch Integration gebildet, soweit
sie nicht vertafelt waren.
Die Werte von CH4 wurden durch Interpolieren der Tabellen von Wagmann, Rossini und
Mitarbeitern (NBS Research Paper RP 1634, Febr. 1945) ermittelt, die von C2 H4 und
C2 H2 unter Benützung von Justi, E.: Spezifische Wärme, Enthalpie, Entropie und Disso-
ziation technischer Gase und Dämpfe, Berlin: Springer 1938. Das Absinken der spezifi-
schen Wärmekapazitäten zwischen 100 K und 500 K bei OH und von 100 K bis 400 K
bei NO entsteht dadurch, dass die Moleküle dieser Gase schon bei niederer Temperatur
Elektronen aus dem Grundzustand in angeregte Zustände höherer Energie übertreten las-
sen. Der damit verbundene Beitrag zur spezifischen Wärmekapazität nimmt mit steigender
Temperatur wieder ab, weil sich mit zunehmender Häufigkeit der angeregten Zustände die
einer kleinen Temperatursteigerung entsprechende Zahl der Übergänge zu höheren Ener-
giestufen wieder vermindert.
98
Tabelle 6.2. Spezifische und molare Wärmekapazitäten einiger idealer Gase bei 0 ◦ C, Molmasse und Gaskonstante
a
cp cv Cp Cv Molmasse M Gaskon- κ = cp /cv
stante R
kJ/(kg K) kJ/(kg K) kJ/(kmol K) kJ/(kmol K) kg/kmol kJ/(kg K)
Helium He 5,2377 3,1605 20,9644 12,6501 4,00260 2,0773 1,66
Argon Ar 0,5203 0,3122 20,7858 12,4715 39,948 0,2081 1,66
Wasserstoff H2 14,2003 10,0754 28,6228 20,3085 2,01588 4,1245 1,409
Stickstoff N2 1,0389 0,7421 29,0967 20,7824 28,01340 0,2968 1,400
Sauerstoff O2 0,9150 0,6551 29,2722 20,9579 31,999 0,2598 1,397
Luft 1,0043 0,7171 29,0743 20,7600 28,965 0,2871 1,400
Kohlenmonoxid CO 1,0403 0,7433 29,1242 20,8099 28,01040 0,2968 1,400
Stickstoffmonoxid NO 0,9983 0,7211 29,9464 21,6321 30,00610 0,2771 1,384
Chlorwasserstoff HCl 0,7997 0,5717 29,1601 20,8458 36,46094 0,2280 1,40
Kohlendioxid CO2 0,8169 0,6279 35,9336 27,6193 44,00980 0,1889 1,301
Distickstoffmonoxid N2 O 0,8507 0,6618 37,4326 29,1183 44,01280 0,1889 1,285
Schwefeldioxid SO2 0,6092 0,4792 38,9666 30,6523 64,0588 0,1298 1,271
Ammoniak N H3 2,0557 1,5674 35,0018 26,6875 17,03052 0,4882 1,312
Acetylen C2 H 2 1,5127 1,1931 39,3536 31,0393 26,03788 0,3193 1,268
Methan CH4 2,1562 1,6376 34,5667 26,2524 16,04276 0,5183 1,317
Methylchlorid CH3 Cl 0,7369 0,5722 37,1979 28,8836 50,48782 0,1647 1,288
Ethylen C2 H 4 1,6119 1,3153 45,1842 36,8699 28,05276 0,2964 1,225
Ethan C2 H 6 1,7291 1,4524 51,9556 43,6413 30,06964 0,2765 1,20
Ethylchlorid C2 H5 Cl 1,3398 1,2109 86,4104 78,0961 64,51470 0,1289 1,106
a
Die Molmassen beziehen sich auf das jeweilige Hauptisotop entsprechend der 12 C-Skala.
6. Die kalorischen Zustandsgleichungen und die spezifischenWärmekapazitäten
6.2 Die mittleren spezifischen Wärmekapazitäten der idealen Gase 99
Tabelle 6.3. Molwärme C p von idealen Gasen in kJ/(kmol K) bei verschiedenen Temperatu-
ren T in K. Für C v gilt C p − 8,3143 kJ(/kmol K).
a
Zur Umrechnung auf 1 kg ist durch die Molmasse M (letzte Zeile) zu dividieren
T in K C p in kJ/(kmol K)
H2 N2 O2 OH CO NO
100 28,1522 29,0967 29,1116 31,6350 29,1042 32,3018
200 27,4471 29,0933 29,1274 30,5234 29,1083 30,4619
300 28,8481 29,1050 29,3860 29,8832 29,1416 29,8666
400 29,1806 29,2222 30,1077 29,6063 29,3395 29,9589
500 29,2596 29,5473 31,0921 29,4966 29,7917 30,4951
600 29,3261 30,0694 32,0915 29,5132 30,4394 31,2434
700 29,4401 30,7080 32,9844 29,6546 31,1703 32,0316
800 29,6230 31,3798 33,7385 29,9123 31,8978 32,7699
900 29,8807 32,0300 34,3630 30,2640 32,5729 33,4243
1000 30,2041 32,6303 34,8793 30,6797 33,1782 33,9896
1100 30,5799 33,1682 35,3124 31,1328 33,7086 34,4719
1200 30,9907 33,6438 33,6824 31,6001 34,1692 34,8818
1300 31,4222 34,0603 36,0075 32,0665 34,5683 35,2318
1400 31,8603 34,4245 36,3002 32,5188 34,9142 35,5319
1500 32,2968 34,7421 36,5712 32,9528 35,2135 35,7897
1600 32,7242 35,0198 36,8281 33,3627 35,4746 36,0142
1700 33,1383 35,2634 37,0767 33,7477 35,7040 36,2096
1800 33,5357 35,4779 37,3187 34,1085 35,9053 36,3825
1900 33,9156 35,6675 37,5581 34,4444 36,0832 36,5346
2000 34,2781 35,8354 37,7951 34,7587 36,2420 36,6718
2100 34,6224 35,9851 38,0304 35,0505 36,3842 36,7941
2200 34,9491 36,1189 38,2640 35,3241 36,5114 36,9055
2300 35,2601 36,2395 38,4952 35,5802 36,6269 37,0069
2400 35,5552 36,3476 38,7246 35,8196 36,7317 37,1000
2500 35,8371 36,4457 38,9500 36,0449 36,8273 37,1857
2600 36,1056 36,5346 39,1728 36,2569 36,9154 37,2655
2700 36,3625 36,6161 39,3914 36,4573 36,9969 37,3403
2800 36,6095 36,6910 39,6059 36,6469 37,0726 37,4101
2900 36,8464 36,7600 39,8155 36,8273 37,1424 37,4758
3000 37,0751 36,8232 40,0200 36,9994 37,2081 37,5382
3100 37,2962 36,8822 40,2195 37,1640 37,2696 37,5980
3200 37,5116 36,9371 40,4141 37,3212 37,3270 37,6554
3300 37,7211 36,9878 40,6028 37,4714 37,3819 37,7103
M in kg/kmol 2,01588 28,01340 31,999 17,00274 28,01040 30,00610
a
Die aufgeführten Molmassen beziehen sich auf das jeweilige Hauptisotop
entsprechend der 12 C-Skala.
100 6. Die kalorischen Zustandsgleichungen und die spezifischenWärmekapazitäten
T in K C p in kJ/(kmol K)
Tabelle 6.4. Mittlere Molwärme [C p ]t0 von idealen Gasen in kJ/(kmol K) zwischen 0 ◦ C und
t ◦ C. Die mittlere molare Wärmekapazität [C v ]t0 erhält man durch Verkleinern der Zahlen der
Tabelle um 8,3143 kJ/(kmol K). Zur Umrechnung auf 1 kg sind die Zahlen durch die in der
letzten Zeile angegebenen Molmassen zu dividieren
t in ◦ C [C p ]t0 in kJ/(kmol K)
H2 N2 O2 OH CO NO
0 28,6202 29,0899 29,2642 30,0107 29,1063 29,9325
100 28,9427 29,1151 29,5266 29,8031 29,1595 29,8648
200 29,0717 29,1992 29,9232 29,6908 29,2882 29,9665
300 29,1362 29,3504 30,3871 29,6260 29,4982 30,1984
400 29,1886 29,5632 30,8669 29,6034 29,7697 30,5059
500 29,2470 29,8209 31,3244 29,6240 30,0805 30,8462
600 29,3176 30,1066 31,7499 29,6852 30,4080 31,1928
700 29,4083 30,4006 32,1401 29,7818 30,7356 31,5308
800 29,5171 30,6947 32,4920 29,9074 31,0519 31,8524
900 29,6461 30,9804 32,8151 30,0557 31,3571 32,1543
1000 29,7892 31,2548 33,1094 30,2209 31,6454 32,4354
1100 29,9485 31,5181 33,3781 30,3981 31,9198 32,6962
1200 30,1158 31,7673 33,6245 30,5831 32,1717 32,9377
1300 30,2891 31,9998 33,8548 30,7726 32,4097 33,1612
1400 30,4705 32,2182 34,0723 30,9640 32,6308 33,3683
1500 30,6540 32,4255 34,2771 31,1553 32,8380 33,5605
1600 30,8394 32,6187 34,4690 31,3448 33,0312 33,7391
1700 31,0248 32,7979 34,6513 31,5316 33,2103 33,9054
1800 31,2103 32,9688 34,8305 31,7148 33,3811 34,0607
1900 31,3937 33,1284 35,0000 31,8939 33,5379 34,2060
2000 31,5751 33,2797 35,1664 32,0684 33,6890 34,3421
2100 31,7545 33,4225 35,3263 32,2383 33,8290 34,4701
2200 31,9299 33,5541 35,4831 32,4034 33,9606 34,5905
2300 32,1024 33,6801 35,6366 32,5638 34,0838 34,7042
2400 32,2705 33,8006 35,7838 32,7196 34,2013 34,8117
2500 32,4358 33,9126 35,9309 32,8709 34,3133 34,9135
2600 32,5991 34,0190 36,0717 33,0177 34,4197 35,0101
2700 32,7583 34,1226 33,2124 33,1603 34,5205 35,1019
2800 32,9135 34,2179 36,3500 33,2988 34,6157 35,1895
2900 33,0667 34,3103 36,4844 33,4334 34,7080 35,2730
3000 33,2158 34,3971 36,6155 33,5642 34,7948 35,3528
3100 33,3625 34,4807 36,7451 33,6914 34,8780 35,4293
3200 33,5064 34,5605 36,8723 33,8150 34,9576 35,5026
3300 33,6476 34,6367 36,9972 33,9353 35,0338 35,5730
M in kg/kmol 2,01588 28,01340 31,999 17,00274 28,01040 30,00610
102 6. Die kalorischen Zustandsgleichungen und die spezifischenWärmekapazitäten
t in ◦ C [C p ]t0 in kJ/(kmol K)
t in ◦ C [C p ]t0 in kJ/(kmol K)
H2 S NH3 CH4 C 2 H4 C 2 H2
0 33,82 34,99 34,59 41,92 42,37
100 34,49 36,37 37,02 47,15 46,01
200 35,19 38,13 39,54 52,13 48,82
300 36,95 40,02 42,34 56,68 51,25
400 36,74 41,98 45,23 60,95 53,12
500 37,59 44,04 48,02 64,80 54,80
600 38,42 46,09 50,70 68,31 56,35
700 39,25 48,01 53,34 71,45 57,73
800 40,08 49,85 55,77 74,88 59,07
900 40,84 51,53 58,03 77,23 60,24
1000 41,59 53,08 60,25 79,81 61,37
1100 42,26 54,50 62,29
1200 42,92 55,84 64,13
1300 43,51 57,06
1400 44,05 58,14
1500 44,60 59,19
1600 45,12 60,20
1700 45,60 61,12
1800 46,02 61,95
1900 46,39 62,75
2000 46,80 63,46
2100 47,18 64,13
2200 47,52 64,76
2300 47,81 65,35
2400 48,14 65,93
2500 48,44 66,48
2600 48,69 66,98
2700 48,94 67,44
2800 49,19 67,86
2900 49,44 68,28
3000 49,69 68,70
M in kg/kmol 33,9880 17,03052 16,04276 28,05376 26,03788
104 6. Die kalorischen Zustandsgleichungen und die spezifischenWärmekapazitäten
Tabelle 6.5. Spezifische Wärmekapazität der Luft bei verschiedenen Drücken berechnet mit
der Zustandsgleichung von Baehr und Schwiera
p= 1 25 50 100 150 200 300 bar
t = 0 ◦C cp = 1,0065 1,0579 1,1116 1,2156 1,3022 1,3612 1,4087 kJ/(kg K)
t = 50 ◦ C cp = 1,0080 1,0395 1,0720 1,1335 1,1866 1,2288 1,2816 kJ/(kg K)
t = 100 ◦ C cp = 1,0117 1,0330 1,0549 1,0959 1,1316 1,1614 1,2045 kJ/(kg K)
a
Baehr, H.D.; Schwier, K.: Die thermodynamischen Eigenschaften der Luft.
Berlin, Göttingen, Heidelberg: Springer 1961.
Beispiel 6.1: Dem Kühlgut eines Kühlschrankes werden aus dem ihn umgebenden
Raum Q̇K = 40 W zugeführt. Die elektrische Leistung zum Antrieb des Kälteaggregats
beträgt Pel = 100 W.
a) Welchen Wärmestrom Q̇K, 0 gibt der Kühlschrank im stationären Betrieb an den ihn
umgebenden Raum ab?
b) Um wieviel würde sich die Temperatur der Raumluft in einer Stunde ändern (Raum-
inhalt VL = 35 m3 , Dichte der Luft L = 1,2 kg/m3 , spez. Wärmekapazität
cpL = 4,186 kJ/(kgK)), wenn der Raum vollständig isoliert und luftdicht nach
außen abgeschlossen wäre?
zu a) Für das System Kühlschrank“ (Index K) gilt im stationären Betrieb
”
Q̇K + Q̇K, 0 + Pel = 0, somit
Q̇K, 0 = −(Q̇K + Pel ) = −140W
zu b) Der vom Raum abgeführte Wärmestrom Q̇L, 0 wird dem Kühlgut zugeführt
Q̇L, 0 + Q̇K = 0, .
Für das System Raumluft“ gilt
”
dU
= Q̇L + Q̇L, 0 = −Q̇K, 0 − Q̇K = Pel
dτ
oder
dT
L cpL VL = Pel .
dτ
Daraus
Pel 100 W
ΔT = Δτ = · 3600s
L cpL VL 1,2kg/m3 · 4,186 · 103 J/(kgK) · 35 m3
= 2,04K.
6.3
Die kalorischen Zustandsgleichungen inkompressibler
Stoffe
∂u
du = dT .
∂T v
Die spezifischen Wärmekapazitäten cp und cv unterscheiden sich bei festen Körpern
praktisch gar nicht und bei Flüssigkeiten über weite Temperaturbereiche nur so we-
nig voneinander, dass man für inkompressible Stoffe in guter Näherung cp ≈ cv = c
setzen darf. Damit folgen die kalorischen Zustandsgleichungen für inkompressible
Stoffe zu
du = c dT (6.12)
und
dh = c dT + v dp . (6.13)
Um einen festen Körper der Masse M um die Temperatur dT zu erwärmen,
braucht man wegen du = dq demnach die Wärme
dQ = M c dT . (6.14)
Kapitel 7:
Anwendungen des ersten Hauptsatzes der
Thermodynamik
In diesem Kapitel werden wir beispielhaft einige in der Technik relevante Ener-
giewandlungsprozesse mit Hilfe des ersten Hauptsatzes und der thermischen und
kalorischen Zustandsgleichungen beschreiben. Geschlossene und offene Systeme,
stationäre und instationäre Prozesse werden betrachtet.
7.1
Zustandsänderungen idealer Gase
Zustände idealer Gase ließen sich durch die thermische Zustandsgleichung
p V = M R T sowie die kalorischen Zustandsgleichungen du = cv dT und dh =
cp dT beschreiben. Bei den folgenden energetischen Betrachtungen gehen wir ein-
schränkend von disspationsfreien Prozessen und ruhenden geschlossenen Systemen
aus, an denen nur Volumenänderungsarbeit verrichtet werden kann. Somit gilt der
erste Hauptsatz in der Form
dU = dQ + dLv .
7.1.1
Zustandsänderungen bei konstantem Volumen oder Isochore
1
Von griech. ı́σoς = gleich, χώρα = Raum
108 7. Anwendungen des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik
Bei den Isochoren verhalten sich also die Drücke wie die absoluten Tempera-
turen. Für quasistatische, dissipationsfreie Zustandsänderungen ist die gesamte
Wärmezufuhr längs des Weges 1−2
T2
Q1 2 = U2 − U1 = M cv dT . (7.2)
T1
7.1.2
Zustandsänderung bei konstantem Druck oder Isobare
zugeführt werden. Der größere Teil davon dient zur Erhöhung der inneren Energie
U2 −U1 , der kleinere verwandelt sich in die Arbeit p (V2 −V1 ), die in Abb. 7.2 durch
das schraffierte Flächenstück dargestellt ist. Kehrt man den Vorgang um, kompri-
miert also in der Richtung 2−1, so müssen Arbeit zugeführt und Wärme abgeführt
werden.
2
Von griech. ı́σoς = gleich, βαρν́σ = schwer.
7.1 Zustandsänderungen idealer Gase 109
7.1.3
Zustandsänderung bei konstanter Temperatur oder Isotherme
2
Q12 = −Lv12 = p dV (7.5b)
1
ergibt. Die zugeführte Wärme dient also ausschließlich zur Verrichtung von Volu-
menänderungsarbeit.
Ersetzt man p in Gl. (7.5a) mit Hilfe der Zustandsgleichung idealer Gase durch
T und V , so wird
dV
dQ = M RT (7.5c)
V
oder integriert
V2
Q12 = −Lv12 = M RT ln (7.5d)
V1
oder
V2 p1
Lv12 = −p1 V1 ln = −p1 V1 ln . (7.5e)
V1 p2
Die Arbeit −Lv12 ist die in Abb. 7.3 schraffierte Fläche unter der Hyperbel. Die
Arbeit ist nur abhängig vom Produkt p V und vom Druckverhältnis, dagegen un-
abhängig von der Art des Gases.
Bei der isothermen Kompression entsprechend der Richtung 2−1 muss die Ar-
beit zugeführt und ein äquivalenter Betrag von Wärme abgeführt werden.
7.1.4
Dissipationsfreie adiabate Zustandsänderungen
3
Wie im Zusammenhang mit dem zweiten Hauptsatz in Kap. 8 gezeigt wird, sind
dissipations- bzw. reibungsfreie adiabate Zustandsänderungen stets reversibel. Es werden
hier also Zustandsänderungen behandelt, die man auch als reversibel adiabat oder nach
der Einführung der Größe Entropie in Kap. 8.5(ff.) als isentrop bezeichnet.
7.1 Zustandsänderungen idealer Gase 111
dp p
tan αi = =− .
dV V
Für den Neigungswinkel αa der Tangente der Adiabate folgt aus Gl. (7.8) entspre-
chend
dp p
tan αa = = −κ .
dV V
Die dissipationsfreie Adiabate ist also κ-mal steiler als die Isotherme durch den
selben Punkt. Die Subtangente der Isotherme ist bekanntlich gleich der Abszisse
V , die Subtangente der Adiabate dagegen gleich V/κ (vgl. Abb. 7.3 und 7.4). In
Abb. 7.5 sind die Isothermen und Adiabaten als Kurvenscharen im p,V -Diagramm
gezeichnet.
Bei der Isothermen wurde die verrichtete Arbeit von der zugeführten Wärme
geliefert, bei der Adiabaten kann sie, da keine Wärme zugeführt wird, nur von der
inneren Energie bestritten werden. Es muss also u und damit auch T sinken, d.
h., bei der adiabaten Expansion kühlt sich ein Gas ab, bei adiabater Kompression
erwärmt es sich.
Für den Verlauf der Temperatur längs der Adiabaten erhält man, wenn man in
Gl. (7.8) mit Hilfe der differenzierten Zustandsgleichung des idealen Gases
7.1 Zustandsänderungen idealer Gase 113
dp M R dT dV dT dV
p dV + V dp = M R dT oder = − = −
p pV V T V
den Druck eliminiert
dT dV
+ (κ − 1) =0 (7.10)
T V
und bei konstantem κ integriert,
T V κ−1 = T1 V1κ−1 = const (7.11a)
oder, wenn V mit Hilfe von Gl. (7.9) durch p ersetzt wird,
κ−1 κ
T p
= . (7.11b)
T1 p1
Auch diese Gleichungen gelten für dissipationsfreie adiabate Zustandsänderungen.
Die bei der dissipationsfreien adiabaten Expansion verrichtete Arbeit dLv ergibt
sich aus Gl. (7.6) zu
dLv = −p dV = M cv dT (7.12)
oder integriert zwischen den Punkten 1 und 2 unter der Voraussetzung konstanter
spezifischer Wärmekapazität
2
Lv12 = − p dV = M cv (T2 − T1 ). (7.13a)
1
p1 V1 p2 V2
Führt man für T1 und T2 wieder und ein und berücksichtigt
MR MR
cv 1
= , so wird
R κ−1
1
Lv12 = (p2 V2 − p1 V1 ) (7.13b)
κ−1
oder
p1 V1 T2
Lv12 = −1 (7.13c)
κ−1 T1
oder
κ−1
κ
p1 V1 p2
Lv12 = −1 . (7.13d)
κ−1 p1
Die Arbeit eines vom Volumen V1 auf V2 ausgedehnten Gases ist bei der dissi-
pationsfreien adiabaten Entspannung kleiner als bei der isothermen Entspannung.
Bei der dissipationsfreien adiabaten Expansion ist p2 < p1 und daher Lv12 nega-
tiv entsprechend einer vom Gas unter Abkühlung abgegebenen Arbeit. Die Formeln
gelten aber ohne weiteres auch für die Kompression, dann ist p2 > p1 und damit
wird Lv12 positiv entsprechend einer vom Gas unter Erwärmung aufgenommenen
Arbeit.
114 7. Anwendungen des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik
7.1.5
Polytrope Zustandsänderungen
Im letzten Ausdruck darf im Zähler κ nicht durch n ersetzt werden, da hier κ−1 nur
für das Verhältnis R/cv eingesetzt wurde. Für die bei polytroper Zustandsänderung
eines idealen Gases zugeführte Wärme gilt nach dem ersten Hauptsatz
dU = M cv dT = dQ + dLv .
Führt man darin aus Gl. (7.19c)
κ−1
dLv = M cv dT
n−1
ein, so wird
n−κ
dQ = M cv dT = M cn dT , (7.20)
n−1
wobei
n−κ
cn = cv (7.21)
n−1
als spezifische Wärmekapazität der Polytrope bezeichnet wird. Für ein ideales Gas
mit temperaturunabhängiger spezifischer Wärmekapazität ist also auch die spezi-
fische Wärmekapazität längs der Polytrope eine Konstante, und für eine endliche
Zustandsänderung gilt
n−κ
Q12 = M cv (T2 − T1 ) . (7.22)
n−1
Vergleicht man damit den Ausdruck Lv12 nach Gl. (7.19c), so wird
Q12 n−κ
= . (7.23)
Lv12 κ−1
Für die Isotherme mit n = 1 ist, wie es sein muss, die zugeführte Wärme Q12
gleich der abgegebenen Arbeit; für die Adiabate mit n = κ ist Q12 = 0; für eine
Polytrope mit 1 < n < κ wird |Q12 | < |Lv12 |, d. h., die Arbeit wird zum Teil aus
der Wärmezufuhr, zum Teil aus der inneren Energie bestritten.
In Abb. 7.6 sind eine Anzahl von Polytropen für verschiedene n eingetragen.
Geht man von einem Punkt der Adiabate längs einer beliebigen Polytrope in das
schraffierte Gebiet hinein, so muss man Wärme zuführen, geht man nach der ande-
ren Seite der Adiabate, so muss Wärme abgeführt werden.
116 7. Anwendungen des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik
Beispiel 7.1: Ein Autoreifen, dessen inneres Volumen 20 dm3 beträgt, ist mit Luft von
T1 = 290 K und p1 = 2,2 bar gefüllt. Während der Fahrt erwärmt sich die Luft im
Reifen durch Walkarbeit auf T2 = 325 K
a) Welcher Druck herrscht dann im Reifen?
b) Welche Luftmenge ΔM muss man ablassen, damit der Reifendruck während der
Fahrt, also bei T2 = 325 K, genau 2,2 bar beträgt?
Die Luft kann man als ideales Gas behandeln, R = 0,2871 kJ/(kgK).
zu a) Die Zustandsänderung ist isochor, daher
p2 = p1 T2 /T1 = 2,2bar · 325K/290K = 2,47bar.
p 2 V2 p 1 V1 p 1 V1
zu b) Es ist M2 = = und M1 = .
RT2 RT2 RT1
Damit
p 1 V1 1 1
ΔM = M2 − M1 = −
R T2 T1
2,2bar · 0,02m3 1 1
= −
287,1 J/(kgK) 325K 290K
ΔM = −5,69 · 10−3 kg .
Aufgabe 7.1: In einem geschlossenen Kessel von V = 2 m3 Inhalt befindet sich Luft
von t1 = 20 ◦ C und p1 = 5 bar. Auf welche Temperatur t2 muss der Kessel erwärmt
werden, damit sein Druck auf p2 = 10 bar steigt? Welche Wärme muss dabei der Luft
zugeführt werden?
Aufgabe 7.2: Eine Bleikugel fällt aus z = 100 m Höhe auf eine harte Unterlage, wobei
sich ihre kinetische Energie in innere Energie verwandelt, von der 2/3 in die Bleikugel
gehen. Die spezifische Wärmekapazität von Blei ist cp ≈ cv = c = 0,126kJ/(kgK).
Um wieviel Grad erwärmt sich das Blei?
7.2 Kreisprozesse 117
Aufgabe 7.3: Eine Kraftmaschine wird bei n = 1200 min−1 durch eine Wasserbremse
abgebremst, wobei ihr Drehmoment zu Md = 4905 Nm gemessen wurde. Der Bremse
werden stündlich 8 m3 Kühlwasser von 10 ◦ C zugeführt.
Mit welcher Temperatur fließt das Kühlwasser ab, wenn die ganze Bremsleistung sich
in innere Energie des Kühlwassers verwandelt?
Aufgabe 7.4: Luft von p1 = 10 bar und t1 = 25 ◦ C wird in einem Zylinder von 0,01 m3
Inhalt, der durch einen Kolben abgeschlossen ist, a) isotherm, b) adiabat, c) polytrop mit
n = 1,3 bis auf 1 bar durch quasistatische Zustandsänderungen entspannt. Wie groß
ist in diesen Fällen das Endvolumen, die Endtemperatur und die vom Gas verrichtete
Arbeit? Wie groß ist in den Fällen a) und c) die zugeführte Wärme?
Aufgabe 7.5: Ein Luftpuffer besteht aus einem zylindrischen Luftraum von 50 cm Länge
und 20 cm Durchmesser, der durch einen Kolben abgeschlossen ist. Die Luft im Puffer-
zylinder habe ebenso wie in der umgebenden Atmosphäre einen Druck von p1 = 1bar
und eine Temperatur von t1 = 20 ◦ C.
Welche Stoßenergie in Nm kann der Puffer aufnehmen, wenn der Kolben 40 cm weit
eindringt und wenn die Kompression der Luft adiabat erfolgt? Welche Endtemperatur
und welchen Enddruck erreicht dabei die Luft?
Aufgabe 7.6: Eine Druckluftanlage soll stündlich 1000 m3n Druckluft von 15 bar liefern,
die mit einem Druck von p1 = 1 bar und einer Temperatur von t1 = 20 ◦ C angesaugt
wird.
Wieviel kW Leistung erfordert die als verlustlos angenommene Verdichtung, wenn sie
a) isotherm, b) adiabat, c) polytrop mit n = 1,3 erfolgt? Welche Wärme muss in den
Fällen a) und c) abgeführt werden?
7.2
Kreisprozesse
Kreisprozesse sind in der Technik von sehr großer Bedeutung. Beispiele für Kreis-
prozesse sind Kraftwerksprozesse zur Stromerzeugung oder Kältemaschinenpro-
zesse zur Klimatisierung und Otto- oder Dieselprozesse, die in den Verbrennungs-
motoren unserer Automobile ablaufen. Ein Kreisprozess ist ein Prozess, bei dem
ein Fluid durch mehrere aufeinanderfolgende Zustandsänderungen (Teilprozesse)
wieder in seinen Ausgangszustand gelangt. Ein Fluid wird kontinuierlich in die-
sem Kreislauf umgewälzt und durchströmt dabei zyklisch Maschinen und Ap-
parate, in denen es mit der Umgebung Wärme und Arbeit austauscht. Schema-
tisch veranschaulicht Abb. 7.7 einen solchen Kreisprozess mit beispielhaft vier Zu-
standsänderungen des umlaufenden Fluids.
0= Q̇i + Pj , (7.26)
i j
wobei i und j die einzelnen Wärme- und Arbeitsströme kennzeichnet, die in den
verschiedenen am Kreisprozess beteiligten Apparaten oder Maschinen dem Fluid
zugeführt oder entzogen werden.
Abb. 7.8 zeigt beispielsweise das Schema eines einfachen Kraftwerksprozes-
ses. Die Anlage besteht aus einer Speisewasserpumpe, einem Dampferzeuger, ei-
ner Turbine und einem Kondensator, die durch Rohrleitungen verbunden sind. Das
umlaufende Fluid ist Wasser. In der Speisewasserpumpe wird dessen Druck unter
Leistungsaufnahme PSp erhöht. Im Dampferzeuger wird das flüssige Wasser durch
Zufuhr eines Wärmestromes Q̇DE , der durch Verbrennung eines fossilen Brenn-
stoffs oder Kernspaltung freigesetzt wird, verdampft und überhitzt. In der Turbine
wird der Dampf unter Leistungsabgabe PT entspannt und im Kondensator durch
Abfuhr eines Wärmestromes Q̇Ko wieder vollständig verflüssigt. Die Details dieser
vier Prozessschritte sind für die Bilanzierung der Energieströme jedoch nicht von
Belang. Es gilt
0 = PSp + Q̇DE + PT + Q̇Ko , (7.27)
wobei nach unserer Vorzeichenregelung PSp und Q̇DE positiv, PT und Q̇Ko negativ
sind.
Abb. 7.9 zeigt das Schaltschema einer einfachen Kältemaschine, nämlich eines
Kühlschrankes. Das Fluid, ein so genanntes Kältemittel, wird in dampfförmigem
Zustand in einem Kompressor unter der Leistungaufnahme PK vedichtet. Im Kon-
densator wird es unter Abgabe des Wärmestroms an die Umgebung Q̇Ko kon-
densiert und anschließend zur Druckreduktion durch eine adiabate Drossel ge-
leitet. Durch Zufuhr eines Wärmestroms Q̇V wird es wieder verdampft. Dieser
Wärmestrom wird dem Kühlschrankinnern entzogen und sorgt dafür, dass sich das
Kühlgut durch Wärmezufuhr aus der Umgebung nicht erwärmt. Es gilt
0 = Q̇V + Q̇Ko + PK (7.28)
wobei Q̇V und PK positiv, Q̇Ko negativ sind.
120 7. Anwendungen des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik
Beispiel 7.2: Dem Kühlgut KG eines Kühlschrankes werden aus dem ihn umge-
benden Raum Q̇KG = 40 W zugeführt. Die elektrische Leistung zum Antrieb des
Kälteaggregats beträgt Pel = 100 W, welche vollständig in Kompressionsleistung um-
gesetzt wird.
a) Welchen Wärmestrom Q̇Ko gibt der Kühlschrank im stationären Betrieb an den ihn
umgebenden Raum ab?
b) Um wieviel würde sich die Temperatur der Raumluft in einer Stunde ändern (Raum-
inhalt VL = 35 m3 , Dichte der Luft L = 1,2 kg/m3 , spez. Wärmekapazität
cpL = 4,186 kJ/(kgK)), wenn der Raum vollständig isoliert und luftdicht nach
außen abgeschlossen wäre?
zu a) Für das System Kühlschrank“ gilt im stationären Betrieb mit obigen Angaben
”
Q̇KG = Q̇V und Pel = PK und somit
Q̇KG + Q̇Ko + Pel = 0 oder
Q̇Ko = −(Q̇KG + Pel ) = −140W
zu b) Der vom umgebenden Raum abgeführte Wärmestrom Q̇L,ab wird dem Kühlgut
zugeführt.
Für das instationäre System Raum“ gilt
”
dU
= Q̇L,zu + Q̇L,ab = −Q̇Ko − Q̇KG = Pel
dτ
oder
dT
L cpL VL = Pel .
dτ
Daraus folgt
Pel 100 W
ΔT = Δτ = · 3600s
L cpL VL 1,2kg/m · 4,186 · 103 J/(kgK) · 35 m3
3
= 2,04K .
7.3
Wasserkraftwerke
Ein Wasserkraftwerk lässt sich schematisch entsprechend Abb. 7.10 darstellen. Das
skizzierte System wird stationär von Wasser durchströmt. Am Oberbecken fließt der
Massenstrom Ṁzu bei einem Druck pzu ein. Er durchströmt unter der Leistungsab-
gabe PT die Turbine und verlässt das System beim Druck pab am Unterbecken.
Wegen der Stationarität gelten Ṁzu = Ṁab = Ṁ und
2
wzu w2
0 = PT + Ṁ hzu − hab + − ab + g (zzu − zab ) . (7.29)
2 2
Hierbei legen wir die Systemgrenze geschickter Weise so, dass an der Zustrom-
und der Abstromstelle die Geschwindigkeiten wzu und wab sehr gering sind und
die Änderung der kinetischen Energie vernachlässigbar ist. Der Druck des Wassers
an der Zu- und Abstromstelle soll dem dort herrschenden Luftdruck entsprechen.
Da sich der Luftdruck am Ober- und Unterbecken aber kaum unterscheiden, gilt
pzu ≈ pab bzw. dp = 0. Bei einem dissipationsfreien Prozess wird sich auch die
Temperatur des Wassers kaum ändern, d. h. dT = 0. Für Wasser als eine inkom-
pressible Flüssigkeit gilt nach Gl. (6.13) dh = cdT + vdp. Somit folgt dh = 0 und
unter der Voraussetzung, dass die Abstromstelle auf Höhe der Turbine liegt, weiter
für die abgegebene Turbinenleistung
PT = −Ṁ g(zzu − zab ) = −Ṁ gΔz . (7.30)
Die Leistung PT ist bei Δ z > 0 negativ. Potentielle Energie wird also in Arbeit
gewandelt und vom System abgegeben. Ein Pumpspeicherwerk arbeitet umgekehrt.
Eine elektrisch angetriebene Pumpe fördert Wasser in das Oberbecken. So kann z. B.
überschüssige elektrische Energie aus dem Versorgungsnetz in potentielle Energie
gewandelt und gespeichert werden.
7.4
Stoffstrommischung
In der Technik mischt man häufig zwei oder auch mehrere Stoffströme entsprechend
Abb. 7.11 in einem offenen System unter Zufuhr von technischer Arbeit, z. B. zum
Antrieb eines Rührers, der sicherstellen soll, dass am Austritt des Mischers eine
möglichst homogene Mischung der Stoffströme austreten soll. Die Massenbilanz
ergibt hierfür
Ṁzu,1 + Ṁzu,2 = Ṁab (7.31)
und die Energiebilanz
2
wzu,1
0 = Q̇ + P + Ṁzu,1 hzu,1 + + gzzu,1
2
2
wzu,2
+ Ṁzu,2 hzu,2 + + gzzu,2
2
2
wab
− Ṁab hab + + gzab
2
Vernachlässigt man die Änderungen der kinetischen und potentiellen Energie, so
folgt mit Gl. (7.31)
−Q̇ − P = Ṁzu,1 (hzu,1 − hab ) + Ṁzu,2 (hzu,2 − hab ) . (7.32)
122 7. Anwendungen des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik
Findet die Mischung ohne Zufuhr von Leistung aus der Umgebung oder
Wärmetransport über die Systemgrenze statt, so gilt
Ṁzu,1 hzu,1 + Ṁzu,2 hzu,2 = Ṁzu,1 + Ṁzu,2 hab . (7.33)
7.5
Wärmeübertrager
Wärmeübertrager sind Apparate, in denen Fluide beheizt oder gekühlt werden. Dies
kann direkt durch stationäre Zu- oder Abfuhr von Wärme (Abb. 7.12 links) erfolgen,
z. B. mittels einer elektrischen Widerstandsheizung oder eines Peltierelements, oder
indirekt (Abb. 7.12 rechts), z. B. durch stationäre Abkühlung oder Beheizung eines
anderen Fluids. Der erste Hauptsatz liefert uns für den Fall der direkten Wärmezu-
oder -abfuhr
wobei die Änderungen der kinetischen und potentiellen Energie des zu- und ab-
strömenden Fluids vernachlässigt und Ṁzu = Ṁab = Ṁ gesetzt wurden. Für den
zweiten Fall, in dem ein heißer Stoffstrom Ṁ1 Wärme an eine zweiten, kalten Strom
Ṁ2 überträgt, gilt
7.6
Verdichten und Entspannen idealer Gase
Betrachten wir den in Abb. 7.13 unten skizzierten Verdichter. Der Zylinder des Kol-
benkompressors sei a. Luft oder Gas wird aus der Leitung b ansaugt, verdichtet und
dann in die Leitung c gedrückt. Das Ansaugventil öffnet selbständig, sobald der
Druck im Zylinder unter den der Saugleitung sinkt, das Druckventil öffnet, wenn
der Druck im Zylinder den der Druckleitung übersteigt. Der Kompressor sei verlust-
los und möge keinen schädlichen Raum haben, d. h., der Kolben soll in der linken
Endlage (oberer Totpunkt) den Zylinderdeckel gerade berühren, so dass der Zylin-
derinhalt auf Null sinkt. Geht der Kolben nach rechts, so öffnet sich das Saugventil,
und es wird Luft aus der Saugleitung beim Druck p1 angesaugt, bis der Kolben
die rechte Endlage (unterer Totpunkt) erreicht hat. Bei seiner Umkehr schließt das
Saugventil, und die nun im Zylinder abgeschlossene Luft wird verdichtet, bis sie
den Druck p2 der Druckleitung erreicht hat. Dann öffnet das Druckventil, und die
Luft wird bei gleichbleibendem Druck in die Druckleitung ausgeschoben, bis der
Kolben sich wieder in der linken Endlage befindet. Bei seiner Umkehr sinkt der
Druck im Zylinder von p2 auf p1 , das Druckventil schließt, das Saugventil öffnet,
und das Spiel beginnt von neuem.
Im oberen Teil der Abb. 7.13 ist der Druckverlauf im Zylinder über dem Hub-
volumen V dargestellt.
Dabei ist
4−1 das Ansaugen beim Druck p1 ,
1−2 das Verdichten vom Ansaugedruck p1 auf den Enddruck p2 ,
2−3 das Ausschieben in die Druckleitung beim Druck p2 und
3−4 der Druckwechsel beim Schließen des Druck- und Öffnen des Saugventils.
Auf der anderen Kolbenseite denken wir uns zunächst Vakuum und berechnen die
während der einzelnen Teile des Vorganges geleisteten Arbeiten, die wir mit ent-
sprechenden Indizes bezeichnen. Es ist
|L41 | = Fläche41 df = p1 V1
die vom angesaugten Gas geleistete Verschiebearbeit. Sie ist als an den Kolben ab-
gegebene Arbeit negativ, L41 = −p1 V1 . Weiter gilt
2
L12 = Lv12 = Fläche12 ed = − p dV
1
für die dem Gas zugeführte Kompressionsarbeit. Sie ist positiv, da dV bei Volumen-
abnahme negativ ist. Für die zugeführte Ausschiebearbeit gilt
L23 = Fläche23 f e = p2 V2 .
Sie ist positiv. Beim Druckwechsel wird keine Arbeit geleistet, also gilt
L34 = 0 .
Die Summe dieser vier Teilarbeiten
2
Lt = L12 + L23 + L34 + L41 = − p dV + p2 V2 − p1 V1 (7.36)
1
ist die technische Arbeit, die am offenen System Kompressor während eines Pro-
zessesumlaufes verrichtet wird. Sie ist gleich der Fläche 1 2 3 4, kann also auch als
Integral über dp dargestellt werden und ist
2
Lt = V dp .
1
1 kg Luft von 20 ◦ C braucht man also z. B. die gleiche Arbeit, einerlei, ob man
von 1 auf 10 bar, von 10 auf 100 bar oder von 100 auf 1000 bar verdichtet. Bei
sehr hohen Drücken treten allerdings Abweichungen wegen der Druckabhängigkeit
der spezifischen Wärmekapazitäten auf (vgl. Tab. 6.5). Ferner ist zu beachten, dass
unsere Formeln für die reversibel adiabaten und polytropen Kompressionen tempe-
raturunabhängige spezifische Wärmekapazitäten und damit konstante Werte von κ
voraussetzten, in Wirklichkeit ist das nicht streng richtig, doch sind die Abweichun-
gen bei Kompressoren bis 25 bar praktisch belanglos.
Bei isothermer Verdichtung ist, wie Abb. 7.14 zeigt, eine kleinere Arbeit nötig
als bei polytroper (mit 1 < n < κ) oder adiabater. Der Unterschied ist um so größer,
je größer das Druckverhältnis p2 /p1 ist. Die isotherme Kompression ist also der an-
zustrebende Idealfall. Dabei muss aber die gesamte Kompressionsarbeit als Wärme
durch die Zylinderwände abgeführt werden, was praktisch unmöglich ist. Die Ver-
dichtung in ausgeführten Kompressoren kann vielmehr nahezu als Adiabate ange-
sehen werden.
Der Vorgang im Luftkompressor lässt sich umkehren, wenn man die Ventile ent-
sprechend steuert. Man erhält dann die Pressluftmaschine, die Arbeit leistet unter
Entspannung von Gas höheren Druckes. Alle Formeln der Luftverdichtung gelten
auch hier, nur ist p2 < p1 , und es ergeben sich für Arbeiten und Wärmen umgekehr-
te Vorzeichen.
Aufgabe 7.7: Ein Raum von V = 50 l Inhalt, in dem sich ebenso wie in der umgebenden
Atmosphäre Luft von 1 bar und 20 ◦ C befindet, soll auf 0,01 bar evakuiert werden.
Welcher Arbeitsaufwand ist dazu erforderlich, wenn das Auspumpen bei 20 ◦ C erfolgt?
7.7
Strömungen durch Kanäle mit Querschnittsänderungen
In vielen technischen Anwendungen strömen Fluide durch Rohrleitungen oder
Kanäle mit Querschnittsänderungen, z. B. durch Düsen oder Diffusoren, Abb. 7.15.
Die Massenbilanz für diese Systeme lautet nach Gl. (5.18)
dM
= Ṁzu − Ṁab
dτ
7.7 Strömungen durch Kanäle mit Querschnittsänderungen 127
2
wzu w2
pzu + = pab + ab . (7.46)
2 2
Man bezeichnet w2 /2 = pd als dynamischen Druck oder Staudruck und nennt
zum Unterschied den gewöhnlichen Druck, den ein mitbewegtes Manometer mes-
sen würde, statischen Druck p. Die Summe von beiden heißt Gesamtdruck pg . Die
Bernoullische Gleichung sagt also: in einer dissipationsfreien Strömung ohne Hub-
arbeit ist der Gesamtdruck an allen Stellen derselbe.
7.8
Drosselvorgänge
Häufig strömen Fluide durch Rohrleitungen, in denen sich Widerstände befinden.
Dazu denken wir uns eine Rohrleitung, durch die ein Gas strömt, und in diese einen
Widerstand in Gestalt eines porösen Pfropfens aus Asbest, Ton, Filz oder dgl. einge-
baut, derart, dass das Gas einen Druckabfall beim Durchströmen dieses Hindernis-
ses erfährt. Diesen Vorgang, der auch dann auftritt, wenn sich in einer Rohrleitung
ein Hindernis befindet oder eine plötzliche Querschnittsveränderung vorhanden ist,
bezeichnet man als Drosselung. Wir betrachten einen Querschnitt zu vor und einen
Querschnitt ab hinter der Drosselstelle einer Rohrleitung, Abb. 7.16.
Die beiden Querschnitte seien gleich groß und weit von der Drosselstelle ent-
fernt. Unter der Annahme, dass während der Drosselung kein Wärmeaustausch mit
der Umgebung stattfindet und da keine technische Arbeit geleistet wird und sich
die potentielle Energie in dem waagerecht liegenden Rohr nicht ändert, folgt analog
dem vorangegangenen Kapitel
1 2
0 = hzu − hab + (wzu − wab2
)
2
oder
1 2 1 2
hzu + wzu = hab + wab . (7.47)
2 2
Die Zustandsänderung in der Drossel bewirkt an deren Austrittsstelle meist eine Ver-
wirbelung der Strömung, die stromab zunehmend wieder abklingt. In vielen Fällen
kann die kinetische Energie bzw. deren Änderung in Gl. (7.47) vernachlässigt wer-
den. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Geschwindigkeiten hinreichend ge-
ring sind (bei Gasen etwa w < 40m/s), wenn bei kleinen Dichteänderungen die
Strömungsquerschnitte vor und nach der Drosselstelle gleich sind (vgl. Gl. (7.42)),
oder wenn bei Dichteabnahme der Strömungsquerschnitt hinter der Drosselstelle so
viel größer ist, dass trotz der Volumenzunahme die Strömungsgeschwindigkeit nicht
ansteigt. In diesen Fällen vereinfacht sich die vorige Beziehung zu
hzu = hab . (7.48)
Die spezifische Enthalpie bleibt während einer adiabaten Drosselung also stets kon-
stant, sofern sich die kinetische und die potentielle Energie des Stoffstroms nicht
ändern. Der Vorgang ist isenthalp.
Für ideale Gase bedeutet dies, dass sich die Temperatur nicht ändert, weil die
Enthalpie idealer Gase nur von der Temperatur abhängt, vgl. Gl.( 6.5) und ( 6.7),
h = u(T ) + pv = u(T ) + RT = h(T ) .
Infolgedessen gilt der Satz: Bei der adiabaten Drosselung idealer Gase bleibt die
Temperatur konstant, vorausgesetzt, dass sich kinetische und potentielle Energie vor
und nach der Drosselstelle nicht merklich unterscheiden.
Beispiel 7.3: Ein konstanter Luftstrom von 240 bar und 50 ◦ C wird in einem Ventil
adiabat auf 200 bar gedrosselt
Kinetische und potentielle Energie seien vernachlässigbar. Die Enthalpien von Luft ent-
nehme man der folgenden Tabelle
t in ◦ C p = 200 bar p = 240 bar
h in kJ/kg h in kJ/kg
30 270,25 266,50
40 282,84 279,37
50 295,23 292,02
Welches ist die Temperatur nach der Drossselung?
7.9
Überströmvorgänge
Wir hatten bereits zwei Beispiele für Überströmvorgänge behandelt: in Kap. 5.6
das Befüllen eines zunächst evakuierten Behälters und in Kap. 6.1 den
Überströmversuch von Gay-Lussac und Joule.
Beim adiabaten Befüllen des zunächst evakuierten Behälters mit Luft aus der
Umgebung ergab sich aus dem ersten Hauptsatz, dass die innere Energie nach dem
Befüllen u2 gleich der Enthalpie der zuströmenden Umgebungsluft hL ist,
u 2 = hL .
Erweitert man dies, so folgt für Luft als ideales Gas
u2 = uL + pL vL = uL + RL TL
und weiter
u2 − uL = RL TL
oder
cvL (T2 − TL ) = RL TL
woraus sich die Temperatur im Behälter nach dem Befüllvorgang ergibt zu
RL TL RL
T2 = + TL = TL 1 + = TL (1 + κ − 1) = κTL . (7.49)
cvL cvL
Sie ist somit um den Faktor des Isentropenexponenten größer als die Temperatur
der Umgebungsluft. Ursache für diese Temperaturerhöhung ist die Umwandlung
der Einschiebearbeit am offenen adiabaten System beim Zuströmen des Gases in
innere Energie.
Beim Überströmversuch von Gay-Lussac und Joule (Kap. 6.1) änderte sich hin-
gegen die Temperatur nicht. Ursache hierfür ist, dass die Einschiebearbeit nicht von
der Umgebung, sondern vom abgeschlossenen System selbst verrichtet wird und
innerhalb des Systems stets von vollständigem Temperaturausgleich ausgegangen
werden kann.
Betrachten wir nun einen Behälter, schematisch in Abb. 7.17 dargestellt, aus
dem nach dem Öffnen eines Ventils im Zustand 1 ein unter hohem Druck p1 stehen-
des ideales Gas in die Umgebung ausströmt bis Druckausgleich mit der Umgebung
stattgefunden hat, p2 = pu .
Der Vorgang sei quasistatisch, reibungsfrei und adiabat. Kinetische und poten-
tielle Energien seien vernachlässigbar. Der erste Hauptsatz in differentieller Form,
Gl. (5.21b), vereinfacht sich dann zu
dU = dMab · hab (7.50a)
oder
udM + M du = hab dMab . (7.50b)
7.9 Überströmvorgänge 131
Da das System genau die Masse verliert, die abströmt, gilt dM = dMab . Mit hab =
u + pv folgt somit
udM + M du = udM + pvdM
oder
du dM
= .
pv M
Setzt man du = cv dT und pv = RT ein, so ergibt sich
cv dT dM
=
R T M
und wegen cv /R = 1/ (κ − 1)
1 dT dM
= . (7.51)
κ−1 T M
Durch Integration zwischen dem Ausgangszustand 1 und dem Endzustand 2 folgt
1 T2 M2
ln = ln
κ − 1 T1 M1
oder
κ−1
1
T2 M2
= . (7.52)
T1 M1
Ersetzt man die Massen M1 und M2 jeweils durch die Beziehung pV = M RT für
ideale Gase, so ergibt sich mit p2 = pu
κ−1 1
T2 pu T 1
= ·
T1 p1 T 2
und weiter die bereits aus Kap. 7.1.4 bekannte Beziehung für die reversibel adiabate
Zustandsänderung
κ−1 κ
T2 pu
= (7.53a)
T1 p1
oder
κ−1
κ
T2 pu
= . (7.53b)
T1 p1
132 7. Anwendungen des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik
Beispiel 7.4: In einen starren Behälter, in dem sich 10 kg Luft bei 20 ◦ C und 200
bar befinden, wird über ein Drosselventil Luft gepumpt, sodass der Druck ansteigt. Die
zugeführte Luft hat vor dem Drosselventil einen Druck von 240 bar und eine Temperatur
von 20 ◦ C. Nach dem Füllen wird Wärme mit der Umgebung ausgetauscht, sodass die
Luft am Ende des Prozesses wieder eine Temperatur von 20 ◦ C besitzt. Der Druck soll
dann 220 bar betragen. Kinetische und potentielle Energie der zugeführten Luft seien
vernachlässigbar.
Für Luft von 20 ◦ C gilt:
p v u h
bar dm3 /kg kJ/kg kJ/kg
Man berechne:
a) die zugeführte Luftmasse,
b) die mit der Umgebung ausgetauschte Wärme.
zu a) Mit v1 = 4,3205 dm3 /kg bei p1 = 200 bar und t1 = 20 ◦ C aus der Tabelle
erhält man das Volumen des Behälters V = M1 v1 = 10 kg · 4,3205 dm3 /kg =
43,205 dm3 . Am Ende der Zustandsänderung ist die Masse M2 = V /v2 , wo-
bei v2 = 3,9775 dm3 /kg das spezifische Volumen bei 220 bar und 20 ◦ C ist.
Damit wird M2 = 43,205 dm3 /3,9775 dm3 /kg = 10,862 kg. Es ist ΔM =
M2 − M − 1 = 0,862 kg.
zu b) Wegen dLt = 0, dM2 = 0 gilt dQ = dU − h1 dM1 mit U = M u.
Daher ist Q12 = M2 u2 − M1 u1 − h1 ΔM . Hierin sind u2 = u(220 bar,20 ◦ C),
u1 = u(200 bar, 20 ◦ )C und h1 = h(240 bar, 20 ◦ C) aus der Tabelle zu entneh-
men. Damit wird
Q1 2 = 10,862kg · 167,76kJ/kg − 10kg · 171,00kJ/kg
− 253,38kJ/kg · 0,862kg = −106,25kJ .
Es wird Wärme abgeführt.
Beispiel 7.5: Ein Autoreifen von V = 20 dm3 Fassungsvermögen, in dem der Luft-
druck auf p1 = 1,5 bar abgesunken ist und die Temperatur 10 ◦ C beträgt, soll wieder
aufgepumpt werden. Dabei strömt Luft (ideales Gas, κ = 1,4, R = 0,287 kJ/kgK) aus
einem großen Behälter hohen Druckes, in dem eine Temperatur von 20 ◦ C herrscht, in
den Reifen. Die Luft wird vor dem Einströmen in einer adiabaten Drossel auf den Druck
im Reifen gedrosselt. Das Reifenvolumen V kann man als konstant ansehen. Kinetische
und potentielle Energie seien vernachlässigbar.
a) Auf welchen Höchstdruck p2 muss man den Reifen aufpumpen, wenn in ihm nach
dem Temperaturausgleich mit der Umgebung, tu = 10 ◦ C, ein Druck von p3 =
2,2 bar herrschen und während des Aufpumpens keine Wärme an die Umgebung
abgegeben werden soll?
b) Wie groß ist die zugeführte Luftmasse ΔM ?
c) Welche Höchsttemperatur T2 herrscht unmittelbar nach dem Aufpumpen im Reifen?
d) Welche Wärme wird bei Abkühlung von der Temperatur T2 auf die Temperatur T3
an die Umgebung übertragen?
Wir bezeichnen mit 1 den Zustand vor dem Aufpumpen, mit 2 unmittelbar nach dem
Aufpumpen vor dem Temperaturausgleich und mit 3 nach dem Temperaturausgleich.
Der Reifen sei das System A, der Behälter das System B.
7.9 Überströmvorgänge 133
Aufgabe 7.8: In einer Gasflasche mit dem Volumen V = 0,5 m3 befindet sich Stickstoff
(N2 ) bei einem Druck von 1,2 bar und einer Temperatur von 27 ◦ C. Die Flasche wird
zum Füllen an eine Leitung angeschlossen, in der N2 unter einem Druck von 7 bar und
einer Temperatur von 77 ◦ C zur Verfügung steht. Der Füllvorgang wird abgeschlossen,
wenn in der Flasche ein Druck von 6 bar erreicht ist. Die Temperatur des Flascheninhalts
wird während des Füllens konstant auf 27 ◦ C gehalten.
Stickstoff darf als ideales Gas angesehen werden. Änderungen von potentieller und kine-
tischer Energie dürfen vernachlässigt werden. Während des Abfüllens bleibt der Zustand
des Stickstoffs in der Leitung konstant.
Stoffwerte: RN2 = 0,2968 kJ/kg K, cpN2 = 1,0389 kJ/kg K.
a) Wie groß ist die während des Abfüllens zugeführte Stickstoffmasse Mzu ?
b) Wieviel Wärme muß während des Füllens zu- oder abgegeführt werden?
Kapitel 8:
Das Prinzip der Irreversibilität und die
Zustandsgröße Entropie
8.1
Das Prinzip der Irreversibilität
Flugparabel bewegen und nach der Zeit τ in Punkt A mit der Geschwindigkeit w0 ,
die der ursprünglichen Geschwindigkeit entgegengerichtet ist, ankommen. Die Be-
wegung auf der Flugbahn kann also in umgekehrter Richtung durchlaufen werden.
Die Masse durchläuft dabei die gleiche Wegstrecke in gleichen Zeiten.
Auch die bisher von uns betrachteten thermodynamischen Vorgänge, z.B. die
quasistatische adiabate Volumenänderung, kann man in gleicher Weise als umkehr-
bar ansehen. Belastet man den Kolben eines Zylinders mit Hilfe eines geeigneten
Mechanismus, wie z.B. der in der Abb. 8.2 dargestellten Kurvenbahn, auf der das
Seil eines Gewichtes abläuft und die durch Zahnrad und -stange mit dem Kolben
gekoppelt ist, so lässt sich bei richtiger Form der Kurvenbahn erreichen, dass der
Kolben bei adiabater Expansion in jeder Lage stehenbleibt, gerade so wie eine im
indifferenten Gleichgewicht befindliche Waage.
Die Zugabe oder Wegnahme eines beliebig kleinen Gewichtes genügt, um den
Kolben sinken oder steigen zu lassen.
Noch einfacher lässt sich die Umkehrbarkeit verdeutlichen beim Verdampfen
unter konstantem Druck, wenn die Temperatur der verdampfenden Flüssigkeit durch
wärmeleitende Verbindung mit einem genügend großen Wärmespeicher konstant
gehalten wird. In Abb. 8.3 möge der Kolben gerade dem Druck des Dampfes das
Gleichgewicht halten.
Legt man ein beliebig kleines Übergewicht auf den Kolben, so kondensiert der
Dampf vollständig. Erleichtert man den Kolben beliebig wenig, so steigt er, bis alles
Wasser verdampft ist. Diese Beispiele zeigen, was man in der Thermodynamik unter
umkehrbaren oder reversiblen Prozessen versteht.
Ein reversibler Prozess besteht demnach aus lauter Gleichgewichtszuständen,
derart, dass eine beliebig kleine Kraft je nach ihrem Vorzeichen den Vorgang sowohl
in der einen wie in der anderen Richtung auslösen kann.
Bei Wärmeströmungen entspricht dem Übergewicht eine beliebig kleine
Übertemperatur, denn durch das kleine Übergewicht kann eine Kompression er-
zeugt werden, die mit einer kleinen Übertemperatur verbunden ist. Der Übergang
von Wärme von einem Körper zu einem anderen ist also dann reversibel, wenn es
nur einer beliebig kleinen Temperaturänderung bedarf, um die Wärme sowohl in der
einen wie in der anderen Richtung zu befördern.
Reversible Prozesse sind nur idealisierte Grenzfälle. Erfahrungsgemäß kommen
sie in der Natur nicht vor. In Wirklichkeit hat man es stets mit Vorgängen zu tun, die
man als nichtumkehrbar oder irreversibel bezeichnet.
Die Reibung der Mechanik ist ein solcher nichtumkehrbarer Vorgang. Denn
wenn bei den vorhin betrachteten umkehrbaren Vorgängen die Bewegung des Kol-
bens oder der Mechanismen nicht reibungslos stattfindet, so bedarf es eines endli-
chen Übergewichtes, das mindestens gleich dem Betrag der Reibungskraft ist, um
den Vorgang in diesem oder jenem Sinne ablaufen zu lassen. Da bei den Vorgängen
der Mechanik Reibung auftritt, sind sie also genaugenommen nicht vollständig um-
kehrbar.
Ebenso ist die rasche Verdichtung oder Entspannung eines Gases in einem Zy-
linder nicht umkehrbar. Es bilden sich in dem Gas Wirbel, die ihre Drehrichtung
nicht umkehren, wenn man die Kolbenbewegung umkehrt.
Findet die in Abb. 8.1 dargestellte Bewegung in einem zähen Fluid statt, so übt
dieses einen Widerstand aus, der, wie man aus der Strömungslehre weiß, proportio-
nal dem Quadrat der jeweiligen Geschwindigkeit ist. Auf die Masse wirkt daher eine
Kraft, welche die Bewegung in jedem Punkt der Flugbahn verzögert. Kehrt man die
Flugrichtung in irgendeinem Punkt um, so müsste man, um die gleiche Flugbahn
wie zuvor zu durchlaufen, die Masse in jedem Punkt beschleunigen. In Wirklichkeit
wird aber durch das zähe Fluid erneut eine Verzögerung ausgeübt.
Formal kann man reversible und irreversible Prozesse an der Differentialglei-
chung unterscheiden, welche den Bewegungsvorgang beschreibt. Da die Bewegung
bei reversiblen Vorgängen in umgekehrter Richtung abläuft, wenn man die Zeit um-
kehrt, muss auch die Differentialgleichung erhalten bleiben, wenn man in ihr das
Zeitdifferential dτ durch −dτ ersetzt. Reversible Vorgänge enthalten also in den
Differentialgleichungen gerade, irreversible Vorgänge ungerade Potenzen der Zeit,
sodass sich die Form der Differentialgleichung ändert, wenn man dτ durch −dτ
ersetzt. Als Beispiel für einen reversiblen Vorgang sei die Differentialgleichung für
den senkrechten freien Fall im luftleeren Raum genannt
d2 z
= g,
dτ 2
138 8. Das Prinzip der Irreversibilität und die Zustandsgröße Entropie
in der man dτ durch −dτ vertauschen darf, ohne dass sich die Gleichung ändert.
Hingegen beschreibt die Gleichung für den freien Fall unter Berücksichtigung des
Luftwiderstandes
2
d2 z dz
= g + a
dτ 2 dτ
mit a > 0, wenn dz/dτ < 0, und a < 0, wenn dz/dτ > 0, einen irreversiblen
Vorgang.
Die Erfahrung zeigt weiter, dass Wärme wohl ohne unser Zutun von einem
Körper höherer Temperatur auf einen solchen niederer Temperatur übergeht, aber
niemals tritt der umgekehrte Vorgang ein, d.h., Temperaturunterschiede gleichen
sich wohl aus, aber sie entstehen nicht von selbst.
Die Worte ”von selbst” sind dabei wesentlich, sie sollen bedeuten, dass der ge-
nannte Vorgang sich nicht vollziehen kann, ohne dass in der Umgebung sonst noch
Veränderungen eintreten. Dann ist aber der erfahrungsgemäß von selbst, d.h. ohne
irgendwelche Veränderungen in der Umgebung, ablaufende Übergang von Wärme
von einem Körper höherer Temperatur auf einen solchen niederer auf keine Weise
vollständig rückgängig zu machen, wobei wir unter vollständig rückgängig machen
verstehen, dass alle beteiligten Körper und alle zu Hilfe genommenen Gewichte und
Apparate nachher wieder in derselben Lage und in demselben Zustand sind wie zu
Anfang.
Ein Vorgang, der sich in diesem Sinne vollständig wieder rückgängig machen
lässt, ist umkehrbar oder reversibel. Ein Vorgang, bei dem das nicht der Fall ist,
ist nichtumkehrbar oder irreversibel. Damit haben wir eine zweite Definition die-
ses thermodynamischen Begriffes, die gleichbedeutend ist mit der oben gegebe-
nen Erklärung eines umkehrbaren Vorganges als einer Folge von Gleichgewichts-
zuständen, die durch Herabsinken eines beliebig kleinen Übergewichts, also einer
im Grenzfall verschwindend kleinen Veränderung der Umgebung, in der einen oder
anderen Richtung zum Ablauf gebracht werden können.
Alle Naturvorgänge sind mehr oder weniger irreversibel. Die Bewegung der
Himmelskörper kommt der reversiblen am nächsten, Bewegungen in der irdischen
Atmosphäre werden aber stets durch Widerstände gekennzeichnet (Reibung, Visko-
sität, elektrische, magnetische u.a. Widerstände), die bei Umkehr der Bewegungs-
richtung weiterhin die Bewegung verzögern und nicht beschleunigen, was gesche-
hen müsste, wenn die Bewegung reversibel sein sollte.
Bei vielen Strömungsvorgängen kommen Nichtumkehrbarkeiten dadurch zu-
stande, dass an Hindernissen Wirbel auftreten, die Energie verzehren und sie nicht
wieder freigeben, wenn man die Strömungsrichtung umkehrt. Eine andere häufige
Ursache von Nichtumkehrbarkeiten ist die mehr oder weniger starke Umwand-
lung einer makroskopischen geordneten Bewegung, zum Beispiel eines strömenden
Fluids, in die statistisch ungeordnete Schwankungsbewegung einzelner Moleküle
oder Molekülgruppen.
Auch beim freien Fall wird ein Teil der kinetischen Energie des fallenden
Körpers an die umgebende Luft übertragen und dient zur Erhöhung der kinetischen
8.1 Das Prinzip der Irreversibilität 139
Energie der Luftmoleküle. Da diese sich völlig ungeordnet nach den Gesetzen der
Statistik bewegen, kann bei einer Bewegungsumkehr des Körpers die kinetische
Energie der Luftmoleküle nicht wieder in Hubarbeit umgewandelt werden.
Alle diese Beispiele zeigen, dass bei den in Natur und Technik vorkommenden
Prozessen das Gesetz von der Erhaltung der Energie zwar nicht verletzt wird, dass
aber stets Energie dissipiert, d.h. in eine andere Energie umgewandelt wird und da-
her die in Arbeit umwandelbare Energie abnimmt. Es gilt daher der Erfahrungssatz:
Alle natürlichen und technischen Prozesse sind irreversibel.
Oder:
Bei allen natürlichen und technischen Prozessen nimmt die in Arbeit um-
wandelbare Energie ab.
Neben diesen allgemeinen Aussagen kann man auch spezielle Prozesse konstruieren
und feststellen, ob diese irreversibel sind oder nicht. So gilt nach M. Planck1 für
reibungsbehaftete Prozesse:
Alle Prozesse, bei denen Reibung auftritt, sind irreversibel.
Nach R. Clausius2 gilt für alle Prozesse der Wärmeübertragung:
Wärme kann nie von selbst von einem Körper niederer auf einen Körper
höherer Temperatur übergehen.
“Von selbst” bedeutet hierbei, dass man den genannten Vorgang nicht ausführen
kann, ohne dass Änderungen in der Umgebung zurückbleiben. Andernfalls kann
man durchaus Wärme von einem Körper tiefer auf einen Körper höherer Tempera-
tur übertragen. Dies geschieht zum Beispiel bei allen Prozessen der Kälteerzeugung,
da dort einem Kühlgut Wärme entzogen und bei höherer Temperatur wieder an
einen anderen Körper abgegeben wird. Dazu ist jedoch eine Arbeitsleistung er-
forderlich, sodass nach Abschluss des Prozesses Veränderungen in der Umgebung
zurückgeblieben sind, da Energie aufzuwenden war.
Diese Sätze stellen bereits einander äquivalente Formulierungen des zweiten
Hauptsatzes der Thermodynamik dar. Reversible Prozesse sind nur Grenzfälle der
wirklich vorkommenden Prozesse und lassen sich in den meisten Fällen höchstens
angenähert verwirklichen. Da bei ihnen keine Energie dissipiert wird, stellen sie
Idealprozesse dar, mit denen man die wirklichen Prozesse vergleichen und hinsicht-
lich ihrer Güte beurteilen kann. Es wird das Ziel unserer weiteren Betrachtungen
sein, diese bisherigen qualitativen Aussagen über den zweiten Hauptsatz durch eine
quantitative, das heißt mathematische Formulierung zu ersetzen.
1
Planck, M.: Über die Begründung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik. Sitz.-Ber.
Akad. 1926, Phys. Math. Klasse, S. 453–463. Max Planck (1858–1947) war von 1885
an Professor für Theoretische Physik in Kiel und von 1889–1926 in Berlin. Aus seiner
Feder stammen viele Beiträge zur Thermodynamik. 1918 erhielt er den Nobelpreis für die
Begründung der Quantentheorie.
2
Clausius, R.: Über eine veränderte Form des zweiten Hauptsatzes der mech.
Wärmetheorie. Pogg. Ann. 93 (1854) S. 481. Rudolf Julius Emanuel Clausius (1822–
1888) war Professor für Theoretische Physik in Zürich, Würzburg und Bonn.
140 8. Das Prinzip der Irreversibilität und die Zustandsgröße Entropie
8.2
Entropie und absolute Temperatur
n
dL = Fk dXk + dLdiss .
k=1
Die dissipierte Arbeit fließt, wie in Abb. 8.4 dargestellt, in einen bisher nicht identi-
fizierten Speicher.
Stellt man sich nun zunächst die Frage, über welche Koordinate oder welchen Kanal
Wärme in das System fließt, so könnte man vermuten, dass es sich hierbei um die
Koordinate T , also die Temperatur handelt.
Diese Annahme ist allerdings aus zweierlei Gründen nicht zutreffend. Wäre
sie nämlich richtig, so könnte erstens in ein geschlossenes System, dessen Tem-
8.2 Entropie und absolute Temperatur 141
peratur konstant ist, keine Wärme einfließen, da die Koordinate T des Systems
nicht verändert wird. Alle Zustandsänderungen, bei denen die Temperatur kon-
stant ist, müssten demnach adiabat verlaufen, und umgekehrt dürfte sich bei adia-
baten Zustandsänderungen geschlossener Systeme die Temperatur eines Systems
nicht ändern. Dass dies nicht richtig ist, zeigt schon das Beispiel der adiabaten Zu-
standsänderung eines idealen Gases, bei der die verrichtete Arbeit eine Änderung
der inneren Energie U hervorruft und eine Temperaturänderung bewirkt. Ein an-
deres Beispiel ist das Verdampfen von Flüssigkeiten unter konstantem Druck. Bei
diesem Vorgang bleibt die Temperatur des Systems konstant; trotzdem muss man
Wärme zuführen.
Die genannten Beispiele zeigen, dass Wärme in ein System fließen kann, ohne dass
die Koordinate T betätigt wird. Da man andererseits einem System auch bei kon-
stantem Druck oder bei konstantem Volumen Wärme zuführen kann, sind bei ein-
fachen Systemen die bisher bekannten Koordinaten p, V , T ungeeignet, den Aus-
tausch von Wärme zwischen einem System und seiner Umgebung zu beschreiben.
Zweitens ist die Temperatur T eine intensive Variable und scheidet somit als Aus-
tauschvariable aus. Obwohl wir hier der Anschaulichkeit wegen nur einfache Syste-
me betrachten, kann man sich ebenso an weiteren Beispielen klarmachen, dass auch
die anderen aus der Mechanik und Elektrodynamik bekannten Koordinaten (Ortsko-
ordinaten, Geschwindigkeiten, elektrische und magnetische Feldstärken) nicht als
Austauschgrößen (Kanäle) für den Wärmefluss zwischen einem System und sei-
ner Umgebung in Frage kommen. Auf eine mathematisch strenge Begründung soll
hier im Einzelnen nicht eingegangen werden. Entscheidend ist, dass offenbar keine
der bisher bekannten Koordinaten geeignet ist, den Vorgang des Wärmeaustausches
zwischen einem System und seiner Umgebung zu beschreiben.
Es muss daher als Austauschvariable für den Wärmefluss zwischen einem System
und seiner Umgebung noch eine weitere uns bisher noch nicht bekannte Koordinate
142 8. Das Prinzip der Irreversibilität und die Zustandsgröße Entropie
existieren.
Für diese neue Koordinate wählt man das Zeichen S und nennt sie die Entropie.
In unserer obigen anschaulichen Ausdrucksweise ist die Entropie also ein Kanal,
durch den Wärme zwischen dem System und seiner Umgebung fließt, ebenso wie
das Volumen ein Kanal ist, durch den Arbeit zwischen der Umgebung und dem Sys-
tem ausgetauscht wird.
Die in das System einfließende Wärme wird als innere Energie in der Koordinate
Entropie S gespeichert. Damit ist die in Abb. 8.4 dargestellte unbekannte, mit dem
Zu- und Abstrom von Wärme verbundene Austauschvariable identifiziert.
Offen bleibt aber die Frage, welcher Systemkoordinate der im System dissipierte
Teil der Arbeit zufließt. Zur Beantwortung dieser Frage hilft folgendes Gedanken-
experiment: Wir betrachten ein geschlossenes System, in dem sich ein Rührwerk
befindet. Die an der Rührerwelle während eines Rührvorgangs geleistete Arbeit L12
wird vollständig dissipiert,
L12 = Ldiss,12 .
Führt man nun in einem zweiten Experiment ausgehend vom gleichen Anfangszu-
stand 1 des Systems die betragsmäßig gleiche Wärmemenge Q12 = L12 zu, so
stellt man fest, dass sich in beiden Fällen der identische Endzustand 2 (T2 , p2 , V2
etc.) einstellt. Hieraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die im System dissi-
pierte Arbeit dem Entropiespeicher“, d.h. der Systemkoordinate Entropie zufließt
”
und diese vergrößert.
Natürlich ist mit den vorstehenden Erklärungen noch nicht die Existenz der Aus-
tauschgröße Entropie in aller Strenge nachgewiesen. Dies wird in dem folgenden
Kapitel nachgeholt werden. Wir wollen uns jedoch vorerst mit dieser einfachen Er-
klärung begnügen, weil sie anschaulich und daher gut geeignet ist, sich mit dem
Begriff der Entropie vertraut zu machen.
Wir wollen uns nun zunächst überlegen, welche Folgerungen sich aus der
Einführung der neuen Koordinate ergeben. Nach den obigen Überlegungen ist die
innere Energie eines Systems, das mit seiner Umgebung Wärme und Arbeit aus-
tauschen kann, nicht nur eine Funktion der Arbeitskoordinaten Xi (i = 1, 2, . . . , n),
also beispielsweise des Volumens V , sondern auch der Entropie S:
U = U (S, X1 , X2 , . . . , Xn ) .
Im Fall des einfachen Systems fließt Arbeit nur über die Koordinate V in das Sys-
tem, und es ist
U = U (S, V ). (8.1)
Der neuen Koordinate S können wir zwei wichtige Eigenschaften zuschreiben: Da
die Wärme, die ein System unter sonst gleichen Bedingungen aufnehmen kann, pro-
portional seiner Masse ist, muss auch die Entropie als die zur Wärme gehörende
Austauschgröße proportional der Masse des Systems sein. Die Entropie ist so-
mit eine extensive Größe. Die von uns betrachteten Systeme sollen außerdem kein
Gedächtnis besitzen, ihr jeweiliger Zustand ist somit unabhängig von der Vorge-
schichte und daher auch unabhängig von dem Weg, auf dem das System in den
8.2 Entropie und absolute Temperatur 143
betreffenden Zustand gelangte. Die Entropie ist also eine Zustandsgröße, und zwar
eine extensive Zustandsgröße.
Wärme können wir nunmehr als diejenige Energie charakterisieren, die über
die Systemgrenze befördert wird, wenn das System Entropie mit der Umgebung
austauscht. Das Ergebnis dieses Austauschprozesses ist eine Änderung der inneren
Energie. Steht also das System während einer kurzen Zeit dτ in Kontakt mit der
Umgebung und wird hierbei nur Wärme über die Systemgrenze befördert, so fin-
det ein Austauschprozess statt, bei dem die Austauschkoordinate Entropie um ein
dS verschoben wird, wodurch im System eine Energieänderung dU eintritt. Wir
verknüpfen nun die Energieänderung dU mit der Entropieänderung dS durch den
Ansatz
dU = T dS. (8.2)
Diese Gleichung gilt unter der Annahme, dass das System nur Wärme mit der Um-
gebung austauscht. In ihr darf der Faktor T noch eine Funktion aller Koordinaten
T (S, X1 , . . . , Xn ), d.h. im Fall des einfachen Systems T = T (S, V ) sein. Die
Größe T ist eine intensive Variable, da die Energieänderung dU und die Entro-
pieänderung dS in einem geschlossenen System als extensive Größen proportional
der Masse des Systems sind und der Quotient dU/dS = T somit nicht von der
Masse des Systems abhängt.
Man nennt die intensive Größe T die thermodynamische Temperatur. Sie ist
durch Gl. (8.2) definiert.
Die thermodynamische Temperatur ist eine Eigenschaft der Materie und gibt
an, wie heiß“ ein Körper ist. Instrumente, mit denen man diese Eigenschaft misst,
”
nennt man bekanntlich Thermometer.
Nachdem wir nun eine thermodynamische Temperatur eingeführt haben, ist
noch zu klären, wie man diese messen kann. Es ist naheliegend, hierfür eines der uns
schon bekannten Thermometer zu benutzen. Dabei ergeben sich jedoch Schwierig-
keiten, da man diesen Thermometern durch die Festlegung verschiedener Fixpunkte
völlig willkürlich empirische Temperaturen ϑ3 zugeordnet hat, die natürlich nicht
mit der zu messenden thermodynamischen Temperatur T übereinzustimmen brau-
chen. Vielmehr sind unendlich viele empirische Temperaturen ϑ1 , ϑ2 , . . . denkbar,
während es nach Gl. (8.2) nur eine einzige thermodynamische Temperatur gibt. Die
Messungen der thermodynamischen Temperatur mit Hilfe eines der uns bekannten
Thermometer ist daher nur dann möglich, wenn man jeder gemessenen Temperatur
ϑ in eindeutiger Weise eine thermodynamische Temperatur T zuordnen kann. Die
Aufgabe, die thermodynamische Temperatur mit Hilfe eines der bekannten Ther-
mometer zu messen, kann somit gelöst werden, wenn man einen Zusammenhang
T = T (ϑ)
herstellen kann. Da man nun aber eine beliebige empirische Temperatur ϑ stets
über das thermische Gleichgewicht mit beliebigen anderen empirischen Tempera-
turen ϑ1 , ϑ2 , ϑ3 , . . . vergleichen kann, ist es stets möglich, einen Zusammenhang
3
Für die empirische Temperatur wird in diesem Kapitel zur Unterscheidung der thermody-
namischen vorübergehend das Zeichen ϑ verwendet.
144 8. Das Prinzip der Irreversibilität und die Zustandsgröße Entropie
8.3
Die Entropie als vollständiges Differential und die
absolute Temperatur als integrierender Nenner4
Wir wollen nun die Existenz der Zustandsgröße Entropie, die bisher nur über die Anschauung
eingeführt worden war, mit Hilfe der Mathematik begründen.
In der Mathematik bezeichnet man bekanntlich einen Differentialausdruck von zwei
oder mehr unabhängigen Veränderlichen, dessen Integral vom Weg unabhängig ist, als
vollständiges Differential. Wir schreiben den 1. Hauptsatz für ein System, das nur Volumen-
arbeit leisten kann, in der Form
2 2
Q12 + Ldiss,12 = U2 − U1 + p dV = (dU + p dV ) .
1 1
Da die linke Seite dieser Gleichung vom Weg abhängig ist, ist es auch die rechte. Der Aus-
druck
dU + p dV
ist daher kein vollständiges Differential. In der Mathematik wird jedoch gezeigt, dass man
jedes unvollständige Differential wie dU +p dV zu einem vollständigen machen kann, indem
man es durch einen integrierenden Nenner dividiert.
8.3.1
Mathematische Grundlagen zum integrierenden Nenner
Wir wollen die Methode des integrierenden Nenners zunächst am Beispiel einer Funktion
zweier Veränderlicher
z = f (x, y)
behandeln. Diese lässt sich geometrisch als Fläche deuten. Ihr Differential lautet
∂f (x,y) ∂f (x,y)
dz = dx + dy = fx (x, y) dx + fy (x, y) dy .
∂x ∂y
Dabei sind die partiellen Differentialquotienten ∂f (x, y)/∂x = fx (x, y)
und ∂f (x,y)/∂y = fy (x, y) wieder Funktionen von x und y.
Gilt zwischen ihnen die Gleichung
∂fx (x,y) ∂fy (x,y)
= , (8.4)
∂y ∂x
die man erhält, wenn man die partiellen Differentialquotienten ∂f (x, y)/∂x und
∂f (x, y)/∂y das zweite Mal nach der zuerst konstant gehaltenen Veränderlichen differen-
ziert, so nennt man das Differential dz ein vollständiges. Die Beziehung (8.4) heißt Integra-
bilitätsbedingung.
Zur Veranschaulichung betrachten wir die Fläche z = f (x, y) wieder als topographi-
sche Darstellung z.B. eines Berggeländes mit x als Ost- und y als Nordrichtung. Dann ist
∂f (x, y)/∂x die Steigung an einer Stelle x, y, wenn man in östlicher Richtung fortschrei-
tet, ∂f (x, y)/∂y die Steigung in nördlicher Richtung. Die Ausdrücke ∂f (x,y)/∂x und
4
Die Abschnitte 8.3 bis 8.4 stellen etwas höhere Ansprüche und können beim ersten Stu-
dium zunächst überschlagen und später nachgeholt werden, falls der Leser auf zu große
Schwierigkeiten stößt.
8.3 Die Entropie als vollständiges Differential 147
∂f (x,y)/∂y sind die Höhenunterschiede, wenn man um dx bzw. dy fortschreitet, und das
vollständige Differential
∂f (x, y) ∂f (x, y)
dz = dx + dy .
∂x ∂y
ist der im Ganzen überwundene Höhenunterschied, wenn man zugleich oder nacheinander
um dx nach Osten und um dy nach Norden geht. Legt man einen beliebigen Weg zwischen
den Punkten x1 , y1 und x2 , y2 zurück und integriert über alle dz, so leuchtet sofort ein, dass
der Höhenunterschied
x2 ,y2
wenn die Funktionen X(x, y) und Y (x, y) gewissen Stetigkeitsbedingungen genügen. Diese
Kurvenschar kann als topographische Darstellung der Fläche
ϕ (x, y) = z
angesehen werden, wobei jeder Kurve ein bestimmter Wert c von z zugeordnet ist. Das Dif-
ferential dieser Fläche ist natürlich ein vollständiges und lautet
∂ϕ ∂ϕ
dϕ = dz = dx + dy.
∂x ∂y
Für jede Kurve z = const dieser Fläche gilt
∂ϕ ∂ϕ dy ∂ϕ/∂x
dx + dy = 0 oder =− .
∂x ∂y dx ∂ϕ/∂y
Andererseits ist nach Gl. (8.7a)
dy X (x, y)
=− .
dx Y (x, y)
Diese beiden Gleichungen sind nur dann miteinander verträglich, wenn sich ∂ϕ/∂x und
∂ϕ/∂y von X (x, y) und Y (x, y) nur um denselben Nenner N (x, y) unterscheiden, also
wenn
∂ϕ X (x, y) ∂ϕ Y (x, y)
= und =
∂x N (x, y) ∂y N (x, y)
ist. Bei Division durch N (x, y) wird also aus dem unvollständigen Differential dZ das
vollständige dϕ der Gl. (8.6).
Der integrierende Nenner ist keine eindeutig bestimmte Funktion, sondern kann sehr
viele verschiedene Formen haben. Ist nämlich ein integrierender Nenner N (x, y) gefunden,
derart, dass
X (x, y) Y (x, y)
dϕ = dx + dy
N (x, y) N (x, y)
8.3 Die Entropie als vollständiges Differential 149
ein vollständiges Differential ist, und wird mit F (ϕ) eine willkürliche Funktion von ϕ ein-
geführt, so sieht man sofort, dass auch
dz = r 2 dα.
Betrachtet man in dieser Gleichung dz und dα als Veränderliche, so wird ihr z.B. durch ein
kleines Flächenelement genügt, das aus der Ebene z = 0 an der Stelle r durch Drehung um
den Radiusvektor so weit herausgedreht ist, dass seine Neigung gegen diese Ebene die Größe
dz/(rdα) = r hat. Mit wachsendem r wächst also die Neigung des Flächenelementes pro-
portional an. Alle Flächenelemente für die Punkte der Ebene z = 0 erhält man, indem man
den Radiusvektor mit den an ihm befestigt gedachten Flächenelementen um die z-Achse
dreht. Abbildung 8.6 deutet die Lage dieser Flächenelemente für sieben solcher Radienvek-
toren an.
Abbildung 8.6. Lage der durch das unvollständige Differential (8.9) definierten
Flächenelemente
150 8. Das Prinzip der Irreversibilität und die Zustandsgröße Entropie
x
ϕ=− + const.
y
Das ist wieder eine Schar von Flächen, die durch Parallelverschieben längs der ϕ-Achse
auseinander hervorgehen. In dieser Weise lassen sich durch Wahl anderer Funktionen F (ϕ)
beliebig viele weitere integrierende Nenner angeben.
8.3.2
Einführung des Entropiebegriffes und der absoluten Temperaturskala
mit Hilfe des integrierenden Nenners
Wir wollen jetzt die vorigen Erkenntnisse über integrierende Nenner nach einem von M.
Planck angegebenen Weg auf das unvollständige Differential
dU + p dV (8.10)
anwenden.
Mit U = U (V, ϑ), wo ϑ eine empirische Temperatur ist, kann man für das Differential
der inneren Energie schreiben
∂U ∂U
dU = dV + dϑ .
∂V ϑ ∂ϑ V
Wie sich rein mathematisch ergab, muss aber immer ein integrierender Nenner N (ϑ, V )
existieren, der aus dem unvollständigen Differential das vollständige
dU + p dV
dS = (8.11)
N (V, ϑ)
macht. Dann ist S (V, ϑ) eine Zustandseigenschaft des betrachteten Körpers, die für einen
bestimmten integrierenden Nenner durch Angabe zweier Zustandsgrößen, z.B. von V und
ϑ, bis auf eine Integrationskonstante bestimmt ist. Wie wir gesehen haben, gibt es aber vie-
le integrierende Nenner; denn jeder Ausdruck der Form N (ϑ, V ) · f (S), wobei f (S) eine
willkürliche Funktion von S bedeutet, ist ein solcher. Die Größe S, die wir Entropie nen-
nen, ist daher erst dann eindeutig bestimmt, wenn wir diese willkürliche Funktion festgelegt
haben. Wir lassen diese Unbestimmtheit, die durchaus von gleicher Art ist wie die der em-
pirischen Temperaturskala, vorläufig bestehen und rechnen zunächst mit einem willkürlich
herausgegriffenen integrierenden Nenner, von dem wir nur fordern, dass
N >0
ist.
Aus Gl. (8.11) folgt dann, dass die Kurven S = const für reversible Zustandsänderungen
(dLdiss = 0) gemäß dem 1. Hauptsatz
dQ = dU + p dV = 0
Adiabaten sind. Jeder Adiabaten kann man bei reversibler Zustandsänderung einen bestimm-
ten Wert von S zuordnen, wenn für eine Adiabate das zugeordnete S vereinbart wird.
Wir betrachten nun das Verhalten zweier Systeme, deren Zustand wir durch die un-
abhängigen Veränderlichen V1 , ϑ1 und V2 , ϑ2 kennzeichnen, wobei unter ϑ die mit einer
beliebigen empirischen Skala gemessene Temperatur verstanden ist. Beide Systeme sollen
152 8. Das Prinzip der Irreversibilität und die Zustandsgröße Entropie
umkehrbare Zustandsänderungen ausführen können, wobei wir uns die mechanische Arbeit
durch Heben und Senken von Gewichten aufgespeichert denken. Ebenso wie früher können
dabei z.B., wie in der Abb. 8.7 angedeutet, die Gewichte an Fäden hängen, die auf geeigneten,
jederzeit abänderbaren Kurven abrollen, derart, dass stets Gleichgewicht besteht.
Sind beide Systeme sowohl voneinander wie von der Umgebung adiabat abgeschlossen,
so kann der Zustand jedes von ihnen sich nur längs einer Adiabaten ändern, wobei die Größen
S1 und S2 bestimmte feste Werte behalten, wenn wir für jedes System bestimmte integrie-
rende Nenner N1 (ϑ1 , V1 ) und N2 (ϑ2 ,V2 ) gewählt haben.
Änderungen von S1 und S2 sind aber in umkehrbarer Weise folgendermaßen möglich:
Wir bringen beide Systeme durch adiabate Zustandsänderungen zunächst auf eine gemein-
same Temperatur ϑ, stellen dann zwischen ihnen eine wärmeleitende Verbindung her und
lassen die Wärme dQ umkehrbar zwischen ihnen austauschen. Dann nimmt das eine System
gerade die Wärme auf, die das andere abgibt, und es ist
dU1 + p1 dV1 + dU2 + p2 dV2 = 0, (8.12)
wobei U1 und U2 bzw. p1 und p2 Funktionen von V1 bzw. V2 und der gemeinsamen Tempe-
ratur ϑ sind. Dafür kann man nach Gl. (8.11) schreiben
N1 dS1 + N2 dS2 = 0. (8.12a)
Durch die Gl. (8.12) bzw. (8.12a) wird die Änderung der drei Veränderlichen V1 , V2 und ϑ,
welche den Zustand des Systems bestimmen, einer Bedingung unterworfen, sodass nur zwei
von ihnen, z.B. V1 und ϑ, willkürlich wählbar sind. Wenn also das eine System auf einen
Zustand V1 , ϑ gebracht ist, so ist dadurch auch der Zustand des anderen eindeutig bestimmt.
