Säkularismus
Säkularismus (von lateinisch saeculum ‚Zeit‘, ‚Zeitalter‘; auch: ‚Jahrhundert‘, als ‚diesseitigem‘ Gegensatz zur religiös-‚jenseitig‘ verstandenen ‚Ewigkeit‘) bezeichnet eine Weltanschauung, die eine Immanenz und Weltlichkeit der Gesellschaft annimmt und keine darüber hinausgehenden, metaphysischen und religiösen Erklärungen braucht. Sie erwächst aus zwei Prozessen: zum einen aus der Säkularisierung, also dem mentalen Prozess der Entflechtung oder Trennung zwischen Religion und Staat, zum anderen aus der Säkularisation, dem konkreten Prozess der Ablösung der weltlichen Macht religiöser Institutionen. Der Begriff wurde von dem Theologen Friedrich Gogarten (1887–1967) geprägt und unter anderem eingeführt, um eine Aussöhnung der christlichen Kirchen mit der Säkularisierung zu ermöglichen. Die religiöse Seite betrachtet die dem Begriff des Säkularismus zugrunde liegenden Weltanschauungen meist als ideologisch – was Kritiker ihr wiederum als ebensolche Ideologie vorwerfen.
Säkularismus in der islamischen Welt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Auseinandersetzung mit europäischen Ideen hat sich im frühen 20. Jahrhundert auch in einigen islamischen Ländern ein säkularistisches Denken entwickelt. In der Türkei legte Mustafa Kemal Atatürk nach dem Sieg im Befreiungskrieg (1919–1923) ein säkularistisches Modernisierungsprogramm auf, das anderen politischen Führern in der islamischen Welt als Vorbild diente. Einer der prominentesten säkularistischen Denker der islamischen Welt war ʿAlī ʿAbd ar-Rāziq, der 1925 sein Buch „Der Islam und die Grundlagen der Herrschaft“ (al-Islām wa-uṣūl al-ḥukm) veröffentlichte, in dem er die These vertrat, dass die Muslime ihr Herrschaftssystem frei wählen dürften, da Mohammed kein solches System festgelegt habe und auch Koran und Sunna dazu keine Vorgaben machten.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Heiner Boberski, Josef Bruckmoser: Weltmacht oder Auslaufmodell: Religionen im 21. Jahrhundert. Tyrolia, Innsbruck/Wien 2013, ISBN 978-3-7022-3239-9.
- Pascal Boyer: Religion Explained: The Evolutionary Origins of Religious Thought. 2002, ISBN 0-465-00696-5.
- Nader Hashemi: Islam, secularism, and liberal democracy: toward a democratic theory for Muslim societies. Oxford Univ. Press, Oxford [u. a.] 2009.
- Susan Jacoby: Freethinkers. A History of American Secularism. Metropolitan Books, New York (NY) 2004, ISBN 0-8050-7442-2.
- Hans Joas, Klaus Wiegandt (Hrsg.): Säkularisierung und die Weltreligionen. 2. Auflage. Fischer-TB 17647, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-17647-2.
- Hermann Lübbe: Säkularisierung. Geschichte eines ideenpolitischen Begriffs. Karl Alber, Freiburg im Breisgau/München 1965; 2. Auflage mit neuem Vorwort 1975, ISBN 3-495-47119-7.
- David Nash: Secularism, Art and Freedom. Continuum International, London 1992, ISBN 0-7185-1417-3 (publiziert von Continuum, 1994: ISBN 0-7185-2084-X.)
- Edward Royle: Victorian Infidels: the origins of the British Secularist Movement, 1791–1866. Manchester University Press, Manchester 1974, ISBN 0-7190-0557-4.[1]
- Edward Royle: Radicals, Secularists and Republicans: popular freethought in Britain, 1866–1915. Manchester University Press, Manchester 1980, ISBN 0-7190-0783-6.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Secularism: Online version ( vom 4. Juli 2007 im Internet Archive)