Der wirtschaftliche Schaden durch Spam-Mails allgemein ist immens. Unternehmen müssen in stets aktuelle Sicherheitssoftware und IT-Infrastruktur investieren und der Zeitaufwand für das Trennen wichtiger und unwichtiger E-Mails nimmt stetig zu. Mit zunehmendem Einsatz von Hardware- und Softwarelösungen zur Verminderung des Spam-Aufkommens wächst gleichzeitig die Gefahr, dass wichtige E-Mails versehentlich aussortiert werden. Das Problem der Spam-Mails ist dabei nicht neu, die Inhalte der beworbenen Waren und Leistungen wechseln jedoch ständig. Zunächst wurden eher fragwürdige Waren wie „Wunder-Pillen" oder Fälschungen von Markenartikeln beworben. Hinzu kamen später Angebote, die vermeintlich gut bezahlte Jobs versprachen, in der Regel aber nur dazu dienen sollten, Geldwäschetransaktionen über die in der Regel unwissenden Mittelsmänner abzuwickeln.
Durch den Aktien-Spam wurde diese Palette nun um eine weitere, für Spammer lukrative, Variante bereichert.
Das „Angebot“
In entsprechenden E-Mails werden Aktien als „Geheimtipp“ beworben, die hohe Kursgewinne versprechen. Verwiesen wird beispielsweise auf geheime Informationen gut unterrichteter Börsenmakler, das Bevorstehen von Marketing-Kampagnen sowie neuartige Erfindungen und Patente des Unternehmens. Dabei werden neben den Unternehmensnamen auch stets die Wertpapierkennnummer und fiktive Kursziele genannt, in der Regel gefolgt von der Empfehlung „Strong Buy“. Ziel der Initiatoren ist es dabei, die vorher günstig erworbenen Papiere nach dem durch millionenfache Werbemails erhofften Kursanstieg mit Gewinn weiter zu veräußern.
In der Regel handelt es sich bei den beworbenen Papieren um Aktien tatsächlich existierender Unternehmen. Diese sind jedoch nicht im Bereich der Big Player zu suchen, sondern stammen fast ausnahmslos aus der zweiten oder dritten Reihe des Marktes. Oft handelt es sich dabei um so genannte penny-stocks. Diese Aktien sind aufgrund geringer Preise und niedriger Handelsvolumen besonders anfällig für Spekulationen und Kursmanipulationen. Um dies zu verhindern wurden in Deutschland in den letzten Jahren die Delisting-Regeln verschärft, so dass penny-stocks heute kaum mehr in DAX, TecDax & Co. zu finden sind.
Aktien-Spam per MP3
Eine neue Form von Spam-Mails ist in letzter Zeit insbesondere im Zusammenhang mit Aktien-Spam aufgetreten: die Werbung mittels MP3-Datei. Dabei wird der Werbe-Mail eine Audio-Datei angehängt, in der in eher mäßiger Qualität für den Kauf von Aktien geworben wird. Experten gehen davon aus, dass in nächster Zeit damit zurechnen ist, dass Werbe-Mails auch mit Video-Anhängen versendet werden und die im Oktober zu verzeichnende Welle der MP3-Mails lediglich ein Versuch war, die Akzeptanz und Wirkung dieser neuen Werbeformen auszutesten.
Beinflusst Aktien-Spam die Börsenkurse?
Dass diese Form der Aktienempfehlungen tatsächlich Einfluss auf die Kursverläufe nehmen können, haben beispielsweise Untersuchungen der TU Dresden sowie der Universität Mannheim ergeben. Das Handelsvolumen dieser Billig-Aktien verdoppelte sich in den ersten Tagen der Spam-Welle, der Aktienkurs der beworbenen Unternehmen stieg zudem oftmals deutlich an. In Internet-Foren wird über kurzfristige Kursbewegungen von bis zu 100% in wenigen Tagen berichtet.
In den folgenden Tagen war dann jedoch stets ein Rückgang der Kurse zu verzeichnen. Mit großer Wahrscheinlichkeit war dies bedingt durch Gewinnmitnahmen der Initiatoren der Spam-E-Mails, welche die steigenden Kurse nutzten, um ihre Anteile gewinnbringend zu verkaufen. Die Kurse der beworbenen Aktien sanken oftmals sogar auf Preise, die unterhalb der Kurse vor dem Versand der Spam-Mails lagen. Die beworbenen Käufer wurden hier missbraucht, um den Kurz der Aktie zugunsten der Initiatoren nach oben zu treiben und blieben dann auf den eigenen Kursverlusten sitzen. Die Gewinner sind fast ausschließlich die Versender derartiger Mails sowie einige Wenige, die rechtzeitig ein- und vor allem rechtzeitig wieder ausgestiegen sind.
