Glaube, Gaumenfreuden und Musik: Ich bin blind - na und!
Von Sylvia Lenz
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Über dieses E-Book
Auch die Gaumenfreuden kommen nicht zu kurz. Ebenso beschreibe ich wie man trotz Blindheit im Alltag kocht und im Haushalt zurecht kommen kann.
Ich möchte die Menschen teilhaben lassen an meinem Leben und denen Mut machen, die von einer Krankheit oder Behinderung bedroht sind und sie wissen lassen, dass es trotz Schwierigkeiten und ungünstigen Umständen immer weiter geht. Der Glaube an Gott und Jesus Christus spielt für mich eine wichtige Rolle. Die Musik ist für mich sowohl aktiv als auch passiv ein wichtiges Lebenselexier.
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Buchvorschau
Glaube, Gaumenfreuden und Musik - Sylvia Lenz
Geburt und erste Lebensjahre
Ich wurde am 29.11.1970 als mittleres von drei Geschwistern in Saarburg, Rheinland-Pfalz, durch Toxoplasmose blind geboren. Für meine Eltern, besonders für meine inzwischen verstorbene Mutter, war es ein schwerer Schicksalsschlag. Oft war ich in verschiedenen Krankenhäusern in Trier, Homburg/Saar und Köln und wurde an den Augen operiert. Die Operationen halfen jedoch nicht, dass ich sehen konnte. Für meine Eltern waren die Aufenthalte und Untersuchungen in den Kliniken nicht leicht. In einer der Kliniken wurde ich sogar ohne ihr Wissen von der Augen- in die Kinderklinik verlegt. Dies wurde ihnen erst mitgeteilt, als sie mich besuchen wollten und mich nicht dort fanden, wo ich vorher untergebracht war. An all diese Aufenthalte kann ich mich nicht erinnern, da ich noch zu klein war. Ich lebe jedoch gut damit, da ich mein Leben ja nicht anders kenne, als blind zu sein. Für mich selbst waren die ersten Lebensjahre, soweit ich mich erinnern kann, meist unbeschwert, fröhlich, aber auch anstrengend und ernüchternd, als ich den Kindergarten im Ort Trassem einige Kilometer weiter besuchte. Im Kindergarten ereilten mich die ersten seelischen Verletzungen, sowohl von ein paar Kindern, besonders einem Jungen, der es auf mich abgesehen hatte, dies waren verbale Verletzungen, an die ich mich nicht mehr gut erinnern kann. Ich glaube, es war viel Spott oder sich lustig machen über meine Blindheit. Aber auch von Seiten der Erzieherinnen erhielt ich oft kein Wohlwollen.
Dies gestaltete sich dadurch, dass ich einige Dinge nicht durfte, also nicht am Turnen teilnehmen, nicht in der Bauecke spielen, oft musste ich sogar alleine sitzen, während die anderen diese Dinge taten, was mir sehr weh tat und mich sehr traurig machte. Als ich ungefähr 6 Jahre alt war, wurde im dritten Programm des Südwestfernsehens über mich berichtet, bzw. über das Bilderbuch „Die kleine Wolke Clementine", das damals neu für blinde Kinder auf dem Markt war und es wurde auch erwähnt, wie die Kindergärtnerinnen mit mir verfuhren und auch den anderen, also wenn man laut war, die Arme zu verschränken und still dazusitzen. Es wurde auch erzählt, dass ich nicht mit turnen durfte.
Die erste Verletzung erhielten jedoch meine Eltern, als sie mich im Kindergarten anmelden wollten. Die Leiterin meinte, ich solle doch in die Schule für geistig behinderte Kinder nach Temmels gehen, was eine totale Unverschämtheit und Entgleisung ihrerseits darstellte. Wir versuchten es in einem anderen Kindergarten in Freudenburg, den Ordensschwestern leiteten. Sie hätten mich auch gern aufgenommen, jedoch fuhr kein Bus in den Ort, sodass ich diesen Kindergarten nicht besuchen konnte. Mein Vater war als Milchleistungsprüfer tätig und morgens beruflich dadurch bei den Landwirten unterwegs und meine Mutter hat nie einen Führerschein besessen. Meine Schwester musste ja auch zur Schule. Ich kann mich an den Tag in Freudenburg auch noch ein wenig erinnern und habe mich, soweit ich es noch im Gedächtnis habe, sehr wohl dort gefühlt. Schließlich wurde ich in Trassem aufgenommen, nachdem der dortige Ortsvorsteher eingeschaltet war und der Kindergartenleiterin gedroht wurde, dass ihr gekündigt würde. Zwar war ich zum Glück nicht in ihrer Gruppe, aber sie keifte oft so laut, dass ich sie noch in meinem Raum hören konnte.
