"Coach" Lennart Goebel 🎞️’s review published on Letterboxd:
Year of Anya
by Martin Kostenzer
Nach einigen stressigen Monaten melde ich mich zurück, um heute an diesem feierlichen Tag einen gruseligen Beitrag zu präsentieren. Welcher Tag könnte sich besser eignen, um einen Genre-Film anzusehen, insbesondere von einem gefeierten Regisseur, den man bisher noch nicht von der Watchlist streichen konnte?
Vor vier Jahren stieß ich erstmals auf die Arbeit von Robert Eggers und war sofort fasziniert von einem Film, der William Dafoe und Robert Pattinson in den Hauptrollen zeigt, und von einem mysteriösen Leuchtturm handelt. Das Marketing des Films, seine Produktion und die Tatsache, dass der ehemalige "Twilight"-Star hier sein Talent in einer so außergewöhnlichen Rolle unter Beweis stellen würde, hatten meine Neugier geweckt. So begab ich mich damals spät in der Nacht zur einzigen Originalversion-Vorstellung in meinem Programmkinos in meiner damaligen Heimatstadt, die etwa 200 Kilometer entfernt lag. Seitdem verfolge ich die Arbeit von Robert Eggers und habe "The Northman" sogar zweimal im Kino gesehen. Doch merkwürdigerweise hatte ich bis jetzt Eggers' Debütfilm "The VVitch" aus dem Jahr 2015 ignoriert, obwohl meine Lieblingsschauspielerin, Anya Taylor-Joy, ebenfalls in diesem Film ihr Langfilmdebüt gab. Nun bietet sich endlich die Gelegenheit, den Staub von den Tasten zu wischen und mich ausführlich mit diesem Werk des Elevated Horror auseinanderzusetzen.
Die Handlung lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Der Film spielt im Neuengland des frühen 17. Jahrhunderts, wo eine puritanische Familie, aus ihrer Siedlung verbannt, sich in der Wildnis niederlässt und von übernatürlichen und beängstigenden Ereignissen an den Rand des Wahnsinns getrieben wird. Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht die älteste Tochter, Thomasin, gespielt von Anya Taylor-Joy.
Und so kurz angebunden wie diese Zusammenfassung sich liest, ist der Film letztendlich auch.
Denn die Handlung ist relativ spärlich und der gesamte Film ist mit einer durchschnittlichen Laufzeit und der anhaltenden Spannung recht kurzweilig anzusehen. Und wenn ihr mich fragt, verflog die Zeit noch mehr gerade, weil es draußen dunkel war und mein Wohnzimmer gerade einmal von 3 Kerzen erleuchtet war.
Ähnlich wie viele andere Filme des in den letzten Jahren gefeierten Subgenres des Elevated Horrors steht bei "The VVitch" nicht allein der Schrecken und der Shockvalue im Mittelpunkt. Für mich persönlich ist das größte Highlight des Films das Production Design von Craig Lathrop, ohne das ich mir einen Eggers-Film gar nicht vorstellen könnte. Wie beim ausgezeichneten Casting ist es vor allem der Look und die Atmosphäre, die ich mit einem Robert Eggers-Film verbinde, und hier sehe ich genau das. Die ersten Schritte, noch nicht so glatt und erfahren wie bei "The Northman" oder so experimentell und gewagt wie in "The Lighthouse", aber aus der Perspektive eines Debütfilms vielleicht sogar gewagter.
Ich könnte jetzt den Film loben, ohne ein kritisches Wort zu verlieren. Doch gerade, weil der Film im Rückblick mit den nachfolgenden Projekten seines Schöpfers verglichen werden muss, wie auch mit anderen Vertretern des Genres, würde ich sagen, dass "The VVitch" ein moderner Klassiker und ein Muss für jeden Genrefilmfan ist. Denn was dieser Film erreicht hat, ist nicht von der Hand zu weisen – Er hat maßgeblich sein Genre geprägt. Doch im Anschluss kamen Filme wie "Hereditary" von Ari Aster, die in eine ähnliche Kerbe schlagen und meiner Meinung nach den Versuch, etwas noch Besseres zu schaffen, vielleicht etwas erfolgreicher umsetzen. Aber das ist natürlich subjektiv, und vielleicht liegt es auch am Setting der Hexenverfolgung oder an der Art und Weise, wie die Geschichte recht unaufgeregt präsentiert wird.
Mein größter Kritikpunkt an "The VVitch" ist definitiv ein Spoiler und daher vielleicht unangemessen an dieser Stelle. Ich werde mein Bestes tun, um es umschrieben auszudrücken und ermutige euch, den Film erst selbst anzusehen, bevor ihr eine umfassende Auseinandersetzung mit einem Film lest. Aber lassen Sie mich so viel sagen: Mit offenen Karten zu spielen, ist vielleicht nicht die beste Taktik, wenn ein Horrorfilm es auf Paranoia abzielt. Der gruseligste Aspekt von "Blair Witch Project" ist, dass man die besagte Hexe nie zu Gesicht bekommt, und die Marketingkampagne war jenseits dieser Welt. Aber das spielte keine Rolle. Die Tatsache, dass man kurz nachdem der Schrecken begonnen hatte, direkt sieht, wer dafür verantwortlich ist, macht die gesamte Erzählung und das Ende meiner Meinung nach etwas weniger beeindruckend. Doch das ist nur meine persönliche Vorliebe für Mysterien und Rätsel, und das würde ich dem Film nicht wirklich vorwerfen.
In dieser Produktion sieht man in jeder Ecke die Liebe zum Detail, und ich würde sagen, dass das relativ hohe Budget für einen Debütfilm von 4 Millionen hier perfekt investiert wurde und zu einer großartigen Umsetzung geführt hat. Robert Eggers hat sich zweifellos seinen Status verdient.
Denn mal zurück zu der größten Stärke des Films, dem Look.
Die Zusammenarbeit aus dem Dreh am Standort, (bzw. ein paar hundert KM nördlich), die Requisiten, die Kostüme, das Color Grading und nicht zuletzt die Inszenierung selbst geben dem Film einen unglaublich “natürlichen” Look, der so aussieht, als wäre man wirklich in Neuengland Anfang des 17. Jahrhundert. So etwas bekommt man nur, wenn alle beteiligten individuelle großartige Arbeit machen. Und ich habe das Gefühl diese Liebe zum Filme machen findet man mittlerweile nur noch im Indie Film.
Ich liebe das Autorenkino, und "The VVitch" ist erneut ein Beweis dafür. Dieser Film strahlt Qualität aus, und auch wenn ich persönlich einige Abstriche am Drehbuch machen muss, sind es die Atmosphäre und das visuelle Erlebnis allein, die es wert sind, den Film anzusehen. Ich würde so weit gehen und behaupten, dass der Film nicht einmal Ton benötigt, obwohl man dann den großartigen Soundtrack verpassen würde. Allein die Bilder erzeugen eine unheimliche Spannung, die jeden Cineasten in einen wunderbaren Filmabend eintauchen lässt.