flis04 🎞’s review published on Letterboxd:
So oft verfilmt. Schon in den 70ern, in einer Version, die kaum jemand kennt. Es folgten Tobey Maguire, Andrew Garfield und aktuell Tom Holland. Spider-Man ist seit Jahren auf der Kinoleinwand vertreten und doch ist keine der genannten Interpretationen, jene, die von Fans am meisten geliebt wird.
2018 entschied man sich due freundliche Spinne aus der Nachbarschaft mit so viel Nähe zum Comic zu versehen, wie möglich, in Form eines Animationsfilms, und revolutionierte damit auf wunderliche Art und Weise die Machart dieses Genres.
Erst vor kurzem konnte man die Auswirkung dieser neuen Art der Animation, die "Into the Spiderverse" zwar nicht erfand aber etablierte, im famosen "Der gestiefelte Kater 2" bestaunen.
Mehr Zeichnung, mehr Dynamik, viel mehr Möglichkeiten und Kreativität. Der Durst nach dieser Art von Film scheint ungebändigt und gerade wird die Fortsetzung "Across the Spiderverse" förmlich in den Himmel gelobt.
Und dennoch überzeugt "Into the Spiderverse" nicht auf ganzer Linie, sondern blendet viel mehr mit formvollendeten Handwerk.
Die Animation ist hier der Protagonist, das Mittel, welches zum Staunen anregt. In jedes Bild ist offensichtlich ungeheuer viel Liebe reingeflossen, an Details kann man sich kaum satt sehen und überall wurden wunderschöne Aspekte, wie Sprechblasen eingebaut, die lediglich mehr Aufwand bedeuteten, aber eine tolle Wirkung haben.
Das wirkt sich alles auf das Erlebnis aus. Auch weil man die Animationen gerade in den Actionszenen vollständig ausnutzt.
Oder um Figuren zu etablieren und Atmosphäre zu erzeugen. Denn neben der Animation erweist sich auch der Einsatz von Musik als vorzüglich durchdacht. Bei der Figur des Prowlers erfährt man dies in vollen Zügen. Immer wenn er auftaucht ist dies ein Highlight.
Und zugleich ein Problem. Denn der Prowler ist nur einer von vielen Gegenspielern. Wurden "Spider-Man 3" und "The Amazing Spider-Man 2" noch dafür gescholten zu viele Antagonisten zu besitzen, werden hier noch Doc Oc, Scorpion und Wilson Fisk präsentiert. Fisk erhält sogar eine nachvollziehbare Motivation, die aus Zeitmangel jedoch nie so recht ihre Wirkung entfalten kann. Mit dem Prowler wird eine wunderschöne Idee angeführt, die aber auch wieder nur in einzelnen Momenten funktioniert, da drumherum Motivationen fehlen und der eigentlich interessante Konflikt umgangen wird.
Das grosse Problem von "Into the Spiderverse" lässt sich also ziemlich einfach und punktgenau zusammenfassen. Zu viel, von allem.
Es ist eine beeidruckende Reizüberflutung, die sich allerdings neben der Audiovisualität auch inhaltlich finden lässt und das tut dem Film nicht gut. Schnell werden verschiedenste Spider-Figuren eingeführt. Wenn sie in Erinnerung bleiben, dann nur wegen ihrem kreativen aussehen, aber eben nicht wegen den kurz erwähnten Hintergrundgeschichten, die eigentlich einen emotionalen Kern besitzen.
Doch der eigentliche Protagnist ist Miles Morales. Auch hier ist von allem zu viel zu finden. Eine Liebesgeschichte wird glücklicherweise nur angedeutet, aber das Miterleben des Todes einer Heldenfigur, ein Vaterkonflikt, die Beziehung zu seinem Onkel und das Thema der Selbstfindung überfordern den Film merklich.
Natürlich entstehen so Momente, die voller Gefühl sind, berühren und unser emotionales Zentrum ansprechen. Aber danach rast die Handlung wie ein nicht zu stoppender D-Zug wieder davon und lässt den Zuschauer unberührt zurück.
Zu schnell wird die Tonalität wieder aufgebrochen. Meist folgt eine Actionszene oder cooler und lässiger Humor, welcher zuverlässig sein Ziel verfehlen und die vorhandene Stimmung aufbrechen. Tonal ist "Into the Spiedeverse" ein stetiges Auf und Ab.
Trotzdem macht der Film spass. Gerade weil das Tempo so enorm hoch ist und die Animationen kreativ. Hier haben sich die Macher nach Lust und Laune ausgetobt, die Liebe für den Film wird sichtbar. Nur nimmt das den Zuschauer nicht zwingend emotional mit. Auf grossartige Momente folgen Durststrecken und viele Konflikte werden nicht ausgespielt.
"Into the Spiderverse" ist ein kreativer wie rasanter Trip, der aber erzählerisch etwas unausgewogen wirkt und so Potential liegen lässt. Weniger wäre hier mehr gewesen.