Wir können aber darüber hinaus sagen: Jedesmal, wenn das erste System wieder seine ur-
sprüngliche Entropie S1 hat, und zwar gleichgültig bei welcher Temperatur, muss auch das
zweite System wieder die ursprüngliche Entropie S2 annehmen. Denn wenn das erste System
wieder die alte Entropie hat, so liegt sein Zustand wieder auf der ursprünglichen Adiabaten,
und man kann beide Systeme trennen und das erste adiabat und umkehrbar wieder auf den
Anfangszustand bringen. Da der ganze Vorgang als umkehrbar vorausgesetzt war, muss dann
auch der Zustand des zweiten Systems wieder auf der ursprünglichen Adiabaten entsprechend
der Entropie S2 liegen, sodass man auch dieses adiabat und umkehrbar auf den Anfangszu-
stand zurückführen kann. Würde der Zustand des zweiten Systems nach der Trennung nicht
wieder auf derselben Adiabaten liegen, so könnte man dieses zunächst adiabat umkehrbar auf
seine Anfangstemperatur zurückführen, sodass es von da aus auf einer Isothermen umkehrbar
ganz auf den Anfangszustand zurückgebracht würde. Längs dieser Isotherme muss entweder
Wärme zugeführt oder Wärme entzogen werden. Wäre eine Wärmezufuhr nötig, so müsste
8.3 Die Entropie als vollständiges Differential 153
diese Wärme, da sie nicht verschwinden kann und der Zustand beider Systeme wieder dersel-
be ist, sich vollständig in Arbeit verwandelt haben. Das ist aber nach dem zweiten Hauptsatz
unmöglich, denn bei allen natürlichen Prozessen nimmt, wie wir sahen, die in Arbeit umwan-
delbare Energie ab. Wäre ein Wärmeentzug erforderlich, so müsste diese Wärme aus Arbeit
entstanden sein, denn sie kann nicht aus der inneren Energie der beiden Systeme stammen,
da diese wieder in ihrem Anfangszustand sind. Der Vorgang wäre also nichtumkehrbar, was
unserer Voraussetzung widerspricht.
Bei der betrachteten umkehrbaren Zustandsänderung zweier Systeme gehört also zu ei-
nem bestimmten Wert der Entropie des einen ein ganz bestimmter Wert der Entropie des
anderen, und zwar unabhängig davon, bei welcher Temperatur die beiden Systeme Wärme
ausgetauscht hatten. Wenn wir in Gl. (8.12) anstelle der unabhängigen Veränderlichen V1 ,
V2 und ϑ die unabhängigen Veränderlichen S1 , S2 und ϑ einführen, so muss demnach die
Temperatur herausfallen und eine Beziehung nur zwischen S1 und S2 übrigbleiben von der
Form
F (S1 , S2 ) = 0
oder differenziert
∂F ∂F
dS1 + dS2 = 0.
∂S1 ∂S2
Damit diese Gleichung mit Gl. (8.12a), in der auch die beiden Differentiale dS1 und dS2
vorkommen, vereinbar ist, muss
dS2 N2 ∂F/∂S1
− = =
dS1 N1 ∂F/∂S2
sein, d.h., der Quotient N1 /N2 hängt nur von S1 und S2 , nicht von der Temperatur ab, da in
F die Temperatur nicht vorkommt. Nun ist aber N1 nur eine Funktion von S1 und ϑ, N2 nur
eine Funktion von S2 und ϑ. Es müssen daher N1 und N2 von der Form
N1 = f1 (S) T und N2 = f2 (S) T
sein, wobei T nur eine Funktion der Temperatur ϑ ist, wenn diese bei der Division herausfal-
len soll. Da die Funktionen f1 (S) und f2 (S) ganz willkürlich sind, also auch gleich 1 sein
können, haben wir einen für alle Körper verwendbaren integrierenden Nenner T (ϑ) gefun-
den, der nicht mehr von zwei Veränderlichen abhängt, sondern eine Funktion der Temperatur
allein ist.
Diese Temperaturfunktion T bezeichnen wir als absolute oder thermodynamische Tem-
peratur, da sie unabhängig von allen Stoffeigenschaften ist. Der in ihr noch unbestimmte
willkürliche Faktor wird wieder mit Hilfe des Tripelpunktes von Wasser festgelegt.
Die absolute Temperatur eines Körpers ist demnach definiert als diejenige Funk-
tion seiner empirisch gewonnenen Temperatur, die als integrierender Nenner des
unvollständigen Differentials dU + p dV für alle Körper, unabhängig von ihren
besonderen Eigenschaften, dienen kann.
Die Willkür in der Wahl der integrierenden Nenner beseitigen wir dadurch, dass wir die
willkürlichen Funktionen f1 (S) und f2 (S) gleich 1 setzen, sodass
N1 = N2 = T
wird. Dann lautet Gl. (8.11)
dU + p dV
dS = , (8.13)
T
und wir können die so von der Willkür des Maßstabes befreite Größe S in Übereinstimmung
mit unseren früheren Festlegungen als Entropie bezeichnen.
154 8. Das Prinzip der Irreversibilität und die Zustandsgröße Entropie
Die vorstehende Ableitung führt auf die absolute Temperaturskala und auf die Entropie
mit einem Mindestaufwand von Erfahrungstatsachen, sie setzt weder das Vorhandensein eines
idealen Gases voraus, noch macht sie von speziellen Prozessen Gebrauch. Vom logischen
Standpunkt ist sie darum den anderen Ableitungen überlegen. Für den Anfänger sind aber die
von uns vorher begangenen Wege anschaulicher.
8.4
Statistische Deutung der Entropie
8.4.1
Die thermodynamische Wahrscheinlichkeit eines Zustandes
Die innere Energie als eine ungeordnete Bewegung der Moleküle hatten wir als eine beson-
dere Form der mechanischen Energie gedeutet. Die Betrachtung der Bewegung der außeror-
dentlich kleinen, aber noch endlichen Teilchen der Materie führt die Vorgänge der Thermo-
dynamik auf die Dynamik zurück und vereinfacht unser physikalisches Weltbild erheblich.
Die Dynamik erlaubt – wenigstens grundsätzlich –, aus den gegebenen Anfangsbedingungen
aller Teilchen den ganzen Ablauf des Geschehens vorauszusagen.
Bei der Kleinheit eines Moleküls können wir aber seinen durch Lage und Geschwindig-
keit gekennzeichneten Anfangszustand niemals genau ermitteln, da jede Beobachtung einen
Eingriff in diesen Zustand bedeutet, der ihn in unberechenbarer Weise verändert. Noch viel
weniger ist es möglich, für alle die ungeheuer zahlreichen Moleküle, mit denen wir es bei
unseren Versuchen zu tun haben, die Lagen und Geschwindigkeiten, den Mikrozustand an-
zugeben. Messen können wir nur makroskopische Größen, d.h. Mittelwerte über außeror-
dentlich viele Moleküle. Wir sind aber völlig außerstande, über das Verhalten der einzelnen
Moleküle etwas Bestimmtes auszusagen. Durch den Makrozustand ist noch keineswegs der
Mikrozustand bestimmt; derselbe Makrozustand kann vielmehr durch sehr viele verschiedene
Mikrozustände verwirklicht werden.
Da nach der Dynamik der Mikrozustand den Ablauf des Geschehens bestimmt, erlaubt
die Kenntnis des Makrozustandes noch keine bestimmte Voraussage der Zukunft, sondern
je nach dem zufällig vorhandenen Mikrozustand kann Verschiedenes eintreten. Diese Un-
bestimmtheit umgehen wir dadurch, dass wir vom gleichen Makrozustand ausgehend sehr
viele Versuche derselben Art ausführen und die Ergebnisse mitteln. Solche Mittelwerte
können bei genügend großer Zahl der Versuche streng gültige Gesetze liefern, nur ist die
Gesetzmäßigkeit von statistischer Art, sie hat Wahrscheinlichkeitscharakter und sagt nichts
aus über das Schicksal des einzelnen Teilchens.
Der Mikrozustand ändert sich infolge der Bewegung der Teilchen auch bei gleichbleiben-
dem Makrozustand dauernd, wobei alle aufeinanderfolgenden Mikrozustände gleich wahr-
scheinlich sind. Da ganz allgemein die Wahrscheinlichkeit eines Resultats der Anzahl der
Fälle, die es herbeiführen können, proportional ist, liegt es nahe, die Wahrscheinlichkeit ei-
nes Makrozustandes zu definieren als die Anzahl aller Mikrozustände, die ihn verwirklichen
können.
Würfelt man z.B. mit 2 Würfeln, deren jeder die Augenzahlen 1 bis 6 hat, so ist der Wurf
2 nur auf eine Weise zu erreichen, dadurch, dass jeder Würfel 1 zeigt. Der Wurf 3 hat schon
2 Möglichkeiten, da der erste Würfel 1 oder 2 und der andere entsprechend 2 oder 1 zeigen
kann. Für den Wurf 7 gibt es die größte Zahl der Möglichkeiten, nämlich 6, da der erste
Wurf alle Zahlen 1 bis 6 und der andere entsprechend 6 bis 1 ergeben kann. Da bei jedem
Würfel jede Ziffer gleiche Wahrscheinlichkeit hat, ist der Wurf 7 (Makrozustand) auf 6mal
soviel Arten (Mikrozustände) zu erzielen wie der Wurf 2, er ist also 6mal so wahrscheinlich.
Würfelt man vielmals, so nähert sich mit steigender Gesamtzahl der Würfe das Verhältnis der
Zahl der Würfe mit 7 Augen zur Zahl der Würfe mit 2 Augen beliebig genau dem Wert 6.
8.4 Statistische Deutung der Entropie 155
Augenzahl 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Theoretische Häufigkeit 12 24 36 48 60 72 60 48 36 24 12
Wirkliche Häufigkeit 11 16 38 53 69 76 57 45 27 29 12
In Tabelle 8.1 ist das tatsächliche Ergebnis von 433 Würfen mit 2 Würfeln zusam-
men mit der statistisch zu erwartenden Häufigkeit zusammengestellt. Schon bei dieser im
Vergleich zu den Vorgängen bei Gasen sehr kleinen Zahl kommen wir dem theoretischen
Häufigkeitsverhältnis recht nahe.
Erhöht man die Zahl der Würfe, so werden die theoretischen Häufigkeitsverhältnisse
immer genauer erreicht, und man erkennt, dass die Statistik sehr wohl Gesetze ergeben kann,
die an Bestimmtheit denen der Dynamik nicht nachstehen.
In der Mathematik bezeichnet man als Wahrscheinlichkeit das Verhältnis der Zahl der
günstigsten Fälle zur Zahl der überhaupt möglichen. Die mathematische Wahrscheinlichkeit
ist daher stets ein echter Bruch. In der Thermodynamik ist es üblich, unter der Wahrschein-
lichkeit eines Makrozustandes die Anzahl der Mikrozustände zu verstehen, die ihn darstellen
können. Die thermodynamische Wahrscheinlichkeit ist also eine sehr große ganze Zahl, da
wir es immer mit ungeheuer vielen Möglichkeiten zu tun haben.
Als einfachstes Beispiel betrachten wir einen aus 2 Hälften von je 1 cm3 bestehenden
Raum, in dem sich N = 10 Gasmoleküle befinden, und untersuchen die Wahrscheinlichkeit
der verschiedenen Möglichkeiten der Verteilung der Moleküle auf beide Hälften. Wir den-
ken uns die Moleküle zur Unterscheidung mit den Nummern 1 bis 10 versehen. Nach den
Regeln der Kombinationslehre lassen sie sich in N ! = 3628800 verschiedenen Reihenfol-
gen anordnen. Denkt man sich von allen diesen Anordnungen die ersten N1 Moleküle in der
linken, die übrigen N2 = N − N1 in der rechten Hälfte des Raumes, so ergeben alle An-
ordnungen, welche sich nur dadurch unterscheiden, dass in jeder Raumhälfte dieselben N1
bzw. N2 Moleküle ihre Reihenfolge vertauscht haben, ohne dass Moleküle zwischen beiden
Hälften ausgewechselt wurden, keine Verschiedenheiten der Verteilung aller Moleküle auf
beide Hälften. Solche Vertauschungen der Reihenfolge innerhalb jeder Hälfte gibt es aber
N1 ! bzw. N2 !. Daraus folgt, dass sich N Moleküle in
N!
N1 !N2 !
verschiedenen Arten auf die beiden Raumhälften verteilen lassen, wenn N1 Moleküle in die
linke und N2 in die rechte Hälfte kommen.
Die Gesamtzahl aller Anordnungen von N Molekülen in beliebiger Verteilung auf die
beiden Raumhälften ist offenbar 2N = 1024, denn man kann die beiden Möglichkeiten jedes
einzelnen Moleküls mit den beiden Möglichkeiten jedes anderen Moleküls kombinieren.
In Tabelle 8.2 ist die thermodynamische Wahrscheinlichkeit W verschiedener Ver-
teilungsmöglichkeiten von 10, 100 und 1000 Molekülen und das Verhältnis W/Wm der
Häufigkeit jeder Verteilung zur Häufigkeit Wm der gleichmäßigen Verteilung angegeben.
Abbildung 8.8 stellt diese Häufigkeitsverhältnisse graphisch dar.
Man erkennt, wie mit wachsender Zahl der Moleküle die Zahl der Möglichkeiten un-
geheuer anwächst und wie erhebliche Abweichungen von der gleichmäßigen Verteilung au-
ßerordentlich rasch seltener werden. Dass sich alle Moleküle in einer Raumhälfte befinden,
kommt schon bei 100 Molekülen nur einmal unter 2100 = 1,268 · 1030 Möglichkeiten vor.
Um uns einen Begriff von der Seltenheit dieses Falles zu machen, denken wir uns die 100
Moleküle in einem Raum von 1 cm Höhe und Breite und 2 cm Länge und nehmen an, dass
ein Drittel der Moleküle sich mit der mittleren Geschwindigkeit von 500 m/s, wie sie etwa
bei Luft von Zimmertemperatur vorhanden ist, in der Längsrichtung des Raumes bewegen.
156 8. Das Prinzip der Irreversibilität und die Zustandsgröße Entropie
In der Sekunde legt dann ein Molekül die Strecke von 2 cm 25000mal zurück, und es
kommt im Mittel 25000 · 100/3 = 833 333mal vor, dass ein Molekül von einer Hälfte des
Raumes in die andere hinüberwechselt5 . Um alle 1,268 · 1030 Möglichkeiten der Verteilung
durchzuspielen, braucht man 1,268 · 1030 /833 333 Sekunden oder rund 4,824 · 1016 Jahre.
Erst etwa alle 50 Billiarden Jahre ist demnach einmal zu erwarten, dass alle Moleküle sich
in einer Raumhälfte befinden, und dann dauert dieser Zustand nur etwa 1/25 000 s. Klei-
nere Abweichungen von der mittleren Verteilung sind zwar nicht so unwahrscheinlich, aber
bei der großen Zahl von Molekülen, mit denen man es bei Versuchen zu tun hat, doch noch
von sehr geringer Wahrscheinlichkeit. Man kann die Häufigkeit ihres Auftretens berechnen,
indem man die Zahl der Mikrozustände eines von der häufigsten Verteilung abweichenden
Makrozustandes mit der Zahl aller überhaupt möglichen Mikrozustände vergleicht. Dabei
ergibt sich, dass bei 1 Million Molekülen in unserem Raum von 2 cm3 in einer Hälfte Druck-
schwankungen von 1/1000 000 häufig vorkommen, dass aber solche von 1/1000 schon au-
ßerordentlich selten sind.
Denken wir uns in unserem Beispiel alle Moleküle zunächst in der einen, etwa durch
einen Schieber abgegrenzten Raumhälfte und nehmen die Trennwand plötzlich fort, so haben
wir nichts anderes als den schon behandelten Versuch von Gay-Lussac und Joule. Zwischen
beiden Räumen findet ein Druckausgleich statt, und der Vorgang ist auf keine Weise wieder
vollständig rückgängig zu machen. Im Gegensatz zu dieser Aussage schließt die statistische
Behandlung die Wiederkehr eines unwahrscheinlichen Anfangszustandes zwar nicht völlig
aus, aber sie erweist diese bei einigermaßen großen Molekülzahlen als so ungeheuer unwahr-
scheinlich, dass wir berechtigt sind, die Wiederkehr nach menschlichem Maß als unmöglich
zu bezeichnen und von einem nichtumkehrbaren Vorgang zu sprechen.
Die Statistik deutet also den zweiten Hauptsatz als ein Wahrscheinlichkeitsprinzip, das
mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit gilt. Die Umkehr von selbst verlau-
fenden Vorgängen ist aber nicht völlig unmöglich, in sehr kleinen Räumen und bei nicht
zu großen Molekülzahlen ereignen sich vielmehr dauernd solche Vorgänge. Damit sind der
Gültigkeit des zweiten Hauptsatzes Grenzen gesetzt. Für makroskopische Vorgänge sind die-
5
Vgl. hierzu Plank, R.: Begriff der Entropie. Z. VDI 70 (1926) 841–845 und die Behand-
lung dieses Beispiels von Hausen, H.: Entropie und Wahrscheinlichkeit. Mitt. d. G.H.H.-
Konzerns 2 (1932) 51–56.
8.4 Statistische Deutung der Entropie 157
se Grenzen praktisch bedeutungslos, jedenfalls ist es völlig unmöglich, etwa die kleinen
Druckschwankungen zwischen zwei Gasräumen zum Betrieb einer Maschine zu benutzen.
Dazu müssten wir diese Schwankungen erkennen und stets im richtigen Augenblick eine
Trennwand zwischen beide Räume schieben können. Bis aber die Wirkung des Eindringens
eines Überschusses von Molekülen in dem einen Raum sich auf einem Druckmessgerät be-
merkbar macht, haben soviel neue Molekülübergänge zwischen beiden Räumen stattgefun-
den, dass die Verteilung schon wieder eine ganz andere geworden ist.
8.4.2
Entropie und thermodynamische Wahrscheinlichkeit
Nach dem Vorstehenden folgen ohne unser Zutun auf Zustände geringer thermodynamischer
Wahrscheinlichkeit höchstwahrscheinlich solche größerer Wahrscheinlichkeit. Es liegt da-
her nahe, jeden nichtumkehrbaren Vorgang als ein Übergehen zu Zuständen größerer Wahr-
scheinlichkeit zu deuten und einen universellen Zusammenhang
S = f (W ) (8.14)
zwischen der ebenfalls zunehmenden Entropie S und der thermodynamischen Wahrschein-
lichkeit W zu vermuten. Diese Beziehung hat L. Boltzmann6 gefunden in der Form S =
k ln W und sie wird streng abgeleitet mit den Hilfsmitteln der statistischen Mechanik. Man
kann sie am einfachsten verstehen, indem man untersucht, wie sich bei zwei voneinander
unabhängigen und zunächst getrennt betrachteten Gebilden 1 und 2 einerseits die Entropie,
andererseits die thermodynamische Wahrscheinlichkeit aus den Eigenschaften der Einzelge-
bilde zusammensetzen.
6
Ludwig Boltzmann (1844–1906) lehrte als Professor in Graz, München, Wien, Leipzig
und dann wieder in Wien. Durch Anwendung statistischer Methoden fand er den Zusam-
menhang zwischen Entropie und thermodynamischer Wahrscheinlichkeit, Gl. (8.17).
158 8. Das Prinzip der Irreversibilität und die Zustandsgröße Entropie
8.4.3
Die endliche Größe der thermodynamischen Wahrscheinlichkeit,
Quantentheorie, Nernstsches Wärmetheorem
Oben hatten wir die thermodynamische Wahrscheinlichkeit der Verteilung einer bestimm-
ten Anzahl von Molekülen auf zwei gleichgroße Raumhälften zahlenmäßig ausgerechnet.
In jeder Hälfte können aber wieder Ungleichmäßigkeiten der Verteilung auftreten; um den
Zustand genauer zu beschreiben, müssen wir also feiner unterteilen. Man erkennt leicht,
dass die Zahl der Möglichkeiten, N Moleküle auf n Fächer zu verteilen, sodass in jedes
N1 , N2 , N3 . . . Nn Moleküle kommen,
N!
N1 !N2 !N3 ! . . . Nn !
beträgt. Mit der Zahl der Fächer, die wir uns etwa als Würfel von der Kantenlänge ε vorstel-
len, wächst die Zahl der möglichen Mikrozustände und damit die Größe der thermodynami-
schen Wahrscheinlichkeit.
8.4 Statistische Deutung der Entropie 159
Durch die räumliche Verteilung allein ist aber der Mikrozustand eines Gases noch nicht
erschöpfend beschrieben, sondern wir müssen auch noch angeben, welche Energien und wel-
che Geschwindigkeitsrichtungen oder einfacher, welche drei Impulskomponenten jedes Mo-
lekül hat. Dabei ist Impuls bekanntlich das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit. Tragen
wir die Impulskomponenten in einem rechtwinkligen Koordinatensystem auf, so erhalten wir
den sog. Impulsraum, den wir uns in würfelförmige Zellen von der Kantenlänge δ aufgeteilt
denken können. Hat ein Molekül bestimmte Impulskomponenten, so sagen wir, es befindet
sich an einer bestimmten Stelle des Impulsraumes oder in einer bestimmten Zelle dessel-
ben. Die Verteilung der Impulskomponenten auf die Moleküle ist dann eine Aufgabe ganz
derselben Art wie die Verteilung von Molekülen auf Raumteile. Auch hier ist die Zahl der
Möglichkeiten und damit die thermodynamische Wahrscheinlichkeit um so größer, je kleiner
die Kantenlängen δ der Zellen gewählt werden.
Die thermodynamische Wahrscheinlichkeit der Verteilung von Molekülen auf den
gewöhnlichen Raum und den Impulsraum enthält also noch einen unbestimmten Faktor C,
der von den die Feinheit der Unterteilung von Raum und Impuls kennzeichnenden Größen ε
und δ abhängt und der bei beliebig feiner Unterteilung über alle Grenzen wächst. Im Grenz-
fall unendlich feiner Unterteilung bildet dann die Gesamtheit der Mikrozustände ein Konti-
nuum. Dem unbestimmten Faktor C der Wahrscheinlichkeit entspricht nach Gl. (8.17) eine
willkürliche Konstante der Entropie. Für alle Fragen, bei denen nur die Unterschiede des
Wertes der Entropie gegen einen verabredeten Anfangszustand eine Rolle spielen, ist diese
Unbestimmtheit bedeutungslos.
Max Planck erkannte im Jahre 1900, dass sich die gemessene Energieverteilung im Spek-
trum des absolut schwarzen Körpers theoretisch erklären lässt, wenn man die Unterteilung für
die Berechnung der Zahl der Mikrozustände des als kleinen Oszillator gedachten strahlenden
Körpers nicht beliebig klein wählt, sondern für das Produkt ε · δ von der Dimension eines
Impulsmomentes (Länge · Impuls) oder einer Wirkung (Energie · Zeit) eine bestimmte sehr
kleine aber doch endliche Größe, das Plancksche Wirkungsquantum h, annimmt. Dieses neue
Prinzip bildet die Grundlage der Quantentheorie. Danach ist jeder Mikrozustand vom benach-
barten um einen endlichen Betrag verschieden. Der zu einem sechsdimensionalen Raum der
Lage- und Impulskomponenten zusammengefasste Verteilungsraum der Moleküle hat nicht
beliebig kleine Zellen, sondern nur solche der Kantenlänge h. Die Gesamtheit aller Mikro-
zustände bildet also kein Kontinuum mehr, sondern eine sog. diskrete Mannigfaltigkeit, und
man kann sagen:
Ein jeder Makrozustand eines physikalischen Gebildes umfasst eine ganz bestimmte An-
zahl von Mikrozuständen, und diese Zahl stellt die thermodynamische Wahrscheinlichkeit
des Makrozustandes dar.
Damit ist nach Gl. (8.17) auch die willkürliche Konstante der Entropie beseitigt und
dieser ein bestimmter Wert zugeteilt.
Gegen unsere Überlegungen kann man einwenden, dass die Entropie sich stetig
verändert, während die thermodynamische Wahrscheinlichkeit W eine ganze Zahl ist und
sich daher nur sprunghaft ändern kann. Wenn aber W , wie das in praktischen Fällen stets
zutrifft, eine ungeheuer große Zahl ist, beeinflußt ihre Änderung um eine Einheit die Entro-
pie so verschwindend wenig, dass man mit sehr großer Annäherung von einem stetigen An-
wachsen sprechen kann. Diese Vereinfachung enthält eine grundsätzliche Beschränkung der
makroskopisch-thermodynamischen Betrachtungsweise insofern, als man sie nur auf Syste-
me mit einer sehr großen Zahl von Mikrozuständen anwenden darf. Für mäßig viele Teilchen
mit einer nicht sehr großen Zahl von Mikrozuständen verliert die Thermodynamik ihren Sinn.
Man kann nicht von der Entropie und der Temperatur eines oder weniger Moleküle sprechen.
Eine starke Abnahme der thermodynamischen Wahrscheinlichkeit tritt bei Annäherung
an den absoluten Nullpunkt ein; denn die Bewegungsenergie der Teilchen und damit die
Gesamtzahl der Energiequanten wird immer kleiner, um schließlich ganz zu verschwinden.
Zugleich ordnen sich erfahrungsgemäß die Moleküle, falls es sich um solche gleicher Art
handelt, zu dem regelmäßigen Raumgitter des festen Kristalls, in dem jedes Molekül seinen
160 8. Das Prinzip der Irreversibilität und die Zustandsgröße Entropie
bestimmten Platz hat, den es nicht mit einem anderen tauschen kann. Es gibt also nur den
einen gerade bestehenden Mikrozustand, die Entropie muss den Wert Null haben, und man
kann sagen:
Bei Annäherung an den absoluten Nullpunkt nähert sich die Entropie jedes chemisch
homogenen, kristallisierten Körpers unbegrenzt dem Wert Null.
Dieser Satz ist das sog. Nernstsche7 Wärmetheorem oder der dritte Hauptsatz der Ther-
modynamik in der Planckschen Fassung. In der Sprache der Mathematik lautet er
lim S = 0. (8.18)
T →0
8.5
Gibbssche Fundamentalgleichungen
Die Funktion U(S,V) ist gemäß Gl. (8.1) und den in Kapitel 8.2 angestellten
Überlegungen die Zustandsfunktion eines einfachen geschlossenen Systems, das mit
der Umgebung Wärme und Volumenarbeit austauschen kann. Dabei spielt es keine
Rolle, ob dieser Austausch reversibel erfolgt oder mit der Dissipation von Arbeit
verbunden ist.
Die differentielle Änderung dU der Zustandsgröße innere Energie U lässt sich
entsprechend den Regeln der Mathematik durch das vollständige Differential
∂U ∂U
dU = dS + dV (8.19)
∂S V ∂V S
beschreiben.
Gleichzeitig gilt der 1. Hauptsatz für ein einfaches geschlossenes System, das
nur die Arbeitskoordinate Volumen besitzt:
dU = −pdV + dLdiss + dQ .
Zur Bestimmung der partiellen Ableitungen in Gl. (8.19) betrachten wir zwei
Zustandsänderungen.
Zunächst soll die innere Energie durch adiabatische Zufuhr von reversibler Vo-
lumenarbeit verändert werden. Definitionsgemäß ist somit dQ = 0 und dLdiss = 0.
Da aber eine Entropieänderung im System entweder mit Wärme oder mit der Dis-
sipation von Arbeit gemäß den Betrachtungen in Kapitel 8.2 verbunden ist, gilt für
diesen Fall
dS = 0 .
Bei einer reversiblen adiabatischen Zustandsänderung bleibt somit die Entropie
konstant. Man spricht in diesem Fall auch von einer isentropen Zustandsänderung.
Durch Koeffizientenvergleich folgt somit aus dem 1. Hauptsatz und Gl. (8.19)
der allgemein gültige Zusammenhang
7
Walther Hermann Nernst (1864–1941) war Professor in Göttingen und Berlin. 1920 erhielt
er den Nobelpreis für die Formulierung des Wärmetheorems. Er ist einer der führenden
Begründer der Physikalischen Chemie.
8.5 Gibbssche Fundamentalgleichungen 161
∂U
= −p. (8.20)
∂V S
Schließlich kann man in p = p (S, V ) mit Hilfe von T = T (S, V ) noch die Entropie
eliminieren und so die thermische Zustandsgleichung
p = p (T,V )
bilden.
Die Gleichung U = U (S, V ) bietet somit die Möglichkeit, alle thermodyna-
mischen Größen des Systems zu berechnen. Sie ist den thermischen und kalori-
schen Zustandsgleichungen äquivalent. Die Funktion U (S, V ) besitzt also umfas-
sende Eigenschaften. Sie enthält alle Informationen über den Gleichgewichtszu-
stand und über diejenigen Zustände des Nichtgleichgewichts, die aufgrund quasi-
statischer Prozesswege noch durch eine Funktion U (S, V ) darstellbar sind.
Wegen ihrer umfassenden Eigenschaften nennt man die Funktion U (S, V ) Fun-
damentalgleichung oder kanonische Zustandsgleichung eines einfachen Systems.
Andere Zustandsgleichungen als U (S, V ) mit der inneren Energie als der
abhängigen Variablen besitzen nicht solche umfassenden Eigenschaften. So kann
man beispielsweise, wie wir zuvor sahen, ohne weiteres in der Fundamentalglei-
chung U (S, V ) die Entropie mit Hilfe der Temperatur T = T (S, V ) eliminieren
und eine Zustandsgleichung
∂U
U (T,V ) = U ,V
∂S V
bilden.
Durch Integration
dieser partiellen Differentialgleichung erster Ordnung
∂U
U =f ,V erhält man zwar wieder die innere Energie als Funktion der
∂S V
Entropie und des Volumens U = U (S, V ). Die integrierte Beziehung enthält jedoch
unbestimmte Funktionen und besitzt somit einen geringeren Informationsgehalt als
die ursprüngliche Funktion. Eine Gleichung der Form U (T, V ) hat also auch eine
geringere Aussagekraft als die Fundamentalgleichung U = U (S, V ).
Durch Differentiation von U (S, V ) erhält man unter Verwendung der Glei-
chungen (8.20) und (8.22) die bereits in Kapitel 8.3.2 über die Methode des inte-
grierenden Nenners hergeleitete Beziehung [vgl. Gl. (8.13)]
dU = T dS − p dV (8.23)
oder, wenn man von der Fundamentalgleichung für spezifische Größen u(s, v) aus-
geht,
du = T ds − p dv. (8.23a)
Durch diese Beziehungen werden alle Zustandsänderungen einfacher Systeme er-
fasst und beschrieben. Die Gültigkeit beider Gleichungen ist, wie wir sahen, nicht
auf Zustandsänderungen beschränkt, die durch reversible Prozesse hervorgerufen
werden. Wegen ihrer grundlegenden Bedeutung für Zustandsänderungen nennt man
die Gl. (8.23) oder (8.23a) auch Gibbssche Fundamentalgleichung. Im vorliegen-
den Fall handelt es sich um die Gibbssche Fundamentalgleichung einfacher Syste-
me. Zustandsänderungen in Mehrstoffsystemen mit veränderlicher Teilchenzahl der
8.5 Gibbssche Fundamentalgleichungen 163
einzelnen Stoffe werden durch die Gln. (8.23) bzw. (8.23a) nicht erfasst; mit ihnen
beschäftigt man sich in der Thermodynamik der Mehrstoffsysteme (Bd. 2).
In den Gln. (8.23) bzw. (8.23a) kann man die innere Energie durch die Enthalpie
ersetzen. Es ergibt sich
U = H − pV bzw. u = h − pv
und
dU = dH − p dV − V dp bzw. du = dh − p dv − v dp.
Einsetzen in die Gln. (8.23) bzw. (8.23a) ergibt dann eine diesen beiden Glei-
chungen völlig äquivalente, andere Form der Gibbsschen Fundamentalgleichung
dH = T dS + V dp (8.24)
bzw.
dh = T ds + v dp. (8.24a)
Wie man hieraus erkennt, ist die Enthalpie als Funktion H(S, p) bzw. h(s, p) dar-
stellbar. Diese Beziehungen sind die zur Enthalpie gehörenden Fundamentalglei-
chungen; sie sind ihrerseits äquivalent der Fundamentalgleichung U (S, V ). Durch
Differentiation der zur Enthalpie gehörenden Fundamentalgleichung erhält man
∂H ∂H
dH = dS + dp
∂S p ∂p S
bzw.
∂h ∂h
dh = ds + dp .
∂s p ∂p s
Aus dem Vergleich mit den Gln. (8.24) und (8.24a) folgt
∂H ∂h
= T bzw. =T (8.25)
∂S p ∂s p
und
∂H ∂h
=V bzw. =v. (8.25a)
∂p S ∂p s
dh − vdp
ds = . (8.27a)
T
Die Gleichungen (8.26) bzw. (8.26a) und (8.27) bzw. (8.27a) können als Diffe-
rentiale von Potentialfunktionen S(U, V ) bzw. s(u, v), sowie S(H, p) bzw. s(h, p)
interpretiert werden.
Aufgabe 8.1: Man beweise mit Hilfe der Gibbsschen Fundamentalgleichung Gl. (8.24)
die Maxwell-Relation (∂V /∂S)p = (∂T /∂p)S .
8.6
Zustandsgleichungen für die Entropie und
Entropiediagramme
8.6.1
Die Entropie idealer Gase und anderer Stoffe
dT dp
dS = C p −R = C p d(ln T ) − R d(ln p). (8.31b)
T p
In Kapitel 8.5 hatten wir gesehen, dass reversibel adiabate Zustandsänderungen
isentrop sind. Unter Anwendung der Gl. (8.31) bzw. (8.31a) lassen sich isentrope
Zustandsänderungen idealer Gase einfach beschreiben, indem man ds = 0 bzw. s2 =
s1 setzt. Dann folgt aus Gl. (8.31a) nach Umformen
cR
T2 p2 p
= .
T1 p1
Drückt man R/cp durch den in Kap. 7.1 eingeführten Isentropenexponenten κ =
cp /cv aus, ergibt sich für die isentrope Zustandsänderung eines idealen Gases mit
konstanter spezifischer Wärmekapazität
κ−1
T2 p2 κ
= . (8.32)
T1 p1
Dieser Zusammenhang wurde bereits in Kap. 7.1 für dissipationsfreie (= reversi-
ble) adiabate Zustandsänderungen abgeleitet. Er ist äquivalent zu der ebenfalls für
isentrope Zustandsänderungen geltenden Gleichung
p v κ = const .
Nach Einführung der Zustandsgröße Entropie ist somit offentsichtlich, dass die Be-
zeichnung Isentropenexponent für die Größe κ gerechtfertig ist.
Auch die Entropie anderer Körper ist mit Hilfe der Gibbsschen Fundamental-
gleichung
du + p dv dh − v dp
ds = oder ds =
T T
zu berechnen. Für feste und flüssige Körper kann man bei nicht zu hohen Drücken
wegen ihrer kleinen Wärmeausdehnung in der Regel die Expansionsarbeit pdv ge-
gen du vernachlässigen. Dann verschwindet der Unterschied zwischen innerer Ener-
gie u und Enthalpie h, und wir brauchen nur eine spezifische Wärmekapazität c
einzuführen
du dT
ds = =c (8.33)
T T
oder
T
dT
s= c + s0 , (8.34)
T
0
Integrationskonstante in Gl. (8.34) fällt dann fort, und man kann für feste Körper
schreiben
T
dT
s= c . (8.34a)
T
0
Für die praktische Anwendung dieser Gleichung ist zu beachten, dass die spezifi-
sche Wärmekapazität c bei festen Körpern in ihrem ganzen Verlauf bis herab zum
absoluten Nullpunkt bekannt sein muss, wenn man die absoluten Werte der Entropie
wirklich ausrechnen will.
8.6.2
Die Entropiediagramme
als die Isochoren. Für reversible Prozesse ist die Fläche unter jeder Isobaren gleich
der bei konstantem Druck zugeführten Wärme oder gleich der Enthalpieänderung,
und die spezifische Wärmekapazität cp wird dargestellt durch die Subtangente bc
der Isobare, da
cp ∂s
=
T ∂T p
ist.
Sind die spezifischen Wärmekapazitäten temperaturabhängig, so weichen Iso-
choren und Isobaren etwas von der Form logarithmischer Linien ab und müssen
nach Gl. (8.29) und (8.31) durch Integration ermittelt werden, sie gehen aber
auch dann durch Parallelverschiebung in der s-Richtung auseinander hervor. Aus
Entropietafeln kann man die Eigenschaften von Gasen veränderlicher spezifischer
Wärmekapazitäten bequem entnehmen.
Benutzt man im T,s-Diagramm für die Temperatur logarithmische Koordi-
naten, so werden die Isobaren und Isochoren des Gases konstanter spezifischer
Wärmekapazitäten gerade Linien, was das Zeichnen der Diagramme erleichtert.
Man kann dann aber die Flächen nicht mehr als Wärmen deuten.
Eine logarithmische Temperaturskala ist auch sonst vorgeschlagen worden; in
ihr hätte der absolute Nullpunkt die Temperatur −∞, was die Schwierigkeit, sich
ihm zu nähern, und die Unmöglichkeit, ihn zu erreichen oder gar zu unterschreiten,
gut veranschaulicht.
Kapitel 9:
Entropiebilanz und der zweite Hauptsatz der
Thermodynamik
9.1
Austauschprozesse und das thermodynamische
Gleichgewicht
Im Folgenden sollen die Eigenschaften der Entropie an ausgewählten typisch irre-
versiblen Prozessen untersucht und die dabei gewonnenen Erkenntnisse verallge-
meinert werden.
Als erstes Beispiel betrachten wir zwei Teilsysteme (1) und (2), die ein abge-
schlossenes Gesamtsystem bilden, Abb. 9.1, und über eine feststehende diatherme
Wand miteinander verbunden sind. Die Temperatur T (1) des Teilsystems (1) sei
größer als die Temperatur T (2) des Teilsystems (2). Wie wir aus Erfahrung wissen,
fließt Wärme von dem Teilsystem (1) in das Teilsystem (2). Bei diesem Vorgang
nimmt die innere Energie U (1) des Teilsystems (1) ab, die des Teilsystems (2) zu.
Da das Gesamtsystem abgeschlossen ist, ist seine innere Energie U = U (1) + U (2)
konstant und daher die Änderung der inneren Energien der Teilsysteme während
eines Zeitintervalls dτ
−dU (1) = dU (2) .
In jedem Zeitintervall ist die Abnahme der inneren Energie des Teilsystems (1) ge-
nau so groß wie die Zunahme der inneren Energie des Teilsystems (2).
Legt man Systemgrenzen um die Teilsysteme (1) und (2) würde aus dem
1. Hauptsatz folgen: dQ(1) = dU (1) bzw. dQ(2) = dU (2) , wobei −dQ(1) = dQ(2)
ist. Mit dieser Wärme strömt Entropie von (1) nach (2). Die Entropieänderung des
Teilsystems (1) während eines Zeitintervalls dτ ist bei konstantem Volumen gemäß
Gl. (8.26)
dU (1)
dS (1) = <0
T (1)
und die des Teilsystems (2)
dU (2)
dS (2) = >0.
T (2)
Die Entropie des Teilsystems (1) nimmt ab, da aufgrund des Wärmestroms von (1)
nach (2) die innere Energie des Systems (1) abnimmt, dU (1) < 0, die des Teil-
170 9. Entropiebilanz und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
systems (2) nimmt zu, da dessen innere Energie, aufgrund der von (1) nach (2)
strömenden Wärme, zunimmt, dU (2) > 0.
Dieses Ergebnis gilt allerdings nur dann, wenn wir fordern, dass die thermody-
namische Temperatur stets positiv ist, was wir vorausgesetzt haben.
Die Entropieänderung dS des Gesamtsystems während des Zeitintervalls dτ
setzt sich aus den Entropieänderungen der Teilsysteme zusammen, da die Entropie
eine extensive Größe ist:
dU (1) dU (2)
dS = dS (1) + dS (2) = + .
T (1) T (2)
Nun ist aber dU (1) = −dU (2) und daher
1 1 (2) T
(1)
− T (2)
dS = dU (2)
− = dU .
T (2) T (1) T (1) T (2)
Da die Änderung der inneren Energie dU (2) > 0 ist und T (1) > T (2) sein soll, ist
die rechte Seite dieser Gleichung positiv. Dann ist auch
dS > 0.
Bei dem Austauschprozess zwischen den Teilsystemen nimmt die Entropie des abge-
schlossenen Gesamtsystems zu: Es wird Entropie erzeugt. Ursache für die Entropie-
erzeugung ist der Temperaturunterschied T (1) − T (2) zwischen den beiden Syste-
men. Wie man sieht, ist die erzeugte Entropie proportional dem Temperaturunter-
schied und umgekehrt proportional dem Produkt der absoluten Temperaturen beider
Teilsysteme.
Der Austauschprozess ist dann beendet, wenn die Temperaturen beider Teilsys-
teme gleich sind, T (1) = T (2) . Dann wird auch die Entropieänderung dS = 0. Da
die Entropie bis zum Erreichen des Gleichgewichts zunahm, muss sie im Gleichge-
wicht ein Maximum erreichen.
Als weiteres Beispiel betrachten wir den Energieaustausch über eine diather-
me bewegliche Wand. Zu diesem Zweck nehmen wir an, die diatherme Wand in
Abb. 9.1 sei ein Kolben und es befinde sich im linken Teilsystem ein ideales Gas,
dessen Dichte (1) größer ist als die Dichte (2) desselben idealen Gases im rechten
Teilsystem. Außerdem soll wie zuvor T (1) > T (2) sein. Aus Erfahrung wissen wir,
dass sich die Druck- und Temperaturunterschiede auszugleichen suchen. Der Kol-
ben wird sich in eine ganz bestimmte Richtung bewegen, nämlich von dem Teilsys-
tem, in dem ein höherer Druck herrscht, zu dem Teilsystem, in dem ein niedrigerer
Druck herrscht. Außerdem wird Wärme vom Teilsystem höherer zum Teilsystem
tieferer Temperatur strömen. Der Prozess wird irreversibel sein, d.h. beide Vorgänge
9.1 Austauschprozesse und das thermodynamische Gleichgewicht 171
lassen sich nur durch Eingriffe von außen umkehren. Da das Gesamtsystem nach au-
ßen abgeschlossen ist, gilt wiederum für die innere Energie
U = U (1) + U (2) = const
und daher −dU (1) = dU (2) .
in denen elektrische und magnetische Feldkräfte an den Teilchen des Systems an-
greifen, in denen chemische Reaktionen ablaufen, in denen Reibung oder Wirbel-
bildungen auftreten: Stets laufen die Austauschvorgänge in einem abgeschlossenen
System so ab, dass die Entropie zunimmt. Sie sind irreversibel. Im Grenzfall des
Gleichgewichts erreicht die Entropie ein Maximum.
Dieser Grenzfall ist allgemein dadurch charakterisiert, dass sich die Differenzen der
intensiven Zustandsgrößen (Drücke und Temperaturen im Falle von Einstoffsys-
temen) zwischen allen Teilsystemen des Gesamtsystems ausgeglichen haben und
somit ein thermodynamisches Gleichgewicht vorliegt, wie es in Kap. 2.1 definiert
wurde.
Da nach dem 1. Hauptsatz in einem abgeschlossenen System (dL = 0, dQ = 0) die
innere Energie U konstant bleibt, lässt sich das Extremalprinzip der Entropie im
Sinne der Variationsrechnung wie folgt formulieren:
(δS)U ≤ 0 . (9.1)
Das Zeichen δ bedeutet hierbei eine virtuelle infinitesimal kleine Auslenkung aus
dem thermodynamischen Gleichgewicht (Variation), die mit den Systembedingun-
gen kompatibel sein muss, d.h. bei dieser infinitesimalen Auslenkung dürfen sich
weder die Gesamtenergie U , noch das Gesamtvolumen V oder die Gesamtmasse
des Systems ändern und die Entropie muss auch im ausgelenkten Zustand definiert
sein.1 Im Falle des in Abb. 9.1 dargestellten Systems wäre ein möglicher, die Aus-
lenkung aus dem Gleichgewicht kennzeichnender, Variationsparameter ε die Tem-
peraturdifferenz ε = T (1) − T (2) .
Gl. (9.1) ist die allgemeine Formulierung für ein thermodynamisches Gleichgewicht
in einem abgeschlossenen heterogenen System nach J.W. Gibbs2 . Aus der Transfor-
mation dieser Gleichung in andere Potentialfunktionen folgen die in Band 2 darge-
stellten allgemeinen Bedingungen für Phasengleichgewichte und chemische Gleich-
gewichte.
9.2
Entropiebilanz und allgemeine Formulierung des zweiten
Hauptsatzes
Wir hatten gesehen, dass bei Austauschvorgängen in einem abgeschlossenen Sys-
tem die Entropie nur zunehmen kann. Im Falle des Wärmeaustausches über eine
diatherme Wand nach Abb. 9.1 nahm die Entropie des linken Teilsystems weniger
ab, als die Entropie des rechten Teilsystems zunahm. Die Entropie in dem gesamten
System nahm während des Austauschprozesses zu. Diese Entropieänderung im In-
neren des abgeschlossenen Systems beruht auf Irreversibilitäten. Wir kennzeichnen
sie durch das Zeichen dSirr (Index irr = irreversibel), das für die Entropieänderung
im Innern des gesamten Systems steht. Wäre das System hingegen nicht abgeschlos-
1
vgl. hierzu A. Münster, Chemische Thermodynamik, Verlag Chemie, 1969
2
J.W. Gibbs.: On the equilibrium of heterogeneous substances. Transactions of the Connec-
ticut Academy, III, pp. 108-248, 1875
9.2 Entropiebilanz und allgemeine Formulierung des zweiten Hauptsatzes 173
sen, sondern nur geschlossen, würden wir also in Abb. 9.1 die adiabate Wand um das
Gesamtsystem entfernen, so könnte noch Energie mit der Umgebung ausgetauscht
werden. Handelt es sich hierbei um eine Wärmezufuhr, so fließt, wie wir wissen,
Wärme über die Koordinate Entropie in das System, und die Entropie im System
wird erhöht.
Schließlich können wir uns noch den Fall vorstellen, dass die Wand um das
Gesamtsystem stoffdurchlässig, das System also offen ist. Wird dann von außen
Materie zugeführt, so fließt mit dieser auch Entropie in das System, denn wir hatten
erkannt, dass die Entropie eine (extensive) Zustandsgröße ist. Sie ist eine Eigen-
schaft der Materie und wird als solche mit der Materie in das System transportiert.
Wir kennzeichnen nun die Entropien, die aufgrund von Austauschprozessen des
Systems mit seiner Umgebung über die Systemgrenze transportiert werden durch
das Zeichen dSkSG (Index SG = Systemgrenze, vgl. Kap. 5.1), bzw. deren Summe
mit dS SG .
Die gesamte Entropieänderung eines offenen oder geschlossenen Systems
während eines Zeitintervalles dτ wird durch Austauschprozesse mit der Umgebung
und durch Irreversibilitäten im Innern des Systems verursacht. Somit gilt entspre-
chend Kap. 5.1 für die Entropie die allgemeine Bilanzgleichung:
n
dS = dSkSG + dS Q = dS SG + dS Q , (9.2)
k=1
ṠM 0 , (9.4b)
Ṡ SG 0 . (9.4c)
174 9. Entropiebilanz und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Für geschlossene adiabate Systeme ist dSM = dSQ = 0 und daher dS SG bzw.
Ṡ SG = 0.
Die Entropieerzeugung kann hingegen, wie wir sahen, nie negativ sein; sie ist
positiv bei irreversiblen und gleich Null bei reversiblen Prozessen,
Ṡirr 0 . (9.5)
Die Entropie S des Systems kann je nach Größe von Entropieströmung und Entro-
pieerzeugung entsprechend Gl. (9.3) zu- oder abnehmen. Sie nimmt bei einem
irreversiblen Prozess zu, wenn aufgrund von Wärme- und/oder Materietransport
Ṡ SG > 0 oder Ṡ SG < 0 mit |Ṡ SG | < Ṡirr ist, oder wenn das System geschlos-
sen adiabat ist (Ṡ SG = 0). Sie nimmt ab, wenn Wärme- und/oder Materieabfuhr zu
|Ṡ SG | > |Ṡirr | führen. Sie wird gleich null, wenn −Ṡ SG = Ṡirr ist.
Man kann nunmehr den zweiten Hauptsatz folgendermaßen formulieren:
Es existiert eine Zustandsgröße S, die Entropie eines Systems, deren zeitliche
Änderung dS/dτ sich aus den Entropieströmungen ṠQ und ṠM sowie der Entropie-
erzeugung Ṡirr zusammensetzt. Für die Entropieerzeugung gilt
Ṡirr = 0 für reversible Prozesse,
Ṡirr > 0 für irreversible Prozesse, (9.6)
Ṡirr < 0 nicht möglich .
9.3
Der zweite Hauptsatz für geschlossene Systeme
Die Gl. (9.6) stellt die allgemeinste Formulierung des zweiten Hauptsatzes dar. Sie
gilt für geschlossene und ebenso für offene Systeme. Bevor wir jedoch den zweiten
Hauptsatz auf offene Systeme anwenden, sollen zuvor noch einige andere Formulie-
rungen des zweiten Hauptsatzes für geschlossene Systeme besprochen werden. Für
geschlossene Systeme ist in Gl. (9.3) dSM = 0 und dS SG = dSQ bzw. Ṡ SG = ṠQ .
ΔS (α) ≥ 0 . (9.6a)
(α)
Diese Formulierung findet man häufig für den zweiten Hauptsatz angegeben. Da sie
nur für geschlossene adiabate Systeme gilt, ist sie nicht so allgemein wie die vorige
Formulierung nach Gl. (9.6).
9.3 Der zweite Hauptsatz für geschlossene Systeme 175
b) Eine andere Formulierung erhält man, wenn man ein geschlossenes System
betrachtet, das mit seiner Umgebung Wärme und Arbeit austauscht. Der Prozess
sei irreversibel. Die während einer kleinen Zeit dτ zu- oder abgeführte Wärme dQ
bewirkt eine Änderung der inneren Energie um
dU = dQ = T dSQ .
Die während der gleichen Zeit verrichtete Arbeit führt zu einer Änderung der inne-
ren Energie um
dU = −p dV + dLdiss ,
wenn der Einfachheit halber nur eine Volumenarbeit verrichtet werden soll. Damit
ist die gesamte Änderung der inneren Energie
dU = dU + dU = T dSQ − p dV + dLdiss .
Die Entropieänderung des Systems beträgt hierbei nach Gl. (9.3) dS = dSQ +dSirr .
Wir denken uns jetzt den irreversiblen Prozess durch einen reversiblen ersetzt, in
dem das Volumen durch Verrichten einer reversiblen Arbeit −p dV um den gleichen
Anteil dV geändert wird wie zuvor und in dem die zugeführte Wärme dQ0 so groß
gewählt wird, dass sich die Entropie um den gleichen Anteil dS wie zuvor ändert.
Da die innere Energie U (S, V ) von der Entropie und dem Volumen abhängt, wird
durch den neuen Prozess auch die innere Energie um den gleichen Anteil geändert
wie zuvor. Für den neuen Prozess ist
dU = dQ0 − p dV.
Wie sich aus dem Vergleich mit der vorigen Beziehung für dU ergibt, ist
dQ0 = T dSQ + dLdiss .
Nun ist andererseits voraussetzungsgemäß
dQ0 = T dS = T dSQ + T dSirr
und daher die dissipierte Arbeit
dLdiss = T dSirr . (9.7)
Den Ausdruck T dSirr bezeichnet man auch als Dissipationsenergie d Ψ. Sie stimmt
bei den hier behandelten einfachen Systemen mit der dissipierten Arbeit überein, ist
aber im Allgemeinen größer als diese3 , weswegen wir für dissipierte Arbeit und
Dissipationsenergie verschiedene Zeichen wählen. Es ist also im vorliegenden Fall
dLdiss = dΨ = T dSirr . Wegen dSirr ≥ 0 ist auch dLdiss > 0. Damit haben wir
eine andere Formulierung für den zweiten Hauptsatz gefunden. Sie lautet:
Die Dissipationsenergie (und auch die dissipierte Arbeit) kann nie negativ wer-
den. Sie ist positiv für irreversible Prozesse und gleich Null für reversible Prozesse.
3
Vgl. hierzu Haase, R.: Thermodynamik irreversibler Prozesse. Darmstadt: Steinkopff
1963, S. 96.
176 9. Entropiebilanz und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
c) Addiert man auf der rechten Seite von Gl. (9.8) noch den Term T dSirr , der
bekanntlich stets größer oder gleich Null ist, so erhält man
2
dQ
dQ ≤ T dS oder ΔS ≥ . (9.9)
T
1
Das Gleichheitszeichen gilt für reversible, das Kleiner-Zeichen für irreversible Pro-
zesse. Gl. (9.9) stellt eine andere Formulierung des zweiten Hauptsatzes für ge-
schlossene Systeme dar und wird gelegentlich als Clausiussche Ungleichung be-
zeichnet. Sie hat sich, wie wir noch sehen werden, als besonders nützlich erwiesen
beim Studium von Kreisprozessen und wird daher in Lehrbüchern, die sich vorwie-
gend mit Kreisprozessen befassen, verständlicherweise an den Anfang aller Darstel-
lungen über den zweiten Hauptsatz gestellt. Sie besagt, dass in irreversiblen Prozes-
sen die Entropieänderung größer ist als das Integral über alle dQ/T . Nur bei rever-
siblen Prozessen ist die Entropieänderung gleich diesem Integral. Für adiabate Pro-
zesse ergibt sich wiederum der schon bekannte Zusammenhang ΔS 0 (dQ = 0).
Gl. (9.10a) hat Truesdell4 zum Ausgangspunkt einer Darstellung der Thermodyna-
mik irreversibler Prozesse gewählt.
9.3.1
Zusammenhang zwischen Entropie und Wärme
Addiert man in Gl. (9.8) auf beiden Seiten T dSirr , so erhält man
dQ + T dSirr = T dSQ + T dSirr
oder, wenn man auf der linken Seite für die Dissipationsenergie T dSirr = dΨ setzt
und auf der rechten Seite Gl. (9.3) beachtet,
dQ + dΨ = T dS. (9.11)
Durch Integration folgt hieraus
2
Q1 2 + Ψ1 2 = T dS. (9.11a)
1
Bei einem reversiblen Prozess tritt keine Dissipationsenergie auf, und es ist
2
(Q1 2 )rev = T dS. (9.11b)
1
oder
2
−L1 2 + Ldiss,12 = p dV. (9.12)
1
In einem p,V -Diagramm ist daher die Fläche unter der Zustandslinie 1–2 gleich
der abgeführten Arbeit −L1 2 und der dissipierten Arbeit Ldiss,12 , Abb. 9.3, und nur
bei reversiblen Prozessen ist die Fläche unter der Kurve 1–2 gleich der vom System
verrichteten Arbeit.
Aufgabe: 9.1 Ein Elektromotor mit 5 kW Leistung wird eine Stunde lang abgebremst,
wobei die gesamte Leistung als Reibungswärme Q an die Umgebung bei t = 20 ◦ C
abfließt.
Welche Entropiezunahme hat dieser Vorgang zur Folge?
9.3.2
Zustandsänderungen geschlossener adiabater Systeme
Adiabate Systeme sind definitionsgemäß solche, bei denen im Verlauf einer Zu-
standsänderung weder Wärme zu- noch abgeführt wird. In jedem beliebig kleinen
Zeitintervall dτ der Zustandsänderung ist dQ = 0.
Nach dem ersten Hauptsatz ist die verrichtete Arbeit in einem adiabaten, ge-
schlossenen System gleich der Änderung der inneren Energie
dU = dL oder U2 − U1 = L1 2 , (9.13)
und nach dem zweiten Hauptsatz ist für geschlossene adiabate Systeme
dS = dSirr 0 oder S2 − S1 0. (9.14)
Das Größer-Zeichen gilt für irreversible, das Gleichheitszeichen für reversible Pro-
zesse.
9.3.3
Isentrope Zustandsänderungen
Isentrope Zustandsänderungen sind solche, bei denen die Entropie während einer
Zustandsänderung konstant bleibt; in einem beliebig kleinen Zeitintervall dτ ist die
Entropieänderung dS = 0.
Nach der Clausiusschen Ungleichung [Gl. (9.9)] ist für isentrope Zu-
standsänderungen
dQ 0 oder Q1 2 0
und nach Gl. (9.10)
dU dL oder U2 − U1 L1 2 .
Das Kleiner-Zeichen gilt hier wieder für irreversible, das Gleichheitszeichen für
reversible Zustandsänderungen.
Eine reversible isentrope Zustandsänderung ist adiabat; die Änderung der in-
neren Energie ist gleich der geleisteten Arbeit. Umgekehrt ist, wie wir zuvor sahen,
auch eine reversible adiabate Zustandsänderung isentrop. Bei einer irreversiblen
isentropen Zustandsänderung ist die aufzuwendende Arbeit größer als die Änderung
der inneren Energie, da man noch die dissipierte Arbeit zuführen muss; gleichzeitig
muss man Wärme abführen. Nur dadurch gelingt es, eine Entropiezunahme bei der
irreversiblen Zustandsänderung zu verhindern.
Wie man durch Vergleich mit dem vorigen Ergebnis erkennt, ist eine reversi-
ble adiabate Zustandsänderung stets isentrop, hingegen ist eine irreversible adiabate
Zustandsänderung nicht isentrop, da die Entropie zunimmt.
9.4 Der zweite Hauptsatz für offene Systeme 181
9.4
Der zweite Hauptsatz für offene Systeme
Offenen Systemen wird mit der Materie Entropie zugeführt. Es ist dSM = 0 und
nach den Gln. (9.2) und (9.3) die Entropieänderung eines offenen Systems
dS = dSQ + dSM + dSirr . (9.15)
Mit Hilfe dieser Gleichung wollen wir die Entropiebilanz eines offenen Systems
aufstellen. Wir betrachten dazu zunächst ein einfaches offenes System, in das ein
Stoffstrom Ṁzu eintritt und aus dem ein Stoffstrom Ṁab austritt. In einem Zeit-
intervall dτ strömt somit die Stoffmasse dMzu in das System ein, die Stoffmasse
dMab verlässt das System. Gleichzeitig wird Wärme von außen zugeführt. Die mit
der Materie zu- und abgeführte Entropie ist
dSM = szu dMzu − sab dMab .
Entsprechend der in Kap. 5.5 festgelegten Vorzeichenkonvention werden zu- und
abgeführte Massen bzw. Massenströme stets positiv gezählt.
Mit der Wärme wird ein Entropiestrom
dSQ = dQ/T
zugeführt. Daher ist
dQ
dS = + szu dMzu − sab dMab + dSirr . (9.16)
T
Falls die Wärme bei konstanter Temperatur übertragen wird, gilt
dS 1
= Q̇ + szu Ṁzu − sab Ṁab + Ṡirr , (9.16a)
dτ T
wenn wir den Wärmestrom Q̇ = dQ/dτ und den Materiestrom Ṁzu = dMzu /dτ
sowie Ṁab = dMab /dτ schreiben. Für stationäre Fließprozesse ist dS/dτ = 0 und
Ṁzu = Ṁab = Ṁ .
Die Integrale für die Wärmeströme Q̇j in Gl. (9.17) sind längs der jeweiligen Pro-
zesswege zu berechnen, d.h. die Integrationsgrenzen sind die jeweiligen Anfangs-
und Endtemperaturen zwischen denen die Wärmeströme Q̇j übertragen werden.
182 9. Entropiebilanz und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Beispiel 9.1 In ein gut isoliertes Kalorimeter, das mit Mw = 0,8 kg Wasser von
tw = 15 ◦ C (spez. Wärmekapazität cw = 4,186 kJ/(kgK)) gefüllt ist, und dessen Gefäß
aus Silber der Masse Ms = 0,25 kg (spez. Wärmekapazität cs = 0,234 kJ((kgK)) be-
steht, werden Ma = 0,2 kg Aluminium (spez. Wärmekapazität ca = 0,894 kJ/(kgK))
von ta = 100 ◦ C geworfen.
Beispiel 9.2 In einem sogenannten Wirbelrohr wird Luft (Massenstrom ṀL ) mit dem
hohen Druck pL und der Temperatur tL auf den Druck p0 so entspannt, dass man an dem
einen Rohrende kalte Luft (ṀK , tK , p0 ), am anderen Ende warme Luft (ṀW , tW , p0 )
entnehmen kann.
Erklärung der Wirkungsweise: Die Luft strömt in der Mitte des Rohres tangential ein
und erzeugt eine Wirbelströmung. Dadurch erwärmen sich die äußeren in der Nähe der
Rohrwand strömenden Schichten, während sich die im Kern ausdehnt und abkühlt. Bei
einem Versuch wurden folgende Daten gemessen:
ṀL = 0,03kg/s; pL = 5 bar; tL = 27 ◦ C; p0 = 1bar; tK = −23 ◦ C; tW = 37 ◦ C.
Die Luft darf als ideales Gas (κ = 1,4; cp = 1,0 kJ/kgK) behandelt werden. Das
Wirbelrohr sei adiabat. Kinetische und potentielle Energie werden vernachlässigt.
a) Wie groß sind die Luftströme ṀW und ṀK ?
b) Wie groß ist der Strom der Entropieerzeugung?
zu a) die Massenbilanz lautet ṀL = ṀW + ṀK ,
die Energiebilanz ṀL hL = ṀL hW + ṀK hK oder mit ṀK = ṀL − ṀW :
ṀL hL = ṀW hW + ṀL hK − ṀW hK
Daraus folgt
hL − hK TL − TK
ṀW = ṀL = ṀL
hW − hK TW − TK
kg 27◦ C + 23◦ C kg
ṀW = 0,03 = 0,025
s 37◦ C + 23◦ C s
ṀK = ṀL − ṀW = 0,005 kg/s.
zu b) In der Entropiebilanz für offene System Gl. (9.16a) ist dS/dτ = 0, Q̇ = 0. Zu
beachten ist, dass zwei Ströme abgeführt werden. Die Entropiebilanz lautet
0 = sL ṀL − sW ṀW − sK ṀK + Ṡirr
Daraus folgt mit ṀK = ṀL − ṀW :
Ṡirr = ṀL (sK − sL ) + ṀW (sW − sK )
TK pK TW pW
= ṀL cp ln − R ln + ṀW cp ln − R ln ,
TL pL TK pK
worin pW = pK = p0 ist.
kg kJ 250,15K kJ 1 kg kJ 310,15K
Ṡirr = 1 ln − 0,2872 ln + 0,025 1 ln
s kgK 300,15K kgK 5 s kgK 250,15K
Ṡirr = 0,0442 kW/K.
184 9. Entropiebilanz und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
9.5
Entropiebilanz und Kreisprozesse
Das Grundprinzip der Kreisprozesse wurde bereits in Kap. 7.2 behandelt. Mit Hilfe
eines stationären Kreisprozesses in einer kontinuierlich arbeitenden Maschine ist es
möglich, Wärme in Arbeit umzuwandeln.
Wir wollen nun der Frage nachgehen, welcher Anteil der Wärme höchstens in Arbeit
umgewandelt werden kann. Hierzu betrachten wir eine Maschine, z.B. eine Kolben-
maschine, der Wärme aus einem Energiespeicher der Temperatur T zugeführt wird.
Damit das mögliche Maximum an Arbeit verrichtet wird, müssen alle Zu-
standsänderungen reversibel ablaufen. Wir müssen weiter voraussetzen, dass nach
Ablauf des Prozesses alle Maschinen und Apparate sowie das Arbeitsfluid wieder
in ihren Ausgangszustand zurückgebracht werden, sodass ihre innere Energie un-
verändert bleibt, was die Grundvoraussetzung für einen kontinuierlich arbeitenden
Kreisprozess ist.
Wir wollen zunächst einmal annehmen, es sei möglich, eine Maschine zu bau-
en, in der die zugeführte Wärme vollständig in Arbeit umgewandelt wird. Eine
Wärmeabfuhr an die Umgebung sei also ausgeschlossen. Wir wollen nun zeigen,
dass diese Annahme zu einem Widerspruch führt. Könnte man nämlich eine solche
Maschine betreiben, so müsste, wie Abb. 9.5 darstellt, die vom Energiespeicher ab-
gegebene und den Maschinen und Apparaten zugeführte Wärme Q(Q > 0) gleich
der verrichteten Arbeit L(L < 0) sein,
Q = |L| .
Ein Arbeitszyklus eines Kreisprozesses besteht stets aus einer Summe von einzelnen
Prozessschritten zwischen jeweils einem Anfangszustand i und einem Endzustand
i + 1, innerhalb deren eine Wärme Qi,i+1 und/oder eine Arbeit Li,i+1 übertragen
werden kann.
Da wir uns im Folgenden nicht für die einzelnen Prozessfolgen interessieren, son-
dern den Kreisprozess als Ganzes betrachten, können wir auf die Indizierung von
Wärme bzw. Arbeit und folglich auch auf die Angabe von Integrationsgrenzen bei
der Berechnung von Entropieänderungen verzichten.
Nach dem zweiten Hauptsatz gilt für das aus Energiespeicher, Maschinen und
Apparaten bestehende adiabate Gesamtsystem nach Gl. (9.6a)
dQ
− + dSMA 0 ,
T
wobei der erste Term die Entropieänderung des Energiespeichers und dSMA die
Entropieänderung der Maschinen, Apparate und des Arbeitsfluids kennzeichnet.
Voraussetzungsgemäß sollen sich diese nach Ablauf eines Arbeitszyklus wieder in
ihrem Ausgangszustand befinden. Es ist daher
dQ
dSMA = 0 und somit − 0.
T
9.5 Entropiebilanz und Kreisprozesse 185
Damit der zweite Hauptsatz erfüllt ist, müsste also unter den getroffenen Voraus-
setzungen von den Maschinen und Apparaten Entropie und somit Wärme abgeführt
und dem Energiespeicher zugeführt werden. Wir müssen somit unsere ursprüngliche
Annahme, dass der Energiespeicher Wärme abgibt, die vollständig in Arbeit um-
wandelbar ist, fallenlassen.
Lässt man hingegen zu, dass ein Teil |Qu | der zugeführten Wärme wieder an die
Umgebung übertragen wird, so muss nach dem zweiten Hauptsatz Gl. (9.6a)
dQ |dQu |
− + + dSMA 0
T Tu
gelten, oder mit dSMA = 0
dQ |dQu |
− + 0, (9.19)
T Tu
was zu keinem Widerspruch führt, wenn man nur der Umgebung eine hinreichend
große Wärme |Qu | zuführt, sodass die Entropie der Umgebung stärker zunimmt,
als die Entropie des Energiespeichers abnimmt. Man muss also das Schema nach
Abb. 9.5 ersetzen durch das nach Abb. 9.6.
Ein kontinuierlich arbeitender Kreisprozess zur Umwandlung von Wärme in Ar-
beit erfordert damit stets, dass ein Teil der zugeführten Wärme wieder abgeführt
werden muss, um eine Akkumulation von Entropie, die ein stationärer Prozess aus-
schließt, in der Wärmekraftmaschine zu vermeiden. Die Wärmeabfuhr erfolgt dabei
auf einem niedrigeren Temperaturniveau, in der Regel bei Umgebungstemperatur.
Aus der im reversiblen Grenzfall geltenden Gleichung
dQ |dQu |
=
T Tu
kann man unmittelbar ableiten, dass bei Umgebungstemperatur Tu < T weniger
Wärme abgeführt (Qu ) als zugeführt (Q) werden muss.
186 9. Entropiebilanz und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Die Notwendigkeit der Entropie- und somit der Wärmeabfuhr aus einer Wärme-
kraftmaschine hat Max Planck 1879 in seiner Formulierung des 2. Hauptsatzes wie
folgt zusammengefasst.
Es ist unmöglich eine periodisch funktionierende Maschine zu bauen, die
weiter nichts bewirkt, als das Heben einer Last und die Abkühlung eines
Wärmespeichers.
Man spricht auch von der Unmöglichkeit eines “perpetuum mobile” 2. Art.
Um nun die maximal gewinnbare Arbeit berechnen zu können, denken wir uns
den in Abb. 9.6 gezeichneten Maschinen und Apparaten die Wärme Q zugeführt.
Ein Teil hiervon wird durch reversible Prozesse in Arbeit L umgewandelt, ein Teil
|Qu | wird an die Umgebung abgegeben. Nach dem ersten Hauptsatz gilt für das aus
Maschinen und Apparaten bestehende Teilsystem
Q = |Qu | + |L|,
was man auch
Q + Qu + L = 0 (9.20)
schreiben kann.
Nach dem zweiten Hauptsatz ist die Entropieänderung des adiabaten Gesamt-
systems
ΔS + ΔSu = 0, (9.21)
wenn man mit ΔS die Entropieabnahme des Energiespeichers, mit ΔSu die Entro-
piezunahme der Umgebung bezeichnet. Es ist
−dQ
ΔS = ,
T
worin dQ das Differential der zugeführten Wärme ist (dQ ist positiv). Weiter ist
−dQu
Δ(Su ) = ,
Tu
mit dem Differential dQu der abgeführten Wärme (dQu ist negativ). Damit lautet
Gl. (9.21)
−dQ dQu
− = 0. (9.22)
T Tu
Wird die Wärme Q bei konstanter Temperatur T in den Kreisprozess eingekoppelt
und die Wärme Qu bei konstanter Temperatur Tu aus dem Kreisprozess ausgekop-
pelt, kann man die konstanten Temperaturen vor die Integrale schreiben und es folgt
mit Gl. (9.20)
−L Tu
= 1− . (9.23)
Q T
Man bezeichnet den Ausdruck in der Klammer als Carnot-Wirkungsgrad bzw. als
Carnot-Faktor ηc ,
9.5 Entropiebilanz und Kreisprozesse 187
Tu
ηc = 1 − . (9.24)
T
Somit ergibt sich:
In einem reversiblen Prozess ist nur der um den Faktor 1 − Tu /T verminderte
Anteil der zugeführten Wärme in Arbeit umwandelbar.
Wärme kann nur teilweise in Arbeit umgewandelt werden, ein Teil der zu-
geführten Wärme ist unwiederbringlich verloren.
Der als Arbeit maximal gewinnbare Anteil hängt nach Gl. (9.24) von dem Faktor
1 − Tu /T ab. Wärme ist demnach um so wertvoller, je höher die Temperatur T ist,
Wärme von Umgebungstemperatur ist wertlos.
10.1
Reibungsbehaftete Prozesse
Als erstes Beispiel behandeln wir den klassischen Versuch, mit dem J.P. Joule die in
innere Energie umgewandelte Arbeit ermittelte. In einem Behälter befindet sich ein
Fluid, das mit Hilfe eines Rührers in Bewegung versetzt wird, Abb. 10.1.
Der Behälter sei adiabat und habe starre Wände, sodass das Fluid die Arbeit bei
konstantem Volumen aufnimmt. Es handelt sich hier um einen typisch irreversiblen
Vorgang, da man dem Fluid Arbeit zuführen und in innere Energie umwandeln kann,
ohne dass eine Umkehrung möglich ist. Wäre dies dennoch der Fall, so müsste es
möglich sein, die dem Fluid zugeführte Energie wieder an die Umgebung abzuge-
ben, d.h., das Fluid müsste imstande sein, von selbst den Rührer in Bewegung zu
setzen und auf Kosten seiner inneren Energie Arbeit zu verrichten. Aus Erfahrung
weiß man, dass ein derartiger Prozess unmöglich ist. Da die Arbeitskoordinate V
während des Rührprozesses nicht betätigt wird, kann das Fluid die Energie nur über
die Koordinate Entropie aufnehmen. Alle zugeführte Energie wird somit dissipiert,
und es ist die während der Zeit dτ zugeführte Arbeit
dL = dLdiss = T dSirr = T dS,
somit
2
dL
S2 − S1 = > 0. (10.1)
T
1
Die zugeführte Arbeit wird über Tangential- und Normalkräfte, die an dem Rührer
wirksam sind, dem Fluid mitgeteilt. Sie erzeugen in diesem eine Bewegung und
erhöhen zunächst die kinetische Energie des Fluids. Durch die Reibung im In-
nern des Fluids wird jedoch dessen Bewegung gebremst und die kinetische Ener-
gie schließlich vollständig in innere Energie verwandelt. Während vor Beginn des
Rührvorgangs die innere Energie U1 = U (S1 , V ) war, ist sie nach Abschluss des
Vorgangs durch U2 = U (S2 , V ) gegeben, worin man die Entropie S2 aus dem zuvor
mitgeteilten Integral erhält.
Als weiteres Beispiel für einen irreversiblen Prozess wollen wir die reibungsbehaftete
Strömung behandeln. Zur Vereinfachung wollen wir annehmen, das Fluid sei inkompressibel,
d.h., seine Dichte sei konstant, die Strömung sei stationär und eindimensional1 . Es sei also nur
eine einzige Geschwindigkeitskomponente vorhanden, die zeitlich konstant ist. Ein Beispiel
hierfür ist die ausgebildete laminare oder turbulente Rohrströmung, deren Geschwindigkeit
in Abb. 10.2 skizziert ist.
Das Geschwindigkeitsprofil soll sich nur mit der radialen Koordinate r, nicht aber mit
dem Strömungsweg x ändern.
Auf die Fluidteilchen wirken bekanntlich Normal- und Schubspannungen. Die Schub-
spannungen erzeugen Reibung und dämpfen die Bewegung des Fluids. Man muss daher von
außen Arbeit zuführen, um die Reibung zu überwinden und das Fluid zu bewegen: Es ist ein
Druckunterschied in Strömungsrichtung erforderlich, um das Fluid gegen die Reibungskräfte
durch das Rohr zu schieben. Ein Teil der von außen zugeführten Arbeit wird infolge der
Reibung in innere Energie verwandelt. Dieser Vorgang ist offensichtlich irreversibel, da es
aller Erfahrung widerspricht, dass sich ein Fluid von selbst auf Kosten seiner inneren Energie
wieder in Bewegung setzt.
Wir wollen nun die Entropiezunahme und die Dissipationsarbeit der Strömung berech-
nen. Als thermodynamisches System betrachten wir ein Massenelement des Fluids. Seine
innere Energie ändert sich durch Übertragung von Wärme und Arbeit über die Systemgren-
zen entsprechend dem Hauptsatz, den wir für ein kleines Zeitintervall2 dt anschreiben.
du = dq + dl.
An dem Massenelement greifen Schubspannungen und Drücke an. Sie bewirken eine Ver-
schiebung und eine Verformung, wozu von den Drücken und Schubspannungen eine Arbeit
dl verrichtet werden muss. Wir berechnen zuerst die Arbeit der Drücke und betrachten dazu
das in Abb. 10.3 skizzierte Massenelement.
Während der Zeit dt wandert das Massenelement mit der Geschwindigkeit w in
Strömungsrichtung x weiter; es verschiebt sich also in Abb. 10.3 um die Strecke dx = w dt
nach rechts. Hierbei wird von dem Druck p die Arbeit
(p dy dz)w dt
verrichtet, während von dem Druck p + (dp/dx) dx die Arbeit
1
Eine Verallgemeinerung auf dreidimensionale Strömungen findet man u.a. bei Schade, H.:
Kontinuumstheorie strömender Medien. Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1970.
2
Für die Zeit, die wir bisher mit τ bezeichneten, soll für diese Betrachtung vorübergehend
in Kap. 10.1 das Zeichen t benutzt werden, damit für die Schubspannung, wie in der Me-
chanik üblich, das Zeichen τ verwendet werden kann.
10.1 Reibungsbehaftete Prozesse 191
dp
− p+ dx dy dz w dt
dx
verrichtet wird. Das Minuszeichen kommt dadurch zustande, dass die Kraft in der eckigen
Klammer und die Geschwindigkeit w verschiedene Vorzeichen haben, die Arbeit aber positiv
sein muss, da sie aufzuwenden ist, damit das Massenelement verschoben werden kann. Die
insgesamt von den Druckkräften verrichtete Arbeit ist daher
dp
dLp = − dx dy dz w dt
dx
oder mit dx dy dz = dV und w dt = dx
dLp = −dV dp
und somit nach Division durch die Masse dM des Volumenelements
dlp = −v dp.
Andererseits muss die Summe aller in Abb. 10.3 eingezeichneten Kräfte gleich Null sein, da
die Strömung voraussetzungsgemäß stationär ist und somit keine Beschleunigungen auftre-
ten. Es ist daher
dτ dp
dy dx dz − dx dy dz = 0
dy dx
oder
dτ
dp = dx.
dy
Damit erhält man für die Arbeit der Druckkräfte
dτ dτ
dlp = −v dx = −v w dt.
dy dy
Um die Arbeit der Schubspannungen zu ermitteln, betrachten wir die Bewegung und Verfor-
mung des Massenelements, Abb. 10.4.
Da die Schubspannungen am unteren und oberen Rand des Massenelements voneinander
verschieden sind, wird die ursprüngliche rechteckige Grundfläche, wie in Abb. 10.4 skizziert,
zu einem Parallelogramm verformt. Der untere Rand wird während der Zeit dt mit der Ge-
schwindigkeit w um die Strecke dx = w dt und der obere Rand mit der Geschwindigkeit
w + (dw/dy) dy um die Strecke dx = [w + (dw/dy) dy] dt verschoben. Dabei verrichten
die Schubspannungen am unteren Rand des Massenelements die Arbeit
−(τ dx dz) w dt,
wobei sich das Minuszeichen wieder dadurch erklärt, dass Schubspannung und Verschiebung
entgegengesetzt gerichtet sind, die verrichtete Arbeit aber positiv sein muss. Die Schubspan-
nungen am oberen Rande verrichten die Arbeit
192 10. Anwendungen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
dτ dw
τ+ dy dx dz w+ dy dt .
dy dy
Die insgesamt von den Schubspannungen verrichtete Arbeit ist somit
dw dτ dτ dw
dLτ = τ +w + dx dy dz dt .
dy dy dy dy
Da man das letzte Glied in der runden Klammer gegenüber den beiden ersten vernachlässigen
kann, folgt mit dV = dx dy dz
dw dτ dw dτ
dLτ = τ dV dt + w dV dt oder dLτ = vτ dV dt + v w dt .
dy dy dy dy
Die insgesamt verrichtete Arbeit ist
dτ dw dτ
dl = dlp + dlτ − v w dt + vτ dt + v w dt,
dy dy dy
dw
dl = vτ dt.
dy
Wir setzen diesen Ausdruck in den ersten Hauptsatz ein und erhalten
dw
du = dq + vτ dt.
dy
Andererseits kann man für einen irreversiblen Prozess den ersten Hauptsatz auch schreiben
du = dq − p dv + dldiss .
Da wir eine inkompressible Strömung, d.h. eine Strömung mit = const voraussetzen, ist
v = const und dv = 0. Daher verschwindet der Term −p dv. Vergleicht man die beiden
obigen Beziehungen für den ersten Hauptsatz miteinander, so sieht man, dass
dw
dldiss = vτ dt (10.2)
dy
d(wτ ) dw dτ
ist. Von der gesamten Arbeit der Schubspannungen v dt = dlτ = vt dt+v w dt
dy dy dy
wird also nur ein bestimmter Anteil dissipiert, d.h. irreversibel über die Entropiekoordinate
aufgenommen. Für Newtonsche Medien ist bei eindimensionaler Strömung
dw
τ =η ,
dy
wobei η die dynamische Viskosität ist.
10.1 Reibungsbehaftete Prozesse 193
Es gilt somit
2
dw
dldiss = vη dt (10.2a)
dy
1
und nach Multiplikation mit der Menge dM = dV des Massenelements
v
2
dw
dldiss = η dV dt. (10.2b)
dy
dldiss 0
und daher
2
dw
vη dt 0.
dy
Das ist nur möglich, wenn η 0 ist. Aus dem zweiten Hauptsatz folgt somit, dass die
Viskosität eines Fluids nie negativ sein kann.
Die Entropiezunahme infolge der Nichtumkehrbarkeit erhielt man für die hier betrachte-
ten einfachen Systeme aus
dldiss = T dsirr .
1 dw
dsirr = vτ dt
T dy
dq
dsA =
T
und der Entropieerzeugung dsirr . Während eines kleinen Zeitintervalls dt ändert sich die
Entropie somit um
dq 1 dw
ds = + vτ dt
T T dy
oder
dQ 1 dw
dS = + Vτ dt. (10.3)
T T dy
194 10. Anwendungen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
10.2
Wärmeleitung unter Temperaturgefälle
Fließt Wärme Q von einem Körper der konstanten Temperatur T auf einen Körper
von niederer, ebenfalls konstanter Temperatur T0 , so erfährt der wärmere Körper die
Entropieverminderung −(Q/T ), der kältere die Entropievermehrung Q/T0 , und im
Ganzen nimmt die Entropie um
Q Q T − T0
ΔS = − =Q (10.4)
T0 T T T0
zu.
Wird Wärme durch Leitung in einem Körper übertragen, so ändert sich die Tem-
peratur im Allgemeinen stetig von Ort zu Ort. Außerdem sind die Temperaturen oft
zeitlich veränderlich.
Die Wärme fließt von Volumenteilchen höherer zu solchen niederer Temperatur.
Dieser Vorgang ist bekanntlich nicht umkehrbar. Um die Entropieänderung dSirr
durch Nichtumkehrbarkeiten berechnen zu können, denken wir uns aus dem Körper
zwei kleine einander benachbarte Würfel mit den Kantenlängen dx, dy, dz heraus-
geschnitten, Abb. 10.5.
Die Temperatur des oberen Würfels sei um ein dT größer als die des unteren,
und die dem unteren Würfel zugeführte Wärme dQ fließt nun entgegen der Rich-
tung der y-Achse. Die Entropieänderung dS erhält man, indem man sich die beiden
Würfel gegenüber ihrer Umgebung adiabat isoliert denkt. Man hat dann zwei Körper
unterschiedlicher Temperaturen T + dT und T , die wärmeleitend miteinander ver-
bunden sind. In dem obigen Beispiel nimmt die Temperatur in Richtung der y-Achse
zu, dT > 0, die Wärme fließt entgegen der Richtung der y-Achse, dQ < 0. Wäre
umgekehrt dT < 0, so hätte man dQ > 0. Die Wärme fließt in Richtung fallender
Temperatur. Die Entropieänderung dS = dSirr kann aus der zuvor abgeleiteten Be-
ziehung Gl. (10.4) berechnet werden, indem man die neuen Temperaturen einsetzt
und dQ < 0 beachtet.
Die Entropiezunahme beträgt somit
dT
dSirr = −dQ .
(T + dT )T
Hat der eine Körper die Masse M1 , die spezifische Wärmekapazität c1 und
die absolute Temperatur T1 , der andere, wärmere, die Masse M2 , die spezifische
Wärmekapazität c2 und die Temperatur T2 , so ist die Ausgleichstemperatur
M 1 c 1 t1 + M 2 c 2 t2
tm =
M 1 c1 + M 2 c2
und die Entropiezunahme ΔS = ΔSirr des Vorganges beträgt bei konstanter spe-
zifischer Wärmekapazität
Tm T2
dT dT Tm T2
ΔSirr = M1 c1 − M 2 c2 = M1 c1 ln − M2 c2 ln . (10.8)
T T T1 Tm
T1 Tm
3
Im Fall des mehrdimensionalen Wärmeflusses hat man dT /dy durch grad T zu ersetzen.
196 10. Anwendungen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Gl. (10.8) setzt voraus, dass man während des Ausgleichsvorgangs den Zustand bei-
der Körper mit einer mittleren Temperatur beschreiben kann, also im Körper selbst
keine Temperaturgradienten auftreten. Der Wärmeübergang innerhalb der beiden
Körper erfolgt also quasistatisch.
In Abb. 10.6 ist die thermodynamische Modellvorstellung des quasistatischen
Wärmeübergangs verdeutlicht. Diese Modellvorstellung gilt für die gesamte
phänomenologische Thermodynamik.
Weiterhin gilt Gl. (10.8) bei Mischungsvorgängen nur, wenn beide Körper keine
Materie austauschen. Ist das nicht der Fall, wie z.B. bei der Mischung zweier ver-
schiedener Gase, so tritt außer dem Austausch der Wärme auch noch eine Diffusion
der Gase ineinander ein, die mit einer weiteren Entropiezunahme verbunden ist, die
wir später berechnen wollen.
10.3
Drosselung
Dämpfen nimmt dagegen im Allgemeinen die Temperatur ab, wie wir später noch
genauer sehen werden.
Der Drosselvorgang ist offenbar irreversibel, denn wir müssten in umgekehr-
ter Richtung den endlichen Druckanstieg überwinden, wenn wir das Gas wieder
zurückströmen lassen wollten, ganz ähnlich, wie es bei der Reibung eines Kolbens
in einem Zylinder der Fall ist.
Die Entropiezunahme zwischen den Querschnitten 1 und 2 ergibt sich nach
Gl. (9.7) zu
2
dΨ
S2 − S1 = ,
T
1
wobei dΨ die infolge der Nichtumkehrbarkeiten dissipierte Energie ist; diese be-
wirkt eine Erhöhung der inneren Energie. Andererseits ist ganz allgemein für ir-
reversible Prozesse einfacher Systeme nach Kap. 4.2.6 die technische Arbeit bei
Vernachlässigung der mechanischen Arbeit Lm12 = 0 gegeben durch die Volumen-
2
und Verschiebearbeit V dp und durch die Dissipationsarbeit Ldiss,12
1
2
Lt12 = V dp + Ldiss,12 .
1
Da die Entropie eine Zustandsgröße ist, hängt der Wert des Integrals nach
Gl. (10.10) nur von den Zustandsgrößen in den Ebenen 1 und 2 ab. Man kann da-
her das Integral nach Gl. (10.10) berechnen, ohne dass man Einzelheiten über den
Zustandsverlauf bei der Drosselung kennt.
Für ideale Gase ist V = (M RT )/p und somit die Entropieänderung bei der Dros-
selung
2
dp p1
S2 − S1 = −M R = M R ln . (10.10a)
p p2
1
Die dissipierte Arbeit kann man hingegen mit Hilfe des Integrals von Gl. (10.9) nur
berechnen, wenn die Drosselung nicht allzu heftig erfolgt, wenn also der Druckun-
terschied p1 − p2 nicht zu groß ist und daher in jedem Augenblick der Drosselung
198 10. Anwendungen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
ein einheitlicher Druck p existiert, sodass man stets V = V (p) angeben kann. Man
vergleiche hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.2.6.
Falls die Geschwindigkeitsenergie in den Querschnitten 1 und 2 vernachlässig-
bar ist, hat man dann längs einer Linie h = const zu integrieren.
