Dieser Beitrag gehört zu meiner Berichterstattung von der Kinder- und Jugendfilmsektion Generation der Berlinale 2021. Alle Berichte von diesem Festival gibt es hier im Blog unter dem Tag #berlinale.
Nelly ist anders als die anderen. Ob sie ihr Anderssein nicht etwas mehr verbergen könne, fragt allen Ernstes ihr Vater… da hat sie gerade bei einer Schulvorführung eine One-Woman-Horrorshow abgegeben, mit Kulissen, Schattenrissmonster und viel Ketchup. Dabei ist klar: Das rothaarige Mädchen tickt halt nicht so wie der langweilige Rest der Welt.
Nellys Mutter ist vor einigen Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, nun soll das Kind mal in den Ferien für zwei Wochen zu ihrer mütterlicherseits verbliebenen Familie fahren, ihrem Onkel Hannibal, der mit Lena-Sleva zusammen in einem imposanten Bau auf dem Land lebt – da passiert einiges Seltsames, eine Armbrust liegt herum, und nachts bringt Hannibal… einen Vampir in Ketten im Kofferraum seines Autos?
Martin Widmarks Bücher sind zum Teil auch in Deutschland sehr erfolgreich, seine mit Christina Alvner herausgebrachte Reihe über Nelly Rapp allerdings ist bislang nicht übersetzt worden. Das ist schade, denn hier geht es höchst gruselig-spannend zur Sache: Nelly (Matilda Gross) erfährt bald, dass Lena-Sleva und Hannibal „Monsteragent_innen“ sind – wie einst ihre Mutter, die auch keinen Autounfall hatte, sondern auf der Suche nach einem Werwolf verschwand.
„Unsere Mission besteht darin, die Welt vor Monstern und Monster vor der Welt zu beschützen.“ Aber Hannibal hat doch Zweifel, ob die junge Nelly schon alt genug ist, um selbst Agentin zu werden. Die sieht das natur- und temperamentgemäß anders und macht sich bald selbst auf die Jagd nach Monstern – um festzustellen, dass doch vieles nicht so ist, wie sie dachte. (Und der Film dreht das dann auch visuell zuweilen sehr hübsch um.)
Frankensteinartige Monster („Polycorpus“), Zombies, Vampire, Werwölfe, Geister: Nelly Rapp – Monsteragentin fährt eine ganze Reihe der klassischen Filmmonster auf und deutet einige mehr noch an – entsprechend ist der Film, obwohl in Erzählhaltung und Ästhetik absolut auf Kinder ausgerichtet, für ängstliche Grundschüler_innen noch nicht geeignet. Wobei die Angstmomente nie lange anhalten und stets aufgelöst werden… und das eigentlich Bedrohliche eh nicht von den „Monstern“ ausgeht, sondern vom Bedürfnis der Menschen, größtmögliche Konformität herzustellen und Anpassung zu erzwingen.
Nellys Vater ist da nur ein pars pro toto der ganzen Gesellschaft, ein gutmeinender Repräsentant gewissermaßen des größeren Bösen, dem seine Tochter sich entgegenstellen muss. Das Drehbuch von Sofie Forsman drückt sich leider ein wenig darum herum, diese Konflikte wirklich auszutragen und landet einige Male zu oft dann doch beim Stereotyp der dussligen Erwachsenen. Amanda Adolfssons Inszenierung aber ist flott und spannend genug, um diese kleinen Schwächen in seiner aufregenden Abenteuerhandlung zu übertünchen.
Gute, kindertaugliche Gruselfilme sind selten, und hier wäre nun mal Stoff genug nicht nur für einen Film. Hoffentlich gibt es das auch regulär in deutschen Kinos zu sehen. Halloween wäre ja ein guter Anlass…
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Nelly Rapp – Monsteragentin (Nelly Rapp – monsteragent/Nelly Rapp – Monster Agent). Schweden 2020. Regie: Amanda Adolfsson, 92 Min. Vom Festival empfohlen ab 8 Jahren, ich würde sagen: wenn sie nicht ängstlich sind. Läuft am 13.06.2021 in der Sektion Generation Kplus der Berlinale. Alle Infos dazu hier.
(Fotos: Per Larsson/Berlinale, AB Svensk Filmindustri)
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