Der Versuch des südkoreanischen Präsidenten, am 3. Dezember die Demokratie zu stürzen, ist keine improvisierte oder isolierte Tat. Er muss im Zusammenhang mit der Schlägerei im taiwanesischen Parlament im Mai und insbesondere mit der Ernennung eines militaristischen und negationistischen Premierministers in Japan bewertet werden. Wie in der Ukraine und in Israel haben diejenigen, die sich mit Sehnsucht an den Zweiten Weltkrieg erinnern, einen Staatsstreich versucht.
Am 21. August 2024 hat der südkoreanische Parlamentarier Kim Min-seok, Vorsitzender der Demokratischen Partei (Mitte-Links) bekannt, dass Regierungsmitglieder die Verhängung des Kriegsrechts vorbereiteten. Weil dieser Mann eine bewegte politische Karriere hinter sich hatte und wegen Korruption verurteilt worden war, interpretierte die Öffentlichkeit seine angeblichen Enthüllungen als ein Mittel um Aufsehen zu erregen. Er wurde deshalb als "Verschwörungstheoretiker" bezeichnet, während seine Freunde bedauerten, dass er so tief gefallen war.
Die Anschuldigung war tatsächlich etwas groß ausgefallen. Die Demokratie existiert in Südkorea erst seit 1980, nach dem Massaker von Gwangju, bei dem während neun Tagen Tausende Menschen von der Diktatur ermordet wurden. Die Erwähnung eines "Kriegsrechts" weckte daher schreckliche Erinnerungen.
Am 3. Dezember gegen 22 Uhr wurden dennoch alle audiovisuellen Medien darüber informiert, dass der Präsident der Republik, Yoon Suk Yeol, sich zu einem besonderen Anlass an die Nation wenden würde. Um 22h25 übertrugen alle Radio- und Fernsehsender seine Rede live. Er behauptete, die Opposition arbeite mit den nordkoreanischen Kommunisten zusammen. In der vierten Minute erklärte er: "Liebe Bürger, ich erkläre das Kriegsrecht, um die Republik Korea vor kommunistischen Bedrohungen aus Nordkorea und pro-nordkoreanischen staatsfeindlichen Fraktionen zu schützen, die unsere Freiheit und verfassungsmäßige Ordnung untergraben."
Laut dem bereits zitierten Parlamentarier Kim Min-seok wurde das Komplott ausgeheckt von vier Soldaten, ehemaligen Studenten der Hochschule von Chungam; von dem Präsidenten der Republik, Yoon Suk Yeol; von dem Chef seiner Leibgarde, General Kim Yong-hyun, der im August zum Verteidigungsminister beförderte wurde; von Lee Sang-min, dem Innenminister; und Yeo-hy-ung, Direktor der Spionageabwehr. Schüler der 11. Klasse der koreanischen Militärakademie sollen einen zweiten Verschwörungskreis gebildet haben.
Das Kriegsrecht wurde von General Kim Yong-hyun (Verteidigungsminister), dem Kommandeur der 38. Armee, verhängt; General Park Ann-soo (Stabschef der Streitkräfte), Befehlshaber der 46. Armee; General Kwak Jong-geun (Chef der Spezialeinheiten), Kommandeur der 47. Armee; und endlich von General Lee Jin-woo (Militärgouverneur der Hauptstadt), der die 48. Armee befehligt. Die Elemente der mobilisierten Kampfkräfte waren die 707. Brigade der Spezialkräfte, die 1. Luftlandebrigade der Spezialkräfte und die Militärpolizei unter der Leitung der Spezialkräfte.
Die Südkoreaner haben sofort begriffen, dass es die Rückkehr der Diktatur war. Sie stürmten nachts geöffnete Geschäfte und Online-Shops, um Lebensmittelvorräte zu horten.