Bei idealen Gasen ist das zugleich eine Isotherme, und man erhält aus Gl. (10.9)
mit Hilfe der Zustandsgleichung pV = M RT für die dissipierte Arbeit
2
dp p1
Ldiss,12 = −M RT = M RT ln (ideale Gase; T = const). (10.9a)
p p2
1
Auch der von uns früher betrachtete Joulesche Überströmversuch, bei dem ein
Gas aus einem geschlossenen Behälter in einen gasleeren zweiten ohne Arbeits-
leistung überströmt, ist ein Drosselvorgang. Die bei reversibler Entspannung ge-
winnbare Arbeit wird hier durch turbulente Strömungsbewegungen wieder in in-
nere Energie verwandelt, und die Enthalpie bleibt ungeändert. Bei einem idealen
Gas muss daher auch die Temperatur im Endergebnis dieselbe sein. Im Einzelnen
ist der Vorgang hier aber so verwickelt, dass während des Zustandsverlaufes die
Temperatur nicht konstant bleibt und die Dissipationsarbeit nicht aus Gl. (10.9a)
berechenbar ist. Denken wir uns die beiden Behälter nicht nur von der Umgebung,
sondern zunächst auch voneinander wärmeisoliert, so wird das Gas im gefüllten
Behälter adiabat expandieren und sich dabei abkühlen; denn es kann nicht wissen,
ob die ausströmenden Teile nachher in einem Zylinder Arbeit verrichten oder nur
zum Auffüllen eines Vakuums dienen. Gleich nach Öffnen des Hahnes tritt das Gas
also mit der Anfangstemperatur, die es im gefüllten Behälter hatte, in das Vakuum
ein. Im weiteren Verlauf der Bewegung wird das zuerst überströmende Gas durch
das nachströmende adiabat komprimiert und dadurch erwärmt. Andererseits werden
das aus dem ersten Behälter kommende und dort schon durch adiabate Expansion
abgekühlte Gas mit dieser erniedrigten Temperatur in den zweiten Behälter eintre-
ten und sich dort mit dem vorher eingeströmten und durch Kompression erwärmten
Gas mischen. Unmittelbar nach dem Druckausgleich sind also erhebliche Tempera-
turunterschiede in beiden Behältern vorhanden, die sich später durch Wärmeleitung
ausgleichen, derart, dass bei einem idealen Gas die Anfangstemperatur gerade wie-
der erreicht wird.
Beispiel 10.1 Druckluft (ideales Gas, R = 287,2 J/(kgK)) von p1 = 20 bar strömt
kontinuierlich durch ein adiabates Drosselventil und expandiert dabei auf p2 = 1,2 bar.
Die Luftgeschwindigkeiten vor und nach der Drosselung seien ungefähr gleich. Wie
groß ist die Entropieänderung?
Nach Gl. (10.10a) ist s2 − s1 = R ln p2 /p1 = 287,2 J/(kgK) · ln (20 bar/1,2 bar) = 808
J/(kgK).
10.4 Mischung und Diffusion 199
Aufgabe 10.1 Zwei Behälter, von denen der eine von V1 = 5 m3 Inhalt mit Luft von
p1 = 1 bar und t1 = 20 ◦ C, der andere von V2 = 2 m3 Inhalt mit Luft von p2 = 20 bar
und t2 = 20 ◦ C gefüllt ist, werden durch eine dünne Rohrleitung miteinander verbun-
den, sodass die Drücke sich ausgleichen.
a) Wie ist der Endzustand der Luft in beiden Behältern, wenn sie miteinander in Wärme-
austausch stehen, aber gegen die Umgebung isoliert sind? Welche Entropiezunahme tritt
durch den Druck- und Temperaturausgleich ein?
Welche Arbeit würde bei umkehrbarer Durchführung des Ausgleichs gewonnen wer-
den, wenn beide Behälter mit der Umgebung von +20 ◦ C dauernd in vollkommenem
Wärmeaustausch stehen?
b) Wie ist der Endzustand, wenn die Behälter auch voneinander isoliert sind, sodass
keine Wärme vom Inhalt des einen Behälters in den des anderen übertreten kann? Die
Expansion im Behälter 2 sei reversibel adiabat.
10.4
Mischung und Diffusion
Wenn sich in einem geschlossenen Gefäß zwei chemisch verschiedene Gase befin-
den, die zunächst voneinander getrennt sind, so tritt im Laufe der Zeit auch ohne
Umrühren – allein durch Diffusion – eine vollständige Mischung ein, wobei der
Druck und die Temperatur sich nicht ändern, wenn das Gefäß keine Wärme mit
der Umgebung austauscht. Die Erfahrung lehrt nun, dass Gase sich wohl freiwillig
mischen, dass aber niemals der umgekehrte Vorgang der Entmischung von selbst
stattfindet. Wir haben also offenbar einen nichtumkehrbaren Vorgang vor uns. Da
die Nichtumkehrbarkeit nach dem zweiten Hauptsatz ganz allgemein durch eine
Zunahme der Entropie gekennzeichnet ist, so muss auch hier eine solche Zunahme
eintreten, deren Betrag wir berechnen wollen.
In Abb. 10.7 mögen die beiden Gase 1 und 2 mit den Massen M1 und M2 und
den Gaskonstanten R1 und R2 sich zunächst getrennt in dem geschlossenen Raum
V befinden, den sie bei der gemeinsamen Temperatur T und dem gemeinsamen
Druck p mit ihren Teilvolumen V1 und V2 gerade ausfüllen. Bei dem Mischungs-
vorgang verteilen sich beide Gase bei gleichbleibender Temperatur auf das ganze
Volumen V , und wir können bei nicht zu hohen Drücken nach Dalton jedes Gas
so behandeln, als ob es alleine in dem Raum V vorhanden wäre. Da die Mischung
adiabat ablaufen soll, ist die innere Energie des gesamten Systems konstant. Der
Einfachheit wegen wollen wir ideale Gase voraussetzen. Da deren innere Energie
nur von der Temperatur abhängt, bleibt bei der Mischung auch die Temperatur kon-
stant. Der Mischungsvorgang ist demnach mit der Drosselung vergleichbar, bei der
ebenfalls die Temperatur konstant bleibt, falls es sich um ideale Gase handelt. Man
kann also das eine Gas gewissermaßen als den Drosselpfropfen betrachten, durch
den hindurch das zweite Gas expandiert, und hat dann die vollständige Analogie
zur Drosselung. Bei der Mischung haben dann beide Gase im Endergebnis eine
isotherme Expansion von ihrem Anfangsvolumen V1 bzw. V2 auf das Endvolumen
V ausgeführt, wobei ihre Drücke der Volumenzunahme entsprechend auf die Teil-
drücke
V1 V2
p1 = p und p2 = p
V V
gesunken sind, deren Summe wieder den anfänglichen Druck p ergibt.
Wir können uns den Vorgang demnach so vorstellen, als ob das Gas 1 isotherm
vom Zustand p, V1 auf den Zustand p1 , V und das Gas 2 vom Zustand p, V2 auf den
Zustand p2 , V expandierte. Dabei nimmt die Entropie des Gases 1 nach Gl. (10.10a)
um
p
ΔS1 = M1 R1 ln
p1
und die des Gases 2 um
p
ΔS2 = M2 R2 ln
p2
zu. Insgesamt nimmt die Entropie infolge der Nichtumkehrbarkeit somit um
p p
ΔSirr = ΔS1 + ΔS2 = M1 R1 ln + M2 R2 ln (10.11)
p1 p2
zu. Die Entropiezunahme infolge von Nichtumkehrbarkeiten eines Gemisches idea-
ler Gase ist demnach gleich der Summe der Entropien der Bestandteile des Ge-
misches, wenn für jeden Bestandteil das Verhältnis von Gesamtdruck zu Teildruck
eingesetzt wird. Für die Entropie Sv vor der Mischung erhält man durch Integration
von Gl. (8.31) zwischen einem Bezugszustand p0 , T0 und dem Zustand p, T und
anschließender Addition der einzelnen Entropien
T
dT p
Sv = M1 s1 (p0 ,T0 ) + M1 cp1 − M1 R1 ln
T p0
T0
T
dT p
+ M2 s2 (p0 ,T0 ) + M2 cp2 − M2 R2 ln .
T p0
T0
Die gesamte Entropie des Gemisches setzt sich aus der Entropie Sv vor der Mi-
schung und der Zunahme ΔSirr der Entropie durch die Mischung zusammen
p p
S = Sv + M1 R1 ln + M2 R2 ln . (10.12)
p1 p2
Man erhält also die Entropie eines Gemisches nicht einfach dadurch, dass man die
Entropie der einzelnen Bestandteile beim Gesamtdruck p und der Temperatur T
10.4 Mischung und Diffusion 201
addiert. Es tritt vielmehr noch eine Mischungsentropie ΔSirr auf, da der Vorgang
irreversibel ist.
Die letzte Gleichung kann man noch umformen, indem man die Beziehung für
Sv einsetzt und die Ausdrücke, welche den natürlichen Logarithmus enthalten, zu-
sammenfasst. Man erhält dann
T
dT p1
S = M1 s1 (p0 ,T0 ) + M1 cp1 − M1 R1 ln
T p0
T0
T
dT p2
+ M2 s2 (p0 ,T0 ) + M2 cp2 − M2 R2 ln .
T p0
T0
Die Summe der ersten drei Glieder auf der rechten Seite ist die Entropie S1 (T, p1 )
des Gases 1 bei der Temperatur T und dem Druck p1 im Gemisch, die Summe der
drei letzten Glieder ist die Entropie S2 (T, p2 ) des Gases 2 bei der Temperatur T
und dem Druck p2 im Gemisch. Es ist somit die Entropie eines Gemisches aus zwei
idealen Gasen
In wirklichen Anlagen zur Entmischung von Gasen hat man meistens keine se-
mipermeablen Wände, kann also das Gemisch nicht durch einen reversiblen Prozess
in seine Bestandteile zerlegen, sondern muss durch andere nichtumkehrbare Pro-
zesse wie Kondensation, Destillation und Rektifikation die Bestandteile voneinan-
der trennen. Der Energieaufwand beträgt dabei ein Vielfaches des hier errechneten.
Dieser stellt nur einen Mindestaufwand dar, der von keinem thermodynamisch noch
so günstigen Prozess unterboten werden kann.
Aufgabe 10.2 Welche theoretische Arbeit erfordert die Entmischung von 1 kg Luft von
20 ◦ C und 1 bar in ihre Bestandteile (79 Vol.-% N2 und 21 Vol.-% O2 ), wenn diese
nachher denselben Druck und dieselbe Temperatur haben?
10.5
Isentrope Strömung eines idealen Gases durch Düsen
Wir lassen ein ideales Gas aus einem großen Gefäß, das etwa durch Nachpumpen
auf konstantem Druck gehalten wird und in dem es den Zustand p0 , v0 , T0 und
die Geschwindigkeit w0 = 0 (Ruhezustand) hat, durch eine gut gerundete Düse
mit dem Endquerschnitt Ae , der zunächst auch ihr engster Querschnitt sein soll
(verjüngte oder konvergente Düse), nach Abb 10.9 in einen Raum von dem niederen
Druck pa austreten und wollen die Endgeschwindigkeit we berechnen. Den Zustand
im Endquerschnitt bezeichnen wir mit pe , ve , Te . Beim idealen Gas mit konstanter
spezifischer Wärmekapazität gilt
h0 − he = cp (T0 − Te ).
Damit folgt aus dem 1. Hauptsatz für adiabate Strömungsprozesse Gl. (7.44), wenn
man w0 = 0 setzt,
we2 Te
= cp (T0 − Te ) = cp T0 1 − .
2 T0
Verläuft die Strömung isentrop, also reversibel adiabat, so folgt gemäß Gl. (8.32)
oder (7.11b) für den hier vorliegenden Fall.
κ−1
Te pe κ
= . (10.15)
T0 p0
Wenn wir noch
p0 v0 cp κ
T0 = und =
R R κ−1
setzen, wird
κ−1
κ p κ
we = 2
e
p0 v0 1 − . (10.16)
κ−1 p0
Bei der Strömung mit Reibung ist die wirkliche Geschwindigkeit wer kleiner als die
theoretische, was wir durch eine Geschwindigkeitszahl ϕ berücksichtigen. Dann ist
κ−1
κ p κ
wer = ϕ we = ϕ2
e
p0 v0 1 − . (10.16a)
κ−1 p0
Ist die Mündung nicht gerundet, sondern eine scharfkantige Öffnung, so zieht der
Strahl sich nach dem Austritt zusammen und die Geschwindigkeit we tritt erst
ein Stück hinter der Öffnung im engsten Querschnitt μAe auf, wobei μ die Ein-
schnürzahl ist. Bei gut gerundeten Düsen mit zur Achse paralleler Austrittstangente
ist μ = 1.
Die in der Zeiteinheit ausströmende Gasmenge ist
Ṁ = μϕwe Ae e . (10.17)
Im Folgenden wollen wir die isentrope, also reibungsfreie Strömung in einer gut ab-
gerundeten Düse betrachten und μϕ = 1 setzen. Durch Einsetzen von Gl. (10.16) in
Gl. (10.17) und mit Hilfe der Gleichung für die dissipationsfreie Adiabate (Gl. 7.9)
1/κ
v0 pe
=
ve p0
erhalten wir dann
1/κ
κ κ−1
pe pe κ p0
Ṁ = Ae 1− 2 . (10.18)
p0 κ−1 p0 v0
Diese Gleichung gilt nicht nur für den Endquerschnitt Ae , sondern auch für jeden
vorhergehenden A, wenn wir den Querschnitt über eine gekrümmte, überall senk-
recht auf der Geschwindigkeit stehende Fläche messen. Wir wollen daher den Index
bei Ae und pe fortlassen und schreiben
p0
Ṁ = A ψ 2 , (10.18a)
v0
wobei
κ1
κ κ−1
p pe κ
ψ = 1− (10.19)
p0 κ−1 p0
κ2 κ−1
κ p p κ
= −
κ−1 p0 p0
10.5 Isentrope Strömung eines idealen Gases durch Düsen 205
3
Nach dem schwedischen Dampfturbinen-Konstrukteur Carl Gustav Patrick de Laval
(1845–1913).
206 10. Anwendungen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Bei stationärer Strömung, die wir hier voraussetzen, und bei gleichbleibendem
Zustand im Dampfbehälter strömt durch alle aufeinanderfolgenden Querschnitte
dieselbe Gasmenge, es muss daher an allen Stellen
A ψ = const
sein. Bei einer Düse, deren Querschnitt A sich nach Abb. 10.9 in Richtung der
Strömung stetig verjüngt, sodass sie ihren engsten Querschnitt am Ende hat, muss
dann ψ in Richtung der Strömung und damit in Richtung abnehmenden Druckes bis
zum Düsenende dauernd zunehmen.
Nach Abb. 10.10 nimmt aber ψ vom Wert null bei p/p0 = 1 mit abnehmendem
Druck nur so lange zu, bis es beim Laval-Druckverhältnis sein Maximum erreicht
hat. Daraus folgt der zunächst überraschende Satz:
In einer in Richtung der Strömung verjüngten Düse kann der Druck im Austritts-
querschnitt nicht unter den Laval-Druck sinken, auch wenn man den Druck im Au-
ßenraum beliebig klein macht.
Nur solange pa ps ist, darf man also pe = pa setzen und schreiben
κ−1
κ pa κ
w= 2 p0 v0 1 − , (10.23)
κ−1 p0
κ+1
κ p0 pa κ2 pa κ
Ṁ = A0 2 − . (10.24)
κ − 1 v0 p0 p0
Ist gerade pa = ps , so ergibt Gl. (10.16) wegen Gl. (10.20) im engsten Querschnitt
κ
ws = 2 p0 v0 (10.25)
κ+1
κ
oder mit Benutzung der Enthalpie h0 = cp T0 = p0 v0 im Behälter
κ−1
κ−1
ws = 2 h0 . (10.25a)
κ+1
Führen wir mit Hilfe der Gleichung für die Isentrope p0 v0κ = ps vsκ und der
Gl. (10.20) in Gl. (10.25) anstelle der Zustandsgrößen p0 , v0 im Druckbehälter die
Zustandsgrößen ps und vs des Gases im engsten Querschnitt ein, so wird
√
ws = κ ps vs . (10.26)
Das ist der Wert der isentropen Schallgeschwindigkeit in einem Gas, wie man in der
Gasdynamik nachweisen kann. Wenn der äußere Druck dem Laval-Druck gleich ist
oder ihn unterschreitet, tritt also gerade Schallgeschwindigkeit im engsten Quer-
schnitt auf.
10.5 Isentrope Strömung eines idealen Gases durch Düsen 207
Auch für pa < ps kann im engsten Querschnitt der verjüngten Düse, den wir
jetzt mit As bezeichnen wollen, keine größere Geschwindigkeit als die Schallge-
schwindigkeit erreicht werden, da der Druck an dieser Stelle nicht unter ps sinken
kann. Für pa ≤ ps gilt also
κ
w = ws = 2 p0 v0 ,
κ+1
κ−1
1
p0 2 κ p0
Ṁ = As ψmax = 2 = As 2 . (10.27)
v0 κ+1 κ+1 v0
Die Ausflussmenge hängt dann außer von κ nur vom Zustand im Druckraum, aber
nicht mehr vom Gegendruck ab.
In Tabelle 10.1 sind für eine Anzahl von κ-Werten die kritischen oder Laval-
Druckverhältnisse und die Werte von ψmax angegeben.
Nach dem Vorstehenden wird in einer verjüngten Düse nur der in Abb. 10.11 schraf-
fierte Teil der Arbeitsfläche oberhalb des Laval-Druckes ps in kinetische Energie der
Strömung umgesetzt, der untere Teil von ps bis pe verwandelt sich nach dem Aus-
tritt aus der Düse in Schallenergie und durch Reibung in innere Energie und geht
dadurch als kinetische Energie verloren. Wie de Laval 1887 zeigte, kann man das
ganze Enthalpiegefälle bis herab zum Druck pe in kinetische Energie verwandeln,
wenn man nach Abb. 10.12 an die verjüngte Düse eine schlanke Erweiterung an-
schließt (Laval-Düse), in der der Querschnitt von seinem kleinsten Wert As auf Ae
zunimmt. Da im engsten Querschnitt schon die Schallgeschwindigkeit erreicht wird,
muss im erweiterten Teil Überschallgeschwindigkeit auftreten.
Im erweiterten Teil der Laval Düse gelten bei isentroper Strömung alle bereits
für den konvergenten Teil der Düse abgeleiteten Gleichungen.
208 10. Anwendungen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Wie wir dort gesehen hatten, nimmt ψ mit abnehmendem Druck zunächst zu bis
zu einem Maximum beim Laval-Druck. Da Aψ wegen der Kontinuitätsgleichung
konstant ist, konnte in einer konvergenten Düse ψ nur zunehmen und daher sein
Maximum nicht überschreiten. Erweitern wir die Düse aber hinter ihrem engsten
Querschnitt, in dem gerade die Schallgeschwindigkeit erreicht ist, wieder, so nimmt
A zu, und damit muss ψ abnehmen, d.h., der Druck kann weiter sinken, und wir
kommen auf den linken Ast der ψ-Kurve, der nun den Vorgang im erweiterten Teil
der Düse beschreibt. Da an jeder Stelle wieder
A ψ = As ψmax = const
adiabat unter Umwandlung von Enthalpie in kinetische Energie entspannt, die Glei-
chung
2 κ+1
1
As ψe κ + 1 κ−1
κ+1 pe κ pe κ
= = −
Ae ψmax 2 κ−1 p0 p0
1 1 κ−1
κ + 1 κ−1 pe κ κ+1 pe κ
= 1− . (10.29)
2 p0 κ−1 p0
Das Erweiterungsverhältnis Ae /As hängt also außer von κ nur vom Druckverhältnis
ab. Für das Verhältnis der Geschwindigkeit erhält man aus Gl. (10.16) und (10.25)
κ−1
we κ + 1 pe κ
= 1− . (10.30)
ws κ−1 p0
In Tabelle 10.2 sind für zweiatomige Gase und für überhitzten Dampf die zu
verschiedenen Druckverhältnissen p0 /pe gehörigen Werte von Ae /As und we /ws
ausgerechnet.
pandiert aber nach dem Austreten ebenso, wie wir das bei der konvergenten Düse
mit unterkritischem Gegendruck gesehen hatten.
Wird eine Laval-Düse mit größerem Gegendruck betrieben als es ihrem Erwei-
terungsverhältnis entspricht, so tritt in der Düse ein Drucksprung auf, den man in
der Gasdynamik als Verdichtungsstoß bezeichnet. Meist handelt es sich dabei um
einen geraden Verdichtungsstoß.
Der gerade Verdichtungsstoß verursacht einen Übergang der Geschwindig-
keit von Überschall auf Unterschall, und hinter dem Verdichtungsstoß wirkt die
Düsenerweiterung als Diffusor mit Verzögerung der Strömung unter Druckanstieg.
In Abb. 10.14 unten ist eine Düse dargestellt, in der das Gas aus einem Kessel
(Index 0), in dem es die Geschwindigkeit Null hat, über den engsten Querschnitt
(Index s) in den Zustand 1 gelangt, von dem es durch den Verdichtungsstoß auf den
Zustand 2 gebracht wird. Denken wir uns die Düse bis auf unendlichen Querschnitt
erweitert, so kommt das Gas bei Entspannung ins Vakuum auf die Grenzgeschwin-
digkeit w∞ .
Wird eine Laval-Düse mit erheblich größerem Gegendruck betrieben als ihrem
Erweiterungsverhältnis entspricht, so wandert ein gerader Verdichtungsstoß so weit
in die Erweiterung hinein, dass sein Drucksprung zusammen mit der Druckstei-
gerung des Diffusors dahinter gerade den vorgegebenen Austrittsdruck liefert. In
Abb. 10.14 sind die Druckverläufe in einer Laval-Düse bei verschiedenem Gegen-
druck über ihrer Längenkoordinate z aufgetragen. Soll die Düse in ihrer ganzen
Länge die Strömung beschleunigen mit einem Druckverlauf nach der stark ausge-
zogenen Kurve p0 s a, so muss der Gegendruck am Austritt kleiner oder gleich den
Werten dieser Kurve sein. Entspricht der Austrittsdruck dem Punkt d, so erhalten
11.1
Einfluss der Umgebung auf Energieumwandlungen
Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik bleibt die Energie in einem ab-
geschlossenen System konstant. Da man jedes nicht abgeschlossene System durch
Hinzunahme der Umgebung in ein abgeschlossenes verwandeln kann, ist es stets
möglich, ein System zu bilden, in dem während eines thermodynamischen Prozes-
ses Energie weder erzeugt noch vernichtet werden kann. Ein Energieverlust ist da-
her nicht möglich. Durch einen thermodynamischen Prozess wird lediglich Energie
umgewandelt. Führt man beispielsweise einem System Wärme zu ohne Verrich-
tung von Arbeit, so muss sich die innere Energie um den Anteil der zugeführten
Wärme erhöhen. Wird von einem System Arbeit verrichtet, so wird ein gleichgroßer
Anteil einer anderen Energie verbraucht. Nach dem ersten Hauptsatz entsteht also
der Eindruck, als seien alle Energien gleichwertig. Aus Erfahrung wissen wir aber,
dass man die einzelnen Energieformen unterschiedlich bewerten muss. So sind die
gewaltigen, in der uns umgebenden Atmosphäre gespeicherten Energien praktisch
nutzlos. Man kann sie weder zum Heizen von Gebäuden noch zum Antrieb von
Fahrzeugen verwerten. Auch die Bewegungsenergie der Erde kann man nicht beein-
flussen und in andere Energien umwandeln, da man zu diesem Zweck gleichgroße
und entgegengesetzt gerichtete Reaktionen an anderen Körpern erzeugen müsste.
Bewegt sich hingegen ein Körper mit einer Relativgeschwindigkeit zu einem an-
deren, so kann Arbeit verrichtet werden, bis sich beide Körper relativ zueinander
in Ruhe befinden. Man denke etwa an eine ortsfeste Maschine. In dieser kann Ge-
schwindigkeitsenergie eines strömenden Fluids in technische Arbeit umgewandelt
werden, bis das Fluid gegenüber der Maschine keine Geschwindigkeit mehr besitzt.
Betrachtet man andererseits ein bewegtes System, zum Beispiel einen Behälter, in
dem sich Kugeln mit der Systemgeschwindigkeit bewegen, so herrscht zwischen
den Kugeln keine Relativgeschwindigkeit, und man kann keine Arbeit verrichten,
wenn man von einer Kugel auf die andere übergeht. Obwohl man ein bewegtes Sys-
tem hat, kann man also in diesem Fall keine Arbeit verrichten, solange man in dem
System bleibt! Ein Beobachter im Inneren des Systems würde diesem daher die ki-
netische Energie null zuordnen, obwohl das System gegenüber einer ruhenden oder
mit anderer Geschwindigkeit bewegten Umgebung Arbeit verrichten könnte.
214 11. Energieumwandlungen und Exergie
11.2
Die Exergie eines geschlossenen Systems
Wir berechnen zuerst die Exergie eines geschlossenen Systems. Dabei ist es
gleichgültig, ob das System anfangs wärmer oder kälter als die Umgebung war
oder ob es einen höheren oder niedrigeren Druck hatte. Schließlich kann die Ab-
weichung vom Gleichgewicht auch darin bestehen, dass das System bei gleichem
Druck und gleicher Temperatur wie die Umgebung ein Arbeitsvermögen in Form
von chemischer Energie besitzt, die durch eine chemische Reaktion, beispielsweise
durch Verbrennung, frei wird.
Damit das System mit der Umgebung ins Gleichgewicht kommt, müssen wir
seine innere Energie durch Wärmezufuhr oder -entzug und durch Arbeit ändern.
Dafür gilt allgemein nach dem ersten Hauptsatz
dU = dQ + dL.
Alle Wärme muss bei der konstanten Temperatur Tu der Umgebung ausgetauscht
werden. Da der Vorgang umkehrbar verlaufen soll, muss sie dem System auch bei
derselben Temperatur zugeführt oder entzogen werden, d.h., dieses muss vor dem
Wärmeaustausch reversibel adiabat auf Umgebungstemperatur gebracht werden.
Dann ist nach dem zweiten Hauptsatz die reversibel zu- oder abgeführte Wärme
1
Rant, Z.: Exergie, ein neues Wort für technische Arbeitsfähigkeit. Forsch.-Ing. Wes. 22
(1956) 36–37.
Zoran Rant (1904–1972) war slowenischer Abstammung. Er wurde nach langjähriger
Tätigkeit im Solvay-Konzern als Professor für Theoretische Maschinenlehre und Ther-
modynamik an die Universität Ljubljana berufen. Von 1962 an war er Professor an der
Technischen Universität Braunschweig.
11.2 Die Exergie eines geschlossenen Systems 215
dQ = Tu dS. Die Arbeit dL setzt sich zusammen aus der maximalen Arbeit
dLex , der Exergie, die wir nutzbar machen können, und der Arbeit pu dV , die zur
Überwindung des Druckes der Umgebung aufgewendet werden muss. Damit wird
dU = Tu dS + dLex − pu dV,
und die Integration zwischen dem Umgebungszustand (Index u) und dem Ausgangs-
zustand (Index 1) ergibt für die maximale Arbeit
−Lex = U1 − Uu − Tu (S1 − Su ) + pu (V1 − Vu ). (11.1)
Bezogen auf die im System eingeschlossene Masse M gilt
−lex = u1 − uu − Tu (s1 − su ) + pu (v1 − vu ). (11.1a)
Über die Arbeit der reversiblen Zustandsänderungen ist bei der Ableitung
von Gl. (11.1) nichts vorausgesetzt worden. Gl. (11.1) gilt daher unabhängig da-
von, in welcher Art die maximale Arbeit gewonnen wird. Das System kann also
durch mechanische, elektrische, chemische (z.B. Verbrennung) oder thermische Zu-
standsänderungen mit der Umgebung ins Gleichgewicht gebracht werden.
Hat das System starre Wände oder ist die Verschiebearbeit pu (V1 − Vu ) ver-
nachlässigbar klein, so ist die Exergie des geschlossenen Systems
−Lex = U1 − Uu − Tu (S1 − Su ) = U1 − [Uu + Tu (S1 − Su )]. (11.1b)
Wie man aus Gl. (11.1b) erkennt, ist auch dann, wenn keine Verschiebearbeit ver-
richtet wird, von der inneren Energie U1 nur der um Uu + Tu (S1 − Su ) verminderte
Anteil in Arbeit umwandelbar. Der Anteil Tu (S1 − Su ) ist positiv, wenn die Entro-
pie S1 des Systems im Ausgangszustand größer ist als die Entropie Su des Systems
im Gleichgewicht mit der Umgebung. Dann gibt das System Wärme an die Um-
gebung ab, während es ins Gleichgewicht mit dieser überführt wird. Ist umgekehrt
die Entropie S1 im Ausgangszustand kleiner als die Entropie Su im Gleichgewicht
mit der Umgebung, so wird dem System Wärme aus der Umgebung zugeführt und
in Arbeit verwandelt. Die verrichtete Arbeit ist somit größer als die Änderung der
inneren Energie.
Ein Beispiel für derartige Zustandsänderungen zeigt Abb. 11.1.
11.3
Die Exergie eines Stoffstroms
Die von einem Stoffstrom Ṁ verrichtete spezifische Arbeit, die sogenannte techni-
sche Arbeit, ist durch den ersten Hauptsatz für stationär durchströmte Kontrollräume
gegeben, den wir in differentieller Form schreiben
2
w
dQ + dLt = dH + M d + M g dz.
2
2
Rant, Z.: Die Thermodynamik von Heizprozessen. Strojniski vertnik 8 (1962) 1/2 (slo-
wenisch). Die Heiztechnik und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik. Gaswärme 12
(1963) 297–304.
11.3 Die Exergie eines Stoffstroms 217
Die maximale technische Arbeit oder Exergie eines Stoffstroms erhält man wieder
dadurch, dass der Stoffstrom mit der Umgebung ins Gleichgewicht gebracht wird
und dabei alle Zustandsänderungen reversibel sind, d.h.
u
Lex = dLt .
1
Da Wärme nur mit der Umgebung ausgetauscht werden soll, muss der Stoffstrom
zunächst reversibel adiabat auf Umgebungstemperatur Tu gebracht werden. An-
schließend wird reversibel die Wärme
u
Qu = Tu dS = Tu (Su − S1 )
1
mit der Umgebung ausgetauscht. Damit erhält man durch Integration des ersten
Hauptsatzes vom Anfangszustand bis zum Umgebungszustand u:
w12
−Lex = H1 − Hu − Tu (S1 − Su ) + M + M gz1 . (11.2)
2
Von der Enthalpie H1 und der potentiellen und kinetischen Energie des Stoffstroms
im Anfangszustand 1 ist also nur der um Hu + Tu (S1 − Su ) verminderte Anteil in
technische Arbeit umwandelbar. Der Anteil Tu (S1 − Su ) ist, wie zuvor dargelegt,
positiv, wenn der Stoffstrom Wärme an die Umgebung abgibt, und negativ, wenn
ihm Wärme aus der Umgebung zugeführt wird. In diesem Fall ist die Exergie um
den Anteil der zugeführten Wärme größer als die Änderung der Enthalpie. Da die
irdische Atmosphäre als ruhender Energiespeicher angesehen werden kann, ist wu
= 0. Ebenso gilt für die Höhenkoordinate der Umgebung zu = 0. Bezieht man die
Energie eines Stoffstroms auf die pro Zeiteinheit durchströmte Masse M, erhält man
für die spezifische Exergie
w12
−lex = h1 − hu − Tu (s1 − su ) + + gz1 . (11.2a)
2
Den nicht in Arbeit umwandelbaren Anteil der Enthalpie
BH = Hu + Tu (S1 − Su )
bezeichnet man entsprechend den vorigen Überlegungen wieder als Anergie. In die-
sem Fall handelt es sich um die Anergie einer Enthalpie und man schreibt BH .
Sie kann positiv, negativ oder gleich Null sein. Vernachlässigt man die kinetische
und die potentielle Energie des Stoffstroms, kann man Gl. (11.2) in folgender Form
schreiben
H1 = (−Lex ) + BH . (11.2b)
Die Enthalpie eines Stoffstroms besteht aus Exergie und Anergie. Je nach Vorzei-
chen von BH kann, wie auch die obigen Überlegungen zeigten, die Exergie größer,
kleiner oder gleich der Enthalpie H1 des Stoffstroms sein.
218 11. Energieumwandlungen und Exergie
11.4
Die Exergie einer Wärme
Die Exergie einer Wärme entspricht der Arbeit, die maximal aus Wärme gewon-
nen werden kann, wenn in einer reversiblen Wärmekraftmaschine die Abwärme aus
dem Kreisprozess bei konstanter Temperatur Tu an die Umgebung abgegeben wird.
In Kapitel 9.5 hatten wir die maximal gewinnbare Arbeit bereits berechnet. Es
gilt somit nach Gl. 9.18
Tu
−dLex = 1 − dQ (11.3)
T
In einem reversiblen Prozess ist nur der um den Carnot-Faktor ηc verminderte Anteil
der zugeführten Wärme in Arbeit umwandelbar. Der Anteil dQu = −Tu dS wird
wieder an die Umgebung abgegeben und kann nicht als Arbeit gewonnen werden.
Man nennt
dQ
dBQ = Tu
T
die Anergie einer Wärme dQ, und Gl. (11.3) lässt sich daher auch schreiben
11.5
Die Exergie bei der Mischung zweier idealer Gase
Falls der arbeitende Stoff chemisch von anderer Art ist als die Umgebung, so ist er
auch beim Druck und der Temperatur der Umgebung mit dieser nicht im Gleich-
gewicht, sondern durch reversible Mischung kann, wie in Kap. 10.4 gezeigt wurde,
eine weitere Arbeit gewonnen werden. Obwohl sich die reversible Mischung man-
gels geeigneter halbdurchlässiger Wände praktisch meistens nicht durchführen lässt,
11.6 Exergieverlust und Exergiebilanz 219
kann man doch leicht die maximale Arbeit oder Exergie Lex der Mischung berech-
nen. Wir gehen dazu von Gl. (10.14) für die Arbeit L zur reversiblen Mischung
zweier idealer Gase aus
V1 V V2 V
L = −pV ln + ln ,
V V1 V V2
und beachten, dass beide Gase bei Umgebungstemperatur Tu gemischt werden sol-
len. Bezeichnet man mit M1 und M2 die Massen und mit R die Gaskonstante des
Gemisches, so ist nach dem idealen Gasgesetz
pV = (M1 + M2 )RTu ,
wenn p der Gesamtdruck ist. Weiter bleibt bei der Mischung die Temperatur kon-
stant. Daher ist
V p V p
= und = ,
V1 p1 V2 p2
wobei p1 und p2 die Teildrücke der Gase sind. Damit erhält man aus Gl. (10.14) die
Exergie bei der Mischung
p1 p p2 p
−Lex = (M1 + M2 )RTu ln + ln . (11.5)
p p1 p p2
Diese Arbeit Lex muss man umgekehrt mindestens aufwenden, um ein aus zwei
Komponenten bestehendes Gasgemisch isotherm bei Umgebungstemperatur Tu in
seine Bestandteile zu zerlegen.
11.6
Exergieverlust und Exergiebilanz
In nichtumkehrbaren Prozessen nimmt, wie wir sahen, die Entropie Sirr im Inneren
des Systems zu, und es wird ein Teil der Energie dissipiert. Bei allen Austausch-
prozessen tritt das System über die Austauschvariablen, beispielsweise über die Ar-
beitskoordinate V und die Entropie S in Kontakt mit der Umgebung. Die gesamte
Änderung dS der Entropie setzt sich daher zusammen aus dem Anteil dS SG auf-
grund des Wärme- und Materieaustausches über die Systemgrenze und dem Anteil
dSirr , der durch Dissipation erzeugt wird [Gl. (9.2)]. Es war
dS = dS SG + dSirr = dSM + dSQ + dSirr .
Wir betrachten nun ein geschlossenes System. Dann ist dS SG = dSQ . In dem Sy-
stem kann man die gleiche gesamte Entropieänderung natürlich auch dadurch er-
zielen, dass man einen reversiblen Ersatzprozess ausführt (dSirr = 0) und ihm die
Wärme dQ zusammen mit der Dissipationsenergie dΨ als Wärme dQ von außen
zuführt
dQ = dQ + dΨ.
Die Entropieänderung ist dann gegeben durch
220 11. Energieumwandlungen und Exergie
T dS = dQ = T dSQ
= T dSQ + T dSirr .
Enthält das Ersatzsystem Maschinen und Apparate zur Umwandlung von Wärme in
Arbeit, so kann, wie im vorigen Kapitel gezeigt wurde, nur ein Teil der zugeführten
Wärme dQ in Arbeit verwandelt werden. Wäre der ursprüngliche Prozess reversibel
(dΨ = 0) gewesen, so würde man die Wärme dQ zuführen und nach Gl. (11.3) aus
der zugeführten Wärme gerade in maximale Arbeit
Tu
−(dLex )Q = 1 − dQ
T
gewinnen. Da man in dem Ersatzprozess außerdem noch die Dissipationsenergie
dΨ als Wärme von außen zuführt, wird zusätzlich eine maximale Arbeit
Tu
−dLex = 1 − dΨ (11.6)
T
gewonnen. Die dissipierte Energie ist demnach nicht vollständig verloren, sondern
der durch Gl. (11.6) gegebene Anteil ist in Exergie umwandelbar!
Den reversiblen Ersatzprozess, in dem die Dissipationsenergie als Wärme zu-
geführt und in Arbeit dLex umgewandelt wird, denken wir uns durch das Schema
nach Abb. 11.2 verwirklicht.
Von der als Wärme zugeführten Dissipationsenergie dΨ wird in einem reversi-
blen Prozess der Anteil
Tu
1− dΨ
T
als Arbeit gewonnen, während der restliche Anteil
Tu
dΨ
T
der Umgebung als Wärme zugeführt wird und nicht mehr in Arbeit umwandelbar
ist. Für den restlichen Anteil kann man wegen Gl. (9.7) auch schreiben
Tu
dΨ = Tu dSirr .
T
11.6 Exergieverlust und Exergiebilanz 221
Die gewinnbare maximale Arbeit wird demnach bei allen irreversiblen Prozessen
um diesen Anteil vermindert. Man bezeichnet diesen der Umgebung als Wärme
zugeführten Teil der Dissipationsenergie als Exergieverlust. Dieser ist also durch
die wichtige Beziehung
2 2
Tu
ExV 12 = Tu dSirr = dΨ = Tu ΔSirr,12 (11.7)
T
1 1
gegeben. Nach den Ausführungen in Kapitel 11.4 ist der Exergieverlust die Anergie
der Dissipationsenergie.
Für irreversible Prozesse geschlossener adiabater Systeme ist die gesamte
Entropieänderung gleich der Entropieänderung im Inneren des Systems, dS =
dSirr , und daher der Exergieverlust gegeben durch
2
(ad)
ExV 12 = Tu dS = Tu (S2 − S1 ). (11.7a)
1
Für die Exergie gilt somit im Gegensatz zur Energie kein Erhaltungssatz! In
jedem irreversiblen Prozess wird Exergie vernichtet, die maximal gewinnbare Arbeit
nimmt ab um den durch die Gl. (11.7) bzw. (11.7a) gegebenen Anteil.
Wie man aus dem Quotienten
dExV Tu
= (11.7b)
dΨ T
erkennt, ruft der gleiche Anteil an Dissipationsenergie einen um so größeren Exer-
gieverlust hervor, je tiefer die Temperatur T ist. Nichtumkehrbarkeiten wirken sich
daher thermodynamisch um so ungünstiger aus, je tiefer die Temperatur ist, bei wel-
cher ein Prozess abläuft.
Ist das System kälter als seine Umgebung, T < Tu , so ist nach Gl. (11.7b)
der Exergieverlust dExV größer als die dissipierte Energie dΨ. Dieses zunächst
überraschende Ergebnis wird folgendermaßen verständlich: Will man die Dissipa-
tionsenergie einem System als Wärme bei einer tiefen Temperatur T zuführen und
auf die Umgebungstemperatur Tu anheben, so muss man noch eine Arbeit dL ver-
richten. Die an die Umgebung abgeführte Wärme ist in diesem Fall gleich dem
Exergieverlust dExV . Er besteht aus der als Wärme zugeführten Dissipationsener-
gie dΨ und der zugeführten Arbeit dL :
dExV = dΨ + dL , (11.7c)
woraus man mit Gl. (11.7b) die Arbeit dL erhält, um die der Exergieverlust größer
als die Dissipationsenergie ist
Tu
dL = dExV − dΨ = − 1 dΨ. (11.7d)
T
Nach Gl. (11.7) kann man Exergieverluste leicht berechnen, wenn man die Dissipa-
tionsenergie kennt. Da wir diese aber bereits für zahlreiche irreversible Prozesse in
222 11. Energieumwandlungen und Exergie
Kap. 10 ermittelt haben, können wir die Exergieverluste dieser Prozesse anschrei-
ben. Als Ergebnis dieser Umrechnungen sind in Tabelle 11.1 die Exergieverluste der
in Kap. 10 behandelten technisch wichtigen Prozesse zusammengestellt.
Wärmeübertragung T1 − T2 (10.4)
von einem Fluid der dExV = Tu dQ
T1 T2
Temperatur T1 auf ein
Fluid der Temperatur
T2 < T1
˙ V =−
Ex Ṁzu · lex, zu + P + Q̇j 1 − + Ṁab · lex, ab . (11.8)
zu j
Tj
ab
Gl. (11.8) setzt dabei voraus, dass die Wärmeströme Q̇j bei jeweils konstanten Tem-
peraturen übertragen werden.
Die Exergiebilanz ist im Prinzip einer Entropiebilanz äquivalent, da stets
˙ V = Tu · Ṡirr
Ex (11.9)
gilt und die Entropieproduktion aus einer Entropiebilanz ermittelt werden kann.
Beispiel 11.1 Ein gut isolierter Rührkessel enthält 5 kg einer Flüssigkeit (spez.
Wärmekapazität c = 0,8 kJ/(kgK)) bei Umgebungszustand (pu = 1 bar, Tu = 300 K).
Durch das Rührwerk wird der Flüssigkeit eine Arbeit von 0,2 kWh zugeführt.
a) Wie groß ist der Exergieverlust?
b) Welcher Anteil der Energie, die der Flüssigkeit zugeführt wird, könnte bestenfalls
als Arbeit wiedergewonnen werden?
c) Wie groß sind die Exergien der Flüssigkeit im Anfangs- und im Endzustand der Pro-
zesse?
zu a) Wie aus Gl. (8.33) folgt, ist S1 − Su = M c ln T1 /Tu . Die Temperatur T1 folgt aus
einer Energiebilanz U1 − Uu = Lu1 unter Berücksichtigung der kalorischen Zustands-
gleichung U1 − Uu = M c (T1 − Tu ) zu
U1 − Uu Lu1
T1 = Tu + = T1 +
Mc Mc
0,2kWh · 3600s/h
T1 = 300K + = 480K.
5kg · 0,8kJ/(kgK)
kJ 480
Damit wird S1 − Su = 5 kg · 0,8 ln = 1,88 kJ/kg = (ΔSirr )1u .
kgK 300
Der Exergieverlust ist nach Gl. (11.7)
ExV = Tu (ΔSirr )1u = 300 K · 1,88 kJ/K = 564 kJ
224 11. Energieumwandlungen und Exergie
zu b) Nach Gl. (11.1a) kann man aus der inneren Energie höchstens die Arbeit
−Lex = U1 − Uu − Tu (S1 − Su ) = M c (T1 − Tu ) − Tu (S1 − Su )
kJ kJ
= 5kg · 0,8 (480 − 300)K − 300K · 1,88
kgK K
−Lex = 156kJ
gewinnen. Dies ist die Differenz zwischen zugeführter Arbeit und Exergieverlust.
zu c) Im Anfangszustand (Umgebungszustand) besitzt die Flüssigkeit keine Exergie. Im
Endzustand ist die Exergie
−Lex = 156kJ.
Aufgabe 11.2 In einer Pressluftflasche von V = 100 l Inhalt befindet sich Luft von
p1 = 50 bar und t1 = 20 ◦ C. Die Umgebungsluft habe einen Druck p2 = 1 bar und
eine Temperatur t2 = 20 ◦ C.
Wie groß ist die aus der Flasche gewinnbare Arbeit, wenn man den Inhalt a) isotherm,
b) adiabat auf den Druck der Umgebung entspannt? Welche tiefste Temperatur tritt in
der Flasche auf, wenn man das Ventil öffnet und den Inhalt in die Umgebung abblasen
lässt, bis der Druck in der Flasche auch auf 1 bar gesunken ist und wenn der Vorgang
so schnell abläuft, dass kein merklicher Wärmeaustausch zwischen Flasche und Inhalt
stattfindet? Welche Entropiezunahme ist durch das Abblasen eingetreten, nachdem auch
die Temperaturen sich ausgeglichen haben?
Aufgabe 11.3 1 kg eines idealen Gases (R = 0,2872 kJ/(kg K), κ = 1,4) wird vom
Zustand 1, p1 = 8 bar, T1 = 400 K, auf Umgebungszustand pu = 1 bar, Tu = 300 K
entspannt.
Welche Arbeit kann hierbei maximal gewonnen werden?
Aufgabe 11.4 In einer Gasturbine wird ein ideales Gas (R = 0,2872 kJ/(kg K), κ =
1,4) vom Anfangszustand p1 = 15 bar, T1 = 800 K, w1 ≈ 0 adiabat auf den Druck
p2 = 1,5 bar entspannt. Das Gas verlässt die Turbine mit einer Temperatur T2 = 450 K
und einer Geschwindigkeit w2 = 100 m/s.
a) Welche Leistung gibt die Turbine ab, wenn der Massenstrom des Gases Ṁ = 10 kg/s
beträgt?
b) Wie groß ist der Exergieverlust? Umgebungstemperatur Tu = 300 K.
Aufgabe 11.5 In einem Wärmeaustauscher wird zwischen zwei durch eine Wand ge-
trennten Gasströmen der mittleren Temperatur T1 = 360 K und T2 = 250 K ein
Wärmestrom von Q̇ = 1 MW übertragen. Die Umgebungstemperatur beträgt Tu =
300 K.
a) Wie groß ist der Exergieverlust?
b) Man gebe eine zweckmäßige allgemeine Definition des exergetischen Wirkungsgra-
des an.
11.6 Exergieverlust und Exergiebilanz 225
Aufgabe 11.6 Aus der Umgebung mit der Temperatur tu = +20 ◦ C strömen in einen
Kühlraum, in dem eine Temperatur von t1 = −15 ◦ C herrscht, 35 kW hinein.
Welche theoretische Leistung erfordert eine Kältemaschine, die dauernd −15 ◦ C im
Kühlraum aufrechterhalten soll, wenn sie Wärme bei +15 ◦ C an Kühlwasser abgibt?
Wieviel Kühlwasser wird stündlich verbraucht, wenn es sich um 7 ◦ C erwärmt?
Aufgabe 11.7 In einem adiabat isolierten Lufterhitzer werden 10 kg/s Luft isobar von
der Umgebungstemperatur Tu = 300 K und pu = 1 bar durch einen Rauchgasstrom
von 10 kg/s erwärmt, der sich dabei von 1200 K auf 800 K abkühlt.
a) Auf welche Temperatur wird die Luft erwärmt?
b) Welcher Exergieverlust entsteht durch den Wärmeaustausch in dem Lufterhitzer?
Spezifische Wärmekapazität der Luft cpL = 1,0 kJ/(kg K),
spezifische Wärmekapazität des Rauchgases
kJ kJ
cpR = 1,1 + 0,5 · 10−3 T.
kg K kg K2
Aufgabe 11.8 In einem isolierten, starren Behälter befinden sich durch eine starre adia-
bate Wand voneinander getrennt zwei ideale Gase. Die eine Kammer enthält M = 18
kg Gas von V = 10 m3 , p1 = 1 bar, T1 = 294 K, die andere Kammer M = 30 kg
Gas von V = 3 mm3 ,p1 = 10 bar und T1 = 530 K.
a) Welche Endtemperatur und welcher Enddruck stellen sich ein, wenn man die Trenn-
wand entfernt?
b) Man zeige, dass die Mischung irreversibel ist, und berechne den Exergieverlust. Gas-
konstante R = R = 0,189 kJ/(kg K), spezifische Wärmekapazität cv = cv = 0,7
kJ/(kg K), Umgebungstemperatur tu = 20 ◦ C.
Kapitel 12:
Allgemeine Beziehungen zwischen
kalorischen und thermischen Zustandsgrößen
12.1
Darstellung der thermodynamischen Eigenschaften durch
Zustandsgleichungen
denen man jede der Variablen unabhängig von den übrigen verändern und außerdem
die Absolutwerte der Variablen ermitteln kann. Die praktische Durchführung dieses
Vorhabens stößt auf erhebliche Schwierigkeiten, denn man misst bekanntlich immer
nur Differenzen der inneren Energie und kann Entropien nicht direkt messen. Man
kann bestenfalls Entropieunterschiede aus Messwerten berechnen, beispielsweise
aus der in einem reversiblen Prozess zugeführten Wärme und der Temperatur, bei
der die Wärme zugeführt wird.
Leichter zu messen sind hingegen intensive Größen wie Druck, Temperatur u.a.,
welche man durch Differentiation aus der Fundamentalgleichung gewinnt. Im Ge-
gensatz zu den Variablen U und S kann man sie sogar absolut messen. Die Forde-
rung, eine Fundamentalgleichung aus Messwerten der extensiven Zustandsgrößen
U , S und V aufzubauen und anschließend durch Differentiation die intensiven
Zustandsgrößen T , p u.a. zu berechnen, steht also in direktem Gegensatz zu den
Möglichkeiten der Messtechnik. Diese kennt viele genaue Verfahren zur Ermittlung
der intensiven Zustandsgrößen, während von den Zustandsgrößen, die man zum
Aufstellen der Fundamentalgleichung braucht, die innere Energie und die Entropie
nicht absolut bestimmt werden können und schließlich die Entropie gar nicht direkt
gemessen werden kann. Hinzu kommt, dass durch Differentiation der Fundamental-
gleichung alle Messfehler vergrößert werden, sodass man U , S und V sehr genau
bestimmen müsste, um daraus zuverlässige Werte für die intensiven Zustandsgrößen
zu erhalten.
In der Praxis geht man daher so vor, dass man in den meisten Fällen auf ei-
ne Ermittlung der Fundamentalgleichung verzichtet und nur die thermischen Zu-
standsgrößen p, V , T und gelegentlich auch die kalorischen Zustandsgrößen cp , cv ,
h, u misst und anschließend die Messwerte durch eine Interpolationsgleichung dar-
stellt. Wie wir noch sehen werden, kann man auch auf die Messung der kalorischen
Zustandsgrößen verzichten und aus gemessenen thermischen Zustandsgrößen die
kalorischen unter Zuhilfenahme der spezifischen Wärmekapazitäten idealer Gase
berechnen.
Die Darstellung der Messwerte durch Interpolationsgleichungen ist meistens
mehr oder weniger gut theoretisch begründet, und es gibt eine Vielzahl von Vor-
schlägen für Gleichungsansätze. Derartige Gleichungen sind für weitere Rechnun-
gen notwendig und nützlich, worauf wir im Einzelnen bei der Berechnung von Zu-
standsgrößen noch zurückkommen.
Die Messmethoden zur Ermittlung der thermischen Zustandsgrößen sind in den
letzten Jahren sehr verfeinert worden. Will man Enthalpien aus thermischen Zu-
standsgleichungen berechnen, so sind, wie noch zu zeigen sein wird, Differentia-
tionen und Integrationen erforderlich. Da beim Differenzieren bekanntlich die Feh-
ler einer durch Versuche aufgenommenen Funktion sich stark vergrößern, muss die
thermische Zustandsgleichung sehr genau bekannt sein, wenn die Enthalpie sich aus
ihr ohne große Fehler ergeben soll. Man bestimmt daher die Enthalpie häufig unmit-
telbar, indem man in einem Kalorimeter strömendem Dampf bei konstantem Druck
durch elektrische Heizung Wärme zuführt und den Temperaturanstieg beobachtet.
Die zugeführte Wärme ist dann gleich der Änderung der Enthalpie, und wenn man
12.2 Innere Energie und Enthalpie als Funktion der thermischen Zustandsgrößen 229
12.2
Innere Energie und Enthalpie als Funktion der
thermischen Zustandsgrößen
Um die spezifische innere Energie und die spezifische Enthalpie als Funktionen der
thermischen Zustandsgrößen p, v und T auszudrücken, schreiben wir die kalori-
schen Zustandsgleichungen u(T,v) sowie h(T,p) als totale Differentiale:
∂u ∂u
du = dT + dv , (12.1)
∂T v ∂v T
∂h ∂h
dh = dT + dp . (12.2)
∂T p ∂p T
Auch die spezifische Entropie kann als Funktion der thermischen Zustandsgrößen
als kalorische Zustandsgleichung in der Form s(T, v) bzw. s(T, p) dargestellt werden.
Die totalen Differentiale beider Funktionen lauten:
∂s ∂s
ds = dT + dv , (12.5)
∂T v ∂v T
230 12. Beziehungen zwischen kalorischen und thermischen Zustandsgrößen
∂s ∂s
ds = dT + dp . (12.6)
∂T p ∂p T
Die totalen Differentiale der inneren Energie bzw. der Enthalpie einerseits und der
Entropie andererseites sind durch die Gibbsschen Fundamentalgleichungen (Kap.
8.5) verknüpft, die wir in der Entropieform schreiben. Es gilt
du p
ds = + dv ,
T T
dh v
ds = − dp .
T T
Durch Einsetzen der totalen Differentiale der inneren Energie (12.1) bzw. der Ent-
halpie (12.2) in die jeweilige Gibbssche Fundamentalgleichung und Zusammenfas-
sen der Terme mit dv bzw. dp erhält man folgende Ausdrücke:
1 ∂u 1 ∂u
ds = dT + + p dv , (12.7)
T ∂T v T ∂v T
1 ∂h 1 ∂h
ds = dT + − v dp . (12.8)
T ∂T p T ∂p T
Sowohl die Gleichungen (12.5) bzw. (12.6) als auch die Gleichungen (12.7) bzw.
(12.8) beschreiben totale Differentiale der spezifischen Entropie in den Variablen v
und T bzw. p und T . Die Gleichungen (12.5) und (12.7) müssen somit identisch
sein. Gleiches gilt für die Gleichungen (12.6) und (12.8).
Ein Vergleich der Koeffizienten in den Gleichungen (12.5) und (12.7) ergibt:
∂s 1 ∂u
= , (12.9)
∂T v T ∂T v
∂s 1 ∂u
= +p . (12.10)
∂v T T ∂v T
In gleicher Weise folgt aus dem Vergleich der Koeffizienten in den Gleichungen
(12.6 und 12.8):
∂s 1 ∂h
= , (12.11)
∂T p T ∂T p
∂s 1 ∂h
= −v . (12.12)
∂p T T ∂p T
Für vollständige Differentiale ist die Reihenfolge der Differentation bei der Bildung
der gemischten zweiten Ableitung beliebig, wie in Kap. 1.4 bereits erwähnt wurde
(Satz von Schwarz)1 .Es folgt
1
Korrekterweise
∂
∂s müsste
∂ man
∂s schreiben
∂v ∂T v T
= ∂T ∂v T v
Wir wollen aber hier der Einfachheit halber die in der Mathematik übliche verkürzte
Schreibweise der zweiten gemischten Ableitung benutzen.
12.2 Innere Energie und Enthalpie als Funktion der thermischen Zustandsgrößen 231
Durch die Gleichheit der gemischten Ableitungen von u bzw. h entfallen diese Sum-
manden auf beiden Seiten der Gleichungen. Nach Umsortieren der Terme erhält man
für die Ableitungen der inneren Energie nach dem Volumen bzw. der Enthalpie nach
dem Druck folgende Beziehungen:
∂u ∂p
=T −p, (12.13)
∂v T ∂T v
∂h ∂v 2 ∂(v/T )
=v−T = −T . (12.14)
∂p T ∂T p ∂T p
Damit kann man nun die vollständigen Differentiale der spezifischen inneren Ener-
gie und der spezifischen Enthalpie für reale Fluide in allgemeingültiger Weise for-
mulieren:
∂p
du = cv (T, v) dT + T − p dv , (12.15)
∂T v
∂v
dh = cp (T, p) dT + v − T dp . (12.16)
∂T p
Die Ausdrücke in den eckigen Klammern kann man aus thermischen Zustands-
gleichungen der Form p(T, v) bzw. v(T, p) berechnen.
Für ideale Gase folgt mit der Zustandsgleichung des idealen Gases p = RT /v bzw.
v = RT /p aus (12.13) bzw. (12.14)
∂u ∂h
= 0 und =0.
∂v T ∂p T
Damit ist der Beweis erbracht, dass bei idealen Gasen die innere Energie keine
Funktion des Volumens und die Enthalpie keine Funktion des Drucks ist.
Für ideale Gase gilt somit exakt
u = u(T ) und h = h(T ) .
Die Integration der Gleichungen (12.15) und (12.16) erfolgt zweckmäßigerweise in
mehreren Schritten bei jeweils konstanten Werten einer Variablen. In Abb. 12.1 sind
232 12. Beziehungen zwischen kalorischen und thermischen Zustandsgrößen
Abbildung 12.1.
Integrationswege für
die Berechnung einer
Enthalpiedifferenz
Δh = h2 − h1
Da innere Energie und Enthalpie Zustandsgrößen sind, ist die Wahl des Integra-
tionsweges selbstverständlich beliebig und nur dadurch bestimmt, welche Funktion
cv (T, v) bzw. cp (T, p) für die Berechnung bekannt ist.
Der Integrationsweg A (1 → 1’ → 2) setzt voraus, dass eine Funktion cp (T, p1 )
bekannt ist. Es gilt
T2 p2
∂v
Δh = cp (T, p1 ) dT + v(p, T2 ) − T2 dp . (12.17)
∂T p
T1 p1
In vielen Fällen ist allerdings nur die spezifische Wärmekapazität des idealen Gases,
d.h. im Grenzzustand p → 0 bekannt.
c◦p = cp (T, p = 0) (12.18)
Dann ist die Integration in drei Abschnitten zu vollziehen:
0 T2
∂v
Δh = v(p, T1 ) − T1 dp + c◦p (T ) dT (12.19)
∂T p
p1 T1
p2
∂v
+ v(p, T2 ) − T2 dp .
∂T p
0
Ausgehend von Gl. (12.19) kann man die Enthalpie h(T,p) auch als absolute
Größe darstellen, wenn man von einer beliebig festzulegenden Nullpunktsenthalpie
h(T0 ) eines idealen Gases beginnend bis zu den aktuellen Werten von p und T
integriert. Es gilt
T p
◦ ∂v
h(p,T ) = h0 (T0 ) + cp (T ) dT + v(p,T ) − T dp (12.19a)
∂T p
T0 0
oder
12.3 Die Entropie als Funktion der thermischen Zustandsgrößen 233
T p
∂(v/T )
h(p,T ) = h0 (T0 ) + c◦p (T ) dT − T 2
dp . (12.19b)
∂T
T0 0
12.3
Die Entropie als Funktion der thermischen
Zustandsgrößen
Unter Verwendung der in Kapitel 12.2 hergeleiteten Beziehungen für die voll-
ständigen Differentiale du und dh lassen sich nunmehr in einfacher Weise
die entsprechenden Zusammenhänge für die Differentiale der Entropiefunktionen
s(T, v) sowie s(T, p) formulieren.
∂s ∂p
= , (12.24)
∂v T ∂T v
∂s ∂v
=− . (12.25)
∂p T ∂T p
Man kann die Entropie auch als Funktion der beiden unabhängigen Variablen p und
v darstellen. Das vollständige Differential der Funktion s(p,v) ist
∂s ∂s
ds = dp + dv . (12.26)
∂p v ∂v p
Setzt man darin unter Berücksichtigung der Gleichungen (12.22) und (12.23)
∂s ∂s ∂T cv ∂T
= =
∂p v ∂T v ∂p v T ∂p v
und
∂s ∂s ∂T cp ∂T
= = ,
∂v p ∂T p ∂v p T ∂v p
so wird
cv ∂T cp ∂T
ds = dp + dv . (12.27)
T ∂p v T ∂v p
RT RT
Für ideale Gase gilt p = bzw. v = .
v p
Berechnet man hierfür die partiellen Ableitungen in den Gleichungen (12.20) und
(12.21),
∂p R ∂v R
= und = ,
∂T v v ∂T p p
dT dv
ds = cv (T ) +R
T v
und
dT dp
ds = cp (T ) −R .
T p
12.4 Die spezifischen Wärmekapazitäten 235
12.4
Die spezifischen Wärmekapazitäten
Differenziert man cp in Gl. (12.23) partiell nach p bei konstantem T , so erhält man
∂cp ∂2s
=T .
∂p T ∂T ∂p
Andererseits ergibt Gl. (12.25) bei nochmaligem Differenzieren
2
∂2s ∂ v
=− .
∂p ∂T ∂T 2 p
Daraus folgt wegen der Gleichheit der gemischten Ableitungen (Satz von Schwarz)
die Clausiussche Differentialgleichung
2
∂cp ∂ v
= −T , (12.28)
∂p T ∂T 2 p
welche die Änderung von cp längs der Isotherme für einen kleinen Druckanstieg ver-
knüpft mit dem zweiten Differentialquotienten (∂ 2 v/∂T 2 )p eines isobaren Weges
auf der p,v,T-Zustandsfläche.
Integrieren wir Gl. (12.28) längs einer Isotherme, vom Druck Null beginnend,
so wird
p p 2
∂cp ∂ v
cp (p, T ) − cp (p = 0, T ) = dp = −T dp .
∂p T ∂T 2 p
0 0
Dabei ist cp (p = 0,T ) die spezifische Wärmekapazität c◦p (T ) des idealen Gases,
und wir können schreiben
p 2
◦ ∂ v
cp = cp − dp . (12.29)
∂T 2 p
0
In entsprechender Weise kann man cv in Gl. (12.22) bei konstantem T partiell nach
v differenzieren und erhält dann mit Hilfe von Gl. (12.24) für cv die Differential-
gleichung
2
∂cv ∂ p
=T . (12.30)
∂v T ∂T 2 v
Die Differenz der spezifischen Wärmekapazitäten cp − cv ist bei Dämpfen nicht
mehr gleich R wie beim idealen Gas. Setzt man die beiden Ausdrücke (12.20) und
(12.21) für das Differential der Entropie einander gleich, so erhält man
∂p ∂v ∂v ∂p
cp − cv = T + . (12.31)
∂T v ∂T ∂T p ∂T
Da die Veränderlichen p, v und T durch die Zustandsgleichung verknüpft sind, gilt
236 12. Beziehungen zwischen kalorischen und thermischen Zustandsgrößen
∂v ∂v
dv = dT + dp .
∂T p ∂p T
Ersetzt man damit dv in Gl. (12.31) durch dT und dp und beachtet, dass wegen
Gl. (3.9)
∂p ∂v ∂v
+ =0
∂T p ∂p T ∂T p
ist, so erhält man
∂p ∂v
cp − cv = T . (12.32)
∂T v ∂T p
Wendet man die Beziehungen (12.32) auf die Zustandsgleichung des idealen
Gases an, so muss die rechte Seite, wie man sich leicht überzeugt, natürlich R erge-
ben.
Kapitel 13:
Thermodynamische Eigenschaften der Materie
In diesem Kapitel wollen wir uns mit dem Verhalten realer Stoffe im gesamten
fluiden und festen Zustandsbereich befassen. Die dabei auftretenden Phänomene,
z.B. bei Phasenübergängen zwischen festen, flüssigen und gasförmigen Phasen
sind für alle Stoffe prinzipiell gleich. Unterschiede ergeben sich lediglich in den
Temperatur- und Druckbereichen, in denen gewisse Phänomene auftreten.
Als Dämpfe bezeichnet man Gase in der Nähe ihrer Verflüssigung. Man nennt
einen Dampf gesättigt, wenn schon eine beliebig kleine Temperatursenkung ihn ver-
flüssigt; er heißt überhitzt, wenn es dazu einer endlichen Temperatursenkung bedarf.
Gase sind nichts anderes als stark überhitzte Dämpfe. Da sich alle Gase verflüssigen
lassen, besteht kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Gasen und Dämpfen; bei
genügend hoher Temperatur und niedrigen Drücken nähert sich das Verhalten bei-
der dem des idealen Gases.
Flüssigkeiten und Gase bzw. Dämpfe werden auch als Fluide bezeichnet.
13.1
Thermische Zustandsgrößen und p,v,T-Diagramme
Als wichtigstes Beispiel eines realen Stoffes behandeln wir Wasser, doch verhal-
ten sich andere Stoffe, wie z.B. Kohlendioxid, Ammoniak, Schwefeldioxid, Luft,
Sauerstoff, Stickstoff, Quecksilber usw. ganz ähnlich, nur liegen die Zustände ver-
gleichbaren Verhaltens in anderen Druck- und Temperaturbereichen.
Im Vordergrund unserer Betrachtungen stehen dabei fluide Phasen und deren
Phasenübergänge, aufgrund ihrer Bedeutung in der Technik.
Bei der Verflüssigung trennt sich die Flüssigkeit vom Dampf längs einer deut-
lich erkennbaren Grenzfläche, bei deren Überschreiten sich gewisse Eigenschaf-
ten des Stoffes, wie z.B. Dichte, innere Energie, Brechungsindex usw., sprunghaft
ändern, obgleich Druck und Temperatur dieselben Werte behalten. Eine Grenz-
fläche gleicher Art tritt beim Erstarren zwischen der Flüssigkeit und dem festen
Körper auf. Man bezeichnet solche trotz gleichen Druckes und gleicher Temperatur
durch sprunghafte Änderungen der Eigenschaften unterschiedene Zustandsgebiete
als Phasensysteme, wie bereits in Kapitel 1.4. erläutert wurde. Eine Phase braucht
nicht aus einem chemisch einheitlichen Stoff zu bestehen, sondern kann auch ein
Gemisch aus mehreren Stoffen sein, z.B. ein Gasgemisch, eine Lösung oder ein
Mischkristall. Da sich Gase stets unbeschränkt mischen, wenn man von extrem
hohen Drücken absieht, kann ein aus mehreren chemischen Bestandteilen zusam-
mengesetztes gasförmiges System nur eine Gasphase haben. Dagegen sind immer
so viele flüssige und feste Phasen vorhanden wie nicht miteinander mischbare Be-
standteile. Auch ein chemisch einheitliches System kann mehr als eine feste Phase
haben, wenn es in verschiedenen Modifikationen vorkommt (Allotropie).
In einem Zylinder befinde sich 1 kg Wasser von 0 ◦ C unter konstantem, etwa
nach Abb. 13.1 durch einen belasteten Kolben hervorgerufenem Druck.
Erwärmen wir das Wasser, so zieht es sich zunächst ein wenig zusammen, er-
reicht sein kleinstes Volumen bei +4 ◦ C, falls der Druck gleich 1 bar ist, und dehnt
sich dann bei weiterer Erwärmung wieder aus.
Diese Volumenabnahme des Wassers bei Erwärmung von 0 auf 4 ◦ C ist eine
ungewöhnliche, bei anderen Flüssigkeiten nicht auftretende Erscheinung. Man er-
klärt sie damit, dass im Wasser außer H2 O-Molekülen auch noch die Molekülarten
H4 O2 und H6 O3 vorhanden sind, die verschiedene Dichten haben und deren
13.1 Thermische Zustandsgrößen und p,v,T-Diagramme 239
Mengenverhältnis von der Temperatur abhängt. Sind nun bei höherer Temperatur
verhältnismäßig mehr Moleküle der dichteren Arten vorhanden, so tritt eine Volu-
menabnahme auf, obwohl jede Molekülart ihr Volumen mit steigender Temperatur
vergrößert.
Wenn bei dem konstant gehaltenen Druck von 1 bar die Temperatur von rund
100 ◦ C (genau 99,632 ◦C) erreicht wird, beginnt sich aus dem Wasser unter sehr er-
heblicher Volumenvergrößerung Dampf von gleicher Temperatur zu bilden. Solange
noch Flüssigkeit vorhanden ist, bleibt die Temperatur trotz weiterer Wärmezufuhr
unverändert. Man nennt den Zustand, bei dem sich flüssiges Wasser und Dampf im
Gleichgewicht befinden, Sättigungszustand, gekennzeichnet durch Sättigungsdruck
und Sättigungstemperatur. Erst nachdem alles Wasser zu Dampf geworden ist, des-
sen Volumen bei 100 ◦ C das 1673fache des Volumens von Wasser bei +4 ◦ C be-
trägt, steigt die Temperatur des Dampfes weiter an, und der Dampf geht aus dem
gesättigten in den überhitzten Zustand über.
Führt man den Verdampfungsvorgang bei verschiedenen Drücken durch, so
ändert sich die Verdampfungstemperatur. Die Abhängigkeit des Sättigungsdruckes
von der Sättigungstemperatur heißt Dampfdruckkurve, sie ist in Abb.13.2 für einige
technisch wichtige Stoffe dargestellt.
Die Dampfdruckkurve beginnt im Tripelpunkt. Er kennzeichnet den Zustand, in
dem die drei Phasen Gas, Flüssigkeit und Festkörper miteinander im Gleichgewicht
stehen. Sie endet im kritischen Punkt, in dem flüssige und gasförmige Phase stetig
ineinander übergehen.
Verdampft man bei verschiedenen Drücken und trägt die beobachteten spezifi-
schen Volumina der Flüssigkeit bei Sättigungstemperatur vor der Verdampfung und
des gesättigten Dampfes nach der Verdampfung, die wir von jetzt ab mit v und v
bezeichnen wollen, in einem p,v-Diagramm auf, so erhält man zwei Kurven a und
b der Abb. 13.3, die linke und die rechte Grenzkurve.
Bei nicht zu hohen Drücken verläuft die linke Grenzkurve fast parallel zur Ordi-
nate. Mit steigendem Druck wird die Volumenzunahme v −v bei der Verdampfung
immer kleiner, die beiden Kurven nähern sich und gehen schließlich, wie Abb. 13.3
zeigt, in einem Punkt K ineinander über, den man als kritischen Punkt bezeichnet.
Für ihn gilt:
∂p ∂2p
= 0 und = 0.
∂v T ∂v 2 T
240 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
Wärmezufuhr bei höheren Drücken verursacht nur ein stetiges Steigen der Tempe-
ratur und eine stetige Volumenzunahme, ohne dass der Stoff sich in eine flüssige
und eine gasförmige Phase trennt. Die flüssige Phase geht kontinuierlich in die Gas-
phase über, ohne dass eine Phasengrenze wahrnehmbar ist. In Dampfkesseln wird
manchmal eine solche Erwärmung von Wasser oberhalb des kritischen Druckes aus-
geführt.
Der Druck, bei dem die Verdampfung, d.h. die Volumenzunahme durch
Wärmezufuhr unter konstantem Druck ohne gleichzeitigen Temperaturanstieg, ge-
rade aufhört und die flüssige Phase kontinuierlich in die Gasphase überzugehen
beginnt, heißt kritischer Druck pk , die zugehörige Temperatur kritische Tempera-
tur Tk , und das dabei vorhandene spezifische Volumen ist das kritische Volumen
vk . Bei Wasser liegt nach den neuesten Untersuchungen der kritische Punkt bei
pk = 220,64 bar und Tk = 647,096 K(373,946 ◦C), und das kritische Volumen
beträgt vk = 3,106 × 10−3 m3 /kg1 .
In Tabelle 13.1 sind die kritischen Daten einiger technisch wichtiger Stoffe an-
gegeben. Das kritische Volumen ist in allen Fällen rund dreimal so groß wie das
spezifische Volumen der Flüssigkeit bei kleinen Drücken in der Nähe ihres Erstar-
rungspunktes. Bei den meisten organischen Fluiden liegt der kritische Druck zwi-
schen 30 und 80 bar.
1
Vgl. hierzu Wagner, W. et al.: The IAPWS Industrial Formulation 1997 for the Ther-
modynamic Properties of Water and Steam. Transactions of the ASME, Vol. 122 (2000)
150-182.
13.1 Thermische Zustandsgrößen und p,v,T-Diagramme 241
Tabelle 13.1. Kritische Daten einiger Stoffe, geordnet nach den kritischen Temperaturen
Zeichen M pk Tk vk
kg/kmol bar K dm3 /kg
Quecksilber Hg 200,59 1490 1765 0,213
Anilin C 6 H7 N 93,1283 53,1 698,7 2,941
Wasser H2 O 18,0153 220,64 647,1 3,106
Benzol C6 H−6 78,1136 48,98 562,1 3,311
Ethylalkohol C2 H5 OH 46,0690 61,37 513,9 3,623
Diethylether C4 H10 O 74,1228 36,42 466,7 3,774
Ethylchlorid C2 H5 Cl 64,5147 52,7 460,4 2,994
Schwefeldioxid SO2 64,0588 78,84 430,7 1,901
Methylchlorid CH3 Cl 50,4878 66,79 416,3 2,755
Ammoniak NH3 17,0305 113,5 405,5 4,255
Chlorwasserstoff HCl 36,4609 83,1 324,7 2,222
Distickstoffmonoxid N2 O 44,0128 72,4 309,6 2,212
Acetylen C 2 H2 26,0379 61,39 308,3 4,329
Ethan C 2 H6 30,0696 48,72 305,3 4,926
Kohlendioxid CO2 44,0098 73,84 304,2 2,156
Ethylen C 2 H4 28,0528 50,39 282,3 4,651
Methan CH4 16,0428 45,95 190,6 6,173
Stickstoffmonoxid NO 30,0061 65 180 1,901
Sauerstoff O2 31,999 50,43 154,6 2,294
Argon Ar 39,948 48,65 150,7 1,873
Kohlenmonoxid CO 28,0104 34,98 132,9 3,322
Luft – 28,953 37,66 132,5 3,195
Stickstoff N2 28,0134 33,9 126,2 3,195
Wasserstoff H−2 2,0159 12,97 33,2 32,26
Helium-4 He 4,0026 2,27 5,19 14,29
1
Zusammengestellt nach:
Rathmann, D.; Bauer, J.; Thompson, Ph.A.: Max-Planck-Inst. f. Strömungsforschung,
Göttingen. Bericht 6/1978.
Atomic weight of elements 1981. Pure Appl. Chem. 55 (1983) 7, 1112–118. Ambrose, D.:
Vapour-liquid critical properties. Nat. Phys. Lab., Teddington 1980.
Damit ein Dampf sich merklich wie ein ideales Gas verhält, hatten wir bis-
her verlangt, dass er noch genügend weit von der Verflüssigung entfernt ist. Besser
würden wir sagen: sein Druck muss klein gegen den kritischen sein, denn bei kleinen
Drücken verhält sich ein Dampf auch in der Nähe der Verflüssigung noch mit guter
Annäherung wie ein ideales Gas. Da der kritische Druck fast aller Stoffe groß gegen
den atmosphärischen ist, weicht das Verhalten ihrer Dämpfe bei atmosphärischem
Druck nur wenig von dem des idealen Gases ab.
Verdichtet man überhitzten Dampf bei konstanter Temperatur, z.B. bei 300 ◦ C,
durch Verkleinern seines Volumens, so nimmt der Druck ähnlich wie bei einem idea-
len Gas nahezu nach einer Hyperbel zu, vgl. Abb. 13.3. Sobald der Sättigungsdruck
erreicht ist, beginnt die Kondensation, und das Volumen verkleinert sich ohne Stei-
gen des Druckes so lange, bis aller Dampf verflüssigt ist. Verkleinert man das Vo-
lumen noch weiter, so steigt der Druck stark an, da Flüssigkeiten ihrer Kompres-
sion einen hohen Widerstand entgegensetzen. Trägt man das Ergebnis solcher bei
242 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
Schneidet man die Fläche durch Ebenen parallel zur v,t-Ebene und projiziert die
Schnittkurven auf diese, so erhält man die Darstellung der Zustandsgleichung durch
Isobaren in der t,v-Ebene nach Abb. 13.5.
Eine dritte Darstellung nach Abb. 13.6 durch Isochoren in der p,t-Ebene erhält
man als Schar der Schnittkurven der Zustandsfläche mit den Ebenen v = const;
hierbei fallen die beiden Äste der Grenzkurve bei der Projektion in eine Kurve zu-
sammen, die nichts anderes ist als die uns schon bekannte Dampfdruckkurve, die,
wie wir sehen, im kritischen Punkt endet.
Außerhalb der Grenzkurven ist der Zustand des Dampfes oder der Flüssigkeit
stets durch zwei beliebige Zustandsgrößen gekennzeichnet. Zwischen den Grenz-
kurven ist durch eine der beiden Angaben von p oder T die andere mitbestimmt,
da während des ganzen Verdampfungsvorganges p und T unverändert bleiben.
Es wächst aber das spezifische Volumen, über das wir nun eine Angabe machen
müssen.
Dazu bezeichnet man den Dampfgehalt, d.h. den jeweils verdampften Bruchteil
des Stoffes, mit x und definiert ihn durch die Beziehung
oder abgekürzt
M
x= . (13.1)
M + M
Somit ist für die siedende Flüssigkeit an der linken Grenzkurve x = 0, da M = 0
ist, während für den trocken gesättigten Dampf an der rechten Grenzkurve x = 1 ist,
da M = 0 wird. Die linke Grenzkurve nennt man Siedelinie, die rechte Taulinie.
Das Volumen V des nassen Dampfes setzt sich zusammen aus dem Volumen M v
der siedenden Flüssigkeit und dem Volumen M v des gesättigten Dampfes
V = M v + M v .
Das spezifische Volumen v = V /(M + M ) des Dampf-Wasser-Gemisches, das
man auch als Nassdampf bezeichnet, ist somit
V M M
v= = v + v ,
M +M M +M M + M
woraus sich mit der Definition des Dampfgehaltes die Beziehung
v = (1 − x)v + xv
oder
v = v + x (v − v ) (13.2)
ergibt.
13.1 Thermische Zustandsgrößen und p,v,T-Diagramme 245
In Abb. 13.3 sind Kurven gleichen Dampfgehaltes für einige Werte von x ein-
gezeichnet, sie teilen die Verdampfungsgeraden zwischen den Grenzkurven in glei-
chen Verhältnissen.
Da das Volumen der Flüssigkeit und erst recht seine Änderung durch Druck
und Temperatur sehr klein sind, fallen die Isothermen des p,v-Diagramms und die
Isobaren des T,v-Diagramms sehr nahe mit der Grenzkurve zusammen, und diese
selber verläuft dicht neben der Achse.
Die Abweichungen des Verhaltens des Wasserdampfes von der Zustandsglei-
chung der idealen Gase zeigt Abb. 13.7, in der pv/T über t für verschiedene Drücke
dargestellt ist. Für den Druck Null ist dieser Ausdruck gleich der Gaskonstanten R.
Das Verhältnis (pv)/(RT ) ist für ideale Gase gleich eins, weicht aber für reale Gase
hiervon ab.
Um einen Begriff von der ungefähren Größe der Abweichungen zu geben, sind
in Tabelle 13.2 nach Span2 für Luft und in Tabelle 13.3 nach Bender 3 für Normal-
Wasserstoff berechnete Werte des Ausdruckes (pv)/(RT ) angegeben, den man Re-
algasfaktor nennt.
Bei den Drücken von etwa 20 bar erreichen die Abweichungen vom idealen Gas-
zustand bei Luft und Wasserstoff die Größenordnung 1%. Bis zum atmosphärischen
Druck sind sie bei allen Gasen praktisch zu vernachlässigen.
2
Span, R.; Stoffwerte von Luft. VDI-Wärmeatlas, Kap. Dbb, 10. Auflage, Springer 2006.
3
Bender, E.: Zustandsgleichung für Normal-Wasserstoff im Temperaturbereich von 18 K
bis 700 K und für Drücke bis 500 bar. VDI-Forschungsheft 609 (1982) 15–20.
246 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
Abbildung 13.7. pv
T
,t-Diagramm des Wasserdampfes
Bei höheren Drücken, besonders in der Nähe der Verflüssigung, werden die Ab-
weichungen größer. In Abb. 13.8 ist für Kohlendioxid der Wert des Produktes pV
über dem Druck für verschiedene Temperaturen bis zu Drücken von 1000 bar aufge-
tragen. Wäre Kohlendioxid ein ideales Gas, so müssten alle Isothermen vom linken
Rand der Abbildung an als waagerechte Geraden verlaufen.
In Wirklichkeit sinken sie mit steigendem Druck, erreichen ein Minimum und
steigen dann wieder. Durch die Minima aller Kurven ist die gestrichelte Kurve ge-
legt. Bei der Isothermen für ungefähr 500 ◦C liegt dieses Minimum gerade auf der
Ordinatenachse. Für diese Temperatur ist also
pV bis
zu Drücken von über 100 bar
∂(pv)
praktisch konstant. In jedem Minimum ist ∂p = 0 und somit das Produkt
T
Abbildung 13.8. Abweichungen des Kohlendioxids vom Verhalten des idealen Gases
aus pv nur von der Temperatur abhängig, wie es das Boylesche Gesetz für ideale
Gase verlangt. Man bezeichnet die gestrichelte Kurve daher auch als Boyle-Kurve
und ihren Wert bei p = 0 als Boyle-Temperatur. Das schraffierte Gebiet am linken
unteren Rand der Abb. 13.8 entspricht dem Verflüssigungsbereich unter der Grenz-
kurve. Für Luft liegt die Boyle-Temperatur bei +75 ◦ C, für Normal-Wasserstoff bei
−164 ◦C.
Die bisher für die fluiden Zustandsgebiete durchgeführten Betrachtungen wollen
wir nun auf das Erstarren und den festen Zustand erweitern.
Nach der Definition des Eispunktes gefriert Wasser bei einem Druck von
1,01325 bar bei 0 ◦ C. Da sich Wasser beim Gefrieren ausdehnt, kann man durch
Drucksteigerung, also durch Behinderung dieser Ausdehnung, den Gefrierpunkt
senken, umgekehrt muss er bei Druckverminderung steigen. Unter seinem eigenen
Dampfdruck von 0,006112 bar gefriert Wasser daher schon bei 0,01 ◦ C. Diesen Zu-
stand, bei dem Flüssigkeit, Dampf und fester Stoff miteinander im Gleichgewicht
sind, nannten wir den Tripelpunkt. Nur in diesem durch Druck und Temperatur fest-
gelegten Punkt können alle drei Phasen dauernd nebeneinander bestehen. Für zwei
Phasen dagegen, z.B. Dampf und Wasser oder Wasser und Eis, gibt es innerhalb
gewisser Grenzen zu jedem Druck eine Temperatur, bei der beide Phasen gleichzei-
tig existieren. Man erkennt dies deutlich aus Abb. 13.9. Darin sind die gasförmige
und die flüssige Phase durch die Dampfdruckkurve, die flüssige und die feste Phase
durch die Schmelzdruckkurve und die feste und die gasförmige Phase durch die sog.
Sublimationsdruckkurve voneinander getrennt.
Der Tripelpunkt legt für jeden Stoff ohne weitere Angabe ein bestimmtes Wer-
tepaar von Druck und Temperatur fest in ähnlicher Weise wie der kritische Punkt.
Deshalb wurde auch die thermodynamische Temperaturskala durch den Tripelpunkt
des Wassers mit dem vereinbarten Wert 273,16 K festgelegt. Der Tripelpunkt des
Wassers liegt so nahe am normalen Eispunkt, dass eine Unterscheidung beider in
der Regel nicht notwendig ist. Für sehr genaue Untersuchungen ist auch zu beach-
ten, dass der normale Eispunkt nicht genau auf der Grenzkurve liegt.
Wie bereits zu Beginn des Kapitels angedeutet, verhalten sich alle reinen Stoffe
ähnlich, nur liegen die Bereiche, in denen Phasenübergänge möglich sind, bei sehr
unterschiedlichen Drücken und Temperaturen.
In Abb. 13.10 ist die vollständige thermische Zustandsfläche eines reinen Stof-
fes schematisch dargestellt. Man erkennt die einphasigen Gebiete des Festkörpers,
der Flüssigkeit und des Gases. Die beiden letztgenannten Bereiche gehen oberhalb
des kritischen Punktes in einander über. In den zweiphasigen Gebieten, also dem
Sublimationsgebiet, dem Schmelzgebiet und dem Nassdampfgebiet stehen jeweils
zwei Phasen im thermodynamischen Gleichgewicht.
Das Nassdampfgebiet wird durch Siede- und Taulinie4 begrenzt, das Sublima-
tionsgebiet durch Sublimations- und Desublimationslinie, das Schmelzgebiet durch
Schmelz- und Erstarrungslinie.
Die Tripellinie kennzeichnet das Dreiphasengleichgewicht am Tripelpunkt und
erlaubt die spezifischen Volumina der festen, flüssigen und gasförmigen Phase beim
Tripelpunktsdruck und der Tripelpunktstemperatur abzulesen.
Die Projektion der thermischen Zustandsfläche auf die p-v-Ebene zeigt
Abb 13.11. Wie zuvor bei Abb. 13.10 sind die drei einphasigen und die drei zwei-
phasigen Zustandsgebiete zu erkennen.
4
Der Begriff Taulinie hat sich international durchgesetzt, obwohl eigentlich Kondensati-
onslinie der richtige Begriff wäre.
250 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
Im Gegensatz zu allen anderen Stoffen weist Wasser Anomalien auf, die be-
reits erwähnt wurden. So ist die Dichte von Eis geringer, als die des flüssigen Was-
sers, bzw. das spez. Volumen des Eises ist größer als das des Wassers. Somit gelten
Abb. 13.10 und Abb. 13.11 nicht für Wasser. Bei Wasser liegt das Schmelzgebiet
vor dem Nassdampfgebiet.
Die geringere Dichte des Eises hat zur Folge, dass Eis auf Wasser schwimmt.
Bei allen anderen Stoffen sinkt die feste Phase aufgrund der höheren Dichte in der
Flüssigkeit ab. Auf eine weitere Anomalie des Wassers wurde in Abb 13.9 hinge-
wiesen. Die nach links geneigte Schmelzdruckkurve bedeutet, dass Eis unter Druck
schmilzt. Dieser Effekt ermöglicht u.a. das Gleiten von Kufen auf Eis.
13.2
Kalorische Zustandsgrößen. Enthalpie- und
Entropiediagramme
13.2.1
Kalorische Zustandsgrößen von Dämpfen
mit h , u und s bezeichnet werden. Für die Technik am wichtigsten sind die
Enthalpie und die Entropie. Um nicht immer die Integrationskonstanten mitführen
zu müssen, hat man verabredet, dass für Wasser von 0,01 ◦ C (273,16 K) und
dem zugehörigen Sättigungsdruck von 0,006112 bar am Tripelpunkt die Enthalpie
h = h0 = 0 und die Entropie s = s0 = 0 sein sollen. Die innere Energie u des
Wassers hat dann bei diesem Zustand nach der Gleichung h = u + pv den kleinen
negativen Wert
u0 = −p0 v0 = −611,2 N/m2 · 0,001m3 / kg = −0,6112 Nm/kg
oder
u0 = −0,0006112 kJ/kg.
Das ist viel weniger als der unvermeidliche Fehler der besten kalorimetrischen Mes-
sungen. Man kann daher genau genug u0 = 0 setzen.
Bringt man flüssiges Wasser von 0 ◦ C auf höheren Druck, ohne die Temperatur
zu ändern, so bleibt bis zu Drücken von etwa 100 bar die innere Energie u0 praktisch
gleich Null, denn die Kompressionsarbeit ist wegen der kleinen Kompressibilität des
kalten Wassers sehr klein. Dann ist genügend genau h0 = pv0 , d.h., die Enthalpie
bei 0 ◦ C wächst annähernd proportional dem Druck und erreicht z.B. bei 100 bar den
Wert 10,0 kJ/kg. Oberhalb 100 bar ist auch die innere Energie bei 0 ◦ C schon von
merklichem Betrage. Die Entropie erhält man für beliebige Zustandsänderungen des
Wassers, ausgehend von der Sättigungstemperatur T0 bei 0,01 ◦C, durch Integration
der Gibbsschen Fundamentalgleichung
T
du + p dv
s= .
T
T0
aus der Änderung u − u der inneren Energie und der Volumenänderungsarbeit
p(v − v ) bei der Verdampfung. Die Änderung der inneren Energie dient zur
Überwindung der Anziehungskräfte zwischen den Molekülen. Obwohl das spezi-
fische Volumen v des Dampfes viel größer als das spezifische Volumen v der
Flüssigkeit ist, bildet die Volumenänderungsarbeit nur einen Bruchteil der Verdamp-
fungsenthalpie; sie beträgt bei Wasser von 100 ◦ C etwa 1/13 der Verdampfungsent-
halpie.