In meiner Gruppe war eine Frau, damals sagte man Kindergärtnerin, die Sprachprobleme hatte. Ich kann mich nur an einmal erinnern, wo sie mit mir mit Klebestift etwas auf Pappe oder Papier machte. Einmal beschuldigte sie mich, ich hätte den Kassettenrecorder oder die Kassette kaputt gemacht, obwohl der Recorder nur ausgegangen war. Ihr Patenkind saß bei mir, das natürlich nie etwas Böses tat, nur wir anderen Kinder. So eine Ungerechtigkeit.
Es gab jedoch zwei nette Betreuerinnen und die eine ist heute Leiterin des Kindergartens. Einmal durfte ich sogar mal in die Bauecke, aber da ich keine Anleitung hatte, was ich da tun könnte, warf ich ein wenig die Klötze durcheinander, nachdem ich keine Lust mehr hatte, einfach alle aufzutürmen. Die furchtbare Kindergärtnerin, von der ich bereits erzählte, war an diesem Tag nicht zugegen. Auch kann ich mich an einmal erinnern, wo ich auf einer Schaukel war, die eigentlich nicht mehr ganz in Ordnung war. Darauf war ich natürlich stolz, mal dort zu sein, was für mich nicht erlaubt war.
Mein Bruder kam mit mir in den Kindergarten und mit den meisten Kindern verstand ich mich gut. Ein paar waren aus den Nachbardörfern und wir trafen uns auch außerhalb des Kindergartens bei uns oder den anderen Kindern zu Hause zum Spielen. Dort habe ich mich dann auch meistens gut integriert gefühlt und viel gelacht und alles, was möglich war, mitgespielt. Zum Beispiel: Eins zwei drei vier Ochs-am-Berg; Wir sind die Herrn von Frankenstein; Bei Müllers hat‘s gebrannt-brannt-brannt; Anne Chicago Anne si si, em pom pi; Coloni, colonastik, eben Spiele, die mit singen, laufen oder klatschen zu tun hatten; Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann; verstecken, wo ich mich auskannte oder ich wurde an der Hand geführt und jemand zeigte mir, wo ich mich verbergen konnte. Bei Festen durfte ich auswendig gelernte Gedichte aufsagen, was mich auch sehr freute.
Das erste körperlich schmerzhafte Ereignis trug sich zu, als ich etwa 3 Jahre alt war. Ich spielte im ehemaligen Schulsaal (meine Eltern hatten das ehemalige Schulhaus in unserem Ort gekauft), der seit dem Umbau unser gutes Wohnzimmer darstellte. Mein Vater war gerade dabei, einige Umbaumaßnahmen zu machen, eine Tür stand ausgehängt schräg vor der Kaminöffnung, ich war wohl neugierig, zog und zerrte an der Tür. Da sie natürlich Übergewicht bekam, fiel sie um und ich unter sie. Ich brach mir mein Schlüsselbein, ich glaube, das linke. Ich erinnere mich noch, dass es nach Kaffee roch, dass meine Mutter wohl den Tisch deckte, dass ich geweint habe, vor Schmerzen und Schreck, dass mein Vater sagte: „Sou wei lejen mir disch mol opp dat rut Kösschen" (moselfränkischer Dialekt). Anschließend fuhren wir nach Saarburg zum Krankenhaus, wo ich einen Gips bekam, der sich für mich wie ein Rucksack anfühlte. Ich saß dort auf einer Art Teewagen, als wir auf den Arzt warteten.
Ganz früh war für mich die Musik ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Meine Eltern besaßen ein Röhrenradio, in dem sich unten in einer zu öffnenden Klappe auch ein Plattenspieler befand. Diese Radiomodelle waren in den 60er Jahren,