Um 23 Uhr rief der Vorstand der Nationalversammlung, Woo Won-shik, die Parlamentarier unverzüglich zusammen und erklärte in den sozialen Medien: "Alle Mitglieder der Nationalversammlung müssen sich sofort im Plenarsaal treffen." Die Verfassung gibt der Versammlung tatsächlich die Befugnis, das Kriegsrecht aufzuheben. Doch die Spezialeinheiten waren bereits in das Gebäude eingedrungen und hatten die Türen geschlossen, während ein generelles Verbot politischer Aktivitäten, einschließlich Demonstrationen und Parteiaktivitäten, verhängt worden war. Zur gleichen Zeit drang eine andere Spezialeinheit in die Büros der Wahlkommission ein, beschlagnahmte die Mobiltelefone des Personals und schloss die Ausgänge.
Als sich eine Menschenmenge vor dem Parlament drängte, kletterten die Abgeordneten über den Zaun, um das Kriegsrecht aufzuheben. Gegen 1 Uhr nachts stimmten 190 von 300 Abgeordneten einstimmig für die Aufhebung des Kriegsrechts. Die Spezialeinheiten verließen das Gebäude. Doch erst um 4h20 morgens versammelte sich die Regierung nachts und hob das Gesetz auf. Die Diktatur hatte nicht länger als sechs Stunden gedauert.
Um zu verstehen, was in Seoul passiert ist, muss man sich daran erinnern, dass der Präsident der Republik, Yoon Suk Yeol, nicht nur ein ehemaliger Staatsanwalt ist, der die Korruption bekämpft hat, sondern auch ein Nostalgiker des japanischen imperialen Militarismus. Ende November unterstützte er seinen Botschafter in Tokio nicht, als dieser im Alleingang der koreanischen Sklaven gedachte, die während des Zweiten Weltkriegs von Mitsubishi in den Gold- und Silberminen der Insel Sado ausgebeutet wurden [1].
Man muss also eine Parallele zu den Ereignissen ziehen, die sich im vergangenen Mai in Taiwan ereignet haben. Während der Amtseinführung des neuen Präsidenten der Republik, Lai Ching-te, versuchte das Legislativ-Yuan (Parlament), die Verfassung zu ändern, um das zu verhindern, was gerade in Südkorea passiert war.
Doch die acht [koreanischen] Abgeordneten der Präsidentenpartei verhinderten dies, indem sie ihre Kollegen körperlich angriffen und fünf verletzten.
Das liegt daran, dass Lai Ching-te nicht wegen seiner außenpolitischen Verpflichtungen, sondern wegen seiner ökonomischen Vorstellungen gewählt wurde [2]. Auch er ist ein Nostalgiker des Zweiten Weltkriegs: Während die Kuomintang, die Partei Tschiang Kai-scheks, offiziell für die Wiedervereinigung Chinas warb, wollte sie den Bürgerkrieg wieder aufnehmen. Er repräsentiert den winzigen Bruchteil der Taiwanesen, die den Sieg von Mao Zedong (1893-1976) immer noch ablehnen. Bei seiner Amtseinführung sagte Lai Ching-te: "Ich hoffe, dass China sich der Realität der Existenz [Taiwans] stellen und die Entscheidungen der Menschen in Taiwan respektieren wird. Angesichts der vielen Drohungen und Infiltrationsversuche aus China müssen wir unsere Entschlossenheit unter Beweis stellen, unsere Nation zu verteidigen"; eine Position, die gegen das Abkommen über die Einheit Chinas verstößt.
Die taiwanesischen Geheimdienste beherbergen immer noch die streng geheime "Antikommunistische Weltliga", die 1990 in "Weltliga für Freiheit und Demokratie" umbenannt wurde und während des Kalten Krieges von Generalissimus Chiang Kai-schek und dem Führer der ukrainischen Integralen Nationalisten, Jaroslaw Stezko (ehemaliger Nazi-Ministerpräsident), gegründet wurde. Sie wird jetzt von einem ehemaligen Kuomintang-Generalsekretär, Tseng Yung-chuan, geleitet und immer noch vom Nationalen Sicherheitsbüro finanziert. Den Vorsitz der Asiatischen Liga führt der Diplomat Zeng Yongquan, ehemaliger Generalsekretär der Regierung Taiwans.