Verdampft man reversibel bei konstantem Druck, so erhält man die zugeführte
Wärme aus dem ersten Hauptsatz zu
(q1 2 )rev = h − h = ΔhV .
Sie ist gleich der Verdampfungsenthalpie; häufig wird daher für ΔhV auch die Be-
zeichnung Verdampfungswärme verwendet. Wir wollen diese Bezeichnung vermei-
den und nur von Verdampfungsenthalpie sprechen, da ΔhV eine Zustandsgröße
ist, die nur im Fall des reversiblen, isobaren Prozesses mit der zugeführten Wärme
übereinstimmt.
Aus der Gibbsschen Fundamentalgleichung T ds = dh − v dp erhält man, da
sich bei Verdampfung im Sättigungszustand Druck und Temperatur nicht ändern
(dp = 0, dT = 0), die wichtige Beziehung
T (s − s ) = h − h = ΔhV , (13.5)
wobei T die Sättigungstemperatur ist. Den Unterschied s − s bezeichnet man als
Verdampfungsentropie.
Auflösen von Gl. (13.5) nach der Verdampfungsentropie ergibt
ΔhV
s − s = . (13.5a)
T
Die Verdampfungsentropie erhält man aus der Verdampfungsenthalpie ΔhV nach
Division durch die absolute Temperatur, bei der verdampft wurde.
Für das überhitzte Gebiet bestimmt man die Enthalpie h entweder durch
unmittelbare kalorimetrische Messungen oder aus den gemessenen spezifischen
Wärmekapazitäten cp des überhitzten Dampfes durch Integration längs einer Iso-
bare mit Hilfe der Gleichung
T
h(p,T ) = h (p,Ts ) + cp dT. (13.6)
Ts
T
dT
s(p,T ) = s (p,Ts ) + cp , (13.7)
T
Ts
T
u(v,T ) = u (v,Ts ) + cv dT, (13.8)
Ts
254 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
wobei längs einer Isochoren zu integrieren ist, oder besser nach der Gleichung u =
h − pv auf dem Wege über die Enthalpie. Denn die spezifischen Wärmekapazitäten
bei konstantem Volumen lassen sich nur schwer bestimmen, und bei Dämpfen ist die
Differenz der spezifischen Wärmekapazitäten cp − cv keine konstante Größe mehr,
wie bei den idealen Gasen, da Enthalpie und innere Energie nicht vom Volumen
unabhängig sind.
Bei den vorstehenden Ermittlungen der Zustandsgrößen des Wassers ist der
grundsätzlich einfachste Weg angegeben, daneben gibt es noch andere, die für die
experimentelle Ausführung von Messungen oft vorteilhafter sind.
13.2.2
Tabellen und Diagramme der kalorischen Zustandsgrößen
Die Zustandsgrößen von Wasser und Dampf im Sättigungszustand stellt man nach
Mollier in Dampftabellen dar, die entweder nach Temperatur- oder nach Druckstu-
fen fortschreiten.
Die Tabellen I bis VIII des Anhanges zeigen solche Dampftafeln.
Für das Nassdampfgebiet zwischen den Grenzkurven erhält man die spezifi-
schen Zustandsgrößen für einen gegebenen Dampfgehalt x ebenso wie beim spezi-
fischen Volumen nach den Gleichungen
⎫
v = (1 − x)v + xu = v + x(v − v ), ⎪
⎪
⎪
⎪
h = (1 − x)h + xh = h + xΔhV , ⎬
(13.9)
u = (1 − x)u + xu = u + x(u − u ), ⎪ ⎪
⎪
⎪
⎭
s = (1 − x)s + xs = s + x(ΔhV /T ).
Für das Gebiet der Flüssigkeit und des überhitzten Dampfes gibt Tabelle III des An-
hangs das spezifische Volumen, die spezifische Enthalpie und die spezifische Entro-
pie für eine Anzahl von Drücken und Temperaturen an.
Anschaulicher als Tabellen sind Darstellungen der Zustandsgrößen in Diagram-
men. Die spezifische Enthalpie des Wassers und Dampfes in Abhängigkeit von
der Temperatur und dem Druck gibt das h,t-Diagramm, Abb. 13.13, in das die
Isobaren eingezeichnet sind. Man sieht daraus, dass die spezifische Enthalpie h
des gesättigten Dampfes mit steigender Temperatur zunächst ansteigt, ein Maxi-
mum überschreitet und dann wieder fällt. Gesättigter Dampf z.B. von 160 bar lässt
sich demnach mit geringerem Wärmeaufwand herstellen als solcher von 40 bar.
Die Isobaren im Flüssigkeitsgebiet verlaufen so nahe der Grenzkurve, dass sie für
praktische Zwecke als damit zusammenfallend angesehen werden können; nur bei
Drücken, die dem kritischen nahekommen, ist der Unterschied bei hohen Tempera-
turen nicht zu vernachlässigen, wie die Isobare für 250 bar zeigt.
Eine etwas andere Darstellung gibt das p,h-Diagramm mit den Isothermen, das
in Abb. 13.14 schematisch mit den jeweils drei ein- und zweiphasigen Zustandsge-
bieten dargestellt ist.
Die kritische Isotherme hat am kritischen Punkt (K) eine waagerechte Tangente.
Die Isothermen verlaufen im Gasgebiet (g) bei niedrigen Drücken und ausreichend
13.2 Kalorische Zustandsgrößen. Enthalpie- und Entropiediagramme 255
hohen Enthalpien (Temperaturen) senkrecht, da für ideale Gase die Enthalpie nur
eine Funktion der Temperatur ist. Bei hohen Drücken weisen die Isothermen ein
Enthalpieminimum auf.
256 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
5
Enthalpiedaten wurden aus dem VDI-Wärmeatlas, 9. Auflage, Abschnitt Db mit der dort
festgelegten Nullpunktsenthalpie entnommen
13.2 Kalorische Zustandsgrößen. Enthalpie- und Entropiediagramme
Abbildung 13.16. t,s-Diagramm des Wassers mit Isobaren (ausgezogen), Isochoren (gestrichelt) und Kurven gleicher Enthalpie
(strichpunktiert)
257
258 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
Insbesondere stellt die ganze schraffierte Fläche 0abcde unter der Isobaren in
Abb. 13.17 die Enthalpie von überhitztem Dampf dar. Dabei ist 0abg die Enthalpie
h des Wassers im Sättigungszustand, das Rechteck gbcf die Verdampfungsenthal-
pie ΔhV und die Fläche f cde die Überhitzungsenthalpie hü . Die Verdampfungs-
enthalpie nimmt, wie man aus ihrer Darstellung als Rechteck sofort erkennt, mit
Annäherung an den kritischen Punkt schließlich bis auf Null ab, da sie zu einem
immer schmäler werdenden Streifen zusammenschrumpft. Ermittelt man für alle
Zustandspunkte T,s die Enthalpie als Fläche unter der zugehörigen Isobaren und
verbindet die Punkte gleicher Enthalpie, so erhält man im T,s-Diagramm die Kur-
ven h = const der Abb. 13.16. Zeichnet man auch die Isochoren ein, so hat man
alle wichtigen Zustandsgrößen in diesem Diagramm vereint. Im überhitzten Gebiet
sind die Isochoren den Isobaren ähnlich, aber steiler. Im Nassdampfgebiet sind es
gekrümmte Kurven, die von der Nähe des Eispunktes fächerförmig auseinanderlau-
fen.
Bequemer als das T,s-Diagramm ist für die Ermittlung der aus Dampf gewinn-
baren Arbeit das h,s-Diagramm der Abb. 13.18. Das h,s-Diagramm mit den Isoba-
ren p = const ist die graphische Darstellung der Fundamentalgleichung h (s,p) und
Schweres Wasser
Im Jahre 1932 haben Urey, Brickwedde und Murphy gefunden, dass es außer
dem gewöhnlichen Wasserstoffatom vom Atomgewicht 1 (genauer 1,007825 bezo-
gen auf Kohlenstoff mit 12) noch eine zweite Atomart, ein Isotop vom Atomge-
wicht 2 (genauer 2,014102), gibt, die man schweren Wasserstoff oder Deuterium
nennt und mit D bezeichnet. Dann gibt es aber drei verschiedene Arten von Was-
sermolekülen, nämlich das gewöhnliche H2 O mit der Molmasse 18 und die beiden
schweren HDO und D2 O mit den Molmassen 19 und 20. Im natürlichen Wasser
verhält sich die Zahl der leichten H-Atome zu der der schweren etwa wie 4500:1.
Das schwere Wasser D2 O hat bei 20 ◦ C eine Dichte von 1,1050 gegen 0,9982 kg je
dm3 bei natürlichem Wasser. Unter normalem Druck gefriert es bei +3,8 ◦ C und sie-
det bei 101,42 ◦C. Sein Dichtemaximum liegt bei 11,6 ◦C. Gemische von leichtem
und schwerem Wasser können also je nach dem Mischungsverhältnis verschiede-
ne Schmelz- und Siedepunkte haben. Die Festsetzungen unserer Temperaturskala
beziehen sich strenggenommen nur auf Wasser von einem bestimmten Mischungs-
verhältnis. Glücklicherweise ist schweres Wasser in so geringer Menge vorhan-
260 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
den und das Mischungsverhältnis in der Natur so wenig veränderlich, dass das in
üblicher Weise destillierte Wasser die Fixpunkte der Temperaturskala richtig liefert.
Nur durch besondere Methoden, z.B. durch Elektrolyse, gelingt es, das schwere
Wasser merklich anzureichern 6 .
6
Einzelheiten hierzu: Stephan, K., in Plank, R.: Handbuch der Kältetechnik, Band XII.
Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1967, S. 42–45.
13.2 Kalorische Zustandsgrößen. Enthalpie- und Entropiediagramme 261
Abbildung 13.19. Grenzkurve von Diphenyloxid, verglichen mit der von Wasser
Schweres Wasser wird heute in großen Mengen als Moderator für Kernenergieanla-
gen benötigt.
Beispiel 13.1: In einem gut isolierten Verdampfer soll Toluol beim Druck p = 1 bar ver-
dampft werden. Das Toluol tritt flüssig mit Siedetemperatur in den Verdampfer ein und
verläßt ihn als Sattdampf (Verdampfungsenthalpie ΔhV = 115,6 kJ/kg). Beheizt wird
der Verdampfer von Ṁw = 20 kg/h Wasserdampf, der isobar durch eine Heizschlange
strömt und in diese mit 200 ◦ C bei einem Druck von 10 bar eintritt. Die Heizleistung
beträgt Q̇ = 5 kW.
Die Energiebilanz für das Wasser in der Heizschlange lautet (1 = Eintrittszustand des
Wassers in die Heizschlange, 2 = Austrittszustand aus der Heizschlange) Ṁw h1 − Q̇ −
Ṁw h2 = 0
Damit wird
h2 − h2
Nun ist h2 = h2 + x2 h2 − h2 oder x2 = .
h2 − h2
Aus der Wasserdampftafel, Tabelle III im Anhang, entnimmt man für p = 10 bar:
h2 = 762,88 kJ/kg, h2 = 2777,7 kJ/kg. Damit wird
1927,5 − 762,88
x2 = = 0,578
2777,7 − 762,88
und es kondensieren (1 − x2 )Ṁw = 8,44 kg/h.
Q̇ 5 kW
ṀToluol = = = 4,325 · 10−2 kg/s = 155,7 kg/h.
Δ hV 115,6 kJ/kg
13.3
Die Gleichung von Clausius und Clapeyron
7
R. Clausius, s. Fußnote Seite 139. Benoı̂t Paul Emile Clapeyron (1799–1864), franzö-
sischer Ingenieur, war am Bau der ersten Eisenbahnlinien in Frankreich beteiligt. Er wand-
te die Thermodynamik Carnots auf den Bau von Dampfmaschinen an.
13.3 Die Gleichung von Clausius und Clapeyron 263
Man erhält sie streng analytisch aus dem Zusammenhang, Gl. (12.13),
∂u ∂p
+p=T
∂v T ∂T v
zwischen thermischen und kalorischen Zustandsgrößen. Im Nassdampfgebiet ist
∂u u − u ∂p dp
=
und = .
∂v T v −v ∂T v dT
Damit geht Gl. (12.13) über in
u − u dp h − h dp
+p=T oder
=T ,
v −v dT v −v dT
woraus sich mit der Verdampfungsenthalpie ΔhV = h − h die zuvor auf anschau-
liche Weise hergeleitete Gl. (13.10) ergibt.
Die Gleichung von Clausius-Clapeyron verknüpft bei der Sättigungstemperatur
T die Verdampfungsenthalpie ΔhV mit der Volumenänderung v − v bei der Ver-
dampfung und dem Differentialquotienten dp/dT der Dampfdruckkurve. Man kann
sie daher benutzen, um aus zwei dieser Größen die dritte zu ermitteln. Insbeson-
dere kann man mit ihrer Hilfe aus gemessenen Werten von Verdampfungsenthal-
pie, Temperatur und Volumenzunahme die Dampfdruckkurve erhalten. Davon wird
bei kleinen Drücken, wo der Dampf sich praktisch wie ein ideales Gas verhält, oft
Gebrauch gemacht. Dann kann man v gegen v vernachlässigen und nach der Zu-
standsgleichung der idealen Gase v = RT /p setzen. Damit wird
dp ΔhV dT
= , (13.11)
p R T2
woraus sich nach Integration bei konstanter Verdampfungsenthalpie ΔhV zwischen
einem festen Punkt p0 , T0 und einem beliebigen Punkt p, T der Dampfdruckkurve
die Beziehung ergibt
p ΔhV 1 1
ln = − . (13.11a)
p0 R T0 T
264 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
Für Wasser zwischen 0 ◦ C (genauer 0,01 ◦ C) und 100 ◦C kann man die
Abhängigkeit der Verdampfungsenthalpie von der Temperatur als geradlinig von
der Form
ΔhV = a − bT
Trägt man den Logarithmus des Sättigungsdruckes über dem Kehrwert 1/T der ab-
soluten Temperatur auf, so erhält man bei allen Stoffen nahezu eine Gerade; bei
strenger Gültigkeit von Gl. (13.11a) würde es eine genaue Gerade sein. Die Auf-
tragung eignet sich daher besonders gut zur Interpolation von Dampfdrücken, wie
Abb. 13.22 zeigt, in der die Dampfdruckkurven einiger Stoffe eingezeichnet sind.
oder integriert
(v − v )
ln(CT ) = dp ,
ΔhV
wobei C eine willkürliche Integrationskonstante ist. Mit dieser Gleichung kann
man die absolute Temperaturskala bis auf eine willkürliche Maßstabkonstante C
aus Messungen bei der Verdampfung, Erstarrung oder der Umwandlung irgendei-
nes Körpers gewinnen, ohne dass über sein Verhalten besondere Voraussetzungen
gemacht werden müssen, wie es bei der Einführung der absoluten Temperaturskala
mit Hilfe des idealen Gases der Fall ist.
13.4
Spezifische Wärmekapazität und Entropie fester Körper
13.4.1
Das Gefrieren von Wasser
wobei die spezifische Wärmekapazität c des Eises aus Tab. 13.4 folgt. In Abb. 13.23
sind die Grenzkurven von Wasser und Eis dargestellt.
t in ◦ C = 0 − 20 − 40 − 60 − 80 − 100 − 250
c= 2,039 1,947 1,817 1,658 1,465 1,361 0,126
Dies am Beispiel des Wassers aufgezeigte Verhalten ist für alle Stoffe charakte-
ristisch.
13.4 Spezifische Wärmekapazität und Entropie fester Körper 267
Aufgabe 13.1: In der Nachbarschaft des Tripelpunktes ist der Dampfdruck von flüssigem
Ammoniak gegeben durch
p 3023,3K
ln = 12,665 −
1bar T
und der von festem Ammoniak durch
p 3754K
ln = 16,407 − .
1bar T
Man berechne Temperatur und Druck am Tripelpunkt. Wie groß sind Verdampfungs-
und Sublimationsenthalpie?
Die Gaskonstante von Ammoniak ist R = 0,4882 kJ/(kg K), das spezifische Volumen
des flüssigen Ammoniaks am Tripelpunkt v = 0,1365 · 10−2 m3 /kg, das des festen
Ammoniaks v = 0,1224 · 10−2 m3 /kg.
13.4.2
Kristalline Festkörper
Bei den Gasen hatten wir gesehen, dass die Molwärmen von Gasen gleicher Atom-
zahl je Molekül nahezu übereinstimmen. Bei den kristallisierten festen Elemen-
ten haben Dulong und Petit 1819 gefunden, dass das Produkt aus der molaren
Wärmekapazität und der Atommasse, die Atomwärme, unabhängig von der Art des
Körpers nahezu gleich 25,9 kJ/(kmol K) ist. Für feste kristallisierte Verbindungen
zeigt die Erfahrung, dass die durchschnittliche Atomwärme, d.h. die Molwärme ge-
teilt durch die Anzahl der Atome je Molekül, auch ungefähr den Wert 25,9 kJ/(kmol
K) hat.
Wenn diese Regel auch nur grob gilt, so ist sie doch ein Ausdruck gemein-
samer Eigenschaften des festen Zustandes, und es ist berechtigt, ebenso wie von
einem idealen Gas auch von einem idealen festen Körper zu sprechen, der in den
Kristallen nahezu verwirklicht ist. In einem solchen sind die Atome regelmäßig in
268 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
Man sieht daraus, dass für alle Körper die molare Wärmekapazität bei abneh-
mender Temperatur zunächst langsam, bei Annäherung an den absoluten Null-
punkt aber sehr rasch bis auf außerordentlich kleine Werte sinkt. Für eine Grup-
pe besonders einfacher Körper, nämlich für regulär kristallisierende Elemente und
für Verbindungen mit Atomen nicht allzu verschiedener Atommasse, die in na-
hezu gleichen Abständen aufgebaut sind, kann man die verschiedenen Kurven
der molaren Wärmekapazität recht gut durch eine einzige darstellen, wenn man
für jeden Körper eine besondere charakteristische Temperatur Θ , die sogenannte
Debye8 -Temperatur, einführt und seine molare Wärmekapazität über T /Θ aufträgt.
Für ganz tiefe Temperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunktes ist, wie Debye
1912 theoretisch ableitete, für alle Körper die Atomwärme bei konstantem Volumen
8
Peter Debye (1884–1966), amerikanischer Physiker niederländischer Herkunft war Pro-
fessor in Zürich, Utrecht, Göttingen, Leipzig, Berlin und Ithaka. Von ihm stammt die
Theorie der spez. Wärmekapazität fester Körper. 1923 stellte er mit E. Hückel eine Theo-
rie der Leitfähigkeit starker Elektrolyte auf (Debye-Hückelsche Theorie). 1936 erhielt er
den Nobelpreis für Chemie.
13.5 Zustandsgleichungen für reale Fluide 269
3
T
C=a , (13.15)
Θ
wobei a eine universelle, für alle Stoffe gleiche Konstante ist, was die Erfahrung für
sehr tiefe Temperaturen gut bestätigt. Zählt man die innere Energie des Atoms vom
absoluten Nullpunkt aus, so wird in seiner Nähe
T 3 4
T a T
U abs = a dT = Θ . (13.16)
Θ 4 Θ
0
Wenn die molare Wärmekapazität bis zum absoluten Nullpunkt hinab bekannt ist,
kann man auch die Entropie für beliebig tiefe Temperaturen berechnen, wobei es
naheliegt, sie vom absoluten Nullpunkt an zu zählen und zu schreiben
T
dT
S abs = C , (13.17)
T
0
wobei nach dem dritten Hauptsatz die Entropie im absoluten Nullpunkt verschwin-
det.
Damit ist es möglich, den absoluten Wert der Entropie aller Körper anzugeben9.
Treten bei der Erwärmung vom absoluten Nullpunkt an außer der Temperaturstei-
gerung Umwandlungen auf, wie Übergang in eine andere Modifikation, Schmel-
zen oder Verdampfen, so muss dafür jeweils eine Entropiezunahme berücksichtigt
werden, die sich als Quotient aus der sogenannten Wärmetönung (Umwandlungs-,
Schmelz-, Verdampfungsenthalpie) und der Umwandlungstemperatur ergibt.
Für Wasser von Eispunkttemperatur ist die absolute Entropie sabs = 3,56 kJ/(kg
K). Dieser Wert ist aber wegen der Unsicherheit der Messung der spezifischen
Wärmekapazität bei tiefen Temperaturen viel weniger genau als die Entropiedif-
ferenzwerte der Dampftafeln. Man wird daher für technische Rechnungen auch in
Zukunft die Zählung der Entropie vom Tripelpunkt oder vom Nullpunkt der Celsius-
Skala beibehalten, wie in Kapitel 13.4.1 dargestellt.
13.5
Zustandsgleichungen für reale Fluide
13.5.1
Reale Gase
Die Zustandsgleichung des idealen Gases gilt für wirkliche Gase und Dämpfe nur
als Grenzgesetz bei kleinen Dichten. Sie lässt sich nach der kinetischen Theorie der
Gase herleiten mit Hilfe der Vorstellung, dass ein Gas aus im Verhältnis zu ihrem
Abstand verschwindend kleinen Molekülen besteht, die sich bei Zusammenstößen
wie vollkommen elastische Körper verhalten. Die wirklichen Gase zeigen ein davon
9
D’Ans, J., Lax, E.: Taschenbuch für Chemiker und Physiker, 3. Aufl., 3 Bde., Berlin,
Heidelberg, New York: Springer ab 1964.
270 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
abweichendes Verhalten, das wir am Beispiel des Wasserdampfes anhand der Erfah-
rung kennengelernt haben. Im Kap. 4.1.2 hatten wir gesehen, dass die Gesamtener-
gie eines Moleküls sich aus kinetischen und potentiellen Anteilen zusammensetzt.
Wir hatten dort weiterhin festgestellt, dass die kinetische Energie aus der Transla-
tionsbewegung, der Rotation und der Schwingung besteht. Potentielle Energie tritt
einmal an den Umkehrpunkten der Schwingungsbewegung auf, weiterhin besitzen
die Atome in ihren mittleren Lagen eine zweite Art von potentieller Energie, die
daher rührt, dass anziehende und abstoßende Kräfte zwischen den Atomen eines
festen Körpers oder den Molekülen eines Gases bzw. einer Flüssigkeit vorhanden
sind, deren Größe und Richtung vom Abstand der Moleküle abhängt. Diese Bezie-
hung zwischen potentieller Energie und dem Abstand der Moleküle bezeichnet man
als intermolekulares Potential.
Abstoßende Kräfte zwischen den Molekülen lassen sich durch die gegen-
seitige Berührung der Elektronenhüllen (bzw. Elektronenorbitale) erklären. Sie
werden dann wirksam, wenn sich der Abstand der Molekülzentren dem Mo-
leküldurchmesser nähert.
Schließt man geladene Teilchen (Ionen) aus, lassen sich bei größeren Mo-
lekülabständen drei Arten der anziehenden Wechselwirkungen unterscheiden:
10
Morsy, T.E.: Zum thermischen und kalorischen Verhalten realer fluider Stoffe. Diss. TH
Karlsruhe 1963.
272 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
a 12 a 6
ϕ(r) = 4ε0 − , (13.21)
r r
in dem ε0 der Wert für das intermolekulare Energiepotential in der Potentialmulde
ist und a denjenigen Molekülabstand bezeichnet, bei dem die Funktion ϕ(r) durch
Null geht. Für eine eingehendere Erläuterung zum Lennard-Jones-Potential sei auf
das Schrifttum, z.B. J.O. Hirschfelder u.a.11 , verwiesen.
Für den praktischen Gebrauch ist es von Interesse, welchen Beitrag die verschie-
denen Virialkoeffizienten zum Realgasfaktor liefern, d.h., in welchem Maße sie das
wirkliche Verhalten des Gases beschreiben. Hirschfelder u.a. geben für Stickstoff
bei 0 ◦ C die in Tabelle 13.5 gezeigte Druckabhängigkeit an.
Man sieht daraus, dass sich Stickstoff bei dieser Temperatur bis zu einem Druck
von 10 bar nahezu wie ein ideales Gas verhält und erst bei höheren Drücken die
Virialkoeffizienten den Realgasfaktor merklich beeinflussen.
13.5.2
Die van-der-Waalssche Zustandsgleichung
Der erste Versuch zur Aufstellung einer Zustandsgleichung, die das reale Verhalten
von Gasen und Flüssigkeiten beschreibt, wurde von van der Waals12 unternommen.
Er führte in die thermische Zustandsgleichung idealer Gase Korrekturglieder beim
Druck und beim Volumen ein und kam zu der Beziehung
a
p + 2 (v − b) = RT. (13.22)
v
Darin sind a und b für jedes Gas charakteristische Größen ebenso wie die Gaskon-
stante R.
Der als Kohäsionsdruck bezeichnete Ausdruck a/v 2 berücksichtigt die Anzie-
hungskräfte zwischen den Molekülen, die den Druck auf die Wände vermindern.
Man muss also statt des beobachteten Druckes p den größeren Wert p + a/v 2 in
11
Hirschfelder, J.O.; Curtiss, C.F.; Bird, R.B.: The molecular theory of gases and liquids.
New York: Wiley. 1967.
12
Van der Waals, J.D.: Over de continuiteit van den gas en vloeistof toestand. Diss. Univ.
Leiden 1873.
Johannes Diderick van der Waals (1837–1923) war Professor in Amsterdam. Er stellte
die nach ihm benannte Zustandsgleichung realer Gase auf und formulierte eine thermo-
dynamische Theorie der Oberflächenspannung und der Kapillarität. 1910 erhielt er den
Nobelpreis für Physik.
13.5 Zustandsgleichungen für reale Fluide 273
die Zustandsgleichung des idealen Gases einsetzen. Der Nenner v 2 des Korrektur-
gliedes wird dadurch gerechtfertigt, dass einerseits die Wirkung der anziehenden
Kräfte den Druck um so mehr vermindert, je größer die Zahl der Moleküle in der
Volumeneinheit ist, andererseits aber die anziehenden Kräfte mit abnehmenden Mo-
lekülabständen und also mit abnehmendem spezifischem Volumen zunehmen; der
Einfluss des spezifischen Volumens macht sich also in zweifacher Weise geltend.
Die als Kovolumen bezeichnete Größe b trägt dem Eigenvolumen der Mo-
leküle Rechnung und ist ungefähr gleich dem Volumen der Flüssigkeit bei niede-
ren Drücken. In die Zustandsgleichung der idealen Gase wird also nur das für die
thermische Bewegung der Moleküle tatsächlich noch freie Volumen eingesetzt.
Die van-der-Waalssche Zustandsgleichung ist für die Koordinate v von drittem
Grade und enthält drei Konstanten a, b und R. Man kann sie schreiben:
(pv 2 + a)(v − b) = RT v 2
oder
RT a ab
v −v
3 2
+b +v − = 0. (13.23)
p p p
In Abb. 13.25 ist sie durch Isothermen in der p,v-Ebene dargestellt; dabei sind
als Koordinaten die weiter unten eingeführten normierten, d.h. durch die kritischen
Werte dividierten Zustandsgrößen benutzt. Sämtliche Kurven haben die Senkrechte
v = b als Asymptote. Für p
a/v 2 und v
b gehen die Isothermen in die Hy-
perbel der Zustandsgleichung des idealen Gases über. Für große Werte von T erhält
man, wie die Abb. 13.25 zeigt, zu einem bestimmten Wert von p nur einen reellen
Wert von v, die anderen beiden Wurzeln sind komplex. Für nicht zu hohe Werte von
T und p hat die Gleichung dagegen drei reelle Wurzeln für v. Für ein bestimmtes
Wertepaar T , p fallen die drei reellen Wurzeln zusammen, und wir erhalten hier den
kritischen Punkt K des Gases.
Unterhalb der kritischen Temperatur zeigen die Isothermen nach van der Waals
ein Minimum und ein Maximum dort, wo in Wirklichkeit das von waagerechten
Isothermen durchzogene Nassdampfgebiet liegt. Die van-der-Waalsschen Isother-
men haben aber auch über die Grenzkurven hinaus eine Bedeutung:
Zwischen der linken Grenzkurve und dem Minimum entsprechen sie nämlich
überhitzter Flüssigkeit, deren Temperatur höher ist als der ihrem Druck entsprechen-
de Siedepunkt. Solche Zustände lassen sich bei vorsichtigem Erwärmen tatsächlich
herstellen und sind als Siedeverzug bekannt.
Bei niederen Temperaturen reichen die Isothermen nach van der Waals sogar
unter die v-Achse in das Gebiet negativer Drücke hinab. Auch solche Zustände, bei
denen die Flüssigkeit unter einem allseitigen Zug steht, ohne dass Verdampfung
eintritt, sind bei kaltem Wasser bis zu negativen Drücken von etwa –40 bar, für
andere Flüssigkeiten bis zu –70 bar beobachtet worden.
Zwischen der rechten Grenzkurve und dem Maximum entsprechen die van-der-
Waalsschen Isothermen unterkühltem Dampf. Dabei besteht noch der dampfförmige
Zustand, obwohl die Temperatur unter der Sättigungstemperatur des Dampfes bei
274 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
Abbildung 13.25. Auf den kritischen Punkt normierte Isothermen nach der van-der-
Waalsschen Zustandsgleichung. pr = p/pk ; vr = v/vk ; Tr = T /Tk
dem vorhandenen Druck liegt. Unterkühlter Dampf tritt z.B. bei adiabater Entspan-
nung in Turbinen und in der freien Atmosphäre auf, bevor Nebel- und Wolkenbil-
dung einsetzen.
Die Zustände der überhitzten Flüssigkeit und des unterkühlten Dampfes sind
metastabil, d.h., sie sind stabil gegen kleine Störungen, bei Störungen von einer
gewissen Größe an klappt aber der metastabile einphasige Zustand unter Entropie-
zunahme in den stabilen zweiphasigen um.
Das mittlere Stück der van-der-Waalsschen Isothermen zwischen dem Maxi-
mum und dem Minimum ist dagegen instabil und nicht erreichbar, da hier der Druck
bei Volumenverkleinerung abnehmen würde.
Die Schnittpunkte der van-der-Waalsschen Isothermen mit den stabilen gerad-
linigen Isothermen konstanten Druckes erhält man aus der Bedingung, dass die
von beiden begrenzten Flächenstücke abc und cde der Abb. 13.25 gleich groß sein
13.5 Zustandsgleichungen für reale Fluide 275
müssen. Wäre das nicht der Fall und etwa cde > abc, so würde bei Durchlaufen
eines aus der van-der-Waalsschen Isothermen abcde und der geraden Isothermen
ae gebildeten Prozesses in dem einen oder anderen Umlaufsinn eine der Diffe-
renz der beiden Flächenstücke gleiche Arbeit gewonnen werden können, ohne dass
überhaupt Temperaturunterschiede vorhanden wären. Das ist aber nach dem zwei-
ten Hauptsatz unmöglich. Alle so erhaltenen Schnittpunkte bilden die Grenzkurven,
aus denen man wieder die Dampfdruckkurve ermitteln kann.
Aus der van-der-Waalsschen Zustandsgleichung kann man in folgender Wei-
se die kritischen Zustandswerte berechnen, d.h. auf die Konstanten a, b und R
zurückführen:
Im kritischen Punkt hat die Isotherme einen Wendepunkt mit waagerechter Tan-
gente, es ist dort also
2
∂p ∂ p
= 0 und = 0. (13.24)
∂v T ∂v 2 T
Zusammen mit der van-der-Waalsschen Zustandsgleichung hat man dann die drei
Gleichungen
RT a
p= − ,
v − b v2
∂p RT 2a
=− + 3 = 0,
∂v T (v − b)2 v
2
∂ p 2 RT 6a
=− + 4 = 0,
2
∂v T (v − b) 3 v
die die kritischen Werte vk , Tk und pk bestimmen. Ihre Auflösung ergibt die kriti-
schen Zustandsgrößen
⎫
vk = 3 b , ⎪
⎪
⎪
⎪
8a ⎪
⎬
TK = , (13.25)
27 bR ⎪
⎪
⎪
a ⎪
⎪
pk = , ⎭
27 b 2
bei den idealen Gasen, nur steht der sog. kritische Faktor 8/3 davor. Wenn man aus-
gehend von Gl. (13.22) und Gl. (13.24) die charakteristischen Größen a und b der
van-der-Waalsschen Gleichung durch Anpassung an den kritschen Punkt berechnet,
so muss man beachten, dass die sich ebenfalls ergebende Größe R nach Gl. (13.26)
nicht mit der individuellen Gaskonstante R = R / M identisch ist.
Setzt man die Werte der Konstanten nach Gl. (13.26) in die van-der-Waalssche
Gleichung ein und dividiert durch pk und vk , so wird
v 2
v
p k T
+3 3 −1 =8 .
pk v vk Tk
Führt man die auf die kritischen Daten bezogenen und dadurch dimensionslos ge-
machten Zustandsgrößen, die sogenannten reduzierten Zustandsgrößen
p v T
= pr , = vr und = Tr
pk vk Tk
ein, so erhält man die normierte Form der van-der-Waalsschen Zustandsgleichung
3
pr + 2 (3vr − 1) = 8 Tr , (13.27)
vr
in der nur dimensionslose Größen und universelle Zahlenwerte vorkommen.
Man bezeichnet diese Gleichung als das van-der-Waalssche Gesetz der überein-
stimmenden Zustände, da sie die Eigenschaften aller Gase durch Einführen der nor-
mierten Zustandsgrößen auf dieselbe Formel bringt.
Die van-der-Waalsche Zustandsgleichung gibt nicht nur das Verhalten des
Dampfes, sondern auch das der Flüssigkeit wieder. In dieser Zusammenfassung der
Eigenschaften des gasförmigen und des flüssigen Zustandes liegt ihre Bedeutung,
sie bringt mathematisch zum Ausdruck, dass der gasförmige und flüssige Zustand
stetig zusammenhängen, was man oberhalb des kritischen Punktes tatsächlich be-
obachten kann.
Abbildung 13.25 stellte bereits die normierte Form der van-der-Waalsschen
Gleichung dar. Abbildung 13.26 gibt die nach van der Waals berechneten Werte der
Verdrängungsarbeit pr vr in Abhängigkeit vom Druck in guter Übereinstimmung in
der allgemeinen Gesetzmäßigkeit mit Versuchsergebnissen an Kohlendioxid wieder.
Wir wollen ein Gas, das der Zustandsgleichung (13.27) gehorcht, kurz als van-der-
Waalssches Gas bezeichnen.
Die Darstellung der Verdrängungsarbeit als Funktion des Druckes bei konstan-
ten Temperaturen wurde zuerst von Amagat benutzt, um die Abweichungen eines
realen Gases vom Verhalten des idealen zu beschreiben. Man nennt deshalb dieses
Diagramm auch eine Darstellung in Amagat-Koordinaten.
In der Nähe der Minima der Isothermen von Abb. 13.26 befolgt das reale Gas für nicht
zu große Druckänderungen recht genau das Boylesche Gesetz, d.h., die Verdrängungsarbeit
pv ist unabhängig vom Druck und nur eine Funktion der Temperatur. Die in Abb. 13.26
gestrichelte Verbindungslinie a der Minima der Isothermen ist die Boyle-Kurve. Sie lässt sich
aus der Bedingung, dass dort die Isothermen im Amagat-Diagramm waagerechte Tangenten
aufweisen müssen, leicht ableiten, und man erhält für das van-der-Waals-Gas
13.5 Zustandsgleichungen für reale Fluide 277
Setzen wir
∂u ∂u ∂v
=
∂p T ∂v T ∂p T
und berücksichtigen die für beliebige Stoffe abgeleitete Beziehung Gl. (12.13)
278 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
∂u ∂p
=T − p,
∂v T
∂T v
Wenden wir diese Gleichung auf ein van-der-Waalssches Gas an, so erhalten wir die Glei-
chung der Inversionskurve in Amagat-Koordinaten
(pr vr )2 − 18 (pr vr ) + 9 pr = 0.
Links der Kurve b in Abb. 13.26 haben wir einen positiven Thomson-Joule-Effekt, d.h.
Abkühlung beim Drosseln, rechts von ihr Erwärmung durch Drosseln (negativer Thomson-
Joule-Effekt).
Die van-der-Waalssche Zustandsgleichung hat heute nur noch historische Bedeu-
tung, da auf ihr eine Reihe anderer dem realen Verhalten der Gase näherkommende
Zustandsgleichungen aufgebaut sind und da mit ihrer Hilfe zuerst das Gesetz der
übereinstimmenden Zustände, auch Korrespondenzprinzip genannt, in seiner klas-
sischen Form aufgestellt wurde. Genau gilt die van-der-Waalssche Gleichung für
keinen Stoff.
13.5.3
Das erweiterte Korrespondenzprinzip
Das klassische Gesetz der übereinstimmenden Zustände fordert, wie wir bei der Be-
handlung der van-der-Waalsschen Zustandsgleichung gesehen haben, die Existenz
einer universellen Funktion
F (pr , Tr , vr ) = 0, (13.29)
die für alle Gase gilt. Man nennt diese strenge Forderung das klassische Korrespon-
denzprinzip, und es lässt sich aus den Gesetzen der statistischen Thermodynamik13
zeigen, dass hierfür eine Reihe von Voraussetzungen für die inneren Freiheitsgrade
und die Bewegung der Moleküle sowie für das Potential, d.h. die Wechselwirkung
zwischen Molekülen, erfüllt sein müssen. Die Koeffizienten der Zustandsgleichun-
gen solcher Gase müssen sich allein aus den kritischen Zustandsgrößen ableiten
lassen, was, wie wir bei der van-der-Waalsschen Zustandsgleichung gesehen haben,
für kein Gas genau gilt.
Es gibt eine Reihe von Versuchen, dieses klassische Korrespondenzprinzip zu
modifizieren und zu erweitern. Dies kann z.B. so geschehen, dass man in der Zu-
standsgleichung zu den normierten Größen pr , vr , Tr stoffspezifische Kenngrößen,
sogenannte Korrespondenzparameter k, hinzufügt, wodurch die Zustandsgleichung
dann die Form
F (pr , Tr , vr , k1 , k2 , . . .) = 0 (13.30)
13
Guggenheim, E.A.; McGlashan, M.L.: Corresponding states in mixtures of slightly imper-
fect gases. Proc. Roy. Soc. A 206 (1951) 448–463.
13.5 Zustandsgleichungen für reale Fluide 279
erhält. Umfassend und systematisch hat sich Straub14 mit diesem Problem befasst
und mit Hilfe der Methoden der phänomenologischen Thermodynamik eine Theo-
rie für ein allgemeines Korrespondenzprinzip erarbeitet. Er führte den Begriff des
isothermen Gleichungssystems“ ein, der dazu dient, längs ausgewählter Isother-
”
men mehrere für alle Gase gültige Beziehungen abzuleiten. Die Zustandsgleichung
einer beliebigen Isotherme lässt sich als Taylor-Reihe um die Entwicklungsstelle
= 0 darstellen. Für den Spezialfall der kritischen Isotherme ergibt sich dann mit dem
Realgasfaktor Z = Z(T, v) unter Einführung der Dichte = 1/v eine Zustands-
funktion in der Virialform
∂Z(, Tk )
Z (, Tk ) = Z (, Tk )=0 + + ... . (13.31)
∂ =0 1!
Um den Wert eines Virialkoeffizienten eines Gases mit dem Wert des gleichen Viri-
alkoeffizienten eines anderen Gases vergleichen zu können, setzte Straub zunächst
als Hypothese einen korrespondierenden thermodynamischen Zustand beider Gase
voraus. Als solchen Korrespondenzpunkt hatten wir bei der Diskussion der van-
der-Waalsschen Zustandsgleichung und bei der Aufstellung des klassischen Kor-
respondenzprinzips bereits den kritischen Punkt kennengelernt. Als weitere Korre-
spondenzpunkte kommen beispielsweise in Frage das Maximum der Boyle-Kurve
im p,T -Diagramm, der Schnittpunkt der Boyle-Isotherme mit der Thomson-Joule-
Inversionskurve sowie andere durch ihr thermodynamisches Verhalten ausgezeich-
nete Punkte. Auf diese Weise lassen sich neben dem klassischen Korrespondenz-
punkt, nämlich dem kritischen Punkt, weitere Korrespondenzpunkte festlegen. Eine
solche phänomenologische Theorie gilt auch für Stoffe, die sich in das bisherige
Korrespondenzprinzip nicht einordnen ließen. Es wird die bisherige Sonderstellung
des kritischen Punktes aufgehoben.15
13.5.4
Zustandsgleichungen für den praktischen Gebrauch und Stoffdaten.
Die Kenntnis der Stoffwerte ist eine der grundlegenden Voraussetzungen für die
Lösung von Ingenieuraufgaben. Für die meisten technisch bedeutsamen Stoffe kann
man thermische und kalorische Stoffwerte sowie entsprechende Gleichungen zur
Interpolation dieser Daten Tabellenwerken entnehmen16.
Zur Berechnung von Reinstoff- und Gemischeigenschaften, insbesondere in der Ver-
fahrenstechnik, kommt aber auch Zustandsgleichungen eine große Bedeutung zu.
Die gebräuchlichsten und leistungsfähigsten sind in Rechenprogrammen zur Simu-
lation von Prozessen implementiert. Trotz dieses Komforts erfordert die Handha-
bung dieser Stoffdatenprogramme vertiefte Kenntnisse über die möglichen Grenzen
14
Straub, D.: Zur Theorie eines allgemeinen Korrespondenzprinzips der thermischen Eigen-
schaften fluider Stoffe. Diss. TH Karlsruhe 1964.
15
Bezüglich einer Weiterentwicklung dieser Theorie sei verwiesen auf: Lucas, K.: Proc. 6th
Symp. on thermophysical properties, Atlanta, Georgia, August 6–8, 1973, S. 167–173.
16
VDI-Wärmeatlas, Kap. D, 10. Auflage, Springer-Verlag, Berlin, 2006.
280 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
⎫
A = RT, ⎪
⎪
⎪
⎪
⎪
⎪
⎪
+ 2 + ..., ⎪
b3 b4
B = b1 T + b2 + ⎬
T T (13.33)
c3 c4 ⎪
⎪
C = c1 T + c2 + + 2 + ..., ⎪
⎪
⎪
T T ⎪
⎪
⎪
⎭
usw. f ür D, E und F.
Mit der Zahl der Reihenglieder kann die Genauigkeit der Anpassung an gegebene
Versuchswerte beliebig gesteigert werden.
Erhöht man die Zahl der Konstanten, so wird die mathematische Form der Glei-
chung flexibler, und sie lässt sich besser an gegebene Messwerte anpassen. Eine
17
- Dohrn, R.: Berechnung von Phasengleichgewichten. Grundlagen und Fortschritte der
Ingenieurwissenschaften, Vieweg Verlag, Braunschweig, 1994.
- Sandler, S. I. (Editor): Models for thermodynamic and phase equilibria calculations.
Marcel Dekker Inc., New York, 1994.
- Poling, B. E., Prausnitz, J. M., O’Connell, J. P.: The properties of gases and liquids, 5.
Auflage, McGrawHill, 2001.
13.5 Zustandsgleichungen für reale Fluide 281
18
Benedict, M.; Webb, G.B.; Rubin, L.C.: An empirical equation for thermodynamic pro-
perties of light hydrocarbons and their mixtures. J. Chem. Phys. 8 (1940) 334–345, 10
(1942) 747–758.
19
Platzer, B.; Maurer, G.: A generalized equation of state for pure polar and nonpolar fluids.
Fluid Phase Equilibria 51 (1989) 223-236.
20
Redlich, O.; Kwong J.N.S.: On the thermodynamics of solutions. Chem. Rev. 44 (1949)
233 - 244.
21
Pitzer, K.S.: The volumetric and thermodynamic properties of fluids. I Theoretical basis
and virial coefficients. J. Am. Chem. Soc. 77 (1955) 3427
282 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
22
Soave, G.: Equilibrium constants from a modified Redlich-Kwong equation of state.
Chem. Eng. Sc. 27 (1972) 1197 - 1203.
23
vgl. Fußnote 17.
24
Span, R.: Multi parameter equation of state. An accurate source of thermodynamic pro-
perty data, Springer-Verlag, Berlin, 2000
13.5 Zustandsgleichungen für reale Fluide 283
man mittels einer mathematischen Transformation aus der Funktion u (s,v) ableiten
kann (f = u − T s ; siehe Bd. 2: Mehrstoffsysteme).
13.5.5
Zustandsgleichungen des Wasserdampfes
Wasser in flüssiger oder auch als Dampf in gasförmiger Form ist der technisch
wichtigste Stoff. Wasserdampf treibt zur Stromerzeugung die Turbinen in den
Kraftwerken an, dient durch Abgabe seiner Kondensationsenthalpie als Heizmit-
tel in chemischen Anlagen, und flüssiges wie auch siedendes Wassser werden als
Wärmeübertragungsmittel in einer Vielzahl technischer Prozesse verwendet. Sei-
ne technische Bedeutung führte dazu, dass schon früh eine Reihe von Zustands-
gleichungen speziell für Wasserdampf erarbeitet wurden. Von Clausius stammt die
Form
ϕ (τ )
p+ (v − b) = RT, (13.39)
(v + c)2
die zwar das Gesetz der Anziehung zwischen den Molekülen etwas allgemeiner
fasst als van der Waals, die aber nur in den Anfängen der Technik, als die Dampf-
maschinen und Dampfturbinen noch mit bescheidenden Drücken arbeiteten, in ihrer
Genauigkeit den Anforderungen entsprach. Mollier entwickelte 1925 eine verbes-
serte Gleichung. Diese bildete die Grundlage der von ihm den in den dreißiger Jah-
ren herausgegebenen Dampftabellen. Diese Dampftabellen wurden 1937 von den
VDI-Wasserdampftafeln abgelöst, die auf einer Erweiterung der von Mollier ent-
wickelten Gleichung beruhen. Der von E. Schmidt 1963 herausgegebenen 6. Auf-
lage der VDI-Wasserdampftafeln liegt die folgende thermische Zustandsgleichung
mit 9 dimensionslosen Parametern zugrunde25:
R̃ Tr A − E (c − pr ) Tr5,64
v = −
pr Tr2,82
(13.40)
B − d pr − Tr3 Dpr C
− + 32 p2r − (1 − epr ) F Tr
Tr14 Tr
R Tk
R̃ = ; Tr = T /Tk ; pr = p/pk
M pk
Tk und pk kennzeichnen die kritische Temperatur und den kritischen Druck von
Wasser. Die Gl. (13.40) gilt für Temperaturen bis 800◦ C und Drücke bis 500 bar.
Um eine international einheitliche und verbindliche Basis von Stoffdaten zur
Auslegung von Dampfkraftprozessen zu schaffen, wurde auf der sechsten Inter-
nationalen Dampftafelkonferenz 1963 in New York ein International Formulation
25
VDI-Wasserdampftafeln, 6. Auflage. Berlin, Springer 1963.
284 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
26
Wagner, W. et al.: The IAPWS industrial formulation 1997 for the thermodynamic proper-
ties of water and steam. Transaction of the ASME 122 (2000) 150-182.
27
Wagner, W., Ketschmar, H.J.: International Steam Tables for Industrial Use. Berlin, Sprin-
ger 2007.
28
Wagner,W., Pruß, A.: The IAPWS Formulation 1995 for the Thermodynamic Properties
of Ordinary Water Substance for General and Scientific Use. Journal of Physical and Che-
mical Reference Data 31 (2002) 2, 387-535.
13.6 Zustandsänderungen realer Fluide 285
Abbildung 13.27. log p, h-Diagramm eines realen Gases mit Inversionskurven des differen-
tiellen (Thomson-Joule) und des integralen Drosseleffekts
13.6
Zustandsänderungen realer Fluide
13.6.1
Die adiabate Drosselung realer Gase
In Kap. 13.5.2 wurden bereits am Beispiel der Zustandsgleichung von van der Waals
der Verlauf realer Isothermen in einem pv, p-Diagramm und die Inversionskurve des
Thomson-Joule-Effektes diskutiert.
Eine kleine (differentielle) Druckabsenkung bei konstanter Enthalpie (adiaba-
te Drosselung) bewirkt im allgemeinen Fall entweder eine Erwärmung oder eine
Abkühlung des realen Gases. Bei einem idealen Gas bleibt dahingegen die Tempe-
ratur beim Drosseln konstant.
Man bezeichnet den Thomson-Joule-Effekt auch als differentiellen Drosselef-
fekt. Die Inversionskurve des Thomson-Joule-Effektes, also der geometrische Ort
in einem Zustandsdiagramm, an dem bei differentieller Drosselung die Tempera-
tur eines realen Gases konstant bleibt, lässt sich besonders einfach in einem p, h-
Diagramm (bzw. log p, h-Diagramm) darstellen. sie verläuft durch die Enthalpiemi-
nima der Isothermen, siehe Abb. 13.27.
Für den Thomson-Joule-Effekt folgt aus Gleichung (12.14) mit dh = 0
∂T 1 ∂v
=− v−T . (13.42)
∂p h cp ∂T p
286 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
Drosselt man ein reales Gas isenthalp über eine endliche Druckdifferenz Δ p,
kann sich das Gas ebenso erwärmen oder abkühlen. Man spricht dann von einem
integralen Drosseleffekt. Als Endpunkt des Drosselvorgangs wurde dabei der ideale
Gaszustand festgelegt. Es gilt
(ΔT )h = T2 (p2 = 0, h1 ) − T1 (p1 , h1 ) . (13.43)
Ist (ΔT )h = 0, befindet sich der Ausgangszustand des Drosselvorgangs auf der
Inversionskurve des integralen Drosseleffektes. Diese lässt sich in einem p, h-
Diagramm einfach konstruieren, indem man die Isothermen im Gebiet des idealen
Gases (senkrechter Verlauf) linear soweit zu höheren Drücken verlängert, bis sich
ein Schnittpunkt mit der betrachteten realen Isotherme ergibt, siehe Abb. 13.27.
Erfolgt die Drosselung unterhalb der Inversionskurve, kühlt sich das Gas ab.
Drosselt man beispielsweise Luft ausgehend von einem Druck von 420 bar und ei-
ner Temperatur von 300 K ergibt sich eine Abkühlung von ca. 45 K. Dieser Effekt
spielt bei der Verflüssigung von Luft (Linde-Verfahren) eine wichtige Rolle.
Man kann den differentiellen Drosseleffekt nutzen, um Werte für die Enthalpie rea-
ler Gase zu bestimmen.
Entspannt man das reale Gas in einem Drosselkalorimeter, das den Wärmeaus-
tausch mit der Umgebung verhindert, um einen kleinen Wert Δp, so tritt bei kon-
stanter Enthalpie eine Temperaturabnahme
∂T
ΔT = Δp
∂p h
auf, die man messen kann. Der Versuch liefert somit den Differentialquotienten
(∂T /∂p)h , d.h. die Neigung der Kurve h = const im p,T -Diagramm. Bestimmt man
solche Neigungen für viele Punkte, so kann man daraus durch Integration die ganze
Schar der Kurven gleicher Enthalpie erhalten.
Messtechnisch noch günstiger ist die isotherme Drosselung, bei der während
der Drosselung so viel Wärme zugeführt wird, dass gerade keine Temperatursen-
kung eintritt. Die zugeführte Wärme ist dann (∂h/∂p)T Δp, und der Versuch er-
gibt den Differentialquotienten (∂h/∂p)T , also die Neigung der Isotherme im h,p-
Diagramm. Durch Integration erhält man daraus die Schar der Isothermen.
Aus den kalorischen Messungen kann man umgekehrt auch Aussagen über die
thermische Zustandsgleichung machen. Ist z.B. cp = f (T, p) aus Messungen be-
kannt, so liefert Gl. (12.28)
2
∂ v 1 ∂cp
= − .
∂T 2 p T ∂p T
Durch Integrieren erhält man daraus
∂v ∂cp dT
=− + f (p)
∂T p ∂p T T
13.6 Zustandsänderungen realer Fluide 287
und
∂cp dT 2
v=− + T f (p) + f1 (p), (13.44)
∂p T T
wobei zwei willkürliche Funktionen f (p) undf1(p) auftreten. Um für kleine Drücke
den Übergang in die Zustandsgleichung der idealen Gase erkennen zu lassen,
schreibt man meist
RT ∂cp dT 2
v= − + f1 (p) + T f2 (p), (13.44a)
p ∂p T T
indem man
R
f2 (p) = f (p) −
p
als neue willkürliche Funktion einführt. Die willkürlichen Funktionen können nur
durch Versuche bestimmt werden, sie müssen aber so beschaffen sein, dass im
Grenzfall sehr kleiner Drücke f1 (p) + T f2 (p) endlich bleibt, während RT /p un-
endlich groß wird.
Beispiel 13.2: Man berechne die Enthalpie h und die Entropie s von Wasserdampf mit
Hilfe der thermischen Zustandsgleichung von Koch, Gl. (13.41). Dabei sei vorausge-
setzt, dass die spez. Wärmekapazität c◦p des Wasserdampfes im Zustand des idealen
Gases bekannt sei.
Die spez. Enthalpie folgt aus Gl. (12.19b). Durch Differentiation der Gl. (13.41) folgt
∂(v/T ) A · (100)2,82 · 3,82 B · (100)14 · 15 C · (100)31,6 · 32,6
=− − p2 − − .
∂T p T 4,82 T 16 T 33,6
Weiter ist
p
∂(v/T ) A · (100)2,82 · 3,82
T 2
dp = (p − p0 )
∂T p T 2,82
p0
(p − p0 )3 B · (100)14 · 15 C · (100)31,6 · 32,6
− − −
3 T 14 T 31,6
und somit nach Gl. (12.19c)
T
A · 3,82
h (p,T ) = c◦p dT + 2,82 (p − p0 )
T
T0
100
(p − p0 )3 B · 15 C · 32,6
− 14 + 31,6
+ h (p0 , T0 ) .
3 T T
100 100
288 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
(p − p0 )3 B · (100)14 · 14 C · (100)31,6 · 31,6
+ +
3 T 15 T 32,6
und somit
T
dT p A · 2,82
s = s (p0 , T0 ) + c◦p − R ln − (p − p0 )
T p0 100 · (T /100)3,82
T0
(p − p0 )3 B · 14 C · 31,6
+ + .
3 100 · (T /100)15 100 · (T /100)32,6
Setzt man willkürlich auch die Entropie des flüssigen Wassers am Tripelpunkt T0 =
273,16 K, p0 = 0,006112 bar Null, so ist s(p0 , T0 ) = Δhv,0 /T0 = 9,158 kJ/kgK.
Aufgabe 13.2: Längs der Boyle-Kurve im pv, v-Diagramm haben die Isothermen waa-
gerechte Tangenten. Es ist aus dieser Bedingung die Gleichung der Boyle-Kurve in
Amagat-Koordinaten abzuleiten, wenn man die van-der-Waalssche Gleichung zugrunde
legt.
In gleicher Weise soll die Gleichung für die Inversionskurve aus der Bedingung, dass
dort beim Drosseln keine Temperaturänderung des realen Gases eintritt, in Amagat-
Koordinaten abgeleitet werden.
Aufgabe 13.3: Für die Gleichung von Benedict, Webb und Rubin ist der Verlauf der
Idealkurve (Realgasfaktor Z = 1) anzugeben.
13.6 Zustandsänderungen realer Fluide 289
13.6.2
Zustandsänderungen im Nassdampfgebiet
Isobare Zustandsänderung
Im Nassdampfgebiet ist die Isobare zugleich Isotherme. Geht man von einem
Dampfzustand mit dem Dampfgehalt x1 zu einem solchen mit dem größeren
Dampfgehalt x2 über, so verdampft von 1 kg Nassdampf die Menge x2 − x1 , und
es ist bei reversibler Zustandsänderung die Wärme
q1 2 = (x2 − x1 ) ΔhV
zuzuführen. Dabei erhöht sich die innere Energie um
u2 − u1 = (x2 − x1 )(u − u ) = (x2 − x1 ) ϕ,
und es wird die Expansionsarbeit
l1 2 = (x2 − x1 )p (v − v ) = (x2 − x1 ) ψ
geleistet. In der letzten Gleichung kann für nicht zu große Drücke das Flüssigkeits-
volumen v gegen das Dampfvolumen v in der Regel vernachlässigt werden. Aus
den letzten drei Gleichungen folgt
q1 2 : (u2 − u1 ) : l1 2 = ΔhV : ϕ : ψ.
Im überhitzten Gebiet erhält man die Wärmezufuhr längs der Isobare aus den Dia-
grammen als Änderung der Enthalpie.
Isochore Zustandsänderung
Führt man nassem Dampf bei konstantem Volumen Wärme zu, so steigt sein Druck,
und er wird im Allgemeinen trockener, wie die Linie 12 des p,v-Diagramms der
Abb. 13.28 zeigt.
290 13. Thermodynamische Eigenschaften der Materie
Senkt man den Druck noch weiter nach der Linie 23, so wird der gesättigte
Dampf nass, und man kann den Dampfgehalt x an den gestrichelten Kurven kon-
stanten Dampfgehaltes ablesen. Sinkt bei weiterer Entspannung längs der Linie 34
der Druck bis auf den des Tripelpunktes, so gefriert das zunächst in Form fei-
ner Flüssigkeitstropfen ausgeschiedene Wasser bei 0,01 ◦ C zu Eis oder Schnee.
Trifft die reversible Adiabate die Grenzkurve bei noch tieferen Temperaturen, so
scheidet sich gleich Schnee aus. Solche Zustandsänderungen spielen sich vor al-
lem in der freien Atmosphäre ab. Dabei treten aber häufig Unterkühlungen und
Übersättigungen auf, d.h., Wasser bleibt noch flüssig und Dampf noch gasförmig
bis herab zu Temperaturen, bei denen eigentlich schon ein Teil fest oder flüssig sein
sollte. Man spricht dann von metastabilem“ Gleichgewicht. Durch eine geeignete
”
Störung z.B. durch Hineinbringen einer winzigen Menge der Gleichgewichtsphase
– eines Eiskristalles oder eines Wassertröpfchens – stellt sich aber rasch das stabile
Gleichgewicht unter Entropiezunahme ein.
Entspannt man Wasser vom Sättigungszustand reversibel adiabat, so verdampft
es teilweise entsprechend der Linie ab der Abb. 13.29, und der Dampfgehalt wächst
mit abnehmendem Druck. Geht man dabei gerade vom kritischen Punkt aus, so
bleibt der Zustand des Gemisches in der Nähe der schwach S-förmigen geschwun-
genen, von der Senkrechten nur wenig abweichenden Linie x = 0,5.
Im p,v-Diagramm (Abb. 13.28) kann man die reversiblen Adiabaten des
überhitzten Wasserdampfes für nicht zu hohe Drücke wie bei den Gasen durch die
Gleichung
näherungsweise wiedergeben.
Aus Abb. 13.29 erkennt man, dass bei adiabater Entspannung nasser Dampf
hohen Dampfgehaltes (etwa x > 0,5) noch nasser, Dampf niederen Dampfgehaltes
(etwa x < 0,5) trockener wird. Ebenso wie bei Gasen kann man für überhitzten
Wasserdampf (aber bei Drücken >25 bar nicht bis zu nahe an die Grenzkurve heran)
aus Adiabaten der Form pv n = const die Arbeit der reversiblen adiabaten Expansion
vom Druck p1 auf den Druck p2 nach der Gleichung
n−1
p1 V1 p2 n
L1 2 = −1
n−1 p1
berechnen. Falls die Adiabate die Grenzkurve überschreitet oder ihr bei hohen
Drücken auch nur nahekommt, verfolgt man adiabate Zustandsänderungen beque-
mer und genauer mit Hilfe der Dampftafeln und -diagramme.
Adiabate Drosselung
Bei der Zustandsänderung durch adiabates Drosseln hat die Enthalpie vor und
nach der Drosselung denselben Wert, sie kann daher am besten anhand des
13.6 Zustandsänderungen realer Fluide 293
Beispiel 13.3: Ein Massenstrom von Ṁ = 10 kg/s gesättigten Wassers der Temperatur
T1 = 473,15 K werde auf p2 = 2 bar gedrosselt.
a) Welches ist die Temperatur T2 nach der Drosselung?
b) Wie groß ist der Dampfgehalt nach der Drosselung?
c) Welches ist die Entropieerzeugung (Ṡirr )1 2 infolge Drosselung?
zu a) Aus der Dampftabelle des Anhanges, Tabelle I, entnimmt man einen Sättigungs-
druck p1 = 15,537 bar und h1 = 852,38 kJ/kg. Nach der Drosselung entsteht Nass-
dampf von p2 = 2 bar; er hat Sättigungstemperatur. Aus der Dampftabelle liest man ab:
t2 = 120,241 ◦ C.
Aufgabe 13.5: In einem Kessel von 2 m3 Inhalt befinden sich 1000 kg Wasser und
Dampf von 121 bar und Sättigungstemperatur.
Welches spezifische Volumen hat der Dampf? Wieviel Dampf und wieviel Wasser befin-
den sich im Kessel? Welche Enthalpie haben der Dampf und das Wasser im Kessel?
Aufgabe 13.6: Einem Kilogramm Nassdampf von 10 bar und einem Dampfgehalt von
x = 0,49 wird bei konstantem Druck so viel Wärme zugeführt, dass sich sein Volumen
gerade verdoppelt.
Wie groß ist die zugeführte Wärme, und welchen Zustand hat der Dampf danach?
Aufgabe 13.7: Der Druck in einem Dampfkessel von 5 m3 Inhalt, in dem sich 3000 kg
Wasser und Dampf befinden, ist in einer Betriebspause auf 2 bar gesunken.
Wieviel Wärme muss dem Kesselinhalt zugeführt werden, um den Druck auf 20 bar zu
steigern? Wieviel Wasser verdampft dabei?
Aufgabe 13.8: Wasserdampf von 15 bar und 60◦ C Überhitzung expandiert reversibel
adiabat auf 1 bar.
Welchen Endzustand erreicht der Dampf? Bei welchem Druck ist er gerade trocken
gesättigt? Welche Arbeit gewinnt man je kg Dampf bei der Expansion in einer konti-
nuierlich arbeitenden Maschine?
Aufgabe 13.9: Nasser Dampf von 20 bar wird zur Bestimmung seines Wassergehaltes
in einem Drosselkalorimeter auf 1 bar entspannt, wobei seine Temperatur auf 110 ◦ C
sinkt.
Wie groß ist der Wassergehalt? Welche Entropiezunahme erfährt der Dampf bei der
Drosselung? Wie groß ist der Exergieverlust bei einer Umgebungstemperatur von 20 ◦ C?
Kapitel 14:
Thermodynamische Prozesse, Maschinen und
Anlagen
14.1
Thermodynamische Modelle von Anlagenkomponenten
14.1.1
Pumpen
Eine Pumpe dient zum Fördern von Flüssigkeiten auf einen vorgegebenen Druck.
Entsprechend Abb. 14.1 wird die Pumpe von einem Massenstrom Ṁ durchströmt
und der Zustand der Flüssigkeit ändert sich hierbei durch Arbeitszufuhr von 1 nach
2. Die Flüssigkeit wird bei der thermodynamischen Betrachtung dieses Prozesses in
erster Näherung als inkompressibel angenommen.
Die meisten heute in der Technik eingesetzten Pumpen sind Kreiselpumpen,
in denen ein propellerartiges Laufrad den Flüssigkeitsstrom fördert. Weitere ge-
bräuchliche Pumpen sind Kolbenpumpen und Membranpumpen.
Die Leistungsaufnahme einer Pumpe lässt sich aus dem ersten Hauptsatz für ein
stationär durchströmtes System (Kap. 5.7) bestimmen. Sofern man annimmt, dass
die Pumpe adiabat sei und die Flüssigkeit beim Durchströmen weder eine Änderung
der kinetischen noch der potentiellen Energie erfährt, so folgt aus der Energiebilanz-
gleichung (5.23b) mit Q̇ = 0, Δz = 0 und Δw = 0 für die Pumpenleistung
PP = Ṁ lt = Ṁ (h2 − h1 ) . (14.1)
Für eine inkompressible Flüssigkeit gilt für die Enthalpiedifferenz nach Gl. (6.13),
dh = c dT + v dp ,
und somit
Δh = cΔT + vΔp ,
wobei der erste Term cΔT = c (T2 − T1 ) die in der Pumpe dissipierte Energie
charakterisiert und der zweite Therm vΔp = v (p2 − p1 ) den eigentlichen energe-
tischen Nutzen, der im Zusammenhang mit der Druckerhöhnung steht.
Kennt man neben Δp auch ΔT , so kann man die Leistung nach Gl. (14.1) be-
rechnen. In der Technik ist aber ΔT in der Regel unbekannt. Die Auslegung erfolgt
daher mittels einem sog. Pumpenwirkungsgrad. Dieser ist definiert zu
v Δp v (p2 − p1 )
ηP = = (14.2)
lt (h2 − h1 )
und stellt das Verhältnis der zur reinen Druckerhöhung erforderlichen Energie zur
tatsächlich zugeführten technischen Arbeit dar. Ist ηP bekannt, so folgt die zur
Förderung eines Massenstromes Ṁ gegen eine Druckdifferenz Δp erforderliche
Pumpenleistung aus
1 1
PP = Ṁ vΔp = V̇ Δp . (14.3)
ηP ηP
Δp
H= .
g
14.1.2
Verdichter, Kompressoren und Ventilatoren
14.1.3
Turbinen
In Turbinen wird durch Entspannen von Gasen oder Dämpfen Arbeit gewonnen.
Abb. 14.4 zeigt das Turbinensymbol. Im Inneren der Turbine wird das Gas oder der
Dampf hierbei zunächst in einer Düse beschleunigt. Die kinetische Energie wird
dann an Schaufeln und somit an eine rotierende Welle übertragen. Bei der thermo-
dynamischen Betrachtung kann man wie beim Verdichter näherungsweise davon
ausgehen, dass die Turbine ein offenes adiabates System darstellt. Die gewonnene
Leistung PT durch Entspannung eines Massenstroms Ṁ ist
PT = Ṁ lt = Ṁ (h2 − h1 ) , (14.10)
wobei wiederum Q̇ = 0, Δw = 0 und Δz = 0 angenommen wurde2. Analog zum
Verdichter lässt sich die spezifische Arbeit |lt | = |h2 − h1 | in einem h,s-Diagramm,
Abb. 14.5, darstellen.
Im reibungsfrei adiabaten Fall ist der Zustand nach der Entspannung 2rev und
die spezifischen Turbinenleistung
lt,rev = h2,rev − h1 . (14.11)
Zur Berechnung der tatsächlichen Turbinenleistung berücksichtigt man die Irrever-
sibilitäten wiederum in Form eines isentropen Wirkungsgrades
lt h2 − h1
ηST = = . (14.12)
lt,rev h2,rev − h1
Damit ergibt sich die Turbinenleistung zu
2
Bei einem Flugtriebwerk beispielsweise dient die Turbine nicht nur dem Arbeitsgewinn,
der hier zum Antrieb des Verdichters notwendig ist, sondern größtenteils zur Erzeugung
von Schub, d. h. kinetischer Energie der austretenden Gase. In diesem Fall ist die Annahme
Δw = 0 nicht gerechtfertigt. Die Gl. (14.10) kann jedoch einfach um die entsprechenden
Terme ergänzt werden.
300 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
14.1.4
Verdampfer und Kondensatoren
14.2
Rechtsläufige und linksläufige Kreisprozesse.
Wärmekraftmaschinen, Kältemaschinen und
Wärmepumpen
– Wärmekraftmaschinen (WKM),
– Kältemaschinen (KM) und
– Wärmepumpen (WP).
Bei einer Wärmekraftmaschine stellt eine abgeführte Arbeit L den Nutzen dar.
Um diese zu erzeugen, wird der Wärmekraftmaschine entsprechend Abb. 14.8 eine
Wärme Q von einer Wämequelle der Temperatur T zugeführt, und es muss nach
dem zweiten Hauptsatz, Kap. 9.5. eine Wärme Q0 an eine Wärmesenke der Tempe-
ratur T0 abgegeben werden. Hierbei gilt zwingend T0 < T . Die Wärmesenke ist im
Allgemeinen die Umgebung der Temperatur Tu . Als Wärmequelle können z. B. hei-
ße Verbrennungsgase, konzentrierte Solarenergie oder spaltbares Kernmaterial zur
Verfügung stehen.
Das in einem Kreislauf geführte Arbeitsfluid dient dazu, in einem Wärmeüber-
trager die Wärme Q aufzunehmen, in einer Maschine Arbeit zu verrichten und in ei-
nem anderen Wärmeübertrager die Wärme Q0 abzugeben. Entsprechend Gl. (7.25)
0= dQ + dL
wird das Fluid dann in der Maschine insgesamt die technische Arbeit
|Lt | = |L| = Q − |Q0 | (14.19a)
abgeben3. Gl. (14.19a) formt man, sofern man einen kontinuierlichen Prozess be-
trachtet, in dem der Massenstrom Ṁ des Arbeitsfluids umgewälzt wird, leicht um
zu
! !
! !
|P | = Q̇ − !Q̇0 ! . (14.19b)
3
Da man bei dieser Energiebilanz die Wärmekraftmaschine als geschlossenes System
betrachtet, unterscheiden sich die Arbeit L und die technische Arbeit Lt nicht (siehe
Kap. 5.2)
14.2 Rechtsläufige und linksläufige Kreisprozesse. 303
14.3
Der rechtsläufige Carnotsche Kreisprozess
und seine Anwendung auf das ideale Gas
Von besonderer Bedeutung für die Thermodynamik, wenn auch nicht für die Praxis,
ist der 1824 von Carnot4 eingeführte dissipationsfreie Kreisprozess, bestehend aus
2 Isothermen und 2 Isentropen in der Reihenfolge: isotherme Expansion, isentrope
(dissipationsfreie und adiabte) Expansion, isotherme Kompression und isentrope
Kompression zurück zum Anfangspunkt. Die Verwirklichung in der Praxis scheitert
an dem hohen maschinellen Aufwand und an dem unrealistisch groß zu wählenden
Druckverhältnis p1 /p3 (Abb. 14.11), um eine ausreichend große Arbeit zu erhalten.
Das Arbeitsfluid denken wir uns dabei nach Abb. 14.11 in einem Zylinder ein-
geschlossen. Während der isothermen Expansion 1–2 bringen wir das Fluid mit
einem Wärmespeicher von der Temperatur T , während der isothermen Kompres-
sion 3–4 mit einem solchen von der Temperatur T0 in wärmeleitende Verbindung.
Beide Wärmespeicher sollen so groß sein, dass ihre Temperatur sich durch Ent-
zug oder Zufuhr der bei dem Kreisprozess umgesetzten Wärmen nicht merklich
ändert. Während der isentropen Zustandsänderungen 2–3 und 4–1 ist das Arbeits-
fluid wärmedicht abgeschlossen.
Ebensogut können wir die einzelnen Teilvorgänge auch in getrennten Zylin-
dern ausführen, die das Arbeitsfluid im Kreislauf durchströmt, wie das Abb. 14.12
zeigt. Dabei arbeiten Zylinder c und d als Kompressoren, Zylinder a und b als Ex-
pansionsmaschinen. In a wird isotherm expandiert unter Wärmezufuhr von dem
Wärmespeicher T , in c wird isotherm komprimiert unter Wärmeabfuhr an den
Wärmespeicher T0 . Die Zylinder b und d sind wärmedicht abgeschlossen; in b wird
isentrop expandiert, in d isentrop komprimiert. Durch die als Viertelkreise gezeich-
neten Rohrleitungen strömt das Arbeitsfluid im Kreislauf in Richtung der Pfeile
durch alle 4 Zylinder, wobei die Ziffern 1–4 seinem Zustand im p,V -Diagramm
der Abb. 14.11 entsprechen. Die Rohrleitungen müssen zugleich ein ausreichen-
des Speichervolumen haben, damit trotz des absatzweisen Zu- und Abströmens von
Fluid keine zeitlichen Zustandsänderungen in ihnen auftreten. Durch entsprechende
Steuerung der Ventile kann man den Prozess leicht umkehren, wobei das Arbeits-
fluid entgegengesetzt strömt und der Maschine Arbeit zugeführt werden muss (siehe
hierzu Kap. 14.3).
Statt der Kolbenmaschinen könnte man auch Turbinen und Turbokompressoren
für die Entspannung und Verdichtung wählen.
4
Nicolas Léonard Sadi Carnot (1796–1832) schloss als Siebzehnjähriger sein Studium an
der Ecole Polytechnique de Paris ab und diente dann einige Jahre als Ingenieur-Offizier.
Er nahm aber bald seinen Abschied vom Militär und lebte als Privatmann in Paris, wo
er während der Choleraepidemie 1832 starb. Er beschäftigte sich mit den physikalischen
Grundlagen der Dampfmaschine. Seine Gedanken hierzu legte er 1824 in seiner berühmt
gewordenen Schrift Réflexions sur la puissance motrice du feu et sur les machines propres
”
à développer cette puissance“ nieder, mit der er die Thermodynamik als Wissenschaft
begründete.
306 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
pV
= T.
MR
Weiter zeigte uns der Versuch von Gay-Lussac und Joule, dass die innere Energie
eines idealen Gases nur von der Temperatur, nicht von seinem spezifischen Volumen
abhängt, sodass man nach Gl. (6.5) schreiben kann:
dU = M cv dT,
2 4
Q = −Lv 1 2 = p dV und Q0 = −Lv34 = p dV .
1 3
⎫
2 ⎪
⎪
dV V2 ⎪
⎪
Q = M RT = M RT ln , ⎪
⎪
V V1 ⎪
⎪
⎪
⎪
1 ⎪
⎪
4 ⎬
dV V4
Q0 = M RT0 = M RT0 ln , ⎪ (14.23)
V V3 ⎪
⎪
3 ⎪
⎪
⎪
⎪
oder ⎪
⎪
V3 ⎪
⎪
|Q0 | = M RT0 ln . ⎪
⎭
V4
Längs der Isentropen 2–3 und 4–1 gilt auch bei temperaturabhängiger spezifischer
Wärmekapazität die Differentialgleichung (7.10)
dT dV
+ (κ − 1) =0
T V
oder integriert
T0
V3 1 dT
ln = − ,
V2 κ−1 T
T
T0
V4 1 dT
ln = − .
V1 κ−1 T
T
Da die rechten Seiten dieser beiden Gleichungen übereinstimmen, sind auch ihre
linken gleich, und man erhält
V3 V4 V3 V2
= oder = . (14.24)
V2 V1 V4 V1
Diese Beziehung muss zwischen den 4 Eckpunkten des Carnotschen Kreisprozesses
erfüllt sein, damit das Diagramm sich schließt. Aus Gl. (14.23) folgt damit
Q T Q − |Q0 | T − T0
= oder = , (14.25)
|Q0 | T0 Q T
d.h., die umgesetzten Wärmen verhalten sich wie die zugehörigen absoluten Tem-
peraturen. Längs der beiden Isentropen werden nach Gl. (7.12) die Arbeiten
T0 T T0
Lv23 = M cv dT = −M cv dT und Lv41 = M cv dT
T T0 T
und wir erhalten für den thermischen Wirkungsgrad den einfachen Ausdruck
|L| T − T0 T0
η= = =1− . (14.26)
Q T T
Der thermische Wirkungsgrad des reversiblen Carnotschen Kreisprozesses hängt
also nur von den absoluten Temperaturen der beiden Wärmespeicher ab, mit denen
die Wärmen ausgetauscht werden.
Dabei wollen wir besonders beachten, dass wir zur Ausführung eines solchen
Kreisprozesses, der Wärme in Arbeit verwandelt, wie in Kap. 9.5 nachgewiesen
wurde, zwei Wärmespeicher brauchen, von denen der eine als Wärmequelle, der
andere als Wärmesenke fungiert.
Das Ergebnis von Gl. (14.26) über das Verhältnis von verrichteter Arbeit |L| und
zuzuführender Wärme Q hatten wir in Kap. 9.5 ohne den Umweg über die Berech-
nung der Zustandsänderungen des idealen Gases auch über den zweiten Hauptsatz
unmittelbar hergeleitet. Dabei wurde bereits gezeigt, dass der Carnot-Wirkungsgrad
ηc einen Faktor darstellt, der beschreibt, welcher Anteil einer Wärme, die bei Tem-
peratur T bereitgestellt wird, bei gegebener Temperatur T0 maximal in Arbeit ge-
wandelt werden kann. Ebenso konnten wir dies z.B. unter Zuhilfenahme der in
Kap. 11.4 angestellten Exergiebetrachtung und der dort abgeleiteten Gl. (11.3)
Tu
−dLex = 1 − dQ (14.27)
T
zeigen. Hierin stellt dLex die Exergie der Wärme bzw. die maximal gewinnbare Ar-
beit dar, wenn ein System durch reversible Zustandsänderungen – und nur um solche
handelt es sich im Carnot-Prozess – mit der Umgebung ins Gleichgewicht gebracht
wird. Wir denken uns deshalb den Carnot-Prozess zwischen den Grenzen Umge-
bungstemperatur (T0 = Tu ) und der Temperatur T betrieben. Der Wärmeaustausch
erfolgt damit längs der Isothermen T0 = Tu und T , und wir erhalten durch Integra-
tion von Gl. (14.27) unmittelbar
|Lex | Tu
=1− = ηc . (14.28)
Q T
Der so abgeleitete Carnot-Faktor ηc stimmt also mit dem thermischen Wirkungsgrad
des Carnot-Prozesses überein.
In Wirklichkeit lässt sich ein Kreisprozess nie völlig reversibel ausführen.
So erfolgt der Wärmeaustausch immer unter Temperaturgefälle, d. h. beispiels-
weise Tu < T0 , und die den Prozess ausführende Arbeitsmaschine läuft nicht
reibungsfrei, wodurch Energie dissipiert wird. Damit ist die tatsächlich ge-
winnbare Arbeit L kleiner als die maximale Arbeit bzw. die Exergie Lex des
wärmeabgebenden Systems. Als Maß für die Irreversibilität der Energieumwand-
lung in einer Wärmekraftmaschine hatten wir in Kap. 11.4, Gl. (11.4), das Verhältnis
aus tatsächlicher Arbeit und Exergie
η
ηex = |L| / |Lex | = (14.29)
ηc
14.4 Der linksläufige Carnotsche Kreisprozess 309
14.4
Der linksläufige Carnotsche Kreisprozess
Lässt man den reversiblen Carnotschen Kreisprozess in der umgekehrten Reihen-
folge, also linksläufig, die Zustände 4 3 2 1 durchlaufen (siehe Abb. 14.13), so keh-
ren sich die Vorzeichen der Wärmen und Arbeiten um. Entsprechend Abb. 14.10
kann dieser Prozess in einer Kältemaschine oder Wärmepumpe angewandt werden.
Es wird keine Arbeit gewonnen, sondern es muss die Arbeit L zugeführt werden.
Längs der Isotherme 4 3 wird die Wärme Q0 dem Wärmespeicher von der niederen
Temperatur T0 entzogen und längs der Isotherme 2 1 die Wärme
|Q| = Q0 + L
an den Wärmespeicher von der höheren Temperatur T abgeführt.
Beispielhaft betrachten wir zunächst eine reversible Wärmepumpe. Dabei werde
der Umgebung bei T0 = 293 K eine Wärme Q0 entzogen, um z.B. an die Heizung
einer Destillieranlage etwa bei 100 ◦ C entsprechend annähernd T = 373 K eine
Wärme |Q| abzugeben. Dann ist die Leistungszahl nach Gl. (14.21)
|Q| T 373 K
εWP = = = = 4,66
L T − T0 80 K
oder
|Q| = 4,66L .
Würde man die Arbeit L etwa durch Reibung oder, falls sie als elektrische Ener-
gie vorhanden ist, durch elektrische Widerstandsheizung in Wärme verwandeln,
so würde nach dem ersten Hauptsatz nur das entsprechende Äquivalent entste-
hen. Durch die reversible Wärmepumpe wird also das Mehrfache, in unserem Bei-
spiel das 4,66-fache der aufgewendeten Arbeit als Wärme nutzbar gemacht. Die
5
Fratzscher, W.: Zum Begriff des exergetischen Wirkungsgrades. BWK 13 (1961) 486–493.
310 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
Wärmepumpe ist hier also energetisch wesentlich effizienter als die Widerstands-
heizung.
Nun betrachten wir eine Anwendung des linksläufigen Carnot-Prozesses als
Kältemaschine. Dabei werde die Wärme Q0 einem Körper entzogen, dessen Tempe-
ratur T0 unter der Umgebungstemperatur liegt, und es wird an die Umgebung oder
an Kühlwasser von der Temperatur T eine Wärme |Q| = Q0 + L abgegeben.
Will man einen Raum auf −10 ◦C halten in einer Umgebung von +20 ◦ C, so
muss die Kältemaschine die dem Kühlraum durch die Wände zufließende Wärme
wieder herausschaffen. Da dann die Leistungszahl nach Gl. (14.22)
Q0 T0 263 K
εKM = = = = 8,8
L T − T0 30 K
ist, kann also der 8,8-fache Betrag von L dem Kühlraum als Kälteleistung entzo-
gen werden. Hierbei sind die Verluste durch Unvollkommenheiten aber noch nicht
berücksichtigt.
In der Technik werden nach dem Carnotschen Prozess arbeitende Kaltluftma-
schinen mit dem Arbeitsfluid Luft nicht gebaut, sondern man benutzt ausschließlich
kondensierende Gase, sog. Kaltdämpfe, als Arbeitsmedien und arbeitet auch nach
einem vom Carnotschen etwas abweichenden Prozess, den wir in Kap. 14.11 ken-
nenlernen werden.
14.5
Die Heißluftmaschine und die Gasturbine
Die Teilvorgänge des Carnotschen Kreisprozesses hatten wir in vier getrennten Zy-
lindern ausgeführt, die das Arbeitsmittel nacheinander durchströmte. Dabei wurden
zwei Zylinder zur Verdichtung des Gases verwendet und zwei dienten als Expansi-
onsmaschinen. In je einer dieser Kompressions- und Expansionsmaschinen wurde
14.5 Die Heißluftmaschine und die Gasturbine 311
Wärme zu- bzw. abgeführt, die beiden anderen arbeiteten reversibel adiabat, also
isentrop.
Ersetzt man nun die beiden erstgenannten Maschinen durch Wärmeübertrager,
in denen die Wärmezu- und -abfuhr isobar erfolgt, so kommt man zu der in
Abb. 14.14 gezeigten Heißluftmaschine. Im linken Zylinder wird die mit der Tempe-
ratur T1 und dem Druck p0 angesaugte Luft auf p verdichtet, wobei ihre Temperatur
auf T2 steigt. Dann wird die Luft in einem Wärmeübertrager, der als Erhitzer dient
und z.B. die Form einer von außen mit einer Flamme beaufschlagten Rohrschlange
hat, bei dem konstanten Druck p unter Zufuhr der Wärme
Q = M cp (T3 − T2 ) (14.30)
von T2 auf T3 erwärmt, wobei wir konstante spezifische Wärmekapazität cp anneh-
men. Im Expansionszylinder wird sie dann vom Druck p auf p0 entspannt, wobei
ihre Temperatur von T3 auf T4 sinkt. Dabei muss natürlich T4 größer sein als T1 .
Die mit der Temperatur T4 aus dem Expansionszylinder austretende Luft wird in
einem zweiten Wärmeübertrager, der als Kühler dient, bei dem konstanten Druck
p0 wieder auf die Anfangstemperatur T1 gebracht durch Entzug der Wärme
|Q0 | = M cp (T4 − T1 ) (14.31)
und strömt dann wieder dem Kompressionszylinder zu. Wenn p0 gleich dem Um-
gebungsdruck ist, könnte man auch die Luft in die Umgebung entweichen und vom
Kompressionszylinder Frischluft ansaugen lassen, was thermodynamisch das Glei-
che ist, da dann die Umgebung als unendlich großes Wärmereservoir betrachtet wer-
den kann.
Behandelt man die Luft als ideales Gas, so gilt bei reversiblen adiabaten Zu-
standsänderungen zwischen denselben Druckgrenzen und bei gleichem Isentropen-
exponenten κ für Expansion und Kompression
(κ−1)/κ (κ−1)/κ
T1 T4 p0 T4 − T1 T1 p0
= = und = = .(14.32)
T2 T3 p T3 − T2 T2 p
Die verrichtete Arbeit ist die Differenz der zugeführten und der abgeführten
Wärmen
312 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
Abb. 14.15 und 14.16 Prozess der Heißluftmaschine und der Gasturbine mit reversibler
adiabater Kompression und Expansion im p,V - und T,S-Diagramm (Joule-Prozess)
T4 − T1
|L| = Q − |Q0 | = M cp (T3 − T2 ) 1 −
T3 − T2
(14.33)
T1
= M cp (T3 − T2 ) 1 −
T2
Abb. 14.18 und 14.19 Prozess der Heißluftmaschine und der Gasturbine mit isothermer
Kompression und Expansion im p,V - und T,S-Diagramm (Ericsson-Prozess)
314 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
|L| T3 − T1 T1
η= = =1− . (14.38)
Q34 T3 T3
Der Wirkungsgrad der Heißluftmaschine mit isothermen Kompression und Expan-
sion ist also gleich dem des reversiblen Carnotschen Prozesses. Bei Anwendungen
kommt es aber nicht nur auf den Wirkungsgrad, sondern auch auf den Maschinen-
aufwand an. Bei gegebenem Anfangsdruck steigt dieser Aufwand mit wachsendem
Höchstdruck und wird um so kleiner, je mehr Arbeit bei gegebenem Höchstdruck
aus der Mengeneinheit angesaugter Luft zu gewinnen ist. Zeichnet man in einem
T,S-Diagramm zwischen den Isobaren des kleinsten und größten Druckes Prozesse
nach Carnot und nach Ericsson ein, so sieht man, dass bei gleichen Temperatur-
grenzen und daher auch gleichem Wirkungsgrad der Ericsson-Prozess die größere
Arbeitsfläche liefert, er nutzt also die Maschine besser aus. Ähnliches gilt für den
Vergleich mit dem Joule-Prozess. Beim Ericsson-Prozess ist aber ein guter Gegen-
stromwärmeübertrager nötig.
Die bisherigen Überlegungen gelten für verlustlose Maschinen, bei Berück-
sichtigung von isentropen Wirkungsgraden der Kompression und Expansion ent-
sprechend Kap. 14.1 werden die Ausdrücke komplexer.
Die Heißluftmaschine ist in der in Abb.14.17 skizzierten Form ohne praktisches
Interesse. Als Strömungsmaschine, bestehend aus einem Turboverdichter und einer
Gasturbine, hat sie dagegen größere Bedeutung dank der Steigerung der Gütegrade
dieser Maschine durch die Fortschritte der Strömungslehre und den weitverbreite-
tem Einsatz in der Praxis in stationären Gasturbinenanlagen und Flugtriebwerken.
Bei der Gasturbine kann die Erhitzung der verdichteten Arbeitsluft durch Ein-
spritzen von Brennstoff als innere Wärmezufuhr oder durch Heizflächen hindurch
als äußere Wärmezufuhr erfolgen. Im zweiten Fall wird als Arbeitsmedium nicht
Luft, sondern Helium oder auch Kohlendioxid verwendet. Bei dem sog. offenen
Kreislauf, der z. B. für Flugtriebwerke als Vergleichsprozess relevant ist, saugt der
Verdichter die Luft aus dem Freien mit dem Druck und der Temperatur der Umge-
bung an, und die Turbine lässt sie mit höherer Temperatur wieder ins Freie austreten.
Lufterhitzung durch innere Wärmezufuhr ist nur bei offenem Kreislauf möglich. Bei
geschlossenem Kreislauf läuft immer dasselbe Arbeitsgas um, ihm wird im Erhitzer
Wärme durch Heizflächen hindurch zugeführt und hinter der Turbine vor Wieder-
eintritt in den Verdichter ebenfalls durch Heizflächen hindurch wieder entzogen.
