Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (Liechtenstein)

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Basisdaten
Titel: Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch vom 1. Juni 1811
Kurztitel: Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch
Abkürzung: ABGB
Art: Gesetz (Liechtenstein)
Geltungsbereich: Liechtenstein
Rechtsmaterie: Zivilrecht
Erlassen am: 1. Juni 1811
Inkrafttreten am: 18. Februar 1812
Letzte Änderung durch: LGBl. 259/2024
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
1. August 2024
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das liechtensteinische Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB[1]) wurde ursprünglich vollinhaltlich aus Österreich übernommen (ABGB).

Naturrechtstradition

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Das liechtensteinische (bzw. österreichische) ABGB von 1811 ist neben dem französischen Code civil die älteste noch in Kraft stehende, von vernunftrechtlichen Gedanken (Naturrecht) geprägte Zivilrechtskodifikation.

Das ABGB wurde am 18. Februar 1812 unter der Herrschaft Johann I. Josef von Liechtenstein eingeführt und in Kraft gesetzt. Das ABGB wurde in Liechtenstein nicht in einem Rechtsakt eingeführt. Die §§ 531 bis 824 (über das Erbrecht) wurden erst mit der Fürstlichen Verordnung vom 6. April 1846 betreffend die Einführung der §§ 531 bis 824 ABGB[2] in Liechtenstein übernommen.

Das ursprünglich 1812 übernommene Sachenrecht des ABGB (§§ 285 bis 530 ABGB) wurde 1923 durch die weitgehende Übernahme des Sachenrechts aus dem schweizerischen ZGB abgelöst und in einem eigenen Gesetzbuch (SR) geregelt.[3]

Wie auch in Österreich (öABGB) wurde in den Text des ABGB in Liechtenstein in den ersten hundert Jahren kaum eingegriffen. Erst durch die Herausnahme des Sachenrechts aus dem ABGB und den Erlass eines eigenen Sachenrechts (SR) 1923 wurde wesentlich in die Kodifikation eingegriffen. Liechtenstein hat die drei Teilnovellen zum ABGB von 1914, 1915 und 1916 (Österreich) erst sehr viel später und auch nur teilweise übernommen. Durch die weitgehende Einführung des schweizerischen Sachenrechts aus dem ZGB wurde jedoch eine Anpassung an das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch von 1896 teilweise vorgenommen. Weitgehende Reformen des ABGB erfolgten dann erst wieder in den 1970er-Jahren.

Neukodifikationsbestrebungen

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Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestanden Bestrebungen, das liechtensteinische ABGB und weitere aus Österreich übernommene Regelungen durch Neukodifikationen zu ersetzen. Diese Neukodifikationen sollte weitgehend durch die Übernahme schweizerischer Bestimmungen aus dem ZGB erfolgen. Dazu wurde 1923 das Sachenrecht und 1926 das Personen- und Gesellschaftsrecht kodifiziert. Beide Gesetzbücher sollten Teil des zu schaffenden liechtensteinischen ZGB sein.

„Das Projekt eines liechtensteinischen Zivilgesetzbuches wurde bislang, nachdem das Sachenrecht, das Personen- und Gesellschaftsrecht in den 20er Jahren und das Eherecht in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts maßgeblich abgeändert und neu in eigenen Gesetzbüchern in Kraft gesetzt wurde, noch nicht fertig gestellt“[4]

Einteilung des ABGB

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Die Einteilung folgt dem Institutionensystem:

Auch das liechtensteinische ABGB wie das österreichische ABGB begreift unter „Sachenrecht“ das Sachenrecht im heutigen Sinn, das Erbrecht und das Schuldrecht. Die liechtensteinische wie die österreichische Rechtswissenschaft sieht diese Einteilung als historisch an und lehrt das Zivilrecht überwiegend ungeachtet dessen nach dem Pandektensystem.

Den aktuellen Gesetzestext des ABGB (und das gesamte geltende liechtensteinischen Landesrecht) findet sich im LILEX, der Liechtensteinischen Gesetzessammlung (siehe Weblinks).

Soweit die Bestimmungen des ABGB noch in der Urfassung aus 1811 bestehen, gilt es, den historischen Sprachgebrauch bei der Interpretation zu beachten (z. B. „Genugtuung“ = Schadenersatz). Das liechtensteinische ABGB wurde in den letzten Jahrzehnten jedoch, im Gegensatz zum öABGB, sehr weitgehend dem modernen Sprachgebrauch angepasst.

Durch den Umstand, dass viele Bestimmungen des ABGB mit dem österreichischen ABGB übereinstimmen, kommt den Kommentaren zum ABGB aus Österreich und der österreichischen höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine große Bedeutung zu. Dies insbesondere auch, da es in Liechtenstein bislang keinen umfassenden Kommentar zum ABGB selbst gibt. Hinsichtlich der aus der Schweiz übernommenen und implementierten arbeitsrechtlichen Bestimmungen (§ 1173a, Art 1 bis 113 ABGB) wird zudem die schweizerische Lehre und Rechtsprechung zur Auslegung des ABGB herangezogen.

Literaturhinweise zur Vertiefung

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Quellen und Verweise

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  1. Zur Unterscheidung wird in der Praxis, wo dies notwendig ist, das liechtensteinische ABGB oftmals als flABGB oder FL-ABGB bezeichnet und das österreichische ABGB als öABGB. In diesem Zusammenhang wird auf dieser Seite das liechtensteinische ABGB als ABGB und das österreichische ABGB als öABGB bezeichnet
  2. Erbrechtspatent Nr. 3.877
  3. Vgfl. Dazu LGBl. 4/1923. Vgl. dazu auch Antonius Opilio, Arbeitskommentar zum liechtensteinischen Sachenrecht, Band I, EDITION EUROPA Verlag, 2009, S. 39 ff.
  4. Antonius Opilio, Arbeitskommentar zum liechtensteinischen Sachenrecht, Band I, S 39, EDITION EUROPA Verlag, 2009, ISBN 978-3-901924-23-1. Siehe auch den Hinweis in Art 7 Abs. 3 SchlT SR auf die Weitergeltung des ABGB hinsichtlich der Berechnung von Fristen für die Ersitzung „bis zur Revision des Rechtes der allgemeinen Schuldverhältnisse“. Das liechtensteinische Sachenrecht sollte in diesem ZGB den ersten Teil, das Obligationenrecht den zweiten Teil, das Familienrecht den vierten Teil und das Erbrecht den fünften Teil bilden. Das aus Österreich weitgehend übernommene Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) und das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (ADHGB) des Deutschen Bundes sind noch immer in Liechtenstein in Kraft.