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Eine junge Geisterdame nimmt den Kampf gegen einen Supercomputer auf. Ein Film, der seinem jungen Zielpublikum viel zu wenig zutraut.

Elli - Ungeheuer geheim (2024)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Widerspenstiges Gespenst

Elli möchte kein erschreckendes Gespenst sein, auch wenn ihr Onkel Chamberlain ihr im Swusch- und Buuuh-Unterricht unbedingt alles beibringen möchte, was sie dafür wissen muss. Allerdings wird seine Belehrung der jungen Geisterdame dadurch unterbrochen, dass erst Herr Kürbiskopf panisch an der Tür des Spukhauses klingelt und anschließend geisterjagende Drohnen ins Haus eindringen – im Auftrag des von Menschen geschaffenen Supercomputers „Quantrix“ sollen sie alle „Abnormen“ einfangen.

Wobei „einfangen“ in Elli — Ungeheuer geheim konkret „digitalisieren“ genannt wird, denn Werwölfe, Horntrolle, Mumien und eben Gespenster werden von den Strahlen der Drohnen in „Digits“ zerlegt, dann eingesaugt und anscheinend im Turm von „Quantrix“ wieder zusammengesetzt – nur halt eingesperrt in große, durchsichtige Platten, die wie Glasscherben aussehen.

Dass sich dieses „Digitalisieren“ in der Beschreibung so seltsam anfühlt, könnte entweder ein Effekt der an vielen Stellen schlampig wirkenden Genrevermischung sein, die Piet De Rycker und Jesper Møller in ihrem Kinderfilm vornehmen – hier nicht wirklich tief verstandene modernste Technologie, dort eine nie erklärte Vielfalt an Monsterwesen, die im Grunde ihres Herzens äußerst freundlich sind. Oder es ist ein mehrschichtiger, selbstkritischer Kommentar zum digitalen Herz des Animationsfilms selbst, das Monster einsaugt, in Nullen und Einsen zerlegt und dann gewissermaßen zweidimensional und unbeweglich wieder ausspuckt.

Für die zweite Möglichkeit spräche, dass der Film auch an einigen wenigen anderen Stellen so etwas wie kritische Selbsterkenntnis durchscheinen lässt, wenn etwa Vampir Rolf (gesprochen und gelegentlich auch gesungen von Max Giermann) sich über „dieses ewige Rumgeschreie!“ beschwert und damit ziemlich genau erfasst, was viele Mainstream-Animationsfilme für Kinder mit ihren andauernden Verfolgungsjagden und überdramatisierten Momenten ausmacht. Für die erste Variante allerdings sprechen auch andere Inkonsistenzen in der inneren Logik dieser Welt, in der ein Gespenst durch Wände fliegt und dann unter einem Geröllblock eingeklemmt zu sein scheint.

De Rycker und Møller haben schon einige Animationsfilme gemacht. Ersterer hat schon diverse Iterationen von Lauras Stern hinter sich, deren Vorlage wie bei Elli — Ungeheuer geheim auch von Klaus Baumgart stammt. Entsprechend kindertauglich sind die Themen, um die es auch beim widerspenstigen Gespenst geht: Selbstwirksamkeit, Familie, Zusammenhalt, der Umgang mit überbordenden Gefühlen.

Nachdem ihr Spukhaus zerstört worden ist, bricht Elli auf in die große Stadt, um ihren Onkel zu befreien; auf dem Weg kommt sie auf einem Jahrmarkt vorbei, in dessen Geisterbahn sich passenderweise dreieinhalb Monster vor den „Drohnies“ versteckt halten: Vampir Rolf, Yeti-Dame Martha (trinkt gerne Apfeltee) und Knarf Frankenstein; eine sprechende Kristallkugel ist auch noch dabei, deren Vorhersagen sich auch trefflich als Navigationssystem nutzen lassen.

In den ruhigeren Momenten in diesem Versteck leuchtet die Animationskunst, die in dem Film steckt, mal ein wenig auf: Da wird der Hintergrund unscharf, sind Details zu sehen und zu spüren, bringen Ellis leuchtende Umrisse neue Farben in die Umgebung. Bis zur nächsten Verfolgungsjagd, in der dann wieder zu viel gleichzeitig passiert. Andere Schwächen sind sicher auch eine Ressourcenfrage: Marthas Fell ist natürlich nicht so fein animiert, wie man das zum Beispiel von Pixar-Monstern gewöhnt ist, da erinnert die Struktur doch eher an Plastikfiguren.

Die Dynamik, die sich in der zweiten Filmhälfte dann zwischen den Monstren entwickelt, ist so zwingend wie vorhersehbar. Elli kann die Bande zunächst mit Motivations-Kalendersprüchen zusammenbringen („Nichts ist unmöglich. Wir können es schaffen, wenn wir unsere Kräfte vereinen!“), aber dann zerstiebt die Gruppe in ihre Einzelteile, bevor Elli im großen Showdown ihre besonderen Kräfte zum Einsatz bringen kann.

Die vielleicht nervigsten Bestandteile dieses Finales, und da unterscheidet sich Elli — Ungeheuer geheim kaum von viel zu vielen anderen deutschen Kinderfilmen, sind die noch einmal ausgesprochenen Lehren aus dem Film, die längst durch Bilder und Handlung erklärt worden sind, als seien die jungen Zuschauer*innen so unaufmerksam wie das Tatort-Publikum, dem man alle 20 Minuten noch einmal zusammenfassen muss, was bisher passiert ist. „Du bist eine Heldin!“ – „Wir sind eine Familie!“ – Ja doch, das wissen eigentlich alle, die die letzten Minuten nicht geschlafen haben.

Vielleicht traut der Film seinem eigenen Erzählmodus aber auch nicht über den Weg. Schon die ganze Hintergrundgeschichte um „Quantrix“ und die Jagd auf die „Abnormen“ wird anfangs von Dalia Mya Schmidt-Foß als Elli ausführlich und detailliert erzählt – als gäbe es keine Mittel und Wege, das zu zeigen, anstatt es zu beschreiben. Als gelinge es der Buchverfilmung nicht, sich wirklich ganz und gar als Film zu verstehen.

Elli - Ungeheuer geheim (2024)

Das kleine Gespenst Elli braucht unbedingt ein neues Zuhause. Ihr Onkel Chamberlain ist von geheimnisvollen Drohnen entführt worden und die alte Spukvilla, in der sie mit ihm hauste, ist nicht mehr bewohnbar. Auf ihrer Suche nach Chamberlain kommt sie an einen Ort, an dem sie ihn vermutet: Eine alte Geisterbahn auf dem Jahrmarkt. Ihren Onkel findet sie hier zwar nicht, aber eine illustre Monstergemeinschaft, die dort im Verborgenen lebt: Yeti Martha, Vampir Vangrufti und Knarf Frankenstein. Begeistert sind die drei nicht über den Zuwachs, zumal sie so Gefahr laufen, die Aufmerksamkeit der Außenwelt auf sich zu ziehen. Und in der sind Monster nicht willkommen! Doch Elli lässt sich nicht so leicht abschütteln – zum Glück! Denn als es darauf ankommt, auf einer abenteuerlichen Flucht einen Plan zu schmieden, die Monster zu retten, gegen die fiesen kleinen Drohnen zu kämpfen und ihren Onkel zu befreien, wächst Elli über sich hinaus. Denn manchmal ist der Wunsch nach einem Zuhause so stark, dass man seine Familie sogar dort finden kann, wo man gar nicht gesucht hat.

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