Will man hohe Wirkungsgrade erreichen, so ist bei beiden Systemen ein
Wärmeübertrager nötig, der im Gegenstrom Wärme von dem heißen Arbeitsgas hin-
ter der Turbine an das aus dem Verdichter kommende kältere Gas überträgt, bevor
ihm die Verbrennungswärme zugeführt wird.
Das Schema einer Gasturbinenanlage mit offenem Kreislauf und innerer
Wärmezufuhr zeigt Abb. 14.20. Die aus dem Freien angesaugte Luft wird im Ver-
dichter a auf höheren Druck gebracht, vorgewärmt und dann in der Brennkammer
b durch Einspritzen von Brennstoff und dessen Verbrennung erhitzt. Darauf wird
die Luft6 in der Turbine c unter Arbeitsleistung entspannt, gibt im Wärmeübertrager
6
Genau genommen tritt nicht Luft, sondern das bei der Verbrennung von Brennstoff mit
Luft entstandene Abgas in die Turbine ein. Für die hier betrachteten grundlegenden ther-
14.5 Die Heißluftmaschine und die Gasturbine 315
d einen Teil ihrer Restwärme zur Luftvorwärmung ab und tritt dann ins Freie aus.
Im Stromerzeuger e wird die Nutzarbeit des Prozesses in elektrische Energie ver-
wandelt. Das t,s-Diagramm des Vorganges zeigt Abb. 14.21. Dabei entspricht die
Isobare AB der Erhitzung durch innere Verbrennung, BC ist die Expansionslinie,
deren Neigung gegen die Senkrechte die Entropiezunahme durch Verluste angibt,
die entsprechend Kap. 14.1.3, Gl. (14.12), durch den isentropen Turbinenwirkungs-
grad quantifiziert werden. Längs CD wird Wärme im Wärmeübertrager entzogen,
DE entspricht dem mit dem Auspuff verbundenen Wärmeentzug. Bei E wird fri-
sche Luft angesaugt und längs EF verdichtet, wobei die Neigung der Kompressi-
onslinie wieder die Entropiezunahme durch die Verluste des Verdichters darstellt,
quantifiziert durch den isentropen Verdichterwirkungsgrad, Gl. (14.6). Längs F A
wird der verdichteten Luft die dem Abgas längs CD entzogene Wärme zugeführt.
Da der Wärmeübertrager ein Temperaturgefälle benötigt, liegen die Punkte von CD
bei höheren Temperaturen als die entsprechenden der Kurve AF .
modynamischen Zusammenhänge kann das Abgas jedoch durch die Eigenschaften der
Luft beschrieben werden.
316 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
verhältnisgleich. Dieses Regelverfahren erlaubt es, Verdichter und Turbine auch bei
Teillast an demselben günstigsten Betriebspunkt zu fahren, indem man zwar die
Absolutwerte des Druckes ändert, aber alle Druckverhältnisse und damit auch alle
Geschwindigkeiten ungeändert lässt.
Der offene Gasturbinenprozess hat zweifellos seine wichtigste Anwendung als
Flugzeugantrieb gefunden. Dabei verarbeitet in der Regel die Turbine vom Druck-
gefälle nur so viel, wie der Antrieb des Verdichters benötigt. Der Rest des Druck-
gefälles dient zur Erzeugung eines Gasstrahls hoher Geschwindigkeit. Dessen Re-
aktion, der Schub, treibt unmittelbar das Flugzeug an.
14.6
Der Stirling-Motor
Im Jahre 1816, drei Jahre bevor James Watt starb, meldete Robert Stirling, ein pres-
byterianischer Geistlicher aus Schottland, ein Patent für einen Heißluftmotor an.
Dies war rund 70 Jahre bevor G. Daimler und W. Maybach ihren Otto-Motor in
einem ersten Motorfahrzeug erprobten und Diesel die nach ihm benannte Verbren-
nungskraftmaschine erfand. Während Otto- und Diesel-Motor eine gewaltige Ent-
wicklung erfuhren und heute nahezu ausschließlich die Antriebsaggregate unserer
Kraftfahrzeuge sind, geriet der Stirling-Motor für lange Zeit in Vergessenheit.
Im Jahre 1968 griff die Firma Philips Industries8 in Eindhoven (Niederlande)
die Idee von Stirling wieder auf und begann, diesen Motor weiterzuentwickeln. Die
Gründe, die zum Wiederaufgreifen der Idee von Stirling führten, sind in dem ru-
higen, nahezu geräuschlosen Lauf dieser Maschine, in der Tatsache, dass sie mit
8
Meijer, R.J.: Der Philips-Stirling-Motor, Z. MTZ 29 (1968) 7, 284–298 u. Meijer, R.J.:
Möglichkeiten des Stirling-Fahrzeugmotors in unserer künftigen Gesellschaft. Philips
Tech. Rundsch. 31 (1970/71) Nr. 5/6, 175–193.
318 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
dem Einschubvolumen des Gases, wie aus Phase III zu erkennen ist, nach unten
bewegt wurde. In der Phase IV leistet schließlich das Gas durch Expansion Ar-
beit, wobei das gesamte Kolbensystem, sowohl der Arbeitskolben e als auch der
Verdrängerkolben d, nach unten bewegt wird. Schließlich wird das expandierte Gas
durch Hochschieben des Verdrängerkolbens d bei in unterer Totlage festgehaltenem
Arbeitskolben e wieder in den kalten Zylinderraum b befördert und gibt dabei im
Kühler h Wärme ab.
Wir wollen nun den thermodynamischen Kreisprozess dieses Motors betrachten.
Die Bewegung der beiden Kolben ist so gesteuert, dass die Überschiebevorgänge
als isochore Zustandsänderungen verlaufen, bei denen dem Arbeitsmedium Wärme
zugeführt oder entzogen wird. Während des Kompressions- und des Expansionsvor-
ganges steht das Gas laufend mit dem Kühler h bzw. dem Erhitzer f in Verbindung
und erfährt damit eine Wärmeübertragung, weshalb wir diese Zustandsänderungen
in erster Näherung als isotherm ansehen können. Damit ist, wie in Abb. 14.25 dar-
gestellt, der Stirling-Prozess aus zwei Isochoren und zwei Isothermen zusammen-
gesetzt.
Der Unterschied zu dem im vorhergehenden Abschnitt behandelten Ericsson-
Prozess liegt darin, dass die dort bei konstantem Druck erfolgte Wärmeübertragung
im Regenerator hier bei konstantem Volumen vor sich geht. Damit sind aber auch
hier die beim Überschieben umgesetzten Wärmen einander gleich und werden bei
denselben Temperaturen übertragen. Für die Berechnung des Wirkungsgrades ist
deshalb nur der Wärmeumsatz während der isothermen Expansion und Kompressi-
on zu betrachten. Damit gilt
⎫
V4
Q = Q34 = M RT3 ln , ⎪⎪
⎬
V3
(14.39)
V1 ⎪
|Q0 | = |Q12 | = M RT1 ln , ⎪
⎭
V2
320 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
V1
|L| = Q34 − |Q12 | = M R (T3 − T1 ) ln , (14.40)
V2
woraus sich der thermische Wirkungsgrad η zu
|L| T3 − T1 T1
η= = =1− (14.41)
Q34 T3 T3
ergibt. Der Wirkungsgrad des Stirling-Prozesses ist also gleich dem des Carnotschen
Prozesses.
14.7
Die Stirling-Kältemaschine
Die hohen Herstellungskosten und vor allem sein großes Gewicht ließen den
Stirling-Motor bis heute, auch nach einer versuchten Renaissance, nur für we-
nige spezielle Anwendungen zum Einsatz kommen. Durchgesetzt und bewährt
hat sich für einige Zwecke jedoch die Umkehrung des Stirling-Verfahrens in ei-
ner Kältemaschine zur Tieftemperaturerzeugung. Der konstruktive Aufbau dieser
Gaskältemaschine, Abb. 14.26, ist identisch mit dem des vorher erläuterten Stirling-
Motors. Der Kreisprozess wird jetzt jedoch in umgekehrter Richtung durchlaufen
und die Maschine von außen angetrieben. Der bisher als Erhitzer f bezeichnete
Teil arbeitet jetzt als Froster und wird mit dem zu kühlenden Raum oder Gut ver-
bunden, dem er Wärme entzieht und dem Arbeitsmittel in der Gaskältemaschine
zuführt, während der Kühler c aus dem Prozess Wärme an Luft oder Wasser bei
Umgebungstemperatur abführt. Das Arbeitsmittel wird im Raum b bei Umgebungs-
temperatur längs der Isotherme 1–2, Abb. 14.27, komprimiert, anschließend vom
Verdrängerkolben unter Wärmeentzug im Regenerator g in den Zylinderraum a
übergeschoben, wobei es sich längs der Isochore 2–3 auf die Temperatur T0 abkühlt.
Nun schließt sich die isotherme Expansion 3–4 längs T0 an, während der das Ar-
beitsmittel dem zu kühlenden Raum Wärme entzieht. Beim isochoren Rückschieben
4–1 durch den Verdrängerkolben d in den unteren Raum b nimmt das Arbeitsmittel
im Regenerator g die dort vorher abgegebene Wärme wieder auf und erwärmt sich
auf die Temperatur T .
Da sich die im Regenerator längs der Isochoren 4–1 und 2–3 ausgetauschten
Wärmen wieder gerade aufheben, brauchen wir sie bei der Energiebilanz nicht zu
berücksichtigen, und die dem Kühlgut entzogene Wärmemenge Q0 errechnet sich
als Differenz der im Kühler c abgeführten Wärme Q und der zugeführten Arbeit L
Q0 = |Q| − L. (14.42)
Setzt man in die Definitionsgleichung der Leistungszahl εKM der Kälteanlage,
Gl. (14.22),
Q0
εKM =
L
die Beziehungen für die Zustandsänderungen längs der Isothermen ein, so erhält
man
T0
εKM = , (14.43)
T − T0
d.h., die Leistungszahl der Stirling-Gaskältemaschine ist gleich der des linksläufigen
Carnotschen Kreisprozesses, was aufgrund unserer Wirkungsgradbetrachtungen
beim Stirling-Motor zu erwarten war. Die tiefste Temperatur, die bisher mit dem
beschriebenen einfachen Prozess in einer Stirling-Gaskältemaschine erreicht wur-
de, lag bei 20 K. Bei einer abgewandelten Bauweise, der sogenannten zweistufigen
Ausführung9, gelang es 10,5 K zu erzielen, wobei Helium als Arbeitsmittel verwen-
det werden muss.
Die Leistungszahl εKM erreicht hier jedoch nur geringe Werte, da zur Kühlung
der Maschine in der Regel Wasser oder Luft von Umgebungstemperatur verwendet
werden muss und T zu rund 300 K einzusetzen ist.
9
Prast, G.: Gas refrigerating machine for temperatures down to 20 K and lower. Philips
Tech. Rev. 26 (1965) No. 1, 1–11.
322 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
14.8
Verbrennungsmotoren mit innerer Verbrennung.
Otto- und Diesel-Motor
10
Nicolaus August Otto (1832–1891) war als Kaufmann tätig, experimentierte aber seit 1861
mit den damaligen von Lenoir erfundenen Zweitaktmotoren. Er gründete 1864 mit dem
Ingenieur Eugen Langen (1833–1895) in Deutz bei Kön eine Fabrik zum Bau von Gasmo-
toren. 1876 erfand Otto den Viertaktmotor, der von seiner Firma gebaut wurde.
14.8 Verbrennungsmotoren mit innerer Verbrennung 323
entsprechend der Linie 23 der Abb. 14.28. Diesel11 -Motoren (auch Gleichdruck-
oder Brennermotoren) genannt, saugen reine Luft an, verdichten sie und spritzen
11
Rudolf Diesel (1858–1913) studierte Maschinenbau am damaligen Polytechnikum
München, der heutigen Technischen Universität. Angeregt durch seinen Thermodynamik-
Lehrer Carl Linde versuchte er, den Carnot-Prozess zu verwirklichen. Er erhielt für sein
Verfahren auch ein Patent, aufgrund dessen die Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg
(MAN) mit der Entwicklung von Dieselmotoren begann. 1897 wurde von dieser der erste
324 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
den Brennstoff bei nahezu gleichbleibendem Druck nach Linie 23 der Abb. 14.29
in die hochverdichtete und dadurch stark erhitzte Luft ein, wobei er sich von selbst
entzündet.
Für die theoretische Behandlung vereinfacht man die Arbeitsprozesse
gewöhnlich durch folgende Annahmen:
1. Der Zylinder enthält während des ganzen Vorganges stets Gas derselben Men-
ge und Zusammensetzung. 2. Die Wärmeentwicklung durch innere Verbrennung
wird wie eine Wärmezufuhr von außen behandelt. 3. Die Wärmeabgabe durch Aus-
puffen und das Einführen von frischem Gemisch wird durch Abkühlen des sonst
unverändert bleibenden Zylinderinhaltes ersetzt. 4. Die spezifische Wärmekapazität
des Arbeitsgases wird als unabhängig von der Temperatur angenommen und dieses
als ideales Gas angesehen.
14.8.1
Der Otto-Prozess
Am Ende des Saughubes ist der Zylinder im Punkt 1 der Abb. 14.30 mit dem brenn-
baren Gemisch von Umgebungstemperatur und atmosphärischem Druck gefüllt. Bei
flüssigen Kraftstoffen kann das Gemisch entweder vor dem Zylinder in einem Ver-
gaser gebildet werden (Vergasermotor) oder durch Einspritzen des Kraftstoffes in
den Zylinder oder in das Saugrohr während des Saughubes (Einspritzmotor). Längs
der Isentropen 12 wird das Gemisch vom Anfangsvolumen Vk + Vh auf das Kom-
pressionsvolumen Vk verdichtet. Am sog. oberen Totpunkt (Kolben in oberer Stel-
lung bei V = Vk ) erfolgt meist durch elektrische Zündung plötzlich die Verbren-
nung. Dabei ändert sich das eingeschlossene Volumen kaum, weshalb der Otto-
Prozess auch Gleichraumprozess genannt wird. Wir denken uns die Verbrennungs-
energie als Wärme von außen zugeführt, wobei der Druck des sonst unveränderten
Gases von Punkt 2 auf 3 steigt. Beim Zurückgehen des Kolbens expandiert das
Gas längs der Isentropen 34. Den in 4 beginnenden Auspuff denken wir uns ersetzt
durch den Entzug einer Wärme Q0 bei konstantem Volumen, wobei der Druck von
Punkt 4 nach 1 sinkt. In Punkt 1 müssten die Verbrennungsgase durch neues Ge-
misch ersetzt werden, wozu im wirklichen Motor ein Doppelhub gebraucht wird
(vgl. Abb. 14.28).
Im T,S-Diagramm der Abb. 14.31 wird der Vorgang durch den Linienzug 1 2
3 4 dargestellt, wobei 2 3 b a die zugeführte Wärme Q und 4 1 a b die abgeführte
Wärme |Q0 | ist.
Der Auspuffvorgang ist ein irreversibler Prozess und demnach mit Verlust ver-
bunden. Auch die Abgabe der Wärme |Q0 | an die Umgebung längs der Linie 41 ist
irreversibel, da die Temperatur des Gases höher ist als die der Umgebung und die
Wärme daher unter einem Temperaturgefälle abfließt. Bezeichnet man als Verdich-
tungsverhältnis den Ausdruck
Dieselmotor gebaut, der von dem Patent aber erheblich abwich. Diesel ertrank 1913 bei
einer Schiffahrt im Ärmelkanal.
14.8 Verbrennungsmotoren mit innerer Verbrennung 325
Abb. 14.30 und 14.31 Theoretischer Prozess des Otto-Motors im p,V - und T,S-Diagramm
V1 Vk + Vh
ε= = , (14.44)
V2 Vk
so ist, wenn für Kompressions- und Expansionslinie Isentropen mit gleichen Expo-
nenten κ angenommen werden,
p2 p3
= = εκ
p3 p4
und
T2 T3 T3 − T2
= = = εκ−1 .
T3 T4 T4 − T1
Bei konstanter spezifischer Wärmekapazität der Gase ist für die Masse M des Ar-
beitsgases die zugeführte Wärme
Q = Q23 = M cv (T3 − T2 ),
die abgeführte Wärme
|Q0 | = |Q41 | = M cv (T4 − T1 ),
also die verrichtete Arbeit
|L| = Q − |Q0 |
und der thermische Wirkungsgrad
|L| |Q0 | T4 − T1 T1
η= =1− =1− =1−
Q Q T3 − T2 T2
oder
(κ−1)/κ
1 p1
η =1− =1− . (14.45)
εκ−1 p2
326 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
Der Wirkungsgrad hängt also ebenso wie bei der Heißluftmaschine außer von
κ nur vom Druckverhältnis p2 /p1 und nicht von der Größe der Wärmezufuhr und
damit nicht von der Belastung ab. Je höher man verdichtet, um so besser wird die
Wärme ausgenutzt.
Das Verdichtungsverhältnis ist bei Otto-Motoren durch die Selbstentzündungs-
temperatur des Gemisches begrenzt, die bei der isentropen Verdichtung nicht er-
reicht werden darf, da sonst die Verbrennung schon während der Kompression
einsetzen würde. Praktisch setzt aber das sogenannte Klopfen dem Verdichtungs-
verhältnis schon eher eine Grenze als die Selbstentzündungstemperatur.
Beispiel 14.1: Ein Flugmotor arbeitet als Viertakt-Ottomotor mit einem Verdichtungs-
verhältnis ε = 8,5 und gibt bei einer Drehzahl nd = 2000 min−1 in Meereshöhe
(Zustand 0, p0 = 1 bar,T0 = 293 K) eine Leistung P0 = 600 kW ab.
Man berechne, wie sich die Leistung P (z) mit der Flughöhe ändert und welche Leistung
der Motor in 10 km Höhe abgibt, wobei für die Änderung des Druckes mit der Höhe
näherungsweise polytrope Luftschichtung gemäß
n
p (z) (z)
=
p (z = 0) (z = 0)
mit n = 1,2 angenommen und der Druckverlauf in der Atmosphäre durch die barome-
trische Höhenformel dp = − g dz angenähert werden kann.
Als theoretischer Vergleichsprozess ist der Otto-Prozess mit Luft als ideales Gas R =
0,287 kJ/(kgK) zugrunde zu legen. Gütegrad und mechanischer Wirkungsgrad des Mo-
tors sollen der Einfachheit halber gleich Eins gesetzt werden. Vereinbarungsgemäß
stammt die Wärme, die wir uns dem Otto-Prozess zugeführt denken, aus der Verbren-
nungsenergie. Diese ist je kg Arbeitsstoff konstant, q = const, unabhängig von der
Flughöhe.
Die Leistung ist P = L nd /2 (bei Zweitaktmotoren ist P = L nd ). Mit
dem thermischen Wirkungsgrad η nach Gl. (14.45) folgt P = −η Q nd /2 =
1
− 1 − κ −1 Q nd /2. Es ist Q = M q = 1 V1 q, wenn V1 das Anfangsvolum
ε
V1 = Vk + Vh , Abb. 14.30, und 1 die Dichte der Luft im Ansaugszustand ist. Sie
istmit der Höhe
veränderlich 1 = 1 (z). Somit ist die Leistung P = P (z) =
− 1 − εκ−1 1
(z) V1 q nd /2. Hierin sind alle Größen außer der Dichte 1 (z) un-
abhängig von der Höhe. Die Leistung ist daher proportional der Dichte 1 (z) der an-
gesaugten Luft.
P (z) 1 (z)
= .
P (z = 0) 1 (z = 0)
Den Dichteverlauf 2 (z) erhält man aus der Gl. für die Luftschichtung p p(z=0)
(z)
=
n
1 (z)
und der barometrischen Höhenformel dp = −1 g dz, indem man
1 (z = 0)
n−1
1
die Gl. für die Luftschichtung nach 1 differenziert dp = p (z = 0)n d1
(1 (z = 0))n
und in die barometrische Höhenformel einsetzt. Man erhält eine Differentialgleichung
für 1 (z):
14.8 Verbrennungsmotoren mit innerer Verbrennung 327
(1 (z = 0))n
n−2
1 d1 = −g dz.
n p (z = 0)
p (z=0)
Nach Integration erhält man unter Beachtung von (z=0)
= RT0 als Gleichung für die
höhenabhängige Leistung:
n−1
1
P (z) n−1 1
= = 1−g z .
(z = 0) P (z = 0) 1 RT0
Daraus folgt
1,2−1
1
P (z = 10 km) m 1,2 − 1 1 kgK
= 1 − 9,81 · 104 m = 0,339.
P (z = 0) s2 1,2 287 kJ · 293 K
Der Flugmotor hat in 10 km Höhe nur noch eine Leistung von 203,4 kW. Anmerkung:
Um die Leistung zu steigern, kann man die angesaugte Luft mit Hilfe eines vom Motor
angetriebenen Laders vom jeweiligen Umgebungszustand auf einen höheren Ladedruck,
z.B. p(z) = 1 bis 1,2 bar, vorverdichten.
14.8.2
Der Diesel-Prozess
Abb. 14.32 und 14.33 Theoretischer Prozess des Gleichdruckmotors im p,V - und T,S-
Diagramm
|L| = Q − |Q0 |
und
|L| 1 T4 − T1
η= =1−
Q κ T3 − T2
oder
T4 T3 T1
−
1 T3 T2 T2
η =1− .
κ T3
−1
T2
Für den Otto-Prozess 1 2 3 4 war
T1 T4 1
= = κ−1 .
T2 T3 ε
Weiter ist auf der Isobaren 2 3
T3 ϕVk
= = ϕ,
T2 Vk
auf der Isentropen 3 3
T3
= ϕκ−1 .
T3
Damit wird
T3 T3 T3 κ
= ϕ ;
T2 T2 T3
14.8 Verbrennungsmotoren mit innerer Verbrennung 329
14.8.3
Der gemischte Vergleichsprozess
Die beiden Formeln (14.45) und (14.47) lassen sich in eine zusammenfassen, wenn
man einen allgemeineren Prozess betrachtet, bei dem der Druck nach Abb. 14.34
am Ende der Kompression im oberen Totpunkt wie bei der Zündung im Otto-Motor
plötzlich ansteigt und sich dann wie beim Gleichdruckprozess im Diesel-Motor
noch einige Zeit auf dieser Höhe hält. Diesen gemischten Vergleichsprozess nennt
man Seilinger-Prozess. Führen wir als Drucksteigerungsverhältnis ψ = p2 /p2 das
Verhältnis des Druckes nach der plötzlichen Drucksteigerung zu dem am Ende der
Kompression vorhandenen ein, so erhält man für den Wirkungsgrad
ψ ϕκ−1
ϕ= 1− . (14.48)
εκ−1 [ψ − 1 + κ ψ (ϕ − 1)]
Tabelle 14.1 zeigt für Otto-Motoren die nach Gl. (14.45) für ein Gas mit κ = 1,35
berechnete Zunahme des Wirkungsgrades mit dem Druckverhältnis p2 /p1 der Kom-
pression und dem zugehörigen Verdichtungsverhältnis ε.
Bei Benzinmotoren ist ε = 6 bis 11, bei Diesel-Motoren 12 bis 21, der letzte
Wert p2 /p1 = 35 ist bei Motoren mit Gemischverdichtung nicht möglich, sondern
kann nur bei Brennstoffeinspritzung erreicht werden.
p2 /p1 5 8 10 15 35
ε 3,29 4,67 5,51 7,45 13,9
η 0,342 0,417 0,450 0,504 0,602
In Tabelle 14.2 ist für einen Diesel-Motor mit dem Druckverhältnis p2 /p1 =
35, das ausgeführten Motoren entspricht, und wieder für ein Gas mit κ = 1,35
die Änderung des Wirkungsgrades mit dem Einspritzverhältnis nach Gl. (14.47)
berechnet.
ϕ 1 1,5 2 2,5 3 4 5
η 0,602 0,570 0,544 0,520 0,498 0,460 0,427
Der letzte Wert des Wirkungsgrades in Tabelle 14.1 muss mit dem ersten der
Tabelle 14.2 übereinstimmen, da für ϕ = 1, also bei verschwindend kurzer Ein-
spritzung, sich der Diesel-Motor vom Otto-Motor nicht mehr unterscheidet. Der
Vergleich beider Tabellen zeigt den günstigen Einfluss des bei Diesel-Motoren
möglichen hohen Verdichtungsverhältnisses auf den Wirkungsgrad. Mit wachsen-
dem Einspritzverhältnis, d.h., mit wachsender Belastung, nimmt der theoretische
Wirkungsgrad des Diesel-Prozesses ab im Gegensatz zum Otto-Prozess.
14.8.4
Abweichungen des Vorganges in der wirklichen Maschine
vom theoretischen Vergleichsprozess; Wirkungsgrade
Der Vorgang in der wirklichen Maschine hat aus folgenden Gründen eine gerin-
gere Leistungsabgabe als der theoretische Vergleichsprozess, selbst wenn man die
Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärmekapazität berücksichtigt:
1. Die Verbrennung erfolgt beim Otto-Prozess nicht augenblicklich im oberen
Totpunkt, sondern erstreckt sich über längere Zeit. Dadurch wird die scharfe Spit-
ze des Gleichraumprozesses abgerundet und die Arbeitsfläche verkleinert. Beim
Diesel-Prozess beginnt und endet die Verbrennung nicht so plötzlich wie im theore-
tischen Diagramm angenommen, sondern reicht noch in den Beginn der Expansion
hinein. Dadurch treten Abrundungen des Diagramms ein, die seine Fläche verklei-
nern.
2. Für das Ausschieben der Verbrennungsgase und das Ansaugen des neu-
en Gemisches ist Arbeit erforderlich, die im Diagramm des Viertaktmotors nach
Abb. 14.28 durch die schmale Arbeitsfläche 0 1 6 dargestellt wird und von der ei-
gentlichen Diagrammfläche abzuziehen ist. Beim Zweitaktmotor wird eine entspre-
chende Arbeit von der Spülpumpe verrichtet.
14.8 Verbrennungsmotoren mit innerer Verbrennung 331
Unter |L| haben wir die Arbeit des theoretischen Vergleichsprozesses einer voll-
kommenen Maschine verstanden, wobei aber je nach dem Arbeitsverfahren (Ga-
sturbine, Otto- oder Diesel-Motor) verschiedene Prozesse zugrunde gelegt wer-
den können und auch keine Einheitlichkeit darüber herrscht, ob man die wirkli-
chen Eigenschaften des Arbeitsmittels (Temperaturabhängigkeit der spezifischen
Wärmekapazitäten, Änderungen der Zusammensetzung durch Gaswechsel und ge-
gebenenfalls durch Dissoziation) zugrunde legen oder mit einem idealisierten Ar-
beitsmittel konstanter spezifischer Wärmekapazitäten und unveränderlicher Zusam-
mensetzung rechnen soll.
Unter Q haben wir die bei der Verbrennung entwickelte Wärme entsprechend
dem Heizwert des Kraftstoffes verstanden. Wir bezeichnen mit |Li | die mit Hilfe
eines Indikatordiagrammes zu ermittelnde innere oder indizierte Arbeit, mit |Le |
die effektive oder Nutzarbeit an der Welle. Dann sind
⎫
|L| der thermische Wirkungsgrad des theoretischen ⎪ ⎪
ηth = ⎪
⎪
Q Prozesses der vollkommenen Maschine, ⎪
⎪
|Li | ⎪
⎪
⎪
⎪
ηi = der innere Wirkungsgrad der Maschine, ⎪
⎪
Q ⎪
⎪
⎪
⎪
|Li | ⎪
⎬
ηg = der Gütegrad (auch indizierter Wirkungsgrad), (14.49)
|L| ⎪
⎪
⎪
|Le | ⎪
⎪
⎪
⎪
ηm = der mechanische Wirkungsgrad, ⎪
⎪
|Li | ⎪
⎪
⎪
⎪
|Le | der effektive oder ⎪
⎪
⎪
⎪
ηe = ηth · ηg · ηm = ηi · ηm = ⎭
Q Nutzwirkungsgrad.
Berechnet man die theoretische Arbeit |L| mit den wirklichen Eigenschaften
des Arbeitsmittels, so ist ηg der Gütegrad der Maschine und 1 – ηg ein Maß für
die vorstehend unter 1 bis 4 angegebenen Verluste. Wird dagegen die theoretische
Arbeit mit einem idealen Arbeitsmittel konstanter spezifischer Wärmekapazität und
unveränderlicher Zusammensetzung berechnet, so kann man ηg in zwei Faktoren
zerlegen, von denen der eine den Gütegrad der Maschine angibt, während der andere
332 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
ein Maß für die Abweichung des Arbeitsmittels vom Idealfall ist und als Gütegrad
des Arbeitsmittels bezeichnet werden kann.
Beim mechanischen Wirkungsgrad ist zu beachten, dass er nicht nur die Reibung
des Kolbens und der Lager umfasst, sondern auch die Antriebsarbeit für die Hilfs-
maschinen, wie Zündmaschine, Pumpen zur Schmierung, Spülung und Einspritzung
und gegebenenfalls des Laders.
Statt der Arbeit |L| benutzt man häufig die Arbeit je Zeiteinheit oder Leistung
P . Ferner gebraucht man oft den Begriff des mittleren Arbeitsdruckes oder mittleren
indizierten Druckes pm , der sich aus der Leistung P , dem Hubvolum Vh und der
Drehzahl n nach der Formel
P
pm = k (14.50)
n Vh
ergibt. Dabei ist k = 1 für Zweitaktmotoren und k = 2 für Viertaktmotoren, da
bei diesen nur auf jede zweite Umdrehung ein Arbeitshub kommt. Bei doppeltwir-
kenden Zylindern sind die Hubräume von Kurbel- und Deckelseite zu addieren, bei
Mehrzylindermaschinen ist unter Vh die Summe der Hubräume aller Zylinder zu
verstehen.
Der Arbeit je Zeiteinheit entspricht eine Wärmezufuhr je Zeiteinheit oder ein
Wärmestrom, den man als Produkt B Δhu aus dem meist in kg/h gemessenen
Kraftstoffverbrauch B und dem in kJ/kg angegebenen Heizwert Δhu erhält. Die je
Zeiteinheit und Leistung verbrauchte, meist in g/kWh angegebene Kraftstoffmenge
heißt spezifischer Kraftstoffverbrauch b. In gleicher Weise spricht man von dem in
g/kWh angegebenen spezifischen Schmierstoffverbrauch bs . Bei Messungen ist zu
beachten, dass auch der Schmierstoff teilweise mitverbrennen und zur Leistung der
Maschine beitragen kann.
14.9
Die Dampfkraftanlage
In den bisher ausgewählten Beispielen für Kreisprozesse hatten wir als Arbeits-
mittel stets nichtkondensierbares Gas vorausgesetzt. Vielen technischen Prozessen
liegen jedoch auch Kreisprozesse mit Arbeitsmitteln zugrunde, die einen Phasen-
wechsel erfahren. In der Tat wird der weitaus überwiegende Teil der uns aus dem
öffentlichen Stromversorgungsnetz zur Verfügung stehenden elektrischen Energie
in Kraftanlagen erzeugt, die mit verdampfendem und kondensierendem Arbeitsmit-
tel betrieben werden. Der Arbeitsprozess einer solchen Dampfkraftanlage in seiner
einfachsten Form ist folgender: Im Dampfkessel a (vgl. Abb. 14.35) wird Wasser
bei konstantem Druck von Speisetemperatur bis zum Siedepunkt erwärmt und dann
unter großer Volumenzunahme verdampft. Der Dampf wird in einem Überhitzer b
gewöhnlich noch überhitzt und tritt dann in die Turbine c ein, in der er unter Ar-
beitsleistung isentrop entspannt wird. Aus der Turbine gelangt er in den Kondensa-
tor d, wo er sich verflüssigt, indem seine Verdampfungsenthalpie als Wärme an das
Kühlwasser übergeht. Das Kondensat wird schließlich durch die Speisepumpe e auf
Kesseldruck gebracht und wieder in den Kessel gefördert.
14.9 Die Dampfkraftanlage 333
Bei kleinen Anlagen wurde früher statt der Turbine eine Kolbendampfmaschi-
ne verwendet. Die zur Verdampfung des Wassers und Überhitzung des Dampfes
im Kessel notwendige Wärme wird heute noch weitgehend durch Verbrennung von
Kohle, Öl oder Erdgas erzeugt, wobei die dabei entstehenden heißen Rauchgase
Wärme an das Wasser bzw. den Dampf abgeben. Ebenso dienen auch Kernreakto-
ren als Wärmequellen für den Dampfkraftprozess. Dabei wird entweder wie beim
Siedewasserreaktor, wie Abb. 14.36 zeigt, direkt im Kern des Reaktors, in dem der
Uranzerfall stattfindet, Wasser erwärmt und verdampft, oder es wird, wie man in
Abb. 14.37 sieht, ein Wärmeträger zwischengeschaltet, der die Wärme aus dem Re-
aktor aufnimmt, zu einem Wärmeübertrager transportiert und sie dort an das ver-
dampfende Wasser abgibt. Dieser Wärmeträger kann Wasser von höherem Druck
als das im Dampfkraftprozess verwendete Wasser sein; man spricht dann von einem
Druckwasserreaktor. Man kann jedoch auch Gas, z.B. Helium, oder flüssiges Metall
verwenden. Beim Druck- und Siedewasserreaktor wird der Dampf aus technologi-
schen Gründen nicht überhitzt – die Turbine arbeitet deshalb als Sattdampfmaschi-
ne.
14.9.1
Der Clausius-Rankine-Prozess
a1 –b die Erwärmung des Wassers unter Kesseldruck von Kondensator- auf Satt-
dampftemperatur unter Zufuhr der Wärme a1 b d c,
b–1 die Verdampfung im Kessel unter Zufuhr der Wärme b 1 e d.
In Abb. 14.38 ist die Entfernung des Punktes a1 und der Isobare a1 b von der Grenz-
kurve des Nassdampfgebietes stark übertrieben. Die wirkliche Abweichung geht aus
Tabelle 14.3 hervor. Darin sind die Temperatursteigerungen Δt für verschiedene
Sättigungstemperaturen ts ausgerechnet, wenn man Wasser vom Sättigungszustand
isentrop auf Enddrücke von 25, 100 und 200 bar bringt.
Die Isobare für 100 bar liegt also im T,s-Diagramm höchstens um 1,5 K über
der Grenzkurve, die Isobare für 200 bar bis 4,5 K über ihr. Im Ganzen sind also
die Abweichungen der Isobaren von der Grenzkurve sehr klein, und wir wollen im
folgenden die Isobaren als mit der Grenzkurve zusammenfallend ansehen.
Die Enthalpie h1 des Dampfes im Punkt 1 ist dann dargestellt durch die Fläche
0 f b 1 2 e. Die Enthalpie des Dampfes h2 im Punkt 2 durch die Fläche 0 f a 2 e, und
die spezifische erzeugte Arbeit – lt ist die schraffierte Fläche a b 1 2.
|lt | = h1 − h2 . (14.51)
Tritt der Dampf feucht z.B. mit dem Zustand 11 in die Turbine ein, so ist die Arbeit
dem Betrag nach gleich der Fläche a b 11 21 und die im Kondensator abgeführte
Wärme gleich der Fläche 21 a c e1 . Ist der Dampf bei Eintritt überhitzt, entsprechend
dem Zustand im Punkt 12 , so ist die Arbeitsfläche ab 112 22 und die abzuführende
Wärme gleich der Fläche 22 a c e2 .
Beim Clausius-Rankine-Prozess können zur Entspannung sowohl Kolbenma-
schinen als auch Turbinen eingesetzt werden, da die theoretische Arbeit unabhängig
von der Art der Expansionsmaschine ist.
Vom Carnot-Prozess unterscheidet sich der Clausius-Rankine-Prozess durch die
bei konstantem Druck und steigender Temperatur erfolgende Wärmezufuhr an das
Speisewasser, ferner, falls mit Überhitzung gearbeitet wird, durch die Zufuhr der
Überhitzungswärme ebenfalls bei konstantem Druck und steigender Temperatur.
Wollte man mit Wasserdampf den Carnot-Prozess durchführen, so dürfte die Kon-
densation nicht vollständig, sondern nur bis zu dem senkrecht unter b liegenden
Punkt b1 durchgeführt werden, und man müsste das Dampf-Wasser-Gemisch längs
der Linie b1 b adiabat auf Kesseldruck komprimieren, wobei sein Dampfanteil gera-
de kondensiert. Ein solcher Prozess ist aber bisher praktisch nicht ausgeführt wor-
336 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
(Kap. 14.1.3) vielleicht im Punkt 3 der Isobare p0 enden. Dann ist der Betrag der
Arbeit der wirklichen Maschine gleich dem durch die senkrechte Entfernung 14 der
Punkte 1 und 3 dargestellten Enthalpiegefälle h1 − h3 und damit um die Verluste
h4 − h2 kleiner als das isentrope Enthalpiegefälle h1 − h2 .
An Wärme wurde dem Kessel der Unterschied q = h − hw der Enthalpie h
des Dampfes und hw des Speisewassers zugeführt. Mit |lt | bezeichnen wir die Ar-
beit der verlustlosen, nach dem Clausius-Rankine-Prozess arbeitenden Maschine
bezeichnen und mit |lti | die Arbeit der wirklichen Maschine. Nennt man ferner |lte |
die effektive Nutzarbeit an der Welle, dann ergeben sich folgende Zusammenhänge
für die Wirkungsgrade:
Der zweite Hauptsatz hatte ganz allgemein ergeben, dass der Wirkungsgrad der Um-
setzung von Wärme in Arbeit um so besser ist, bei je höherer Temperatur die Wärme
zugeführt und bei je tieferer Temperatur ihr nicht in Arbeit verwandelbarer Teil
abgeführt wird. Dies gilt auch für den Dampfkraftprozess. Der Dampf muss also
im Kondensator bei möglichst niedriger Temperatur verflüssigt werden. Die untere
Grenze ist dabei durch das verfügbare Kühlwasser gegeben.
Steigert man den Druck und die Temperatur im Kessel, so wachsen bei
gesättigtem Dampf, wie die für Drücke von 20, 100 und 220 bar gezeichneten Ar-
beitsflächen a b g h, a c f i und a d e k der Abb. 14.40 erkennen lassen, die Arbeiten
beim Clausius-Rankine-Prozess nicht in demselben Maße wie beim Carnot-Prozess,
338 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
da bei dem ersteren die gestrichelt berandeten Stücke der Arbeitsfläche oberhalb der
linken Grenzkurve fehlen.
Durch Überhitzen des Dampfes werden die Arbeitsflächen, wie Abb. 14.41 wie-
der bei 20, 100 und 220 bar und für 400 ◦ C Dampftemperatur zeigt, um die schraf-
fierten Flächenstücke vergrößert. Dadurch steigt der Wirkungsgrad, wenn auch bei
weitem nicht in dem Maße der Temperatursteigerung.
Um den Einfluss des Druckes und der Überhitzung auf den thermischen
Wirkungsgrad des Clausius-Rankine-Prozesses zahlenmäßig zu zeigen, ist in
Abb. 14.42 der Wirkungsgrad ηth für überhitzten Dampf von 400 ◦ C und 500 ◦C
für Kondensationsbetrieb eines angenommenen Kondensationsdruckes von 0,04 bar
und weiter noch für Gegendrücke von 1, 5 und 25 bar graphisch dargestellt. Gegen-
drücke über 1 bar kommen vor, wenn der aus der Maschine austretende Dampf z.B.
für Heizzwecke weiter verwendet werden soll. Diese Kraft-Wärme-Kopplung bietet
sich bei der Energieversorgung in der chemischen Industrie und im kommunalen
Bereich an, wo elektrischer Strom und Wärme gleichzeitig benötigt werden. Exer-
getisch günstiger wäre eine Entspannung auf Kondensatordruck 0,04 bar und die
Bereitstellung der Wärme über eine von der Turbine oder von einem Elektromotor
angetriebene Wärmepumpe. Die hohen Investitionskosten machen dieses Verfahren
aber unwirtschaftlich.
14.9.2
Verluste beim Clausius-Rankine-Prozess
und Maßnahmen zur Verbesserung des Wirkungsgrades
Wie in jeder technischen Maschine, so treten auch bei der Dampfkraftanlage Ver-
luste auf, die einen reversiblen Ablauf des Clausius-Rankine-Prozesses unmöglich
machen. Sie entstehen z.B.:
– durch Wärmeverluste des Dampferzeugers an die Umgebung – sei es in Form von
Abstrahlung oder über die aus dem Schornstein strömenden, nicht hinreichend
abgekühlten Rauchgase,
– durch Drosselvorgänge und reibungsbehaftete Strömung in Turbine, Speisewas-
serpumpe, Ventilen, Rohrleitungen und anderen Apparaten der Dampfkraftanlage
sowie
– durch mechanische Reibung in Lagern und Dichtungen drehender Maschinentei-
le.
340 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
Bei der Diskussion dieser Verluste müssen wir zwischen einer energetischen
und einer exergetischen Betrachtung unterscheiden. Der Dampferzeuger hat z.B.
im Allgemeinen einen sehr hohen energetischen Wirkungsgrad, d.h., es werden in
der Regel über 90% der mit dem Brennstoff eingebrachten Energie in Form von
Wärme an das Arbeitsmittel übertragen und erhöhen so die Enthalpie des Was-
sers bzw. des Wasserdampfes. Für die exergetische Betrachtung müssen wir je-
doch auf die noch arbeitsfähigen Energieanteile achten und vor allem die Exergie-
verluste bei der Verbrennung sowie bei der unter erheblichem Temperaturgefälle
stattfindenden Wärmeübertragung zwischen den heißen Rauchgasen und dem Was-
ser berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist nicht die gesamte bei Drosselung
und Reibung dissipierte Energie als Exergieverlust einzusetzen, da ein Teil dem
Kreisprozess wieder zugute kommt.
Eine einfache Abschätzung mit der in Tabelle 11.1, Kap. 11.6, angegebenen
Gleichung
dExV T1m − T2m
= Tu (14.57)
dQ T1m T2m
für den Exergieverlust durch Wärmeübertragung bei endlichem Temperaturgefälle
zeigt, dass allein durch diesen irreversiblen Vorgang rund ein Viertel der Brennstoff-
energie nicht in Exergie verwandelt wird, wenn man für T1m eine mittlere Rauch-
gastemperatur von 1 000 ◦C und für T2m eine mittlere Wasserdampftemperatur von
350 ◦ C annimmt. Für Tu ist die Umgebungstemperatur einzusetzen. Bei der Mitte-
lung der Wasser- bzw. Dampftemperatur zwischen den im Dampferzeuger auftreten-
den Extremwerten ist über die Entropieänderung des Arbeitsmediums zu wichten.
Die Mitteltemperatur ergibt sich dann zu
h2aus − h2ein
T2m = ,
s2aus − s2ein
wobei sich die Indizes 2 aus und 2 ein auf den Aus- bzw. Eintritt des Arbeitsmit-
tels im Dampferzeuger beziehen. Zu diesem Exergieverlust der Wärmeübertragung
kommen noch die Exergieverluste der Verbrennung, die etwa 30% betragen, sowie
der Exergieverlust durch Abwärme, der allerdings gegenüber den beiden erstge-
nannten Verlusten mit einer Größenordnung von 5–10% von untergeordneter Be-
deutung ist. Damit kommt im Dampfkraftwerk von der im Brennstoff enthaltenen
Energie weniger als die Hälfte dem Arbeitsmittel als Exergie, und damit als ar-
beitsfähige Energieform, zugute. Dieser exergetische Wirkungsgrad, der nicht mit
dem thermischen Wirkungsgrad einer Anlage verwechselt werden darf, ist auch
bei den modernen Kernkraftwerken nicht besser. Die Temperaturen, bei denen die
Kernspaltung in den Brennelementen erfolgt, liegen zum Teil sogar noch wesentlich
höher als die Verbrennungstemperaturen in fossil beheizten Dampferzeugern.
Gegenüber den Exergieverlusten im Dampferzeuger entstehen in den
übrigen Anlagenteilen durch Irreversibilitäten nur geringe Exergieverluste. Die
Druckerhöhung in der Speisepumpe sowie die Expansion des Dampfes in der
Turbine sind nicht isentrop. Der isentrope Turbinenwirkungsgrad, der entspre-
chend Kap. 14.1.3 das Verhältnis von tatsächlicher gewonnener Expansionsarbeit
14.9 Die Dampfkraftanlage 341
ratur erfolgen, wodurch sich, wie wir bei unseren Überlegungen aus Gl. (14.57)
gesehen haben, eine Verringerung des Exergieverlustes im Dampferzeuger ergibt.
Gleichzeitig wird dadurch auch der Clausius-Rankine-Prozess dem Carnot-Prozess
angenähert, und man spricht von einer Carnotisierung des Clausius-Rankine-
Prozesses. Einen solchen Vorgang bei dreistufiger Vorwärmung zeigt Abb. 14.44
im T,s-Diagramm. Der Turbine wird bei den verschiedenen Zwischendrücken p1 ,
p2 und p3 jeweils Anzapfdampf entnommen, der drei Speisewasservorwärmern zu-
geführt wird und dort die von der Pumpe kommende Flüssigkeit vor ihrem Eintritt
in den Dampferzeuger erwärmt. Bei dem Druck p3 z.B. wird so viel Anzapfdampf
entnommen, dass seine Verdampfungsenthalpie (Fläche lm98 der Abb. 14.44) bei
der Kondensation in einem Wärmeübertrager die Enthalpieänderung des Speise-
wassers zwischen den Drücken p2 und p3 deckt (Fläche c d 4 3). Beim Druck
p2 wird so viel Dampf entnommen, dass er das Speisewasser von b auf c bringt,
wobei die Verdampfungsenthalpie i k 87 die Flüssigkeitsenthalpie bc32 bestreitet;
und in der letzten Stufe bringt schließlich die Verdampfungsenthalpie g h 7 6 die
Flüssigkeitsenthalpie a b 2 1 auf. Der Kessel braucht dann nur die Wärme den 94,
die gleich a e n m l k i h g f 6 1 ist, zu liefern, und die Arbeitsfläche wird dargestellt
durch die Fläche a e n m l k i h g f, die gleich ist der Fläche p d e n q. Die Arbeits-
fläche ist um das Stück a d p kleiner als beim Clausius-Rankine-Prozess, aber dafür
braucht von der Feuerung auch nicht die Flüssigkeitsenthalpie a d 4 1 zugeführt zu
werden. Die Arbeitsfläche unterscheidet sich nur um das kleine gestrichelt berande-
te Stück d r e von dem Rechteck r n q p des Carnot-Prozesses zwischen denselben
Temperaturgrenzen.
Vergrößert man die Zahl der Anzapfungen, so wird die Annäherung an den
Carnot-Prozess immer besser, und im Grenzfall unendlich vieler Stufen wird er
völlig erreicht. Grundsätzlichen Betrachtungen legt man gewöhnlich diesen Grenz-
fall zugrunde und erhält dann statt der Treppenlinie die gestrichelt gezeichnete Linie
n t, die zur Grenzkurve e a parallel verläuft und gegen sie nur um die Strecke e n
waagerecht verschoben ist.
Ein schematisches Bild einer solchen Vorwärmeanlage gibt Abb. 14.45. Das von
der Pumpe e aus dem Kondensator geförderte Speisewasser wird in den Vorwärmern
f1 , f2 und f3 durch Anzapfdampf aus der Tubine c vorgewärmt. Das Kondensat
der Vorwärmer strömt durch Drosselventile g3 und g2 jeweils in die nächst niedere
Vorwärmstufe. Dabei verdampft ein Teil, und der Dampf dient mit zur Vorwärmung
in dieser Stufe. Aus dem letzten Vorwärmer gelangt das Kondensat in den Gegen-
stromkühler h, in dem es noch Wärme an das Speisewasser abgibt, um dann durch
das Drosselventil g1 in die Ansaugleitung der Speisepumpe einzutreten.
Diese Speisewasservorwärmung durch Anzapfdampf mit vier bis maximal neun
Stufen wird heute für große Hochdruckanlagen allgemein benutzt. Mit der Steige-
rung der Stufenzahl erhöht sich der Wirkungsgrad immer weniger, und die Anlage
wird komplexer und teurer. Für die Turbine hat das Anzapfen den Vorteil, dass die
Dampfmenge im Niederdruckteil kleiner wird, was vom konstruktiven Standpunkt
aus erwünscht ist.
344 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
14.10
Kombinierte Gas-Dampf-Prozesse
für den Joule-Prozess notwendige Gasmasse M hängt einerseits von der Tempe-
ratur des Gases am Eintritt zur Gasturbine sowie dem Verdichtungsverhältnis und
andererseits von Frischdampfdruck und -temperatur des Dampfturbinenprozesses
bei jeweils gleichen Umgebungsbedingungen ab.
14.10 Kombinierte Gas-Dampf-Prozesse 347
Abbildung 14.48.
Wirkungsgrade von
Kraftwerksprozessen
(Siemens)
Aus dem Joule-Prozess wird die der Fläche e,5,4,d entsprechende Wärme Q
auf den Clausius-Rankine-Prozess übertragen, die dort von der Fläche c, a, b, 1 ,
12 , e dargestellt wird. Die übertragene Wärme berechnet sich aus der einfachen
Beziehung
Q = M cp (T4 − T5 ) .
Die Wärme
Q0 = M cp (T5 − T1 )
muss an die Umgebung abgeführt werden. Für die Berechnung der nutzbaren Arbeit
aus dem Joule-Prozess und aus dem Clausius-Rankine-Prozess sei auf die Abschnit-
te 14.5 und 14.9 verwiesen. Die gesamte, aus dem GuD-Prozess nutzbare Arbeit, ist
die Summe beider Teilarbeiten.
Mit GuD-Anlagen, die mit Erdgas befeuert sind, lassen sich effektive Wirkungs-
grade von über 50% erzielen. Abbildung 14.48 zeigt einen Vergleich der Wirkungs-
grade verschiedener Wärmekraftanlagen.
Beim GuD-Prozess sind die Eckwerte von Gasturbine und Dampfturbine für ei-
ne Optimierung des Gesamtwirkungsgrades sorgfältig aufeinander abzustimmen.
Hohe Frischdampftemperaturen und -drücke verbessern zwar den Wirkungsgrad
des Clausius-Rankine-Prozesses, verringern aber den des Joule-Prozesses, da aus
Gründen der Temperaturkopplung zwischen Zustand am Austritt der Gasturbine und
am Eintritt der Dampfturbine das Gas nicht genügend weit entspannt werden kann.
Auf der anderen Seite verringern niedrige Zustandswerte am Eintritt der Dampf-
turbine den Wirkungsgrad des Clausius-Rankine-Prozesses. Mit steigendem Frisch-
dampfdruck und zunehmender Frischdampftemperatur verringert sich auch der Nut-
zungsgrad des Dampferzeugers.
348 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
14.11
Kraft-Wärme-Kopplung
Noch größere Exergieverluste als bei reinen Kraftwerken entstehen, wenn man
fossile Brennstoffe nur zum Heizen, sei es für die Temperierung von Räumen
oder Apparaten oder zur Erzeugung von Dampf verwendet, der seinerseits nur der
Erwärmung von Stoffen in Produktionsanlagen dient. Die Arbeitsfähigkeit des hei-
ßen Brenngases geht dabei völlig verloren. Thermodynamisch wesentlich günstiger
ist es, die Exergie des Brennstoffes bzw. des heißen Gases zunächst in einer Expan-
sionsmaschine zur Erzeugung elektrischer Energie zu nutzen und erst die Abgase
aus dieser Expansionsmaschine zu Heizzwecken zu verwenden. Man schaltet des-
halb der Wärmenutzung einen mit Gas betriebenen Kreisprozess vor. Ein solches
Vorgehen nennt man Kraft-Wärme-Kopplung, und es findet meist für kleine und
mittlere Leistungsbereiche Anwendung. Anlagen, die mit Kraft-Wärme-Kopplung
arbeiten, werden Blockheizkraftwerke genannt. Sie sind verbreitet in der Industrie,
im Gewerbe und in Dienstleistungsunternehmen zu finden. Vereinzelt erfolgt auch
die Heizung von Wohnbauten über Blockheizkraftwerke.
Die zunehmende Verbreitung der Kraft-Wärme-Kopplung ist auf die große Va-
riationsvielfalt aber auch auf den erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen solcher Anla-
gen zurückzuführen. Variationsvielfalt bieten diese Anlagen nicht nur in ihren Ein-
satzmöglichkeiten, sondern auch hinsichtlich der Nutzung verschiedener Energie-
träger und der Kombinationsmöglichkeiten unterschiedlicher Maschinen und Appa-
rate.
Energieträger sind gasförmige oder flüssige Brennstoffe und als Energiewand-
ler werden für kleinere Leistungseinheiten Kolbenmotoren und für mittlere und
größere, Gasturbinen herangezogen. Als Nutzenergie entsteht einerseits mechani-
sche Arbeit, die in elektrischen Strom umgewandelt werden kann und anderer-
seits Wärme, die zur Heizung oder zur Erzeugung von Prozessdampf dient, mit der
aber auch Absorptions-Kälteanlagen oder Wärmepumpen gespeist werden können.
Selbstverständlich kann mit dem elektrischen Strom jede Art von Arbeitsmaschi-
ne bis hin zu Kältemittelverdichtern betrieben werden. Kraft-Wärme-Kopplung
erlaubt Nutzungsgrade der eingesetzten Brennstoffenergie von 80–90% und bei
Wärmepumpen-Anlagen von über 150%. Diese hohen Nutzungsgrade tragen zur
Verminderung der Emission von Kohlendioxid bei, was besonders dann der Fall ist,
wenn als Energieträger Erdgas eingesetzt wird, das wegen seines geringen Kohlen-
stoffanteils einen sehr günstigen CO2 -Emissionsfaktor hat. Begünstigt wurde der
Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung durch den Ausbau der Gasversorgung.
Im thermodynamisch einfachsten Fall besteht eine Anlage der Kraft-Wärme-
Kopplung (KWK) aus einem Wärmeübertrager, der von dem Abgas einer nach dem
Joule-Prinzip arbeitenen Gasturbinen-Anlage gespeist wird. Abbildung 14.49 zeigt
das Fließschema einer solchen einfachen Anlage. Sie kommt dann zum Einsatz,
wenn mittlere oder größere Leistungen gefordert sind und der Wärmeübertrager
Wärme bei hoher Temperatur verfügbar machen muss. In der Regel reichen aber
nicht nur für Heizungszwecke, sondern auch für die Bereitstellung von Pro-
14.11 Kraft-Wärme-Kopplung 349
zessdampf Temperaturen unter 150 ◦C aus, und man kann dann auf eine thermo-
dynamisch günstigere Schaltung der Aggregate zurückgreifen. Das Abgas aus der
Gasturbine wird nun zunächst zur Vorwärmung der aus dem Verdichter kommenden
Luft herangezogen, wie in Abb. 14.50 skizziert. Erst dann durchströmt das Abgas
den Wärmeübertrager, in dem es ein Heizzwecken dienendes Fluid erwärmt oder
Prozessdampf erzeugt. Diese Schaltung verbessert von allem den thermodynami-
schen Wirkungsgrad der Gasturbinen-Anlage.
Kolbenmotoren, die mit Dieselöl oder mit Verbrennungsgasen (Erdgas, Bio-
gas, Industriegas) betrieben werden, finden Einsatz bei kleineren Leistungseinhei-
ten – in der Regel unter einem MW. Hier können, wie in Abb. 14.51 gezeigt, nicht
nur die Abwärme der Auspuffgase aus dem Motor, sondern auch die Wärme des
Motor-Kühlwassers zur Heizung herangezogen werden. Das von der Heizung zum
KWK-Aggregat zurücklaufende Wasser wird, wie in Abb. 14.51 skizziert, zum Teil
durch den Motorblock geführt, mischt sich dahinter wieder mit dem Hauptstrom des
Abbildung 14.51. Nutzung der Abwärme des Dieselmotors für die Kraft-Wärme-Kopplung
350 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
Rücklaufwassers und das gesamte, jetzt bereits vorgewärmte Wasser gelangt dann
in den von den Auspuffgasen beheizten Wärmeübertrager.
Für den Joule-Prozess ist die in der Kraft-Wärme-Kopplung nutzbare Abwärme
in Abb. 14.52 dargestellt, die analog zu Abbildung 14.21 ausgeführt wurde und die
dort verwendeten Bezeichnungen trägt. Ohne Wärmerückführung zur Aufheizung
der verdichteten Luft vor der Brennkammer, kann die der Fläche C, G, J, K im
t,S-Diagramm entsprechende Wärme zu Heizzwecken herangezogen werden. Mit
Vorwärmung der Verdichterluft steht für diesen Zweck nur die der Fläche D,H,J,K
entsprechende Wärme zur Verfügung.
Beim Dieselmotor mit Gleichdruckverbrennung kommt der größere Anteil der
auskoppelbaren Wärme aus dem Abgas, die im T,S-Diagramm der Abb. 14.53 der
Fläche des Kurvenzuges 4567 entspricht. Die Kühlung der Zylinder mit Wasser
wirkt sich hauptsächlich während der hohen Temperaturen beim Verbrennungs-
vorgang aus, und man kann deshalb vereinfachend davon ausgehen, dass die Ver-
brennung nicht bei konstantem Druck, sondern – wärmeabfuhrbedingt – mit leich-
ter Druckabsenkung erfolgt. Die Wärme an das Kühlwasser kann dann im T,S-
Diagramm der Abb. 14.53 durch die Fläche innerhalb des Kurvenzuges 2,3,3 dar-
gestellt werden. Diese Wärme kommt bei der Kraft-Wärme-Kopplung voll der
14.12
Der linksläufige Clausius-Rankine-Prozess
f 1 2 als Wärmen abgegeben. Die kalte Flüssigkeit wird schließlich längs fa von p
auf p0 isentrop entspannt und beginnt den Kreislauf von neuem.
14.12.1
Die Kaltdampfmaschine als Kältemaschine
Die Leistungszahl εKM = q0 /lt der Kälteanlage mit Drosselventil ist dann dar-
gestellt durch das Verhältnis der Fläche 1 8 d f zu der in Abb. 14.56 schraffierten
Fläche. Erfolgt die Kompression unter Entropiezunahme von 1 nach 2∗ , so ergibt
sich Leistungszahl aus Enthalpiedifferenzen zu
h1 − h8
εKM = .
h2∗ − h1
14.12.2
Die Kaltdampfmaschine als Wärmepumpe
12
Egli, M.: Die Wärmepump-Heizung des renovierten Züricherischen Rathauses. Schweiz.
Bauztg. 116 (1940) 59–64.
354 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
h2∗ − h5
εWP = .
h2∗ − h1
Sie ist in Tabelle 14.4 für die Verwendung des Kältemittels R22 als Arbeitsmedi-
um in Abhängigkeit von der Kondensationstemperatur t3 = t4 , der Verdampfungs-
temperatur t1 = t8 und der Temperatur t5 vor dem Drosselventil angegeben unter
Annahme eines isentropen Kompressorwirkungsgrades
h2 − h1
ηSK =
h2∗ − h1
von 0,85.
In den Leistungszahlen der Tabelle 14.4 sind Druckabfälle in den Apparaten und
Rohrleitungen nicht berücksichtigt, ebenso nicht Wärmeverluste an die Umgebung.
Tatsächlich erreichbare Leistungszahlen sind daher etwas geringer als in der Tabelle
angegeben. Realistische Werte dürften bei etwa dem 0,8-fachen der Tabellenwerte
liegen.
Aufgabe 14.1: Ein Otto-Motor mit 2 l Hubvolumen und 0,25 l Kompressionsvolumen
saugt brennbares Gasgemisch von 20 ◦ C und 1 bar an (1), verdichtet reversibel adia-
bat (2), zündet und verbrennt bei konstantem Volumen (3), wobei ein Druck von 30 bar
erreicht wird. Dann expandiert das Gas reversibel adiabat bis zum Hubende (4). Verbren-
nung und Auspuff werden durch Wärmezufuhr bzw. -entzug bei konstantem Volumen
ersetzt gedacht. Für das arbeitende Gas seien die Eigenschaften der Luft bei konstanter
spezifische Wärmekapazität angenommen.
Wie groß sind die Drücke und Temperaturen in den Punkten 1 bis 4 des Prozesses?
Welche Verbrennungswärme wurde frei, und welche Wärme wurde im äußeren Totpunkt
entzogen? Welche theoretische Arbeit leistet die Maschine je Hub?
14.12 Der linksläufige Clausius-Rankine-Prozess 355
Aufgabe 14.3: Ein Stirling-Motor, bei dem die expandierte Luft im kalten Zylinderraum
bei 20 ◦ C ein Volumen von 3 l einnimmt und dann im selben Raum auf 0,5 l verdichtet
wird, läuft mit 2000 min−1 . Die maximale Temperatur, die bei dem Kreisprozess auf-
tritt, beträgt 800 ◦ C. Wie groß ist der höchste Druck in der Anlage, wenn die Maschine
eine Leistung von 50 kW abgeben soll, und welchen theoretischen Wirkungsgrad weist
der Prozess auf?
Aufgabe 14.4: Einer Wärmekraftanlage werden stündlich 10000 kg Wasser von 32,5 ◦ C
zugeführt und in überhitzten Dampf von 25 bar und 400 ◦ C verwandelt. Der Dampf wird
in einer Turbine mit einem isentropen Wirkungsgrad von 80% auf 0,05 bar entspannt und
in einem Kondensator niedergeschlagen. Das Kondensat wird der Anlage mit 32,5 ◦ C
wieder zugeführt. Die Zustandsänderung in der Speisepumpe darf vernachlässigt wer-
den. Welche Wärmen werden dem Arbeitsmittel im Kessel und im Überhitzer stündlich
zugeführt und im Kondensator entzogen? Mit welchem Feuchtigkeitsgehalt gelangt der
Dampf in den Kondensator? Welche Leistung in kW gibt die Turbine an der Welle
ab, wenn ihr mechanischer Wirkungsgrad 95% beträgt? Wie groß ist der Dampf- und
Wärmeverbrauch der Anlage je kWh?
Aufgabe 14.5: Wie groß ist der theoretische thermische Wirkungsgrad einer Dampfkraft-
anlage, die Dampf von 100 bar und 400 ◦ C verarbeitet bei einem Kondensatordruck von
0,05 bar
a) bei dem gewöhnlichen Prozess nach Clausius-Rankine?
b) bei zweimaliger Zwischenüberhitzung auf 400 ◦ C, jeweils bei Erreichen der Grenz-
kurve?
Welche Feuchtigkeit hat der Dampf in den Fällen a) und b) beim Eintritt in den Konden-
sator? Für beide Fälle ist der Prozess im T,s- und im h,s-Diagramm darzustellen.
356 14. Thermodynamische Prozesse, Maschinen und Anlagen
Aufgabe 14.6: In einer Hochdruckanlage wird folgender Prozess durchgeführt: Beim kri-
tischen Druck wird aus Wasser von 28,6 ◦ C Dampf von 400 ◦ C erzeugt. Der dem Kessel
entnommene Dampf wird auf 100 bar gedrosselt, dann wieder auf 400 ◦ C überhitzt und
so dem Hochdruckteil einer Turbine zugeführt, die ihn mit einem isentropen Wirkungs-
grad von 0,85 bis herab auf 12 bar ausnutzt. Nach einer Zwischenüberhitzung auf 400 ◦ C
wird er im Niederdruckteil der Turbine bei einem isentropen Wirkungsgrad von 0,7 auf
0,04 bar entspannt, im Kondensator verflüssigt und das Kondensat auf 20 ◦ C unterkühlt.
Wie groß sind die Wärmen, die je kg Dampf im Kessel und den beiden Überhitzern
zugeführt werden? Wie groß ist die im Kondensator abzuführende Wärme? Wie groß
ist der thermische Wirkungsgrad der Anlage? Wieviel mehr Arbeit je kg Dampf könnte
gewonnen werden, wenn man die Drosselung vom kritischen Druck auf 100 bar durch
eine geeignete Turbine mit einem isentropen Wirkungsgrad von 0,7 ersetzte und dann
den Dampf wieder auf 400 ◦ C überhitzte?
15.1
Allgemeines
Bei unseren bisherigen Betrachtungen wurde oft Wärme von einem Körper an ei-
ne anderen übertragen, ohne dass wir diesen Vorgang näher betrachteten. Wir ha-
ben häufig angenommen, dass die Wärme mit verschwindend kleinem Temperatur-
gefälle überging. Je kleiner aber das Termperaturgefälle ist, um so größer werden die
dazu notwendigen Einrichtungen. Die Kenntnis der unter gegebenen Verhältnissen
zu- oder abzuführenden Wärmen bestimmt also die Abmessungen von Dampfkes-
seln, Heizapparaten, Wärmeübertragern usw. Aber auch die Berechnung von elek-
trischen Maschinen, Transformatoren, elektronischen Bauteilen, hoch beanspruch-
ten Lagern usw. hat wesentlich auf die Möglichkeit der Abfuhr der Verlustwärme
Rücksicht zu nehmen. Viele Vorgänge bei hoher Temperatur sind nur bei inten-
siver Kühlung der Wände möglich (Dieselmotoren, Gasturbinen, Brennkammern,
Strahldüsen von Raketen, usw.). Daraus wird ersichtlich, dass die technische Ther-
modynamik sehr eng mit dem Gebiet der Wärmeübertragung verknüpft ist. Im vor-
liegenden Buch wird in diesem letzten Kapitel daher ein Überblick über die Grund-
begriffe und wichtige Berechnungsgrundlagen der Wärmeübertragung gegeben.
Bei der Wärmeübertragung haben wir im Wesentlichen drei Fälle zu unterschei-
den.
1. Die Wärmeübertragung durch Leitung in festen oder in unbewegten flüssigen
und gasförmigen Körpern. Dieser Wärmetransportmechanismus beruht auf
dem Energietransport durch Impulsaustausch zwischen schwingenden be-
nachbarten Atomen und Molekülen bei vorhandenem Temperaturgradienten.
Wärmeleitung wird daher auch als molekularer Wärmetransport bezeichnet.
2. Die Wärmeübertragung durch Mitführung oder Konvektion in bewegten
flüssigen oder gasförmigen Körpern. Der Energietransport erfolgt hierbei auf-
grund der gerichteten Bewegung kleinerer und größerer Molekülverbände, die
die in ihnen gespeicherte Energie mitführen.
3. Die Wärmeübertragung durch Strahlung, die sich ohne materiellen Träger voll-
zieht. Die Energie wird hierbei durch elektromagnetische Wellen transportiert.
Bei technischen Anwendungen wirken oft alle drei Arten der Wärmeübertra-
gung zusammen. In einem Dampfkessel wird z.B. die Wärme von der Feuerung
358 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
durch Strahlung und Konvektion vom Kohlebett und den Flammgasen an den Kes-
sel übertragen. Die Wand des Kessels durchdringt sie durch Wärmeleitung. An das
Wasser geht sie wieder durch Wärmeleitung und Konvektion über. Da die einzelnen
Arten der Wärmeübertragung verschiedenen Gesetzen gehorchen, kann man nur zu
einem Einblick kommen, wenn man sie zunächst gesondert behandelt.
15.2
Stationäre Wärmeleitung
Abb. 15.1 zeigt eine ebene Wand von der Dicke δ. Werden die beiden Oberflächen
auf verschiedenen Temperaturen t1 und t2 gehalten, so strömt durch die Fläche A
der Wand in der Zeit τ nach dem Fourierschen Gesetz die Wärme
t1 − t 2
Q = λA τ (15.1)
δ
hindurch. Dabei ist λ ein Stoffwert, den man Wärmeleitfähigkeit nennt. Sie wird
angegeben in W/Km.
Der Wärmestrom
Q t1 − t2
Q̇ = = λA , (15.2)
τ δ
ist die in der Zeiteinheit durch eine Oberfläche hindurchströmende Wärme (SI-
Einheit W), und die Wärmestromdichte
Q̇ t1 − t 2
q̇ = =λ (15.3)
A δ
ist die in der Zeiteinheit durch die Flächeneinheit hindurchtretende Wärme (SI-
Einheit W/m2 ).
Betrachten wir statt der Wand von der endlichen Dicke δ eine aus ihr senkrecht
zum Wärmestrom herausgeschnittene Scheibe von der Dicke dx, so können wir an
Stelle von Gl. (15.2) und (15.3) schreiben
15.2 Stationäre Wärmeleitung 359
dt
Q̇ = −λ A (15.4)
dx
und
dt
q̇ = −λ , (15.5)
dx
wobei das negative Vorzeichen ausdrückt, dass die Wärme in Richtung abnehmen-
der Temperatur strömt. Aus Gl. (15.5) erkennt man, dass der Temperaturverlauf bei
stationärer Wärmeleitung in einer ebenen Wand bei konstanter Wärmeleitfähigkeit
λ entsprechend Abb. 15.2 linear ist.
Tabelle 15.1 gibt die Wärmeleitfähgikeit einiger Stoffe an. Danach leiten die
Metalle die Wärme am besten, dann kommen die nichtmetallischen Elemente und
die Verbindungen. Die schlechtesten Wärmeleiter sind die Gase. Zwischen den Ver-
bindungen und den Gasen stehen die Isolierstoffe, deren Wirkung auf ihrer Porosität
beruht. Ihr aus organischen oder anorganischen Stoffen bestehendes Gerippe hat nur
die Aufgabe, ihnen eine gewisse Festigkeit zu verleihen und die Wärmeübertragung
durch Strahlung und Konvektion in den mit Luft gefüllten Räumen zu vermindern.
Oft benutzt man den Begriff des Wärmeleitwiderstandes
δ
Rl = , (15.6)
λA
mit dessen Hilfe man in Analogie zur Elektrizitätslehre und in Anlehnung an das
bekannte Ohmsche Gesetz , Uel = Rel · Iel , schreiben kann:
Temperaturunterschied = Wärmewiderstand × Wärmestrom oder
t1 − t2 = Rl Q̇.
Bei einer aus mehreren hintereinanderliegenden Schichten bestehenden Wand ad-
dieren sich die Wärmewiderstände Rl der einzelnen Schichten und man erhält für
den Wärmestrom
t1 − t2
Q̇ = . (15.7)
Rl
Neben der ebenen Wand ist der Wärmestrom durch zylindrische Schichten (Rohr-
schalen) in der Technik am wichtigsten. In einer solchen Rohrschale von der Länge
l tritt durch eine in ihr liegende, in der Abb. 15.3 gestrichelt angedeutete, konzentri-
sche Zylinderfläche vom Radius r nach Gl. (15.4) der Wärmestrom
dt
Q̇ = −λ2 π rl (15.8a)
dr
hindurch. Bei stationärer Wärmeleitung ist der Wärmestrom für alle Radien gleich
und der vorstehende Ausdruck ist die Differentialgleichung des Temperaturverlaufs.
Trennt man die Veränderlichen t und r und integriert von der inneren Oberfläche
der Schale bei r = r1 mit der Temperatur t1 bis zu einer beliebigen Stelle r mit der
Temperatur t, so erhält man
Q̇ r
t1 − t = ln . (15.8b)
λ πl r1
360 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
Die Temperatur nimmt also, wie Abb. 15.4 zeigt, nach einer logarithmischen
Linie ab. Ist auch auf der äußeren Oberfläche der Schale bei r = r2 die Temperatur
t = t2 vorgeschrieben, so kann man diese Werte in die Gl. (15.8b) einsetzen und
erhält durch Auflösen nach Q̇ den Wärmestrom durch eine Zylinderschale
t1 − t2
Q̇ = λ2 πl r2 . (15.8c)
ln
r1
Diese Gleichung ist beispielsweise wichtig für die Berechnung des Wärmeverlustes
von Rohrisolierungen.
In Anlehnung an das Ohmsche Gesetz kann man auch schreiben
t1 − t2 = Q̇ Rl (15.8d)
mit dem Wärmeleitwiderstand der Rohrschale
1 r2
Rl = ln . (15.8e)
λ2 πl r1
Den Wärmeleitwiderstand formen wir noch um. Er ist
r2 − r1 2 π r2 l
Rl = ln .
λ2 π(r2 − r1 )l 2 π r1 l
Setzt man r2 − r1 = δ, wobei δ die Wanddicke des Rohres ist, und bezeichnet
man die äußere Rohroberfläche 2πr2 l mit A2 , die innere 2πr1 l mit A1 , so ist der
Wärmeleitwiderstand der Rohrschale
δ A2
Rl = ln
λ(A2 − A1 )l A1
oder analog zu Gl. (15.6)
δ A1 − A2
Rl = mit Am = . (15.8f)
λAm A2
ln
A1
Am ist das logarithmische Mittel zwischen äußerer und innerer Rohroberfläche.
15.2 Stationäre Wärmeleitung 361
Flüssigkeiten
Wasser2 von 1 bar bei 0 ◦C 0,562
10 ◦ C 0,5996
50 ◦ C 0,6405
80 ◦ C 0, 0,6668
Sättigungszustand: 99,63 ◦ C 0,6773
Kohlendioxid 0 ◦C 0,109
20 ◦ C 0,086
Schmieröle 0,12 . . . 0,18
Gase bei 1 bar und bei der Temperatur t in ◦ C
Wasserstoff λ = 0,171 (1 + 0,0034 t) −100 ◦ C t 100 ◦ C
Luft λ = 0,0245 (1 + 0,00225 t) 0 ◦ C t 1000 ◦ C
Kohlendioxid λ = 0,01464 (1 + 0,005 t) 0 ◦ C t 1000 ◦ C
1
in Klammern Dichte in kg/m3 .
2
nach Schmidt, E.: Properties of water and steam in SI-units, 3. Aufl. Grigull, U. (Hrsg.).
Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1982.
15.3
Wärmeübergang und Wärmedurchgang
Die Wärmeübertragung zwischen einem Fluid (Flüssigkeit oder Gas) und einer fes-
ten Oberfläche ist ein außerordentlich komplexer Vorgang, weil dabei Bewegungen
des Fluids mitwirken, die sich in den weitaus meisten Fällen der Berechnung ent-
ziehen. Wenn man von Fluiden extrem niederer Drücke absieht, so haften direkt an
der Oberfläche Fluid und fester Körper aneinander und haben gleiche Temperatur
und keine Geschwindigkeit gegeneinander. Mit dem Abstand von der Oberfläche
tritt ein wachsender Temperatur- und Geschwindigkeitsunterschied auf.
In Abb. 15.5 sind die Temperaturen der Fluide auf beiden Seiten einer Wand mit
ta und tb bezeichnet. Das Temperaturfeld in den Fluiden zu beiden Seiten der Wand
verläuft im Allgemeinen so, wie es die Abb. 15.5 zeigt. Die Temperatur fällt in einer
schmalen Schicht unmittelbar an der Wand steil ab, während sich die Temperaturen
in einiger Entfernung von der Wand nur wenig voneinander unterscheiden. Man
kann den Temperaturverlauf durch den dünnen Linienzug vereinfachen und, da die
Strömungsgeschwindigkeit des Fluids an der Wand Null ist, dann vereinfachend
annehmen, dass an der Wand eine dünne ruhende Fluidschicht von der Filmdicke
δa bzw. δb haftet, während das Fluid außerhalb dieses Films durch Vermischung
alle Temperaturunterschiede ausgleicht. In dem dünnen Fluidfilm an der Wand wird
Wärme durch Leitung übertragen, der Temperaturverlauf ist geradlinig und der an
die linke Wandseite in Abb. 15.5 übertragene Wärmestrom gemäß Gl. (15.2)
ta − t1
Q̇ = λ A .
δa
In dieser Gleichung ist λ die Wärmeleitfähigkeit des Fluids. Um den Wärmestrom
berechnen zu können, muss man die Filmdicke δa kennen. Diese hängt von vielen
Größen ab, beispielsweise von der Geschwindigkeit des Fluids entlang der Wand,
von der Form der Wand und der Oberflächenbeschaffenheit.
Es hat sich nun als zweckmäßig erwiesen, nicht unmittelbar mit der Filmdicke
δa des Fluids zu rechnen, sondern mit dem Quotienten λ/δa und dafür das Zeichen
α einzuführen. Schreibt man weiter für die Fluidtemperatur ta allgemein tf und für
eine Oberflächentemperatur das Zeichen to , so geht die vorige Gleichung über in
den auf Newton (1643–1727) zurückgehenden Ansatz
Q̇ = α A(tf − to ) , (15.9)
wobei man den Faktor α, der alle Einflüsse der Eigenschaften und des Bewegungs-
zustandes des Fluids zusammenfasst, als Wärmeübergangskoeffizient bezeichnet. Er
hat die SI-Einheit W/m2 K.
Als mittlere Fluidtemperatur tf wählt man bei der Strömung in geschlossenen
Kanälen meistens die sogenannte Strömungsmitteltemperatur
w t dA
tf = ,
w dA
bei frei angeströmten Körpern die Temperatur in genügender Entfernung die soge-
nannte Freistromtemperatur oder Fernfeldtemperatur.
Ist die Strömungsgeschwindigkeit in Gasen von der Größenordnung der Schall-
geschwindigkeit oder allgemein von solcher Größe, dass die Wärmeerzeugung
durch Reibung merklich wird, so ist unter to die Eigentemperatur zu verstehen,
d.h. die Temperatur, welche die Oberfläche des weder beheizten noch gekühlten und
auch keine Wärme fortleitenden Körpers unter der alleinigen Wirkung der Strömung
annehmen würde. Gl. (15.9) kann man umformen zu
Q̇
tf − t 0 = .
αA
Die darin enthaltene Größe
1
Rü = (15.10)
αA
bezeichnet man als Wärmeübergangswiderstand.
364 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
Unmittelbar an der Oberfläche der festen Wand in Abb. 15.5 gilt aufgrund des
stetigen Wärmetransportes
∂t
α(tf − to ) = −λ , (15.11)
∂x 0
wobei λ die Wärmeleitfähigkeit des Wandmaterials ist. Diese Beziehung gilt auch
für nichtstationäre Wärmeströmungen, weshalb das partielle Differentialzeichen be-
nutzt wurde. Gl. (15.11) besagt, dass die der festen Wandoberfläche von dem Fluid
konvektiv zugeführte Wärme in der Wand fortgeleitet wird. Dabei verhalten sich
die Neigungen der Temperaturkurve beiderseits der Oberfläche umgekehrt wie die
Wärmeleitfähigkeiten der an die Oberfläche angrenzenden Stoffe, da auch der an
der Oberfläche haftende Fluidfilm Wärme nur durch Leitung aufnehmen kann.
Geht von einem Fluid Wärme an eine Wand über, wird darin fortgeleitet
und auf der anderen Seite an ein zweites Fluid übertragen, so spricht man von
Wärmedurchgang. Dabei sind zwei Wärmeübergänge und ein Wärmeleitvorgang
hintereinander geschaltet. Bei stationärer Strömung ist der Wärmestrom überall der-
selbe, und wenn ta und tb die Temperaturen der beiden Fluide, t1 und t2 die der
beiden Oberflächen und α1 und α2 die zugehörigen Wärmeübergangskoeffizienten
sind, gilt für die Temperaturdifferenzen nach Gl. (15.2) und (15.9)
Q̇
ta − t1 = = Rü1 Q̇, (15.12a)
α1 A
δ Q̇
t1 − t2 = = Rl Q̇ , (15.12b)
λA
Q̇
t2 − tb = = Rü2 Q̇ . (15.12c)
α2 A
Die Temperaturdifferenzen verhalten sich also wie die Wärmewiderstände. Durch
Addieren ergibt sich
1 δ 1
ta − tb = + + Q̇ = (Rü1 + Rl + Rü2 ) Q̇ . (15.12d)
α1 A λ A α2 A
Es summieren sich einfach die Wärmewiderstände zu dem Gesamtwiderstand
1 δ 1
R= + + . (15.13)
α1 A λ A α2 A
Schreibt man den Wärmestrom in der Form
1
Q̇ = A (ta − tb ) = kA (ta − tb ), (15.14)
1 δ 1
+ +
α1 λ α2
so bezeichnet man
1
k= (15.14a)
1 δ 1
+ +
α1 λ α2
15.3 Wärmeübergang und Wärmedurchgang 365
Beispiel 15.1: Die Außenwand eines Raumes besteht aus Ziegelmauerwerk mit λ =
0,75 W/Km. Sie ist δ = 0,36 mm dick und hat die Oberfläche A = 15 m2 . Der
Wärmeübergangskoeffizient von der Raumluft zur Innenwand sei α1 = 10 W/m2 K, der
von der Außenwand zur Umgebung a2 = 18 W/m2 K. Man berechne den Wärmestrom
Q̇, wenn die Raumtemperatur ta = 20 ◦ C und die Außentemperatur tb = 2 ◦ C. Wie
ändert sich Q̇, wenn die Wand aus Gasbeton-Steinen mit λ = 0,29 W/Km besteht und
0,25 m dick ist?
Nach Gl. (15.14a) ist
1 1 δ 1 1 0,36 m 1
= + + = + +
k α1 λ α2 10 W/(m2 K) 0,75 W/(Km) 18 W/(m2 K)
k = 1,57 W/(m2 K)
Besteht die Wand aus Gasbeton-Steinen, so wird k = 0,983 W/(m2 K) und Q̇ = 265 W.
15.4
Nichtstationäre Wärmeleitung
Bei nichtstationärer Wärmeleitung ändert sich die Temperatur im Laufe der Zeit. In
einem festen Körper, in dem Wärme nur in Richtung der x-Achse strömt, ist dann
der Temperaturverlauf nicht mehr geradlinig, und aus einer aus dem Körper her-
ausgeschnittenen Scheibe von der Dicke dx nach Abb. 15.6 tritt an der Stelle x ein
Wärmestrom Q̇x = −λA(∂t/∂x) ein, der im Allgemeinen von dem an der Stelle
2
x + dx austretenden Wärmestrom Q̇x+dx = −λA ∂x ∂t ∂ t
+ ∂x 2 dx verschieden ist.
Der Unterschied zwischen ein- und austretendem Wärmestrom
∂t ∂t ∂2t ∂2t
−λA − −λA + 2 dx = λA 2 dx
∂x ∂x ∂x ∂x
wird in Form von innerer Energie in der Scheibe gespeichert und erhöht die Tempe-
ratur der Scheibe von der Dichte und der spezifischen Wärmekapazität c im Laufe
der Zeit τ um
∂t ∂2t
cAdx = λA dx 2
∂τ ∂x
oder
∂t ∂2t
=a 2 , (15.17)
∂τ ∂x
wobei
λ
a=
c
15.4 Nichtstationäre Wärmeleitung 367
als Temperaturleitfähigkeit bezeichnet wird. Ihre SI-Einheit ist m2 /s. Die Gl. (15.17)
ist eine partielle Differentialgleichung, um deren analytische Lösung sich Fourier1
sehr verdient gemacht hat. Man nennt sie die Fourier-Gleichung; in diesem Fall
gilt sie für die geometrisch eindimensionale Wärmeleitung. Wie Fourier gezeigt
hat, kann man die Gl. (15.17) exakt durch Reihenansätze lösen, die man später die
Methode der Fourier-Reihen nannte.
Strömt die Wärme nicht nur in einer Richtung, so hat man die Wärmeströmung
aller drei Koordinatenrichtungen zu addieren und erhält dann an Stelle von
Gl. (15.17) die Differentialgleichung
2
∂t ∂ t ∂2t ∂2t
=a + 2+ 2 . (15.18)
∂τ ∂x2 ∂y ∂z
Sonderfälle der Differentialgleichung (15.18) sind für das zylindrische Problem,
falls der Wärmefluss in Richtung z der Zylinderachse vernachlässigbar ist,
2
∂t ∂ t 1 ∂t
=a + (15.19)
∂τ ∂r2 r ∂r
und für das kugelsymmetrische Problem
2
∂t ∂ t 2 ∂t
=a + . (15.20)
∂τ ∂r2 r ∂r
Um den räumlich-zeitlichen Verlauf der Temperatur in einem bestimmten Körper
berechnen zu können, muss man die Randbedingungen kennen, d.h. es muss z.B.
die Temperatur auf gewissen, das zu berechnende Temperaturfeld begrenzenden
Flächen für alle Zeiten vorgegeben und zu einer bestimmten Zeit im ganzen Feld
bekannt sein. Dann bestimmt die Differentialgleichung eindeutig den ganzen wei-
teren Verlauf der Temperatur. Da alle Terme einer Größengleichung von gleicher
Dimension sind, ist es stets möglich, sie durch entsprechende Erweiterungen in di-
mensionsloser Form zu schreiben. Wir zeigen dies im Folgenden am Beispiel der
instationären Wärmeleitung in einer Wand der Dicke 2X. Diese habe die homogene
Anfangstemperatur ta und werde in ein Fluid von der Temperatur tf getaucht. Es
1
Jean Baptiste Fourier (1768–1830) war Professor für Analysis an der Ecole Polytechnique
in Paris und seit 1807 Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften. 1822
erschien sein wichtigstes Werk Théorie analytique de la chaleur. Es ist die erste umfas-
sende mathematische Theorie der Wärmeleitung und enthält auch die Fourier-Reihen zur
Lösung der Randwertaufgaben der instationären Wärmeleitung.
368 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
stellt sich dann ein zeitlich und örtlich veränderliches Temperaturprofil t(x,τ ) ein,
wovon in Abb. 15.7 ein Profil zur Zeit τ1 skizziert ist.
Den Temperaturverlauf t (x, τ ) in der Wand erhält man durch Lösen der Diffe-
rentialgleichung (15.17) der Wärmeleitung
∂t ∂2t
=a 2.
∂τ ∂x
Die Lösung muss den Anfangs-, Rand- sowie Symmetriebedingungen
t (τ = 0) = ta ,
!
∂t !!
−λ = α (t0 − tf ) ,
∂x !x=X
!
∂t !!
=0
∂x !x=0
genügen.
Gl. (15.17) und die zugehörigen Anfangs-, Rand- und Symmetriebedingungen
kann man auch nach Einführen einer dimensionslosen Temperatur
t − tf
Θ=
ta − tf
in folgender Form schreiben
∂Θ ∂2Θ
aτ = 2 , (15.21)
∂ x
X2 ∂
X
θ(τ = 0) = 1 ,
!
!
∂Θ ! αX t0 − ta
− x !! = Θ0 mit Θ0 = ,
∂ ! λ ta − tf
X x=X
15.4 Nichtstationäre Wärmeleitung 369
!
!
∂Θ !
x !! =0.
∂ !
X x=0
Darin ist, wie man sich leicht überzeugt, auch die Größe
aτ
= Fo
X2
dimensionslos. Man nennt sie Fourier-Zahl, abgekürzt F o. Sie stellt somit eine di-
mensionslose Zeit dar.
Ebenso sind x/X und auch die Größe
αX
= Bi
λ
dimensionslos. Man nennt (αX)/λ die Biot-Zahl, abgekürzt Bi. Sie stellt das
Verhältnis des Wärmeleitwiderstandes in der Platte zum Wärmeübergangswider-
stand an der Plattenoberfläche dar.
Die Lösung der Gl. (15.21) lässt sich daher unter Beachtung der Randbedingun-
gen in der Form
x
Θ = f F o, ,Bi (15.22)
X
schreiben. Die für das Temperaturfeld t(x,τ ) außer den unabhängigen Variablen
x, τ noch maßgebenden Größen a, α, λ, ta , tf lassen sich somit zu bestimmten
dimensionslosen Größen zusammenfassen; ihre Anzahl ist 3 und somit geringer als
die der 7 Größen x, τ , a, α, λ, ta , tf .