Die Rechtslage in Bezug auf Aktienspam
Unabhängig vom Inhalt ist das Versenden von Werbe-E-Mails an Empfänger, die dem Empfang nicht ausdrücklich zugestimmt haben, nach deutschem Recht unzulässig. Hier bieten sowohl das Wettbewerbsrecht als auch das Zivilrecht über Unterlassungsansprüche entsprechende Instrumentarien der Sanktionierung. Zudem stuft das im März 2007 in Kraft getretene Telemediengesetz (jetzt Digitale-Dienste-Gesetz). Spam-E-Mails in bestimmten Fällen als Ordnungswidrigkeit ein, die mit einer Geldbuße von bis zu 50.000,- EUR geahndet werden kann.
Im Bereich Aktien-Spam kommen weitere juristischen Fragen auf, etwa nach einer Strafbarkeit der Initiatoren wegen Betrugs gemäß § 263 StGB, soweit bewusst falsche Informationen über Unternehmen verbreitet werden, um deren Aktienkurse zu beeinflussen und daran zu verdienen. In der Praxis lassen juristische Erfolge trotz der eindeutigen Rechtslage allerdings auf sich warten. Dies verwundert jedoch aus zwei Gründen nicht.
Zum einen wäre es für die Geltendmachung juristischer Ansprüche oder Sanktionen zunächst notwendig, die Initiatoren oder Versender zu ermitteln. Schon dies wird in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle mit vertretbarem technischen und zeitlichen Aufwand kaum möglich sein. Hinzu kommt, dass die Absender dieser Werbe-Mails fast ausnahmslos außerhalb Deutschlands und der EU ansässig sind. Einen Unterlassungsanspruch gegen einen (in der Regel nicht einmal identifizierbaren) Absender irgendwo in Mittelamerika durchzusetzen zu wollen, ist jedoch nicht sehr erfolgversprechend.
Das Hauptproblem bei der Bekämpfung von Spam-Mails mit juristischen Mitteln liegt somit nicht an fehlenden gesetzlichen Grundlagen, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass sich der Spam-Problematik kaum durch nationale Gesetze beikommen lässt. Immer wieder diskutierte und teilweise auch umgesetzte Gesetzesverschärfungen zur Spam-Bekämpfung sind somit eher fragwürdige Instrumentarien und im Hinblick auf die Menge der ausländischen Spam-Mails ohne jede praktische Relevanz.
In Einzelfällen wurden in der Vergangenheit jedoch auch juristische Erfolge erzielt. So wurde der so genannte „Spam König" Robert Soloway Anfang 2007 in Seattle verhaftet. Dieser hatte seinen Kunden angeboten, für einen Betrag von rund 500 US-Dollar Werbe-E-Mails an 20 Millionen Adressaten zu versenden. Obwohl Soloway für einen erheblichen Teil des Spam-Aufkommens aus den USA verantwortlich gemacht wurde, hat sich die Zahl der unerwünschten E-Mail-Werbung nach seiner Verhaftung jedoch nicht verringert, sondern im Gegenteil stark zugenommen.
Reaktionen der Börsenaufsicht
Auch auf den massenhaften Versand von Aktien-Spam gab es in letzter Zeit Reaktionen, etwa der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC. Diese hatte Anfang des Jahres die Papiere von mehr als 30 Unternehmen für mehrere Tage vom Börsenhandel ausgesetzt, nachdem bekannt wurde, dass deren Wertpapiere in Spam-E-Mails mit irreführenden Aussagen beworben wurden.
Die in Deutschland für den Handel mit Wertpapieren zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin wurde nach Informationen in entsprechenden Internetforen mehrfach über die Problematik Aktien-Spam informiert, eine entsprechende Reaktion oder Stellungnahme ist bisher aber nicht bekannt.
Die US-Börsenaufsichtsbehörde gab im Zusammenhang mit dem veranlassten Handelsausschluss von „Spam-Aktien“ an, dass sie die Gesamtzahl der Aktien-Spam-Mails auf etwa 100 Millionen pro Monat schätzt.
Fazit:
Das unaufgeforderte Versenden von Aktien-Spam ist nach deutscher Rechtslage ebenso unzulässig wie jede andere Form unaufgeforderte E-Mail-Werbung. Da die Versender jedoch kaum ermittelt werden können und zudem in der Regel außerhalb der EU sitzen, ist die Durchsetzung entsprechender Unterlassungsansprüche in der Praxis nahezu aussichtslos.
Reich werden mit dem Handel der dort beworbenen Aktien wohl nur die Initiatoren der Spam-Welle. Würde niemand die beworbenen Aktien kaufen, würde diese Blase schnell platzen. Allein aufgrund der großen Anzahl der versendeten E-Mails verbunden mit der Erwartung vieler Empfänger, schnell und risikolos Geld verdienen zu können wird jedoch dafür sogen, dass dieses Geschäft auf absehbare Zeit für die Hintermänner sehr lukrativ bleibt.
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