Niemand weiß, wie dieses System heute funktioniert. Mit der Ermordung des japanischen Premierministers Shinzo Abe im Juli 2022 wurde jedoch ein Teil des Schleiers gelüftet. Trotz des Versuchs, den Skandal zu vertuschen, ließ die japanische Presse durchsickern, dass er von einem ruinierten Mann getötet worden sei, der ihn beschuldigte, astronomische Summen von der Vereinigungskirche (bekannt als "Mondsekte") gesammelt zu haben. Ein halbes Jahr später stellte sich heraus, dass eine Gruppe von Parlamentariern der Liberaldemokratischen Partei mehr als eine halbe Milliarde Dollar an Bestechungsgeldern angenommen hatte [3].
Die Mehrheit der liberaldemokratischen Parlamentarier Japans stammt aus Erbdynastien. Sie sind in Fraktionen organisiert und nicht um Programme herum. Diese Partei wurde von den Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um Kriegsverbrecher zu recyceln, die nicht vor dem Tokioter Tribunal angeklagt worden waren. Sie hat Japan immer 67 Jahre lang regiert (mit Ausnahme von zwei kurzen Perioden, die insgesamt nicht länger als 4 Jahre dauerten).
Seit dem 1. Oktober ist Shigeru Ishiba japanischer Premierminister. Er ist ein fanatischer Militarist [4]. Er überarbeitete historische Werke, die sich mit dem Yasukuni-Schrein befassen, in dem Japans führende Kriegsverbrecher begraben sind. Er versöhnte die Ehre dieser Militaristen mit der Geschichte Chinas und Koreas. Er scheint noch nie in diesem umstrittenen Heiligtum gewesen zu sein. Er ist ein gunji otaku, d.h. Sammler militärischer Erinnerungsstücke und selbst auch Militarist, obwohl er darauf bedacht ist, seine ausländischen Gesprächspartner nicht zu beleidigen. Ihm zufolge wurde der letzte Krieg für die "gerechte Sache" geführt, Asien von der weißen Herrschaft zu befreien, und die meisten der Kriegsverbrechen, über die in China, Südkorea und Südostasien berichtet wird, seien "Verschwörungen zur Verunglimpfung Japans". Darüber hinaus sagte er, dass die damalige Regierung und das Militär streng dafür verantwortlich gemacht werden sollten, einen nicht zu gewinnenden Krieg zu beginnen.
Wir stehen also vor einer Rückkehr der fernöstlichen Fraktion der Achse Rom-Berlin-Tokio.
Wir haben nichts getan, als die integralen Nationalisten in der Ukraine an die Macht zurückkehrten. Wir haben heute einen Krieg in ihrem Land. Wir haben nichts getan, als die revisionistischen Zionisten in Israel an die Macht zurückkehrten. Wir haben jetzt einen Krieg in Gaza, im Westjordanland, im Libanon, in Syrien, im Irak und im Jemen.
Werden wir auf die Rückkehr japanischer Militaristen an die Macht in Taiwan, Südkorea und Japan reagieren?
[1] "2522 Die japanische militaristische Regierung von Ishiba belebt die Kontroverse mit Korea wieder", Voltaire, internationale Nachrichten - N°110 - 29. November 2024.
[2] "1308 Investitur des separatistischen Präsidenten Lai Ching-te", Voltaire, internationale Nachrichten - N°88 - 24. Mai 2024.
[3] "Gigantischer systemischer Korruptionsskandal der Liberaldemokratischen Partei Japans", Voltaire, internationale Nachrichten - N°66 - 15. Dezember 2023.
[4] "2057 Der Militarist und Revisionist Shigeru Ishiba wird zum japanischen Premierminister ernannt", Voltaire, internationale Nachrichten - N°102 - 4. Oktober 2024.
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