Nach Gl. (15.22) erhält man stets den gleichen Wert der dimensionslosen Tem-
peratur Θ , wenn nur die Werte F o, x/X und Bi gleich bleiben. Vergrößert oder
verkleinert man also die Plattendicke X um einen Faktor μ, so bleibt die dimen-
sionslose Koordinate x/X dieselbe, wenn man auch die Koordinate x um den
gleichen Faktor ändert. Damit ändert sich auch die Fourier-Zahl auf aτ /(μX)2 ;
man kann sie aber wieder auf ihren alten Wert zurückführen, wenn man die Zeit
τ mit dem Faktor μ2 multipliziert, also die Temperatur zur Zeit μ2 τ betrachtet.
Das heißt in einem im Maßstab μ vergrößerten Körper treten die gleichen dimen-
sionslosen Temperaturen zu im Verhältnis μ2 vergrößerten Zeiten auf. Betrachtet
man schließlich einen Körper anderer Temperaturleitfähigkeit a, so gilt die Lösung
auch für diesen Fall, wenn man den Maßstab der Länge oder der Zeit so ändert,
dass die Fourier-Zahl F o = aτ /X 2 denselben Wert behält. Wird in der Biot-Zahl
(αX)/λ die Plattendicke im Verhältnis μ vergrößert, so muss man die Größe α/λ
im gleichen Verhältnis verkleinern, wenn man den alten Wert der Biot-Zahl beibe-
halten will. Man muß also entweder den Wärmeübergang an die Umgebung oder
die Wärmeleitfähigkeit der Platte, oder beide Größen gleichzeitig so ändern, dass
der Quotient α/λ um den Faktor 1/μ verkleinert wird.
Kennt man also für ein Wärmeleitproblem, das der Gl. (15.17) und den
zugehörigen Randbedingungen gehorcht, einzelne Temperaturen oder das Tem-
peraturfeld an einer bestimmten Platte, so kann man daraus einzelne Tem-
370 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
15.5
Grundlagen der Wärmeübertragung durch Konvektion
fassen. Mit den Ausdrücken für die molekulare Wärmeleitung und den konvektiven
Enthalpietransport erhält diese Energiebilanz die Form
∂ ∂t ∂ ∂t ∂
−λ dAx + −λ dAy + (wh dAx ) = 0. (15.26)
∂x ∂x ∂y ∂y ∂x
Voraussetzungsgemäß soll das Volumenelement gleiche Kantenlängen dx und dy
aufweisen. Somit gilt dAx = dAy und diese Flächen kann man aus der Gleichung
herauskürzen. Zudem soll die Geschwindigkeit unabhängig vom Weg x sein. Nimmt
man weiter an, die Strömung sei inkompressibel, = const, so ist in dieser Glei-
chung
∂ ∂h
(wh) = w .
∂x ∂x
Dies kann man für ideale Gase oder inkompressible Fluide bei ver-
nachlässigbarer Druckänderung entlang des Volumenelementes wegen dh = cp dt
unter der Annahme konstanter spezifischer Wärmekapazität auch
∂h ∂t
w = w cp
∂x ∂x
schreiben.
Durch Zusammenfassen und mit der Temperaturleitfähigkeit a = λ/ cp ergibt
sich
2
∂ t ∂2t ∂t
a + 2 =w . (15.27)
∂x2 ∂y ∂x
Bei der strömenden Bewegung von Fluiden mittlerer und kleiner Wärme-
leitfähigkeit (alle Gase, aber auch die meisten Flüssigkeiten wie z.B. Was-
ser, Öle, Benzine oder andere organische Verbindungen) ist der molekulare
Wärmetransport in x-Richtung – Längswärmeleitung genannt – klein gegenüber
372 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
darstellen und beschreiben muss. Es bieten sich drei Lösungsmöglichkeiten für die-
se Aufgabe an, nämlich
– eine rein analytische oder numerische Methode durch Integration des Differenti-
algleichungssystems zur Bilanzierung von Masse, Energie und Impuls, was iden-
tisch wäre mit dem einleitend erwähnten Vorgehen;
– ähnlichkeitstheoretische Ansätze, bei denen Experiment und Theorie Hand in
Hand gehen, und
– ein rein empirisches Vorgehen, bei dem ein Experiment durch einen mathema-
tisch formalen, physikalisch nicht begründeten und damit auch auf ähnliche Be-
dingungen nicht übertragbaren Ansatz nachvollzogen wird.
Die letztgenannte Möglichkeit ist unbefriedigend, und trotz großer Fortschritte
in der Hard- und Softwaretechnik, die die erste Lösungsmöglichkeit erleichtern, fin-
det die zweitgenannte Kombination aus Experiment und Ähnlichkeitstheorie nach
wie vor die am weitesten verbreitete Anwendung. Sie hat dank ihrer Erfolge in der
Praxis die größte Bedeutung erlangt.
15.5.1
Dimensionslose Kenngrößen und Beschreibung des
Wärmetransportes in einfachen Strömungsfeldern
Am Beispiel von Gl. (15.31) konnten wir sehen, dass der Wärmeübergangskoeffi-
zient von zahlreichen Parametern und Einflussgrößen abhängt. In Kap. 15.4 hatten
wir gelernt, dass durch Einführen dimensionsloser Kennzahlen die Zahl der Va-
riablen verringert werden kann. Gleichzeitig bieten diese dimensionslosen Kenn-
zahlen die Möglichkeit der Übertragung und Verallgemeinerung von Messergebnis-
sen. Dimensionslose Kennzahlen kann man aus einer Dimensionsbetrachtung ge-
winnen. Man kann aber auch physikalische Grundgleichungen, wie z.B. die Erhal-
tungssätze für Masse, Energie und Impuls, dafür heranziehen. Wir wollen diesen zu-
letzt genannten Weg beschreiten, um einige wichtige Kennzahlen herzuleiten. Dafür
müssen wir uns aber zunächst die Bilanzgleichungen dieser Erhaltungssätze vor Au-
gen führen. Die Bilanzgleichung für die Energie hatten wir bereits kennengelernt.
Die Kontinuitätsgleichung und die Navier-Stokes-Gleichung, Formulierungen für
die Erhaltung der Masse und das Kräftegleichgewicht, sollen hier nicht abgeleitet
werden, sie werden aus der Strömungsmechanik als bekannt vorausgesetzt.
In kartesischen Koordinaten lautet die Navier-Stokes-Gleichung, formuliert
nach den Richtungen x, y und z, mit der Annahme, dass die Schwerkraft in y-
Richtung wirke:
∂wx ∂wx ∂wx 1 ∂p ∂ 2 wx ∂ 2 wx ∂ 2 wx
wx + wy + wz =− +ν 2
+ 2
+ , (15.32a)
dx dy dz ∂x dx dy dz 2
∂wy ∂wy ∂wy 1 ∂p ∂ 2 wy ∂ 2 wy ∂ 2 wy
wx + wy + wz =− +g+ν 2
+ 2
+ , (15.32b)
dx dy dz ∂y dx dy dz 2
∂wz ∂wz ∂wz 1 ∂p ∂ 2 wz ∂ 2 wz ∂ 2 wz
wx + wy + wz =− +ν 2
+ 2
+ . (15.32c)
dx dy dz ∂z dx dy dz 2
374 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
Wie wir sehen, enthält diese Gleichung auf der rechten Seite jetzt einen dimensi-
onslosen Faktor, den wir aus der Strömungsmechanik als Reynolds-Zahl2
w∞ L
Re = (15.34)
ν
kennen. Da die Wahl der Bezugsgeschwindigkeit w∞ und der Bezugslänge beliebig
ist, kann man auch schreiben
wL wD
Re = oder ,
ν ν
wobei D der Rohrdurchmesser sein kann. Die Reynoldszahl charakterisiert das
Verhältnis der Trägheitskräfte zu den Reibungskräften in einer Strömung.
In ähnlicher Weise können wir auch die in y-Richtung formulierte Navier-
Stokes-Gleichung, Gl. (15.32b), dimensionslos machen, die zusätzlich noch den
Schwerkrafteinfluss enthält. Hierzu multiplizieren wir diese Gleichung mit der
Dichte und erhalten dann als Auftriebsterm g. Bei der Behandlung der thermi-
schen Zustandsgleichung idealer Gase hatten wir den Ausdehnungskoeffizienten β,
Gl. (3.6),
1 ∂v 1 ∂
β= =−
v ∂t p ∂t p
kennengelernt, mit Hilfe dessen wir jetzt die Dichte in dem Produkt g substitu-
ieren
2
Osborne Reynolds (1842–1912) war Professor für Ingenieurwissenschaften in Manche-
ster, England. Er wurde durch seine grundlegenden Arbeiten zur Strömungsmechanik be-
kannt. Er untersuchte den Übergang von der laminaren in die turbulente Strömung und
entwickelte die Grundlagen zur Beschreibung turbulenter Strömungen.
15.5 Grundlagen der Wärmeübertragung durch Konvektion 375
− ∂
∂t
p
= .
β
Für die Temperatur wollen wir eine für den Antrieb der freien Konvektion maß-
gebende Temperaturdifferenz Δt einsetzen und erhalten dann für den Auftrieb die
Maßstabsgröße
L2 g β Δt
.
w∞ ν
Diese multipliziert mit der Reynolds-Zahl liefert uns eine neue Kenngröße,
L2 g β Δt L3 g β Δt
Re = = Gr (15.35)
w∞ ν ν2
die Grashof-Zahl3, welche das Verhältnis von Auftriebs- und Reibungskräften cha-
rakterisiert. Damit haben wir zwei kennzeichnende dimensionslose Größen, von de-
nen die erste – die Reynolds-Zahl – einen Ähnlichkeitsparameter für die erzwunge-
ne Konvektion und die zweite – die Grashof-Zahl – einen für die auftriebsbedingte
freie Konvektion darstellt.
Für die Ableitung weiterer Kennzahlen wollen wir jetzt die Energieglei-
chung (15.28)
2
∂t ∂t ∂t ∂ t ∂2t ∂2t
wx + wy + wz =a + +
dx dy dz dx2 dy 2 dz 2
heranziehen. Wir führen darin, wie oben bei der Navier-Stokes-Gleichung, dimen-
sionslose Längen und dimensionslose Geschwindigkeiten ein. Die Temperatur nor-
mieren wir mit Hilfe eines Temperaturverhältnisses oder eines Verhältnisses von
Temperaturdifferenzen
t t − t0
Θ= oder Θ =
t∞ t0 − t∞
auf dimensionslose Werte und erhalten dann die Energiegleichung in dimensionslo-
ser Form,
∂2Θ ∂2Θ ∂2Θ w∞ L ∂Θ ∂Θ ∂Θ
+ + = ωx + ωy + ωz . (15.36)
∂ξ 2 ∂η 2 ∂ζ 2 a ∂ξ ∂η ∂ζ
Diese Gleichung enthält wieder einen Maßstabfaktor, der in der Literatur Péclet-
Zahl4
3
Franz Grashof (1826–1893) lehrte als Professor für Theoretische Maschinenlehre an der
Technischen Hochschule Karlsruhe. Sein Hauptwerk, die aus drei Bänden bestehende
Theoretische Maschinenlehre erschien zwischen 1875 und 1890 und war eine umfassende,
wissenschaftlich fundierte Darstellung des Maschinenbaues. Grashof gründete 1856 den
Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und war dessen erster Direktor.
4
Jean Claude Eugene Péclet (1793–1857) wurde 1816 Professor für Physik in Marseille;
seit 1827 lehrte er in Paris. Sein bekanntestes Werk Traité de la chaleur et ses applications
aux arts et aux manufactures (1829) behandelte auch Probleme der Wärmeübertragung
und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.
376 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
w∞ L
= Pe (15.37)
a
genannt wird. Wenn wir die Péclet-Zahl durch die Reynolds-Zahl dividieren, erhal-
ten wir die Prandtl-Zahl5
Pe w∞ L ν ν νcp
= = = = P r, (15.38)
Re a w∞ L a λ
die, wie wir aus Gl. (15.38) sehen, eine Stoffkenngröße darstellt und die in der
Wärmeübertragung – ähnlich wie die Reynolds- und die Grashof-Zahl – universelle
Bedeutung erlangt hat.
Damit könnten wir uns nun Lösungen der Navier-Stokes-Gleichung und der
Energiegleichung vorstellen, in denen ein Geschwindigkeits- bzw. Temperatur-
verhältnis als Funktion dimensionsloser Koordinaten sowie der Reynolds-, Prandtl-
und Grashof-Zahl dargestellt ist. Den Ingenieur in der Praxis interessiert aber meist
nicht so sehr das Temperaturfeld im wärmeaufnehmenden bzw. wärmeabgebenden
Fluid, ihm reicht es meist, den Wärmestrom zu kennen, den wir in Gl. (15.30) mit
dem Wärmeübergangskoeffizienten α zu
|Q̇Wand| = αA(tWand − t∞ ) = αA Δt
formuliert hatten. Wegen der Reibung des Fluids existiert unmittelbar an der Wand
eine dünne, haftende Flüssigkeitsschicht, für die der Fouriersche Ansatz
∂t !!
|Q̇Wand| = λ A !
∂y Wand
gilt. Der durch die dünne, haftende Flüssigkeitsschicht tretende Wärmestrom
muss gleich sein dem von der Flüssigkeit aufgenommenen oder abgegebenen
Wärmestrom und durch Gleichsetzen der beiden letztgenannten Gleichungen sowie
durch Einführen von t/Δt erhalten wir
αL ∂(t/Δt)
= , (15.39)
λ ∂(y/L)
eine differentielle Beziehung in dimensionsloser Form, bei der das Temperatur-
verhältnis t/Δt unter Zuhilfenahme der Energiegleichung mit dimensionslosen Ko-
ordinaten sowie der Reynolds-, Grashof- und Prandtl-Zahl ausgedrückt werden
kann. Die linke Seite von Gl. (15.39) enthält wiederum einen dimensionslosen Maß-
stabfaktor, der als Nußelt-Zahl6
5
Ludwig Prandtl (1875–1953) war Professor für Angewandte Mechanik an der Universität
Göttingen und seit 1925 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Strömungsforschung
in Göttingen. Die von ihm entwickelte Grenzschichttheorie sowie Arbeiten über turbulen-
te Strömungen, zur Tragflügeltheorie und zur Theorie der Überschallströmungen waren
grundlegend für die Strömungslehre.
6
Wilhelm Nußelt (1882–1957) wurde 1920 als Professor für Theoretische Maschinenleh-
re an die Technische Hochschule Karlsruhe berufen. Von 1925 bis 1952 lehrte er an
der Technischen Hochschule München. 1915 veröffentlichte er die grundlegende Arbeit
Die Grundgesetze des Wärmeüberganges, in der er erstmals dimensionslose Kenngrößen
einführte.
15.5 Grundlagen der Wärmeübertragung durch Konvektion 377
αL
Nu = (15.40)
λ
bezeichnet wird.
Die Nußelt-Zahl kann man auch anschaulich deuten: Denkt man sich den
flächenbezogenen Wärmeübergangswiderstand 1/α erzeugt durch eine an der Ober-
fläche haftende, ruhende Schicht des Fluids einer Dicke δ, die das ganze Tempera-
turgefälle aufnimmt, so ist
1 δ
= .
α λ
Dieser Film muss also die Dicke δ = λ/α haben. Die Nußeltsche Kennzahl ist dann
nichts anderes als das Verhältnis der kennzeichnenden Länge L zur Dicke δ der
gedachten ruhenden Schicht.
In der Literatur – besonders in der angelsächsischen – wird häufig die Nußelt-
Zahl auf das Produkt aus der Reynolds- und Prandtl-Zahl bezogen, was dann zu
einer neuen Kennzahl führt, die Stanton-Zahl7 genannt wird
Nu α
St = = . (15.41)
Re P r wcp
Diese Kennzahl ist sehr anschaulich zu deuten: Sie stellt das Verhältnis aus dem in
die Wand oder von der Wand fließenden Wärmestrom zum Wärmestrom dar, der
durch Konvektion im Fluid transportiert wird.
Die Nußelt-Zahl gibt uns nun die Möglichkeit, nach Lösungen der Bewe-
gungsgleichung und der Energiegleichung zu suchen, in denen nicht mehr das
Geschwindigkeits- bzw. Temperaturfeld als Funktion dimensionsloser Koordinaten
sowie der Reynolds-, Prandtl- und Grashof-Zahl dargestellt ist, sondern in denen
die Nußelt-Zahl in Abhängigkeit dieser dimensionslosen Parameter erscheint. Da-
mit hat man einen unmittelbaren Ausdruck für den Wärmeübergang. Die Kenn-
zahlen sind Maßstabsfaktoren für Ähnlichkeitsbetrachtungen und sagen aus, dass
bei der Übertragung auf andere Größenverhältnisse oder andere Fluide für gleiche
Wärmeübergangsverhältnisse nur jeweils die Kennzahlen gleich sein müssen, nicht
aber jeder einzelne darin enthaltenen Parameter. Will man z.B. den Wärmeübergang
in einem Apparat unter den Bedingungen der reinen Zwangskonvektion untersu-
chen, so braucht man in der Versuchsanordnung nur die gleichen Werte für die
Reynolds- und die Prandtl-Zahl einzuhalten wie sie später im Original zu erwar-
ten sind. Man kann die Versuchseinrichtung im verkleinerten Maßstab ausführen
und muss dann nur die Strömungsgeschwindigkeit so einstellen, bzw. ein Fluid mit
einer solchen kinematischen Viskosität wählen, dass die Reynolds-Zahl im Ver-
suchsmodell und im Original gleich ist. Bei der Wahl des Versuchsfluids kommt
allerdings aus der Prandtl-Zahl die einschränkende Bedingung hinzu, dass das
Verhältnis von kinematischer Viskosität und Temperaturleitfähigkeit im Versuch
7
Thomas Edward Stanton (1865–1931) war Schüler von O. Reynolds in Manchester. 1899
wurde er Professor an der Universität Bristol, England. Von ihm stammen grundlegende
Beiträge zum Impuls- und Wärmetransport von Strömungen und zur Konstruktion und
Thermodynamik von Flugzeugen.
378 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
und im Original ebenfalls gleich sein müssen. Versuchsmodell und Original ha-
ben dann die gleiche Nußelt-Zahl, woraus aus dem Versuch unmittelbar auf den
Wärmeübergangskoeffizienten im Original geschlossen werden kann.
Wir wollen nun ein einfaches Beispiel für die Lösung der Bewegungs- und
der Energiegleichung und die Darstellung dieser Lösung in Form dimensionslo-
ser Kennzahlen behandeln. Wir wählen dazu eine mit der Geschwindigkeit w∞
längsangeströmte Platte, die von dem darüberstreichenden Fluid erwärmt wird. Un-
mittelbar an der Plattenoberfläche ist wegen der Haftbedingung die Geschwindig-
keit null, in genügend weiter Entfernung oberhalb der Platte bleibt die Strömung
unbeeinflußt von den Reibungskräften an der Platte. Dazwischen wird sich ein Ge-
schwindigkeitsprofil ausbilden, wie es in Abb.15.9 skizziert ist. Ähnlich verhält sich
die Temperatur des Fluids über der Platte. In genügend großer Höhe oberhalb der
Platte ist sie gleich der Temperatur des Fluids im Anströmzustand und an der Plat-
tenoberfläche wird sie sich der Plattentemperatur annähern.
Aus der Strömungsmechanik wissen wir, dass sich – ausgehend von der Platten-
vorderkante – in Wandnähe eine laminare Strömung einstellt, auch wenn die Plat-
tenanströmung turbulent ist. Diese laminare Grenzschicht verdickt sich über den
Laufweg der Strömung längs der Platte, bis schließlich Turbulenz auftritt. Wir wol-
len hier nur den ganz einfachen Fall der rein laminaren Strömung – sowohl im An-
strömgebiet als auch über der gesamten Platte – betrachten. Auch hier ist es üblich,
von einer Grenzschicht zu sprechen, und man definiert die Dicke δ als denjenigen
Abstand von der Plattenoberfläche, an dem die Geschwindigkeit gerade 99% der
Anströmgeschwindigkeit und damit der Geschwindigkeit im ungestörten Gebiet er-
reicht hat. Die Dicke dieser so festgelegten Grenzschicht wird längs der Platte zu-
nehmen, da sich die Reibungskräfte längs des Strömungsweges aufsummieren und
immer höhere Fluidschichten erfassen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Temperaturprofil über der Platte. Auch hier
können wir eine Grenzschichtdicke δT definieren, bei der die plattennahe Fluid-
schicht gerade noch 99% der Temperatur im ungestörten Anströmungsgebiet be-
sitzt. Der Wärmetransport ist im Wesentlichen auf den Bereich dieser Grenzschicht
beschränkt.
Wenn wir über die Grenzschichtdicken etwas aussagen wollen, so müssen wir
auf die Navier-Stokes-Gleichung – Gl. (15.32a) bis (15.32c) – und auf die Ener-
15.5 Grundlagen der Wärmeübertragung durch Konvektion 379
τw (x) τw (x)
ψ(x) = 2 ≈2 (15.47)
w∞ 2 wδ2
definiert ist. Darin ist τw die Schubspannung des Fluids an der Wand. Blasius er-
mittelte den Reibungsbeiwert aus der exakten Lösung der Grenzschichtgleichung
zu
0,664
ψ(x) = √ . (15.48)
Rex
Zur Berechnung des Wärmeüberganges müssen wir zusätzlich noch die Energieglei-
chung heranziehen, wobei wir annehmen wollen, dass Wärmeleitung nur senkrecht
zur Plattenoberfläche erfolgt. Es gilt dann
∂t ∂t ∂2t
wx + wy = a 2. (15.49)
∂x ∂y ∂y
Für P r = 1 und konstante Wandtemperatur folgt als exakte Lösung für den
Wärmeübergang
St Rex = 0,332 oder N ux = 0,332 Rex . (15.50)
Für P r = 1 existieren Näherungslösungen, z.B.
αx
N ux = = 0,332Re1/2x Pr
1/3
. (15.51)
λ
Mit dieser Gleichung kann man den konvektiven Wärmeübergang an einer
längsangeströmten ebenen Platte berechnen. Durch Vergleich von Gl. (15.48) und
Gl. (15.50) kann man unschwer den einfachen Zusammenhang zwischen Impuls-
und Wärmeübertragung erkennen,
ψ
St = , (15.52)
2
den man Reynoldssche Analogie nennt.
Eine besonders einfache Form hat die Lösung der Energiegleichung, wenn
wir eine ausgebildete laminare Strömung in einem Rohr betrachten. Von
hydrodynamisch ausgebildeter Strömung spricht man nach den Regeln der
Strömungsmechanik dann, wenn sich das Geschwindigkeitsprofil längs des Lauf-
weges nicht mehr ändert. Man nennt eine Strömung thermisch ausgebildet, wenn
das Temperaturprofil seine Form beibehält. Diese Verhältnisse stellen sich nach ei-
ner gewissen Einlaufstrecke ein, deren Länge von der Reynolds-Zahl, dem Rohr-
durchmesser und auch der Gestaltung der Eintrittsöffnung abhängt. Nach dieser
Einlaufstrecke – also bei hydrodynamisch und thermisch ausgebildeter laminarer
Strömung – stellt sich im Rohr, unabhängig von der Reynolds-Zahl, eine konstante
Nußelt-Zahl ein, die für die Randbedingung konstanter Wandtemperatur den Wert
αD
Nu = = 3,657 (15.53)
λ
hat und für die konstanter Wärmestromdichte
15.5 Grundlagen der Wärmeübertragung durch Konvektion 381
αD
Nu = = 4,364 (15.54)
λ
beträgt. Diese Lösung, die bereits von Nußelt angegeben wurde, vernachlässigt
die Längswärmeleitung im Fluid, ist also für flüssige Metalle mit ihrer hohen
Wärmeleitfähigkeit nicht gültig.
Wenn wir auf das für die längsangeströmte Platte gefundene Ergebnis
zurückblicken, so müssen wir beachten, dass sich die Grenzschicht erst von der Vor-
derkante ausgehend entwickelte und die Nußelt-Zahlen in den Gleichungen (15.50)
bzw. (15.51) Funktionen der Lauflänge x sind, die in der Reynolds-Zahl enthalten
ist. In den Gln. (15.53) und (15.54) wird als charakteristische Länge nicht mehr der
Laufweg der Strömung, sondern der Durchmesser des Rohrs benützt. In der Ein-
laufzone des Rohrs liegen die Werte höher; sie gehen unmittelbar am Eintritt gegen
unendlich und fallen dann asymptotisch auf die Werte der ausgebildeten Strömung
3,656 bzw. 4,364 ab.
Für turbulente Strömung sind die Verhältnisse wesentlich komplizierter.
Man kann die turbulenten Schwankungsbewegungen in der Strömung dadurch
berücksichtigen, dass man in die Navier-Stokes- und in die Energiegleichung
Geschwindigkeits- und Temperaturschwankungen einführt, die sich einem Mittel-
wert überlagern. Es gibt auch Ansätze, die den Turbulenzeinfluss auf den Impuls-
und Wärmeaustausch durch additive Korrekturgrößen – sogenannte turbulente Aus-
tauschgrößen – in der Navier-Stokes-Gleichung bei der kinematischen Viskosität
und in der Energiegleichung bei der Temperaturleitfähigkeit berücksichtigen. In der
Praxis benützt man aber meist empirische Beziehungen, die sich an die Form der
Gleichung (15.51) anlehnen:
N u = C Rem P rn . (15.55)
Der Exponent n der Prandtl-Zahl liegt für die wärmeaufnehmende Wand wie in
der laminaren Strömung bei 1/3 und steigt bei Heizung des Fluids auf 0,4. Die
Strömungsgeschwindigkeit dagegen – und damit die Reynolds-Zahl – hat in tur-
bulenter Strömung einen stärkeren Einfluss, der Exponent m nimmt Werte von 0,7
bis 0,8 an.
Die Reynoldssche Analogie zwischen Impulsübertragung, also Druckabfall, und
Wärmeübertragung hat zwar noch die gleiche Form wie bei laminarer Strömung –
Gl. (15.52) –, eine Erhöhung des Reibungsbeiwertes ψ wirkt sich aber jetzt weniger
stark auf die Stanton-Zahl aus
ψ
St = . (15.56)
8
Die Reynoldssche Analogie in ihrer einfachen Form gibt die tatsächlichen
Verhältnisse nur annähernd und auch nur für Fluide, deren Prandtl-Zahl ungefähr
1 ist, wieder. In der Literatur sind verschiedene erweiterte und verbesserte Ansätze
für den Zusammenhang zwischen Druckabfall und Wärmeübergang zu finden.
Wenn wir auf Gl. (15.56) das aus der Strömungsmechanik bekannte Blasiussche
Widerstandsgesetz
382 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
0,3164 C∗
ψ= = (15.57)
Re0,25 Ren
anwenden, so erhalten wir für Fluide mit P r = 1
N u = 0,03955 · Re0,75 = C Ren , (15.58)
was der Form nach mit der Aussage von Gl. (15.55) übereinstimmt. Empirische,
d.h. auf Messungen beruhende Formeln enthalten um den Faktor 1,5 bis 2 niedrigere
Wärmeübergangskoeffizienten als wir dies mit den Gln. (15.56) und (15.57) fanden.
Die Reynoldssche Analogie gibt also nur eine grobe qualitative Näherung zwischen
Druckabfall und Wärmeübertragung.
15.5.2
Spezielle Probleme der Wärmeübertragung ohne Phasenumwandlung
15.5.2.1
Erzwungene Konvektion
8
VDI-Wärmeatlas, 9. Auflage, Springer-Verlag, 2002
15.5 Grundlagen der Wärmeübertragung durch Konvektion 383
Sie ist im Gebiet des thermischen Einlaufs bei hydrodynamisch ausgebildeter La-
minarströmung gültig. Für große Lauflängen geht Gl. (15.60) in den Grenzwert
N u∞ = 3,657 über. Die Gleichung gilt für die Randbedingung konstanter Wand-
temperatur. Dies ist in der Praxis oft der Fall, und wir wollen auch unsere weite-
ren Betrachtungen bei der erzwungenen Konvektion darauf beschränken. Konstan-
te Wärmestromdichte findet man bei Wärmefreisetzung durch elektrische Wider-
standsheizung oder an den Brennelementen von Kernreaktoren. Gl. (15.60) sollte
nur für Reynolds-Zahlen unter 2300 verwendet werden. Bei der Anwendung die-
ser Gleichung – wie auch bei der aller anderen Wärmeübergangsbeziehungen – ist
auf die Wahl der richtigen Bezugstemperatur für die Stoffwerte in der Reynolds-
und in der Prandtl-Zahl zu achten. Das Fluid kühlt oder erwärmt sich auf seinem
Weg durch das Rohr, und es können dabei beachtliche Temperaturunterschiede zwi-
schen Eintritt und Austritt entstehen. Ein Temperaturunterschied existiert aber nicht
nur in Strömungsrichtung, sondern auch quer dazu. In Gl. (15.60) ist die Bezug-
stemperatur für die Stoffwerte bei der mittleren Temperatur des Strömungsmediums
tm = (tein + taus )/2 mit der Eintritts- und Austrittstemperatur des Fluids zu bil-
den. Für die hydrodynamisch und thermisch nicht ausgebildete Laminarströmung
gilt nach K. Stephan
Nu 1
= (15.61)
N u0 tanh(2,432P r1/16 X 1/6 )
mit N u = αDi /λ, N u0 nach Gl. (15.60) und X = L/(Di Re P r). Die Gl. (15.61)
gilt für Prandtl-Zahlen 0,1 < P r ≤ ∞.
Für große Prandtl-Zahlen P r → ∞ wird N u/N u0 = 1, da die Strömung
dann wegen der im Vergleich zur Temperaturleitfähigkeit großen Viskosität bereits
im Einlauf hydrodynamisch ausgebildet ist. Die beiden Gleichungen (15.60) und
(15.61) geben den Mittelwert der Nußelt-Zahl über die Einlauflänge L wieder.
Für turbulente Strömung hat Colburn den Reynoldsschen Analogieansatz auf
Prandtl-Zahlen zwischen 0,6 und 50 erweitert mit
ψ
St P r2/3 = , (15.62)
8
und mit einem zahlenmäßig etwas modifizierten Blasius-Ansatz für den
Druckverlust-Beiwert ψ = 0,18/Re0,2 kommt er für die voll ausgebildete turbu-
lente Strömung zu der Gleichung
αDi
Nu = = 0,023 Re0,8 P r1/3 . (15.63)
λ
Diese einfache Beziehung gibt gute Werte bei schwacher Beheizung bzw. Kühlung
für 104 < Re < 105 und für 0,5 < P r < 100. Sie sollte erst nach einem Einlauf,
der dem 60fachen Rohrdurchmesser entspricht, angewandt werden. Die Stoffwerte
sind auf eine aus dem arithmetischen Mittelwert zwischen Wandtemperatur tW und
einer sogenannten Bulktemperatur tB gebildeten Bezugstemperatur tbez = (tW +
384 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
9
Gnielinski, V.: Neue Gleichungen für den Wärme- und Stoffübergang in turbulent durch-
strömten Rohren und Kanälen. Forsch. Ingenieur-Wesen 4 (1975) 8–16.
15.5 Grundlagen der Wärmeübertragung durch Konvektion 385
10
VDI Wärmeatlas, 9. Aufl. Springer-Verlag, 2002, Abschnitte Gf und Gg.
386 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
Wir wollen hier ein von Hausen11 angegebenes, einfacheres Verfahren diskutie-
ren. Sowohl beim fluchtenden als auch beim vollversetzten Bündel (vgl. Abb. 15.10)
können wir ein Querteilungsverhältnis
a = S1 /Da (15.66)
und ein Längsteilungsverhältnis
b = S2 /Da (15.67)
mit dem Abstand der Rohre und mit dem Rohraußendurchmesser definieren.
Zusätzlich zur Reynolds- und Prandtl-Zahl muss dann die mittlere Nußelt-Zahl im
Bündel eine Funktion dieser Teilungsverhältnisse sein. Hausen schlägt für fluchten-
de Anordnung die Gleichung
N u = 0,34 f1Re0,60 P r0,31 (15.68)
mit
7,17 0,266 1000
f1 = 1 + a + − 6,52 − 0,12 (15.69)
a (b − 0,8)2 Re
vor und für versetzte Anordnung die Gleichung
N u = 0,35 f2 Re0,57 P r0,31 (15.70)
mit
f2 = 1 + 0,1 a + 0,34/b. (15.71)
Die Gleichungen gelten für Werte von a und b zwischen 1,25 und 3. In die Reynolds-
Zahl sind für die Geschwindigkeit die mittlere Anströmgeschwindigkeit vor der ers-
ten Rohrreihe und für die charakteristische Länge der Rohraußendurchmesser ein-
zusetzen.
Aufgabe 15.1: Die Wand eines Kühlhauses besteht aus folgenden Schichten:
– einer äußeren Ziegelmauer von 50 cm Dicke (λ = 0,75 W/(Km)),
– einer Korksteinisolierung von 10 cm Dicke (λ = 0,04 W/(Km)),
– einer inneren Betonschicht von 5 cm Dicke (λ = 1,0 W/(Km)).
Die Temperatur der Außenluft beträgt 25 ◦ C, die der Luft im Inneren −5 ◦ C. Der
Wärmeübergangskoeffizient ist auf der Außenseite der Wand αa = 20 W/(m2 K), auf
der Innenseite αi = 7 W/(m2 K).
Wieviel Wärme strömt durch 1 m2 Wand hindurch?
11
Hausen, H.: Bemerkung zur Veröffentlichung von A. Hackl und W. Gröll: Zum
Wärmeübergangsverhalten zähflüssiger Öle. Verfahrenstech. 3 (1969) 355, 480 (Berichti-
gung).
388 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
Aufgabe 15.2: Ein Wasservorwärmer besteht aus vier versetzt hintereinander liegenden
Rohrreihen mit je zehn Stahlrohren (Wärmeleitfähigkeit 50 W/(Km)) von 50 mm inne-
rem und 56 mm äußerem Durchmesser sowie einer Länge von 2 m. Das Längs- und das
Querteilungsverhältnis sind gleich groß. Der lichte Abstand zwischen zwei Rohren einer
Reihe beträgt 50 mm, der lichte Abstand zwischen dem äußersten Rohr und dem Appa-
ratemantel 25 mm. Jede Rohrreihe wird durch ein auf den Apparatemantel aufgesetztes,
unbeheiztes Halbrohr ergänzt.
Durch das Rohrbündel strömen Rauchgase im Querstrom mit einer mittleren Geschwin-
digkeit von 6 m/s (bezogen auf den zwischen den Rohren freibleibenden Querschnitt).
In den Rohren strömt Wasser mit einer mittleren Geschwindigkeit von 0,15 m/s.
Für die Rauchgase, die eine mittlere Temperatur von 325 ◦ C besitzen, werden die Eigen-
schaften von Luft bei Atmosphärendruck angenommen (s. Tabelle 15.3). Auf der Was-
serseite (Druck 20 bar, mittlere Temperatur 175 ◦ C) seien folgende Stoffwerte gegeben:
Dichte = 892,8 kg/m3 , spezifische Wärmekapazität cp = 4350 J/(kgK), dynamische
Viskosität η = 160 · 10−6 Pa ·s, Wärmeleitfähigkeit λ = 0,679 W/(Km).
Wie groß sind die Wärmeübergangskoeffizienten auf der Rauchgas- und Wasserseite der
Rohre? Die Nußelt-Zahl auf der Rauchgasseite ist hier mit dem Faktor 0,95 zu korri-
gieren, da das betrachtete Rohrbündel vier Reihen hat, die Formel von Hausen aber nur
für Bündel ab zehn Rohrreihen gilt. Welche Abkühlung erfahren die Rauchgase? Um
wieviel erwärmt sich das Wasser, wenn es alle Rohre nacheinander durchströmt?
15.5.2.2
Freie Konvektion
Freie Konvektion ist in der Natur allgegenwärtig, sie wird aber auch sehr häufig in
der Technik für den Wärmetransport genutzt. Analog der erzwungenen Strömung
muss man auch hier zwischen der Umströmung von Körpern und der Konvektion in
geschlossenen Räumen unterscheiden. Freie Konvektion in geschlossenen Räumen
bestimmt die Temperatur in unseren Wohnungen und damit unser Wohlbefinden.
Die Kenntnis der Vorgänge bei freier Konvektion ist deshalb für die Klimatechnik
wichtig. Aber auch bei der Erwärmung oder Kühlung eines Flüssigkeitsbades – im
häuslichen Kochtopf, im Reaktions- oder Speicherbehälter in der chemischen Indus-
trie oder im Schmelzbad eines Siemens-Martin-Ofens für die Stahlerzeugung – be-
wirkt die freie Konvektion den Wärmetransport. Beispiele für den Wärmeübergang
durch freie Konvektion an umströmten Körpern sind ebenfalls sehr vielfältig – ange-
fangen vom Kondensator des Haushaltskühlschrankes bis zum größten technischen
Kühlaggregat, den Trockenkühltürmen von Kraftwerken mit Wärmeströmen von
2000 bis 3000 MW.
Während bei erzwungener Konvektion eine Druckdifferenz, erzeugt durch ein
Gebläse oder eine Pumpe, die treibende Kraft für die Strömung ist, bewirken bei
freier Konvektion die Schwerkraft oder in manchen Fällen auch Fliehkräfte in Flui-
den Dichteunterschiede, z.B. infolge von Temperaturunterschieden, und damit eine
Bewegung. Daneben kann auch die Oberflächenspannung eine Konvektionsbewe-
gung hervorrufen, die wir hier aber nicht näher behandeln wollen. Der Bewegung
entgegengerichtet ist die Kraft aus der Schubspannung und im instationären Fall der
Beschleunigung.
15.5 Grundlagen der Wärmeübertragung durch Konvektion 389
Für die Beschreibung des Wärmetransportes zieht man bei der freien Konvektion
die Grashof-Zahl
L3 gβΔt
Gr = (15.72)
ν2
oder in Stoffgemischen, in denen die Dichteunterschiede nicht durch einen Tempe-
raturunterschied Δt, sondern durch einen Konzentrationsunterschied hervorgerufen
werden, die Archimedes-Zahl
L3 gΔt/t
Ar = Gr∗ = (15.73)
ν2
heran. Die Nußelt-Zahl wird dann mit der Grashof- und Prandtl-Zahl
N u = f (Gr, P r) (15.74)
oder mit der Archimedes- und Prandtl-Zahl
N u = f (Ar, P r) (15.75)
beschrieben.
In geschlossenen Räumen, in denen von zwei gegenüberliegenden Wänden die
eine beheizt und die andere gekühlt ist, bildet sich freie Konvektion erst aus, wenn
Temperatur- bzw. Dichteunterschiede hinreichend groß sind. Die treibende Kraft
muss erst die Ruheschubspannung überwinden, und in Stabilitätsbetrachtungen
wurde nachgewiesen, dass für
Gr P r < 1700
sich keine freie Konvektion in spaltförmigen Hohlräumen waagerechter oder senk-
rechter Orientierung einstellen kann. Die Grashof-Zahl wird dabei mit der Spaltwei-
te und der Temperaturdifferenz zwischen beheizter und gekühlter Wand, also beim
horizontalen Spalt zwischen Unter- und Oberseite, gebildet.
Die Ausbildung der freien Konvektion in einem horizontalen Hohlraum veran-
schaulicht Abb.15.11 links. Die Temperaturdifferenz zwischen der beheizten Un-
terseite und der gekühlten Oberseite wurde dabei zwischen 1 K und etwas über
5 K variiert. Wärmetransportierendes Fluid war Wasser von Umgebungstempera-
tur. Bei der gegebenen Spaltweite von 5 mm betrug das Produkt aus der Grashof-
und Prandtl-Zahl bei 1 K Temperaturdifferenz gerade etwa 1700. Man erkennt aus
den Isothermen darstellenden schwarzen und weißen Interferenzlinien des obersten
Interferogramms der Abb. 15.11 links, dass bei Gr P r = 1700 noch eine ebe-
ne, horizontale Temperaturschichtung wie bei reiner Wärmeleitung vorliegt, also
noch keine Konvektion zu beobachten ist. Mit zunehmender Temperaturdifferenz
über den Spalt bilden sich dann aufwärts- und abwärtsgerichtete Strömungen mit
regelmäßigem Muster aus, was in Abb. 15.11 links daran zu erkennen ist, dass
sich die Isothermen nach unten mit der Abwärtsströmung und nach oben mit der
Aufwärtsströmung ausstülpen. Würde man statt der Isothermen die Stromlinien
ausmessen, so fände man ein gleichmäßiges Muster von Rollzellen, deren Achs-
abstand und Durchmesser sich mit steigender Temperaturdifferenz verringern. Die-
se regelmäßigen Muster sind nur bei geringen Spaltweiten zu beobachten. Hat die
390 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
Flüssigkeitsschicht auf ihrer Oberseite keine feste Berandung, sondern eine freie
Oberfläche, so bilden sich von oben gesehen hexagonale Strömungsmuster – wie in
Abb. 15.11 rechts veranschaulicht – aus. Zum ersten Mal wurde diese Konvektions-
form mit ihrem charakteristischen isothermen Muster von Bénard beobachtet und
man nennt diese Art der freien Konvektion deshalb auch Bénard-Konvektion.
Den Wärmetransport durch die Fluidschicht im Spalt drückt man aus rein prak-
tischen Gründen meist nicht in Form der Nußelt-Zahl aus, sondern man führt eine
scheinbare Wärmeleitfähigkeit λs ein, die bei ebener Schicht durch die Gleichung
λs
q̇ = (t1 − t2 ) (15.76)
δ
definiert ist. Sie ist also die Wärmeleitfähigkeit eines festen Körpers oder eines
ruhenden Fluids mit gleicher Wärmestromdichte q̇ wie sie unter dem Einfluß der
Konvektion durch die Flüssigkeitsschicht von der Dicke δ unter der Wirkung des
Temperaturunterschiedes t1 − t2 hindurchtritt. Der Quotient λs /λ aus der scheinba-
ren Wärmeleitfähigkeit und der wahren Wärmeleitfähigkeit λ des Fluids gibt an, um
wieviel Mal die Konvektion die reine Wärmeleitung durch das Fluid verbessert. Bei
laminarer Konvektion im horizontalen Spalt, die in Abb. 15.11 links veranschaulicht
ist, und für Luft kann man ansetzen
λs
= 0,2 Gr1/4 . (15.77)
λ
Wie die erzwungene, so kann auch die freie Konvektion turbulent werden. Für
GrP r1,65 > 160000 gilt dann
15.5 Grundlagen der Wärmeübertragung durch Konvektion 391
λs
= 0,073(Gr P r1,65 )1/3 . (15.78)
λ
Besonders interessant für die Heizungs- und Klimatechnik sind senkrecht ange-
ordnete Hohlräume. Sie bestimmen z.B. die Wärmeverluste durch die Isolierver-
glasung. Bei durchsichtigen Wänden und optisch transparenten Fluiden macht
die freie Konvektion jedoch nur einen Teil des Wärmetransportes aus. Hin-
zu kommt der Wärmetransport durch Strahlung, der insbesondere bei hohem
Wärmeleitwiderstand wesentlich zu den Wärmeverlusten eines Hauses oder eines
Zimmers beiträgt. Die Wärmestrahlung werden wir erst in Kap. 15.8 behandeln.
Im senkrechten Spalt kann der Wärmetransport für 2000 < Grδ < 20000, also
für mäßige Konvektion, mit
−1/9
λs 1/4 h
= 0,18Grδ (15.79)
λ δ
beschrieben werden. Für 20000 < Grδ < 200000 kann man den Ansatz
−1/9
λs 1/3 h
= 0,065Grδ (15.80)
λ δ
verwenden. Die Gln. (15.79) und (15.80) gelten für Luft und die Grashof-Zahl ist
mit der Spaltweite δ zu bilden. Das Verhältnis von Höhe h zu Weite δ des Spaltes
geht als schwache Korrektur ein.
Bei sehr breiten Spalten verwendet man nicht mehr die Gl. (15.79) oder (15.80)
für den Wärmetransport, sondern man behandelt jede der beiden seitlichen Be-
grenzungen als senkrechte Platte, an der sich freie Konvektion unabhängig von der
Strömung an der gegenüberliegenden Wand einstellt.
Die freie Konvektion an der senkrechten Platte kann – ähnlich wie die erzwun-
gene – mit den Bilanzgleichungen für Masse, Impuls und Energie behandelt werden.
Für laminare Grenzschicht wurde eine exakte Lösung abgeleitet, die nach Choi und
Rohsenow12 durch die Beziehung
N ux 0,676P r1/2
= (15.81)
(Grx /4)1/4 (0,861 + P r)1/4
angenähert werden kann. Nußelt- und Grashof-Zahl sind dabei eine Funktion der
Lauflänge der Strömung, d.h. des Abstandes von der Plattenunterkante. Als trei-
bende Temperaturdifferenz ist in die Grashof-Zahl der Unterschied zwischen der
Temperatur der Plattenoberfläche und der Temperatur des Fluids in genügend wei-
ter Entfernung von der Platte – also außerhalb der Grenzschicht – einzusetzen. Bei
Wärmeaufnahme durch die Platte ist der Strömungsweg von der Plattenoberkante
zu zählen.
Meist interessiert aber nicht der örtliche Wert der Nußelt-Zahl bzw. des
Wärmeübergangskoeffizienten, sondern der gesamte, bis zu einer Plattenhöhe x
12
Choi, H.; Rohsenow, W.M.: Heat, mass and momentum transfer. Englewood Cliffs:
Prentice-Hall 1961.
392 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
oder über die ganze Plattenhöhe L übertragene Wärmestrom. Man führt deshalb
neben der örtlichen Nußelt-Zahl eine mittlere Nußelt-Zahl ein, die mit
x
1
αm = α(x)dx (15.82)
x
0
zu
αm x αm L
N um = bzw. N um = (15.83)
λ λ
definiert ist. Diese Mittelung auf Gl. (15.81) angewandt ergibt
N um 0,902P r1/2
1/4
= . (15.84)
(Gr/4) (0,861 + P r)1/4
Laminare Grenzschicht kann an senkrechten Platten bis zu Gr P r ≤ 108 beobachtet
werden. Für Prandtl-Zahlen in der Nähe von eins kann man als Näherungslösung
auch die einfache Gleichung
N um = 0,55 (Gr P r)1/4 (15.85)
verwenden.
Geschlossene Lösungen für die turbulente Grenzschicht sind komplizierter; der
Leser sei hier z.B. auf das Buch von Baehr und Stephan13 verwiesen. Für Prandtl-
Zahlen zwischen 1 und 10 und für Werte des Produktes Gr P r > 108 kann die
einfache Beziehung
N um = 0,13 (Gr P r)1/3 (15.86)
verwendet werden.
13
Baehr, H.D., Stephan, K.: Wärme- und Stoffübertragung, 4. Auflage. Berlin, Heidelberg,
New York: Springer 2004.
15.5 Grundlagen der Wärmeübertragung durch Konvektion 393
15.6
Wärmeübertragung beim Sieden und Kondensieren
15.6.1
Wärmeübergang beim Sieden
Wir wollen zunächst die beim Sieden zu beobachtenden Vorgänge in ihrer Aus-
wirkung auf den Wärmeübergang diskutieren. Die physikalischen Vorgänge beim
Wärmetransport durch Sieden unter freier Konvektion waren schon sehr früh Gegen-
stand zahlreicher experimenteller Untersuchungen und theoretischer Überlegungen.
Die Beobachtung zeigt, dass sich auf einer Heizfläche Dampfblasen bilden, sobald
die Temperatur der Wandoberfläche TW eine bestimmte Überhitzung ΔT gegenüber
der Sättigungstemperatur des Fluides TF übersteigt. Die Dampfblasen bilden sich an
bestimmten Keimstellen, deren Zahl mit der Wärmestromdichte q̇ und Überhitzung
ΔT zunimmt. Mit der Überhitzung der Wand steigt auch die Überhitzung des Fluids
in der Grenzschicht unmittelbar an der Wand.
Der Dampf in einer Blase des Radius r muss einen etwas höheren Druck pD als
die ihn umgebende Flüssigkeit besitzen
2σ
pD − pF = , (15.87)
r
da auf ihn zusätzlich zum Flüssigkeitsdruck pF noch die an den Grenzflächen der
Phasen vorhandene Oberflächenspannung σ wirkt, deren Einfluss – wie eine einfa-
che Bilanz der an der Blase angreifenden Kräfte zeigt – mit wachsendem Blasenra-
dius R abnimmt. Aus der Clausius-Clapeyronschen Gleichung, (Gl. 13.10),
dp Δhv
= (15.88)
dT (vD − vF ) T
kann man in einfacher Weise auch die Temperaturen in der Blase, d.h. den Grad der
Überhitzung des Dampfes gegenüber der Sättigungstemperatur, abschätzen. Bei die-
sen einfachen Überlegungen ist vorausgesetzt, dass Trägheitskräfte vernachlässigt
15.6 Wärmeübertragung beim Sieden und Kondensieren 395
werden können und sich die Blase mit ihrer Umgebung im Kräftegleichgewicht be-
findet. Fasst man Gl. (15.87) und Gl. (15.88) zusammen und integriert unter den
zusätzlichen vereinfachenden Voraussetzungen, dass sich der Dampf wie ein idea-
les Gas verhält und das spezifische Volumen der Flüssigkeit gegenüber dem des
Dampfes vernachlässigbar klein ist, so kann man abschätzen, welche Überhitzung
(TD − TS ) für das Wachstum eines Blasenkeims vom Radius r notwendig ist. Es ist
2σ TS
r= . (15.89)
Δhv D (TD − TS )
Man erhält als qualitatives Ergebnis, dass mit zunehmender Überhitzung der Heiz-
wand bzw. der Flüssigkeit in der Grenzschicht an der Wand kleinere Keime aktiv
werden können. Da eine Heizfläche in der Regel Rauigkeiten verschiedener Ab-
messungen enthält, nimmt die Zahl der aktiven Keimstellen – d.h. die Stellen auf
der Heizfläche, aus denen sich Blasen bilden – mit steigender Wärmestromdichte
zu. Je dichter die Blasenpopulation auf der Heizfläche aber ist, desto intensiver wird
dort auch die Durchmischung der Flüssigkeit sein. Diese Rührwirkung der Blasen,
zusammen mit dem Massen- und Energietransport durch die Blase selbst in Form
von Dampf bzw. Verdampfungsenthalpie, bestimmt den Wärmeübergang beim Sie-
den. Es ist deshalb zu erwarten, dass der Wärmeübergangskoeffizient beim Sieden
mit steigender Heizflächenbelastung zunimmt. Ein einfaches Experiment, über das
zum ersten Mal Nukijama14 berichtete, bestätigt diese Überlegung. Dabei wurden in
einem auf Sättigungstemperatur befindlichen Wasserbad auf der Oberseite einer ho-
rizontalen wärmeabgebenden Platte Blasen durch Sieden erzeugt. Gemessen wurde
die Oberflächentemperatur der Platte in Abhängigkeit von der von der Heizfläche
abgegebenen Wärmestromdichte. Das Messergebnis – in der Literatur Nukijama-
Kurve genannt – zeigt Abb. 15.12 links, rechts sind die dazugehörenden Siederegio-
nen dargestellt. Bei geringen Wärmestromdichten ist die Überhitzung des Fluids an
der Heizfläche noch zu gering, um Blasen zu aktivieren, und der Energietransport
erfolgt allein durch einphasige freie Konvektion (A). Die Verdampfung tritt dabei
erst auf der freien Oberfläche der Flüssigkeit auf. Der Beginn der Blasenbildung
und die Blasenverdampfung (B) an der Heizfläche machen sich durch einen deutli-
chen Anstieg der Wärmeübergangskoeffizienten bemerkbar. Steigert man die Heiz-
flächenbelastung weiter, so erreicht man schließlich einen Bereich (C), in dem die
Transportvorgänge beim Blasensieden nicht mehr hydrodynamisch stabil sind, da
wegen der dichten Blasenpopulation und der großen Dampfströme die Flüssigkeit
die Heizfläche nicht mehr hinreichend gut erreichen kann. Die Siedeform ändert
sich zum Filmsieden (D), d.h. es bildet sich jetzt ein zwar dünner, aber zusam-
menhängender Dampffilm zwischen Heizfläche und Flüssigkeit aus. Filmsieden hat
um Größenordnungen geringere Wärmeübergangskoeffizienten als Blasensieden.
Die aus solchen Untersuchungen abgeleiteten Ansätze zur Berechnung des
Wärmeübergangskoeffizienten beim Blasensieden (B) sind jedoch sehr kom-
14
Nukijama, S.: The maximum and minimum values of the heat Q transmitted from metal
to boiling water under atmospheric pressure. J. Jap. Soc. Mech. Eng. 37 (1934) 367–374,
engl. Übersetzung in Int. J. Heat Mass Transfer 9 (1966) 1419–1433.
396 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
plex und meist nur für eine bestimmte Stoffgruppe unter bestimmten Rand-
bedingungen gültig. Vorteile für die praktische Anwendung und allgemeinere
Gültigkeit haben Ansätze, die auf dimensionslosen Gruppen von Stoffeigenschaf-
ten, Wärmestromdichte und thermodynamischem Zustand – Siedetemperatur – auf-
gebaut sind. Diese Beziehungen sind zwar auch empirischer Natur, haben aber den
Vorteil, dass sie für verschiedene Stoffe und über einen weiten Druckbereich gelten.
Der Einfachheit halber wird meist der Einfluss der Heizflächeneigenschaften außer
acht gelassen. Als Beispiel sei hier die Beziehung von K. Stephan und Preußer15
angeführt:
0,674
0,156
2 0,371
2 0,350 "
αDBl q̇DBl D rDBl aF F ηcp #−0,162
Nu = = 0,1 2 .
λF λF ϑS F aF σDBl λ F
(15.90)
Gleichung (15.90) hat die aus der einphasigen Konvektion bekannte Form des Po-
tenzansatzes, gebildet mit dimensionslosen Kenngrößen. Die Nußelt-Zahl enthält
als charakteristische Länge den Durchmesser der Blase beim Ablösen von der Heiz-
fläche. Diese kann aus
0,5
2σ
DBl = 0,0149β (15.91)
g(F − D )
berechnet werden.
15
Stephan, K.; Preußer, P.: Wärmeübergang und maximale Wärmestromdichte beim
Behältersieden binärer und ternärer Flüssigkeitsgemische. Chem.-Ing.-Tech. MS 649/79,
Synopse Chem.-Ing.-Tech. 51 (1979) 37.
15.6 Wärmeübertragung beim Sieden und Kondensieren 397
Für den Randwinkel β sind bei Wasser 45 ◦ , bei kryogenen Flüssigkeiten 1 ◦ und
bei Kohlenwasserstoffen einschließlich Kältemitteln 35 ◦ einzusetzen.
Der Wärmeübergang beim Sieden ändert sich, wenn man dem Dampf-
Flüssigkeits-Gemisch eine erzwungene Konvektion überlagert, wie z.B. in den Sie-
derohren eines Zwangsumlauf-Dampfkessels. Es ist leicht einzusehen, dass die par-
allel zur Heizfläche gerichtete Strömung der erzwungenen Konvektion die erste Pha-
se des Blasenentstehens – nämlich die Keimbildung – kaum beeinflusst, da diese
sich unmittelbar an der Wand unterhalb der Grenzschicht abspielt. Für die Aktivie-
rung eines Siedekeims sind also auch bei Zwangskonvektion nur die Überhitzung
der Grenzschicht in unmittelbarer Wandnähe und die Oberflächenbeschaffenheit
der Heizfläche maßgebend. Etwas anders verhält es sich in der Phase des Blasen-
wachstums und des Blasenablösens. Bei einer Betrachtung der an der Blase angrei-
fenden Kräfte ist hier neben dem Auftrieb und der haftenden Kraft aus der Ober-
flächenspannung noch die Kraft aus dem Widerstand, den die Blase der Strömung
entgegensetzt, zu berücksichtigen. Beim Sieden mit erzwungener Konvektion sind
aber in der Regel die Wärmestromdichten größer als beim Behältersieden und die
Blasen wachsen deshalb schneller an. Dadurch gewinnt die Kraft aus der Trägheit
der Flüssigkeit, die von der wachsenden Blase verdrängt werden muss, größeren
Einfluß. Will man den Wärmeübergang beim Sieden unter den Bedingungen der er-
zwungenen Konvektion theoretisch analysieren, so muss man Informationen über
den Verlauf der Strömungsgeschwindigkeit in der wandnahen Schicht haben, in der
sich die Blasen bilden. Diese Schicht ist aber messtechnisch schwer zugänglich,
und bis heute liegen keine Experimente vor, aus denen sich ein physikalisch zu-
verlässiger Ansatz für Bewegungsgleichungen ableiten lässt.
Daher ist es bis heute auch noch nicht gelungen, eine befriedigende theoreti-
sche Beschreibung dieses Wärmetransports zu erarbeiten. Es existieren jedoch ei-
ne Anzahl empirischer oder halbempirischer Wärmeübergangsbeziehungen. Es sei
insbesondere auf die durch Experimente gut abgesicherten Gleichungen des VDI-
Wärmeatlas verwiesen16 . Obwohl solche Gleichungen nicht den Anspruch erheben
können, unter allen bei Zwangskonvektion denkbaren geometrischen und fluiddyna-
mischen Bedingungen gültig zu sein, haben sie sich in der Praxis doch als brauch-
bar erwiesen. Es soll hier beispielhaft eine Gleichungsform vorgestellt werden, die
für innendurchströmte Rohre gilt. In ihr wird der Wärmeübergangskoeffizient beim
Sieden unter zweiphasiger Zwangskonvektion α2 ph zu dem bei rein einphasiger
Strömung αZK ins Verhältnis gesetzt. Als beschreibende Parameter werden eine
Stoffwertkenngröße, der sogenannte Martinelli-Parameter Xtt ,
0,5 0,1 0,9
D ηF 1 − x∗
Xtt = , (15.92)
F ηD x∗
und die Siedezahl (boiling number)
q̇
Bo = (15.93)
Ṁ /A Δhv
16
VDI-Wärmeatlas, 9. Auflage, Springer-Verlag, 2002, Abschnitt H
398 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
Stoff Strömungsrichtung M N n m
Wasser aufwärts 0,739 1,5 2/3 1
Wasser abwärts 1,45 1,5 2/3 1
n-Butanol abwärts 2,45 1,5 2/3 1
R12, R22 horizontal 1,91 1,5 2/3 0,6
R113 aufwärts 0,9 4,45 0,37 1
R113 abwärts 0,53 7,55 0,37 1
Bei der Auslegung von Verdampfern, sei es ohne oder mit überlagerter
Zwangskonvektion, muss man darauf achten, dass die kritische Wärmestromdichte
(q̇max in Abb. 15.12) nicht überschritten wird. Sie hängt – insbesondere bei
Zwangskonvektion – in komplizierter Weise von den Stoffwerten des Fluids, dem
Dampfgehalt, den Strömungsbedingungen und der Gestalt des Kanals ab. Der
Zustand jenseits der kritischen Wärmestromdichte ist dadurch gekennzeichnet,
dass die Flüssigkeit die wärmeabgebende Wand nicht mehr benetzt. Bei dünnen
Flüssigkeitsschichten kann die Wand auch dadurch austrocknen, dass durch zu star-
ke Verdampfung oder auch durch die Schubspannung des schneller strömenden
Dampfs der Flüssigkeitsfilm an der Wand großflächig aufreißt. Für die Berechnung
der kritischen Wärmestromdichte und des Wärmeübergangs jenseits der kritischen
Wärmestromdichte sei auf die Literatur, z.B. auf das Buch von Collier und Thome17
verwiesen.
15.6.2
Wärmeübergang beim Kondensieren
Beim Kondensieren ist wie beim Verdampfen die Verdampfungsenthalpie eine ent-
scheidende Größe. Es ist deshalb wie beim Sieden zu erwarten, dass sich schon mit
kleinen Temperaturunterschieden beträchtliche Wärmeströme übertragen lassen und
daher große Wärmeübergangskoeffizienten auftreten.
Den Wärmeübergang bei Kondensation hat zuerst Nußelt18 für eine senkrech-
te Platte theoretisch behandelt, indem er die Dicke δ der an der gekühlten Wand
herablaufenen Flüssigkeitsschicht – von Nußelt Wasserhaut“ genannt, weswegen
”
man auch von der Wasserhaut-Theorie spricht – unter der Annahme laminarer
Strömung berechnete. Der Wärmeübergangskoeffizient ist dann der Kehrwert des
Wärmewiderstandes dieser Wasserhaut nach der Gleichung
λ
α= . (15.97)
δ
Nußelt ging von der Vorstellung aus, dass die Zulieferung des Dampfes an die
Phasengrenze des Flüssigkeitsfilms keinen Wärmewiderstand erfährt, vielmehr der
Wärmewiderstand allein durch den Film bestimmt ist. Für die Strömung der konden-
sierten Flüssigkeit im Film nahm Nußelt laminare Geschwindigkeitsverteilung an,
wobei Beschleunigungskräfte während der Abwärtsströmung vernachlässigt wer-
den. Der Dampf soll keine Kräfte auf den Flüssigkeitsfilm – z.B. in Form von Schub-
spannung – ausüben. Die Druckänderung mit der Höhe wurde vernachlässigt. Da-
mit konnte die Bewegungsgleichung einfach als Gleichgewicht zwischen Schwer-
kraft und Reibungskraft ausgedrückt werden. Mit der Energiegleichung und der
Kontinuitätsgleichung ergab die Rechnung, auf die wir hier nicht eingehen wollen,
17
Collier, J.G., Thome, J.R.: Convective boiling and condensation. Third edition New York:
McGraw-Hill 1994.
18
Nußelt, W.: Die Oberflächenkondensation des Wasserdampfes. Z. VDI 60 (1916) 514–
546, 569–575.
400 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
schließlich, dass die Dicke δ der Flüssigkeitsschicht nach unten mit der Entfernung
x von der Oberkante der Wand nach der Gleichung
1/4
4ηλ
δ= 2 (tS − tW ) x (15.98)
gΔhv
zunimmt.
Dabei ist tS die Sättigungstemperatur des Dampfes und tW die Temperatur
der Wandoberfläche. Der örtliche Wärmeübergangskoeffizient ergibt sich dann mit
Gl. (15.97) zu
1/4
λ 1 λ3 gΔhv 1
α= (15.99)
δ 4 ν(tS − tW ) x
bzw. die örtliche Nußelt-Zahl zu
1/4
αx 1 gΔhv x3
N ux = = . (15.100)
λ 4 νλ(tS − tW )
Mit der Definition
x=H
1
αm = α(x) dx (15.101)
H
0
umschlug. Dieser Umschlag kann wie bei Zwangskonvektion mit einer auf die Film-
dicke δ bezogenen Reynolds-Zahl ermittelt werden
wx δ
Reδ = . (15.106)
ν
Darin ist w x die mittlere Geschwindigkeit des Flüssigkeitsfilms an der Stelle x,
die aus dem bis dahin kondensierten Flüssigkeitsmassenstrom Ṁ je Plattenbreite B
berechnet werden kann
Ṁ
= wx δ . (15.107)
B
Die Kondensatmenge ergibt sich aus der einfachen Energiebilanz Ṁ Δhv = Q̇.
Streng laminare Strömung mit glatter Filmoberfläche beobachtet man nur bis
Reδ < 10, weshalb auch Gl. (15.102) bzw. (15.105) nur bis zu dieser Reynolds-
Zahl angewandt werden soll. Danach wird der Film wellig und für 10 < Reδ < 75
wird empfohlen, dieser Welligkeit durch Anpassung der Konstanten in Gl. (15.105)
Rechnung zu tragen
N um = 1,15(KH KT )−1/4 . (15.108)
Im Bereich 75 < Reδ < 1200 erfolgt allmählich der Übergang zu turbulenter
Strömung im Film, was sich so auswirkt, dass in diesem Gebiet die Nußelt-Zahl
nahezu konstant bleibt
N um = 0,22. (15.109)
Für das daran anschließende turbulente Gebiet Reδ > 1200 hat Grigull19 den
Wärmetransport durch Anwendung der Prandtl-Analogie für Rohrströmung auf die
turbulente Kondensathaut berechnet. Dabei trat als neuer Parameter die Prandtl-Zahl
auf. Die Ergebnisse dieser Rechnung lassen sich nicht in geschlossener Form wie-
dergeben. Zur einfacheren Berechnung kann man auch den Einfluss der Prandtl-Zahl
unterdrücken und für das turbulente Gebiet eine empirische Gleichung benutzen.
Grigull20 empfahl hierfür die Formel
3 2 1/2
λ g (tS − tW )
αm = 0,003 ·H . (15.110)
η 3 Δhv
Die Gln. (15.102) bis (15.110) können auch für senkrechte Rohre und Platten, nicht
aber für waagrechte Rohre verwendet werden.
An sehr glatten Oberflächen, besonders wenn sie leicht eingefettet sind, oder
an speziell vorbehandelten Flächen, die schlecht benetzen, bildet sich keine zusam-
menhängende Flüssigkeitsschicht, sondern der Dampf kondensiert in Form kleiner
Tropfen, die sich vergrößern, bis sie unter dem Einfluß der Schwere ablaufen. Dabei
19
Grigull, U.: Wärmeübergang bei der Kondensation mit turbulenter Wasserhaut. Forsch.
Ing. Wes. 13 (1942) 49–57.
20
Grigull, U.: Wärmeübergang bei der Filmkondensation. Forsch. Ing. Wes. 18 (1952) 10–
12.
402 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
fegen sie eine Bahn frei, auf der sich neue feine Tröpfchen bilden. Bei Tropfenkon-
densation stellen sich besonders hohe Wärmeübergangskoeffizienten ein. Da man
im praktischen Betrieb aber nie ganz sicher sein kann, ob sich durch Veränderungen
der Oberfläche, z.B. Verschmutzungen, die Tropfenkondensation auf die Dauer auf-
recht erhalten lässt, rechnet man für die praktische Auslegung von Apparaten und
Maschinen zweckmäßig nach der Theorie für einen geschlossenen Flüssigkeitsfilm.
Tabelle 15.3 enthält die zur Lösung von Aufgaben der Wärmeübertragung
benötigten Stoffwerte: Dichte, spezifische Wärmekapazität, Wärmeleit- und Tem-
peraturleitfähigkeit, Viskosität und Prandtl-Zahl einiger Stoffe.
Für die praktische Auslegung von Kondensatoren sei auf den VDI-Wärmeatlas21
verwiesen, in dem weitere verschiedene empirische Gleichungen für verschiedene
Anordnungen und Randbedingungen angegeben sind.
21
VDI-Wärmeatlas, 10. Auflage, Springer-Verlag, 2006, Abschnitt J
15.6 Wärmeübertragung beim Sieden und Kondensieren 403
15.7
Wärmeübertrager – Gleichstrom, Gegenstrom, Kreuzstrom
In den vorstehenden Kapiteln haben wir den Wärmeübergang zwischen festen Ober-
flächen und gasförmigen oder flüssigen fluiden Stoffen behandelt, wobei meist
die Temperaturen als gegebene konstante Größen angesehen wurden. Bei der
Wärmeübertragung von einem Fluid durch eine Wand hindurch an ein zweites hat-
ten wir mit Gl. (15.14a) den Wärmedurchgangskoeffizienten k eingeführt und den
Wärmestrom in der Form
Q̇ = kA (t1 − t2 ) (15.111)
angegeben, wobei t1 − t2 = Δt der Temperaturunterschied beider Fluide war.
Beim Wärmeübergang ohne Änderung des Aggregatzustandes ändert sich die
Temperatur des Fluids längs der Heizfläche, und es ist in der Regel auch die Diffe-
renz Δt nicht mehr konstant. Zur Vereinfachung behält man aber in der Praxis meist
die Form der Gl. (15.111) bei, indem man geeignete Mittelwerte t1,m , t2,m und Δtm
einführt und
Q̇ = kA(t1,m − t2,m ) = kA Δtm (15.112)
schreibt. Bei annähernd linearem Verlauf der Temperaturen jedes Fluids längs der
Heizfläche kann man diese Mittelwerte algebraisch aus den Anfangstemperaturen
t1,0 , t2,0 und Endtemperaturen t1,A , t2,A nach den Gleichungen
t1,0 + t1,A t2,0 + t2,A
t1,m = ; t2,m = ; (15.113a)
2 2
t0 + tA
Δtm = (15.113b)
2
bilden, wobei, um eine Zählrichtung der Heizflächen A festzulegen, der Index 0
hier als Ursprung dieser Koordinate ein Ende des Wärmeübertragers definiert und
der Index A das andere Ende (vgl. Abb. 15.14, Zählrichtung bzw. Koordinate a).
Bei nichtlinearem Temperaturverlauf muss man in anderer Weise mitteln, wie
im Folgenden gezeigt werden soll.
Für einen beliebigen Wärmeübertrager seien
Ṁ1 und Ṁ2 die Massenströme beider Fluide, SI-Einheit kg/s,
c1 und c2 ihre spezifischen Wärmekapazitäten und
Ṁ1 c1 = Ċ1 und Ṁ2 c2 = Ċ2 die Wärmekapazitätsströme, SI-Einheit W/K.
Dann gilt, wenn man von den meist vernachlässigbar kleinen Wärmeverlusten an
die Umgebung absieht, für den übertragenen Wärmestrom die Bilanzgleichung
Q̇ = Ṁ1 c1 (t1,0 − t1,A ) = Ṁ2 c2 (t2,A − t2,0 ) . (15.114)
Daraus folgt
t1,0 − t1,A Ṁ2 c2 Ċ2
= = ; (15.115)
t2,A − t2,0 Ṁ1 c1 Ċ1
15.7 Wärmeübertrager – Gleichstrom, Gegenstrom, Kreuzstrom 405
das heißt, die Temperaturänderungen beider Fluide verhalten sich umgekehrt wie
ihre Wärmekapazitätsströme Ċ1 und Ċ2 .
Um den Temperaturverlauf längs der Heizfläche ermitteln zu können, müssen
wir auf die Bauart des Wärmeübertragers eingehen. Man unterscheidet – wie in
Abb. 15.13 dargestellt – je nach Führung der Strömung die drei Bauarten
a) Gleichstrom,
b) Gegenstrom,
c) Kreuzstrom oder Querstrom.
15.7.1
Gleichstrom
wenn man mit A die jeweilige Fläche des Wärmeübertragers bezeichnet. Denkt man
sich die Heizfläche über den Wert A hinaus ins Unendliche verlängert, so erkennt
man leicht, dass sich beide Temperaturen demselben Grenzwert
Ċ2 Ċ1
t∞ = t1,0 − Δt0 = t2,0 + Δt0 (15.126)
Ċ1 + Ċ2 Ċ1 + Ċ2
asymptotisch nähern. In Abb. 15.14 sind die Temperaturen und ihre gemeinsame
Asymptote t∞ eingezeichnet. Dabei ist stets
(t1 − t∞ )/(t∞ − t2 ) = Ċ2 /Ċ1 . (15.127)
Ist auf der einen Seite etwa für das Fluid 2 der Wärmeübergangskoeffizient
sehr groß gegenüber dem der anderen Seite, wie z.B. beim Kondensieren ei-
nes Dampfes oder beim Verdampfen einer Flüssigkeit oder auch bei sehr großen
Strömungsgeschwindigkeiten, so bleibt die Temperatur t2 = t2,0 ungeändert und
die Temperatur t1 nähert sich asymptotisch diesem Wert.
15.7.2
Gegenstrom
Die oben für Gleichstrom abgeleiteten Gleichungen gelten unverändert für Gegen-
strom, wenn man beachtet, dass dabei die Massenströme der beiden Fluide entge-
gengesetzt gerichtet sind. In den Ausdruck
1 1 1 1
μ= + = +
Ṁ1 c1 Ṁ2 c2 Ċ1 Ċ2
muss daher der Strom Ṁ2 c2 als negative Größe eingeführt werden, wenn er – wie
in Abb. 15.15 angenommen – der positiven Zählrichtung a der Heizfläche entge-
genströmt. Dabei bekommt μ einen wesentlichen kleineren Wert als im Falle des
Gleichstroms, und man erkennt aus Gl. (15.126), dass die Grenztemperatur t∞
unterhalb der Temperatur beider Fluide liegt, wenn Ċ1 < |Ċ2 | ist, wie das in
Abb. 15.14 und 15.15 angenommen ist.
Gegenstrom ist günstiger als Gleichstrom oder Kreuzstrom, denn er hat we-
gen der geringeren mittleren Temperaturdifferenz zwischen beiden Fluiden kleinere
Exergieverluste zur Folge, und im Grenzfall eines unendlichen großen Produktes
kA und bei verschwindendem Druckabfall der Strömung wäre sogar eine reversible
15.7.3
Kreuzstrom
Bei Kreuzstrom strömen die Fluide beiderseits der Heizfläche senkrecht zueinander.
Die Temperaturen der Fluide sind Funktionen der Ortskoordinaten der Heizfläche
und daher beim Austritt nicht konstant. Wir wollen eine ebene Platte betrachten,
über die gemäß Abb. 15.16 auf der Oberseite das Fluid 1 in x-Richtung und auf der
Unterseite das Fluid 2 in y-Richtung strömt. Das Fluid 1 sei wärmer als das Fluid
2. Bezeichnen wir mit t1 die Temperatur des wärmeren und mit t2 die des kälteren
Fluids und setzen den Wärmedurchgangskoeffizienten auf der ganzen Fläche als
konstant voraus, so wird von dem Flächenelement dA = dx dy der Wärmestrom
dQ̇ = k(t1 − t2 ) dx dy
übertragen. Vernachlässigt man die Wärmeleitung parallel zur wärmeübertragenden
Fläche, so kühlt dieser Wärmestrom das wärmere, in x-Richtung strömende Fluid
ab nach der Gleichung
dy ∂t1
dQ̇ = −dĊ1 dx (15.128a)
B ∂x
und erwärmt das kältere, in y-Richtung strömende Fluid nach
dx ∂t2
dQ̇ = −dĊ2 dy, (15.128b)
L ∂y
wenn mit Ċ1 und Ċ2 die Wärmekapazitätsströme des warmen und kalten Fluids
bezeichnet werden. Treten beide Fluide mit den konstanten Anfangstemperaturen
t1,0 und t2,0 in den Wärmeübertrager ein, so lauten die Grenzbedingungen
15.7 Wärmeübertrager – Gleichstrom, Gegenstrom, Kreuzstrom 409
"
t2 − t2,0 −(ξ+η) ξ2 η2
= 1−e 1 + ξ + (1 + η) + 1+η+
t1,0 − t2,0 2! 2!
#
ξn η2 ηn
+...+ 1+η+ + ...+ + ... . (15.133)
n! 2! n!
Hausen22 hat verschiedene Näherungslösungen für die Differentialgleichungen
(15.130) und (15.131) zusammengestellt, die sich sowohl für Handrechnungen als
22
Hausen, H.: Wärmeübertragung im Gegenstrom, Gleichstrom und Kreuzstrom, 2. Aufl.
Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1976.
410 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
t1,A − t2,0
Tabelle 15.4. Dimensionslose mittlere Austrittstemperatur Θm = als Funktion
t1,0 − t2,0
der Parameter a und b nach Nußelt
b= 0 0,5 1 2 3 4
a= 0 1 0,6065 0,3679 0,1353 0,0498 0,0183
1 1 0,7263 0,5238 0,2676 0,1340 0,0660
2 1 0,8012 0,6338 0,3857 0,2271 0,1284
3 1 0,8455 0,7113 0,4846 0,3277 0,2027
4 1 0,8799 0,7665 0,5645 0,4018 0,2709
auch für Rechungen auf dem Computer eignen. Ein einfaches Verfahren zur Er-
mittlung des Wärmeübergangs im Kreuzstrom-Wärmeübertrager wurde von Nu-
ßelt selbst angegeben. Er berechnete aus der Lösung der Differentialgleichungen
(15.130) und (15.131) die dimensionslose mittlere Temperatur
t1,A − t2,0
Θm = (15.134)
t1,0 − t2,0
und stellte diese in Abhängigkeit der dimensionslosen Parameter
kLB kLB
a= und b = (15.135)
Ċ2 Ċ1
graphisch und in Form einer Tabelle dar. Auszugsweise sind Werte für die dimen-
sionslose mittlere Temperatur in Tabelle 15.4 wiedergegeben. Mit Hilfe des aus Ta-
belle 15.4 entnommenen Wertes von Θm ergibt sich der von der Heizfläche A – mit
den Kantenlängen L und B – übertragene Wärmestrom nach der Gleichung
Q̇1 = Ċ1 (t1,0 − t2,0 )(1 − Θm ) . (15.136)
Die mittlere Austrittstemperatur des anderen Fluids ergibt sich aus dem Verhältnis
der Wärmekapazitätsströme nach der Gleichung
t1,0 − t1,A Ċ2
= . (15.137)
t2,A − t2,0 Ċ1
t1,A und t2,A sind die mittleren Austrittstemperaturen des warmen und kalten
Fluids.
Die mittlere Temperaturdifferenz Δtm = (t1,m − t2,m ), mit der man nach
Gl. (15.112) den übertragenen Wärmestrom berechnen kann, ist bei Kreuzstrom
komplizierter festzulegen als bei Gleich- und Gegenstrom. Ein Diagramm zur un-
mittelbaren Bestimmung von Δtm aus den Ein- und Austrittstemperaturen hat
Kühne23 entworfen. Abb. 15.17 zeigt dieses Diagramm nach einer genaueren Be-
rechnung von Roetzel24 . Hierin ist als Abszisse (t2,A − t2,0 )/(t1,0 − t2,0 ), als Or-
23
Kühne, H.: Beitrag zur Frage der Aufstellung von Leistungsregeln für Wärmeaustauscher
Z. VDI, Beiheft Verfahrenstechnik 2 (1943) 37¡–46.
24
Roetzel, W.: Mittlere Temperaturdifferenz bei Kreuzstrom in einem Rohrbündel-
Wärmeaustauscher. Brennstoff-Wärme-Kraft 21 (1969) 246–250.
15.8 Die Wärmeübertragung durch Strahlung 411
dinate (t1,0 − t1,A )/(t1,0 − t2,0) aufgetragen, wobei t1,A und t2,A die mittleren
Austrittstemperaturen der Fluide sind und Ċ2 Ċ1 angenommen ist.
15.8
Die Wärmeübertragung durch Strahlung
15.8.1
Grundbegriffe, Emission, Absorption, das Gesetz von Kirchhoff
Außer durch die an Materie geknüpfte Wärmeleitung und Konvektion kann Wärme
auch ohne jeden materiellen Träger durch Strahlung übertragen werden. Die
Wärmestrahlung besteht aus einem kontinuierlichen Spektrum elektromagnetischer
Wellen, die durch materielle Körper bei der Emission im Allgemeinen aus innerer
Energie erzeugt und bei der Absorption wieder in solche verwandelt werden.
Bei hohen Temperaturen wird die Strahlung sichtbar und ihre Energie steigt
stark an. Für die Wärmeübertragung ist sie aber auch bei niedrigen Temperaturen
von Bedeutung. Die für die Wärmeübertragung wichtigsten Strahlungsgesetze seien
hier kurz behandelt.
Von der Oberfläche fester und flüssiger Körper wird Strahlung teils reflektiert,
teils durchgelassen. Man nennt eine Oberfläche spiegelnd, wenn sie einen auftref-
fenden Strahl unter gleichem Winkel gegen die Flächennormale reflektiert, matt,
wenn sie ihn zerstreut zurückwirft.
412 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
Der von der Oberfläche nicht reflektierte Teil der Strahlung wird entweder in
tieferen Schichten des Körpers absorbiert oder durchgelassen. Bei inhomogenen
Körpern kann auch eine Reflexion im Innern an eingebetteten Inhomogenitäten auf-
treten.
Fällt ein Wärmestrom Q̇ durch Strahlung auf einen Körper, so wird ein Teil Q̇R
davon reflektiert, ein Teil Q̇A absorbiert und ein Teil Q̇D hindurchgelassen. Es ist
Q̇ = Q̇R + Q̇A + Q̇D
oder
1=r+a+d (15.138)
mit r = Q̇R /Q̇, a = Q̇A /Q̇ und d = Q̇D /Q̇.
Den reflektierten Bruchteil misst man durch die Reflexionszahl r, den absorbier-
ten Bruchteil durch die Absorptionszahl a und den durchgelassenen Bruchteil durch
die Durchlasszahl d.
Man nennt einen Körper, der alle Strahlung reflektiert, einen idealen Spiegel.
Für ihn ist r = 1, a = 0, d = 0.
Ein Körper, der alle auffallende Strahlung absorbiert, wird schwarzer Körper
genannt. Für ihn ist r = 0, a = 1, d = 0.
Man nennt einen Körper diatherman, wenn er alle Strahlung durchlässt. Dann
ist r = 0, a = 0, d = 1. Beispiele für diathermane Körper sind Gase wie O2 , N2
und andere.
Die Entstehung von thermischer Strahlung aus innerer Energie bezeichnet man
als Emission, die Umwandlung aufgenommener Strahlung in innere Energie als Ab-
sorption. Wie Prévost als erster erkannte, ist die ausgestrahlte Energie eines Körpers
unabhängig von den Eigenschaften seiner Umgebung (Gesetz von Prévost). Ein
kälterer Körper unterscheidet sich von einem ansonsten gleichen heißeren Körper
dadurch, dass er weniger Strahlung emittiert.
Emission und Absorption hängen aber nicht nur von der Temperatur des
Körpers, sondern auch von der Wellenlänge λ ab, bei der Strahlung ausgesendet
bzw. absorbiert wird. Der von einem Flächenelement dA emittierte Wärmestrom
hängt von der Größe des Flächenelements und dem Wellenlängenintervall dλ ab,
d2 Q̇ ∼ dλ dA.
Aus dieser Proportionalität entsteht eine Gleichung durch Einführen einer Funktion
J(λ,T )
d2 Q̇ = J(λ,T ) dλ dA, (15.139)
die man Intensität der Strahlung nennt (SI-Einheit W/m3 ). Die durch Gl. (15.139)
definierte Intensität ist häufig eine komplizierte Funktion von Wellenlänge und Tem-
peratur. Es kann vorkommen, dass Körper in bestimmten Wellenlängenbereichen
überhaupt nicht, in anderen sehr intensiv Energie durch Strahlung aussenden. Die
über alle Wellenlängen 0 ≤ λ ≤ ∞ emittierte Strahlung erhält man durch Integrati-
on von Gl. (15.139)
15.8 Die Wärmeübertragung durch Strahlung 413
∞
dQ̇ = dA J (λ,T )dλ .
λ=0
und bezeichnet die so definierte Größe E(T ) als die Emission (SI-Einheit W/m2 ).
Entsprechend der Einheit der Emission E handelt es sich dabei um eine Energie-
stromdichte, für die wir bisher die Variable q̇ gewählt hatten.
Die von einem Körper absorbierte Strahlung hängt von der Intensität J(λ, T )
der ankommenden Strahlung ab, der Größe des Flächenelements dA, auf das die
Strahlung auftrifft, und dem Wellenlängenintervall dλ, in dem Strahlung absorbiert
wird,
d2 Q̇ ∼ J (λ,T ) dλ dA .
Die absorbierte Strahlung ist außerdem noch eine Funktion der Temperatur T des
Strahlungsempfängers. Um aus der Proportionalität eine Gleichung zu machen,
führt man einen Faktor aλ (λ, T ) ein gemäß
d2 Q̇ = aλ (λ,T ) J (λ,T ) dλ dA, (15.141)
den man monochromatische Absorptionszahl nennt. Den Zusammenhang zwischen
aλ und λ bei vorgegebener Temperatur nennt man das Absorptionspektrum des
Körpers. Es ist meistens eine komplizierte Funktion der Wellenlänge, und es kann
vorkommen, dass Körper im Bereich des sichtbaren Lichts keine Strahlung absor-
bieren, sondern alle auffallende Strahlung reflektieren, während sie im Bereich der
thermischen Strahlung alle Strahlung absorbieren. Solche Körper erscheinen dem
Auge als weiß, während sie im Sinne der vorigen Definition schwarze Strahler sind.
Die gesamte von der Fläche dA absorbierte Energie erhält man aus der
Gl. (15.141) durch Integration über alle Wellenlängen
∞
dQ̇ = dA aλ (λ,T ) J (λ,T ) dλ (15.142)
λ=0
oder
dQ̇ = dA f (T ,T )
mit
∞
f (T ,T ) = aλ (λ,T ) J (λ,T ) dλ .
λ=0
Um den Anschluss an die bereits definierte Emission zu finden, spaltet man die
Funktion f (T , T ) auf in
414 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
∞
f (T ,T ) = a(T ,T ) J (λ,T ) dλ = a(T ,T ) E(T ).
λ=0
Damit geht Gl. (15.142) über in
dQ̇ = a(T ,T ) E(T ) dA . (15.143)
Durch diese Gleichung ist die Absorptionszahl a(T , T ) definiert. Sie gibt an, wel-
cher Bruchteil der von einem Körper der Temperatur T emittierten Energie von
einem anderen Körper der Temperatur T auf dessen Oberfläche dA absorbiert
wird. Da schwarze Körper alle auftreffende Strahlungsenergie absorbieren, ist für
sie a = 1, während für nichtschwarze Oberflächen a < 1 ist.
Zusammen mit Gl. (15.142) und mit (15.143) lässt sich die Absorptionszahl auf
die Intensität und die monochromatische Absorptionszahl zurückführen:
∞
a(T ,T ) = aλ (λ,T ) J (λ,T ) dλ/E(T ) (15.144)
λ=0
Emittiert Absorbiert
schwarze Fläche Es E + Es (1 − a)
nichtschwarze Fläche E aEs
letztlich Wärme von selbst von einem Körper tieferer auf einen Körper höherer Tem-
peratur übergehen, was dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik widerspricht.
Durch Gleichsetzen der emittierten und der absorbierten Energien ergibt sich
das Gesetz von Kirchhoff : 25
E (T ) = a (T ) = a (T,T )Es (T ). (15.145)
Es besagt, dass ein beliebiger Körper bei einer bestimmten zeitlich nicht
veränderlichen Temperatur soviel Strahlung emittiert wie er von einem schwar-
zen Körper gleicher Temperatur absorbiert. Nach Einsetzen der Definitionen
Gl. (15.140) für die Emission und Gl. (15.144) für die Absorptionszahl folgt aus
Gl. (15.145)
J (λ,T ) = aλ (λ,T )Js (λ,T ), (15.146)
wenn Js (λ, T ) die Intensität des schwarzen Strahlers ist. Da die Absorptions-
zahlen a und aλ höchstens den Wert eins erreichen können, ergibt sich aus den
Gln. (15.145) und (15.146)
E (T ) Es (T ),
J (λ,T ) Js (λ,T ).
Das Gleichheitszeichen gilt hierbei für den schwarzen Strahler. Emission und In-
tensität des schwarzen Strahlers können demnach von keinem anderen Strahler
übertroffen werden.
Das Verhältnis der Emission eines beliebigen Körpers zu der des schwarzen
Körpers bei derselben Temperatur T nennt man auch Emissionszahl ε(T ). Sie ist
definiert durch:
E (T )
ε(T ) = . (15.147)
Es (T )
Ist die Temperatur eines Körpers zeitlich konstant, so emittiert er ebenso viel Ener-
gie wie er absorbiert. Es gilt dann wieder das Gesetz von Kirchhoff, Gl. (15.145).
Man sieht, dass bei zeitlich unveränderlicher Temperatur eines Körpers die Emis-
sionszahl ε(T ) und die Absorptionszahl a(T, T ) übereinstimmen. In allen übrigen
Fällen können beide erheblich voneinander abweichen.
15.8.2
Die Strahlung des schwarzen Körpers
Ein schwarzer Strahler lässt sich mit Hilfe geschwärzter, z.B. berußter Oberflächen
nur bis auf einige Prozent Abweichung von a = 1 herstellen. Man kann ihn aber
beliebig genau verwirklichen durch einen Hohlraum, dessen Wände überall gleiche
25
Gustav Robert Kirchhoff (1824–1887) war Professor für Theoretische Physik in Breslau
(1850–1854), Heidelberg (1854–1875) und in Berlin (ab 1875). Er fand schon in seiner
Studienzeit in Breslau die nach ihm benannten Gesetze der Stromverzweigung. Er fand
die Gesetze der Absorption und Emission von Strahlung.
416 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
Temperatur haben und in dem man eine im Vergleich zu seiner Ausdehnung kleine
Öffnung zum Austritt der Strahlung anbringt.
Die Intensität der schwarzen Strahlung verteilt sich auf die einzelnen Wel-
lenlängen nach dem in Abb. 15.19 dargestellten Planckschen Strahlungsgesetz. Da-
nach ist die Intensität Js der Wellenlänge λ gegeben durch
c1
Js = 5 c /λT , (15.148)
λ (e 2 − 1)
wobei man aus den experimentell ermittelten grundlegenden Konstanten der Physik
(Boltzmannsche Konstante , Lichtgeschwindigkeit und Plancksches Wirkungsquan-
tum) auf theoretischem Wege
c1 = 3,7417749 · 10−16 Wm2 und c2 = 1,438769 · 10−2 m · K erhält.
Der Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichts liegt in einem sehr schmalen Strei-
fen zwischen 0,36 · 10−6 m und 0,78 · 10−6 m. Der Bereich der thermischen Strah-
lung, mit dem man es in der Technik zu tun hat, liegt also zum großen Teil in einem
weiten Bereich viel größerer Wellenlängen.
Die von der Sonne kommende Strahlung hat eine Intensitätsverteilung, die sich
etwa mit der des schwarzen Strahlers von 5600 K deckt. Für Strahlungsrechnungen
kann man die Sonne somit näherungsweise durch einen schwarzen Strahler von
5600 K ersetzen. Bei dieser Temperatur fällt etwa ein Drittel der Intensitätskurve in
den Bereich des sichtbaren Lichts.
Wie man aus Abb. 15.19 erkennt, verschieben sich die Maxima der Intensität
mit steigender Temperatur zu immer kleineren Wellenlängen. Die Wellenlänge λm
des Intensitätsmaximums findet man aus
∂Js (λ,T )
=0
∂λ
zu
λm T = 0,2897756 · 10−2 m · K. (15.149)
Dies ist das Wiensche Verschiebungsgesetz . Mit ihm kann man aus der Lage des
26
Es = σT 4 (15.150)
mit
σ = 5,67 · 10−8 W/m2 K4 .
Die theoretische Berechung über Gl. (15.148) aus den Grundkonstanten der Physik
ergibt als genaueren Wert σ = (5,67051 ± 0,00019) · 10−8 W/m2 K4 .
Bisher hatten wir nur die Gesamtstrahlung aller Richtungen betrachtet und wol-
len nun auf die Richtungsverteilung der von einem Flächenelement ausgehenden
Strahlung eingehen.
Die Intensität der schwarzen Strahlung ist richtungsunabhängig. Schwarze
Strahler erscheinen von allen Richtungen aus betrachtet gleich hell. Die Emission in
Richtung ϕ gegen die Flächennormale nimmt lediglich ab, weil die Projektion der
strahlenden Fläche in dieser Richtung abnimmt. In Richtung der Flächennormalen
muss die von einer schwarzen Oberfläche ausgesandte oder aus der Öffnung eines
Hohlraumes herauskommende schwarze Strahlung offenbar ihren größten Wert ha-
ben und in Richtung ϕ gegen die Flächennormale entsprechend der Projektion der
strahlenden Fläche in dieser Richtung abnehmen. Ist En die Emission in normaler
Richtung, Eϕ die in der Richtung ϕ gegen die Normale, so gilt demnach für die
schwarze Strahlung das Lambertsche Cosinusgesetz28
Eϕ = En cos ϕ. (15.151)
und Verdampfung. Das T4 -Gesetz der Wärmestrahlung fand er durch sorgfältige Auswer-
tung älterer Experimente.
28
Johann Heinrich Lambert (1728–1777), Mathematiker, Physiker und Philosoph war
zunächst Hauslehrer beim Grafen P. v. Salis in Chur, ab 1759 Mitglied der Bayerischen
und ab 1765 Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. Er beschäftigte sich mit
der Lichtausbreitung und vielen anderen Themen der Physik und Astronomie, konstruierte
mehrere Luftthermometer und bewies, dass π und e keine rationalen Zahlen sind.
418 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
Mit wachsender Entfernung vom Strahler nimmt die auf die Einheit einer zur Rich-
tung der Strahlung senkrechten Fläche fallende Strahlung proportional 1/r2 ab. Da
die scheinbare Größe der strahlenden Fläche, d.h. der Raumwinkel, unter dem sie
von der bestrahlten Fläche aus gesehen erscheint, sich im gleichen Verhältnis ver-
kleinert, bleibt die Flächenhelligkeit des Strahlers ungeändert.
Die Gesamtstrahlung E aller Richtungen des Halbraumes über einem
Flächenelement erhält man durch Integration über alle Raumwinkelelemente dΩ
der Halbkugel nach der Gleichung
E = En cos ϕdΩ,
dΩ = sin ϕ dϕ dψ
ist. Die Integration ergibt den einfachen Ausdruck
E = πEn . (15.152)
Die Gesamtstrahlung ist also das π-fache der Strahlung je Raumwinkeleinheit in
senkrechter Richtung.
15.8.3
Die Strahlung technischer Oberflächen. Der graue Körper
Die Strahlung wirklicher Körper weicht von der des schwarzen Körpers wesentlich
ab, sie hat im Allgemeinen eine andere Verteilung über die Wellenlänge und folgt
auch nicht dem Lambertschen Cosinusgesetz. Die schwarze Strahlung bildet aber
stets die obere Grenze, die für keine Wellenlänge und in keiner Richtung von ande-
ren Körpern übertroffen werden kann, wenn diese nur auf Grund ihrer Temperatur
strahlen.
Für andere Arten der Strahlungserzeugung durch elektrische Entladungen in Ga-
sen, durch chemische Vorgänge usw. gilt die Begrenzung nicht.
15.8 Die Wärmeübertragung durch Strahlung 419
Für die Zwecke der Wärmeübertragung genügt es in der Regel, die monochro-
matische Absorptionszahl aλ (λ, T ) als unabhängig von der Wellenlänge anzusehen.
Solche Körper bezeichnet man als grau. Nach Gl. (15.146) ist die Intensität
J (λ,T ) = aλ (T ) Js (λ,T ) (15.153)
als Funktion der Wellenlänge für jede vorgegebene Temperatur nur um einen kon-
stanten Faktor aλ gegenüber der Intensität des schwarzen Körpers verringert. Die
Intensitätsverteilung entspricht also qualitativ der von Abb. 15.19, jedoch sind für
jede Temperatur die Kurven um einen konstanten Faktor in Richtung kleinerer Wer-
te der Intensität verschoben.
Integration von Gl. (15.153) über alle Wellenlängen ergibt für den grauen Strah-
ler
E (T ) = aλ (T ) Es (T ).
Andererseits findet man durch Integration von Gl. (15.144)
a(T ,T ) = aλ (T ),
wenn T die Temperatur des Strahlungsempfängers ist. Die letzte Beziehung ist nur
möglich, wenn a nicht von der Temperatur T abhängt, sodass a(T ) = aλ (T )
ist. Dieses gilt für beliebige Temperaturen, also auch wenn T = T gesetzt wird,
somit ist a(T ) = aλ (T ). Aufgrund von Gl. (15.147) ist außerdem aλ (T ) = ε(T ).
Absorptions- und Emissionszahlen grauer Strahler stimmen überein. Man kann auf
graue Strahler das Stefan-Boltzmannsche Gesetz in der Form
E (T ) = ε(T )σ T 4 (15.154)
anwenden.
Die Richtungsverteilung der Strahlung weicht, wie Messungen von E. Schmidt
und Eckert29 gezeigt haben, bei vielen Körpern erheblich vom Lambertschen Co-
sinusgesetz ab. Die Emissionszahl ε für die Gesamtstrahlung ist daher verschieden
von der Emissionszahl εn in Richtung der Flächennormalen.
In Tabelle 15.5 sind die Emissionszahlen einiger Oberflächen bei der Temperatur
t angegeben.
29
Schmidt, E.; Eckert, E.R.G.: Über die Richtungsverteilung der Wärmestrahlung von Ober-
flächen. Forsch. Ing. Wes. 6 (1935) 175–183.
420 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
Tabelle 15.5. Emissionszahl εn der Strahlung in Richtung der Flächennormalen und ε der
Gesamtstrahlung für verschiedene Körper bei der Temperatur t. Bei Metallen nimmt die
Emissionszahl mit steigender Temperatur zu, bei nichtmetallischen Körpern (Metalloxide,
organische Körper) in der Regel etwas ab. Soweit genauere Messungen nicht vorliegen, kann
für blanke Metalloberflächen im Mittel ε/εn = 1,2, für andere Körper bei glatter Oberfläche
ε/εn = 0,95, bei rauher Oberfläche ε/εn = 0,98 gesetzt werden
Oberfläche t in ◦ C εn ε
Gold, hochglanzpoliert 225 0,018
Silber, poliert 38 0,022
Kupfer, poliert 20 0,030
Kupfer, poliert, leicht angelaufen 20 0,037
Kupfer, schwarz oxidiert 20 0,78
Kupfer, oxidiert 130 0,76 0,725
Kupfer, geschabt 20 0,070
Aluminium, walzblank 170 0,039 0,049
Aluminium, hochglanzpoliert 225 0,039
Aluminiumbronzeanstrich 100 0,20 . . . 0,40
Nickel, blank matt 100 0,041 0,046
Nickel, poliert 100 0,045 0,053
Chrom, poliert 150 0,058 0,071
Eisen und Stahl, hochglanzpoliert 175 0,052
225 0,064
–, poliert 425 0,144
1027 0,377
–, geschmirgelt 20 0,242
Gußeisen, poliert 200 0,21
Stahlguß, poliert 770 0,52
1040 0,56
Eisen, vorpoliert 100 0,17
oxidierte Oberflächen:
Eisenbleich
–, rot angerostet 20 0,612
–, stark verrostet 19 0,685
–, Walzhaut 21 0,657
Gußeisen, oxidiert bei 866 K 200 0,64
600 0,78
Stahl, oxidiert bei 866 K 200 0,79
600 0,79
Stahlblech, dicke rauhe Oxidschicht 24 0,8
Gußeisen, rauhe Oberfläche, stark oxidiert 38 . . . 250 0,95
Emaille, Lacke 20 0,85 . . . 0,95
Heizkörperlacke 100 0,925
Ziegelstein, Mörtel, Putz 20 0,93
Porzellan 20 0,92 . . . 0,94
Glas 90 0,940 0,876
Eis, glatt, Wasser 0 0,966 0,918
Eis, rauher Reifbelag 0 0,985
Wasserglasrußanstrich 20 0,96
Papier 95 0,92 0,89
Holz 70 0,935 0,91
Dachpappe 20 0,93
15.8 Die Wärmeübertragung durch Strahlung 421
15.8.4
Der Strahlungsaustausch
Bisher betrachteten wir die Strahlung eines einzigen Körpers. In der Regel haben
wir es aber mit zwei oder mehreren Körpern zu tun, die miteinander im Strahlungs-
austausch stehen. Dabei bestrahlen nicht nur die wärmeren die kälteren Körper, son-
dern auch die kälteren die wärmeren Körper, und die übertragene Wärmestrahlung
ist die Differenz der jeweils absorbierten Anteile dieser Strahlungsbeträge.
Als einfachsten Fall betrachten wir die Wärmeübertragung durch Strahlung zwi-
schen zwei parallelen ebenen sehr großen Flächen 1 und 2 mit den Temperaturen
T1 und T2 und den Emissionszahlen ε1 und ε2 . Dann emittieren nach dem Stefan-
Boltzmannschen Gesetz die beiden Flächen die Strahlungen
E1 = ε1 σT14 und E2 = ε2 σT24 . (15.155)
Da beide Flächen aber nicht schwarz sind, wird die von 1 auf 2 fallende Strah-
lung dort teilweise reflektiert, der zurückgeworfene Teil fällt wieder auf 1, wird
dort teilweise reflektiert, dieser Teil fällt wieder auf 2 usw. Das Gleiche gilt für
die Strahlung der Fläche 2. Es findet also ein dauerndes Hin- und Herwerfen von
immer kleiner werdenden Strahlungsbeträgen statt, deren absorbierte Teile alle zur
Wärmeübertragung beitragen. Man kann die übertragene Wärme durch Summieren
aller dieser Einzelbeträge ermitteln, einfacher kommt man dabei in folgender Weise
zum Ziel:
Die gesamte je Flächeneinheit von jeder der beiden Oberflächen ausgehende
Strahlung bzw. Wärmestromdichte bezeichnen wir mit H1 und H2 , da man im sicht-
baren Bereich von Helligkeit der Fläche sprechen würde. Wir wollen diesen Begriff
hier auf die Gesamtstrahlung übertragen. In H1 und H2 sind außer der eigenen
Emission der Flächen auch alle an ihnen reflektierten Strahlungsbeträge enthalten.
Die ausgetauschte Wärmestromdichte ist dann gleich dem Unterschied
q̇12 = H1 − H2
der Gesamtstrahlung beider Richtungen. Die von der Fläche 1 ausgehende Strahlung
besteht aus der eigenen Emission E1 und dem an ihr reflektierten Bruchteil der
Strahlung H2 nach der Gleichung
H1 = E1 + (1 − ε1 ) H2 .
Entsprechend gilt für die von Fläche 2 ausgehende Strahlung
H2 = E2 + (1 − ε2 ) H1 .
Berechnet man aus den beiden Gleichungen H1 und H2 und setzt in die vorherge-
hende Gleichung ein, so wird
ε2 E1 − ε1 E2
q̇12 =
ε2 + ε1 − ε1 ε2
oder, wenn man E1 und E2 nach Gl. (15.155) einsetzt,
422 15. Grundbegriffe der Wärmeübertragung
σ
q̇12 = (T14 − T24 ) = C12 (T14 − T24 ) . (15.156)
1 1
+ −1
ε1 ε2
Dabei bezeichnet man
σ
Ċ12 = (15.157)
1 1
+ −1
ε1 ε2
als Strahlungsaustauschzahl, sie ist stets kleiner als die Emissionszahl jedes der
beiden Körper. Ist z.B. die erste Oberfläche schwarz, so wird C12 = ε2 σ, sind beide
schwarz, so wird C12 = σ.
Als nächsten Fall betrachten wir zwei im Strahlungsaustausch stehende, einan-
der vollständig umschließende konzentrische Kugeln oder Zylinder nach Abb. 15.21
und 15.22. Die beiden einander zugekehrten Oberflächen A1 und A2 sollen diffus
reflektieren und das Lambertsche Cosinusgesetz befolgen. Dann fällt von der Strah-
lung des Körpers 2 nur der Bruchteil γ auf 1, und der Bruchteil 1 − γ fällt auf 2
selbst zurück. Andererseits wird ein Flächenelement von 2 auch nur zum Bruchteil
γ von 1 und zum Bruchteil 1 − γ von 2 angestrahlt.
Den Bruchteil γ erhält man in folgender Weise: Von jedem Punkt der Fläche 2
gehen nach allen Richtungen des Halbraumes Strahlen aus. Die Gesamtheit dieser
Strahlen gruppieren wir nun zu lauter Bündeln von Parallelstrahlen nach Abb. 15.22,
deren jedes einer Richtung des Raumes zugeordnet ist. Von jedem dieser Bündel,
dessen Querschnitt die Projektion der Kugel 2 ist, fällt ein Teil auf die Kugel
1, der ihrem projizierten Querschnitt entspricht. Da die Projektionen im gleichen
Verhältnis stehen wie die Flächen selbst, ist
A1
γ= .
A2
Dasselbe Ergebnis erhält man durch die gleichen Überlegungen für konzentrische
Zylinder, und man kann diesen Wert von γ näherungsweise auch auf andere, einan-
der vollständig umhüllende Flächen anwenden.
Sind wieder H1 und H2 die Helligkeiten der beiden Oberflächen, so geht von
der Fläche A1 der Wärmestrom A1 H1 , von der Fläche A2 der Wärmestrom A2 H2
aus. Von der letzten fällt aber nur der Betrag
γA2 H2 = A1 H2
15.8 Die Wärmeübertragung durch Strahlung 423
ε1
Es cos ϕ1 dA1 .
π
Auf das Element dA2 , das von dA1 gesehen den Raumwinkel
dA2 cos ϕ2
dΩ =
r2
ausfüllt, trifft dann
ε1 ε1 cos ϕ1 cos ϕ2
Es cos ϕ1 dA1 dΩ = Es dA1 dA2 .
π π r2
Hiervon absorbiert dA2 den Betrag
ε1 ε2 cos ϕ1 cos ϕ2 ε1 ε2 cos ϕ1 cos ϕ2
Es dA1 dA2 = σT14 dA1 dA2 .
π r2 π r2
In gleicher Weise kann man die von dA1 absorbierte Strahlung des Elements dA2
ausrechnen und erhält
ε1 ε2 cos ϕ1 cos ϕ2
σT24 dA1 dA2 .
π r2
Die Differenz dieser Beträge ist der ausgetauschte Wärmestrom
ε1 ε2 cos ϕ1 cos ϕ2
d2 Q̇12 = σ(T14 − T24 ) dA1 dA2 . (15.160)
π r2
Für endliche Flächen ergibt die Integration den ausgetauschten Wärmestrom
ε1 ε2 cos ϕ1 cos ϕ2
Q̇12 = σ(T1 − T2 )
4 4
dA1 dA2 . (15.161)
π r2
A2 A1
Das über beide Flächen A1 und A2 zu erstreckende Doppelintegral ist dabei ei-
ne Größe, die nur von der räumlichen Anordnung der Flächen abhängt. Bei dieser
Rechnung ist die Reflexion unberücksichtigt geblieben, d.h. es ist nicht beachtet,
dass ein Teil, der z.B. von A1 zurückgeworfen wird, hier teils absorbiert, teils reflek-
tiert wird usw. Der Ausdruck gilt daher nur, wenn diese wieder zurückgeworfenen
Beträge klein gegen die ursprüngliche Emission sind. Das ist der Fall, wenn die
Oberflächen wenig reflektieren, also in ihren Eigenschaften dem schwarzen Körper
nahekommen oder wenn die Raumwinkel, unter denen die Flächen voneinander
gesehen erscheinen, klein sind. In der Feuerungstechnik, wo man solche Berech-
nungen der gegenseitigen Zustrahlung braucht, haben die Flächen meist Emissions-
verhältnisse von 0,8 bis 0,9, sodass Gl. (15.161) anwendbar ist. Die unbequeme
Integration kann man oft dadurch umgehen, dass man für cos ϕ1 , cos ϕ2 und r mitt-
lere geschätzte Werte einsetzt.
Die Gl. (15.161) kann man abkürzend auch
Q̇12 = F12 A1 ε1 ε2 σ(T14 − T24 ) (15.162)
schreiben, worin F12 der nur von der geometrischen Lage der beiden Flächen
abhängige Sichtfaktor ist, den man auch Einstrahlzahl nennt
1 cos ϕ1 cos ϕ2
F12 = dA1 dA2 . (15.163)
A1 π r2
A2 A1
15.8 Die Wärmeübertragung durch Strahlung 425
Durch Vertauschen der beiden Indices 1 und 2 findet man für den Sichtfaktor
F12 A1 = F21 A2 . (15.164)
Gleichung (15.162) gilt voraussetzungsgemäß nur, wenn man wechselseitige Re-
flexionen vernachlässigen kann. Würde man in dieser vorigen Ableitung auch die
wechselseitigen Reflexionen berücksichtigen, so ergäbe sich der allgemeine Aus-
druck
σε1 ε2
Q̇12 = A1 F12 (T14 − T24 ) (15.165)
1 − (1 − ε1 )(1 − ε2 )F12 F21
mit den Einstrahlzahlen F12 und F21 nach den Gln. (15.163) und (15.164).
Da die Gln. (15.162) und (15.165) für praktische Rechnungen bequem sind, be-
nutzt man sie meistens zur Berechnung des ausgetauschten Wärmestroms. Für in der
Technik häufig vorkommende geometrische Anordnungen findet man Einstrahlzah-
len in der einschlägigen Literatur38–41 meistens in Form von Diagrammen. Es sind
aber auch graphische Verfahren zur näherungsweisen Ermittlung der Sichtfaktoren
bekannt.
Beispiel 15.4: Ein Feuerbett von 4 m2 Fläche und einer Temperatur von 1300 ◦ C strahlt
eine Kesselheizfläche von 200 ◦ C an. Die Verbindungslinie von Feuerbettmitte zu Heiz-
flächenmitte ist 5 m lang, sie steht senkrecht auf der Heizfläche und ist gegen die Nor-
male der Feuerbettebene um 30 ◦ C geneigt. Die Entfernung des Feuerbettes von der
Heizfläche ist also so groß, daß für alle Teile beider Flächen im Durchschnitt derselbe
Neigungswinkel wie für die Verbindungslinie der Flächenmitten angesetzt werden kann.
Die Emissionszahl des Feuerbettes beträgt ε1 = 0,95, die der Heizfläche ε2 = 0,80.
Wie groß ist die durch Strahlung übertragene Wärmestromdichte?
Mit Hilfe von Gl.(15.160), in die man für ϕ1 und ϕ2 mittlere Werte und für dA1
und dA2 die endliche Fläche von Rost und Heizfläche einsetzt, erhält man eine
Wärmestromdichte in der Heizfläche allein durch Strahlung von
0,95 · 0,80 1 · 0,866
q̇12 = · 5,77 · 10−8 [6,122 · 1012 − 5,005 · 1010 ] · 4 W/m2
π 25
= 11740W/m2 .
38
Hottel, H.C.; Sarofim, A.F.: Radiative transfer. New York: McGraw-Hill 1967.
39
VDI-Wärmeatlas, 9. Aufl. Düsseldorf: VDI-Verlag 2002, Abschnitt K.
40
Siegel, R.; Howell, J.R.; Lohrengel, J.: Wärmeübertragung durch Strahlung. Teil 2: Strah-
lungsaustausch zwischen Oberflächen und Umhüllungen. Berlin, Heidelberg, New York:
Springer 1991
41
Howell, J.R.: Catalog of Radiation Configuration Factors. New York: McGraw-Hill 1982.
Anhang A: Dampftabellen
Tabelle I. (Fortsetzung)
Tabelle I. (Fortsetzung)
Tabelle II. Zustandsgrößen von Wasser und Dampf bei Sättigung (Drucktafel)2
p → 1 bar ts = 99,632◦ C 5 bar ts = 151,866◦ C 10 bar ts = 179,916◦ C 15 bar ts = 198,327◦ C 25 bar ts = 223,989◦ C
t v h s v h s v h s v h s v h s
1694,3 2675,1 7,3589 374,86 2748,6 6,8214 194,38 2777,7 6,5859 131,72 2791,5 6,4438 79,95 2802,2 6,256
◦
C ν h s ν h s ν h s ν h s ν h s
Anhang A: Dampftabellen
dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K) dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K) dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K) dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K) dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K)
0 1,00017 0,06 − 0,00015 0,99997 0,47 − 0,00012 0,99971 0,98 − 0,00008 0,99946 1,49 − 0,00004 0,99895 2,51 0,00003
20 1,00177 83,93 0,29619 1,00159 84,3 0,29610 1,00136 84,77 0,29600 1,00113 85,24 0,29589 1,00067 86,10 0,29568
40 1,00785 167,59 0,57225 1,00767 167,94 0,57209 1,00745 168,38 0,57190 1,00723 168,83 0,57170 1,00678 169,71 0,57132
60 1,01709 251,22 0,83115 1,01691 251,56 0,83093 1,01668 251,98 0,83067 1,01645 252,40 0,83040 1,01600 253,24 0,82987
80 1,02900 334,97 1,07526 1,02881 335,29 1,07500 1,02857 335,68 1,07467 1,02834 336,08 1,07434 1,02786 336,88 1,07369
100 1696,1 2675,9 7,3609 1,04321 419,36 1,30657 1,04295 419,74 1,30618 1,04270 420,11 1,30579 1,04219 420,87 1,30502
120 1793,1 2716,3 7,4665 1,0601 503,99 1,52749 1,05982 504,34 1,52704 1,05954 504,69 1,52658 1,05890 505,40 1,52568
160 1983,8 2795,8 7,6591 383,58 2767,2 6,8648 1,10165 675,87 1,94247 1,10129 676,17 1,94187 1,10056 676,75 1,94068
200 2172,3 2874,8 7,8335 424,87 2854,9 7,0585 205,90 2827,4 6,6932 132,43 2796,1 6,4536 1,15545 852,76 2,32926
240 2359,4 2954,0 7,9942 464,55 2939,3 7,2297 227,45 2919,6 6,8805 148,21 2898,5 6,6615 84,37 2850,8 6,3522
280 2545,8 3033,8 8,1438 503,36 3022,4 7,3856 247,93 3007,5 7,0454 162,69 2991,9 6,8368 94,29 2958,4 6,5543
320 2731,7 3114,3 8,2844 541,6 3105,2 7,5301 267,81 3093,4 7,1954 176,48 3081,3 6,9929 103,31 3055,9 6,7246
360 2917,3 3195,7 8,4172 579,6 3188,2 7,6656 287,32 3178,6 7,3344 189,87 3168,9 7,1357 111,85 3148,7 6,8760
400 3102,7 3278,0 8.5432 617,3 3271,7 7,7935 306,58 3263,8 7,4648 203,00 3255,7 7,2687 120,09 3239,2 7,0146
440 3287,9 3361,3 8,6634 654,8 3356,0 7,9151 325,68 3349,3 7,5882 215,95 3342,4 7,3939 128,14 3328,6 7,1436
480 3473,0 3445,6 8,7785 692,3 3441,1 8,0312 344,65 3435,3 7,7055 228,77 3429,4 7,5126 136,06 3417,6 7,2651
520 3658,0 3531,0 8,8889 729,6 3527,0 8,1424 363,53 3522,0 7,8177 241,50 3517,0 7,6258 143,87 3506,7 7,3804
560 3843,0 3617,5 8,9953 766,9 3614,0 8,2493 382,34 3609,6 7,9254 254,16 3605,2 7,7343 151,61 3596,2 7,4905
600 4027,9 3705,0 9,0979 804,1 3701,9 8,3524 401,09 3698,1 8,0292 266,76 3694,2 7,8386 159,30 3686,3 7,5960
640 4212,8 3793,7 9,1972 841,2 3791,0 8,4521 419,81 3787,5 8,1293 279,32 3784,0 7,9393 166,94 3777,0 7,6976
680 4397,6 3883,5 9,2935 878,4 3881,0 8,5487 438,48 3877,9 8,2263 291,85 3874,8 8,0366 174,54 3868,6 7,7958
720 4582,4 3974,4 9,3869 915,5 3972,2 8,6424 457,13 3969,4 8,3203 304,35 3966,6 8,1309 182,12 3961,0 7,8907
760 4767,1 4066,5 9,4778 952,6 4064,5 8,7334 475,76 4062,0 8,4116 316,82 4059,4 8,2225 189,67 4054,3 7,9829
800 4951,9 4159,7 9,5662 989,6 4157,8 8,8221 494,36 4155,5 8,5005 329,27 4153,2 8,3116 197,20 4148,6 8,0724
3
433
p → 50 bar ts = 263,997◦ C 100 bar ts = 311,031◦ C 150 bar ts = 342,192◦ C 200 bar ts = 365,8◦ C 220 bar ts = 373,767◦ C
t v h s v h s v h s v h s v h s
39,44 2793,7 5,9725 18,025 2724,5 5,6139 10,339 2610,1 5,3092 5,874 2413,6 4,9330 3,65 2177 4,550
◦
C ν h s ν h s ν h s ν h s ν h s
dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K) dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K) dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K) dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K) dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K)
0 0,99769 5,05 0,00020 0,99521 10,10 0,00045 0,99277 15,11 0,00060 0,99037 20,08 0,00066 0,98942 22,06 0,00066
20 0,99954 88,52 0,29514 0,99730 93,20 0,29405 0,99509 97,85 0,29292 0,99291 102,48 0,29176 0,99205 104,32 0,29129
40 1,00560 171,92 0,57034 1,00350 176,33 0,56839 1,00136 180,74 0,56644 0,99924 185,13 0,56449 0,99841 186,87 0,56371
60 1,01489 255,34 0,82855 1,01267 259,53 0,82592 1,01050 263,72 0,82331 1,00836 267,90 0,82072 1,00751 269,57 0,81969
80 1,02669 338,87 1,07205 1,02437 342,85 1,06881 1,02210 346,84 1,06560 1,01986 350,82 1,06243 1,01898 352,41 1,06117
100 1,04093 422,75 1,30308 1,03844 426,52 1,29924 1,03601 430,29 1,29546 1,03361 434,07 1,29172 1,03267 435,58 1,29024
120 1,05759 507,16 1,52343 1,05486 510,70 1,51899 1,05219 514,24 1,51462 1,04958 517,81 1,51032 1,04855 519,23 1,50861
160 1,09878 678,22 1,93773 1,09528 681,19 1,93192 1,0919 684,2 1,9262 1,0886 687,2 1,9207 1,0873 688,5 1,9185
200 1,15293 853,79 2,32533 1,14806 855,91 2,31766 1,1434 858,1 2,3102 1,1389 860,4 2,3030 1,1371 861,3 2,3001
240 1,22659 1037,40 2,69770 1,21898 1038,03 2,68702 1,2118 1038,9 2,6768 1,2051 1039,9 2,6670 1,2024 1040,3 2,6632
280 42,230 2855,9 6,0867 1,32217 1234,23 3,05497 1,3092 1232,2 3,0394 1,2974 1230,7 3,0250 1,2929 1230,3 3,0195
320 48,091 2984,3 6,3109 19,248 2780,6 5,7093 1,4725 1453,0 3,4244 1,4442 1444,5 3,3978 1,4344 1441,7 3,3882
360 53,15 3094,1 6,4903 23,300 2961,0 6,0043 12,571 2768,2 5,5630 1,8248 1739,7 3,8778 1,7602 1719 3,8395
400 57,81 3195,5 6,6456 26,408 3096,1 6,2114 15,652 2974,7 5,8799 9,946 2816,9 5,5521 8,255 2736,1 5,4051
440 62,22 3292,5 6,7856 29,114 3213,4 6,3807 17,938 3123,5 6,0949 12,230 3019,8 5,8455 10,638 2973,5 5,7486
480 66,48 3387,1 6,9147 31,598 3321,8 6,5287 19,895 3250,3 6,2680 13,988 3172,0 6,0534 12,363 3138,6 5,9741
520 70,62 3480,5 7,0355 33,940 3425,3 6,6625 21,669 3366,2 6,4179 15,506 3303,2 6,2232 13,819 3276,9 6,1531
560 74,68 3573,4 7,1498 36,186 3525,8 6,7862 23,327 3475,7 6,5527 16,883 3423,2 6,3708 15,123 3401,5 6,3065
600 78,69 3666,2 7,2586 38,361 3624,7 6,9022 24,904 3581,5 6,6767 18,169 3536,7 6,5039 16,330 3518,3 6,4434
640 82,64 3759,3 7,3628 40,482 3722,7 7,0119 26,42 3684,9 6,7925 19,390 3646,0 6,6264 17,472 3630,2 6,5687
680 86,56 3852,7 7,4630 42,562 3820,3 7,1165 27,90 3786,9 6,9018 20,562 3752,8 6,7408 18,562 3739,0 6,6853
720 90,44 3946,8 7,5596 44,610 3917,7 7,2167 29,33 3888,1 7,0058 21,696 3857,9 6,8488 19,614 3845,7 6,7950
760 94,31 4041,5 7,6531 46,631 4015,4 7,3131 30,74 3988,9 7,1053 22,802 3961,9 6,9515 20,637 3951,1 6,8991
800 98,15 4137,0 7,7438 48,630 4113,5 7,4062 32,13 4089,6 7,2009 23,883 4065,4 7,0498 21,635 4055,7 6,9984
Anhang A: Dampftabellen
Tabelle III. (Fortsetzung)
p → 230 bar 250 bar 300 bar 400 bar 500 bar
t v h s v h s v h s v h s v h s
◦
C dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K) dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K) dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K) dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K) dm3 /kg kJ/kg kJ/(kg K)
0 0,98894 23,05 0,00065 0,98800 ,02 0,00063 0,98568 29,92 0,00051 0,98114 39,63 0,00003 0,97674 49,20 −0,00076
20 0,99162 105,24 0,29105 0,99077 107,09 0,29057 0,98865 111,68 0,28935 0,98452 120,80 0,28682 0,98049 129,85 0,28419
Anhang A: Dampftabellen
40 0,99799 187,75 0,56332 0,99716 189,50 0,56253 0,99511 193,87 0,56057 0,99109 202,57 0,55665 0,98718 211,23 0,55270
60 1,00709 270,41 0,81917 1,00625 272,08 0,81814 1,00417 276,25 0,81557 1,00011 284,57 0,81048 0,99617 292,88 0,80544
80 1,01854 353,21 1,06054 1,01767 354,80 1,05928 1,01550 358,79 1,05617 1,01128 366,75 1,05002 1,00719 374,71 1,04398
100 1,03220 436,34 1,28950 1,03127 437,85 1,28803 1,02896 441,64 1,28439 1,02447 449,24 1,27722 1,02012 456,84 1,27021
120 1,04804 519,95 1,50776 1,04702 521,38 1,50607 1,04451 524,96 1,50189 1,03964 532,16 1,4937 1,03494 539,4 1,48571
160 1,0866 689,1 1,9174 1,0854 690,3 1,9152 1,0822 693,4 1,9098 1,0762 699,7 1,8994 1,0704 706,0 1,8893
200 1,1362 861,8 2,2987 1,1345 862,7 2,2959 1,1303 865,2 2,2890 1,1223 870,1 2,2758 1,1148 875,3 2,2631
240 1,2012 1040,6 2,6613 1,1986 1041,1 2,6576 1,1925 1042,4 2,6485 1,1811 1045,4 2,6313 1,1706 1048,9 2,6151
280 1,2908 1230,1 3,0167 1,2866 1229,7 3,0114 1,2766 1229,0 2,9986 1,2586 1228,6 2,9750 1,2428 1229,2 2,9534
320 1,4297 1440,4 3,3835 1,4208 1437,9 3,3746 1,4008 1432,8 3,3540 1,3676 1425,3 3,3180 1,3406 1420,5 3,2871
360 1,7359 1711,1 3,8242 1,6965 1698,1 3,7982 1,6269 1674,9 3,7486 1,5409 1647,0 3,6795 1,4845 1630,1 3,6289
400 7,4789 2689,6 5,3244 6,001 2578,1 5,1388 2,793 2150,7 4,4723 1,9096 1930,8 4,1134 1,7301 1874,1 4,0022
440 9,939 2949,1 5,7000 8,692 2897,7 5,6018 6,228 2750,4 5,3435 3,204 2393,9 4,7803 2,2646 2190,6 4,4584
480 11,654 3121,4 5,9354 10,402 3086,1 5,8592 7,982 2991,7 5,6734 4,948 2778,7 5,3067 3,320 2565,7 4,9702
520 13,084 3263,5 6,1193 11,790 3236,3 6,0536 9,303 3165,5 5,8984 6,203 3014,0 5,6115 4,416 2857,3 5,3480
560 14,358 3390,6 6,2757 13,010 3368,4 6,2162 10,425 3311,6 6,0782 7,208 3193,2 5,8321 5,323 3072,3 5,6127
600 15,532 3509,1 6,4146 14,126 3490,4 6,3593 11,431 3443,1 6,2324 8,077 3345,8 6,0111 6,098 3247,7 5,8184
640 16,638 3622,3 6,5414 15,170 3606,3 6,4891 12,360 3565,8 6,3698 8,860 3483,5 6,1654 6,787 3401,1 5,9903
680 17,693 3732,0 6,6590 16,163 3718,1 6,6089 13,234 3682,9 6,4954 9,584 3612,0 6,3031 7,416 3541,2 6,1406
720 18,709 3839,6 6,7696 17,117 3827,3 6,7212 14,067 3796,4 6,6120 10,265 3734,3 6,4289 8,002 3672,6 6,2757
760 19,696 3945,7 6,8743 18,040 3934,8 6,8272 14,869 3907,4 6,7216 10,914 3852,5 6,5456 8,555 3798,2 6,3996
800 20,658 4050,8 6,9742 18,938 4041,1 6,9282 15,645 4016,7 6,8254 11,536 3967,8 6,6551 9,083 3919,5 6,5148
435
436 Anhang A: Dampftabellen
Tabelle IV. Spezifische Wärmekapazität cp0 und Enthalpie h0 von Wasser im idealen Gaszu-
stand
t T cp0 h0 t T cp0 h0
◦ ◦
C K kJ/(kg K) kJ/kg C K kJ/(kg K) kJ/kg
0 273,15 1,8516 2501,78 150 423,15 1,9132 2783,81
10 283,15 1,8549 2520,31 180 453,15 1,9285 2841,44
20 293,15 1,8583 2538,88 200 473,15 1,9391 2880,11
30 303,15 1,8618 2557,48 250 523,15 1,9672 2977,76
40 313,15 1,8654 2576,11 300 573,15 1,9971 3076,86
50 323,15 1,8692 2594,79 350 623,15 2,0286 3177,50
60 333,15 1,8731 2613,50 400 673,15 2,0613 3279,74
70 343,15 1,8771 2632,25 450 723,15 2,0949 3383,64
80 353,15 1,8812 2651,04 500 773,15 2,1292 3489,24
90 363,15 1,8855 2669,87 550 823,15 2,1637 3596,56
100 373,15 1,8898 2688,75 600 873,15 2,1983 3705,61
110 383,15 1,8943 2707,67 650 923,15 2,2326 3816,39
120 393,15 1,8989 2726,63 700 973,15 2,2663 3928,86
130 403,15 1,9035 2745,65 750 1023,15 2,2991 4043,00
140 413,15 1,9083 2764,70 800 1073,15 2,3306 4158,75
Tabelle V. (Fortsetzung)
Tabelle VIII. Zustandsgrößen von Difluormonochlormethan, CHF2 Cl, (R 22) bei Sättigung7
B
log 1 0 p = A − ; p in hPa, t in ◦ C
C+t
Stoff A B C
Methan 6,82051 405,42 267,777
Ethan 6,95942 663,70 256,470
Propan 6,92888 803,81 246,99
Butan 6,93386 935,86 238,73
Isobutan 7,03538 946,35 246,68
Pentan 7,00122 1075,78 233,205
Isopentan 6,95805 1040,73 235,445
Neopentan 6,72917 883,42 227,780
Hexan 6,99514 1168,72 224,210
Heptan 7,01875 1264,37 216,636
Oktan 7,03430 1349,82 209,385
Cyclopentan 7,01166 1124,162 231,361
Methylcyclopentan 6,98773 1186,059 226,042
Cyclohexan 6,96620 1201,531 222,647
Methylcyclohexan 6,94790 1270,763 221,416
Ethylen 6,87246 585,00 255,00
Propylen 6,94450 785,00 247,00
Buten-(1) 6,96780 926,10 240,00
Buten-(2) cis 6,99416 960,100 237,000
Buten-(2) trans 6,99442 960,80 240,00
Isobuten 6,96624 923,200 240,000
Penten-(1) 6,97140 1044,895 233,516
Hexen-(1) 6,99063 1152,971 225,849
Propadien 5,8386 458,06 196,07
Butadien-(1,3) 6,97489 930,546 238,854
Isopren 7,01054 1071,578 233,513
Benzol 7,03055 1211,033 220,790
Toluol 7,07954 1344,800 219,482
Ethylbenzol 7,08209 1424,255 213,206
m-Xylol 7,13398 1462,266 215,105
p-Xylol 7,11542 1453,430 215,307
Isopropylbenzol 7,06156 1460,793 207,777
Wasser (90−100◦ C) 8,0732991 1656,390 226,86
8
Aus: Wilhoit, R.C.: Zwolinski, B.J.: Handbook of vapor pressures and heats of vaporization
of hydrocarbons and related compounds. Publication 101. Thermodynamics Research Center,
Dept. of Chemistry, Texas A & M University, 1971 (American Petroleum Institute Research
Project 44).
Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben
Aufgabe 3.1
Mit Gl. (3.14)
p1 V1 = M RT1 ,
p2 V2 = M RT2 ,
folgt:
p 1 T2 120 bar · 273,15 K
V2 = V1 = · 0,02 m3 ,
p 2 T1 1bar · 283,15 K
V2 = 2,315m3 .
Aufgabe 3.2
In 4500 m Höhe erfordert die Füllung
p 1 V1 530 mbar · 200000m3
MH2 = =
RT1 4,1245 kJ/(kgK) · 273,15K
MH2 = 9408,9 kg Wasserstoff,
bzw.
p 1 V1 530 mbar · 200000 m3
MHe = = ,
RT1 2,0773 kJ/(kgK) · 273,15 K
MHe = 18681,7 kg Helium.
Auf dem Erdboden nimmt das Gas das Volumen V2 ein, wobei
V2 p 1 T2 530 mbar · 293,15 K
= = = 0,608 ist.
V1 p 2 T1 935 mbar · 273,15 K
Das zu hebende Gesamtgewicht ist gleich der Differenz des Gewichts der verdrängten Luft
(Auftrieb) und des Traggases im Zustand 1: für Wasserstoff
p 1 V1 1 1 530 mbar · 200000 m3
− g=
T1 RLuft RH2 273,15 K
1 1 m
× − · 9,80665 = 1232948 N ≈ 1,23 MN,
0,2872 kJ/(kgK) 4,1245 kJ/(kgK) s2
für Helium
442 Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben
p 1 V1 1 1 530 mbar · 200 000 m3
− g=
T1 RLuft RH2 287,15 K
1 1 m
× − · 9,80665 2 = 1142014 N ≈ 1,14 MN.
0,2872 kJ/(kgK) 2,0773 kJ/(kgK) s
Aufgabe 6.1
Es ist
(M cp + Ms cps ) t + Ma cpa ta
tm = ,
M cp + Ms cps + Ma cpa
aufgelöst nach cpa
(M cp + Ms cps )(t − tm )
cpa = ,
Ma (tm − ta )
kJ kJ
0,8 kg · 4,186 + 0,25 kg · 0,234 (15 ◦ C − 19,24 ◦ C)
kgK kg K
cpa = ,
0,2 kg(19,24 ◦ C − 100 ◦ C)
kJ
cpa = 0,894 .
kg K
Aufgabe 7.1
Aus Gl. (3.14) folgt wegen V = const:
p2 10 bar
T2 = T1 = · 293,15K = 586,30K,
p1 5 bar
t2 = 313,15 ◦ C.
Die notwendige Wärmezufuhr wird unter der Annahme cv const.:
2
Q̇12 = M cv dT = M cv (T2 − T1 ),
1
p 1 V1 5 bar · 2m3
M= = = 11,88 kg,
RT1 0,2872 kJ/(kgK) · 293,15 K
kJ
Q̇12 = 11,88 kg · 0,7171 (313,15 ◦ C − 20 ◦ C),
kg K
Aufgabe 7.2
Die potentielle Energie der Bleikugel von der Masse M vor dem Aufprall ist M gz. Sie wird
vollständig in innere Energie umgewandelt. Dann gilt für die Temperatursteigerung Δt
2
M gz = M cv Δt,
3
2 gz 2 · 9,81 (m/s2 ) · 100 m
Δt = = ,
3 cv 3 · 0,126 kJ/(kgK)
Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben 443
Δt = 5,19 ◦ C.
Aufgabe 7.3
Die Leistung der Kraftmaschine ist
|P | = Md ω = Md · 2 πn
= 4905 Nm · 2 π · 1200 min−1 ,
Nm
|P | = 6,16 · 105 = 616 kW.
s
Die abgegebene Leistung der Kraftmaschine wird in innere Energie des Kühlwassers verwan-
delt.
kJ
|P | = Q̇12 = Ṁ c(t2 − t1 ); c = 4,186 .
kg K
Daraus berechnet sich die Temperatur des ablaufenden Kühlwassers zu
|P | 616 kW
t2 = + t1 = + 10 ◦ C = 76,22 ◦ C.
Ṁ c 8000 kg/h · 4,186 kJ/(kg K)
Aufgabe 7.4
a) Isotherme Zustandsänderung
Nach Gl. (3.14) ist
p1 V1 = M RT,
p2 V2 = M RT
und damit das Endvolumen
p1 10 bar
V2 = V1 = · 0,01 m3 ,
p2 1 bar
V2 = 0,1 m3 .
Die verrichtete Arbeit folgt aus Gl. (7.5e)
p2
Lv12 = p1 V1 ln = 10 bar · 0,01 m3 · ln 0,1,
p1
Lv12 = −23,026 kJ
und ist nach Gl. (7.5d) dem Betrag nach gleich der zugeführten Wärme
Q12 = −Lv12 = 23,026 kJ.
b) Adiabate Zustandsänderung
Endvolumen nach Gl. (7.9)
p1 V1κ = p2 V2κ
1/κ
p1 10 bar 1/1,4
V2 = V1 = 0,01 m3 , κ = 1,4 für Luft,
p2 1 bar
V2 = 0,0518 m3 ,
Endtemperatur nach Gl. (7.11b)
444 Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben
κ−1
κ
p1
T2 = T1
p2
= 298,15K · (0,1)0,4/1,4 ,
T2 = 154,4 K,
verrichtete Arbeit nach Gl. (7.13d)
κ−1
p 1 V1 p2 κ
Lv12 = −1
κ−1 p1
10 bar · 0,01 m3
= [0,10,4/1,4 − 1],
0,4
Lv12 = −12,051 kJ,
zugeführte Wärme
Q12 = 0.
c) Polytrope Zustandsänderung
Endvolumen nach Gl. (7.16)
p1 V1n = p2 V2n
1/n
p1
V2 = V1 = 0,01 m2 · 101/1,3
p2
V2 = 0,0588 m3 .
Aufgabe 7.5
Das Anfangsvolumen ist
πd2 π(0,2 m)2
V1 = z1 = · 0,5 m = 0,0157 m3
4 4
und das Endvolumen
πd2 π(0,2 m)2
V2 = z2 = (0,5 m − 0,4 m) = 0,00314 m3 .
4 4
Für die Nutzarbeit an der Kolbenstange erhält man nach Gl. (4.15)
Ln12 = Lv12 + pu (V2 − V1 ).
Bei der adiabaten Kompression nimmt die Luft nach Gl. (7.13d) unter Beachtung von
Gl. (7.9) die Energie
κ−1 κ −1
p 1 V1 p2 κ p 1 V1 V1
Lv12 = −1 = −1
κ−1 p1 κ −1 V2
0,4
1 bar · 0,0157 m3 0,0157
= −1 ,
1,4 − 1 0,00314
Lv12 = 3,547 kJ auf .
Durch den äußeren atmosphärischen Druck wird die Verschiebearbeit
pu (V − V1 ) = 1 bar(0,00314 − 0,0157) m3
= −1,256 kJ
verrichtet.
Somit kann der Luftpuffer die Stoßenergie
Ln12 = (3,547 − 1,256) kJ,
Ln12 = 2,291kJ = 2291 Nm
aufnehmen.
Die Endtemperatur ist nach Gl. (7.11a)
κ −1 0,4
V1 0,0157
T2 = T1 = 293,15 K ,
V2 0,00314
T2 = 558,05 K oder t2 = 284,90 ◦ C,
der Enddruck nach Gl. (7.9)
κ
V1
p2 = p1 ,
V2
1,4
0,0157
p2 = 1 bar ,
0,00314
p2 = 9,52 bar.
446 Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben
Aufgabe 7.6
Wie auf S. 39 dargelegt, ist 1 m3n die Gasmenge bei 0 ◦ C und 1,01325 bar (Zustand 0). Die
angesaugte Luftmenge (Zustand 1) ergibt sich nach Gl. (3.14) aus
p0 V̇0 p1 V̇1 p 0 T1
Ṁ = = ; V̇1 = V̇0
RT0 RT1 p 1 T0
293,15
V̇1 = 1,01325 1000 m3 /h = 1087,44 m3 /h
273,15
a) Bei isothermer Zustandsänderung ist dann nach Gl. (7.5e) die Leistung
p2
P12 = p1 V̇1 ln
p1
N m3
= 105 · 1087,44 ln 15
m2 h
P12 = 81,8 kW
und die abzuführende Wärme je Zeiteinheit nach Gl. (7.5d)
Q̇12 = −P12 = −81,8 kW.
n−1 N m3
p1 V̇1 p2 n 105 2
· 1087,44 1,3−1
P12 = −1 = m h 15 1,3 −1 ,
n−1 p1 1,3 − 1
P12 = 87,4 kW,
und nach Gl. (7.23) ist die je Zeiteinheit abgeführte Wärme
n−κ
Q̇12 = P12
κ−1
1,3 − 1,4
= · 87,4 kW,
1,4 − 1
Q̇12 = −21,85 kW.
Aufgabe 7.7
Wir können anstatt des Evakuierungsprozesses folgenden Ersatzprozess betrachten:
Man lässt das Luftvolumen V1 = 0,05m3 zunächst vom Druck p1 = 1 bar auf p2 = 0,01
bar isotherm expandieren. Dabei stellt sich ein Volumen V2 ein. Davon teilt man das Volu-
men V1 ab, wodurch man das gewünschte Volumen beim gewünschten Druck p2 erhält. Das
restliche Volumen (V2 − V1 ) komprimiert man wieder auf den Atmosphärendruck p1 , wo-
bei sich das Volumen auf V3 reduziert. Die Summe der dabei zu verrichtenden Arbeiten mit
Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben 447
Berücksichtigung der Arbeit der Atmosphäre ergibt dann den gesuchten Arbeitsaufwand der
Evakuierung.
Bei der isothermen Expansion wird nach Gl. (7.37) die Arbeit
p1
Lv12 = −p1 V1 ln = −23,026 kJ
p2
abgegeben und das Volumen
V2 = V1 · p1 /p2 = 5 m3
stellt sich ein.
Die isotherme Kompression des nach der Abteilung von 0,05m3 verbleibenden Restvolu-
mens (V2 − V1 ) = 4,95m3 erfordert einen Arbeitsaufwand von
p2
Lv23 = −p2 (V2 − V1 ) ln = 22,796 kJ
p1
und das Restvolumen wird auf
p2
V3 = (V2 − V1 ) = 0,0495 m3
p1
reduziert.
Die bei dem Prozess an der Atmosphäre während der Expansion und Kompression verrichte-
ten Arbeiten sind p1 (V2 − V1 ) = 495kJ und −p1 (V2 − V1 − V3 ) = 490,05kJ.
Damit ergibt sich die gesamte, für die Evakuierung erforderliche Arbeit
L = (−23,026 + 22,796 + 495 − 490,05) kJ = 4,72 kJ .
Aufgabe 7.8
Es ist M2 = M1 + Mzu , wenn M die Gasmasse in der Stahlflasche ist.
p 1 V1 1,2 · 105 N/m2 · 0,5m3
M1 = = = 0,6735 kg
RT1 296,8 J/kgK · 300,15 K
p 2 V2 p 2 V1 p2 p 1 V1 p2
M2 = = = = = M1 = 3,3676 kg
RT2 RT1 p1 RT1 p1
Mzu = 2,6941 kg
Nach Gl. (5.22) ist wegen Lt12 = 0 und Mab = 0 und Vernachlässigung potentieller und
kinetischer Energien
Q12 = U2 − U1 − hzu Mzu
Aufgabe 8.1
Man schreibt das vollständige Differential der Funktion
H = H(S, p),
∂H ∂H
dH = dS + dp
∂S p ∂p S
an. Nach der Gibbsschen Fundamentalgleichung, Gl. (8.24), ist weiter
dH = T dS + V dp.
Durch Vergleich erhält man
∂H ∂H
= T, = V.
∂S p ∂p S
Es ist also:
∂T ∂V
= .
∂p S
∂S p
Aufgabe 9.1
Die abgegebene Arbeit ist
−L12 = 5 kWh = Q12
und die Entropiezunahme ist
Q12 5 kWh kJ
ΔS = = = 61,4 .
T 293,15 K K
Aufgabe 10.1
a) Beim Überströmen bleibt die innere Energie und damit nach Kapitel 6.1 bzw. 7.9 bei
Temperaturausgleich auch die Temperatur ungeändert. Vor dem Ausgleich sind in beiden
Behältern die Luftmassen
p 1 V1 1bar · 5 m3
M1 = = ,
RT 0,2872 kJ/(kg K) · 293,15 K
M1 = 5,94 kg,
p 2 V2 20 bar · 2 m3
M2 = = ,
RT 0,2872 kJ/(kg K) · 293,15 K
M2 = 47,51 kg
enthalten, die Gesamtmasse beträgt
Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben 449
M1 + M2 = M = 53,45 kg.
Um den gemeinsamen Enddruck zu ermitteln, setzt man die Zustandsgleichung vor und nach
dem Ausgleich an
p (V1 + V2 ) p 1 V1 + p 2 V2
M1 + M2 = = .
RT RT
Daraus folgt der gemeinsame Enddruck
p 1 V1 + p 2 V2 1 bar · 5 m3 + 20 bar · 2 m3
p = = ,
V1 + V2 5 m3 + 2 m 3
p = 6,43 bar.
M2 expandiert von p2 auf p, M1 wird von p1 auf p komprimiert. Bei reversiblem isothermem
Ausgleich kann die Arbeit
p2 p
L = p2 V2 ln − p1 V1 ln
p p1
6,43 1
= 20 bar · 2 m3 · ln − 1 bar · 5 m3 · ln ,
20 6,43
L = −3608,5 kJ = −Q
verrichtet werden, es tritt also eine Entropiezunahme
Q 3608,5 kJ kJ
ΔS = = = 12,31 ein.
T 293,15 K K
b) Bei Ausgleich nur des Druckes, nicht der Temperaturen, ergibt sich derselbe gemeinsame
Enddruck p = 6,43 bar aus der Bedingung konstanter innerer Energie. Im Behälter 2 expan-
diert die Luft reversibel adiabat von 20 bar auf 6,43 bar und kühlt sich auf
κ−1
κ
1,4−1
1,4
p 6,43
T2 = T = 293,15 K
p1 20
T2 = 211,97 K
ab. Daraus kann man die Menge Luft in beiden Behältern berechnen:
pV2 6,43bar · 2 m3
M2 = = ,
RT2 0,2872 kJ/(kgK) · 211,97 K
M2 = 21,12kg,
M1 = M − M2 = (53,45 − 21,12) kg = 32,33 kg.
Aus der Bedingung, dass die innere Energie der Luft im gesamten Behälter gleich der Summe
der inneren Energien der Luft in den beiden einzelnen Behältern ist, folgt dann die Temperatur
T1 :
(M1 + M2 )cv T = M1 cv T1 + M2 cv T2 ,
(M1 + M2 ) T − M2 T2
T1 =
M1
53,45 kg · 293,15 K − 21,12 kg · 211,97 K
= ,
32,33 kg
T1 = 346,18 K.
450 Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben
Aufgabe 10.2
Gl. (10.14) lautet für reversibel isotherme Entmischung
V1 V V2 V
L = pV ln + ln ,
V V1 V V2
kJ
pV = M RT ; R = 0,2872 ,
kg K
V1 V V2 V
L = M RT ln + ln ,
V V1 V V2
kJ 1 1
L = 1 kg · 0,2872 · 293,15 K 0,79 ln + 0,21 ln ,
kg K 0,79 0,21
L = 43,27 kJ.
Aufgabe 11.1
Das Schmelzen des Eises und Erwärmen des entstandenen Wassers auf Umgebungstempera-
tur erfordert die Wärme (Ts = Schmelztemperatur)
Q = M [c (Ts − T0 ) + Δhs + cw (Tu − Ts )]
kJ kJ kJ
= 100 kg 2,04 · 5 K + 333,5 + 4,186 · 20 K ,
kg K kg kg K
Q = 42742 kJ.
Der Umgebung wird diese Wärme bei Tu = 293,15 K entzogen, damit erfährt sie eine Entro-
pieabnahme von
−Q −42742 kJ kJ
= = −145,80 ,
Tu 293,15 K K
andererseits erfährt das Eis die Entropiezunahme
s
u
M c
dT Δhs dT
+ + cp
T Ts T
0 s
Ts Δhs Tu
= M c ln + + cp ln
T0 Ts Ts
kJ 273,15 333,5 kJ/kg kJ 293,15
= 100 kg 2,04 ln + + 4,186 ln
kg K 268,15 273,15 K kg K 273,15
kJ
= 155,44 .
K
Die Entropiezunahme des ganzen Vorgangs ist also
kJ kJ
ΔS = (155,44 − 145,80) = 9,64 .
K K
Um den Schmelzvorgang wieder rückgängig zu machen, muss nach Gl. (11.2)
−Lex = H0 − Hu − Tu (S0 − Su )
Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben 451
aufgewandt werden. Gilt Index 0 für das Eis von -5 ◦ C, Index u für das Wasser von 20 ◦ C, so
ist Hu − H0 = Q = 42742 kJ die oben berechnete Wärmezufuhr, Su − S0 = 155,44 kJ/K
die Entropiezunahme des Eises und Tu = 293,15 K die Umgebungstemperatur. Damit wird
−Lex = −42742 kJ − 293,15 K · (−155,44 kJ/K) = 2825 kJ.
Aufgabe 11.2
a) Bei isothermer Entspannung gibt das Gas die Nutzarbeit Gl. (4.15)
2
Ln 12 = − pdV + pu (V2 − V1 )
1
= Lv12 + pu (V2 − V1 )
ab. Die Volumenänderungsarbeit Lv12 folgt aus Gl. (7.5e)
p1
Lv12 = −p1 V1 · ln = −50 bar · 0,1 m3 · ln 50,
p2
Lv12 = −1956 kJ.
Die Verschiebearbeit zur Überwindung des atmosphärischen Druckes erfordert dabei die Ar-
beit
p1
pu (V2 − V1 ) mit V2 = V1 = 50 · 0,1 m3 = 5 m3
p2
κ−1
κ
1,4−1
1,4
p2 1
Tmin = T1 = 293,15 K ,
p1 50
Tmin = 95,87 K.
Die Entropiezunahme beim Abblasen nach Ausgleich der Temperatur ermittelt man, indem
man die Entspannung zunächst reversibel isotherm ausgeführt denkt, wobei, wie oben ausge-
rechnet, 1466 kJ an Arbeit gewonnen werden und diese Arbeit nachträglich durch Reibung
in innere Energie verwandelt wird. Dabei ist die Entropiezunahme (Tu = T2 )
−Ln12 1466 kJ kJ
ΔS = = = 5,00 .
Tu 293,15 K K
Hiervon zu unterscheiden ist die Entropiezunahme des Gases
−Ln12 1956 kJ kJ
= 6,703 .
Tu 293,15 K K
Aufgabe 11.3
Die maximal gewinnbare Arbeit ist durch die Exergie, Gl. (11.1), gegeben
−Lex = U1 − Uu − Tu (S1 − Su ) + pu (V1 − Vu )
T1 p1
= M cv (T1 − Tu ) − Tu M cp ln − M R ln
Tu pu
RT1 RTu
+pu M −M .
p1 pu
κ kJ 1,4 kJ
Es ist cp = R = 0,2872 · = 1,9943 ,
κ −1 kg K 0,4 kg K
kJ
cv = cp − R = 0,7171 .
kg K
kJ
und damit −Lex = 1 kg ·0.7171 (400 K − 300 K)
kg K
kJ 400 kJ 8
−300K · 1 kg · 1,0043 ln − 1 kg · 0,2872 ln
kg K 300 kg K 1
kJ 400 K kJ 300 K
+1 bar · 1 kg · 0,2872 · − 1 kg · 0,2872 · ,
kg K 8 bar kg K 1 bar
Lex = −92,4 kJ.
Aufgabe 11.4
a) Nach dem 1. Hauptsatz für offene Systeme Gl. (5.23a) gilt unter Vernachlässigung der
potentiellen Energie und für adiabate Zustandsänderungen mit w1 = 0:
1 2
P = Ṁ h2 − h1 + w .
2 2
Es ist für ideale Gase
h2 − h1 = cp (T2 − T1 )
mit
Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben 453
κ
cp = R.
κ−1
Eingesetzt in obige Gleichung ergibt
κ 1
P = Ṁ R(T2 − T1 ) + w22
κ−1 2
kg 1,4 kJ 1 m2
= 10 · 0,2872 (450 K − 800 K) + · 104 2 ,
s 1,4 − 1 kg K 2 s
kJ
P = −3468,2 = −3468,2 kW = −3,4682 MW.
s
b) Für den Exergieverlust adiabater Systeme gilt nach Gl. (11.7a)
2
(ad)
Exv12 = Tu dS = Tu (S2 − S1 ).
1
kJ
s2 − s1 = 0,0835 .
kg K
˙ (ad)
Ex v = Tu Ṁ (s2 − s1 )
kg kJ
= 300 K · 10 · 0,0835 ,
s kg K
˙ (ad)
Ex v = 250,5 kW.
Aufgabe 11.5
a) Für den Exergieverluststrom eines Wärmeübertragers gilt nach Tab. 11.1:
˙ v = Tu Q̇12 T1 − T2
Ex
T1 T2
(360 K − 250 K)
= 300 K · 1 MW · ,
360 K · 250 K
˙ v = 0,367 MW.
Ex
b) Exergetischer Wirkungsgrad:
Summe der abgeführten Exergien
η= ,
Summe der zugeführten Exergien
worin sich die zu- bzw. abgeführten Exergien aus den Exergien der Stoffströme gemäß
Gl. (11.2a), den Exergien der über die Systemgrenzen ausgetauschten Wärmen gemäß
454 Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben
Gl. (11.3) und den an den Systemgrenzen verrichteten technischen Arbeiten zusammenset-
zen. Die Differenz zwischen zu- und abgeführten Exergien ist der Exergieverlust.
Die vorstehende Definition für den exergetischen Wirkungsgrad η ist sicher vernünftig, da η
im günstigsten (reversiblen) Fall den Wert eins und im ungünstigsten (irreversiblen) Fall den
Wert null erreicht.
Aufgabe 11.6
Nach Gl. (11.3) ist
T1 − Tu 258,15 K − 293,15 K
−P = Q̇u = · 35 kW,
T1 258,15 K
P = 4,75 kW theoretische Leistung.
An das Kühlwasser sind
Tu
Q̇ = Q̇u = 39,7 kW
T1
abzuführen. Der benötigte Kühlwasserstrom ist
Q̇ 39,7 kW 39,7 kJ/s · 3600 s/h
Ṁ = = = ,
cp ΔT 4,186 kJ/(kg K) · 7 K 4,186 kJ/(kg K) · 7 K
Ṁ = 4877 kg/h.
Aufgabe 11.7
a) Der vom Rauchgas abgegebene Wärmestrom Q̇12 wird von der Luft aufgenommen
T2R
Q̇12 = ṀR cpR dT = ṀL cpL (T1 − Tu ).
T1R
b) Der Exergieverlust des adiabat isolierten Lufterhitzers ergibt sich als Produkt aus Umge-
bungstemperatur und Entropiezunahme [Gl. (11.7a)]
(ad)
ExV = Tu ΔS.
Die gesamte Entropieänderung ΔS setzt sich aus der Entropiezunahme der Luft und der
Entropieabnahme des Rauchgases zusammen. Die Entropiezunahme der Luft beträgt
T1 kg kJ 940 kJ
ṀL cpL ln = 10 ·1 ln = 11,42
Tu s kg K 300 sK
und die Entropieabnahme des Rauchgases
Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben 455
800 K
dT kg kJ 800 kg J
ṀR cpR = 10 1,1 ln + 0,5 · 10−3 (800 K − 1200 K)
T s kg K 1200 kg K2
1200 K
kJ
= −6,46 .
sK
18 kg · 294 K + 30 kg · 530 K
Tm = = 441,5 K.
18 kg + 30 kg
Den Enddruck erhält man aus der thermischen Zustandsgleichung idealer Gase zu
(M + M )RTm (18 kg + 30 kg) · 0,189 kJ/(kgK) · 441,5 K
p = = ,
V + V 10 m3 + 3 m3
p = 3,08 bar.
b) Nach Entfernen der Trennwand hat sich die Entropie des einen Gases geändert um
Tm V + V
ΔS = M cv ln
+ R ln
T1 V
kJ 441,5 K kJ 10 m3 + 3 m3
= 18kg 0,7 ln + 0,189 ln ,
kg K 294 K kg K 10 m3
kJ
ΔS = 6,02 ,
K
die des anderen um
Tm V + V
ΔS = M cv ln
+ R ln
T1 V
kJ 441,5 K kJ 10 m3 + 3 m3
= 30 kg 0,7 ln + 0,189 ln ,
kg K 530 K kg K 10 m3
kJ
ΔS = 4,48 .
K
456 Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben
Aufgabe 13.1
Die Temperatur und den Druck am Tripelpunkt erhält man als Schnittpunkt der gegebenen
Dampfdruckkurven.
3023,3 K 3754 K
12,665 − = 16,407 − ,
Ttr Ttr
3754 − 3023,3
Ttr = K,
16,407 − 12,665
Ttr = 195,27 K.
Einsetzen in die erste Gleichung ergibt für den Druck
ptr 3023,3 K
= exp 12,665 − ,
1 bar Ttr
ptr = 0,0597 bar.
Die Verdampfungsenthalpie ist nach der Gleichung von Clausius-Clapeyron, Gl. (13.10):
dp
Δhv = (v − v )Ttr .
dT tr
Das spezifische Volumen des gesättigten Dampfes darf man bei dem niedrigen Druck des
Tripelpunktes aus v = RT /p berechnen:
0,4882 kJ/(kgK) · 195,27 K m3
v = = 15,96 .
0,0597 bar kg
Weiter folgt aus der Gleichung der Dampfdruckkurve:
dp 3023,3 1
= exp 12,665 − 3023,3 K · bar,
dT tr
195,27 195,272 K2
dp bar
= 0,4737 · 10−2 .
dT tr K
Nach Einsetzen der Werte in die Gleichung von Clausius-Clapeyron erhält man die Verdamp-
fungsenthalpie:
kJ
Δhv = 1476,2 .
kg
Für die Sublimationsenthalpie gilt.
dp
Δhs = Ttr (v − v ) ,
dT tr
mit
Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben 457
dp 3754 1
= exp 16,407 − 3745 K · bar,
dT 195,27 195,272 K2
tr
dp bar
= 0,5882 · 10−2 ,
dT tr K
kJ
Δhs = 1833,0 .
kg
Aufgabe 13.2
Van-der-Waalssche Gleichung:
Die Gleichung der Boyle-Kurve für das van-der-Waalssche Gas ergibt sich folgendermaßen:
Für Gl. (13.27) kann man schreiben:
8 Tr vr 3
pr vr = − .
3 vr − 1 vr
Auf der Boyle-Kurve haben die Isothermen waagerechte Tangenten, und es gilt dort
∂(pr vr ) ∂ 8 Tr vr 3 ∂ vr
= − = 0.
∂pr Tr
∂vr 3 vr − 1 vr Tr
∂pr Tr
∂v
Da die Kompressibilität bedeutet, die stets von 0 verschieden ist, gilt für die Boyle-
∂pr Tr
Kurve des Van-der-Waals-Gases
∂ 8 Tr vr 3
− =0
∂vr 3 vr − 1 vr Tr
differenziert:
8 Tr 3
− + 2 = 0.
(3 vr − 1)2 vr
Mit Hilfe von Gl. (13.27) erhält man schließlich die Gleichung für die Boyle-Kurve:
(pr vr )2 − 9 (pr vr ) + 6 pr = 0.
Inversionskurve in Amagat-Koordinaten:
Für die adiabate Drosselung gilt auf der Inversionskurve
∂h
=0
∂p T
Aufgabe 13.3
Die Gleichung von Benedict, Webb und Rubin lautet für Z = 1
A0 e 1 a 1
0 = B0 − − + b−
RT RT 3 v RT v 2
α 1 c 2
+ a +1 [(1 + γ)/v 2 ]e−γ/v .
RT v5 RT 3 v 2
Aufgabe 13.4
Aus den Dampftabellen oder dem h,s-Diagramm ergeben sich als zugeführte Wärmen:
im Vorwärmer 12,7 ·106 kJ/h = 3,52 MW,
im Kessel 39,2 ·106 kJ/h = 10,9 MW und
im Überhitzer 10,3 ·106 kJ/h = 2,87 MW.
Aufgabe 13.5
Das spezifische Volumen des Dampfes ist 0,01413 m3 /kg. Im Kessel sind 37,25 kg Dampf
und 962,75 kg Wasser. Die Enthalpie des Dampfes ist 100090 kJ, die des Wassers 1440000
kJ.
Aufgabe 13.6
Es müssen 998 kJ zugeführt werden, wobei der Dampfgehalt auf x = 0,986 steigt.
Aufgabe 13.7
Es müssen 1,23 · 106 kJ zugeführt werden, wobei 12,9 kg Wasser verdampfen.
Aufgabe 13.8
Aus dem h,s-Diagramm erhält man eine Endtemperatur von 100 ◦ C, einen Dampfgehalt von
0,899. Bei Expansion bis 6,2 bar wäre der Dampf gerade trocken gesättigt. Die Expansions-
arbeit bei Entspannung bis auf 1 bar ist 495 kJ oder 495000 Nm je kg Dampf.
Aufgabe 13.9
Der Wassergehalt ist 5,3%. Die Entropiezunahme ist 1,285 kJ/(kg K) und der Exergieverlust
376,6 kJ/kg.
Aufgabe 14.1
p2 = 21,67bar, t2 = 433 ◦ C, t3 = 704 ◦ C, p4 = 1,38bar, t4 = 133 ◦ C.
Wärmezufuhr Q = 0,521 kJ je Hub, Wärmeabfuhr |Q0 | = 0,216 kJ je Hub, Arbeit |L| = 0,304
kJ je Hub.
Aufgabe 14.2
p2 = 40,2bar, t2 = 713 ◦ C, p3 = 40,2bar,
t3 = 1699 ◦ C, p4 = 2,64bar, t4 = 632 ◦ C,
Wärmezufuhr Q= 14,08 kJ je Hub, Wärmeabfuhr —Q0 | = 5,74 kJ je Hub. Arbeit 8,34 kJ je
Hub. Theoretische Leistung bei 250 min−1 : 34,8 kW.
Aufgabe 14.3
Die je Umdrehung der Stirling-Maschine aufzubringende Arbeit errechnet sich zu 1500 J. Mit
den gegebenen Temperaturen von 800 ◦ C und 20 ◦ C sowie dem Kompressionsverhältnis von
0,5 l zu 3 l erhält man aus Gl. (14.40) eine für diese Arbeit notwendige Gasmenge von 3,74
Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben 459
·10−3 kg. Diese Gasmenge steht im expandierten Zustand im kalten Zylinder unter einem
Druck von 1,049 bar und erreicht nach isothermer Kompression und isochorer Erwärmung
den maximalen Druck von 23,04 bar. Den Wirkungsgrad des Prozesses liefert Gl. (14.41) zu
η = 0,727.
Aufgabe 14.4
Nach den Dampftabellen ist die Enthalpie des Speisewassers 136,11 kJ/kg, nach dem h,s-
Diagramm die des überhitzten Dampfes 3240,7 kJ/kg; im Kessel und Überhitzer müssen also
3104,6 · 104 kJ/kg zugeführt werden. Das adiabate Wärmegefälle bei Entspannung auf 0,05
bar beträgt nach dem h,s-Diagramm 1100,7 kJ/kg. Da die Turbine aber nur einen Wirkungs-
grad von 80% hat, werden dem Dampf nur 0,80 · 1100,7 kJ/kg entzogen, sodass er mit einer
Enthalpie von 2360,1 kJ/kg entsprechend einem Dampfgehalt von 0,918 in den Kondensator
gelangt, dort müssen (2360,1 - 136,1) kJ/kg entzogen werden, um ihn zu kondensieren. Die
Leistung an der Turbinenwelle ist 0,95 · 0,80 · 1100,7 · 104 kJ/h = 2323,7 kW. Der Dampf-
verbrauch ist 4,30 kg/kWh, der Wärmeverbrauch 1,336 · 104 kJ/kWh.
Aufgabe 14.5
Aus dem h,s-Diagramm ergibt sich für den Clausius-Rankine-Prozess ein Wirkungsgrad η =
0,407 bei einem Enddampfgehalt von x = 0,725, bei zweimaliger Zwischenüberhitzung ist η
= 0,417 und x = 0,947.
Aufgabe 14.6
Je kg Dampf werden zugeführt: im Kessel 2593,3 kJ, im ersten Überhitzer 366,7 kJ, im
zweiten Überhitzer 549,1 kJ. Im Kondensator werden abgeführt 2451,0 kJ. Der thermische
Wirkungsgrad ist η = 0,317, die Arbeit je kg Dampf beträgt 1114,1 kJ. Durch eine Turbine
anstelle der Drosselung vom kritischen Druck auf 100 bar werden an Arbeit mehr gewonnen
93,5 kJ/kg oder 8,4%.
Aufgabe 14.7
Wasserdampf von 150 bar und 500 ◦ C besitzt nach VDI-Dampftafel (bzw. Dampftafel Ta-
belle III) eine spezifische Enthalpie von 3310,6 kJ/kg und eine spezifische Entropie von
6,3487 kJ/kgK. Bei der reversibel adiabaten Entspannung auf 25 bar werden 461,6 kJ/kg in
der Dampfturbine in Arbeit verwandelt. Der entspannte Dampf strömt mit einer spezifischen
Enthalpie von 2849,0 kJ/kg in den Kältemittel-Wasserdampf-Wärmeübertrager und wird dort
durch Abgabe seiner Überhitzungs- und Verdampfungsenthalpie isobar gerade vollständig
kondensiert. Nach VDI-Wasserdampftafel (bzw. in Dampftafel Tabelle III interpoliert) hat
das Kondensat eine spezifische Enthalpie von 961,3 kJ/kg, und damit stehen je kg Wasser zu
Erwärmung, Verdampfung und Überhitzung des Kältemittels Chlordifluormethan (2849,0 -
961,3) = 1887,7 kJ zur Verfügung. Je kg Kältemittel muss im Wärmeübertrager eine Wärme
von 262,3 kJ zugeführt werden. Das Massenstromverhältnis Wasserdampf zu Kältemittel er-
gibt sich aus dem Erhaltungssatz für die Energie im Wärmeübertrager zu
1887,7 kJ/kg H2O kg KM
= 7,20 .
263,3 kJ/kg KM kg H2 O
Der Kältemitteldampf gibt bei der reversibel adiabaten Entspannung eine spezifische Arbeit
von 33 kJ/kg ab.
Die Leistungsverteilung auf Wasserdampf- und Kältemittelturbine ergibt sich aus dem Mas-
senstromverhältnis und der spezifischen reversiblen adiabaten Arbeit jedes der Stoffe. Die
H2 O-Dampfturbine gibt eine Leistung von 330,1 MW, die Kältemitteldampfturbine eine von
169,9 MW ab. Der theoretische Wirkungsgrad der Anlage beträgt η = 0,3.
Die H2 O-Turbine verlässt ein Volumenstrom von 60,23 m3 /s, die Kältemittelturbine ei-
ner von 133,87 m3 /s. Hätte man den Kältemittelprozeß nicht nachgeschaltet, sondern
die H2 O-Turbine für die gesamte Leistung von 500 MW herangezogen, so ergäbe sich
460 Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben
bei einem Kondensatordruck von 0,04 bar am Abdampfstutzen ein Volumenstrom von
9155,1 m3 /s, also ein um den Faktor 68 größerer Wert als bei der Kältemittelturbine.
Das bedeutet, dass der Durchmesser des Abdampfstutzens der Kältemittelturbine bei
gleichen Strömungsgeschwindigkeiten rund 8mal kleiner sein kann als der einer H2 O-
Niederdruckturbine.
Aufgabe 14.8
Die Schmelzenthalpie des Eises ist rund 333,5 kJ/kg; um stündlich 500 kg Eis von 0 ◦ C aus
Wasser von 20 ◦ C herzustellen, braucht man eine Kälteleistung von 58 kW. Der Kälteprozess
entspricht grundsätzlich der Abb. 14.55, deren Bezeichungen wir benutzen. Den Dampfta-
bellen für Ammoniak, Tabelle V entnimmt man
bei t = - 10 ◦ C Sättigungstemperatur:
p0 = 2,91bar, v0 = 0,418m3 /kg, h0 = 315,9 kJ/kg, h0 = 1612 kJ/kg,
R = 3,41m2 K/W,
und es gehen 8,80 W/m2 durch die Wand hindurch.
Aufgabe 15.2
Die angegebene Gleichung für die Nußelt-Zahl bezieht sich auf die freie An-
strömgeschwindigkeit. Der Strömungsquerschnitt ohne Rohre beträgt 2,226 m2 , die
projizierte Rohrfläche 1,176 m2 . Mit der Kontinuitätsgleichung ergibt sich eine An-
strömgeschwindigkeit von w0 = we Ae /A0 = 2,83 m/s.
Bei der Bezugstemperatur tm = (325 ◦ C + 175 ◦ C)/2 = 250 ◦ C ergeben sich aus Tab. 15.3
folgende Stoffwerte: Dichte = 0,6664 kg/m3 , spezifische Wärmekapazität cp = 1036 J/kg
K, dynamische Viskosität η = 27,45 ·10−6 Pa · s, Wärmeleitfähigkeit λ = 0,04241 W/Km.
Die Reynolds-Zahl errechnet sich zu Re = 3847 und die Prandtl-Zahl zu P r = 0,67.
Aus der von Hausen angegebenen Gl. (15.70) für die versetzte Anordnung lässt sich mit a =
b = (0,05 + 0,056)/0,056 = 1,893 und f2 = 1,369 nach Gl. (15.71) unter Berücksichtigung
des Korrekturfaktors 0,95 die Nußelt-Zahl zu N u = 44,44 berechnen. Aus der Definitions-
gleichung der Nußelt-Zahl ergibt sich dann ein Wärmeübergangskoeffizient von α = 33,7
W/m2 K.
Anhang B: Lösungen der Übungsaufgaben 461
Die Reynolds-Zahl im Rohr beträgt Re = 41850, die Strömung ist also turbulent. Mit
Gl. (15.63) ergibt sich eine Nußelt-Zahl von N u = 115,5 und ein Wärmeübergangskoeffizient
von α = 1569 W/m2 K.
Bei Berücksichtigung der Wärmeleitung durch die Stahlrohre ergibt sich ein Wärmestrom
von Q̇ = 40 · 1733 W = 69330 W. Aus Q̇ = Ṁ cp Δϑ und Ṁ = wA ergibt sich für das
Rauchgas eine Abkühlung von 16 K und für das Wasser eine Erwärmung von 61 K.
Anhang C: Glossar
A
Absorptionsgrad (→Wärmestrahlung)
Der Absorptionsgrad beschreibt im Zusammenhang mit Wärmetransport durch Strah-
lung den relativen Anteil auftreffender Energie, der von einem Körper absorbiert wird.
Abwärme
Als Abwärme bezeichnet man die von Maschinen oder Anlagen an deren Umgebung
abgegebene Wärme. Sie wird wegen des meist niedrigen Temperaturniveaus aus wirt-
schaftlichen Gründen oft nicht weiter genutzt.
adiabat, Adiabate (→adiabates System)
Ein System bezeichnet man als adiabat, wenn über seine Systemgrenze hinweg keine
Wärme übertragen werden kann. Zustandsänderungen an einem solchen System sind
→adiabate Zustandsänderungen. Als Adiabate bezeichnet man eine Linie in einem Zu-
standsdiagramm, die eine adiabate Zustandsänderung beschreibt.
Aggregatzustand
Die Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig sind Erscheinungsformen der Stoffe
und unterscheiden sich nach dem Ordnungsgrad ihrer Teilchen, deren Wechselwirkung
untereinander und deren Beweglichkeit gegeneinander.
Ähnlichkeitstheorie (→Kennzahl)
Physikalische Vorgänge sind einander ähnlich, wenn ihre zur physikalisch-
mathematischen Beschreibung erforderlichen charakteristischen Größen in festen
Verhältnissen zueinander stehen. D.h., Ähnlichkeit ist gegeben, wenn die Werte der ent-
sprechenden dimensionslosen Kennzahlen übereinstimmen.
Anergie (→Exergie)
Die Anergie ist der nicht in Arbeit bzw. →Exergie umwandelbare Teil einer Energie.
Sie ist abhängig vom Zustand des Systems und vom Zustand der Umgebung. Anergie ist
eine Zustandsgröße eines Systems in seiner Umgebung.
Anlage
Eine Anlage besteht aus Maschinen und Apparaten sowie den zu ihrem Betrieb notwen-
digen Geräten, Leitungen und dem Zubehör.
Apparat
Ein Apparat ist ein von Stoffströmen durchflossener oder chargenweise befüllter
Behälter, in dem Prozesse ablaufen.
464 Anhang C: Glossar
Arbeit (→Energie)
Arbeit ist die Form der Energie, die auf der Basis mechanischer oder elektrischer
Transportvorgänge über eine Systemgrenze übertragen wird. Die Energieform Arbeit
ist daher eine →Prozessgröße und nicht speicherbar. Es werden mehrere Arten von
Arbeit unterschieden: →Volumenänderungsarbeit, →Technische Arbeit, →Nutzarbeit,
→Wellenarbeit, →Reibungsarbeit.
Arbeitsfähigkeit (→Exergie)
Arbeitsleistung (→Leistung)
Als Arbeitsleistung (oder kurz Leistung) bezeichnet man eine über eine Systemgrenze
übertragene Arbeit, bezogen auf die Zeitspanne der Übertragung.
Arbeitsmedium
Als Arbeitsmedien bezeichnet man Stoffe, im Allgemeinen Flüssigkeiten oder Gase, mit
denen in thermischen Maschinen oder Apparaten Prozesse ausgeführt werden.
Austauschvariable
Als Austauschvariable bezeichnet man in der Thermodynamik Zustandsgrößen über die
der Transport verschiedener Arbeitsformen oder von Wärme zwischen einem System
und seiner Umgebung erfolgt. Beispielsweise ist das Volumen die Austauschvariable für
den Transport von Volumenänderungsarbeit oder die Entropie die Austauschvariable für
den Transport von Wärme.
Behältersieden
Beim Behältersieden wird Flüssigkeit durch die Erwärmung einer begrenzenden Wand
über die Sättigungstemperatur unter freier Strömung verdampft. In Abhängigkeit
von der Wandüberhitzung treten dabei unterschiedliche Verdampfungsformen wie
→Konvektionssieden (Stilles Sieden), →Blasensieden oder →Filmsieden auf.
Bezugssystem
Ein Bezugssystem ist ein Koordinatensystem, das festgelegt wird, um Lage und Bewe-
gung eines Systems beschreiben zu können.
Bezugszustand
Ein Bezugszustand ist ein durch Vereinbarung festgelegter →Zustand. Die Festlegung
des Bezugszustandes ist in der Thermodynamik insbesondere zwingend notwendig, um
absolute Werte von energetischen Größen (z.B. Enthalpie, innere Energie oder Entropie)
berechnen und angeben zu können. Da in den Energie- und Entropiebilanzgleichungen
nur Differenzen energetischer Zustandsgrößen auftreten, ist die Festlegung von Bezugs-
zuständen bei chemisch nicht reagierenden Stoffen beliebig.
Biot-Zahl (→Kennzahl)
Die Biot-Zahl stellt das Verhältnis des Wärmeleitwiderstandes in einem Körper zum
Wärmeübergangswiderstand an diesem Körper dar. Sie findet Verwendung bei der Be-
schreibung von instationären Wärmetransportvorgängen.
Blasensieden
Beim Blasensieden (→Behältersieden) wachsen in den Vertiefungen
der wärmeabgebenden Oberfläche Dampfblasen, die sich bei einer bestimmten Größe
von der Wand lösen und im Schwerefeld aufsteigen. Die damit verbundenen Vorgänge
verbessern den Wärmeübergang gegenüber →Konvektionssieden erheblich.
Brennstoff
Brennstoffe sind Stoffe, die bei der →Verbrennung Energie freisetzen. Sie können fest,
flüssig oder gasförmig sein und neben oxidierbaren Stoffen auch inerte Stoffe und Sau-
erstoff enthalten. Brennstoffe werden auch als Kraftstoffe oder Treibstoffe bezeichnet.
Anhang C: Glossar 465
C
Carnotisierung
Mit dem Ausdruck Carnotisierung bezeichnet man Maßnahmen, die zur Annäherung
eines realen Prozessverlaufs an den des →Carnot-Prozesses dienen und damit zur Ver-
besserung des thermischen Wirkungsgrades führen (z.B. →Speisewasservorwärmung,
→Zwischenüberhitzung).
Carnot-Prozess
Der Carnot-Prozess ist ein →Vergleichsprozess aus zwei isentropen (dissipationsfreien
adiabaten) und zwei isothermen Zustandsänderungen, der in erster Linie theoretische
Bedeutung hat. Er hat bei gegebener maximaler oberer und minimaler unterer Prozes-
stemperatur den größtmöglichen thermischen Wirkungsgrad.
Clausius-Clapeyron-Gleichung
Die CLAUSIUS-CLAPEYRON-Gleichung verknüpft die Verdampfungsenthalpie mit
thermischen Zustandsgrößen. Sie beschreibt die Steigung der →Dampfdruckkurve.
Clausius-Rankine-Prozess
Der Clausius-Rankine-Prozess ist ein Vergleichsprozess für Dampfkraftmaschinen aus
zwei isentropen (dissipationsfreien adiabaten) und zwei isobaren, mit Phasenwechsel
des Fluids (i.A. H2 O) verbundenen Zustandsänderungen. In modernen Kraftwerken
wird der Prozess zur Verbesserung des thermischen Wirkungsgrades zusätzlich z.B. mit
Speisewasservorwärmung und Zwischenüberhitzungen ausgeführt.
D
Dampf
Als Dampf bezeichnet man ein gasförmiges Fluid, dessen Zustand sich nahe dem
Nassdampfgebiet befindet.
Dampfdruck (→Dampfdruckkurve)
Der Dampfdruck ist der Druck, der sich im thermischen Gleichgewicht in der
dampfförmigen Phase über der flüssigen Phase eines Stoffes einstellt. Der Dampfdruck
ist bei chemisch einheitlichen Stoffen (Reinstoffen) nur von der Temperatur abhängig.
Dampfdruckkurve
Die Dampfdruckkurve ist die Kurve im p,t−Diagramm, die Zustände beschreibt, bei
denen →Phasengleichgewicht zwischen Flüssigkeit und Dampf herrscht. Sie gibt die
Wertepaare von Druck und Temperatur für den →Nassdampf an.
Dampferzeuger
Im Dampferzeuger einer Dampfkraftanlage wird das eingespeiste flüssige Wasser durch
äußere Wärmezufuhr verdampft.
Dampfgehalt
Der Dampfgehalt gibt an, wie groß der Anteil des →Sattdampfes an einem
→Nassdampf ist. Der Dampfgehalt ist das Verhältnis der Masse des Sattdampfes zu
der Masse des Nassdampfes.
Dampfkraftanlage (→Dampfkraftmaschine)
Dampfkraftmaschine
Eine Dampfkraftmaschine ist eine →Wärmekraftmaschine. Der in einem Dampferzeu-
ger durch Wärmezufuhr entstehende Wasserdampf expandiert in einer Dampfturbine
oder einer Kolbendampfmaschine unter Arbeitsabgabe. Im Dampfkraftwerk dient die
Arbeitsabgabe der Stromerzeugung mittels eines Generators. Der Abdampf aus der Tur-
bine oder Kolbendampfmaschine wird in einem Kondensator durch Wärmeabgabe an
die Umgebung verflüssigt. Das Kondensat wird durch die Speisepumpe wieder auf den
höheren Druck gebracht und in den Dampferzeuger eingespeist. Den zugrunde liegenden
Prozess bezeichnet man als →Clausius-Rankine-Prozess.
466 Anhang C: Glossar
Dampftafel
In einer Dampftafel eines Stoffes sind i.A. Werte der Zustandsgrößen für unterkühlte
und siedende Flüssigkeit, Sattdampf und Heißdampf tabelliert.
Dampfturbine
In einer Dampfturbine wird ein Teil der Energie des →Frischdampfes in Arbeit umge-
wandelt, die über eine Welle abgegeben wird. Die Expansion des Dampfes findet im
Allgemeinen in einer Vielzahl von aufeinander folgenden Stufen statt. Man unterschei-
det folgende Bereiche:
Hochdruckturbine
Hochdruckturbinen sind gekennzeichnet durch kleine Strömungsquerschnitte und nied-
rige Schaufelhöhen sowie durch dickwandige und gegen hohe Temperaturen beständige
Gehäuse.
Mitteldruckturbine
In Mitteldruckturbinen wird die Volumenzunahme des Dampfes merklich stärker, die
Strömungsquerschnitte wachsen entsprechend.
Niederdruckturbine
In Niederdruckturbinen sind sehr große Strömungsquerschnitte für den häufig bis
weit unter Atmosphärendruck expandierenden Dampf erforderlich. Niederdruckturbi-
nen werden daher i.A. zweiflutig gebaut - der Dampf tritt in der Mitte ein und expan-
diert nach beiden Seiten. Die Baugröße ist durch die Beanspruchung der sehr langen
Schaufeln durch Fliehkraft und Schwingungen und den damit verbundenen Festigkeits-
problemen am Schaufelfuß begrenzt.
Desublimation
Desublimation nennt man den Vorgang des Phasenwechsels von gas- bzw.
dampfförmiger zu fester Phase. Man sagt, der Dampf desublimiert.
diatherm
Eine Systemgrenze (z.B. eine Wand) ist diatherm, wenn Wärme durch sie hindurch
übertragen werden kann. (Gegenteil: →adiabat.)
Dichte
Die Dichte ist die auf das Volumen eines Systems bezogene Masse dieses Systems und
damit der Kehrwert des →spezifischen Volumens.
Diesel-Prozess
Der Diesel-Prozess ist ein Vergleichsprozess für Verbrennungsmotoren aus zwei
isentropen (dissipationsfreien adiabaten), einer isobaren und einer isochoren Zu-
standsänderung. Die Wärmezufuhr durch Verbrennung des schwerflüchtigen Kraftstof-
fes erfolgt hierbei im Vergleich zum →Otto-Prozess recht langsam und bei annähernd
konstantem Druck (isobar) während der Expansion des Gases.
Differential
Unter einem Differential wird die unendlich kleine Änderung einer Größe bzw. Varia-
blen verstanden. Ist eine Größe X von einer anderen Variablen Y abhängig, so nennt
man die Ableitung dX/dY , also den Quotienten der Differentiale dX und dY , den Dif-
ferentialquotienten. Ist die Größe von mehreren voneinander unabhängigen Variablen
abhängig, so trifft man folgende Unterscheidungen:
partieller Differentialquotient
Der partielle Differentialquotient einer Größe bezeichnet den Quotienten aus dem Diffe-
rential der Größe und dem Differential einer der unabhängigen Variablen bei Konstanz
der übrigen Variablen, man schreibt ∂X/∂Y .
partielles Differential
Das partielle Differential ist das Produkt aus dem partiellen Differentialquotienten und
dem Differential der unabhängigen Variablen, folglich ∂X/∂Y · dY .
totales Differential
Das totale Differential einer Größe ist die Summe aller partiellen Differentiale.
Anhang C: Glossar 467
vollständiges Differential
Ein totales Differential wird auch vollständiges Differential genannt, wenn es we-
gunabhängig ist bzw. mathematisch die Integrabilitätsbedingung erfüllt. Da eine
→Zustandsgröße wegunabhängig ist, erfüllt sie stets die Bedingung für ein vollständiges
Differential, eine →Prozessgröße hingegen nicht.
Dissipation
Bei allen realen Prozessen treten Vorgänge wie z.B. Reibung, Verformung und Verwir-
belung eines Fluids auf, wodurch Energie im System zerstreut (dissipiert) wird. Den
Vorgang einer solchen Zerstreuung von Energie nennt man Dissipation. Die dissipier-
te Energie ist damit entwertet und nicht mehr vollständig in dem betreffenden Prozess
nutzbar.
Dissipationsenergie
Als Dissipationsenergie bezeichnet man die Energie, die aufgrund →Dissipation ver-
streut (dissipiert) wird.
dritter Hauptsatz
Der dritte Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass sich die Entropie jedes chemisch
homogenen, kristallisierten Körpers bei Annäherung an den Nullpunkt der Temperatur
unbegrenzt dem Wert Null nähert.
Drosselvorgang, Drosselung
Bei einem Drosselvorgang strömt ein Fluid durch eine Drosselstelle (z.B. Engstelle in
einem Strömungskanal), wobei der Druck durch Verwirbelungs- und Reibungsvorgänge
abnimmt. Die Expansion erfolgt ohne Abgabe von Arbeitsleistung. Eine Drosselstelle
kann meistens als adiabat angesehen werden. Eine adiabate Drosselung bewirkt eine
isenthalpe Zustandsänderung, wenn die kinetische und potentielle Energie des Fluids
vor und nach der Drosselung gleich sind.
Druck
Der Druck ist eine intensive, thermische Zustandsgröße und zeigt an, ob zwei geschlos-
sene Systeme miteinander im mechanischen Gleichgewicht stehen. Man unterscheidet
den absoluten Druck und den Überdruck. Der absolute Druck ist der Druck gegenüber
dem Druck Null im leeren Raum. Der Überdruck ist die Differenz zwischen dem abso-
luten Druck und dem atmosphärischen Druck.
E
Einspritzverhältnis (→Verbrennungsmotor)
Einstoffsystem (→Reinstoff, →Mehrstoffsystem)
Ein Einstoffsystem ist ein System, das nur aus einem →Reinstoff besteht.
Emission (→Wärmestrahlung, →Emissionsgrad)
Jede feste, flüssige oder gasförmige Materie gibt entsprechend ihrer Strahlungseigen-
schaften und ihrer Temperatur Wärmestrahlung bei verschiedenen Wellenlängen ab.
Diese Emission und die Emissionseigenschaften werden u.a. beschrieben durch folgen-
de Größen: →Emissionsgrad, →spektraler Emissionsgrad, →Lambertsches Kosinusge-
setz, →Wiensches Verschiebungsgesetz, →spektrale Strahlungsintensität.
Emissionsgrad (→Wärmestrahlung)
Der Emissionsgrad beschreibt im Zusammenhang mit Wärmetransport durch Strahlung
das Verhältnis des insgesamt emittierten Wärmestroms zu dem des schwarzen Körpers
gleicher Temperatur. Streng genommen muss er Gesamtemissionsgrad genannt werden
zur Unterscheidung vom →spektralen Emissionsgrad.
empirisch
Empirische Größen sind Größen, die durch Messverfahren eingeführt sind. Empirische
Verfahren liefern Ergebnisse durch Versuche und Beobachtungen.
468 Anhang C: Glossar
Energie
Energie ist die in Systemen speicherbare und zwischen Systemen übertragbare physi-
kalische Eigenschaft, deren Übertragung Zustandsänderungen im abgebenden und im
aufnehmenden System bewirkt. Zustandsgrößen wie →innere Energie und →Enthalpie
kennzeichnen die in Systemen gespeicherte bzw. mit Stoffströmen transportierte Ener-
gie. Prozessgrößen wie →Wärme und →Arbeit kennzeichnen die Energie, die zwischen
Systemen übertragen wird.
Energiebilanz
Als Energiebilanz bezeichnet man die Summierung der über die Grenze eines Systems
übertragenen Energien und der Änderungen des Energieinhaltes des Systems. Die Sum-
me dieser Größen muss nach dem →ersten Hauptsatz der Thermodynamik immer Null
ergeben.
Energieerzeugung
Energie kann nach dem →ersten Hauptsatz weder erzeugt noch vernichtet werden.
Energieerzeugung“ ist der umgangssprachliche Ausdruck für die Umwandlung gespei-
”
cherter Energie in Wärme oder Arbeit.
Energiestrom
Der Energiestrom gibt an, wieviel Energie innerhalb einer Zeitspanne über eine System-
grenze fließt.
Enthalpie (→Energie)
Die Enthalpie ist eine Zustandsgröße, die den Energieinhalt eines Stoffstromes kenn-
zeichnet. Sie setzt sich aus der inneren Energie eines Fluidelements und der zu seinem
Transport notwendigen Verschiebearbeit zusammen.
Enthalpiestrom
Ein Enthalpiestrom gibt an, wieviel Enthalpie innerhalb einer Zeitspanne mit einem
Stoffstrom über eine Systemgrenze fließt.
Entropie (→zweiter Hauptsatz)
Der Begriff der Entropie wurde ursprünglich eingeführt, um eine quantitative Analyse
der Frage zu ermöglichen, welche Prozesse in der Natur von selbst ablaufen können
und welche nicht. Später wies man nach, dass die Entropie einer Substanz durch ih-
re atomare Zusammensetzung sowie durch die unregelmäßige Bewegung ihrer Ato-
me bestimmt wird. Die Entropie ist eine extensive Zustandsgröße eines Systems. Bei
Transport von Wärme oder Materie über die Systemgrenze wird gleichzeitig Entropie
transportiert. Entropie kann in Systemen gespeichert werden. In einem System, wel-
ches mit seiner Umgebung weder Materie noch Wärme austauscht, kann die Entropie
niemals abnehmen. Sie bleibt bei dissipationsfreien Prozessen im System konstant, bei
dissipationsbehafteten Prozessen nimmt sie zu, da Entropie im System erzeugt wird.
→Entropieerzeugung ist verbunden mit einem →Exergieverlust.
Entropiebilanz (→Entropie, →zweiter Hauptsatz)
Als Entropiebilanz bezeichnet man die Summierung aller über die Grenze eines Systems
übertragenen Entropien sowie der im System durch dissipationsbehaftete Vorgänge er-
zeugten Entropie und der Änderungen des Entropieinhaltes des Systems. Die Summe
dieser Größen muss nach dem →zweiten Hauptsatz der Thermodynamik immer Null
ergeben. Bei dissipationsfreien Prozessen geschlossener Systeme ist die Änderung der
Entropie gleich die auf die thermodynamische Temperatur bezogene, über die System-
grenze übertragene Wärme.
Entropieerzeugung
Als Entropieerzeugung bezeichnet man die Produktion von Entropie in einem System
aufgrund von dissipationsbehafteten Prozessen.
Entropiestrom
Der Entropiestrom gibt an, wieviel Entropie innerhalb einer Zeitspanne über eine Sy-
stemgrenze fließt oder wieviel Entropie innerhalb einer Zeitspanne produziert wird.
Anhang C: Glossar 469
Erstarren
Erstarren, oder auch Gefrieren, nennt man den Vorgang des Phasenwechsels von
flüssiger zu fester Phase.
erster Hauptsatz (→Energiebilanz, →Hauptsatz)
Der erste Hauptsatz ist der Erhaltungssatz der Energie, der in mathematischer Form
durch die →Energiebilanz gegeben ist. Er führt u.a. zu folgenden Formulierungen.
erster Hauptsatz für abgeschlossene Systeme
Die Energie bleibt in einem abgeschlossenen System stets unverändert.
erster Hauptsatz für ruhende geschlossene Systeme
Die Summe der einem ruhenden geschlossenen System in Form von Wärme und Arbeit
zugeführten Energie ist gleich der Zunahme der inneren Energie des Systems.
erster Hauptsatz für geschlossene Systeme
Die Summe der einem geschlossenen System in Form von Wärme und Arbeit zu-
geführten Energie ist gleich der Zunahme der Summe von innerer, kinetischer und po-
tentieller Energie des Systems.
erster Hauptsatz für offene Systeme
Die Summe der einem offenen System zugeführten Energieströme ist gleich der Zunah-
me der Systemenergie je Zeiteinheit.
erster Hauptsatz für Kreisprozesse
Durchläuft ein Fluidstrom einen Kreisprozess, so ist die Summe der dem Fluidstrom
zugeführten Wärmen und Arbeiten gleich Null.
erzwungene Konvektion (→Konvektion)
exergetischer Wirkungsgrad (→Exergie, →Exergieverlust)
Der exergetische Wirkungsgrad ist das Verhältnis der aus einem Energiestrom gewon-
nenen Arbeitsleistung zu dem mit dem Energiestrom zugeführten Exergiestrom.
Exergie (→Anergie)
Die Exergie ist der Teil einer Energie, der bei einem bestimmten Umgebungszustand
maximal in Arbeit umgewandelt werden kann. Eine solche Energiewandlung muss durch
reversible Zustandsänderungen erfolgen, wobei das System, welches die zu wandelnde
Energie beinhaltet, mit der Umgebung ins Gleichgewicht gebracht werden muss. Die
Exergie ist eine Zustandsgröße eines Systems in seiner Umgebung. Sie wird auch als
technische Arbeitsfähigkeit bezeichnet.
Exergieverlust(→Anergie, →Entropie)
Der Exergieverlust ist der bei dissipationsbehafteten Prozessen in Anergie umgewandel-
te Teil der Exergie. Der Exergieverlust ist proportional zur →Entropieerzeugung.
Expansion
Als Expansion oder Entspannung wird die Volumenvergrößerung eines Fluids bei
Druckabsenkung bezeichnet. Die Expansion eines Fluids kann in einer Drosselstelle oh-
ne Arbeitsabgabe oder in einer Maschine unter Arbeitsabgabe erfolgen.
extensive Zustandsgröße (→Zustandsgröße)
F
Filmkondensation (→Kondensation)
Filmkondensation ist eine besondere Form der Kondensation. Dabei bildet sich
an der Oberfläche einer gut benetzbaren Wand, deren Temperatur unterhalb der
Sättigungstemperatur liegt, ein geschlossener Flüssigkeitsfilm. Der Vorgang kann durch
die Nußeltsche Wasserhaut-Theorie beschrieben werden.
Filmsieden
Beim Filmsieden (→Behältersieden) bildet sich wegen der hohen Wärmestromdichte
an der wärmeabgebenden Oberfläche ein geschlossener Dampffilm. Der Dampffilm hat
470 Anhang C: Glossar
eine isolierende Wirkung, wodurch sich der Wärmeübergang gegenüber einer (partiell)
mit Flüssigkeit benetzten Oberfläche wesentlich verschlechtert.
Fluid
Als Fluid bezeichnet man ein strömungsfähiges, homogenes Medium. Fluid ist somit
der Oberbegriff für Flüssigkeit und Gas.
Fourier-Zahl (→Kennzahl)
Die Fourier-Zahl ist eine Kennzahl zur Beschreibung ei-
nes instationären Wärmetransportvorganges. Sie stellt hierbei die dimensionslose Zeit
während Vorganges dar.
freie Konvektion (→Konvektion)
Frischdampf
Als Frischdampf wird der Dampf bezeichnet, der in einer Dampfkraftmaschine vom
Dampferzeuger zur Dampfturbine strömt.
G
Gas (→Aggregatszustand, →ideales Gas)
Gasturbine (→Joule-Prozess)
Eine Gasturbine ist im engeren Sinne nur eine Turbine zur Umwandlung eines Teils
der Energie heißer Gase durch Expansion in Arbeit. Häufig verwendet man den Begriff
Gasturbine aber auch für eine Wärmekraftmaschine, bestehend aus Verdichter, Brenn-
kammer und Turbine. Darin wird kaltes Gas vom Turboverdichter angesaugt und mit
oder ohne Zwischenkühlung verdichtet. Die Energiezufuhr geschieht in der Brennkam-
mer durch Verbrennung eingespritzten Brennstoffs. Das heiße Abgas wird in einer Tur-
bine, der eigentlichen Gasturbine, unter Arbeitsabgabe entspannt. Ein Teil der an der
Turbinenwelle abgegebenen Arbeit wird zum Antrieb des Turboverdichters verbraucht,
der Rest steht bespielsweise zum Antrieb eines Generators zur Verfügung. Bei Flug-
triebwerken dient die an der Turbine gewonnene Arbeit ausschließlich dem Antrieb des
Verdichters.
Gegenstromwärmeübertrager (→Wärmeübertrager)
gesättigt (→Sättigungszustand)
geschlossenes System (→System)
Gleichgewicht (→mechanisches, →thermisches und →thermodynamisches Gleichgewicht)
Gleichgewichtszustand
Ein System befindet sich im Gleichgewichtszustand, wenn sich seine physikalischen Ei-
genschaften ohne äußere Einwirkung zeitlich nicht ändern. Der →Zustand des Systems
bleibt dann unverändert.
Grashof-Zahl (→Kennzahl)
Die Grashof-Zahl beschreibt den Einfluss der Massenkräfte durch Schwerkraft (Auf-
triebskräfte) in einem konvektiven Wärmetransportvorgang. Hierzu setzt sie die Auf-
triebskräfte multipliziert mit den Trägheitskräften ins Verhältnis zum Quadrat der Rei-
bungskräfte.
grauer Strahler (→Wärmestrahler, →Wärmestrahlung)
Ein grauer Strahler emittiert bei allen Wellenlängen einen unveränderten Bruchteil
der spektralen Strahlungsintensität des schwarzen Körpers gleicher Temperatur. Dieser
Bruchteil entspricht dem gesamten →Emissionsgrad.
Grenzschicht (→Wärmeübergang)
Als Grenzschicht wird der wandnahe Bereich einer Strömung bezeichnet, in dem durch
den Einfluss der Wand starke Gradienten z.B. der Geschwindigkeit oder der Temperatur
auftreten.
Anhang C: Glossar 471
Gütegrad
Ein Gütegrad gibt im Allgemeinen an, in welchem Verhältnis der tatsächlich in einer
realen thermischen Maschine erzielte Nutzen zu dem theoretisch erzielbaren Nutzen
steht, der beim bestmöglichen Vergleichsprozess erzielt werden könnte. Er ist damit ein
Beurteilungskriterium für die Qualität der Maschine aus thermodynamischer Sicht.
H
Hauptsatz
Die Aussage eines Hauptsatzes entspricht der Erfahrung und kann nicht durch andere
Sätze bewiesen werden, ist aber bisher auch durch keine Beobachtung widerlegt wor-
den. Man spricht daher auch von einem Erfahrungssatz. In der Thermodynamik verwen-
det man die folgenden Hauptsätze: →nullter Hauptsatz, →erster Hauptsatz, →zweiter
Hauptsatz, →dritter Hauptsatz.
Heißdampf (→Überhitzung)
Heißdampf ist Dampf, der gegenüber der →Sättigungstemperatur überhitzt ist.
Heizleistung (→Wärmestrom)
Die Heizleistung gibt an, welche Wärme ein Heizapparat oder eine Heizungsanlage pro
Zeiteinheit abgibt. Sie bezeichnet somit einen →Wärmestrom.
heterogen
Ein System ist heterogen, wenn spezifische und molare Zustandsgrößen an verschiede-
nen Stellen im System unterschiedliche Werte haben. Heterogene Systeme können aus
mehreren homogenen Teilsystemen (z.B. Phasen) bestehen.
I
ideales Gas
Ein Gas bzw. dessen Verhalten bezeichnet man als ideal, wenn die Wechselwirkungen
zwischen einzelnen Gasmolekülen bei der Beschreibung der thermischen und kalori-
schen Eigenschaften vernachlässigt werden können. Dies ist der Fall bei Gasen geringer
Dichte. Es gilt dann der empirisch gefundene Zusammenhang pv = RT zwischen den
thermischen Zustandsgrößen, die thermische Zustandsgleichung idealer Gase. Bei Ga-
sen höherer Dichte, sog. realen Gasen, lässt sich das thermische Verhalten nicht mehr
mit hinreichender Genauigkeit mit dieser thermischen Zustandsgleichung beschreiben,
da die Kohäsionskräfte zwischen den Molekülen sowie das Eigenvolumen der Moleküle
das thermische Verhalten beeinflussen.
inkompressibel (→kompressibel)
innere Energie (→Energie)
Die innere Energie ist derjenige Teil der Energie eines Systems, der im Inneren des Sy-
stems in Form von Translations-, Schwingungs- und Rotationsenergie der einzelnen Mo-
leküle gespeichert ist. Die Gesamtenergie eines Systems, Systemenergie genannt, setzt
sich aus der inneren Energie und der kinetischen sowie potentiellen Energie zusammen.
Kinetische und potentielle Energie werden daher auch äußere Energien genannt. Die
Systemenergie eines ruhenden Systems ist daher gleich der inneren Energie.
instationärer Prozess (→Prozess)
intensive Zustandsgröße (→Zustandsgröße)
Irreversibilität (→Prozess)
irreversibler Prozess (→Prozess)
isenthalp, Isenthalpe
Eine Zustandsänderung, bei der die Enthalpie konstant bleibt, bezeichnet man als isent-
halpe Zustandsänderung. Eine Isenthalpe ist eine Linie konstanter Enthalpie in einem
Zustandsdiagramm.
472 Anhang C: Glossar
isentrop, Isentrope
Eine Zustandsänderung, bei der die Entropie konstant bleibt, bezeichnet man als isen-
trope Zustandsänderung. Eine isentrope Zustandsänderung ergibt sich, wenn der Prozess
adiabat und dissipationsfrei abläuft. Eine Isentrope ist eine Linie konstanter Entropie in
einem Zustandsdiagramm.
Isentropenexponent
Der Isentropenexponent ist definiert als das Verhältnis der spezifischen Wärmekapazität
bei konstantem Druck zu der spezifischen Wärmekapazität bei konstantem Volumen.
Seine Bezeichnung rührt her von der sog. Isentropenbeziehung pv κ = const, die für
isentrope Zustandsänderungen idealer Gase gilt.
isentroper Wirkungsgrad
Der isentrope Wirkungsgrad beschreibt die →Güte von Expansions- bzw. Kompressi-
onsmaschinen. Der isentrope Wirkungsgrad einer Expansionsmaschine ist das Verhältnis
der vom Arbeitsfluid bei der realen Entspannung auf einen festgesetzten Enddruck ab-
gebenen Arbeitsleistung zu der Arbeitsleistung, die bei isentroper Entspannung auf den
gleichen Enddruck abgeben würde. Der isentrope Wirkungsgrad einer Kompressions-
maschine ist das Verhältnis der Arbeitsleistung, die bei isentroper Kompression des
Arbeitsfluids auf einen festgesetzten Enddruck zugeführt werden müsste, zu der Ar-
beitsleistung, die der realen Maschine bei der Kompression auf den gleichen Enddruck
zugeführt werden muss.
isobar, Isobare
Eine Zustandsänderung, bei der der Druck konstant bleibt, bezeichnet man als isobare
Zustandsänderung. Eine Isobare ist eine Linie konstanten Druckes in einem Zustands-
diagramm.
isochor, Isochore
Eine Zustandsänderung, bei der das Volumen konstant bleibt, bezeichnet man als iso-
chore Zustandsänderung. Eine Isochore ist eine Linie konstanten Volumens in einem
Zustandsdiagramm.
isotherm, Isotherme
Eine Zustandsänderung, bei der die Temperatur konstant bleibt, bezeichnet man als iso-
therme Zustandsänderung. Eine Isotherme ist eine Linie konstanter Temperatur in einem
Zustandsdiagramm.
isotrop
Die physikalischen Eigenschaften isotroper Körper sind unabhängig von der Richtung,
in der sie gemessen werden. Die gegenteilige Eigenschaft nennt man anisotrop. Ein Bei-
spiel für einen anisotropen Werkstoff ist faserverstärkter Kunststoff, dessen Eigenschaf-
ten längs und quer zur Faser verschieden sind.
Joule-Prozess (→Gasturbine)
Der Joule-Prozess ist ein Vergleichsprozess für Gasßturbinen sowie für Gaskälte-
maschinen. Er setzt sich zusammen aus zwei isentropen und zwei isobaren Zu-
standsänderungen.
Joule-Thomson-Effekt
Als Joule-Thomson-Effekt wird die Erscheinung bezeichnet, dass sich bei einem
→Drosselvorgang die Temperatur realer Gase ändert. Je nach Ausgangszustand ist damit
eine Senkung oder Erhöhnung der Temperatur verbunden. Dieser Effekt wird beispiels-
weise zur Verflüssigung von Gasen ausgenutzt (Linde-Verfahren).
Anhang C: Glossar 473
K
Kälteleistung (→Wärmestrom)
Unter Kälteleistung versteht man die Wärme, die eine Kältemaschine pro Zeiteinheit
aufnimmt bzw. einem Kühlraum entzieht. Der Begriff Kälteleistung ist in der Kälte-
und Klimatechnik weit verbreitet, wenn gleich es sich hierbei eigentlich um einen
Wärmestrom handelt.
Kältemaschine
Eine Kältemaschine ist eine Maschine, die dazu dient, einem System (z.B. einem
Kühlraum) auf einem niedrigen Temperaturniveau Wärme zu entziehen. Hierzu wird der
Maschine Arbeit zugeführt und Wärme auf einem höheren Temperaturniveau an die Um-
gebung abgeführt. Der in einer Kältemaschine ablaufende Prozess ist ein →linksläufiger
Kreisprozess.
Kältemittel
Als Kältemittel bezeichnet man die fluiden Arbeitsmittel, die in einer →Kältemaschine
umlaufen.
kalorisch (→kalorische Zustandsgleichung, →kalorische Zustandsgröße)
Kalorisch bedeutet ursprünglich mit Wärme zusammenhängend“, wird aber heute als
”
mit Energie zusammenhängend“ oder kurz als energetisch“ verstanden.
” ”
kalorische Zustandsgleichung (→Zustandsgleichung)
kalorische Zustandsgröße (→Zustandsgröße)
Kelvin (→Temperatur)
Kelvin ist die nach Lord Kelvin benannte Einheit der thermodynamischen Temperatur.
Kennzahl (→Ähnlichkeitstheorie)
Eine Kennzahl ist eine Größe, die ein Verhältnis zwischen physikalischen Größen be-
schreibt. Bei ähnlich verlaufenden Vorgängen sind alle Kennzahlen, die diese Vorgänge
beschreiben, gleich groß. In der Wärmeübertragung werden die folgenden dimensi-
onslosen Kennzahlen häufig benutzt: →Biot-Zahl, →Fourier-Zahl, →Grashof-Zahl,
→Nußelt-Zahl, →Prandtl-Zahl, →Rayleigh-Zahl, →Reynolds-Zahl.
kinematische Viskosität (→Viskosität)
kinetische Energie (→Energie)
Die kinetische Energie ist diejenige Energie, die einem beweglichen geschlossenen Sy-
stem durch Änderung seiner Geschwindigkeit gegenüber einem Bezugssystem entnom-
men oder zugeführt werden kann.
Kolbenmaschine
Bei Kolbenmaschinen erfolgt die mechanische Energieübertragung von einem bzw. an
ein Fluid mittels eines beweglichen Kolbens in einem Zylinder, der das Fluid umschließt.
Kompression
Kompression ist die Volumenverringerung eines Fluids durch Zufuhr mechanischer
Energie.
kompressibel
Ein Fluid nennt man kompressibel, wenn es bei gleichbleibender Temperatur auf
Druckerhöhung merklich durch Volumenverringerung reagiert. Als inkompressi-
bel bezeichnet man dagegen ein Fluid, welches sein Volumen bei einer solchen
Druckerhöhung kaum verändert. Gase sind i.A. kompressibel, Flüssigkeiten und Fest-
stoffe näherungsweise inkompressibel.
Kompressibilität
Die Kompressibilität gibt die Volumenänderung aufgrund isothermer Druckänderung
an.
Kompressor (→Verdichter)
Kondensat
Flüssigkeit, die durch Abkühlen und Verflüssigen von Dampf gewonnen wurde, wird als
Kondensat bezeichnet.
474 Anhang C: Glossar
Kondensation
Kondensation nennt man den Vorgang des Phasenwechsels von gas- bzw. dampfförmiger
zu flüssiger Phase. Man sagt, der Dampf kondensiert.
Kondensator
Ein Kondensator ist ein Wärmeübertrager, in dem durch Wärmeabfuhr an ein kälteres
Medium Dampf verflüssigt wird.
Kontinuitätsgleichung
Als Kontinuitätsgleichung bezeichnet man die Bilanzgleichung der Größe Masse. Die
Gesamtmasse eines Systems ist eine Erhaltungsgröße.
Konvektion (→Wärmeübertragung, →Wärmeübergang)
Als Konvektion wird der stoffstrombedingte Wärmetransport in Fluiden bezeichnet.
Als (konvektiver) Wärmeübergang wird der konvektive Wärmetransport in der Grenz-
schicht eines strömenden Fluids an einer festen Wand bezeichnet. Hinsichtlich der
Strömungsursache im Fluid wird wie folgt unterschieden:
erzwungene Konvektion
Bei der erzwungenen Konvektion erzeugen äußere Kräfte (z. B. Pumpen, Ventilatoren)
die Strömung im Fluid.
freie Konvektion
Bei freier Konvektion wird die Strömung im Fluid durch den Wärmeübergang selbst
verursacht, wenn aus den Temperaturunterschieden Dichteunterschiede und damit hin-
reichende Auftriebskräfte im Schwerefeld resultieren.
Konvektionssieden (→Behältersieden)
Beim Konvektionssieden, auch Stilles Sieden“ genannt, verdampft die Flüssigkeit auf-
”
grund moderater Wandüberhitzung gegenüber der Sättigungstemperatur nur an ihrer
freien Oberfläche zum Dampfraum ohne Blasenbildung.
Kreisprozess (→Prozess, →Vergleichsprozess)
Ein Kreisprozess ist eine Folge von Zustandsänderungen, die ein Fluid erfährt und nach
deren Ablauf wieder der Ausgangszustand erreicht wird. Bei einem Kreisprozess ist die
Summe aller Energien, die dem Fluid zugeführt und entzogen werden gleich Null. Man
unterscheidet:
rechtsläufige Kreisprozesse
Ein rechtsläufiger Kreisprozess dient der Bereitstellung von technischer Arbeit
(→Wärmekraftmaschine). Hierzu wird einem Fluid auf einem hohen Temperaturniveau
Wärme zugeführt, diese zum Teil in technische Arbeit umgewandelt und der Rest als
Wärme bei niedrigerem Temperaturniveau abgeführt. In den üblichen Zustandsdiagram-
men verlaufen die Zustandsänderungen im Uhrzeigersinn, d.h. rechstläufig.
linksläufige Kreisprozesse
Ein linksläufiger Kreisprozess dient entweder der Bereitstellung von Wärme auf ho-
hem Temperaturniveau (→Wärmepumpe) oder dem Entzug von Wärme auf niedrigem
Temperaturniveau (→Kältemaschine). Hierzu wird einem Fluid auf niedrigem Tempe-
raturniveau Wärme zugeführt, die bei der Kältemaschine dem Kühlraum oder bei der
Wärmepumpe der Umgebung entzogen wird. Durch Zufuhr technischer Arbeit (z.B. in
einem Verdichter) wird dem Fluid weitere Energie zugeführt. Die insgesamt aufgenom-
mene Energie wird dann auf einem hohen Temperaturniveau wieder abgegeben zum
Zwecke der Heizung bei der Wärmepumpe bzw. ohne weitere gezielte Nutzung an die
Umgebung bei der Kältemaschine. In den üblichen Zustandsdiagrammen verlaufen die
Zustandsänderungen gegen den Uhrzeigersinn, d.h. linksläufig.
kritischer Druck (→kritischer Zustand)
kritischer Punkt (→kritischer Zustand)
kritische Temperatur (→kritischer Zustand)
kritischer Zustand
Der kritische Zustand eines Stoffes ist durch einen bestimmten Druck, den kritischen
Druck, und eine bestimmte Temperatur, die kritische Temperatur gekennzeichnet. Un-
Anhang C: Glossar 475
terhalb dieser kritischen Werte geht bei Wärmezufuhr die flüssige Phase unstetig unter
Bildung einer Phasengrenze in die dampfförmige Phase über. Flüssigkeit und Dampf
können eindeutig voneinander unterschieden werden. Oberhalb dieser kritischen Werte
sind Flüssigkeit und Dampf nicht mehr eindeutig voneinander zu unterscheiden. Man
spricht von einem überkritischen Fluid. Ein Phasenwechsel bei überkritischen Drücken
findet ausgehend von der flüssigen Phase ohne Bildung einer Phasengrenze statt. Den
kritischen Zustand bezeichnet man in Zustandsdiagrammen als kritischen Punkt. Im kri-
tischen Punkt treffen Siedelinie und Taulinie der Zustandsdiagramme zusammen, dort
endet die →Dampfdruckkurve.
L
Lambertsches Kosinusgesetz (→Wärmestrahlung)
Das Lambertsche Kosinusgesetz beschreibt die Richtungsabhängigkeit der Intensität
einer emittierten Wärmestrahlung. Danach emittieren die Oberflächenelemente des
schwarzen Körpers ihre Wärmestrahlung so in den umgebenden Halbraum, dass die
Intensität in Richtung der Oberflächennormalen den größten Betrag aufweist und sich in
anderen Richtungen um den Kosinus des Winkels zur Normalen reduziert.
Leistung (→Energiestrom)
Eine Leistung ist eine über eine Systemgrenze übertragene Energie in Form von Ar-
beit, bezogen auf die Zeitspanne der Übertragung. Gelegentlich wird sie auch als
→Arbeitsleistung bezeichnet, um sie von der →Heiz- oder →Kälteleistung zu unter-
scheiden.
Leistungszahl
Als Leistungszahl wird das Verhältnis von Nutzen zu Aufwand eines linksläufigen
→Kreisprozesses bezeichnet. Das Äquivalent bei einem rechtsläufigen Kreisprozess
nennt man →thermischen Wirkungsgrad.
M
Maschine
Als Maschinen bezeichnet man in der Thermodynamik Einrichtungen zum Übertragen
von Arbeitsleistung an Stoffströme oder umgekehrt zur Gewinnung von Arbeitsleistung
aus dem Energieinhalt von Stoffströmen. Die Umwandlung der Energie erfolgt im All-
gemeinen mit Hilfe mechanischer Systeme (drehende Wellen oder hin- und herbewegte
Kolben).
Massenbilanz (→Kontinuitätsgleichung)
Massenstrom
Der Massenstrom gibt an, wieviel Masse innerhalb einer Zeitspanne über eine System-
grenze fließt.
Massenstromdichte
Die Massenstromdichte ist der auf den Strömungsquerschnitt bezogene →Massenstrom.
mechanisches Gleichgewicht (→thermodynamisches Gleichgewicht)
Zwei fluide Systeme, die miteinander verbunden sind, befinden sich miteinander im me-
chanischen Gleichgewicht, wenn in ihnen der gleiche Druck herrscht und somit kein
Potential für eine makroskopische Strömung vorhanden ist.
Mehrphasensystem (→Phase)
Ein Mehrphasensystem ist ein System, das aus zwei oder mehr verschiedenen Phasen
besteht.
Mehrstoffsystem (→Reinstoff, →Einstoffsystem)
Ein Mehrstoffsystem ist ein System, das aus zwei oder mehr verschiedenen Reinstoffen
besteht.
476 Anhang C: Glossar
Menge
Die Menge ist in der Thermodynamik eine Angabe für den Stoffinhalt eines Systems
gemessen in kmol.
Mengenstrom
Der Mengenstrom gibt an, welche Menge eines Stoffes innerhalb einer Zeitspanne über
eine Systemgrenze fließt.
Molmasse, molare Masse
Der Begriff Molmasse ist die übliche Kurzbezeichnung für molare Masse. Die Mol-
masse eines Stoffes oder eines Stoffgemisches, gemessen in kg/kmol, gibt die auf die
Stoffmenge bezogene Masse an und ist nur von der Art und den Anteilen der darin ent-
haltenen Stoffe abhängig.
Molvolumen, molares Volumen
Der Begriff Molvolumen ist eine übliche Kurzbezeichnung für molares Volumen. Das
Molvolumen eines Stoffes oder eines Stoffgemisches, gemessen in m3 /kmol, gibt das
auf die Stoffmenge bezogene Volumen an.
N
Nassdampf (→Nassdampfgebiet)
Als Nassdampf bezeichnet man ein Gemisch, das aus der flüssigen und dampfförmigen
Phase eines Fluids besteht.
Nassdampfgebiet (→Zustandsgebiet, →Zweiphasengebiet)
Als Nassdampfgebiet wird diejenige Teilfläche eines Zustandsdiagramms bezeichnet,
die alle Zustände beinhaltet, bei denen ein Fluid sowohl in der flüssigen als auch in der
dampfförmigen Phase vorliegt. Das Nassdampfgebiet ist ein Zweiphasengebiet. Es wird
zum Zustandsgebiet der Flüssigkeit von einer linken Grenzkurve (→Siedelinie) und zum
Zustandsgebiet des Dampfes von einer rechten Grenzkurve (→Taulinie) begrenzt.
Niederdruckturbine (→Dampfturbine)
Normdruck (→Normzustand)
Normtemperatur (→Normzustand)
Normvolumen
Das Normvolumen ist das Volumen einer Gasmenge im Normzustand. Das Normvolu-
men idealer Gase bezogen auf die Stoffmenge ist 22.414 m3 /kmol.
Normzustand
Der Normzustand eines Gases ist festgelegt durch den Druck von 1,01325 bar (Norm-
druck) und die Temperatur von 0◦ C (Normtemperatur). Die Umrechnung eines Gas-
volumens bei beliebigem Zustand auf das entsprechende Volumen beim Normzustand
ermöglicht eindeutige Mengenangaben (→Normvolumen).
Nullpunkt
Als Nullpunkt wird der Wert Null einer Skala bezeichnet, auf der die Temperatur, der
Druck, die Enthalpie, die Entropie oder eine andere Zustandsgröße aufgetragen ist.
Nußelt-Zahl (→Kennzahl)
Die Nußelt-Zahl stellt einen dimensionslosen Wärmeübergangskoeffizienten dar.
nullter Hauptsatz (→thermisches Gleichgewicht, →Hauptsatz)
Der nullte Hauptsatz führt die Temperatur als kennzeichnende Größe für das thermische
Gleichgewicht ein. Zwei Varianten des nullten Hauptsatzes lauten:
1. Zwei geschlossene Systeme sind im thermischen Gleichgewicht miteinander, wenn
sie beide die gleiche Temperatur haben.
2. Zwei geschlossene Systeme, die jedes für sich mit einem dritten im thermischen
Gleichgewicht sind, stehen auch untereinander im thermischen Gleichgewicht.
Anhang C: Glossar 477
Nutzarbeit
Die Nutzarbeit ist die während eines Prozesses von einem System abgegebene Arbeit,
die in mechanische Energie gewandelt und als solche in Maschinen weiter genutzt wer-
den kann. Die Nutzarbeit unterscheidet sich daher von der abgegebenen Arbeit, wenn
letztere zum Teil als Volumenänderungsarbeit der Umgebung des Systems zugeführt
wird.
O
offenes System (→System)
Otto-Prozess
Der Otto-Prozess ist ein Vergleichsprozess für Verbrennungsmotoren aus zwei isen-
tropen (dissipationsfreien adiabaten) und zwei isochoren Zustandsänderungen. Die
Wärmezufuhr durch Verbrennung des leichtflüchtigen Kraftstoffes erfolgt hierbei im
Vergleich zum →Diesel-Prozess sehr rasch und daher bei annähernd konstantem Vo-
lumen (isochor).
P
partieller Differentialquotient (→Differential)
partielles Differential (→Differential)
Phase
Eine Phase ist ein in sich homogenes Teilsystem eines heterogenen Gesamtsystems. In
einer Phase haben im Gleichgewicht alle intensiven Zustandsgrößen überall den gleichen
Wert. In einem →Reinstoffsystem entspricht eine Phase i.A. einem →Aggregatszustand
(feste, flüssige oder gasförmige Phase). In einem →Mehrstoffsystem können verschie-
dene Phasen den gleichen Aggregatszustand haben, z.B. zwei nicht mischbare, flüssige
Phasen.
Phasengrenze
Phasengrenzen kennzeichnen den örtlichen Übergang von einer Phase in eine andere
Phase. Dabei ändern sich die Werte einiger Zustandsgrößen, beispielsweise die Dichte,
sprunghaft.
Phasengleichgewicht
Zwei oder mehrere Phasen sind in einem geschlossenen System miteinander im Pha-
sengleichgewicht, wenn sich die Massen- oder Molanteile der einzelnen Phasen zeitlich
nicht ändern.
Phasenübergang (→Phasenwechsel)
Phasenwechsel
Als Phasenwechsel oder Phasenübergang wird ein Vorgang bezeichnet, bei dem ein Stoff
durch Zu- oder Abfuhr von Energie von einer Phase in eine andere übergeht. Folgen-
de Vorgänge sind Phasenwechsel: →Verdampfen, →Verflüssigen oder →Kondensieren,
→Erstarren, →Schmelzen, →Sublimieren, →Desublimieren.
polytrop, Polytrope
Eine polytrope Zustandsänderung lässt sich mit der Polytropengleichung pv n = const.
beschreiben (n: →Polytropenexponent). Isotherme, isentrope, isobare und isochore Zu-
standsänderungen sind Sonderfälle der polytropen Zustandsänderung. In der Praxis sind
die meisten Zustandsänderungen polytrop und verlaufen in einem Zustandsdiagramm
zwischen der isothermen (n = 1) und der isentropen (n = κ) Zustandsänderung, d.h.
1 < n < κ. Als Polytrope bezeichnet man eine Linie in einem Zustandsdiagramm, die
eine polytrope Zustandsänderung beschreibt.
478 Anhang C: Glossar
Polytropenexponent
Der Polytropenexponent ist der Exponent n des Volumens in der Polytropenbeziehung
pv n = const.
potentielle Energie (→Energie)
Die potentielle Energie ist diejenige Energie, die einem beweglichen geschlossenen Sy-
stem durch Änderung seiner Höhe im Schwerefeld gegenüber einem Bezugsniveau ent-
nommen oder zugeführt werden kann.
Prandtl-Zahl (→Kennzahl)
Die Prandtl-Zahl ist eine reine Stoffgröße eines Fluids. Sie ist eine dimensionslose Kenn-
zahl, die das Verhältnis der in einer viskosen Strömung durch Reibung erzeugten Wärme
zur durch Wärmeleitung abgeleiteten Wärme beschreibt.
Prozess
In der Thermodynamik nennt man die Vorgänge der Energieumwandlung und Ener-
gieübertragung Prozesse. Ein thermodynamischer Prozess bewirkt eine →Zustands-
änderung eines Systems und bestimmt ihren Verlauf. Man unterscheidet:
irreversible Prozesse
Nach einem irreversiblen Prozess kann der Anfangszustand des Systems ohne bleibende
Änderungen in der Umgebung (z.B. Zufuhr von Energie aus der Umgebung) nicht wie-
der hergestellt werden.
reversible Prozesse
Nach einem reversiblen Prozess kann der Anfangszustand des Systems ohne bleiben-
de Änderungen in der Umgebung wieder hergestellt werden. Reversible Prozesse lassen
sich in der Praxis nicht verwirklichen. Sie dienen in theoretischen Betrachtungen als
ideale Grenzfälle der realen Prozesse.
stationäre Prozesse
Ein Prozess ist stationär, wenn er sich in Abhängigkeit von der Zeit nicht ändert. Dies
ist der Fall, wenn sich die über die Systemgrenze fließenden Stoff- und Energieströme
in Betrag und Zustand zeitlich nicht verändern und die Summe aller Stoffströme sowie
aller Energieströme jeweils Null sind. Daraus ergibt sich, dass sich die Zustandsgrößen
in dem System, das den stationären Prozess durchläuft, zeitlich nicht ändern.
instationäre Prozesse
Ein Prozess ist instationär, wenn er sich in Abhängigkeit von der Zeit ändert. Dies ist
der Fall, wenn sich die über die Systemgrenze fließenden Stoff- und Energieströme in
Betrag oder Zustand zeitlich verändern oder die Summe aller Stoffströme oder aller
Energieströme ungleich Null ist.
Prozessgröße
Prozessgrößen beschreiben einen thermodynamischen →Prozess, also den Vorgang,
der zu einer Zustandsänderung führt. Sie hängen vom Anfangszustand, vom Verlauf
und vom Endzustand des Prozesses ab. Prozessgrößen sind somit im Gegensatz zu
→Zustandsgrößen verlaufs- oder wegabhängig. Prozessgrößen sind beispielsweise die
bei einem Prozess verrichtete Arbeit und die übertragene Wärme sowie die zusammen
mit der Wärme übertragene Entropie. Die durch Irreversibilitäten im System erzeugte
Entropie ist ebenfalls eine Prozessgröße.
Pumpe
Eine Pumpe ist eine Maschine, die einen Flüssigkeitsstrom fördert und dessen Druck
erhöht. Pumpen können als Strömungsmaschine (z.B. Kreiselpumpe) oder als Ver-
drängermaschine (z.B. Kolbenpumpe) ausgeführt werden.
Anhang C: Glossar 479
Q
quasistatisch, quasistatische Zustandsänderung (→Zustandsänderung)
Eine quasistatische Zustandsänderung ist eine Zustandsänderung, bei der alle durch-
laufenden Zwischenzustände thermodynamische Gleichgewichtszustände sind. Nur eine
quasistatische Zustandsänderung ist in einem Zustandsdiagramm darstellbar.
R
Rayleigh-Zahl (→Kennzahl)
Die Rayleigh-Zahl ist eine dimensionslose Kennzahl, die die Ähnlichkeit von konvek-
tiven Wärmeübertragungsvorgängen in freier Strömung beschreibt. Sie ist das Produkt
aus →Grashof- und →Prandtl-Zahl. Wenn sie unterhalb von einem kritischen Wert für
das Fluid bleibt, ist die Wärmeübertragung primär durch Wärmeleitung gegeben; wenn
sie den kritischen Wert übersteigt, dominiert die Konvektion.
reales Gas
Als reales Gas bezeichnet man ein Gas mit seinem wirklichen Verhalten zur Unter-
scheidung vom Verhalten eines →idealen Gases. Während das ideale Gas der Vor-
stellung nach aus Teilchen besteht, die untereinander nicht wechselwirken und die ein
vernachlässigbares Eigenvolumen besitzen, sind Wechselwirkungskräfte und Eigenvolu-
men bei der Beschreibung realer Gase nicht zu vernachlässigen. Im Allgemeinen nähert
sich das Verhalten realer Gase dem idealer Gase um so mehr, desto größer das spezifi-
sche Volumen ist.
realer Strahler (→selektiver Strahler)
Reflexionsgrad (→Wärmestrahlung)
Der Reflexionsgrad beschreibt im Zusammenhang mit Wärmetransport durch Strahlung
den relativen Anteil einer auf einen Körper auftreffenden Strahlungsenergie, der an des-
sen Oberfläche reflektiert wird.
Regenerator (→Wärmeübertrager)
Reibungsarbeit
Reibungsarbeit ist die Arbeit, die durch Reibung hervorgerufen wird. Sie wird dissi-
piert (→Dissipationsenergie), wodurch sich die →innere Energie der beteiligten Syste-
me erhöht.
Reinstoff
Als Reinstoff bezeichnet man einen Stoff, der chemisch einheitlich zusammengesetzt ist
und mit physikalischen Methoden nicht in Bestandteile aufgetrennt werden kann. Rein-
stoffe können Elemente oder Verbindungen sein. Reinstoffe haben klar definierte phy-
sikalische Eigenschaften, die zur Charakterisierung verwendet werden, z.B. Schmelz-
punkt und Siedepunkt.
Rekuperator (→Wärmeübertrager)
reversibler Prozess (→Prozess)
Reynolds-Zahl (→Kennzahl)
Die Reynolds-Zahl ist eine dimensionslose Kennzahl, die die Ähnlichkeit von kon-
vektiven Wärmeübertragungsvorgängen in erzwungener, reibungsbehafteter Strömung
beschreibt. Sie stellt das Verhältnis von Trägheitskräften zu Reibungskräften in der
Strömung dar.
S
Sattdampf (→Sättigungszustand)
Der Begriff Sattdampf ist gleichbedeutend mit gesättigtem Dampf. Dies ist reiner Dampf
im Zustand des Gleichgewichts mit der flüssigen Phase des Fluids.
480 Anhang C: Glossar
Sättigungsdruck (→Sättigungszustand)
Der Sättigungsdruck ist derjenige Druck, bei dem bei einer bestimmten Temperatur meh-
rere Phasen eines Stoffes, i.A. seine Flüssigkeit und sein Dampf, miteinander im Gleich-
gewicht stehen.
Sättigungstemperatur (→Sättigungszustand)
Die Sättigungstemperatur ist diejenige Temperatur, bei der bei einem bestimmten Druck
mehrere Phasen eines Stoffes, i.A. seine Flüssigkeit und sein Dampf, miteinander im
Gleichgewicht stehen.
Sättigungszustand
Ein System befindet sich im Sättigungszustand, wenn in ihm zwei oder mehrere Pha-
sen miteinander im Gleichgewicht stehen. Bei einem Stoff im Sättigungszustand führt
jede Energiezufuhr oder Energieabfuhr zu einem Phasenwechsel einer entsprechen-
den Menge des Stoffes. Unter Sättigungszuständen werden in erster Linie Gleichge-
wichtszustände zwischen flüssiger und dampfförmiger Phase verstanden. Man spricht
in diesem Zusammenhang von siedender Flüssigkeit und von gesättigtem Dampf
oder →Sattdampf. In Zustandsdiagrammen liegen Sättigungszustände von Flüssigkeits-
Dampf-Gemischen im →Nassdampfgebiet.
Schmelzen (→Phasenwechsel)
Schmelzen heißt der Phasenwechsel von der festen in die flüssige Phase.
Schmelzdruck (→Schmelzpunkt, →Schmelzdruckkurve)
Schmelzdruckkurve
Die Schmelzdruckkurve ist die Kurve im p,t-Diagramm, auf der alle Zustände liegen,
bei denen Phasengleichgewicht zwischen Festkörper und Flüssigkeit herrscht. Sie gibt
die Wertepaare von Druck und Temperatur beim Schmelzen oder Erstarren an.
Schmelzenthalpie
Als Schmelzenthalpie bzw. Erstarrungsenthalpie, auch Schmelzwärme oder Erstar-
rungswärme genannt, bezeichnet man die Differenz der Enthalpie von erstarrender
Flüssigkeit und der von schmelzendem Eis bei gleichem Druck. Diese Energie muss
zum Schmelzen aufgewendet werden bzw. wird beim Erstarren freigegeben.
Schmelzpunkt
Als Schmelzpunkt wird derjenige Zustand bezeichnet, bei dem die feste und die
flüssige Phase eines Stoffes miteinander im thermodynamischen Gleichgewicht sind.
Am Schmelzpunkt hat der Stoff ein festes Wertepaar Schmelztemperatur-Schmelzdruck.
Häufig wird als Schmelzpunkt auch einschränkend die Schmelztemperatur bei Normal-
druck 1013,25 mbar bezeichnet.
schwarzer Körper, schwarzer Strahler (→Wärmestrahler, →Wärmestrahlung)
Als schwarzen Körper oder schwarzen Strahler bezeichnet einen Körper, der alle auf
ihn auftreffende Strahlung absorbiert. Der ’Absorptionsgrad des schwarzen Körpers ist
also Eins. Der schwarze Körper emittiert bei gegebener Temperatur und gegebener Wel-
lenlänge Strahlung mit der maximal möglichen spektralen Strahlungsintensität.
selektiver Strahler (→Wärmestrahler, →Wärmestrahlung)
Ein selektiver Strahler emittiert je nach Wellenlänge unterschiedliche Bruchteile der
spektralen Strahlungsintensitäten des schwarzen Körpers gleicher Temperatur und glei-
cher Wellenlänge. Diese Bruchteile entsprechen dem spektralen →Emissionsgrad. Da
sich das Verhalten natürlicher Gegenstände mit denen selektiver Strahler meist am be-
sten beschreiben lässt, werden sie auch reale Strahler genannt.
Siededruck (→Siedepunkt)
Der Siededruck ist der Druck eines Stoffes im Siedezustand, also im Zustand des
Phasengleichgewichts zwischen Flüssigkeit und Dampf. Der Siededruck ist tempera-
turabhängig.
Sieden (→Phasenwechsel, →Verdampfen, →Behältersieden, →Strömungssieden)
Anhang C: Glossar 481
Siedelinie
Die Siedelinie trennt in Zustandsdiagrammen das Flüssigkeitsgebiet vom →Nass-
dampfgebiet. Zustände auf der Siedelinie beschreiben die von gesättigter Flüssigkeit.
Siedepunkt (→Sättigungszustand, →Phasenwechsel)
Als Siedepunkt wird derjenige Zustand bezeichnet, bei dem die flüssige und die
dampfförmige Phase eines Stoffes im thermodynamischen Gleichgewicht sind. Am Sie-
depunkt hat der Stoff ein festes Wertepaar Siedetemperatur-Siededruck. Häufig wird als
Siedepunkt auch einschränkend die Siedetemperatur bei Normaldruck 1013,25 mbar
bezeichnet.
Siedetemperatur (→Siedepunkt)
Die Siedetemperatur ist die Temperatur eines Stoffes im Siedepunkt. Die Siedetempera-
tur ist druckabhängig.
Speisewasser (→Dampfkraftmaschine)
Als Speisewasser wird das flüssige Wasser bezeichnet, das von der Speisepumpe in den
Dampferzeuger gefördert wird.
Speisewasservorwärmung
In größeren →Dampfkraftanlagen wird das Speisewasser vor Eintritt in den Kessel in
einem oder mehreren Wärmeübertragern nahezu auf Siedetemperatur erwärmt. Die-
se Wärmeübertrager werden in der Regel mit Dampf beheizt, der aus den Dampftur-
binen abgezweigt wird und in den Wärmeübertragern kondensiert. Die Speisewasser-
vorwärmung dient der Erhöhung des thermischen Wirkungsgrads des Prozesses.
spektrale Strahlungsintensität (→Wärmestrahlung)
Die spektrale Strahlungsintensität ist im Zusammenhang mit Wärmetransport durch
Strahlung der auf die Wellenlänge und auf die Oberfläche bezogene, in den Halbraum
emittierte Wärmestrom eines Körpers bestimmter Temperatur.
spektraler Emissionsgrad (→Wärmestrahlung)
Der spektrale Emissionsgrad beschreibt im Zusammenhang mit Wärmetransport durch
Strahlung das Verhältnis der spektralen Strahlungsintensität eines realen Strahlers bei ei-
ner bestimmten Wellenlänge zur spektralen Strahlungsintensität des schwarzen Körpers
gleicher Temperatur bei dieser Wellenlänge.
spezifische Zustandsgröße (→Zustandsgröße)
stationärer Prozess (→Prozess)
stationäre Wärmeleitung (→Wärmeleitung)
Stilles Sieden (→Behältersieden, →Konvektionssieden)
Stirling-Prozess
Der Stirling-Prozess ist ein Vergleichsprozess aus zwei isothermen und zwei isochoren
Zustandsänderungen.
Stoffstrom
Ein Stoffstrom beschreibt die je Zeiteinheit über eine Systemgrenze transportierte Stoff-
menge (→Stoffmengenstrom) oder auch Masse (→Massenstrom).
Stoffwert
Ein Stoffwert ist eine Größe, die eine Eigenschaft eines Stoffes wiedergibt. Im Allge-
meinen sind Stoffwerte vom Druck und von der Temperatur abhängig. Beispiele für
Stoffwerte sind Wärmeleitfähigkeit, Viskosität, Wärmekapazität.
Strahler (→Wärmestrahler)
Strahlungsaustauschzahl (→Wärmestrahler)
Der Nettowärmestrom aufgrund von Strahlungsaustausch zwischen zwei Strahlern hängt
von deren Oberflächentemperaturen und von der Strahlungsaustauschzahl ab. Diese
berücksichtigt sowohl die räumliche Anordnung der Strahler als auch deren Strahlungs-
eigenschaften.
Strahlungsintensität (→spektrale Strahlungsintensität)
482 Anhang C: Glossar
Strömungsmaschine
Eine Strömungsmaschine wird von einem Fluid kontinuierlich vom Eintritt- zum Aus-
trittsquerschnitt durchströmt. Dabei wird entweder dem Fluid ein →Enthalpiestrom ent-
zogen und als →Arbeitsstrom (Leistung) an die Umgebung abgeführt (z.B. →Turbine)
oder aus der Umgebung wird ein technischer Arbeitsstrom zugeführt und dieser als
Enthalpiestrom dem Fluid zugeführt (z.B. →Verdichter). Das Fluid strömt dabei i.A.
durch eine Folge von Strömungskanälen. Diese werden von Schaufeln gebildet, die in
der Maschine abwechselnd auf dem Rotor (Laufschaufeln, Laufrad) und am Gehäuse
(Leitschaufeln, Leitrad) angeordnet sind. Ein zusammenwirkendes Leit- und Laufrad
wird als Stufe bezeichnet. Wird eine Stufe vom Fluid durchströmt, so wirkt am Rotor
ein Drehmoment. Thermische Strömungsmaschinen sind oft aus vielen Stufen aufge-
baut. Dabei wird das Fluid von seinem Anfangszustand von Stufe zu Stufe bis auf den
Austrittszustand gebracht. In einer Stufe können die feststehenden und die rotierenden
Gitter in axialer oder in radialer Richtung durchströmt werden. Bei Turbinen herrscht
die axiale Bauart vor, bei Verdichtern ist sowohl die axiale als auch die radiale Bauart
gebräuchlich.
Strömungsquerschnitt
Der Strömungsquerschnitt ist die von einem Stoffstrom durchflossene Fläche in einem
Strömungskanal, die senkrecht auf der Strömungsrichtung steht.
Sublimation
Sublimation nennt man den Vorgang des Phasenwechsels von fester zu gas- bzw.
dampfförmiger Phase. Man sagt, der Feststoff sublimiert.
Sublimationsdruckkurve
Die Sublimationsdruckkurve ist die Kurve im p,t−Diagramm, auf der alle Zustände
liegen, bei denen Phasengleichgewicht zwischen Feststoff und Dampf herrscht. Sie gibt
die entsprechenden Wertepaare von Druck und Temperatur an.
Sublimationsenthalpie
Als Sublimationsenthalpie, auch Sublimationswärme genannt, bezeichnet man die Dif-
ferenz der Enthalpie von Dampf und von Eis im Gleichgewichtszustand. Diese Energie
muss zum Sublimieren aufgewendet werden bzw. wird beim Desublimieren freigegeben.
Sublimationsgebiet (→Zustandsgebiet, →Zweiphasengebiet)
Als Sublimationsgebiet wird diejenige Teilfläche eines Zustandsdiagramms bezeichnet,
die alle Zustände beinhaltet, bei denen ein Fluid sowohl in der festen als auch in der
dampfförmigen Phase vorliegt. Das Sublimationsgebiet ist ein Zweiphasengebiet.
System
Der Begriff System bezeichnet ganz allgemein ein Gebilde, das aus mehreren Elementen
zusammengesetzt ist, die untereinander in Wechselwirkung stehen. In der Thermodyna-
mik verwendet man den Begriff System speziell, um damit eine bestimmte Menge an
Elementen oder Stoffen oder einen bestimmten räumlichen Bereich festzulegen. Das Sy-
stem wird hierzu definiert durch eine →Systemgrenze, die es von seiner →Umgebung
bzw. anderen Systemen abgegrenzt. Innerhalb eines Systems können Teilsysteme de-
finiert werden. Mehrere Teilsysteme lassen sich zu einem Gesamtsystem zusammen-
fassen. Wechselwirkungen eines Systems mit seiner Umgebung bestehen nur bezüglich
des Austausches dreier Größen: Energie (Wärme, Arbeit, stoffstromgebundene Energie),
Entropie und Stoff. Die Festlegung der Systemgrenze ermöglicht die Bilanzierung dieser
Größen. Bezüglich des Energie- und Stoffaustausches unterscheidet man verschiedene
Arten von Systemen:
offenes System
Ein offenes System kann mit seiner Umgebung Arbeit, Wärme, stoffstromgebundene
Energie und Stoff austauschen.
geschlossenes System
Ein geschlossenes System kann mit seiner Umgebung Arbeit und Wärme, aber kei-
nen Stoff oder stoffstromgebundene Energie austauschen. Die Systemgrenze ist stof-
Anhang C: Glossar 483
fundurchlässig.
ruhendes System
Ein ruhendes System verändert seine Lage (die Lage seines Schwerpunktes) gegenüber
seiner Umgebung nicht. Änderungen der kinetischen und potentiellen Energie des Sy-
stems sind daher in der Energiebilanz nicht zu berücksichtigen.
bewegliches System
Ein bewegliches System kann seine Lage gegenüber seiner Umgebung verändern.
Änderungen der kinetischen und potentiellen Energie (Beschleunigungsarbeit und Hub-
arbeit) des Systems sind daher in der Energiebilanz gegebenenfalls zu berücksichtigen.
adiabates System (→adiabat)
Ein adiabates System kann mit seiner Umgebung keine Wärme austauschen. Die Sy-
stemgrenze ist also wärmeundurchlässig (z.B. weil eine genügend starke Isolierung vor-
handen ist).
diathermes System (→diatherm)
Ein diathermes System kann mit seiner Umgebung Wärme austauschen.
arbeitsdichtes System
Ein arbeitsdichtes System kann mit seiner Umgebung keine Arbeit austauschen. Die Sy-
stemgrenze ist also arbeitsundurchlässig.
abgeschlossenes System
Ein abgeschlossenes System ist ein geschlossenes, adiabates und arbeitsdichtes System.
Die Systemgrenze ist also wärme-, arbeits- und stoffundurchlässig.
Systemgrenze (→System)
Eine Systemgrenze trennt ein System von einem anderen System oder von der Umge-
bung. Die Systemgrenze kann entweder durch real existierende Grenzflächen, z.B. die
Oberfläche eines Festkörpers oder einer Flüssigkeit oder der Wand eines Apparates, oder
durch eine fiktive Grenzfläche, z.B. eine bestimmte Querschnittsfläche in einem durch-
strömten Kanal oder einen Wellenquerschnitt, festgelegt werden.
T
Taulinie
Die Taulinie trennt in Zustandsdiagrammen das Nassdampfgebiet vom Dampf- bzw.
Gasgebiet. Zustände auf der Taulinie beschreiben die von gesättigtem Dampf.
Technische Arbeit
Technische Arbeit ist die Arbeit, die eine von einem Stoffstrom durchströmte Maschine
auf mechanischem Wege als Nutzen abgibt oder die einer Maschine auf ebensolchem
Wege als Aufwand zugeführt wird. Die technische Arbeit wird i.A. durch rotierende
Wellen übertragen. Sie umfasst daher alle am System Maschine verrichteten Arbeiten
mit Ausnahme der für den Stofftransport notwendigen Verschiebearbeit.
Technische Arbeitsfähigkeit (→Exergie)
Die technische Arbeitsfähigkeit oder maximale Arbeitsfähigkeit ist ein anderer Begriff
für Exergie.
Technische Thermodynamik (→Thermodynamik)
Temperatur
Die Temperatur ist eine physikalische Eigenschaft eines Systems und durch den
→nullten Hauptsatz als Kennzeichen des thermischen Gleichgewichts eingeführt. Da-
nach gilt, dass sich zwei Systeme im thermischen Gleichgewicht befinden, wenn in ih-
nen die gleiche Temperatur herrscht. Die Temperatur eine intensive Zustandsgröße. Zur
Festlegung von Temperaturwerten werden verschiedene Temperaturskalen verwendet:
empirische Temperaturskala
Die Temperaturskalen wurden zunächst anhand einiger Fixpunkte bestimmter Stof-
fe experimentell festgelegt. Man spricht dann von einer empirischen Temperaturskala
484 Anhang C: Glossar
kroskopischen Zustandsgrößen beschreiben lassen. Dies setzt voraus, dass die betrachte-
ten Systeme sich aus hinreichend vielen Teilchen zusammensetzen (→statistische Ther-
modynamik).
Chemische Thermodynamik
Die Chemische Thermodynamik befasst sich in erster Linie mit der thermodynamischen
Behandlung chemischer und physikalisch-chemischer Prozesse sowie den hierfür erfor-
derlichen Stoffeigenschaften von Gemischen.
Statistische Thermodynamik
Die Statistische Thermodynamik geht zur Beschreibung thermodynamischer Zusam-
menhänge von der statistischen Beschreibung des mechanischen Verhaltens der Teilchen
bzw. Moleküle eines Systems aus. Viele Zusammenhänge der →technischen Thermody-
namik können anhand der statistischen Thermodynamik abgeleitet und bestätigt werden.
thermodynamischer Prozess (→Prozess)
thermodynamisches Gleichgewicht
Der Begriff thermodynamisches Gleichgewicht ist der Überbegriff zu den Spezialfällen
→ mechanisches und → thermisches Gleichgewicht. Es folgt: Zwei Systeme befinden
sich miteinander im thermodynamischen Gleichgewicht, wenn sie miteinander im me-
chanischen und im thermischen Gleichgewicht sind. In Bezug auf ein einzelnes Systems
gilt: Ein einzelnes thermodynamisches System befindet sich im thermodynamischen
Gleichgewicht, wenn sich die Zustandsgrößen, durch die dessen Zustand vollständig
beschrieben werden kann, zeitlich nicht ändern.
thermodynamisches System (→System)
Transmissionsgrad (→Wärmestrahlung)
Der Transmissionsgrad, auch Durchlassgrad genannt, beschreibt im Zusammenhang mit
Wärmetransport durch Strahlung den relativen Anteil einer auf einen Körper auftreffen-
den Strahlungsenergie, der durch diesen durchgelassen wird.
Tripellinie (→Tripelzustand)
Alle Tripelzustände eines Stoffes liegen in Zustandsdiagrammen wie dem Druck-
Volumen-Diagramm, dem Temperatur-Entropie-Diagramm oder dem Enthalpie-
Entropie-Diagramm auf einer Geraden, die als Tripellinie bezeichnet wird.
Tripelpunkt (→Tripelzustand)
Als Tripelpunkt bezeichnet man das Wertepaar von Druck und Temperatur im Tripelzu-
stand bzw. den dazugehörenden Zustandspunkt im Druck-Temperatur-Diagramm.
Tripelzustand
Ein Stoff befindet sich im Tripelzustand, wenn feste, flüssige und dampfförmige Phase
im Gleichgewicht miteinander vorhanden sind. Druck und Temperatur im Tripelzustand
sind ein festes Wertepaar eines jeden Stoffes.
Turbine (→Strömungsmaschine)
Eine Turbine ist eine Strömungsmaschine, in der das durchströmende Fluid expan-
diert und dabei einen Teil seiner Energie in Form von Arbeit über die Welle der
Strömungsmaschine abgibt.
Turboverdichter (→Verdichter)
U
überhitzter Dampf
Überhitzter Dampf ist Dampf, dessen Temperatur über der zu dem herrschenden Druck
zugehörigen Sättigungstemperatur liegt.
überkritisches Fluid (→kritischer Zustand)
Umgebung (→System)
Der Begriff Umgebung ist unmittelbar mit dem Begriff System verbunden. Zur Umge-
bung eines Systems gehört alles, was nicht innerhalb der Grenzen des betrachteten Sy-
486 Anhang C: Glossar
stems liegt. Die Umgebung kann auch als ein zweites System aufgefasst werden, das mit
dem betrachteten System durch Energie- und/oder Stofftransport über die Systemgrenze
hinweg wechselwirkt.
umkehrbar (→reversibler Prozess)
Ein Prozess ist umkehrbar im Sinne der Thermodynamik, wenn er in beide Richtungen
ablaufen kann ohne dabei bleibende Veränderungen in der Umgebung zu hinterlassen.
Dies ist der Fall, wenn der Prozess den Bedingungen für reversible Prozesse genügt.
Insofern sind die Begriffe umkehrbar und reversibel gleichbedeutend.
V
Vakuum
Vakuum herrscht in einem Raum, in dem sich kein (oder nahezu kein) Stoff befindet.
Thermodynamisch betrachtet bedeutet dies, dass die Masse dieses Systems und dessen
Druck gegen Null bzw. dessen spezifisches Volumen gegen Unendlich gehen.
Ventilator
Ein Ventilator ist eine →Strömungsmaschine zur Förderung von Gasen bei geringer
Erhöhung des Gesamtdruckes.
Verbrennung
Als Verbrennung bezeichnet man die chemische Reaktion bzw. Oxidation zwischen den
brennbaren Bestandteilen eines Brennstoffs und Sauerstoff. Dabei wird Energie in Form
von Wärme freigesetzt. Als Verbrennungsprozess bezeichnet man den gesamten Vor-
gang der Verbrennung eines Brennstoffes. Am Verbrennungsprozess beteiligt sind fol-
gende Stoffe: der Brennstoff mit allen brennbaren und nicht brennbaren (inerten) Be-
standteilen sowie darin enthaltenem Sauerstoff, der meist mit Luft zugeführte Sauerstoff
und alle Reaktionsprodukte. Reaktionsprodukte sind das Verbrennungsgas und die fe-
sten Verbrennungsrückstände wie Ruß, Asche und Schlacke.
Verbrennungsmotor (→Vergleichsprozess, →Otto-Prozess, →Diesel-Prozess)
Ein Verbrennungsmotor ist eine als Kolbenmotor ausgeführte Wärmekraftmaschine, der
die Energie durch Verbrennung von Brennstoff mit Luft zugeführt wird. Das so entste-
hende heiße Gas expandiert unter Arbeitsabgabe an die Kurbelwelle und wird dann in
die Umgebung ausgestoßen.
Verdampfung (→Phasenwechsel)
Verdampfung nennt man den Vorgang des Phasenwechsels von flüssiger zu gasförmiger
Phase. Man sagt, die Flüssigkeit verdampft.
Verdampfer
Verdampfer nennt man einen Apparat, in dem eine Flüssigkeit verdampft wird.
Verdampfungsenthalpie
Die Verdampfungsenthalpie, auch Verdampfungswärme genannt, ist die Differenz der
Enthalpie von gesättigter Flüssigkeit und von gesättigtem Dampf bei gleichem Druck.
Verdichter (→Strömungsmaschine)
Ein Verdichter, auch Kompressor bezeichnet, ist eine → Strömungsmaschine, die einen
gasförmigen Fluidstrom fördert und dabei dessen Druck erhöht. Verdichter können als
Turboverdichter oder als Kolbenmaschine ausgeführt werden.
Viskosität
Die Viskosität ist eine physikalische Eigenschaft eines Fluids, die dessen Zähigkeit“
”
beschreibt. Sie resultiert aus den zwischenmolekularen Kräften in einem Fluid. Man
unterscheidet:
dynamische Viskosität
Die dynamische Viskosität ist ein Maß für die Eigenschaft eines Fluids, sich unter einer
Spannung zu verformen oder unter einer Verformung eine Spannung aufzubauen.
Anhang C: Glossar 487
kinematische Viskosität
Die kinematische Viskosität ist der Quotient von dynamischer Viskosität und Dichte.
Volumen
Das Volumen ist die extensive Zustandsgröße, die die räumliche Ausdehnung eines in
einem System enthaltenen Stoffes beschreibt.
Volumenänderungsarbeit
Volumenänderungsarbeit ist die Arbeit, die über die Systemgrenze übertragen wird,
wenn sich das Volumen des Systems ändert.
W
Wärme (→Energie)
Wärme ist die Form der Energie, die zwischen zwei Systemen aufgrund verschiede-
ner Temperaturen übertragen wird. Die Energieform Wärme tritt daher nur an Sy-
stemgrenzen auf. Wärme ist eine → Prozessgröße und nicht speicherbar. Wenn man
fälschlicherweise und umgangssprachlich von Wärmespeicherung spricht, meint man
die Speicherung von Energie in Form von innerer Energie.
Wärmekapazität
Die Wärmekapazität eines Stoffes gibt an, welche Wärme zu- oder abgeführt werden
muss, um die Temperatur des Stoffes um ein Kelvin zu erhöhen oder zu erniedrigen. Die
Wärmekapazität ist der Quotient aus übertragener Wärme und Temperaturänderung, ge-
messen in [J/K].
spezifische Wärmekapazität
Die spezifische Wärmekapazität eines Stoffes ist die Wärmekapazität je Masse des Stof-
fes. Die spezifische Wärmekapazität eines Gases oder kompressiblen Fluids hängt von
der Art der Zustandsänderung (isobare oder isochore Zustandsänderung) ab. Man unter-
scheidet:
spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck
Die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck ist die spezifische
Wärmekapazität bei einer isobaren Zustandsänderung. Der Wert gibt also an, wieviel
Wärme je kg Gas bei konstantem Druck zugeführt werden muss, um dessen Temperatur
um 1K zu erhöhen.
spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen
Die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen ist die spezifische
Wärmekapazität bei einer isochoren Zustandsänderung. Der Wert gibt also an, wieviel
Wärme je kg Gas bei konstantem Volumen zugeführt werden muss, um dessen Tempe-
ratur um 1K zu erhöhen.
Wärmekraftmaschine
Eine Wärmekraftmaschine ist eine Maschine, die dazu dient, die Energieform Wärme
in technische Arbeit zu wandeln. Hierzu muss der Maschine Wärme auf einem hohen
Temperaturniveau zugeführt werden (z.B. durch Verbrennung eines Brennstoffes) und
nach dem zweiten Hauptsatz auch Wärme auf einem niedrigeren Temperaturniveau an
die Umgebung abgeführt werden. Der in einer Wärmekraftmaschine ablaufende Prozess
ist ein rechtsläufiger → Kreisprozess.
Wärmepumpe
Eine Wärmepumpe ist eine Maschine, die dazu dient, einem System (z.B. einem Wohn-
raum) auf einem hohen Temperaturniveau Wärme zuzuführen, indem man der Maschine
technische Arbeit zuführt und einer Umgebung auf einem niedrigeren Temperaturniveau
(z.B. dem Erdreich) Wärme entzieht. Der in einer Wärmepumpe ablaufende Prozess ist
ein linksläufiger → Kreisprozess.
488 Anhang C: Glossar
Wärmequelle
Als Wärmequelle bezeichnet man eine Umgebung eines Systems, aus der heraus dem
System Wärme zugeführt wird. Da Energie nach dem ersten Hauptsatz nicht entstehen,
sondern nur von einer Form in eine andere gewandelt werden kann, ist eine Wärmequelle
als ein Energiespeicher zu interpretieren, der einen Teil seiner → inneren Energie wan-
delt und in Form von Wärme an das betrachtete System abgibt.
Wärmesenke
Als Wärmesenke bezeichnet man eine Umgebung eines Systems, in die hinein und aus
dem System heraus Wärme zugeführt wird. Da Energie nach dem ersten Hauptsatz nicht
verloren gehen, sondern nur von einer Form in eine andere gewandelt werden kann, ist
eine Wärmesenke als ein Energiespeicher zu interpretieren, der Wärme von dem betrach-
teten System aufnimmt und diese Energie in Form von → innerer Energie speichert.
Wärmespeicher
Der Begriff Wärmespeicher ist in der Umgangssprache weit verbreitet, thermodyna-
misch gesehen aber inkorrekt, da →Wärme nicht gespeichert werden kann. Korrekt ist
die Bezeichnung Energiespeicher. Dieser Speicher fungiert zu einem bestimmten Zeit-
punkt als →Wärmesenke und zu einem späteren Zeitpunkt dann als →Wärmequelle.
Wärmestrahler
Als Wärmestrahler, oder kurz Strahler, wird ein Körper bezeichnet, der durch Emissi-
on von → Wärmestrahlung an einem Wärmetransportvorgang durch Strahlung beteiligt
ist. Wärmestrahler haben je nach Material, Oberflächenbeschaffenheit etc. unterschiedli-
che Emissions-, Absorptions- und Reflexionseigenschaften. Man unterscheidet folgende
Wärmestrahler:→grauer Strahler, →schwarzer Strahler, →selektiver Strahler.
Wärmestrahlung (→Wärmeübertragung)
Wärmestrahlung nennt man den Energietransport durch Strahlung in einem Wel-
lenlängenbereich von etwa 0,1 bis 1000 μ m. Die Wärmeübertragung erfolgt hierbei
durch elektromagnetische Wellen. Jeder Körper mit einer Temperatur oberhalb von 0 K
emittiert Wärmestrahlung. Da Körper mit Temperaturen kleiner oder gleich 0 Kelvin
nicht existieren können, ist jeder Körper ein →Wärmestrahler. Trifft Wärmestrahlung
von einem Körper auf einen anderen festen, flüssigen oder gasförmige Körper, so wird
sie entsprechend der Strahlungseigenschaften dieses Körpers teilweise absorbiert, an der
Oberfläche reflektiert und/oder ungehindert durch ihn durchgelassen (transmittiert). Man
definiert daher folgende Stoffeigenschaften: → Absorptionsgrad, → Transmissionsgrad,
→ Reflexionsgrad.
Wärmestrom
Der Wärmestrom gibt an, wieviel Wärme innerhalb einer Zeitspanne übertragen wird.
Wärmestromdichte
Die Wärmestromdichte ist der →Wärmestrom bezogen auf die Querschnittsfläche nor-
mal zur Wärmetransportrichtung.
Wärmeträger
Als Wärmeträger bezeichnet man ein Fluid, das in Prozessen als Medium zum konvek-
tiven Transport von Energie eingesetzt wird.
Wärmeübergang (→Wärmeübertragung, →Konvektion)
Als Wärmeübergang bezeichnet man den konvektiven Wärmetransport in der Grenz-
schicht eines Fluids insbesondere an einer festen Wand.
Wärmeübergangskoeffizient (→ Wärmeübergang)
Der Wärmeübergangskoeffizient gibt an, wie groß bei einem Wärmeübergang die
→ Wärmestromdichte je Kelvin Temperaturdifferenz ist.
Wärmeübertrager
Ein Wärmeübertrager ist ein Apparat zur Übertragung von Wärme. Wärmeübertrager
werden umgangssprachlich häufig als Wärmetauscher“ bezeichnet. Diese Bezeich-
”
nung ist aus thermodynamischer Sicht streng genommen falsch, da Wärme zwischen
einem heißen und einem kälteren Medium nicht ausgetauscht wird, sondern nur in
Anhang C: Glossar 489
Richtung des kälteren Mediums übertragen wird. Es gibt eine Vielzahl von speziellen
Bezeichnungen für Wärmeübertrager, die entweder die speziellen Aufgaben (z.B. Ver-
dampfer, Verflüssiger, Kondensator, Kühler) oder spezielle Bauarten kennzeichnen (z.B.
Rohrbündelwärmeübertrager, Plattenwärmeübertrager). Prinzipiell sind zwei Arten von
Wärmeübertragern zu unterscheiden:
Regeneratoren
Als Regeneratoren werden Wärmeübertrager bezeichnet, in denen eine Speichermasse
abwechselnd von warmen und kalten Stoffströmen durchflossen wird. Der warme Strom
gibt dabei Wärme an die Speichermasse ab, die diese später wieder an den kalten Strom
weiterleitet.
Rekuperatoren
Als Rekuperator werden Wärmeübertrager bezeichnet, in denen ein warmer Stoffstrom
unmittelbar Wärme an einen kalten überträgt. Die Stoffströme sind i.A. nur durch eine
feste Wand getrennt, die die Wärme stationär durchleitet. Je nach Strömungsrichtung un-
terscheidet man dabei u.a. Gegenstrom-, Gleichstrom- und Kreuzstromwärmeübertrager.
Wärmeübertragung
Wärmeübertragung oder Wärmetransport nennt man den Vorgang der Übertragung von
Wärme. Je nach physikalischem Mechanismus, der die Wärmeübertragung bewirkt un-
terscheidet man: →Wärmeleitung, →Konvektion und →Wärmestrahlung.
Wellenarbeit
Als Wellenarbeit bezeichnet man die über rotierende Achsen und Wellen übertragene
mechanische Arbeit.
wegabhängig (→Prozessgröße)
wegunabhängig (→Zustandsgröße)
Wirkungsgrad (→thermischer Wirkungsgrad, →isentroper Wirkungsgrad)
Als Wirkungsgrad bezeichnet man ganz Allgemein das Verhältnis von Nutzen zu Auf-
wand bei einer Maschine oder einem Prozess.
Z
Zustand
Ein System befindet sich in einem bestimmten Zustand, wenn seine physikalischen Ei-
genschaften feste Werte haben. Der Zustand eines Systems wird somit vollständig durch
die Angabe der für die Beschreibung der Eigenschaften notwendigen →Zustandsgrößen
charakterisiert. Es genügt meist die Angabe weniger Zustandsgrößen, um einen Zustand
von anderen Zuständen abzugrenzen. Alle übrigen Zustandsgrößen bzw. Eigenschaften
sind dann entweder von den angegebenen abhängig oder für die Beschreibung des Zu-
stands unerheblich.
Zustandsänderung (→Prozess)
Erfährt ein System eine Zustandsänderung, so wird es von einem Zustand (Anfangs-
zustand) in einem anderen Zustand (Endzustand) überführt. Streng genommen ist eine
Zustandsänderung somit eindeutig festgelegt durch Angaben zum Anfangs- und Endzu-
stand. Da eine Zustandsänderung jedoch stets durch einen thermodynamischen → Pro-
zess hervorgerufen wird, der den Verlauf der Zustandsänderung bestimmt, werden die
Begriffe Zustandsänderung und Prozess häufig nicht streng voneinander getrennt. Der
Begriff Zustandsänderung wird daher häufig in Kombination mit einer Angabe zur Art
des Prozessverlaufs zu einer spezielleren Beschreibung verwendet, wie dies z.B. bei
folgenden Ausdrücken Gang und Gäbe ist: → isobare Zustandsänderung, → isocho-
re Zustandsänderung, → isotherme Zustandsänderung, → isentrope Zustandsänderung,
→ polytrope Zustandsänderung, → isenthalpe Zustandsänderung, → adiabate Zu-
standsänderung.
490 Anhang C: Glossar
Zustandsdiagramm
Zustandsdiagramme haben als Koordinaten nur Zustandsgrößen. Jeder Punkt in einem
Zustandsdiagramm beschreibt eindeutig den Zustand eines Stoffes in Bezug auf die dar-
gestellten Koordinaten. Die in der Thermodynamik gebräuchlichsten Zustandsdiagram-
me sind: p,v,t−Diagramme, p,v−Diagramme, h,s−Diagramme, p,t−Diagramme,
lg(p),h−Diagramme und T,s−Diagramme.
Zustandsfläche
Eine Zustandsfläche stellt in einem 3-dimensionalen →Zustandsdiagramm eines Stoffes
(z.B. p,v,t−Diagramm) eine zusammenhängende Fläche dar, auf der jeder Punkt einen
Zustand des Stoffes beschreibt.
Zustandsgebiet
Als Zustandsgebiet wird ein Teil einer →Zustandsfläche oder dessen Projektion in ein
2-dimensionales →Zustandsdiagramm bezeichnet. Üblich ist dabei solche Gebiete zu
benennen, in denen eine feste Phasenzusammensetzung herrscht. Bei Reinstoffen unter-
scheidet man dementsprechend:
Einphasengebiete
In einem Einphasengebiet befinden sich alle Zustände, bei denen ein Stoff nur in einer
Phase vorliegt. Einphasengebiete sind das Feststoffgebiet, das Flüssigkeitsgebiet und
das Gasgebiet.
Zweiphasengebiete
In einem Zweiphasengebiet befinden sich nur Zustände, bei denen zwei Phasen eines
Stoffs im Gleichgewicht vorliegen. Zweiphasengebiete sind das Nassdampfgebiet, das
Schmelzgebiet und das Sublimationsgebiet.
Zustandsgleichung
Zustandsgleichungen beschreiben die Abhängigkeiten von →Zustandsgrößen. Man un-
terscheidet:
thermische Zustandsgleichungen
Eine thermische Zustandsgleichung verknüpft →thermische Zustandsgrößen miteinan-
der. Beispielsweise gilt für ideales Gas die thermische Zustandsgleichung pv = RT .
kalorische Zustandsgleichungen
Eine kalorische Zustandsgleichung verknüpft eine →kalorische Zustandsgröße mit an-
deren unabhängigen Zustandsgrößen. Beispielsweise gilt für ideales Gas die kalorische
Zustandsgleichung dh = cp dT .
Zustandsgröße
Zustandsgrößen beschreiben die physikalischen Eigenschaften eines Systems und sind
nur vom →Zustand abhängig, nicht aber von dem Weg oder Prozess, auf dem das Sy-
stem in den Zustand gelangt ist. Man unterscheidet:
intensive Zustandsgrößen
Eine intensive Zustandsgröße ändert bei einer Teilung eines geschlossenen Systems ih-
ren Wert nicht. Intensive Größen sind beispielsweise Druck und Temperatur. In homo-
genen Systemen bleiben auch alle →spezifischen und →molaren Zustandsgrößen bei
einer Teilung unverändert.
extensive Zustandsgrößen
Eine extensive Zustandsgröße beschreibt eine Menge von Stoff, Energie oder Entropie
und ändert sich entsprechend bei Teilung eines Systems.
spezifische Zustandsgrößen
Eine spezifische Zustandsgröße ist eine auf die Masse bezogene Zustandsgröße.
molare Zustandsgrößen
Eine molare Zustandsgröße ist eine auf die Stoffmenge bezogene Zustandsgröße.
thermische Zustandsgrößen
Thermische Zustandsgrößen sind Druck, Temperatur und (extensives, spezifisches oder
molares) Volumen.
Anhang C: Glossar 491
kalorische Zustandsgrößen
Kalorische Zustandsgrößen sind die Innere Energie, die Entropie und die Enthalpie.
Zweiphasengebiet (→Zustandsgebiet)
zweiter Hauptsatz (→Entropiebilanz, →Hauptsatz)
Der zweite Hauptsatz macht Aussagen darüber, in welcher Richtung Prozesse
selbstständig ablaufen können. In mathematischer Form stellt der zweite Hauptsatz ei-
ne Bilanz der Zustandsgröße →Entropie dar. Aus der →Entropiebilanz zusammen mit
unseren Erfahrungen geht hervor, dass Prozesse nur umkehrbar sind, wenn keine Entro-
pie erzeugt wird. Solche Prozesse nennt man →reversibel. Bei irreversiblen oder nicht
umkehrbaren Prozessen ist die →Entropieerzeugung stets größer Null. Eine negative
Entropieerzeugung ist nicht möglich. Der zweite Hauptsatz führt u.a. zu folgenden Aus-
sagen:
– Prozesse, bei denen Reibung auftritt, sind irreversibel.
– Prozesse, bei denen Wärme bei endlichen Temperaturdifferenzen übertragen wird,
sind irreversibel.
– Wärme kann nicht von selbst von einem kälteren zu einem wärmeren Körper
übergehen.
– Prozesse, bei denen Stoffe vermischt werden, sind irreversibel.
– Die Entropie eines adiabaten geschlossenen Systems kann niemals abnehmen.
– Bei irreversiblen Prozessen nimmt die Entropie eines adiabaten geschlossenen Sy-
stems zu, bei reversiblen Prozessen bleibt sie konstant.
– Bei irreversiblen Prozessen verwandelt sich Exergie in Anergie, bei reversiblen Pro-
zessen bleibt die Exergie konstant.
– Es ist unmöglich, Anergie in Exergie zu verwandeln.
Zwischenüberhitzung
In größeren Dampfkraftanlagen wird der Dampf nach Teilentspannungen in Hoch-
und/oder Mitteldruckturbinen durch Wärmezufuhr erneut auf eine Temperatur in der
Nähe der Frischdampftemperatur gebracht. Damit werden die mittlere Temperatur der
Wärmezufuhr erhöht (→Carnotisierung), die in der Turbine nutzbare Enthalpiedifferenz
vergrößert und die Dampfnässe am Expansionsende verringert.
Sachverzeichnis
– kalorische 89
– reduzierte 276
– spezifische 8
Zweitaktverfahren 322
Zwischenüberhitzung 341